Phasen der Einwanderungspolitik (in Europa) bis 1973 1970er/80er Jahre 1990er Jahre ab 2000 Kriminologie I WS 2012 - 2013 Immigration aus früheren Kolonien und Anwerbung von „Gastarbeitern“ Familienzusammenführung und Asyl Asyl, Flüchtlinge, illegale Immigration Asyl, Flüchtlinge, illegale Immigration und ausgewählte Arbeitsmigranten Page 1 Ausländerstatus und Tatverdacht (1984 – 2011, %) Sonstige: verschiedene Kategorien wie Arbeitslose, Geduldete etc. 70 60 50 40 30 20 10 Asylbewerber Kriminologie I WS 2012 - 2013 Arbeitnehmer Touristen Ausbildung Illegal 20 10 20 08 20 06 20 04 20 02 20 00 19 98 19 96 19 94 19 92 19 90 19 88 19 86 19 84 0 Sonstige Page 2 Beziehungen zwischen Einwanderung, Sicherheit und Kriminalität Einige, jedoch nicht alle, Immigrantengruppen sind stärker mit Kriminalität belastet Besondere Belastungen sind teilweise sichtbar bei den Einwanderern der zweiten und dritten Generation Viele Immigranten befinden sich in einer ökonomisch und sozial gesehen prekären Situation Der soziale und ökonomische Wandel der letzten Jahrzehnte hat sich zu Lasten von Immigranten ausgewirkt – Das Verschwinden (einfacher) Arbeit hat die Immigrations- und Integrationsbedingungen verändert – Neuimmigranten bietet sich häufig nur der Weg in Schattenwirtschaften; der erste Arbeitsmarkt bleibt versperrt Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 3 Was hat sich für Immigranten verändert? Rechtlicher Status: – vom Arbeitsmigranten zu Asyl, Flüchtlingsstatus und Illegalität Transformation der Arbeitsmärkte führt zu hoher Arbeitslosigkeit und Arbeit in Schattenwirtschaften Immigranten konzentrieren sich in grossstädtischen Gebieten Arbeitsmigranten der 1950er und 1960er Jahre kommen aus ländlichen Gebieten; Migranten der letzten zwei Jahrzehnte kommen aus grosstädtischen Gebieten Immigration führt in Europa zu transnationalen (ethnischen) Gemeinschaften (transnational communities) – Beibehaltung von Bindungen an die Herkunftsgesellschaften – Doppelte Staatsbürgerschaft Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 4 Immigranten (Nichtdeutsche) und ihr Anteil an polizeilich registrierter Kriminalität 2010 30 25 20 15 10 Insgesamt Betrug Drogendelikte Schwerer Diebstahl Raub Vergewaltigung 0 Tötungsdelikte 5 Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2010 Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 5 Immigrantenkriminalität Immigrantenkriminalität ist weitgehend durchschnittliche Kriminalität Ausnahmen – Immigrationsbezogene Kriminalität – Urkundenfälschung – Ausländer-, Asyldelikte – Schattenwirtschaftsbezogene Kriminalität – Drogenmärkte – Rotlicht – Höhere Belastung mit Gewaltkriminalität (auch in Dunkelfeldbefragungen bei jungen Männern) – Ehre und Gewalt – Vergeltende Gewalt Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 6 Konsequenzen der Immigrantenkriminalität Hoher Anteil an polizeilich registrierten Tatverdächtigen (22%) – Insbesondere in Grossstädten, bei Intensivtätern und bei jungen Menschen (45% der Jugendgruppengewalttäter waren 2006 in Berlin nichtdeutsch oder deutsch bei nichtdeutscher Herkunft) – Häufige, teilweise konflikthafte/gewalttätige Konfrontationen mit Polizei Hoher Anteil an Verurteilten (23%) Hoher Anteil an Strafgefangenen (22%) Vergleichsweise geringer Anteil an Maßregelvollzugsinsassen (Schätzungen liegen bei etwa 10%) Neuregelung des Maßregelvollzugsrechts 2006 hatte auch Entlastung durch Vorrang der Abschiebung zum Ziel Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 7 Raum und Kriminalität Räumliche Verteilungen Kriminalität ist nicht gleichmäßig verteilt Grossstädte vs. Land – Grossstädte (> 500.000) = ca. 18% der Einwohner, aber etwa 35% der registrierten Kriminalität – Kleinstädte (40% der Einwohner, aber 20% der Kriminalität) Industriestaaten vs Entwicklungsländer Stadtteile (hot spots) Unterschiede zwischen Grossstädten (beispw. München