Kinder aus Familien mit Fluchterfahrung und der Bildungs- und Erziehungsplan Hessen Chancen und Herausforderungen für die Kindertagespflege Themen 1. Kindertagespflege und der BEP 2. Kinder aus Familien mit Fluchterfahrungen 3. Herausforderungen 4. Chancen 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 2 In Hessen: Bildungsplan der 2. Generation* * Aussage von Prof. Dr. mult.W.Fthenakis 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 3 Kindertagespflege als Bildungsort 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 4 BEP als Antwort auf zunehmende Vielfalt und Veränderung • Veränderte Herausforderungen an das Bildungssystem • Berücksichtigung von kultureller Diversität und sozialer Komplexität • Globalisierung als Herausforderung für Kommunikation • Inklusion als Voraussetzung für gesellschaftliche Kohäsion 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 5 Neues Verständnis von Bildung im BEP Bildung als sozialer Prozess Das Kind ist von Anfang an in soziale Beziehungen eingebettet. Es gestaltet seine Entwicklung aktiv mit, aber nicht allein ! Das Beziehungsnetz gestaltet sich im reellen wie im virtuellen Raum Qualität entsteht nicht (nur) durch beste Rahmenbedingungen, sondern vor allem durch die Beziehungsgestaltungskompetenz von Eltern und Kindertagespflegepersonen 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 6 Ziele des BEP: Stärkung kindlicher Kompetenzen unbesehen die Ausgangslage 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 7 Kompetenzorientierung von Anfang an Verantwortungsvoll und werteorientiert handelnde Kinder Religiosität und Werteorientierung, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Demokratie und Politik, Umwelt Starke Kinder Emotionalität, soziale Beziehungen, Gesundheit, Bewegung Lebenspraxis Kommunikationsfreudige und medienkompetente Kinder Sprache, Literacy und Medien Lernende, forschende und entdeckungsfreudige Kinder z.B. Mathematik, Naturwissenschaften, Technik 11.10.2016 Kreative, fantasievolle und künstlerische Kinder Bildnerische Darstellung, Musik, Eindruck und Ausdruck Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 8 Folie von Prof.Dr.mult.Fthenakis 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 9 Recht auf Kindertagespflege Kinder aus Familien mit Fluchthintergrund haben einen Rechtsanspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung nach § 22 SGB VIII und Förderung nach § 24 SGB VIII, sobald sie analog § 6 SGB VIII ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. D.h.: vom Zeitpunkt der Aufnahme in einer Folgeunterkunft haben Kinder ab dem ersten Geburtstag bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Für Kinder unter einem Jahr besteht eine – nicht einklagbare – objektivrechtliche Verpflichtung zur Förderung in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege, wenn eines oder mehrere der gesetzlich festgelegten Bedarfskriterien erfüllt sind (§ 24 Abs. 1 SGB VIII). Der Umfang richtet sich dann nach dem entsprechenden individuellen Bedarf (§ 24 Abs. 1 S. 3 SGB VIII). Deutsches Jugendinstitut e.V. (2016): Rechtsexpertise: Flüchtlingskinder und ihre Förderung in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege. München 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 10 Chancen für Kinder aus Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege O Individuelle Betreuung im familiären Rahmen O Feste Bezugspersonen O Kennenlernen anderer Familienkulturen und der gesellschaftlichen Bedingungen durch Kontakt zwischen TPP/Kind/Eltern O Sprachliche Weiterentwicklungschancen des Kindes 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 11 Kinder zwischen Autonomie