Helaba Volkswirtschaft/Research Märkte und Trends 2011 23. September 2010 Wellblechkonjunktur Autoren: Expansive Geld- und Fiskalpolitik haben die Weltwirtschaft aus der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit gezogen. Nach den unmittelbaren keynesianischen Notoperationen setzen nun die strukturellen Rehamaßnahmen ein. Europa ist dabei Vorreiter – die europäische Schuldenkrise hat die Anpassungsmaßnahmen erzwungen. Dagegen haben die USA noch nicht erkannt, dass nunmehr Strukturreformen notwendig sind. Dies setzt den Dollar unter Druck. Solange die asiatischen Konjunkturlokomotiven weiter laufen, bleibt auch die Weltwirtschaft dynamisch, selbst ohne Schwung aus den USA. Das neue Damoklesschwert ist aber schon wieder eine Immobilienblase – diesmal in China. Dr. Gertrud R. Traud Christian Apelt Ulrike Bischoff Marion Dezenter Patrick Franke Ulf Krauss Ullrich Rathfelder Claudia Windt 1 Ausloten der „neuen Normalität“ 2 1.1 Asien gleicht US-Schwäche teilweise aus 2 Redaktion: 1.2 Industrieländer im Strukturwandel oder in der Schuldenfalle? 2 Dr. Stefan Mitropoulos 1.3 Niedrige Renditen und hohe Volatilität prägen 2011 3 2 USA: Holprige Erholung belastet Dollar 4 3 Euroraum: Strukturprobleme offengelegt 5 4 Japan: Yen-Höhenflug wird gebremst 6 5 Großbritannien: Restriktive Politik 7 6 Schweiz: Teurer Hafen Franken 8 7 Nordeuropa: Starke Währungen 9 7.1 Schweden: Im Zeichen der Normalisierung 9 7.2 Norwegen: Moderates Wachstum 9 Herausgeber: Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/Leitung Research Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 8 Die Publikation ist mit größter Sorgfalt Osteuropa: Große Spannbreite 10 8.1 Polen: In der europäischen Spitzengruppe 10 8.2 Tschechien: In ruhigem Fahrwasser 10 8.3 Ungarn: Bleibt die Regierung auf Sparkurs? 10 bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. 9 BRIC: Dynamische Länder 11 9.1 Brasilien: Werden Träume wahr? 11 9.2 Russland: Hoher Modernisierungsbedarf 11 9.3 Indien: Entdeckt von Portfolioinvestoren 12 9.4 China: Zünglein an der globalen Konjunkturwaage 12 Märkte und Trends 2011 1 Ausloten der „neuen Normalität“ 1.1 Robustes Wachstum in den Schwellenländern Asien gleicht US-Schwäche teilweise aus Angetrieben durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik gelang es den Industrieländern in der ersten Jahreshälfte 2010, ein hohes Wachstumstempo zu generieren. Die wirtschaftliche Erholung der USA fiel jedoch eher bescheiden aus. Diese Lücke füllten die Schwellenländer - angeführt von China. Nach einem Wachstum der Weltwirtschaft von über 4 % in diesem Jahr kommt es 2011 zu einer Verlangsamung auf gut 3 %. Nach der ersten nahezu synchron verlaufenden Aufschwungbewegung zeigt sich nun ein uneinheitlicher Verlauf: Einem fortgesetzten dynamischen Konjunkturzyklus in den Schwellenländern steht in vielen großen Industrienationen bereits wieder eine zyklische Abschwächung gegenüber. Die Geldpolitik wird hier weiterhin expansiv bleiben. Während in vielen Industrieländern die Nachwirkungen der Finanzkrise das Wachstumspotenzial dämpfen, steuern die Notenbanken der dynamischen Wachstumsländer bereits mit einer restriktiveren Geldpolitik einer Überhitzung entgegen. In China kommt noch hinzu, dass sich eine Immobilienblase bildet, die es einzudämmen gilt. Spiegelbildlich zu den Wachstumstrends weist auch die Preisentwicklung einen unterschiedlichen Verlauf auf: In den boomenden Schwellenländern nimmt der Preisauftrieb zu, während er in den Industrieländern verhalten bleibt, bei latenten Deflationsrisiken. 1.2 Industrieländer im Strukturwandel oder in der Schuldenfalle? Mit dem Platzen der US-Immobilienblase und der nachfolgenden Finanzkrise sahen sich viele Staaten gezwungen, mit umfangreichen Rettungspaketen gegenzusteuern: Banken wurden rekapitalisiert bzw. verstaatlicht, eine expansive Fiskalpolitik brachte die Volkswirtschaften wieder in Schwung. Der Preis dieser Maßnahmen ist jedoch eine drastisch gestiegene Staatsverschuldung: Im Durchschnitt der OECD-Länder liegt diese nunmehr bei 100 % am BIP. Wie können sich die Länder daraus wieder befreien? Europa geht seine Strukturprobleme an Deutschland als Outperformer Die Finanzkrise hat nicht nur die Staatsverschuldung in die Höhe getrieben, sondern auch die Strukturprobleme in den einzelnen Ländern offen gelegt: In der Eurozone haben es die Peripherieländer in der Vergangenheit versäumt, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Reformen und eine gemäßigte Lohnpolitik zu erhöhen. Der hohe Konsum wurde auf Pump finanziert, während verkrustete Arbeitsmärkte und unflexible Wirtschaftsstrukturen das Wachstumspotenzial verringern. Seit dem ersten Höhepunkt der Verschuldungskrise im Mai 2010 steht die Refinanzierungsfähigkeit dieser Länder an den Kapitalmärkten zur Disposition, so dass nun schmerzliche Einschnitte vorgenommen werden müssen. Europa begibt sich auf einen klaren Konsolidierungskurs und reformiert gleichzeitig die Arbeitsmärkte. Mit Blick auf 2011 bleiben die Wachstums- und auch Inflationsperspektiven damit zwar gedämpft. Diese an sich klassische Angebotspolitik erhöht aber langfristig das Wachstumspotenzial. Der durch die Finanzkrise ausgelöste Strukturwandel wird mittelfristig die Effizienz Europas steigern. So wie sich Deutschland in den vergangenen Jahren durch konsequente Reformen am Arbeitsmarkt als eine der wettbewerbsfähigsten Nationen Europas – und der Welt – etabliert hat. Mit einem Wachstum von rund 3 % in diesem Jahr und knapp 2 % im kommenden Jahr ist Deutschland nun die Konjunkturlokomotive Europas. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 2 Märkte und Trends 2011 USA vor großen Herausforderungen USA in der japanischen Schuldenfalle? Auch die USA müssen sich ihren Strukturproblemen stellen. Denn die immensen Staatsschulden werden sich weder durch einen kräftigen Wachstumsschub noch durch eine hohe Inflation abbauen lassen. Das Platzen der Immobilienblase hat strukturelle Verwerfungen im Bau- und Dienstleistungssektor aufgedeckt, weshalb die Arbeitslosigkeit trotz der konjunkturellen Erholung kaum zurückgeht. Die Unternehmen antizipieren bereits, dass der Konsum nicht mehr die Impulse liefern kann wie vor der Krise. Somit müssen sich auch die USA auf einen niedrigen Wachstumspfad einstellen. Die im Bausektor und in den baunahen Dienstleistungen freigesetzten Arbeitskräfte werden in diesen Branchen nicht mehr gebraucht und weisen kaum die Qualifikation auf, um kurzfristig in andere Sektoren zu wechseln. Sockelarbeitslosigkeit wird zum neuen Problem der USA. Dieses Bewusstsein hat sich dort allerdings noch nicht manifestiert. Neben anhaltend expansiven geldpolitischen Maßnahmen wird man voraussichtlich weitere keynesianische Konjunkturprogramme auflegen. Damit riskieren die USA den Weg in die japanische Schuldenfalle einzuschlagen. Die Strukturprobleme blieben dann ungelöst. 1.3 Niedrige Renditen und hohe Volatilität prägen 2011 Rückblick 2010 Bislang drei Phasen auf den Kapitalmärkten Die Entwicklung an den Kapitalmärkten ist seit Jahresbeginn durch drei Phasen bestimmt: Bis April dominierte die Idee der zyklischen Erholung, ausgehend von den USA, was insbesondere die Aktienmärkte und den Dollar beförderte. Dann rückten die Strukturprobleme auf die Agenda: In Europa eskalierte die Verschuldungskrise um Griechenland, was zu Safe Haven-Zuflüssen in die deutschen und auch US-Rentenmärkte führte. Der Dollar wertete infolgedessen stark auf. Nachdem die Angst um eine Staatspleite in Europa wieder abebbte, verunsicherten die hohe Arbeitslosigkeit und die Möglichkeit einer erneuten Rezession in den USA. Struktur- und Konjunkturthemen wechselten sich ab und sorgten für eine hohe Volatilität an den Kapitalmärkten. Ausblick 2011 Hohe Volatilität und schnelle Themenwechsel Diese Tendenz zu schnellen Themenwechseln und damit hoher Volatilität dürfte auch die Kapitalmarktentwicklung 2011 prägen. Da sich die Weltwirtschaft nicht mehr vollkommen synchron bewegt, werden die divergierenden konjunkturellen bzw. strukturellen Einflussfaktoren die Märkte bewegen. Möglichen konjunkturellen Überhitzungen in einzelnen Schwellenländern stehen rezessive Gefahren in manchen Industrieländern gegenüber. Die Kapitalmärkte werden ganz genau beobachten, welche Länder ihre Strukturprobleme anpacken. Der US-amerikanische und deutsche Rentenmarkt werden vornehmlich durch das Festhalten der beiden großen Notenbanken an der Nullzinspolitik geprägt sein. Weitere quantitative Maßnahmen der Fed werden die Renditen vorerst niedrig halten sowie den US-Dollar belasten. Die Nachwirkungen der Finanzkrise werden über mehrere Jahre hinweg das Trendwachstum vieler Volkswirtschaften negativ beeinflussen. Dies führt dazu, dass sich die Renditen aller Assetklassen auf einem niedrigeren Niveau einpendeln werden. In Kombination mit einer hohen Volatilität ist taktischem Agieren weiterhin Vorrang vor einer Buy and Hold-Strategie einzuräumen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 3 Märkte und Trends 2011 2 USA: Holprige Erholung belastet Dollar Längere Delle beim BIP: 2010: 2,6 % 2011: 2,1 % Nach dem unterdurchschnittlichen Aufschwung, der auf die schwere Rezession der Jahre 2007 bis Mitte 2009 folgte, hat die US-Wirtschaft im Verlauf des Jahres 2010 bereits wieder an Dynamik verloren. Diese erneute konjunkturelle Delle dürfte sich bis ins kommende Jahr hinziehen. Belastend wirkt die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit. Denn nur wenn die Unternehmen wieder mehr Mitarbeiter einstellen, werden die Haushaltseinkommen ausreichend steigen können, um die USWirtschaft auf Kurs zu halten. In den kommenden zwölf Monaten wird trotz der aktuellen Diskussion um zusätzliche Stimulusmaßnahmen der konjunkturelle Rückenwind von der Finanzpolitik zu einem Gegenwind. Zwar dürften die Sparzwänge für die Staaten und Gemeinden tendenziell abnehmen. Selbst ohne große Konsolidierungsbemühungen ist aber beim Bundeshaushalt ein negativer Impuls zu erwarten. Dennoch dürfte die US-Konjunktur im Verlauf des kommenden Jahres wieder an Fahrt aufnehmen. Dazu wird insbesondere die Geldpolitik beitragen. Auch erholt sich das Bankensystem graduell von seiner Krise. Die „Bilanzbereinigung“ bei den Konsumenten ist bereits ziemlich weit fortgeschritten. Wohnungs- und Gewerbebau werden weniger bremsen und schließlich auf einen flachen Erholungskurs einschwenken. Im Investitions- und Lagerzyklus ist noch Luft nach oben. Gedämpfte Inflation: 2010: 1,5 % 2011: 1,2 % Der Preisdruck bleibt angesichts der auf absehbare Zeit unterausgelasteten Kapazitäten überschaubar. Der Ölpreis sollte die Gesamtteuerung nicht weiter belasten. Auch getrieben