vs. Hamburg vs. Freiburg 2010) – Hamburg: 12.669/100.000 – München: 7.684/100.000 – Freiburg: 11.606/100.000 Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 9 Erklärung der Unterschiede und Reaktionen Chicago-Schule der Kriminologie – Soziale Desorganisation – Häufiger Wechsel der Personen/Haushalte – Zusammenbruch informeller Sozialkontrolle Gelegenheitsstrukturen Zero-Tolerance Policing – „Wehret den Anfängen“ – broken windows Prozess Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 10 Literatur Oberwittler, D., Gerstner, D.: Kriminalgeographie BadenWürttembergs (2203-2007). Freiburg 2010 – www.mpicc.de/shared/data/pdf/mpi_a6_oberwittler_gerstne r.pdf Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 11 Broken Windows Sichtbare Zeichen von Verfall und Verwahrlosung der Wohnumgebung (Incivilities: Graffiti, Müll, benutzte Spritzen etc.) können eine Verstärkung von Unordnung und Kriminalität auslösen – Bleibt die Reaktion auf diese Zeichen aus, so wird angenommen, dass dies zur Wahrnehmung (durch Bewohner und potenzielle Straftäter) führt, dass in der betroffenen Gegend soziale Kontrolle fehlt und das Risiko der Begehung von Straftaten gering ist Dies führt zu einem (sozialen) Rückzug der Bewohner und zu einer Schwächung der sozialen Kontrolle Dies zieht Straftäter von außen an (Verlagerung von Devianz) und verstärkt die Devianz vor Ort lebender junger Männer Die Broken Windows Hypothese dient zur Begründung von „NullToleranz“ Ansätzen der Polizei (insbesondere New York in den 1990er Jahren) Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 12 Eine experimentelle Überprüfung der „broken windows“ These: Experiment 1 Quelle: Keizer, K., Lindenberg, S., Steg, L.: The Spreading of Disorder. Science 322(2008), S. 1681-1685 Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 13 Experiment 2 Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 14 Experiment 3 Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 15 Ergebnisse Experiment 1: Wegwerfen von Abfall – Ordnung – Unordnung (Graffiti) 33% 69% Experiment 2: Durchgangsverbot – Ordnung 27% – Unordnung (ordnungswidrig angekettete Fahrräder) 82% Experiment 3: Diebstahl/Unterschlagung – Ordnung – Unordnung (Graffiti, Müll) Kriminologie I WS 2012 - 2013 13% 27% Page 16 Literatur Broken Windows Keizer, K., Lindenberg, S., Steg, L.: The Spreading of Disorder. Science 322(2008), S. 1681-1685 Gau, J.M., Pratt, T.C.: Broken Windows or Window Dressing? Citizens´(In) Ability to Tell the Difference Between Disorder and Crime. Criminology & Public Policy 7(2008), S. 163-194 Kelling, G.L., Wilson, J.Q.: Broken Windows. The Atlantic 1982 www.theatlantic.com/doc/198203/broken-windows Rosenfeld, R., Fornango, R., Rengifo, A.F.: The Impact of OrderMaintenance Policing on New York City Homicide and Robbery Rates: 1988-2001. Criminology 45(2007), S. 355-383 Hirtenlehner, H.: Unwirtlichkeit, Unterstützungserwartungen, Risikoantizipation und Kriminalitätsfurcht. Monatsschrift für Kriminologie 91(2008), S. 112-130. Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 17 Kriminologische Experimente zu „Unehrlichkeit“ (dishonesty) Experiment: – Auf der Strasse „verlorene“ Briefe (unverschlossen) mit Geld (und ohne Geld) und Empfänger(in) beschrieben in einem beigefügten Brief (= Opfer variiert, Frau vs. Mann, arm vs. reich, alt vs. jung, natürliche Person vs. Juristische Person) – Beobachtung: Wieviele Personen behalten das Geld? Ergebnisse – 12,5% öffnen den Brief nicht – Briefe nicht weiter geleitet (11% ohne Geld, 39% mit Geld) – Frauen werden seltener Opfer – Natürliche Personen werden seltener Opfer – Älter Personen werden seltener Opfer – Reichere werden häufiger Opfer Farrington, D.P., Knight, B.J.: Stealing From a "Lost" Letter : Effects of Victim Characteristics. Criminal Justice and Behavior 7(1980), S. 423-436. Kriminologie I WS 2012 - 2013 Page 18