und Bindung 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 12 Der BEP legt Schwerpunkte auf Autonomie und Demokratie Fähigkeit und Bereitschaft zur Demokratischen Teilhabe Einhalten von Gesprächs- und Abstimmungsregeln Einbringen und Überdenken des eigenen Standpunkts Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext Soziale Kompetenzen Empathie Kommunikationsfähigkeit Teamfähigkeit Konfliktmanagement Zuhören und Aushandeln Fähigkeit und Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme Verantwortung für das eigene Handeln Verantwortung anderen Menschen gegenüber Verantwortung für Umwelt und Natur Entwicklung von Werten und Orientierungskompetenz Gefühl der Zugehörigkeit und Konstruktion des Verständnisses von Realitäten Sensibilität für und Achtung vor Anderssein Solidarität Sozial und ökologisch verantwortlicher Umgang mit der eigenen Handlungsfreiheit Auseinandersetzung mit Religionen 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 13 Kulturelle Modelle - Bildungs- und Erziehungsziele Pole-Positions kultureller Modelle: • Modell der psychologischen Autonomie: Kind als Akteur seiner Entwicklung • Modell der hierarchischen Verbundenheit: hierarchisches Generationenverhältnis; zentrale Werte sind z.B. die soziale Verantwortung, Gehorsam gegenüber den Eltern, Respekt vor Älteren. Dazwischen gibt es viele kulturabhängige Varianten, individuell abhängig von der Herkunft, vom Niveau formaler Bildung und der sozioökonomischen Situation, aber auch von Alter und Familienkonstellation. Nicht die Herkunft macht den Unterschied, sondern die Familienkultur!!!! Die Vielfalt an Familientraditionen und –einflüssen führt dazu, dass es in jedem Land und in jeder Ethnie viele Kulturen gibt. Keller, Heidi (2011): Kinderalltag. Kulturen der Kindheit und ihre Bedeutung für Bindung, Bildung und Erziehung. Berlin: Springer 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 14 Perspektivenwechsel 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 15 Kindertagespflege wird zum Willkommensort wenn …. - eine kultursensitive Haltung selbstverständlich ist: Vorurteilsbewusstheit und Anti-Diskriminierung - Vielfalt erwartet wird und nicht mit „Einfalt“ beantwortet wird: Erziehungsvorstellungen, Entwicklungsziele, Rolle der Eltern und der Fachkräfte, Verständigung, psychische Belastungen ….. - Vorerfahrungen mit Familien mit Migrationsgeschichte nicht vergessen gehen - nicht nur die Bildung im Vordergrund steht, sondern auch Verständnis da ist für das ganzheitliche Sicherungsbedürfnis 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 16 Gewohnheiten und Erfahrungen erkennen Litauen Namibia China Deutschland 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 17 Fremdheit überwinden Aus Kobald/Blackwood (2016): Zuhause kann überall sein. Knesebeck 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 18 Alle Menschen der Welt stammen von den ersten Menschen ab. Wir haben alle dieselben Vorfahren. Unsere Ur-ur-ur-ur- und nochmal 90.000 Ur-Ur-Großeltern haben vor 7 Mio. Jahren in Afrika gelebt. Tuckermann/Schulz (2015): Alle da. Klett-Kinderbuch 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 19 An Gewohnheiten und Erfahrungen anknüpfen http://jamesmollison.com/books/where-children-sleep/ 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 20 Bildung ist Aneignung von Welt(en) • kulturelle Welt („kulturelle Erbe“, Sprache, Wissen, Kenntnisse und Techniken, auch Philosophien, Religion und Überlieferungen) • materiell-dingliche Welt(die äußere Welt der Natur und der von Menschenhand geschaffenen Dinge, des gesellschaftlich Produzierten) • soziale Welt (soziale Ordnung der Gesellschaft, Regeln