Schiedsstelle__OMR_Dr.Rainer-Harbach

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OMR Dr. P. Rainer-Harbach
Ärztlicher Leiter der Schiedsstelle
QUO VADIS MEDIZIN?
In der Medizin ist ein Paradigmenwechsel im Gange.
Drei Gründe sind dafür ausschlaggebend:
1) Die mittlerweile unüberschaubar gewordene Komplexität des
medizinischen Wissens,
2) die allseits steigenden Kosten der medizinischen Versorgung
und
3) der wachsende Einfluss der Rechtssprechung auf die Medizin.
Diese Phänomene verursachen Effekte, die eine Heilkunst im
klassischen Sinne nicht mehr zulassen.
Zur Bewältigung und Nutzung des für den einzelnen Arzt heute
kaum vollständig erlangbaren Wissens hat sich die Medizin in
Dutzende von Disziplinen und Subdisziplinen aufgesplittert, in
welchen die verschiedensten Spezialisten ihre medizinische
Tätigkeit ausüben.
Zweifellose kann dadurch vielen Patienten besser geholfen werden,
auch wenn durch die Spezialisierung der Mensch als Gesamtperson
in den Hintergrund rückt. Die zunehmende Arbeitsteilung in der
Medizin ist der Preis für den Fortschritt und letztlich zu akzeptieren.
Die beiden anderen Gründe für den Paradigmenwechsel hingegen
gefährden die Heilkunst in ihrer Existenz:
Ökonomie und Judikatur zwingen die Medizin in ein ständig starrer
werdendes Korsett, welches die traditionelle Verrichtung der
Heilkunst nicht nur immer mehr einengt, sondern tendentiell auch
ihrem Ende zuführt. Wenn Medizin nur mehr vom Standpunkt der
juristischen
Makellosigkeit
betrieben
und
jede
banale
Medikamentenverordnung ökonomisch hinterfragt wird, hört die
Heilkunst im humanistischen Sinne zu existieren auf.
Die Schiedsstelle der NÖ Ärztekammer
NÖ Ärztekammer Vorreiter
Schon in der Mitte der 80iger Jahre entwickelte sich in den Kreisen
der Ärztekammer der Gedanke zur Errichtung einer Anlaufstelle für
Patientenanliegen nach vermeintlich fehlerhaften ärztlichen
Behandlungen - sei es im Spital oder im niedergelassenen Bereich.
Als eine der ersten Landes - Ärztekammern in Österreich hat die NÖ
Ärztekammer 1989 ihre Patientenschiedsstelle installiert – also
zeitlich noch deutlich vor Einrichtung der Patienten- und
Pflegeanwaltschaften.
Die Idee
Die Idee, die dieser Initiative zu Grunde lag, war sehr einfach:
Patienten sollten für den Fall einer fehlerhaften ärztlichen
Behandlung die Möglichkeit bekommen - zumindest finanziell ohne den langwierigen und kostenintensiven Weg über ordentliche
Gericht beschreiten zu müssen, so rasch und unbürokratisch als
möglich zufriedengestellt zu werden.
Jeder niederösterreichische Patient, der meint, dass ihm im
Rahmen einer ärztlichen Behandlung Schaden zugefügt wurde, hat
somit die Möglichkeit sich KOSTENLOS an die Schiedsstelle der
Ärztekammer zu wenden.
Zusammensetzung
Das Konzept und die Zusammensetzung der Schiedsstelle haben
sich in der Praxis in mittlerweile über 1.000 Fällen (!) bewährt und
sind im nunmehr 18. Jahr der Tätigkeit unverändert beibehalten
worden.
 Als Vorsitzender fungiert ein unabhängiger Richter - mit HR Dr.
Leitzenberger, Präsident des Landesgereichtes St. Pölten, eine
besonders
herausragende
Persönlichkeit.
 Der ärztliche Leiter – derzeit Brigadier OMR Dr. Rainer Harbach –
ist ein Allgemeinmediziner. Er ist in der Kommission vor allem
deshalb von Wichtigkeit, weil dadurch die Bedürfnisse der
praxisnahen Wirklichkeit gewahrt werden und ein allfälliger
Überhang fachspezifischer Betrachtungsweisen ausgeglichen
werden kann. Für den Fall einer zahnärztlichen Problematik gibt
es eine adäquate Lösung.
