Stefan Greß Regulierter Wettbewerb im

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Stefan Greß
Regulierter Wettbewerb im
Krankversicherungssystem der Niederlande
13. Autorentreffen der Zeitschrift Sozialer Fortschritt am 7./8. Oktober 1999 in Sinzig
Version vom 20.03.2001
Stefan Greß: Regulierter Wettbewerb im Krankenversicherungssystem der Niederlande
Seite 1
Evaluation von Gesundheitsreformen
Gesundheitsreform
Zielerreichung
Veränderte Anreize
Verhalten Akteure
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Krankenversicherung vor der Reform
•
•
ZFW
•
•
•
AWBZ
•
kurative Akutversorgung
ambulante und stationäre
Versorgung
umfassendes und
standardisiertes Leistungspaket
öffentliche und private
Versicherungen
Langzeit- und psychiatrische
Versorgung
öffentliche Regulierung von
Kapazitäten und Preisen
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Problemanalyse
• Komplexität des Finanzierungssystems verhindert Substitution
– zwischen Sektoren der Gesundheitsversorgung
– mit angrenzenden Sektoren (z. B. Alters- und Pflegeheime)
• Teilung in öffentliche und private Krankenversicherung ist
ineffizient
– unzureichende Anreize für Krankenkassen zur Verbesserung von
Effizienz und Kosten-Effektivität der Gesundheitsversorgung
– nicht akzeptable Risikoselektion der privaten Versicherer
• öffentliche Regulierung mit dem Ziel Kostendämpfung unter
Druck
– Maßnahmen entweder ineffektiv oder gar kontraproduktiv
– mangelnde gesellschaftliche und politische Akzeptanz
– unzureichende Anpassungsfähigkeit an wachsende
Herausforderungen
– Krankenversicherung von Kürzungen bislang weitgehend verschont
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Zieldefinition
•
•
•
•
•
•
•
verbesserte Substitution
Beibehaltung oder Verbesserung der Versorgungsqualität
Garantie des bedarfsgerechten Zugangs
verbesserte Effizienz der Versorgung durch Wettbewerb
Begrenzung öffentlicher Regulierung
Kostenkontrolle
beschränkter Einfluß auf Einkommensverteilung
! Schaffung eines Gesundheitssystems, das den sozialen
Charakter von Gesundheitsversorgung mit wirkungsvollen
Mechanismen zur Garantie von Kosten-Effektivität und Effizienz
verbindet
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Reforminstrumente und ihre Realisierung I
Volksversicherung
Vor Dekker
Plan Dekker
Plan Simons
Nach Dekker
• Volksversicherung für • stufenweise Einglie• obligatorische öf• schrittweise faktische
Basispaket mit 85
fentliche Versichederung der aller LeiKonvergenz öffentliProzent des bisherirung für Beschäftigte
stungen in die AWBZ
cher und privater Vergen Umfangs mit
unter der Einkom(95 Prozent des Basicherer
funktionaler
Bemensgrenze
sispakets)
• Einführung und Abschreibung der Lei• freiwillige Privatver• separater Entscheischaffung Selbstbeteilistungen zur Fördesicherung für Bedungsprozeß für jede
gungen
rung von Substitution
schäftigte oberhalb
einzelne Leistung
• Rückführung der Arzder Einkommens(Eingliederung Arzneimittel in ZFW 1996
grenze
neimittel 1992)
• Ausgliederung Zahn• Volksversicherung
heilkunde und Teile
für Langzeitversorvon Heilmitteln
gung
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Reforminstrumente und ihre Realisierung II
Beitragsfestsetzung
Vor Dekker
Plan Dekker
• einkommensabhängig • einheitliche Beitragsberechnung
er Beitrag für öffent(nominale nicht risilich Versicherte
koabhängige Prämie
• risikoabhängige Präplus einkommensabmie privat Versicherhängiger Beitrag)
te
Plan Simons
Nach Dekker
• Einführung der nomi- • nominale Prämie in öfnalen Prämie in der
fentlicher Versicherung
öffentlichen Versichebeibehalten