des kommunikativen Umgangs, die politischen Gestaltung des Gemeinwesens) • subjektive Welt(die eigene Person, die „Innenwelt“ und die eigenen „Körperwelten“) Aneignung erfolgt über dialogische Teilhabe – Kinder, die hier ankommen, sehen sich einer fremden Welt gegenüber 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 21 Bildung als Ko-Konstruktion Ko-Konstruktion als pädagogischer Ansatz heißt, dass Lernen durch Zusammenarbeit stattfindet, also von Fachkräften und Kindern gemeinsam ko-konstruiert wird. Der Schlüssel dieses Ansatzes ist die soziale Interaktion. Wassilios E. Fthenakis (*1937) (Fthenakis, didacta – Kinderzeit 3/2009) 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 22 Ko-Konstruktive Aushandlungsprozesse heute • Eine gewandelte „Philosophie“ im Umgang mit und bei der Bewertung von Diversität • Vom individuellen zum kooperativen Lernen • Ideen aller Kinder ernst nehmen und wertschätzen • Theorien der Kinder als Entwicklung verstehen und nachfragen • Fehler als wichtigen Teil des Lernprozesses verstehen Wertschätzung von Vielfalt an Stelle von Toleranz ! (tolerare = ertragen, aushalten, dulden) Apell zur Toleranz richtet sich an die Mehrheitsgesellschaft. Ko-Konstruktion bedeutet auch Vorurteilsbewusstheit: gleichberechtigte Begegnung, in der sich alle Beteiligten verändern wollen und gemeinsam versuchen, eine neue Qualität des Zusammenlebens zu entwickeln. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 23 Fremdheit als emotionale Erfahrung ko-konstruktiv abbauen Fragen: - Was war der Fluchtgrund? Wie extrem sind die traumatischen Erlebnisse? Antworten • Offenheit, Zugewandtheit, Geduld und ggf. Unterstützung durch Fachpersonen holen - Wie schnell ging die Entscheidung zur Flucht? Konnte von geliebten Menschen Abschied genommen werden? • Bindungen aufbauen, verlässliche Nähe und angemessene Distanz, Begrüßung und Verabschiedung als Schlüsselkompetenz - Sind die Kinder mit ihren Eltern geflohen? Als Familie oder mit einem traumatisierten Elternteil? Wie stark und schützend wirken die Eltern auf ein Kind? • Eltern und Verwandte mit im Blick, Familiengeschichte verstanden? Eltern stärken und begleiten – Trennungs- und Bindungsängste wahrnehmen 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 24 Menschen auf der Flucht Niemand flieht freiwillig. Menschen auf der Flucht sind die unausweichliche Begleiterscheinung von Krieg, Terror, Klimawandel, Ausbeutung oder Vertreibung. • Zur Zeit sind davon weltweit etwa 60 Mill. Menschen betroffen. • 50 Prozent aller Menschen auf der Flucht sind jünger als 18 Jahre. • Im Jahr 2016 wird mit ca. 80.000 Kindern von 0-6 Jahren gerechnet, die neu nach Deutschland kommen werden. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 25 Spezifische Aspekte von Ko-Konstruktionen Ko-Konstruktion bedeutet: jede/r hat die „gleichen“ Chancen der verbalen oder nonverbalen Teilhabe im Lernprozess Chancengerechtigkeit im Kontext Kindertagesbetreuung entwickeln meint die Berücksichtigung von 1. kulturellen Aspekten 2. geschlechtsspezifischen Aspekten 3. persönlichen Aspekten, zum Beispiel besonderen Bedürfnisse (Trauma, Behinderung, Alter, Sprache …) sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 26 Auseinandersetzung mit elterlichen Überzeugungssystemen Bezogen auf • Bedürfnisse von Kindern • Erwartungen, wann ein Kind welche Entwicklungsschritte erreicht haben sollte • Überzeugungen zur Beeinflussbarkeit von Kindern • Erziehungs- bzw. Sozialisationsziele • Überzeugungen zur Wirkung unterschiedlicher Erziehungsstile und spezifischer Erziehungspraktiken (Kalicki 2003; Sigel & McGillicuddy-De Lisi 2002; Goodnow 2002; Super & Harkness 