Zusatzthema zu Modul 2 Organe der EU Der Europäische Bürgerbeauftragte des EP Der Maastrichter Vertrag hat das Amt eines Europäischen Bürgerbeauftragten (auch „Ombudsmann“ genannt) eingeführt. Er wird vom Europäischen Parlament für die Dauer der Legislaturperiode, also für fünf Jahre, ernannt. Erster Bürgerbeauftragter war ab 1995 der Finne Jacob Söderman, seit 1. April 2003 ist es der Grieche P. Nikiforos Diamandouros, der einmal in seinem Amt bestätigt wurde. Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU heißt es: „Der Bürgerbeauftragte übt sein Amt in völliger Unabhängigkeit aus.“ (Art. 228 AEUV). Er ist also allein dem Interesse der Union und ihrer Bürgerinnen und Bürger verpflichtet. Jede Unionsbürgerin und jeder Unionsbürger kann sich beim Bürgerbeauftragten beschweren, wenn Missstände im Verkehr mit Organen oder Einrichtungen der EU vermutet werden. Missstände können sein: Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse in der Verwaltung, Machtmissbrauch, Verstöße gegen das Recht der Union, Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder des Geschlechts, vermeidbare Verzögerungen, Vorenthalten von Informationen. Einzige Ausnahme sind Rechtsfälle. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz sind tabu. Die Beschwerden dürfen auch nichts betreffen, was bereits durch ein nationales Gericht behandelt wurde oder wird. Staatsangehörige anderer Länder, die ihren Wohnsitz in einem Land der Union haben, können sich ebenfalls beschweren, ebenso jede juristische Person (Unternehmen, Vereinigung), die in einem Unionsland ihren satzungsgemäßen Sitz hat. Der Bürgerbeauftragte kann auch von sich aus Untersuchungen einleiten. Außerdem kann jeder Abgeordnete des Europäischen Parlaments Beschwerden an ihn weiterleiten. Er hat weitreichende Untersuchungsbefugnisse. Die Organe und Institutionen der Union müssen ihm ausreichende Auskünfte erteilen und angeforderte Unterlagen und Beweismittel aushändigen. Der Bürgerbeauftragte strebt in der Regel eine unbürokratische gütliche Lösung an und kann als Schlichter zwischen Beschwerdeführern und der EU-Verwaltung fungieren. Falls keine Schlichtung zustande kommt, kann der Bürgerbeauftragte der betroffenen Institution formell eine Lösungsmöglichkeit empfehlen und das Europäische Parlament unterrichten. 2 Beschwerden können in jeder der 23 Amtssprachen der Union abgefasst sein. Es muss daraus klar hervorgehen, wer die Beschwerde führt, welches Organ oder welche Institution der EU davon betroffen ist und was die Gründe für die Beschwerde sind. Der Tag, an dem man von dem Sachverhalt erfahren hat, über den man sich beschwert, darf nicht länger als zwei Jahre zurück liegen. Wer Beschwerde führt, muss von den Missständen nicht persönlich betroffen sein, muss sich aber in der Angelegenheit bereits mit dem betreffenden Organ oder der betreffenden Institution in Verbindung gesetzt haben, zum Beispiel in einem Schreiben. Eine Beschwerde kann mit einem einfachen Brief oder mit Hilfe eines Formulars eingereicht werden. Eine elektronische Version des Beschwerdeformulars befindet sich auf der Internetseite des Bürgerbeauftragten: http://www.ombudsman.europa.eu/form/de/default.htm Mehr als die Hälfte der beim Bürgerbeauftragten eingehenden Beschwerden fallen nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Um solche Beschwerden zügig an die zuständigen Stellen weiterleiten zu können, wurde 1996 das Europäische Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten eingerichtet, das mehr als 90 Einrichtungen in 32 europäischen Staaten umfasst. Statistik der Beschwerden Die meisten Beschwerden beziehen sich auf vermeintliche Verstöße bei Personaleinstellungen der Kommission, auf die Vertragspolitik der Kommission, ihre Umweltmaßnahmen, den Zugang zu Dokumenten, Betrugsfälle und die Verfahren von Ausschreibungen. Der Bürgerbeauftragte legt dem Europäischen Parlament jährlich einen Bericht über seine Tätigkeit vor. Im Jahr 2010 wurden 2.667 Beschwerden registriert (2009: 3.098; 2008: 3.406) und 2.727 bearbeitet. 1.435 Beschwerden fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bürgerbeauftragten und wurden an das Europäische Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten weitergeleitet. 744 Beschwerden betrafen den Arbeitsbereich des Bürgerbeauftragten, davon waren rund 421 ohne Grundlage für eine Untersuchung oder unzulässig, 323 Beschwerden führten zu Untersuchungen. Zwei Drittel (65 %) der Untersuchungen betrafen die Kommission, 10 % das Europäische Amt für Personalauswahl, 7 % das Europäische Parlament, 2 % den Rat, 1 % den EuGH, 16 % sonstige Institutionen. 3 Die häufigsten Vorwürfe eines Missstandes in der Verwaltungstätigkeit betrafen 2010 – Verletzungen der Grundsätze von Rechtmäßigkeit (inkorrekte Anwendung von materiellund/oder verfahrensrechtlichen Vorschriften: 20,6 % der Untersuchungen), die Angemessenheit der Fristen für die Entscheidungsfindung (14,1 %), Fairness (11 %), die Begründungspflicht für Entscheidungen und die Information über Berufungsmöglichkeiten (5,8 %), die Pflicht zur Beantwortung von Schreiben in der Sprache der Bürgerinnen und Bürger unter Angabe des zuständigen Beamten (5,5 %) sowie die Sorgfaltspflicht (3,1 %); – Verletzungen der Pflichten in Bezug auf Informationsersuchen (30,4 % der Untersuchungen), Anträge auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (6,7 %) und die Gewährleistung des Fehlens von Diskriminierung (3,7 %). Die meisten der im Jahr 2010 registrierten Beschwerden (2.667) kamen aus Deutschland (375), Spanien (349), Polen (214), Belgien (207), Frankreich (171), Italien (132) und Großbritannien (132). Anschriften des Bürgerbeauftragten: per Post Der Europäische Bürgerbeauftragte 1 Avenue du Président Robert Schuman CS 30403 67001 Strasbourg Cedex FRANKREICH per Telefon +33 (0)3 88 17 23 13 per Fax +33 (0)3 88 17 90 62 per E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ombudsman.europa.eu Basisinformationen Jahresbericht des Bürgerbeauftragten 2010 Beschwerdeformular