Berufspolitik Neue Mainzer Ambulanz hilft Menschen, die nicht krankenversichert sind Ines Engelmohr, Mainz Wohnungslose und Menschen ohne Versicherungsschutz werden in Mainz bald eine neue Anlaufstelle für medizinische Akutversorgung und Beratung haben: Denn auf der Mainzer Zitadelle wird in Kürze die neue Ambulanz für Menschen in prekären Lebenssituationen ihre Tore öffnen. mehr leisten können.“ Die Gründe, warum viele Menschen schon zum Teil seit Jahren ohne Krankenversicherung sind, ähneln sich: sinkende Aufträge, kein Einkommen mehr wegen Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit. Eigentlich gibt es in Deutschland inzwischen eine Pflicht zur Krankenversicherung. Doch zwei Hürden sind für Viele immer noch unüberwindbar: Zum einen der recht hohe Basistarif in der privaten Krankenversicherung und zum anderen in der gesetzlichen Krankenversicherung die Vorschrift, dass die Beiträge seit Einführung der Versicherungspflicht nachgezahlt werden müssen. Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 200.000 Menschen ohne Versicherungsschutz. Träger der Ambulanz ist der Mainzer „Verein Armut und Ge­­ sundheit“. Er hat für die Mainzer Ambulanz den ersten Stock im linken Zitadellen-Trakt F von der dort ansässigen Pfarrer-Landvogt-Hilfe gemietet. Die Räume sind nun frisch renoviert und bezugsfertig. Auf rund 260 Quadratmetern ist Platz für ein Wartezimmer, sechs Behandlungs- und Untersuchungsräume sowie ein Gesprächszimmer. In einem weiteren Raum wird auch der Verein selber seinen Büro-Verwaltungssitz haben. In die Mainzer Ambulanz kann jeder kommen, der nicht versichert ist. Erfahrungsgemäß sind dies zum einen Menschen, die Die Idee für eine solche Ambulanz hatten der Verein und der ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland sind. SchätzunMainzer Wohnungslosen-Arzt und Sozialmediziner Professor Dr. gen zufolge liegt die Zahl der Menschen ohne Papiere bundesGerhard Trabert schon seit langem, doch bislang fehlten die weit zwischen 200.000 und 600.000. Wenn diese Menschen Räumlichkeiten hierfür. Die sind nun gefunden; und es kann ohne Papiere erkranken, gehen sie oftmals aus Angst, entdeckt losgehen. Zurzeit werden die Räume ausgestattet; benötigt und abgeschoben zu werden erst sehr spät zum Arzt. Nicht wird noch vieles. Die Ambulanz freut sich deshalb auch über Sachspenden wie gut erhaltene medizinische Geräte, Regale, „Armut und G esundheit in Karteikästen und vieles mehr. Deutschland e.V.“ Die festen Sprechstunden mehrmals in der Woche schultern pensionierte Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen ehrenamtlich. Ärztinnen und Ärzte, die gerne mitarbeiten möchten, sind willkommen. Bislang ist vorgesehen: allgemeinmedizinische und internistische Hilfe, kleine Chirurgie, einfache Gynäkologie und auch Zahnarztbehandlung. Auch Funktionsdiagnostik mit EKG und Sonografie wird möglich sein. Vorgesehen ist auch die Kooperation mit „Apotheker ohne Grenzen“. Geplant ist es zudem, einen Optiker und einen Hörgeräteakustiker mit an Bord zu nehmen. Die anfallende Verwaltungsarbeit werden festangestellte Helfer übernehmen. Für die begleitende Sozialarbeit ist ebenfalls feste Unterstützung vorgesehen. Sozialmediziner Trabert engagiert sich seit über 18 Jahren in der medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen. Mit seinem Arztmobil, das der Verein „Armut und Gesundheit“ unterstützt und das jetzt auch in der Mainzer Ambulanz eingebunden wird, ist er in der Stadt unterwegs und versorgt die Wohnungslosen vor Ort. Für dieses „Mainzer Modell“ hat er eine Ermächtigung. In jüngster Zeit kommen immer mehr Menschen zu den Anlaufstellen des Arztmobils, die nicht ­ wohnungslos sind. Trabert: „Ich versorge neben den Woh­ nungslosen auch immer mehr Handwerker und andere Selbständige, die sich ihre Krankenversicherung einfach nicht 16 Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 1/2013 Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, die Gesundheitssituation armer und sozial benachteiligter, insbesondere wohnungsloser und obdachloser Menschen zu verbessern. Der Verein initiiert und unterstützt aufsuchende Projekte für medizinische Hilfe und ganzheitliche Ge­­ sundheitsförderung. Seit über zehn Jahren unterstützt der Verein zudem das „Mainzer Modell der gesundheit­ lichen Versorgung von wohnungslosen Menschen“ des Wohnungslosenarztes Professor Dr. Gerhard Trabert. Hierfür gibt es in verschiedenen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe feste Sprechstunden. Zusätzlich sucht Trabert mit dem „Arztmobil“ wohnungslose Menschen auf der Straße auf. Bei allen Hilfsangeboten ist die Maxime des Vereins, dass Patienten und Patientinnen wieder Zugang in die allgemeine Gesundheitsversorgung bekommen. Es soll keine Nischenmedizin für Arme entstehen. Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. ist Mitglied in der nationalen Armutskonferenz und der Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz. Der gemeinnützige Verein freut sich über Spenden für seine Arbeit: Spendenkonto „Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.“, Mainzer Volksbank, Konto-Nummer: 1 919 018, BLZ: 551 900 00. (eng) Foto: Engelmohr Berufspolitik Auf de r M a inzer Z it a d elle ö ffn et b a ld d ie b u n d eswe i t e i n z i g a r ti g e M a i n ze r Ambu l a n z i h re P fo r te n f ü r M e n s c h e n, d i e n icht k ra nk e nve rsic h er t sin d. selten endet dies im medizinischen Notfall. Zum anderen sind dies EU-Bürger, die ganz legal im Land, aber nicht krankenversichert sind. In Rheinland-Pfalz sind es häufig Saisonarbeiter aus Polen, Rumänien und Bulgarien, die zwar während der Saisonarbeit über ihren Arbeitgeber versichert sind. Doch bleiben sie über die Saisonarbeit hinaus im Land, dann haben sie ohne Job auch keine Krankenversicherung. Und die dritte Gruppe, die dieses Angebot immer mehr nutzt, sind eben diejenigen Selbständigen, die sich ihre Krankenversicherung nicht leisten können. sche und psychologische Sprechstunden sollen deshalb ebenfalls fest integriert werden. Bei der Präventionsarbeit sind Trabert auch Impfsprechstunden wichtig. Angedacht ist es auch, in der Ambulanz ein kleines Medikamentenlager anzulegen – falls dies keinen standesrechtlichen Vorschriften widerspricht, um nichtversicherten und bedürftigen Patienten nach ärztlicher Indikationsstellung und Verordnung direkt eine entsprechende Medikation zuzuführen. Hier soll in enger Kooperation mit Apothekern ein entsprechendes Versorgungskonzept entwickelt und umgesetzt werden. Die neue Ambulanz, und darauf legt Trabert großen Wert, „etabliert auf keinen Fall eine Art Subversorgungskultur“. Auch sollen keine Parallelstrukturen in der Versorgung aufgebaut werden. Trabert: „Wir sind keine Konkurrenz im ambulanten Bereich, sondern nur eine Art Bindeglied.“ Die Ambulanz will die Hilfebedürftigen, die derzeit nicht im sozialen Netz gesichert sind, auffangen und sie nach Akutversorgung idealerweise in die Regelversorgung zurückführen. Die Mainzer Ambulanz soll eine Versorgungseinrichtung für die Menschen sein, „die immer häufiger durch die Aushöhlung unseres Gesundheitsversorgungsnetzes, nicht mehr menschenwürdig, kompetent und umfassend sozialmedizinisch betreut werden“. Das Versorgungskonzept baut deshalb auch auf die enge Kooperation und Vernetzung mit Niedergelassenen und Krankenhäusern, Beratungsstellen und Selbsthilfeeinrichtungen sowie dem Job-Center und dem Sozialamt. Das neue Projekt der Mainzer Ambulanz in dieser Form bundesweit einzigartig. Und es ist ein ehrgeiziges Projekt, das auch eine enorme finanzielle Herausforderung bedeutet. Der Verein schätzt die jährlichen Kosten der Ambulanz für Miete, Nebenkosten, Personal und Arzneien auf rund 120.000 Euro. Spenden hierfür sind jederzeit willkommen! Deshalb will die Ambulanz auch nicht nur Akutversorgung anbieten, sondern eben auch Prävention und Beratung. Gerade Beratung werde immer wichtiger, denn vor allem viele alte und vor allem alleinstehende Menschen finden sich im Gesundheitssystem nicht mehr zurecht, weiß Trabert. Sozialarbeiteri- I nformationen für Är zte, die mitarb eiten wollen Ärztinnen und Ärzte, die auch während ihres Ruhestands gerne weiterhin Menschen ärztlich und ehrenamtlich helfen möchten, sind bei der Mainzer Ambulanz herzlich willkommen. Wie der Einsatz aussehen kann, erfahren interessierte Ärztinnen und Ärzte während der Informationsveranstal­ tung am 29.Januar 2013 19.00 Uhr in den Räumen der Ambulanz auf der Zitadelle 1 F in 55131 Mainz. Kontaktaufnahme ist auch per mail möglich unter [email protected] Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 1/2013 17