1997; Friedelmeier 1995) 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 27 Besondere Herausforderung: Kultur Die Kultur ist die Brille, durch die wir die Welt sehen. Wir brauchen: • reflektiertes Wissen um die eigenen, persönlichen Vorstellungen und Haltungen • einen kultursensitiven Ansatz und interkulturelle Kompetenz • Kenntnis über elterliche Ethnotheorien und ihr Bild vom (Klein)Kind im Kulturvergleich • Umgang mit als (kulturell) different wahrgenommenen elterlichen Erziehungsvorstellungen und praktiken Tuckermann/Schulz (2015): Alle da! Klett-Kinderbuch 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 28 Die Vision heißt Inklusion Inklusion geht aus von der Gesellschaft vieler Verschiedener, die in allen Bereichen des Lebens selbstverständlich teilnehmen und deren Bedürfnisse ebenso selbstverständlich berücksichtigt werden. Inklusion bedeutet Mitbestimmung und Mitgestaltung für alle Menschen ohne Ausnahme 11.10.2016 Das deutsche Gesellschaftssystem ist bisher von Praxis und der Theorie der Selektion bzw. Integration geprägt. Selektionskriterien sind z.B. Alter, Kompetenzen, Intelligenz, Herkunft und Zugehörigkeit (z.B. für Finanzen, Zuschüsse …) Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 29 Wir nehmen unsere Erwartungen unter die Lupe 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 30 Interkulturelle Kompetenzen • Empathie (Einfühlungsvermögen) • Selbstreflexivität • Fähigkeit zum Perspektivwechsel • Fähigkeit zum Aushalten von Unsicherheiten, Unterschiedlichkeiten und Uneindeutigkeiten • Konfliktfähigkeit • Personenzentriertes Verhalten in Gesprächen • Aktives Zuhören • Stetige Anpassung des eigenen Handlungsrahmens Yoksulabakan, Gülcan / Haddou, Nele: Grundlagen interkultureller Arbeit in Kitas. In: Heidi Keller (Hrsg.): Interkulturelle Praxis in der Kita. Freiburg: Herder 2012, S. 65-78 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 31 Empathie und Spiegelung • Die Fähigkeit sich in das Kind und seine Eltern hinein zu versetzen und die Welt mit ihren Augen zu sehen: o o o o • Spiegelneuronen: Emotionen des Gegenüber empfangen Gefühle Denkstrukturen Überzeugungssysteme Anpassungsstrategien Die Empathie- und Nachahmungskompetenz der Kinder nutzen und einsetzen Empathie üben heißt nicht, dass man mit allem, was das Gegenüber tut, einverstanden ist. Es heißt, die Sichtweise ausprobieren, sich hineinfühlen und für sich eine Entscheidung zu treffen, die kommuniziert werden kann. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 32 Zuhören und Verstehen Erziehungsvorstellungen der Familien sind unterschiedlich! Zuhören und nach Wünschen der Familien mit Fluchterfahrung fragen, statt vorschnell „wissen“, was Kinder aus Familien mit Fluchterfahrung brauchen! Eine wertschätzende Haltung akzeptiert kulturelle Unterschiede und begegnet ihnen mit Neugierde, Sensibilität und Offenheit. Voraussetzung: Persönliche und professionelle Auseinandersetzung mit dem identitätsstiftenden „Eigenen“ und dem tendenziell auch immer identitätsbedrohenden „Fremden“ und „Anderen“. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 33 Interkulturelle Verständigung Aufgabe: Ein Sprachmittlernetz entwickeln Achtung: Selbst Menschen aus dem gleichen Herkunftsland verstehen sich oft nicht. Verständigung mit Händen und Füßen, unterstützt von Bildertafeln oder aus dem Internet gezogenen Wörterbüchern, Sprachführern und Übersetzungsdiensten ist auf Dauer zu ungenau. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 34 Der inklusive Dialog Selbstverständlich begegnen wir uns auf Augenhöhe! 