von Basiseffekten dürfte die Vorjahresrate zum Jahreswechsel 2010/2011 auf rund 0,5 % fallen. Im Verlauf des kommenden Jahres sollte die Teuerungsrate dann aber wieder anziehen. Dies gilt in ähnlicher Weise für die Kernteuerung (ohne Nahrungsmittel und Energie). Sie befindet sich seit längerem im Abwärtstrend, der allerdings auszulaufen scheint. Zumindest in den nächsten sechs Monaten wird Deflation ein Thema bleiben. Im Laufe des Jahres 2011 sollten sich Befürchtungen in dieser Hinsicht aber zunehmend auflösen. Somit erlaubt das Preisklima eine fortgesetzte expansive Geldpolitik. Die Arbeitslosenquote dürfte auf dem vergleichsweise hohen Niveau von 9 % bis 10 % stagnieren. Aufgrund der aktuellen konjunkturellen Eintrübung ist sogar zu erwarten, dass die Notenbank vor dem Jahresende 2010 noch einmal in größerem Umfang Kaufprogramme für Staatsanleihen oder ABS auflegen wird. Ob ein solcher Schritt den konjunkturellen Ausblick materiell verändern würde, ist umstritten. Um nennenswerte expansive Impulse zu setzen, müsste die Notenbank wohl extreme Maßnahmen ergreifen, die aber nur im Falle einer akut drohenden Rezession oder Deflation wahrscheinlich sind. Wir gehen davon aus, dass das konjunkturelle Umfeld die Fed auch im nächsten davon abhält, den Leitzins anzuheben. Der laufende zyklische Abschwung dürfte die US-Renditen zunächst nach unten drücken. Das bisherige Tief 10-jähriger US-Staatsanleihen notierte bei rund 2 % im Dezember 2008 und stellt den unteren Rand des seit Etablierung der Nullzinspolitik bestehenden Seitwärtsbandes (2 % bis 4 %) dar. Erst im Laufe des Jahres 2011, wenn sich die Deflationssorgen wieder zurückbildet haben, dürfte sich das Renditeniveau eher zwischen 3 % und 4 % einpendeln. Mangels Zinsfantasie bzw. wegen weiterer quantitativer Maßnahmen wird der US-Dollar unter Druck geraten. Der Euro-Dollar-Kurs dürfte im Verlauf von 2011 über 1,40 steigen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 4 Märkte und Trends 2011 3 Euroraum: Strukturprobleme offengelegt Konjunkturdynamik flacht ab Auftragslage und Produktion im Verarbeitenden Gewerbe haben sich insbesondere in Deutschland unerwartet schnell von dem gewaltigen Einbruch des Vorjahres erholt. Die Stimmungsindikatoren im Euroraum wie der ifo-Geschäftsklimaindex dürften jedoch im Sommer 2010 ihr zyklisches Hoch erreicht haben. Der Aufholprozess verliert nunmehr an Dynamik, ohne jedoch in eine Rezession abzugleiten. Das Wirtschaftswachstum im Euroraum wird sich nach einem Anstieg 2010 von 1,6 % vermutlich auf 1,3 % reduzieren. Für Deutschland erwarten wir 2011 eine Rate von 1,7 %, nach 3,0 % in diesem Jahr. Im August ist die Teuerung im Euroraum leicht auf 1,6 % gesunken. Die Konjunkturerholung zeigt an der Preisfront gleichwohl langsam Wirkung. Die Kernrate ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise hat sich seit April um 0,2 Prozentpunkte auf 1,0 % erhöht. Mit einem markanten Inflationsanstieg ist angesichts der globalen Wachstumsverlangsamung im kommenden Jahr jedoch nicht zu rechnen. Voraussichtlich wird die Teuerung im Euroraum von durchschnittlich 1,6 % leicht auf 1,7 % ansteigen. . Exportwachstum lässt nach Wachstums- und Inflationsprognosen %-Abweichung vom langfristigen Trend % gg. Vj. OECD5 Konjunkturindex* 0 5 0 -5 -5 -10 -15 Bruttoinlandsprodukt 10 10 Euroraum Exporte 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 * sechs Monate nach vorne verschoben Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research -10 -15 Verbraucherpreise 2008 2009 2010p 2011p 2008 2009 2010p 2011p Deutschland 0,7 -4,7 3,0 1,7 2,6 0,4 1,2 1,6 Frankreich 0,1 -2,5 1,5 1,6 3,2 0,1 1,9 1,7 Italien -1,3 -5,1 1,0 1,4 3,5 0,8 1,7 2,0 Spanien 0,9 -3,7 0,0 0,7 4,1 -0,2 1,8 1,9 Euroland 0,3 -4,1 1,6 1,3 3,3 0,3 1,6 1,7 Deutschland: arbeitstäglich bereinigt Quelle: Helaba Volkswirtschaft/Research Die EZB hält an der Vollzuteilung bei den Wochen- und Monatstendern mindestens bis Januar 2011 fest. Vor allem südeuropäische Banken sind auf diese Liquiditätszufuhr angewiesen. Die EZB signalisiert damit, dass sie noch lange nicht zu alten geldpolitischen Regeln zurückkehren wird - zumal die Anpassung der Bankbilanzen an die erhöhten Eigenkapitalanforderungen (Basel III) kaum Raum für geldpolitische Experimente geben. Durch die Finanzkrise akzentuierte Strukturprobleme haben die Notenbanken offenbar weltweit in ihren Bann gezogen: Niedrige Leitzinsen sollen die Heilungsprozesse unterstützen. Die Nebenwirkungen dieser Politik sind mögliche Fehlallokationen in der Realwirtschaft und Kursblasen an den Finanz- und Rohstoffmärkten. Gleichwohl ist die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB im kommenden Jahr die Leitzinsen anhebt, relativ gering. Der eingeschlagene Kurs der Haushaltskonsolidierung bremst das Wachstum in vielen Euroländern und verlangt nach einem geldpolitischen Gegengewicht. Prognose 10j. Bunds: Ende 2010: 2,2 % Ende 2011: 3,0 % Mit wachsenden Konjunkturängsten könnten auch die Sorgen vor einem Wiederaufflammen der Eurokrise zunehmen. Die Risikoaufschläge auf Euro-Staatsanleihen weiteten sich im August spürbar aus, auch weil in Irland die Kosten der Bankenrettung aus dem Ruder zu laufen drohen. Bundesanleihen werden noch für längere Zeit von ihrem Status als sicherer Hafen profitieren. In den kommenden Monaten dürften die deutschen Kapitalmarktzinsen das rekordtiefe Niveau kaum verlassen. Im Verlauf des kommenden Jahres ist jedoch bei weltweit wieder günstigeren Konjunkturaussichten und dem aufkommenden Thema einer möglichen Zinswende in 2012 mit tendenziell steigenden Renditen zu rechnen. Zum Jahresende 2011 dürfte die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen eher in der Nähe der 3 %-Marke als beim historischen Tief von 2 % notieren. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 5 Märkte und Trends 2011 4 Japan: Yen-Höhenflug wird gebremst Der Japanische Yen ist 2010 der große Gewinner am Devisenmarkt. Dabei weist Japan, gemessen am BIP, die höchste Staatsverschuldung unter den Industrieländern auf. Die politische Situation wirkt nicht unbedingt stabil. Die Notenbank steht unter dem Druck der Regierung. Die Konjunktur verlief zwar zu Jahresbeginn noch recht dynamisch. Mittlerweile flaut das Wachstum aber spürbar ab. Auch in den kommenden Quartalen wird die japanische Wirtschaft eher zaghaft wachsen. Die Binnennachfrage bleibt gedämpft, die Impulse vom Außenhandel lassen nach. Nach knapp 3 % in diesem Jahr dürfte das BIP 2011 nur um gut 1 % wachsen. Schuldenkönig als sicherer Hafen Ein wesentlicher Vorteil Japans ist im Außenhandel begründet. Die beständigen Leistungsbilanzüberschüsse verhindern eine Abhängigkeit von ausländischem Kapital. Die Staatsverschuldung befindet sich weitgehend in inländischer Hand. Erst langfristig dürfte den Yen belasten, dass der japanische Staat angesichts der sinkenden Sparneigung und der anhaltend hohen Haushaltsdefizite zunehmend auf ausländisches Kapital angewiesen sein wird. Wenn derzeit aufgrund von höheren Unsicherheiten an den Finanzmärkten Japaner ihr Geld aus dem Ausland zurückziehen, gewinnt der Yen an Wert. Zudem fand an den internationalen Rentenmärkten eine gewisse Angleichung statt. Die Renditen von US-Treasuries und Bundesanleihen näherten sich den japanischen an. Der geringere Renditeanreiz im Ausland begünstigt die traditionelle Niedrigzinswährung. Yen mit realem Renditenvorteil %-Punkte Yen nominal gegenüber Euro überbewertet JPY * nach Abzug der Verbraucherpreise, Kernrate %-Punkte JPY Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Prognose EUR-JPY: Ende 2010: 113 Ende 2011: 130 Angesichts der anhaltenden Deflation in Japan kann man in realer Rechnung ohnehin nicht von einem Renditenachteil des Yen sprechen. Auf Basis der nominalen Renditen scheint der Yen gegenüber Euro und US-Dollar etwas zu teuer. Kaufkraftparitäten und reale Wechselkursindizes signalisieren zwar eine merklichere Überbewertung, sie kann aber nicht als extrem angesehen werden. Dennoch nimmt angesichts des mäßigen Wirtschaftwachstums in Japan die Nervosität in der Politik zu. Aufgrund der Nullzinspolitik und des hohen Haushaltsdefizit verbleibt zur Stimulierung vor allem der Wechselkurs. Deshalb nimmt die japanische Notenbank quantitative geldpolitische Maßnahmen und mittlerweile auch direkte Devisenmarktinterventionen vor. Mit einem entsprechenden politischen Willen dürften die japanischen Autoritäten letztlich Erfolg haben und zumindest eine weitere Yen-Aufwertung verhindern. Dennoch werden die global niedrigen Kapitalmarktzinsen die japanische Währung vorerst weiter stützen. Neue Kaufprogramme der USNotenbank dürften den Aufwertungsdruck auf den Yen zeitweilig verschärfen. Eine spürbare YenAbwertung wird sich deshalb erst im späteren Verlauf von 2011 einstellen, wenn die Risikoneigung an den Finanzmärkten wieder zunimmt und sich die Zinsdifferenzen etwas ausweiten. Der Euro-Yen-Kurs dürfte dann auf 130 ansteigen, der Dollar-Yen-Kurs auf 93. Zinserhöhungen der japanischen Notenbank liegen in weiter Ferne, die zehnjährigen Renditen von japanischen Staatsanleihen werden sich deshalb nur geringfügig bis auf 1,4 % erhöhen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 6 Märkte und Trends 2011 5 Großbritannien: Restriktive Politik Großbritannien ist auch 2010 nicht untergegangen. Dabei boten die schwierige wirtschaftliche Lage, die Probleme im Finanzsektor, das hohe Haushaltsdefizit sowie die Unsicherheit wegen der Parlamentswahlen genügend Ansatzpunkte für Pessimismus. Im zweiten Quartal hat die Wirtschaft endlich an Fahrt gewonnen. Trotz fehlender absoluter Mehrheit führt der neue Premier Cameron eine Regierung an, die mit ambitionierten Sparplänen den Staatshaushalt sanieren möchte. Im Finanzsektor dagegen könnten noch Risiken liegen. Zumindest ist die rückläufige Kreditvergabe kein Indiz für ein gesundes Finanzsystem. Mit den insgesamt nachlassenden Sorgen gewann die britische Währung im bisherigen Jahresverlauf gegenüber dem Euro, verlor im Vergleich zum USDollar hingegen etwas an Wert. Haushaltskonsolidierung dämpft Wachstum Grundsätzlich befindet sich die britische Wirtschaft auf dem Weg der Gesundung. Die Unternehmen haben Spielraum und wohl zunehmend auch Bedarf für Investitionen. Eine wachsende Beschäftigung begünstigt den privaten Konsum, während von den Häuserpreisen vermutlich keine Unterstützung kommen wird. Die Haushaltskonsolidierung der neuen Regierung, die u.a. Anfang 2011 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte umfasst, wird das Wachstum belasten. Zudem wird der Rückenwind von der Weltkonjunktur abflauen. Das BIP dürfte 2011 mit 1,5 % ähnlich wie in diesem Jahr expandieren. Angesichts des verhaltenen Wachstums könnte sich die Bank of England (BoE) zurücklehnen und die restriktive Fiskalpolitik mit einer anhaltend lockeren Geldpolitik begleiten. Jedoch dürfte die Inflation, auch wegen der höheren Mehrwertsteuer, im kommenden Jahr weiterhin merklich über der Zielmarke von 2,0 % verharren. Über steigende Inflationserwartungen könnte dann der Druck wachsen, die Zügel anzuziehen. So sind Zinserhöhungen der BoE im Jahresverlauf 2011 nicht auszuschließen. Inflation kann mittelfristig zum Problem für BoE werden Zinsen entwickeln sich erst 2011 weiter pro Pfund % gg. Vorjahr GBP Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Prognose EUR-GBP: Ende 2010: 0,84 Ende 2011: 0,79 %-Punkte, invertiert Mangels eindeutiger Impulse wird der Euro-Pfund-Kurs in den nächsten Monaten eher richtungslos tendieren. Negative Effekte vom britischen Sparprogramm könnten einerseits das Pfund belasten, andererseits leiden einige Länder der Eurozone unter zumindest ähnlichen Problemen. BoEZinsfantasien dürften das Pfund Sterling im späteren Verlauf von 2011 begünstigen. Die Zinsdifferenzen werden sich dann zunehmend zu Gunsten des Pfund Sterling bewegen, da die anderen führenden Notenbanken 2011 wohl an ihrer Geldpolitik festhalten. Quantitative Maßnahmen erscheinen in Großbritannien trotz rückläufiger Kreditvolumina nicht angebracht. Nach Kaufkraftparitäten ist das Pfund gegenüber dem Euro noch etwas unterbewertet. Der Euro-Pfund-Kurs dürfte bis Ende 2011 unter die Marke von 0,80 fallen. Aufgrund der expansiveren US-Geldpolitik wird das Pfund gegenüber dem US-Dollar an Wert gewinnen, der Pfund-Dollar-Kurs über 1,70 steigen. Für den britischen Rentenmarkt wird nach den Kursgewinnen 2010 vermutlich das kommende Jahr schwierig. Zehnjährige Gilts dürften sich wegen steigender Inflationserwartungen bzw. der Aussicht auf eine Zinswende von rund 3 % in Richtung 4 % erhöhen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 7 Märkte und Trends 2011 6 Schweiz: Teurer Hafen Franken SNB stoppte Devisenmarktinterventionen Der Höhenflug des Schweizer Franken kennt anscheinend keine Grenzen. Im Euro-Franken-Kurs setzte Ende 2009 eine Talfahrt von 1,50 bis auf 1,28 ein. Die Schweizer Notenbank (SNB) hat offensichtlich aufgegeben, sich gegen die Aufwertung zu stemmen. Aufgrund der Schuldenkrise in der Eurozone sowie globaler Konjunktursorgen stieg das Bedürfnis nach sicheren Anlagehäfen. Unter den Devisen gilt der Schweizer Franken als Inbegriff dafür. Die Schweiz ist politisch und wirtschaftlich stabil, die Staatsverschuldung vergleichsweise niedrig, die Leistungsbilanz weist kontinuierlich Überschüsse auf. Mit Devisenmarktintervention konnte die SNB 2009 eine Franken-Aufwertung noch weitgehend verhindern. Als die Fluchtgelder anschwollen, sah die Notenbank keine Möglichkeit mehr, den Liquiditätsüberhang in den Griff zu bekommen und ließ die deutliche Aufwertung zu. Franken nach Höhenflug klar überbewertet Euro-Franken-Kurs den Zinsdifferenzen weit vorausgelaufen Index CHF je € Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research %-Pkt. Ein Euro-Franken-Kurs um 1,30 ist grundsätzlich schmerzhaft für die Schweizer Exportwirtschaft. Bislang hat die Wechselkursentwicklung der konjunkturellen Erholung allerdings kaum geschadet. Der Aufschwung hat sogar kräftig an Fahrt gewonnen. Wachstumstreiber ist trotz des teuren Frankens vor allem der Außenhandel. Die Schweiz profitiert von der wirtschaftlichen Belebung der Haupthandelspartner. Auch die Unternehmensinvestitionen erhalten mehr Schwung. Mit Blick auf 2011 werden die Impulse aus dem Export aber nachlassen. Die bessere Binnennachfrage wird diese Einbußen nicht kompensieren können, so dass das BIP 2011 nur um 1,5 % nach gut 2,5 % in diesem Jahr expandieren dürfte. Die SNB muss deshalb nicht zwangsläufig die Zügel anziehen. Zum einen würde damit die bisherige Wechselkurspolitik ad absurdum geführt, zum anderen wird sich die Inflation 2011 zeitweise wohl am Rande der Nulllinie bewegen und erst im späteren Jahresverlauf wieder über 1 % steigen. Die Notwendigkeit für neuerliche Devisenmarktinterventionen ist mit dem höheren Wachstum jedoch gesunken. Die damit verbundenen bilanziellen Probleme erschweren diese Markteingriffe ohnehin, selbst wenn sie völlig auszuschließen sind. Prognose EUR-CHF: Ende 2010: 1,28 Ende 2011: 1,40 Das anhaltend unsichere Umfeld wird den Franken vorerst weiter begünstigen, der Euro-FrankenKurs dürfte weiter um 1,30 schwanken. Gegen einen fortgesetzten Höhenflug spricht die Bewertung des Frankens. Kaufkraftparitäten, reale Wechselkursindizes und Zinsdifferenzen deuten auf einen höheren Euro-Franken-Kurs hin. Mit nachlassender Unsicherheit wird deshalb der Euro im Verlauf von 2011 gegenüber dem Franken vermutlich zulegen und in Richtung 1,40 tendieren. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen werden sich in den kommenden Monaten weiterhin in der niedrigen Bandbreite von 1,1 bis 1,5 % bewegen und gegen Ende 2011 auf 1,8 % ansteigen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 8 Märkte und Trends 2011 7 Nordeuropa: Starke Währungen 7.1 BIP-Prognose: 2010: 3,8 % 2011: 2,5 % Prognose EUR-SEK: Ende 2010: 9,2 Ende 2011: 9,0 Schweden: Im Zeichen der Normalisierung Das erste Halbjahr 2010 brachte für Schweden einen deutlichen Wachstumsschwung, der maßgeblich von der Binnenkonjunktur getragen wurde. Für das Gesamtjahr ist ein BIP-Zuwachs von knapp 4 % zu erwarten, für 2011 von 2,5 %. Bei den Parlamentswahlen am 19. September hat die Regierungskoalition durch den Einzug der rechtsgerichteten Schwedendemokraten ins Parlament ihre absolute Mehrheit verloren. Nun rasch Handlungsfähigkeit herzustellen, wird ein vorrangiges Ziel sein. Ein wichtiger Vorteil Schwedens ist die auch nach der Krise noch recht komfortable Situation der öffentlichen Haushalte: Mit einem Budgetdefizit von voraussichtlich rund 2 % des BIP bleibt die Neuverschuldung 2010 weit unter dem EU-Durchschnitt (-6,8 %). Die Inflation dürfte im Jahresdurchschnitt 2010 und 2011 einen Wert von jeweils rund 1 % erreichen und damit innerhalb des um das Inflationsziel von 2 % gelegten Toleranz-Bandes bleiben. Im Rahmen einer vorsichtigen Geldpolitik hat die Riksbank Anfang Juli und Anfang September den Leitzins um insgesamt 50 Basispunkte auf aktuell 0,75 % angehoben und weitere Erhöhungen in Aussicht gestellt. Damit befindet sich das schwedische Leitzinsniveau auf dem Weg der Normalisierung. Die Entwicklung von Konjunktur und Zinsen spricht dafür, dass die Schwedische Krone ihren Aufwertungstrend gegenüber dem Euro fortsetzt. Auch die aktuelle Bewertung ist kein Argument dagegen. Zwar verbleiben einige Risiken wie etwa der Bankensektor. Insgesamt überwiegen aber die positiven Faktoren für die Krone. Der Euro-Krone-Kurs dürfte bis Ende 2010 um 9,2 notieren und im kommenden Jahr auf 9,0 zurückgehen. Damit hätte sich der Wechselkurs wieder nachhaltig in der Bandbreite vor der Krise etabliert. 7.2 BIP-Prognose: 2010: 1,0 % 2011: 1,6 % Prognose EUR-NOR: Ende 2010: 7,80 Ende 2011: 7,80 Norwegen: Moderates Wachstum Das BIP in Norwegen wird nach einer verhältnismäßig milden Rezession im vergangenen Jahr (-1,4 %) 2010 und 2011 wieder moderat wachsen. Im ersten Halbjahr wies Norwegen unter den vier skandinavischen Ländern die geringste Dynamik auf. 2010 werden die Ölpreise im Jahresdurchschnitt voraussichtlich höher liegen als im vergangenen Jahr und 2011 das Niveau weitgehend halten. Dies kommt den Exporteinnahmen zugute. Der Konsum wird in diesem und im nächsten Jahr dynamischer wachsen als 2009. Die Arbeitslosenquote ist trotz des Anstiegs seit Mitte 2008 mit zuletzt 3,3 % (saisonbereinigt) die niedrigste in Europa, selbst die Jugendarbeitslosigkeit bleibt im einstelligen Bereich. Den Leitzins hob die norwegische Zentralbank bereits Ende 2009 zweimal und erneut im Mai 2010 um insgesamt 75 Basispunkte auf 2 % an. Da die Aussichten für das BIP-Wachstum moderat sind, ist hier nicht mit weiteren raschen Schritten zu rechnen. Auch aus dem Inflationsziel (2,5 % jahresdurchschnittliche Preissteigerung +/-1 Prozentpunkt) ergibt sich kein akuter Handlungsdruck. Dennoch dürfte der Leitzins im Laufe des nächsten Jahres weiter vorsichtig angehoben werden, um wieder zu „normalen“ Raten zurückzukehren. Die Norwegische Krone wertete gegenüber dem Euro unter Schwankungen zuletzt etwas auf. Dabei profitierte die Krone von einem höheren Rohölpreis. Zusätzliche Impulse sind vom Ölpreis nicht mehr zu erwarten. Die Nachfrage nach der norwegischen Währung als sicherer Anlagehafen – der Staat Norwegen ist finanziell gesund – spielte zuletzt kaum eine Rolle. Die Geldpolitik dürfte die Krone tendenziell begünstigen. Im Gegensatz zur EZB wird die norwegische Zentralbank restriktiver werden. Allerdings wird der Zinserhöhungszyklus aufgrund der moderaten Teuerung nur langsam verlaufen. Dadurch wird die Aufwertung der Krone in Maßen erfolgen und der EuroKrone-Kurs nur leicht zurückgehen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 9 Märkte und Trends 2011 8 Osteuropa: Große Spannbreite 8.1 BIP-Prognose: 2010: 3,1 % 2011: 3,0 % Prognose EUR-PLN: Ende 2010: 3,9 Ende 2011: 3,7 In Polen beschleunigt sich das Wachstum 2010. Im ersten Halbjahr sorgten vor allem der private Konsum und der Lageraufbau für Impulse. Insgesamt dürfte die Wirtschaft in diesem und im nächsten Jahr jeweils um rund 3 % wachsen. Polen zählt damit weiterhin zu den dynamischsten Ländern in Europa. Die Volatilität an den Kapitalmärkten der Region während und nach der Krise war in Polen weniger stark spürbar, allerdings verharren die Spreads zur Eurozone knapp oberhalb der Marke von 300 Basispunkten und drücken so die noch immer vorsichtige Haltung der Anleger aus. Die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen dürfte ausgehend vom aktuellen Niveau von 5,5 % im Laufe des Jahres 2011 noch etwas nachgeben. Der Zloty, der während der Krise spürbar abgewertet hatte, spiegelt die guten ökonomischen Rahmenbedingungen wider: Er legte seit 2009 deutlich zu. Seit der Jahresmitte 2010 hat er sich auf Werte von 3,9 bis 4 EUR-PLN eingependelt. Bis Ende des Jahres dürfte sich der Zloty bei 3,9 halten und im Vorfeld der Fußball-EM 2012 bei weiter günstiger Wirtschaftsentwicklung noch etwas an Wert gewinnen. 