rung als erster Schritt • weiterhin risikoabhänauf dem Weg zu eingige Prämie in der priheitlicher Beitragsbevaten Versicherung
rechnung
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Reforminstrumente und ihre Realisierung III
Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungen
Vor Dekker
Plan Dekker
• öffentliche Versiche- • Aufhebung des Unrungen: regionale
terschieds zwischen
Monopole ohne
öffentlichen und priWettbewerb, keine
vaten Versicherungen
finanzielle Verant(Kontrahierungswortung, keine selekzwang, Budgetierung
tive Vertragsgestalüber risikoabhängige
tung mit Anbietern
Kopfpauschalen)
möglich; festgelegt
• Wettbewerbsparame
Tarife mit Anbietern
ter: nominale Prämie,
Zusatzversicherung
• private Versicherungen: hohe Wettbeund selektive Verwerbsinstensität
tragsgestaltung mit
profitorientierter
freiberuflichen amUnternehmen
bulanten Anbietern
Plan Simons
Nach Dekker
• schrittweise Einführung der Budgetierung
• schrittweise Erhöhung
der finanziellen Verantwortung der öffentlichen Versicherungen
• selektive Vertragsgestaltung für ambulan- • Beibehaltung der selektiven Vertragsgestalte Anbieter
tung, der Maximumta• Aufhebung der regiorife und der landesweinalen Monopole
ten Aktivität der Kran• Einführung von Makenkassen
ximumtarifen statt
festgelegter Tarife
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Ursachen für unvollständige Implementation
• Widerstand der Interessengruppen: “von Konsens zu Nonsens”
– nach Konsens über den Dekker-Plan Widerstand gegen SimonsPlan (vor allem von privaten Versicherungen und Arbeitgebern)
– durch korporatistischen Charakter der Politikarena hohe Dichte von
Vetospielern und Vetopositionen (parlamentarische Untersuchung)
• Komplexität der Implementation
– schrittweise Implementation führte zu hoher Angreifbarkeit
einzelner Schritte
– hohe technische Komplexität (insbesondere Formel für
Risikoausgleich und Definition Standardpaket)
• reduzierter Problemdruck
– separate Gesetzgebung im privaten Versicherungsmarkt reduzierte
durch Standardverträge Risiokoselektion
– kein dringendes Bedürfnis für rasche Reform in der Bevölkerung
! trotz aller Probleme relativ weitreichende Gesetzesänderungen
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Krankenversicherung nach der Reform
Zusatzversicherung
ZFW
•
•
•
Zahnheilkunde für Erwachsene
diverse Heilmittel
freier Wettbewerb privater
Versicherer
•
•
kurative Akutversorgung
ambulante und stationäre
Versorgung
regulierter Wettbewerb
öffentlicher und privater
Versicherer
•
•
AWBZ
•
Langzeit- und psychiatrische
Versorgung
öffentliche Regulierung von
Kapazitäten und Preisen
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Anreize im regulierten Wettbewerb
Versicherter
Krankenversicherer
Anbieter
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Veränderung der Anreize I
Verhältnis Krankenkassen zu Anbietern
Idealm odell
U m setzung N iederlande
Preiswettbewerb zwischen Anbietern
Ja, allerdings beschränkt durch gesetzlich festgelegte
Höchstpreise
Selektive Vertragsgestaltung
Ja, allerdings nicht für stationäre Einrichtungen
Direkter Einfluß der Krankenkassen auf
Kapazitätsplanung
Nein
W irksame W ettbewerbspolitik
H ohes finanzielles Risiko für Krankenkassen
Seit 1998 neues W ettbewerbsgesetz, mit einer Reihe
von zeitlich beschränkten Ausnahmeregelungen für das
Gesundheitswesen
35% des Budgets (einschl. KH-Investitionen)
Risikostrukturausgleich über risikoabhängige
Kopfpauschalen
Festlegung einer prospektiven Kopfpauschale nach Alter,
Geschlecht, Region und Erwerbsstatus
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Veränderung der Anreize II
Verhältnis Versicherte zu Krankenkassen und Anbieter