 Zusätzlich wird ein Vertreter jener medizinischen Fachgruppe zu
Verhandlungen hinzugezogen, in dessen medizinisches Fach der
vermeintliche
Behandlungsfehler
fällt.
 Neben einem weiteren, in medizinischen Fachfragen versierten
Juristen - in Form des Kammeramtsdirektors der NÖ
Ärztekammer – ist bei den Verhandlungen auch ein Vertreter der
jeweiligen Haftpflichtversicherung anwesend.
Zunehmend mehr Fälle
Die Zahl der an die Schiedsstelle herangetragenen Beschwerdefälle
ist bis Ende der 90er Jahre kontinuierlich gestiegen, seit drei
Jahren jedoch gleichbleibend bzw. leicht rückläufig. Für das stetige
Ansteigen über Jahre hinweg sind zwei der Gründe erkenntlich:
1.) Der erst allmählich zunehmende Bekanntheitsgrad dieser
Einrichtung und – signifikant – die einige Jahre später
angelaufene Tätigkeit der Patientenanwaltschaft, mit der sich
eine
sehr
gute
Zusammenarbeit
entwickelt
hat.
2.) Die zunehmende Begehrlichkeit der Patienten, welche
Erwartungen an die moderne Medizin in unrealistische Bereiche
steigert und gleichsam in einer Art Erfolgshaftung für die
ärztliche Tätigkeit mündet.
„Nicht ärztliche Fehler“ vorrangiges Problem
Ein nicht unerheblicher Teil der Beschwerdefälle wird heute direkt
oder indirekt durch Ärzte und Pflegepersonal, nicht zuletzt aber
auch durch Organisationsmängel in den Krankenanstalten
hervorgerufen wobei echte Behandlungsfehler oder
Sorgfaltsverletzungen sicher nicht im Vordergrund stehen.
Dank der Tätigkeit der Schiedsstelle sind in den letzten Jahren die
Aufklärungsprobleme und -mängel als Grundlage von Beschwerden
erheblich zurückgegangen. Mittlerweile haben die Aktivitäten der
Schiedsstelle dazu geführt, dass in allen NÖ Krankenanstalten
standardisierte Patienten – Aufklärungsbögen verwendet werden.
Dennoch muss vor allem in diesem Bereich ständig an
Verbesserungen gearbeitet werden.
Noch immer führen Dokumentationsmängel relativ häufig zu einer
Begründung für eine Schadenersatzleistung.
Kommunikation verbessern
Letztlich
aber
sind
es
sehr
häufig
Kommunikationsmängeln
zwischen
Patienten
Fälle
und
von
ihren
Angehörigen einerseits und dem Personal des Krankenhauses bzw.
den Ärzten andererseits, die im Vorwurf einer falschen Behandlung
oder schlechten Betreuung enden.
Es zeigt sich aber auch immer wieder – etwa bei letztlich
schicksalhaften, unvorhersehbaren und unvermeidbaren Verläufen
-, dass allein die Möglichkeit sich im Rahmen der Schiedsstelle
aussprechen und nach fachkundiger Erklärung das medizinische
Geschehen auch verstehen zu können, ein wichtiger Faktor sind.
Kostenlos, unbürokratisch und taktvoll
Im Falle berechtigter Ansprüche stellt sich die Schiedsstelle – etwa
in Vergleich zu einem Gerichtsverfahren als optimales
Lösungsmodell dar, bei dem in entspannter Atmosphäre, schonend
und taktvoll für alle Beteiligten, die Empfehlung einer realistischen
Entschädigung geboten werden kann und damit eine Beschwerde
einer raschen und abschließenden Erledigung zugeführt wird.
5 Millionen Euro für Patienten
Von 1989 bis zum Ende August 2004 wurden insgesamt 1.018 Fälle
an die Schiedsstelle herangetragen. Davon wurden 113 auf Grund
mangelndes Beschwerdegrundes eingestellt. Von den verhandelten
Fällen wurde in 41,7% der Anträge von der Schiedsstelle keine
Empfehlung für eine Schadensersatzleistung ausgesprochen.
In 58,3% der Fälle wurde den Beschwerden der Patienten
entsprochen.
