FBL Klein-Vogelbach Functional Kinetics: Die Grundlagen Bewegungsanalyse, Untersuchung, Behandlung Bearbeitet von Barbara Suppé, Irene Spirgi-Gantert 6. Auflage 2007. Buch. XII, 180 S. Kartoniert ISBN 978 3 540 29874 8 Format (B x L): 19,3 x 24,2 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Neurologie, Neuropathologie, Klinische Neurowissenschaft Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 8 Behandlungstechniken 8.1 Widerlagernde Mobilisation 8.1.1 Das Prinzip der widerlagernden Mobilisation – 145 8.2 Mobilisierende Massage 8.2.1 Das Prinzip der mobilisierenden Massage – 146 – 144 – 146 144 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Kapitel 8 · Behandlungstechniken Jede funktionelle oder strukturelle Beeinträchtigung des Bewegungssystems verändert das Bewegungsverhalten. Diese Veränderungen sind Anpassungen an Störungen und in vielerlei Hinsicht sogar nützlich. 5 Sie dienen dem Schutz einer gestörten Struktur im Sinne einer teilweisen oder kompletten »Functio-Laesa-Reaktion«. Dabei setzen veränderte Bewegungsmuster bereits ein, bevor die Störung dem Menschen bewusst wird (Brügger 1986). Das klassische Beispiel ist das Hinken, wenn der Schuh drückt: Dadurch wird ie Haut an der Stelle, an der sich eine Blase bilden würde, wird geschützt. 5 Sie helfen Schmerzen zu vermeiden. 5 Sie ermöglichen, dass Ziele erreicht werden, auch wenn die eigentliche Bewegung zur Zielverwirklichung nicht möglich ist. z.B. bestimmte Bewegungstoleranzen der betroffenen Gelenke nicht genutzt. Der für alle Strukturen des Körpers wichtige Bewegungsreiz fehlt. Ohne die Bewegung treten die bekannten Veränderungen ein, wie z.B. der Verlust der Dehnfähigkeit der Muskulatur. Angst vor einer Bewegung, die schmerzhaft oder z.B. nach einem Trauma gar nicht erlaubt war, führt dazu, dass Ausweichmechanismen bestehen bleiben. Laien können die veränderten Bewegungsmuster genauso gut erkennen wie Physiotherapeuten. Der Mensch ist mit seinem »artgerechten« Bewegen vertraut (vgl. KleinVogelbach 1995). Die Beobachtungskriterien der Funktionellen Bewegungslehre Klein-Vogelbach (7 Kap. 2) ermöglichen dem Therapeuten eine gezielte Analyse des veränderten Bewegungsverhaltens, der sog. Ausweichmechanismen. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Physiotherapeuten, bei der Untersuchung nach der Ursache der Ausweichmechanismen zu suchen und, falls möglich, die Ursache zu behandeln. Zeigt das Untersuchungsergebnis, dass eine weitere Schonung einzelner Gelenke nicht mehr notwendig ist oder dass mit reduzierter Belastung in größerem Umfang bewegt werden darf, als der Patient es tut, müssen ihm vorhandene Ausweichmechanismen bewusst gemacht werden. Sie werden dann als Bewegungen stigmatisiert, die den Heilungsprozess oder die Besserung der Beschwerden verzögern. Wichtig Der Begriff »ausweichen« ist neutral zu verstehen; auf keinen Fall soll vor der Untersuchung von einem negativen oder positiven Verhalten ausgegangen werden. Sich Schonung zu gewähren und dadurch Heilung zu ermöglichen ist ein sinnvolles Vorgehen des Körpers. 15 16 17 18 19 20 Ausweichmechanismen (AWM) sind allerdings problematisch, wenn folgende Faktoren zutreffen: 5 Gesunde Strukturen werden durch die Ausweichmechanismen mehr beansprucht. Je nach Dauer und Intensität der Überlastung können sie selbst beeinträchtigt werden und Schonung verlangen. Der Verlust der ökonomischen Aktivität erfordert mehr Aktivität und beansprucht die passiven Strukturen vermehrt. 5 Die veränderten Bewegungsmuster werden gelernt und automatisiert. Selbst wenn die primäre Ursache beseitigt ist, bestehen sie weiter. In der Folge werden Wichtig Ausweichmechanismen sind unbewusst und bleiben häufig auch nach der Beseitigung der Ursache noch eine Zeitlang bestehen. 8.1 Widerlagernde Mobilisation Ein Ziel der widerlagernden Mobilisation (. Abb. 8.1) ist es, den Patienten zu lehren, einzelne Bewegungsniveaus selektiv, bewusst und kontrolliert ohne Ausweichmechanismen zu bewegen. Dieser Lernprozess braucht Zeit und muss vom Therapeuten planmäßig gefördert werden (s. auch Klein-Vogelbach et al., 2000) Weitere Indikationen für die widerlagernde Mobilisation ergeben sich aus den Wirkungsweisen, die das Bewegen unter verschiedenen therapeutischen Gesichtspunkten hat: 5 Üben des derzeitig möglichen Bewegungsausmaßes, Verbessern der Beweglichkeit, 5 Üben der Koordination und Reaktionsbereitschaft der Muskulatur, 5 Förderung der selektiven kinästhetischen Wahrnehmung, 145 8.1 · Widerlagernde Mobilisation a c b d . Abb. .. Widerlagernde Mobilisation des Schultergelenks in Abduktion. a Ausgangsstellung b Endstellung, c Position der Hände des Therapeuten, d Variante für endgradige Bewegungseinschränkung in Abduktion 5 Selbstkontrolle des Patienten, 5 Abbauen bzw. Verhindern von Ausweichmechanismen, 5 Schmerzlinderung. 8.1.1 Das Prinzip der widerlagernden Mobilisation Die widerlagernde Mobilisation nutzt das Prinzip der Begrenzung einer weiterlaufenden Bewegung durch Gegenbewegung. Der Therapeut benötigt Kenntnisse über das beobachtbare Bewegungsverhalten eines Gelenks (7 Kap. 2.1). Scharniertyp Man bestimmt den Drehpunkt und an den beiden Gelenkpartnern einen distalen und einen proximalen Distanzpunkt (DP). Die günstigste Form der widerla- gernden Mobilisation ist erreicht, wenn proximaler und distaler Distanzpunkt und der Drehpunkt in Bewegung versetzt werden. Ist das der Fall, können sich entweder die beiden Distanzpunkte voneinander entfernen, und der Drehpunkt schiebt sich dazwischen, oder die beiden Distanzpunkte nähern sich an, und der Drehpunkt weicht ihnen aus. Es sollten mindestens 2 Punkte bewegt werden. Vorteilhaft ist es, wenn der Drehpunkt einer dieser beiden bewegten Punkte ist. Rotationstyp Die Bewegungsachse ist die Drehachse, die Gelenkpartner sind der proximale und distale Zeiger. Die günstigste Form der widerlagernden Mobilisation ist die gegenläufige Bewegung beider Zeiger. Der Therapeut muss darauf achten, dass die Bewegungsachse immer so weit parallel verschoben wird, dass keine zusätzlichen, ungewollten Bewegungskomponenten mobilisiert werden. 8