www.evimed.ch Vitamin E unwirksam zur Prävention von Atemwegsinfekten Frage: Vermindert eine Vitamin E-Supplementation Atemwegsinfekte bei älteren, pflegebedürftigen Menschen? Hintergrund: Atemwegsinfekte sind eine wichtige Ursache von Morbidität und Mortalität bei älteren Menschen. Supplementation mit Vitamin E verbessert eventuell den Immunstatus dieser Menschen und reduziert dadurch die Entwicklung von Atemwegsinfekten. Einschlusskriterien: • • Ältere Menschen über 65 Jahre, die in einem Pflegeheim wohnen Lebenserwartung von > 6 Monaten Ausschlusskriterien: • • • • Baldige Entlassung aus Pflegeheim Bettlägerigkeit Tumorerkrankungen Immunsuppressiva oder Langzeittherapie mit >10 mg Steroiden pro Tag Studiendesign: Randomisiert, placebokontrollierte Studie Studienort: Boston, USA Intervention: • • Interventionsgruppe: 1 Kapsel mit 200 IU Vitamin E pro Tag über 1 Jahr Kontrollgruppe: 1 Kapsel mit 4 IU Vitamin E und Sojabohnenöl pro Tag über 1 Jahr Outcome: • • • Obere und untere Atemwegsinfekte (Erkältungen, grippale Infekte, Sinusitis, Pharyngitis, Bronchitis, Pneumonie) Verschreibung von Antibiotika Notfallsbesuche, Hospitalisationen Resultat: • • 617 Patienten (73% Frauen, Durchschnittsalter 85 Jahre) wurden in die Studie eingeschlossen. Die Anzahl oberer und unterer Atemwegsinfekte unterschied sich nicht statistisch signifikant zwischen den Gruppen: Outcome Durchschnittliche Anzahl Gruppe mit Vitamin E (n=311) Gruppe mit Placebo (n=306) Relatives Risiko 1.35 1.47 0.92 (0.80-1.06) www.evimed.ch Atemwegsinfekte pro Patient pro Jahr Anteil Patienten mit mindestens einem Atemwegsinfekt pro Jahr 186 207 0.88 (0.76-1.00) Durchschnittliche Anzahl oberer Atemwegsinfekte pro Patient pro Jahr 0.82 0.93 0.88 (0.73-1.05) Durchschnittliche Anzahl unterer Atemwegsinfekte pro Patient pro Jahr 0.54 0.54 1.00 (0.80-1.26) Durchschnittliche Anzahl Erkältungen pro Patient pro Jahr 0.67 0.81 0.83 (0.68-1.01) Anzahl Tage mit einem Atemwegsinfekt pro Patient pro Jahr 13.74 15.37 Differenz: -1.64 (-4.56-1.29) • Es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen in bezug auf die Häufigkeit der Verschreibung von Antibiotika, Notfallsbesuche oder Hospitalisationen. Kommentar: • Die Studie war methodologisch sehr sorgfältig aufgebaut. Bei der Randomisierung wurden verschiedene prognostisch wichtige Faktoren für das Auftreten von Atemwegsinfekten berücksichtigt (COPD, Alter, Rauchen), damit diese in beiden Gruppen möglichst gleich verteilt waren (Stratifizierung). Die klinische Präsentation der verschiedenen Atemwegsinfekte wurde definiert, so dass die klinische Beurteilung möglichst einheitlich geschah. • Der einzige signifikante Unterschied zwischen den Gruppen konnte in dem Anteil Patienten mit mindestens einem Atemwegsinfekt pro Jahr entdeckt werden. Ansonsten zeigte Vitamin E keinen Effekt auf das Auftreten von Atemwegsinfekten. • Die Atemwegsinfekte wurden klinisch diagnostiziert. Es wurde aber nicht verifiziert, ob die Ursache viral oder bakteriell war. Es ist unklar, ob Vitamin E weder bei bakteriellen noch viralen Infekten präventiv wirksam ist. Die Studie wurde mit älteren, pflegebedürftigen Menschen durchgeführt, die besonders anfällig auf Atemwegsinfekte sind. Bei diesen Patienten wäre es leichter, einen Therapieeffekt zu finden als bei älteren Menschen mit besserem Gesundheitszustand und ohne Pflegebedürftigkeit. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass Vitamin E bei letzteren einen grösseren Effekt zeigen würde. Weitere Studien müssten dies jedoch zeigen. • Literatur: Meydani SN et al: Vitamin E and respiratory tract infections in elderly nursing home residents: a randomized controlled trial. JAMA. 2004 Aug 18;292(7):828-36. Verfasser: Milo Puhan