Im
Zuge
dieser
Verfahren
wurde
eine
Entschädigungssumme von insgesamt von 4.926.182,91,-- Euro
seitens der Versicherungen an die Patienten unbürokratisch und
ohne Kosten für die Betroffenen ausbezahlt. Dies entspricht einem
jährlichen Durchschnitt von 307.886,42 Euro,-- seit 1989-
Der höchste je zugesprochene Betrag beträgt lag knapp unter €
300.000,-- der durchschnittliche Wert bei knapp unter € 9.700,--.
AKH 2005
115 000
47 000
280 000
80
stationäre Aufnahmen
operative Eingriffe
ambulante Kontakte
Beschwerden – nicht alle medizinischer Natur
GEDANKEN ZUR ÄRZTLICHEN AUFKLÄRUNG
Jedes ärztliche Handeln kann zu einer Problemsituation führen. Das
meint, dass bei jeder Art der Behandlung, begonnen von einer
Injektion
bis
zu
einer
größeren
Operation,
etwas
Unvorhergesehenes oder eine Komplikation auftreten kann.
Es darf gewarnt werden, Eingriffe als Routineoperationen zu
bezeichnen. Routine suggeriert in den Augen des Laien, klein,
komplikationsfrei, beiläufig.
Routine heißt in der Medizin, dass bestimmte Handlungen sehr oft
durchgeführt werden z.B. Injektionen, Narkosen, bestimmte
Operationen. Sie garantieren aber keinesfalls, dass Komplikationen
nicht auftreten können.
So gesehen gibt es aus dem Blickwinkel einer auftretenden
Komplikation keinen großen oder kleinen Eingriff; da diese, wie
ausgeführt, bei eben jeder ärztlichen Tätigkeit auftreten kann.
Natürlich sind operative Eingriffe,
umfassender
und
ausgedehnter
Komplikationsrate ausgesetzt.
welche länger dauern,
sind,
einer
höheren
Bei den Komplikationen unterscheidet man typische und seltene
Risken, je nach gewähltem Eingriff. Darüber hinaus gibt es noch
extrem seltene Risken.
Die Alltäglichkeit eines Eingriffes lässt den Schluss auf seine
völlige Ungefährlichkeit nicht zu.
ÄRZTLICHE BEHANDLUNG
Von der lege artis Behandlung allein wird keiner gesund – ohne
emotionale Ebene – keine Heilung!
Primär muss die Arzt-Patientenbeziehung Begegnung sein, nur
daraus erwächst das notwendige Vertrauen
Das Behandeln von Krankheiten ist in Österreich den Ärzten
vorbehalten, es bleibt letztlich ihnen überlassen, ob sie anerkannte
oder nicht anerkannte Methoden verwenden, nur müssen diese
besonders genau mit dem Patienten abgesprochen werden.
Der Arzt schuldet dem Patienten eine fachgerechte Behandlung
sowie einen seriösen Umgang. Dagegen schuldet der Arzt keinen
bestimmten Erfolg, insbesondere keine Heilung, sondern „nur“ eine
gewissenhafte Behandlung nach Maßgabe der ärztlichen
Wissenschaft und Erfahrung.
Ärztliche Behandlung ist eine Sorgfaltsverbindlichkeit, aber keine
Erfolgsgarantie.
Im
medizinischen
Bereich
gilt
die
Verschuldenshaftung und nicht die Erfolgshaftung (sogenannte
amerikanische Verhältnisse)
In der medizinischen Wissenschaft gibt es keinen starren Katalog
von Kunstregeln, an denen sich der Arzt zu orientieren hat, da
gerade dadurch der Fortschritt in der Medizin zum Erliegen
gebracht werden würde.
An die Pflicht zu ständigen beruflichen Fortbildung des Arztes (§ 49
ÄG) muss daher schon allein wegen der Anforderungen an eine
lege artis Behandlung ein hoher Maßstab gelegt werden. Der Arzt
muss über den jeweiligen Entwicklungsstand in seinem Fachgebiet
informiert sein, um seinen Patienten die bestmögliche medizinische
Behandlung garantieren zu können.
Eine Behandlungsmethode ist dann als veraltet anzusehen, wenn
eine neuere Methode wesentlich risikoärmer und in der
medizinischen Wissenschaft im Wesentlichen unumstritten ist. Und
somit die Anwendung von einem sorgfältigen Arzt, der seiner
Fortbildungsverpflichtung nachkommt, erwartet werden kann.
