Untersuchungen des kortikalen Glutamatstoffwechsels bei akuten

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Untersuchungen des kortikalen Glutamatstoffwechsels bei
akuten ischämischen Schmerzreizen mit
1H spektroskopischen Bildgebung
A. Gussew 1, R. Rzanny 1, P. Schmidt 2, H.C. Scholle 3, W.A. Kaiser 2,
J.R. Reichenbach 1
1 AG
Medizinische Physik, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie,
2 Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie,
3 Klinikum für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie,
Funktionsbereich Motorik, Pathophysiologie und Biomechanik
Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zielsetzung
Durch PET- und fMRT-Studien konnten in der Vergangenheit bereits wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Lokalisation der kortikalen Verarbeitung nozizeptiver Reize beim Menschen gewonnen werden [1,2]. Da mit diesen
Methoden die neuronale Aktivität aber indirekt über den Glukoseverbrauch bzw. über den Sauerstoffgehalt des
Blutes detektiert wird, bestehen weiterhin Unklarheiten über Umfang und Wechselwirkung der Aktivierung erregender und hemmender Neurotransmittersysteme bei der kortikalen Schmerzverarbeitung. Kenntnisse über die
Aktivität der verschiedenen Neurotransmittersysteme sind jedoch insbesondere für das Verständnis der bei der
Chronifizierung von Schmerzen ablaufenden neuropathologischen Prozesse von großer Bedeutung [3]. Ziel der
aktuellen Studie ist daher die Bestimmung der durch Applikation lokaler Schmerzreize in kortikalen Schmerzzentren hervorgerufenen Konzentrationsänderungen des Glutamats (Glu) mit Hilfe der 2D 1H-MR spektroskopischen Bildgebung (2D 1H-CSI).
Material und Methoden
In einem 3 T Ganzkörper MRT (Trio TIM, Siemens ErlanRuhe-Referenz
gen, Germany) wurden 4 freiwillige, gesunde Versuchsper0 – 9.5 min
sonen (2 weibl./2 männl.; Alter: 23 ± 1 J.) untersucht. Bei
jeder Versuchsperson wurden vier aufeinander folgende 1HReiz
9.5 – 19 min
CSI-Messungen (TA: 9,5min) als dynamische Serienmessung durchgeführt. Während die erste, dritte und vierte MesRuhe
sung jeweils unter Ruhebedingung stattfand, wurde während
19 – 28.5 min
der zweiten Messung ein akuter ischämischer Schmerzreiz
durch vollständige Unterbindung der Blutzirkulation unterRuhe
halb des linken Oberarms appliziert (Abb. 1, rechts). Dazu
28,5 – 38 min
wurde der Druck einer oberhalb des Ellenbogen angelegten
Blutdruckmanschette (Abb. 1, links) solange erhöht, bis der Abb. 1 Anordnung zur Applikation ischämischer
Reize.
anwesende Radiologe keinen Puls am Handgelenk mehr
feststellen konnte. Zur Aufrechterhaltung des Reizes wurden
R
L
die untersuchten Personen angewiesen, mit der linken Faust
-1
periodische Pumpbewegungen (Rate ca. 20 min ) auszuführen. Für MR-spektroskopische Messungen wurde eine hyb1
ride
2D
PRESS
H-CSI
Sequenz
verwendet
(TR/TE=2000/30ms, manueller Shim, H2O-Sättigung). Die
CSI-Schicht (Schichtdicke: 10mm; FOVAP×LR: 240×160mm²;
Matrix: 16×16) wurde anhand T1-gewichteter MR-Bilder in
drei Orientierungen zuerst symmetrisch zum Hemisphäb)
renspalt positioniert, anschließend parallel zur Verbindungs- a)
linie zwischen Commissura anterior und Commissura posteAbb. 2 Position der CSI-Schicht in sagittaler (a)
rior ausgerichtet und zuletzt 12 mm nach kranial verschoben und transversaler (b) Ansicht. Die selektierten
(Abb. 2). Somit wurden die aus fMRT Untersuchungen be- Voxel im Th und IC dargestellt sind rot dargekannten Schmerzzentren Thalamus (Th) und insulärer Kortex stellt.
(IC) gleichzeitig erfasst. Zur Minimierung von Einfaltungsartefakten durch subkutanes Fett wurden zusätzlich sechs um das angeregte PRESS-Volumen lokalisierte Sättiger
eingesetzt.
Die quantitative Auswertung der Spektren erfolgte mit dem LC-Model [4] unter Verwendung der bereitgestellten
Basissätze der im Spektrum enthaltenen Metaboliten. Zur Bewertung der Spektrenqualität wurden das SNR und
die Halbwertsbreite (FWHM) des CH3-Singuletts des NAA(2,01 ppm) mitprotokolliert. In die nachfolgende Bewertung der Ergebnisse gingen nur die CSI-Voxel ein, in denen bei allen vier Messungen die Cramer-Rao-
Lower-Bound Werte (CRLB Werte) für die Glu-Intensität (%SDGlu) kleiner als 20% waren. Prozentuelle Änderungen der Glu-Intensität (CGlu) im Verlauf der vier Messungen wurden individuell für die in den Subbereichen
von Th und IC lokalisierten Voxel (Abb.2b) untersucht, wobei die in der aktuellen Messung bestimmte GluIntensität auf die Intensität der Ruhereferenzmessung (1. Messung) bezogen wurde. Die kontra- bzw. ipsilateral
zur stimulierten Körperseite gelegenen Anteile dieser Regionen wurden getrennt voneinander betrachtet.