Idealmodell
U msetzung N iederlande
Exit-O ption für Versicherte
Jährlich für zwei Monate zum Jahresende durch
landesweite Tätigkeit der Krankenkassen
U mfassende Informationen der Versicherten
hinsichtlich Preis und Q ualität
zunehmend öffentliche Information über Höhe der
nominellen Prämien; unzureichende Informationen über
Qualität der Versorgung
Standardisiertes Leistungspaket
Ja
Angebot von Z usatzversicherungen
Ja
Preiswettbewerb zwischen Krankenkassen
Ja, allerdings beschränkt auf nominelle Prämie und
Zusatzversicherungen
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Mögliche Verhaltensänderungen
erwünschte Effekte
Reformziele
erwartete Effekte
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Veränderung des Verhaltens I
• Krankenkassen-Anbieter
– neues Managementparadigma bei Versicherern und Anbietern
durch
• Unsicherheit im Hinblick auf Einkommen und Marktanteile
• Eintritt neuer Marktteilnehmer
• erhöhtes finanzielles Risiko
– formale Fusionen, informale Konglomerate und regionale Monopole
mit hohen finanziellen Reserven
• zwischen öffentlichen Versicherern
• zwischen öffentlichen und privaten Versicherern
• zwischen Versicherungsunternehmen und Banken
– horizontale und vertikale Konzentration stationärer Anbieter
– kaum Anzeichen für individuelle Verträge mit Anbietern, sondern
regionale Verhandlungen zwischen Anbieterorganisationen und
regionalen Marktführern der Krankenversicherer
– kaum Abweichungen von Maximalpreisen
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Veränderung des Verhaltens II
• Krankenkassen - Versicherte
– geringe Prämienunterschiede (ca. 100 NLG p. a. in 1999)
– nur geringer Anteil von Versicherten außerhalb der vorherigen
Gebietsmonopole, allerdings mit steigender Tendenz (ca. 10% in
1998)
– Wettbewerb weniger um individuelle Verträge sondern um
Kollektivverträge mit Arbeitgebern (employee benefits)
• zur Verhinderung dieser Form von Risikoselektion wurde der
Erwerbsstatus in die Ausgleichsformel aufgenommen
• selektives Marketing
• Bildung von Informationsmonopolen
– hohe Wettbewerbsintensität bei Zusatzversicherungen
• hohe Profitabilität
• Koppelung an Basispaket
• lange Laufzeiten
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Veränderung des Verhaltens III
• Anbieter - Versicherte
– traditionelle Grenzen zwischen ambulant und stationär
durchlässiger
– Vorzugsbehandlungen für Beschäftigte
• quantitativ bislang wenig bedeutend
• qualititativ eklatanter Vertoß gegen gleichberechtigten Zugang
– Selbstbeteiligungen
• inzwischen wieder abgeschafft da Kosten höher als Nutzen
• überproportionaler Rückgang der Inanspruchnahme unterer
Einkommensgruppen nur bei Arzneimitteln (geringe Höhe)
– kaum messbare Effekte im Hinblick auf
• Gesundheitszustand der Bevölkerung sowie
Inanspruchnahmeverhalten
• unterschiedliche Einkommens- und Bildungsniveaus sowie
Versicherungsstatus
• insgesamt sehr hohe Zufriedenheit mit gesundheitlicher
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Versorung
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Ursachen für Verhaltensänderungen I
• Widerspruch zwischen Wettbewerb und Kostendämpfung
– Beschränkung der Kapazitäten durch öffentliche Regulierung
– Regierung will Verantwortung für Kostenkontrolle nicht an
Krankenversicherer abgeben
– regulierter Wettbewerb kann keine Kostenkontrolle auf Makroebene
sondern wirtschaftlichen Mitteleinsatz auf Mikroebene sicherstellen
– Überkapazitäten als Voraussetzung für individuelle Verträge und
Preiswettbewerb und Anbietern
• Mängel in der Wettbewerbsordnung
– geringes finanzielles Risiko der Krankenkassen
– geringer Anteil der Prämie als preislicher Wettbewerbsparameter
– kein direkter Einfluß auf Kapazitätsplanung durch
Krankenversicherer
– keine wirksame Wettbewerbspolitik trotz neuen
Wettbewerbsgesetzes
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Ursachen für Verhaltensänderungen II
• hohe Akzeptanz regionaler Kooperation
– hohe Transaktionskosten des Wettbewerbs
• Informationsverluste bei landesweiten Verhandlungen mit
Anbietern
• erhöhte Administrationskosten für Anbieter und Versicherer
– hohes Maß an Kooperation zwischen Anbietern (Bsp.:
Notfalldienste für Hausärzte) und hohes Maß an verbandlicher
Organisation
– enge Bindung der Versicherten insbesondere an Hausärzte
• unerwartet hohe Antizipationsfähigkeit der Akteure
– allerdings nicht immer in der gewünschten Richtung
– kontinuierliche Nachregulierung der Reforminstrumente
• Privatisierung der Krankengeldversicherung
– bei Existenz von Wartelisten doppeltes Interesse der Arbeitgeber
an Krankenversicherung
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–
Bestandteil
von
employee
benefits
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Bezugspunkte für Zielerreichung
Beschluss
über Reformen
Ende der
Implementation
Beginn der
Implementation
Zeitpunkt
der
Evaluation
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Zielerreichung I
• verbesserte Substitution
– Integration umfassender Versicherungsleistungen (funktionale
Beschreibung) in eine Volksversicherung nicht erreicht
– dennoch zunehmende Aufhebung der Trennung von ambulanter
und stationärer Leistungen durch Konzentrationsprozeß von
Anbietern
• Beibehaltung oder Verbesserung der Versorgungsqualität
– weitgehend wirksame Überwachung hoher Qualitätsstandards
(Kombination aus professioneller Selbstkontrolle, öffentlicher
Überwachung und starken Patientenorganisationen)
• Garantie des bedarfsgerechten Zugangs
– Wartelisten durch Verknappung des Angebotes
– Verletzung von Gleichheitsgrundsätzen durch bevorzugte
Behandlung
– Risikoselektion in Ansätzen erkennbar
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Zielerreichung II
• verbesserte Effizienz der Versorgung durch Wettbewerb
– kein Wettbewerb bei Langzeitversorgung
– geringe Wettbewerbintensität bei Akutversorgung
– hohe Wettbewerbisntensität bei Zusatzversicherungen
• Begrenzung öffentlicher Regulierung
– Einfluß auf Preise und Kapazitäten de facto unverändert
– Regulierung des Wettbewerbs als zusätzliche öffentliche Aufgabe
• Kostenkontrolle
– Rückgang des Anteils für Gesundheitsausgaben am BIP
– kontinuierlicher Anstieg der Beiträge und nominalen Prämien
• beschränkter Einfluß auf Einkommensverteilung
– regressiver Effekt durch nominale Prämien in ZFW und
Zusatzversicherung
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Zusammenfassung
• deutliche Reduzierung der Reichweite der Reformen während
des Reformprozesses
– hohe Dichte von Vetopositionen und Vetospielern
• dennoch vergleichweise weitreichende Veränderung der
Anreize
– individuelle Vertragsgestaltung und Aufgabe regionaler Monopole
• schwache Verbindung zwischen veränderten Anreizen und
erwünschten Verhaltensänderungen
– antizipatives Verhalten der Akteure
– starke gesellschaftliche kooperative Tradition
• Zielerreichung nicht nur von Reformen in Richtung regulierten
Wettbewerbs abhängig
– Widerspruch Kostendämpfung und regulierter Wettbewerb
– Privatisierung soziale Sicherung
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Einfluß der Reformphasen auf Reformziele
Reformbeschluß
Veränderung
Anreize
Veränderung
Verhalten
Zielerreichung
Zeitpunkt
der
Evaluation
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