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 35 Hindernisse Die gedankenlose Gleichsetzung von routinemäßigen Arbeiten mit „Verantwortung“ Das Ungleichgewicht von Erwartungen und Fähigkeiten Tunnelblick: Wir sehen nur das, was nicht klappt. Die Erschütterung über Themen wie Flucht und Vertreibung führt meist zu einer Zentrierung auf defizitäre / schreckliche Aspekte. Eltern und Kinder müssen aber in ihrem (neuen) Leben zurecht kommen. Wir unterstützen sie, indem wir den Rückblick nicht verweigern, aber nach vorne blicken. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 36 Akzeptanz und Respekt Wir akzeptieren und respektieren die Besonderheiten von Eltern und Kindern aktives Interesse an ihren Aktivitäten; Sie darin unterstützen, eigene Stärken (und Schwächen) zu erkennen (vor dem Hintergrund des neuen Lebensumfelds!); Zukunftsglauben vermitteln Sie nicht vor Anforderungssituationen bewahren, aber abschätzen, was wir ihnen zumuten können. Bilder aus: Boujon, Claude (2000): La chaise bleue. Ecole des Loisirs Escarbille, le long loup maigre, et Chaboudo, le toutou à courtes pattes 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 37 Wirksames Kommunizieren Wir hören aktiv zu Wir spiegeln: „Ich habe dich gehört!“ Wir haben einen fairen Ton Wir äußern uns nicht als Besserwisser Wir akzeptieren das Temperament des Kindes Wie zeigen unsere eigenen Grenzen auf 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 38 Wir stärken Kompetenzinseln Wir identifizieren die „Kompetenzinseln“ der Kinder und Eltern Wir zeigen unsere Freude an ihrem Erfolg Wir betonen das, was sie von sich aus dazu beigetragen haben Wir lassen ihnen Zeit zur Entwicklung ihrer Stärken 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 39 Eltern mit Fluchterfahrung haben neue Herausforderungen zu bewältigen Tradierte Rollenerwartungen an Vater und Mutter funktionieren nicht mehr: Aufgabe der Väter war vielfach die existenzielle Absicherung der Familien – die der Mütter die gesunde Entwicklung und Ernährung des Kindes. Die Verwandtschaft und das Dorf waren für die moralische Entwicklung zuständig. Nach der Flucht sind diese Rollen oft verändert. (Frauen finden leichter Arbeit als Männer, erleben eine neue Wertigkeit …..) Traditionen werden aber beibehalten, weil sie Rückhalt geben und vertraut sind. Beispiele: „Essen hält Leib und Seele zusammen“ und „Wer weiß, ob es morgen noch etwas zu essen gibt?“ „Männer sind die Oberhäupter der Familien“ und „Respekt vor den Älteren hat Vorrang“ 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 40 Hinter die Fassade schauen Kindlicher (und elterlicher) Eigensinn ist nicht nur ein StörElement, sondern auch ein Schutzfaktor! 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 41 Resilienz aktivieren Schutzfaktoren sind: • Frühe und enge Bindung an mind. einen stabilen Menschen, der sensibel auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht (Eltern, Großeltern, Tagesmutter usw.) • Religiöse Grundüberzeugungen, • Vorbilder zum Umgang mit Fehlern oder zum Umgang mit Neuem Grenzen des Resilienzkonzeptes Stärken und Stabilität können in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich aussehen! Wir sind nicht der Maßstab aller Dinge! Ein an Stärken orientierter Ansatz darf nicht verwechselt werden mit einem ausschließlich an (demokratischen) Lösungen orientiertem Denken. Manchmal gibt es keine Lösung, die uns gefällt. Wir lernen angesichts von Fremdem, mit unbeantworteten Fragen zu leben und die Unsicherheiten auszuhalten. 11.10.2016 Familien mit Fluchterfahrung in der Kindertagespflege _ Regionaltagung Hessen _ Kobelt Neuhaus 43 es gibt noch viel zu tun – Danke für Ihre Aufmerksamkeit Daniela Kobelt Neuhaus Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie