INSTITUT FÜR STOCHASTIK UNIVERSITÄT KARLSRUHE Priv.-Doz. Dr. D. Kadelka Dipl.-Math. W. Lao SS 2009 Blatt 6 Übungen zur Vorlesung Stochastische Prozesse Musterlösungen Aufgabe 27: Sei X eine R+ -wertige Zufallsvariable. Dann heißt die Funktion L(t) := LX (t) := Ee−t·X , t ≥ 0 die Laplace-Transformierte von X, wobei 0 · ∞ := 0. Zeigen Sie a) LX (0) = 1, limt↓0 LX (t) = P(X < ∞) und limt→∞ LX (t) = P(X = 0). b) LX ist nicht steigend und stetig auf (0, ∞). Gilt zusätzlich P(0 < X < ∞) > 0, so ist LX strikt fallend. c) Sind X und Y unabhängige, R+ -wertige Zufallsvariable, so gilt LX+Y (t) = LX (t) · LY (t), t ≥ 0. d) Sei P(X < ∞) = 1. Dann ist LX auf (0, ∞) beliebig oft unter dem Integralzeichen differenzierbar, d.h. für k ∈ N0 gilt (k) LX (t) = (−1)k E(X k e−t·X ), t>0 und es gilt (k) lim LX (t) = (−1)k · EX k . t↓0 Lösung: a) Nach Definition gilt LX (0) = Ee0 = 1. Ferner gilt limt↓0 LX (t) = E limt↓0 e−tX = E1{X<∞} = P(X < ∞) nach dem Satz von der monotonen Konvergenz. Ähnlich folgt mit Lebesgue’s Satz von der dominierten Konvergenz limt→∞ LX (t) = E limt↑∞ e−tX = E1{X=0} = P(X = 0). b) Da t → e−tX nicht steigend ist, gilt Entsprechendes für den Erwartungswert. Sei tn → t in (0, ∞). Dann gilt auch limn→∞ e−tn X(ω) = e−tX(ω) für alle ω ∈ Ω (auch falls X(ω) = 0 oder X(ω) = ∞ gilt) und aus dem Satz von der dominierten Konvergenz folgt die zweite Behauptung. Schließlich ist t → e−t·x für x ∈ (0, ∞) strikt fallend. Gilt also P(0 < X < ∞) > 0, so ist Ee−tX = P(X = 0) + E[e−tX | 0 < X < ∞] · P(0 < X < ∞) strikt fallend in t für t ∈ (0, ∞). c) LX+Y (t) = Ee−t(X+Y ) = E(e−tX · e−tY ) = Ee−tX · Ee−tY = LX (t) · LY (t) wegen der Unabhängigkeit von X und Y . d) Für k = 0 folgt die erste Aussage unmittelbar aus der Definition. Sei jetzt die erste Behauptung gültig für k ∈ N0 . Wir wenden SII, 4.9 an (Differentiation unter dem Integralzeichen) mit U := (ǫ, ∞) für ein beliebiges, festes ǫ > 0 und f (t, x) := xk · e−t·x . Dann ist (i) und (ii) von SII, 4.9 erfüllt und es gilt −f ′ (t, x) = xk+1 · e−t·x ≤ c · e−(ǫ/2)·x , x ≥ 0, t ∈ U, für ein geeignetes c > 0 wegen limx→∞ xk+1 · e−(ǫ/2)·x = 0. Setzt man h(x) := c · e−(ǫ/2)·x , (k) so ist auch (iii) von SII, 4.9 erfüllt. Es ist daher t → LX (t) auf U differenzierbar und es gilt gerade die erste Behauptung von d). Die zweite Behauptung folgt schließlich aus dem Satz von der monotonen Konvergenz. Aufgabe 28: Zeigen Sie: Sei (N (k) ) ein PPP(η (k) ), k ∈ K abzählbar, und die (N (k) ) stochastisch unabhängig. Dann ist N mit X N(B) := N (k) (B), B ∈ S, k∈K ein PPP(η), falls K endlich ist oder falls η := beschränkte B ∈ S endlich sind. P k∈K η (k) lokal-endlich und alle N(B) für Lösung: Wir zeigen, dass (7.6) von Satz 7.34 erfüllt ist. Sei zuerst K endlich. Dann gilt wegen der Unabhängigkeit der N (k) Ee−N (f ) = Ee− P k∈K N (k) (f ) = Y Ee−N (k) (f ) = k∈K Y e− R (1−e−f )dη(k) = e− R (1−e−f )dη k∈K und die Behauptung. Ist K unendlich, so kann K = N vorausgesetzt werden. (7.6) folgt dann aus (7.6) für K = {1, . . . , n}, dem Satz von der dominierten Konvergenz und SII, 3.18. Bem.: Im Skriptum findet sich eine erweiterte Version von Aufgabe 28, bei der auf die Voraussetzung, dass N(B) für beschränkte B endlich ist, verzichtet wird (Satz 7.40). Aufgabe 29: Sei N der Poissonsche Punktprozess PPP(µ · λ2 ) in R2 mit µ > 0. Sei X für einen festen Punkt x ∈ R2 der euklidische Abstand von x zu dem nächstgelegenen Punkt von N. a) Bestimmen Sie die Verteilungsfunktion von X. b) Berechnen Sie EX. Lösung: Hier ist (S, d) = (R2 , d) mit der euklidischen Metrik d. Sei ǫ > 0 und Bǫ := Bǫ (x) := {y ∈ R2 : d(x, y) ≤ ǫ} die abgeschlossene ǫ-Kugel um x. Dann gilt Bǫ ∈ S := B2 und N(Bǫ ) ∼ P o(µ · λ2 (Bǫ )) = P o(µ · πǫ2 ) a) X ≤ ǫ gilt genau dann, wenn mindestens ein Punkt von N in Bǫ liegt. Entscheidend hierfür ist, dass in jeder ǫ-Umgebung von x nur endlich viele Punkte von N liegen, da N ein Punktprozess ist. Damit gilt {X ≤ ǫ} = {N(Bǫ ) ≥ 1} und damit 2 FX (t) = P(X ≤ t) = P(N(Bt ) ≥ 1) = 1 − P(N(Bt ) = 0) = 1 − e−µ·πt , t > 0. Wegen limt↓0 FX (t) = 0 gilt dies auch für t = 0. Wegen SII, 10.3 und (10.5) besitzt also X die Weibull-Verteilung W (µπ, 2) und damit Y := X 2 ∼ Exp(µπ). b) Zu berechnen ist EX = EY 1/2 . Es gilt EX = EY 1/2 = Z 0 ∞ y 1/2 −µπy · µπ e Γ(3/2) dy = µπ · (µπ)3/2 Z ∞ 0 (µπ)3/2 3/2−1 −µπy y e dy Γ(3/2) √ π/2 1 = √ = √ , µπ 2 µ da unter dem letzten Integral die Dichte der Γ(3/2, µπ)-Verteilung steht. Aufgabe 30: Kunden K1 , K2 , . . . kommen in einer Bank gemäß einem homogenen Poisson-Prozess mit der Intensität λ > 0 an. Es sind genügend viele Schalter vorhanden, so dass jeder ankommende Kunde sofort bedient wird. Yn sei die zufällige Zeit, die Kunde Kn für seine Bedienung benötigt. Y1 , Y2, . . . seien unabhängig, identisch verteilt mit Verteilungsfunktion G und unabhängig vom Ankunftsprozess. Sei für t > 0 N1 (t) die zufällige Anzahl von Kunden, deren Bedienung zum Zeitpunkt t abgeschlossen ist und N2 (t) die zufällige Anzahl von Kunden, die zum Zeitpunkt t gerade bedient werden. Zeigen Sie, dass N1 (t) und N2 (t) stochastisch unabhängig und Poisson-verteilt sind. Bestimmen Sie die Parameter. Lösung: Seien 0 ≤ σ1 < σ2 < . . . die zufälligen Ankunftszeitpunkte und N der Punktprozess zu (σn )n∈N und ν := ∞. Der Punktprozess M (mit Punkten in R2+ ) zu ν und (σn , Yn ) ist dann eine ρ-Markierung von N, wobei ρ die Verteilung der Yn ist, d.h. ρ([0, t]) = G(t), t ≥ 0. Setzen wir noch η := λ · λ1+ , so ist also N ein PPP(η) und daher M ∼ PPP(η × ρ). Sei C1 := {(s, y) ∈ R2+ : s + y ≤ t} und C2 := {(s, y) ∈ R2+ : s ≤ t, s + y > t} Sei Kn ein beliebiger Kunde. Dann ist die Bedienung von Kunde Kn zum Zeitpunkt t abgeschlossen, falls (σn , yn ) ∈ C1 gilt und Kn wird zum Zeitpunkt t gerade bedient, wenn (σn , yn ) ∈ C2 gilt. Es ist also N1 (t) = M(C1 ) und N2 (t) = M(C2 ). Wegen C1 ∩ C2 = ∅ und da M unabhängige Zuwächse besitzt, sind also N1 (t) und N2 (t) stochastisch unabhängig und es gilt N1 (t) ∼ P o(η × ρ(C1 )) und N2 (t) ∼ P o(η × ρ(C2 )) Wir bestimmen den ersten Parameter zu Z ∞Z Z η × ρ(C1 ) = 1C1 (s, y) ρ(dy) λ ds = λ 0 0 ∞ G(t − s) ds Z t Z t =λ G(t − s) ds = λ G(s) ds, 0 0 da G(y) = 0 