Wer arbeitet macht Fehler und wer Fehler macht, wird mit diesen
konfrontiert und muss dafür gerade stehen – dies gilt auch für den
ärztlichen Behandlungsfehler.
Der Arzt hat somit zwei Pflichten:
1)Er muss den Patienten gut behandeln (nach den Regeln der
ärztlichen Kunst)
2)sowie Einigkeit über die Verfahrensauswahl, die erwarteten
Vorteile und die möglichen Risken herstellen (Aufklärung).
Die ärztliche Aufklärung umfasst:
1) Risikoaufklärung
2) Risiko-Prioritätsabschätzung, welche die drei Faktoren, der
Risikohäufigkeit, Risikobedeutung und die Abwendbarkeit des
Risikos umfassen
3) Aufklärungszeitpunkt
VITIA ERUNT,
DONEC HOMINES
Patienten erwarten von uns Ärzten oft Allmacht. Sobald das
Ergebnis einer medizinische Behandlung nicht den Vorstellungen
entspricht, wird von Mißerfolg und Fehlern der Medizin und der
Ärzte gesprochen. Von keiner Berufsgruppe, außer von jener der
Ärzte, wird auch im Strafrecht ständige Fehlerlosigkeit verlangt.
Eine Komplikation bedeutet aber nicht gleich, daß der Arzt einen
„Kunst“-Fehler begangen haben muß.
Die Beziehungen zwischen Arzt und Patient fußen auf einer
emotionalen und nicht auf einer juridischen Ebene. Der Begriff des
Patientenrechtes kommt im Regelfall dann zu tragen, wenn die
emotionale Ebene gestört ist. Ähnliches finden wir im auch
Scheidungs- bzw. Erbrecht.
Unter normal Umständen werden diese Gesetze nicht benötigt. Bei
Auffassungsunterschieden werden aber Regeln - sprich Gesetze bemüht. Die Medizin ist und bleibt eine Kunst – eine Heilkunst – und
nicht wie viele meinen eine absolut exakte Wissenschaft. Ärztliches
Wirken kann daher niemals einer mathematischen Gleichung
entsprechen.
Die Beziehung zwischen Arzt und Patient ist, wie eingangs schon
erwähnt, in einer zwischenmenschlichen Dimension begründet,
wofür im Lateinischen der Ausdruck Certitudo steht – was so viel
wie Vertrauen und Geborgenheit heißt. Diese beiden Dinge muß der
Patient in der Begegnung mit seinem Arzt spüren, sonst stimmt
diese Beziehung nicht.
Der Patient erwartet eine Begegnung, daraus resultierend einen
Dialog und in weiterer Folge Solidarität.
Dort wo Sicherheit, Normen und geschriebenes Recht diese
Beziehung bestimmen, steht im Lateinischen der Begriff Securitas –
Sicherheit.
Diese
bieten
-
unter
anderem
-
Versicherungsgesellschaften. Sie stellt aber keine Basis für die
Begegnung von Arzt und Patient dar.
In der Schiedsstelle der Ärztekammer kommen im Regelfall jene
Fälle zur Sprache, in denen die Arzt-Patientenbeziehung auf
Securitas beruhte, wo also die gefühlsmäßige Komponente dieser
Beziehung gefehlt hat oder nur rudimentär vorhanden war.
Geborgenheit und Vertrauen kommt aus einer menschlichen
Qualität und setzt psychische Stabilität und Orientierung an Werten
und Zielen voraus. Möge diese Veranstaltung dazu beitragen, daß
uns, den Ärzten, und Patienten diese Umstände wieder bewußt
werden.
Die
Schiedsstelle
versucht
Certitudo
zur
Medizin
wieder
herzustellen, Sie bietet den Rahmen für eine neuerliche Begegnung
von
Arzt
und
Patient.
Sie
versucht
den
Patienten
durch
vertrauensbildende Maßnahmen und durch das Gespräch die
Möglichkeit zu bieten, jene Geborgenheit sicher zu stellen, welche
im bei einem konkreten Anlassfall scheinbar oder wirklich nicht
vorhanden war.
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