8.2 BIP-Prognose: 2010: 1,5 % 2011: 2,0 % Prognose EUR-CZK: Ende 2010: 24,5 Ende 2011: 24,0 2010: 0,3 % 2011: 2,2 % Prognose EUR-HUF: Ende 2010: 285 Ende 2011: 270 Tschechien: In ruhigem Fahrwasser Sowohl bei der Bewertung der Tschechischen Krone als auch bei den langfristigen Staatsanleihen sind die Märkte selbst während der zurückliegenden weltweiten Krise, der sich auch Tschechien nicht entziehen konnte, relativ entspannt geblieben. Die Krone liegt gegenüber dem Euro mit aktuell 24,7 EUR-CZK etwas oberhalb des stärksten Kurses vom Sommer 2008 (23 EUR-CZK). Auf seine Staatsanleihen zahlt Tschechien gegenüber der europäischen Benchmark mit derzeit nur rund 100 Basispunkten die niedrigsten Risikoaufschläge in der Region. Dies reduziert den Anreiz, der Währungsunion beizutreten. Das BIP wird in diesem und im nächsten Jahr Wachstumsraten von 1,5 bzw. 2 % aufweisen. Die Notenbank, die seit der letzten Zinssenkung im Mai 2010 den Leitzins stabil hielt, dürfte 2011 zu vorsichtigen Zinsanhebungen übergehen. Bei einer Fortsetzung der Reform- und Sparbemühungen durch die neue Regierung von Ministerpräsident Nečas dürfte die Krone Ende 2010 rund 24,5 EUR-CZK und Ende 2011 rund 24 EUR-CZK erreichen. 8.3 BIP-Prognose: Polen: In der europäischen Spitzengruppe Ungarn: Bleibt die Regierung auf Sparkurs? Auf Äußerungen aus der neuen Regierung, die Lage der Staatsfinanzen könnte ähnlich sein wie in Griechenland, reagierten die Devisen- und Kapitalmärkte in diesem Sommer äußerst nervös. Nachdem der Finanzminister jüngst zusicherte, die EU-Defizitgrenze zu respektieren, sind die Risikoaufschläge auf 10-jährige Staatsanleihen aber wieder unter 500 Basispunkte gesunken. Für die Entwicklung der Spreads und des Forint-Kurses wird entscheidend sein, wie sich die weitere Zusammenarbeit Ungarns mit dem IWF und der EU gestaltet und ob die Regierung die Märkte von ihrer Entschlossenheit überzeugen kann, am eingeschlagenen Sparkurs festzuhalten. Das aktuelle Stand-by-Abkommen mit dem IWF läuft im Oktober aus. Die Haushaltslage bleibt wegen der mäßigen Wachstumsaussichten angespannt. Mit einem nennenswerten BIP-Zuwachs kann voraussichtlich erst wieder 2011 gerechnet werden. Dennoch stehen bei den Leitzinsen die Zeichen eher auf Anhebung: Die Inflationsrate lag bis vor kurzem oberhalb des definierten Zielbereichs von 3 % +/- 1 Prozentpunkt. Außerdem würde eine Schwächung der Währung die privaten Haushalte belasten, die stark in Fremdwährung verschuldet sind. Ungarn wird von den Anlegern weiterhin genau beobachtet. Der Forint dürfte gegenüber dem Euro am Jahresende 2010 bei 285 EUR-HUF und Ende 2011 bei 270 EUR-HUF liegen. Die Volatilität an den Märkten wird in Ungarn ausgeprägter bleiben als in den Nachbarländern. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 10 Märkte und Trends 2011 9 BRIC: Dynamische Länder 9.1 BIP-Prognose: 2010: 7,0 % 2011: 4,0 % Brasilien: Werden Träume wahr? Brasilien wird 2010 mit rd. 7 % das höchste Wachstum seit 1986 erzielen. Allerdings beruht dieser Wert auch auf einem statistischen Überhangeffekt. Die Wachstumsgeschwindigkeit wird sich 2011 auf rd. 4 % normalisieren. Das konjunkturelle Bild ist allerdings getrübt, weil nur die Inlandsnachfrage die Dynamik bringt, der Außenbeitrag hingegen negativ ist. Steigende Reallöhne und Renten sowie die sich beschleunigende Kreditvergabe der Banken stimulieren. Ebenso kurbeln ausländische Portfolio- und Anlageinvestitionen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur die Investitionen an. Obwohl die Exportstruktur Brasiliens breit diversifiziert ist und die (Rohstoff-) Ausfuhren nach China in den letzten Jahren kräftig gestiegen sind, ist die Bedeutung der Außenwirtschaft in Brasilien unter den BRIC-Staaten am geringsten. Der Anteil der Exporte am BIP ist in den letzten Jahren sogar zurückgegangen. Die Wirtschaft wird sich generell stärker öffnen müssen. Denn nur so lässt sich der brasilianische Traum von einer starken und wohlhabenden Wirtschaftsnation verwirklichen. Dem stehen jedoch protektionistische Tendenzen in der Wirtschaftspolitik zur Bevorzugung brasilianischer Produkte im Wege. Das 2010 und 2011 voraussichtlich bei rd. 3 % des BIP liegende Leistungsbilanzdefizit dürfte sich mühelos finanzieren lassen. Die beachtlich hohen Währungsreserven sind bis zuletzt gestiegen. Wegen Überhitzungsgefahren und steigender Inflation hatte die Zentralbank bereits im Frühjahr 2010 begonnen, die Zinsen anzuheben. Wegen der im zweiten Halbjahr 2010 schwächer werdenden Konjunktur und nunmehr moderaten Inflation wird sie die Zinszügel vorerst wahrscheinlich nicht weiter anziehen. Der Wechselkurs des Real ist außenwirtschaftlich ohnehin zu stark. Solange aber Portfolioinvestoren die brasilianischen Zinsvorteile und Direktinvestoren die brasilianischen Marktchancen ausnutzen, dürfte der Real gegen eine ausgeprägte Schwächephase gefeit sein. 9.2 BIP-Prognose: 2010: 4,0 % 2011: 4,0 % Russland: Hoher Modernisierungsbedarf Die russische Wirtschaft wird 2010 voraussichtlich mit rd. 4 % wachsen und somit die Hälfte der Rezession von 2009 wieder wettmachen. Die besonderen Bedingungen vor der globalen Wirtschaftskrise wie rasch zunehmende Ölpreise, starker Zufluss von Auslandskapital, schneller als die Produktivität steigende Löhne sowie beachtliche Haushaltsüberschüsse sind vermutlich dauerhaft vorüber. Die Lohnentwicklung wird sich stärker an der Produktivität ausrichten müssen, und die Regierung wird die Sozialleistungen nicht weiter erhöhen können. Darüber hinaus sollten die Großunternehmen die Abhängigkeit von Auslandskrediten vermindern. Der Außenbeitrag wird negativ sein, da die Exporte bei seitwärts tendierenden Ölpreisen im Gegensatz zu den Importen nur verhalten zunehmen werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, beabsichtigt die Regierung in den nächsten Jahren die Wirtschaft über Teilprivatisierungen mit Anteilsverkäufen von bis zu 30 Mrd. $ zu modernisieren. Das Interesse ausländischer Investoren würde zweifelsohne wachsen, wenn nach langjährigen Verhandlungen Russland endlich der WTO beitreten würde. Denn die Rechtssicherheit ist noch ein Manko bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ungeachtet der strukturellen Probleme zeichnet der gesamtwirtschaftliche Datenkranz ein gutes Bild. Bei einem Wirtschaftswachstum von 4 % dürfte das Staatsdefizit 2011 bei stabilen Ölpreisen unter 3 % des BIP fallen. Trotz der starken Importnachfrage ist weiterhin ein deutlicher Leistungsbilanzüberschuss zu erwarten. Die Inflationsrate wird 2010 mit 7 % wahrscheinlich auf dem niedrigsten Wert seit der Auflösung der Sowjetunion liegen, allerdings infolge der Auswirkungen der Dürre auf die Nahrungsmittelpreise 2011 steigen. Deshalb sollte die Zentralbank die Refinanzierungsrate nicht weiter senken, aber auch nicht wesentlich erhöhen. Denn bei steigenden russischen Zinsen könnte der Rubelkurs im Umfeld stabiler Ölpreise deutlich aufwerten, was die Regierung und die Zentralbank aus Wettbewerbsgründen verhindern wollen. Der Rubelkurs erreichte Mitte 2010 real bereits wieder den Stand vor der Krise 2008. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 11 Märkte und Trends 2011 9.3 BIP-Prognose: 2010: 8,2 % 2011: 8,3 % Indien: Entdeckt von Portfolioinvestoren Indien ist wirtschaftlich schon stärker international verflochten als viele vermuten. Einschließlich der Dienstleistungen liegt der Exportanteil am BIP mit gut 20 % nur 5 Prozentpunkte unter dem der gefühlten Exportnation China. Genauso erreicht Indien mit jährlich gut 8 % fast das Expansionstempo Chinas. Der Agrarsektor verliert gegenüber der dynamischen Industrie und den Dienstleistungen immer mehr an Bedeutung für die BIP-Entwicklung, wenn gleich über die Hälfte der indischen Milliardenbevölkerung von der Landwirtschaft lebt. Die Inflationsrate mit ihrer hohen Gewichtung der Nahrungsmittelpreise verdeutlicht den gesamtwirtschaftlichen Einfluss des Monsuns. Da die Regenfälle 2009 schwach ausfielen, stieg die Konsumententeuerung bis zum Jahresanfang 2010 auf 16 %. Mit dem normalen Monsun in diesem Sommer sinkt die Inflationsrate nun wieder, doch bremsen Zweitrundeneffekte z.B. über steigende Löhne den Rückgang. Die Zentralbank hat den Leitzins bereits fünfmal auf nun 6 % angehoben, weitere Straffungsschritte dürften in den nächsten Monaten folgen. Dabei behält die Notenbank die Zinsausgaben des stark verschuldeten Staates ebenso im Blick wie die lebhaften ausländischen Portfolioinvestitionen mit ihren Auswirkungen auf die indische Währung und die Wettbewerbsfähigkeit. Nach einer monatelangen Aufwertungsphase hat die Rupie seit diesem Frühjahr etwas an Wert verloren. Die Stärke der indischen Volkswirtschaft, die 2010 und 2011 ein BIP-Wachstum von mehr als 8 % gegenüber dem vorherigen Fiskaljahr erwarten lässt, spricht für eine tendenziell festere Rupie. Sollte allerdings die Inflation im kommenden Jahr nicht spürbar nachlassen, könnte der Zufluss des Auslandskapitals versiegen und folglich die Rupie unter Abwertungsdruck geraten. Dagegen gehen vom relativ niedrigen Leistungsbilanzdefizit keine Gefahren aus, da dieses mit (stabileren) ausländischen Direktinvestitionen finanziert wird. 9.4 BIP-Prognose: 2010: 9,9 % 2011: 9,0 % China: Zünglein an der globalen Konjunkturwaage Dass China dieses Jahr zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wird, bestätigt seine gestiegene Bedeutung im globalen Wirtschaftsgeschehen wie auch in der Politik. Allerdings scheint China die aus dieser Rolle erwachsende Verantwortung nicht wirklich übernehmen zu wollen und stellt sich mit Verweis auf das recht niedrige Pro-Kopf-Einkommen selbst noch als Entwicklungsland dar. Gegenwärtig richten sich die Anstrengungen der chinesischen Wirtschaftspolitik darauf, die Volkswirtschaft auf einen strukturell gesünderen Wachstumspfad zu bringen. Ausgehend von der sehr hohen Dynamik zu Jahresbeginn ist eine leichte Abschwächung zu erwarten. Der BIP-Anstieg dürfte 2010 bei rund 10 % gegenüber dem Vorjahr liegen und sich 2011 auf etwa 9 % abschwächen. Trotz staatlicher Einflussnahme auf den Bankensektor ist die Kreditexpansion immer noch kräftig und risikoreich. Parallel dazu sollen immer mehr Maßnahmen gezielt einer Überhitzung am Immobilienmarkt entgegen wirken. Dies bleibt das Risiko für die Entwicklung Chinas. Allerdings ziehen mittlerweile die Lebensmittelpreise als zentrale Komponente der Konsumententeuerung an, und auch von Lohnerhöhungen könnte Aufwärtsdruck auf die Inflation entstehen. Lediglich einen kleinen Dämpfer für die Teuerung stellt die seit Juni wieder kontrolliert zugelassene Festigung des Yuan dar. Der graduelle Aufwertungstrend passt in das Konzept Chinas zur langfristigen Internationalisierung seiner Währung. Er dürfte in den nächsten Monaten weiterhin von temporären Abwertungen zur Begrenzung spekulativer Kapitalzuflüsse unterbrochen werden. Zum Jahresende 2010 dürfte sich der Yuan unterhalb von 6,70 je Dollar bewegen und im kommenden Jahr weiter festigen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. September 2010· © Helaba 12