für y < 0. Wegen C1 + C2 = {(s, y) ∈ R2+ : s ≤ t} gilt Z ∞ η × ρ(C1 + C2 ) = 1[0,t] (s) λ ds = λ · t 0 und damit gilt für den zweiten Parameter Z t Z t η × ρ(C2 ) = λ · t − λ G(s) ds = λ (1 − G(s)) ds 0 0 Aufgabe 31: (Abgangsprozess im M/G/∞) Wie in Aufgabe 30 kommen Kunden K1 , K2 , . . . in einer Bank gemäß einem homogenen Poisson-Prozess mit der Intensität γ > 0 an. Es sind genügend viele Schalter vorhanden, so dass jeder ankommende Kunde sofort bedient wird. Yn sei die zufällige Zeit, die Kunde Kn für seine Bedienung benötigt. Y1 , Y2 , . . . seien unabhängig, identisch verteilt mit Verteilungsfunktion G und unabhängig vom Ankunftsprozess. a) Sei Nt die zufällige Anzahl von Kunden, deren Bedienung zum Zeitpunkt t ≥ 0 abgeschlossen ist. Zeigen Sie, dass (Nt )t≥0 ein inhomogener Poisson-Prozess ist und bestimmen Sie die Intensitätsrate von (Nt ). b) Sei jetzt der Ankunftsprozess ein Poissonscher Punktprozess auf R mit Intensitätmaß γ · λ1 . Bestimmen Sie die Verteilung des Punktprozesses zur Menge der Zeitpunkte, bei denen eine Bedienung abgeschlossen wird. Lösung: Seien wie in der Lösung zu Aufgabe 30 0 ≤ σ1 < σ2 < . . . die zufälligen Ankunftszeitpunkte und M der Punktprozess zu (σn , Yn ). M ist dann eine ρ-Markierung des Ankunftsprozesses, wobei ρ die Verteilung der Yn ist, d.h. ρ([0, t] = G(t), t ≥ 0. Es gilt dann M ∼ PPP(γλ1+ × ρ). a) Sei g(s, y) := s + y für (s, y) ∈ R2+ . g(σn , Yn ) = σn + Yn ist der Zeitpunkt, zu dem die Bedienung von Kunde Kn abgeschlossen ist. Nach Satz 7.46 ist N := M g , der Punktprozess zu (σn +Yn )n∈N , ein Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß η := (γ ·λ1+ ×ρ)g . Hierbei ist zu beachten, dass wegen σn + Yn ≥ σn in jedem endlichen Intervall nur von endlich vielen Kunden die Bedienung abgeschlossen werden kann, und damit N tatsächlich ein Punktprozess ist. Sei Λ(t) := η([0, t]) die maßdefinierende Funktion von η. Wegen des Satzes von Fubini gilt Λ(t) = (γ · λ1+ × ρ)(g −1 ([0, t])) = (γ · λ1+ × ρ)({(s, y) ∈ R2+ : s + y ≤ t}) Z t Z t Z t =γ ρ([0, t − s]) ds = γ G(t − s)ds = γ G(s)ds 0 0 0 Rt Mit r(t) := γ · G(t) gilt also Λ(t) = 0 r(s)ds, d.h. η = r · λ1+ . (Nt )t≥0 := (N([0, t]))t≥0 ist also ein inhomogener Poisson-Prozess mit Intensitätsrate r. b) In a) waren die Ankünfte in R+ , jetzt finden die Ankünfte zufällig in R statt. Beschrieben wird der Ankunftsprozess durch einen Poissonschen Punktprozess A ∼ PPP(γλ1 ). Wegen Satz 7.35 existiert wieder eine Folge (σn )n∈N mit Werten in R, so dass A das zufällige Zählmaß zu (σn ) ist. Wir definieren den Punktprozess M zu (σn , Yn ). M ist dann eine ρ-Markierung von A und es gilt M ∼ PPP(γλ1 × ρ). Wie oben ist dann N := M g der Punktprozess der Zeitpunkte, zu denen eine Bedienung abgeschlossen ist, ein Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß η := (γλ1 × ρ)g . Wegen des Satzes von Fubini gilt für B ∈ B1 Z 1 η(B) = (γ · λ × ρ)({(s, y) ∈ R × R+ : s + y ∈ B}) = γ λ1 (B − y)ρ(dy) Z = γ λ1 (B)ρ(dy) = γ · λ1 (B), also η = γ · λ1 . Damit gilt N ∼ PPP(γλ1 ). N hat also dieselbe Verteilung wie der Ankunftsprozess.