Ergebnisse
 CGlu [%]
 CGlu [%]
 CGlu [%]
 CGlu [%]
Die subjektiv wahrgenommene Schmercontralateral
ipsilateral
zintensität wurde von allen untersuchten Persoa)
60
60
nen mit Werten von 8 bis 9 auf der 10-Punkte
40
40
umfassenden Visuell-Analogen-Schmerzskala
(VAS [5]) bewertet. Der empfundene Reiz
20
20
wurde als tiefer, dumpf wirkender Schmerz be0
0
schrieben, der verzögert zum Startpunkt der
-20
Stimulation mit langsam zunehmender Intensi-20
1. Ruhe
2. Reiz
3. Ruhe
4. Ruhe
1. Ruhe
2. Reiz
3. Ruhe
4. Ruhe
tät einsetzte und nach Wiederherstellung der
Blutzirkulation (Endpunkt der Stimulation)
contralateral
ipsilateral
b)
noch ca. 1 bis 2 min bestehen blieb. Das mittle60
60
re SNRNAA betrug im Th und IC 11,0 ± 1,5 bzw.
40
40
14,3 ± 3,0. Für FWHMNAA wurden Mittelwerte
20
20
von 8,9 ± 2,5 Hz im Th und 9,6 ± 3,5 Hz im IC
bestimmt. Bei einem Probandendatensatz wurde
0
0
aufgrund des geringen SNR und der hohen
-20
-20
CRLB Werte die Thalamus Messung von den
1. Ruhe
2. Reiz
3. Ruhe
4. Ruhe
1. Ruhe
2. Reiz
3. Ruhe
4. Ruhe
nachfolgenden Bewertungen ausgeschlossen.
Die aus den Datensätzen der verbleibenden drei
Probanden errechneten Glu-Intenitäten wiesen Abb. 3 Verlauf der auf die Ruhe-Referenz-Messung (1. Messung)
normierten Glu-Intensitäten während und nach der Stimulation
einen mittleren %SDGlu-Wert von 14,5 ± 3,6 auf. bei einzelnen Probanden/-innen (farblich markiert) im IC (a)
Dagegen erfüllten alle im IC akquirierten Daten- und im Th. (b)
sätze das Gütekriterium %SDGlu < 20 (mittlerer
%SDGlu-Wert: 12,5 ± 3,0). Die in Abb. 3 zusammengefassten individuell für die einzelnen Kontrollpersonen
extrahierten Verläufe zeigen die prozentualen Glu-Intensitätsänderungen während und nach Schmerzapplikation
im Vergleich zum Ruhe-Referenzzustand in den untersuchten vier Hirnregionen. Auffallend sind die bis zu 50%
erhöhten Glu-Intensitäten während der akuten Schmerzphase im IC ipsilateral zur gereizten Körperseite sowie
im contralateralen Th.
Diskussion
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bei Applikation starker akuter Schmerzreize in den Schmerzzentren Th
und IC Änderungen der kortikalen Glu-Konzentration 1H MR-spektroskopisch nachweisbar sind. Aufgrund der
starken interindividuellen Variation der gemessenen Änderungen (Abb. 3) konnte jedoch in keinem der untersuchten kortikalen Schmerzzentren ein einheitliches Aktivierungsmuster bestimmt werden. Eine Ursache hierfür
liegt möglicherweise in Unterschieden der subjektiven Schmerzwahrnehmung der untersuchten Probanden. Eine
weitere Unsicherheit resultiert aus der relativ langen Reizzeit von 9,5 min, bei der einsetzende kognitive Adaptionsprozesse das Ergebnis beeinflussen. Interindividuelle Unterschiede der Adaption könnten ebenfalls zu einer
höheren Streuung der Messwerte beitragen. Nicht zuletzt wird die Genauigkeit der Ergebnisse auch durch die geringe räumliche Auflösung der verwendeten CSI-Sequenz beeinträchtigt. Die hiermit verbundenen Partialvolumeneffekte führen zu einer Verschlechterung der Detektierbarkeit der Glu-Änderungen in den aktiven neuronalen Zentren. Eine bessere Reproduzierbarkeit der Ergebnisse könnte durch eine verbesserte Standardisierung der
Versuchsdurchführung und durch die Vermeidung von Adaptionsprozessen erreicht werden, indem zeitlich präzise, wiederholte Kurzreize (z.B. Hitzereiz) appliziert werden, welche in Kombination mit Einzelvoxeltechniken
die Untersuchung von Änderungen der Glu-Konzentrationen mit einer Zeitauflösung von weniger als 1 Sekunde
ermöglichen würden.
Literatur
[1] Peyron R et al, Neurophysiol Clin 2000, 30: 263-288;
[2] Apkarian AV et al, European Journal of Pain 2005, 9: 463–484;
[3] Borsook D et al, Molecular Pain 2007, 3:25;
[4] Provencher SW, Magn Reson Med 1993, 30: 672-679;
[5] Melzack R, Anesthesiology 2005, 103:199–202
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