Nichtlineare Schutzschaltungen - Institut für Theoretische

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Interdisziplinäres Laborpraktikum
Master ET
Versuch 778
Nichtlineare
Schutzschaltungen
Feinschutz
geschützte
Seite
Entkopplung
ungeschützte
Seite
Grobschutz
Institut für Theoretische Elektrotechnik – E18
Technische Universität Hamburg-Harburg, 2011
Dipl.-Ing Matthias Schwarz
Prof. Dr. Frank Gronwald
Stand: 06.04.2011
Inhalt
1. Einleitung, Problemstellung............................................................................................. 3
2. Störungen, Filter und Schutzschaltungen ....................................................................... 4
2.1. Störungsarten ................................................................................................... 4
2.2. Gegenmaßnahmen........................................................................................... 4
2.2.1. Lineare Filter ...................................................................................... 4
2.2.2. Nichtlineare Schutzschaltungen......................................................... 7
3. Meßtechnik...................................................................................................................... 10
3.1. Meß- und Prüfvorschriften, Normen ................................................................. 10
3.2. Messungen im Zeitbereich................................................................................ 10
3.3. Messungen im Frequenzbereich ...................................................................... 12
4. Versuchsdurchführung .................................................................................................... 13
4.1. Sicherheitsvorschriften ..................................................................................... 13
4.2. Meßaufgaben.................................................................................................... 13
4.2.1. Erster Versuchsteil: Messungen im Zeitbereich................................. 14
4.2.2. Zweiter Versuchsteil: Messungen im Frequenzbereich ..................... 14
5. Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 17
Der Inhalt der Kapitel 1 bis 4.1 dient der Vorbereitung und ist Gegenstand der
Vorbesprechung vor Durchführung des Versuches.
Dieses Dokument basiert auf der Anleitung des gleichnamigen
Versuches aus dem Institut für Messtechnik und EMV (E-6).
Gedankt wird für die Überlassung dieser Anleitung.
2
1. Einleitung, Problemstellung
Überall
dort,
wo
elektromagnetische
Beeinflussungen
zu
Funktionsstörungen
von
elektrischen Geräten und Systemen führen können, kommt den Schutzmaßnahmen zur
Reduzierung
bzw.
Unterdrückung
dieser
Störungen
(EMV-Maßnahmen)
besondere
Bedeutung zu. Die Probleme, die im Rahmen der elektromagnetischen Verträglichkeit zu
lösen sind, haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Drei ausschlaggebende
Gründe sind leicht einzusehen:
†
Verwendung sehr empfindlicher (hochintegrierter) elektronischer Bauelemente und
Baugruppen (z.B. Mikroprozessoren für kleine Versorgungsspannungen),
†
extrem kompakte Bauweise (wodurch oft nur ein geringer Abstand zwischen
Energieleitungen und Signalleitungen besteht, z.B. in Schweißrobotern),
†
Zunahme der Störquellen (z.B. Mobilfunk).
Die Schutzmaßnahmen gegen elektromagnetische Beeinflussung lassen sich generell in
zwei Gruppen aufteilen:
†
Schutzmaßnahmen gegen elektromagnetische Feldstörungen
†
Schutzmaßnahmen gegen leitungsgeführte Störungen
Im einzelnen handelt es sich dabei um:
†
Erdungsmaßnahmen
†
Abschirmmaßnahmen
†
EMV-gerechte Positionierung einzelner Komponenten innerhalb eines Systems
†
EMV-gerechte Leitungsführung
†
Entkopplung (galvanisch, induktiv, kapazitiv)
†
Potentialtrennung
†
Einbau von Filter- und Schutzschaltungen
Es ist zu unterscheiden, ob Schutzmaßnahmen gegen elektromagnetische Beeinflussung
nachträglich an einem bereits fertiggestellten System realisiert oder aber bereits in der
Entwicklungsphase mit berücksichtigt werden sollen. Die Praxis hat gezeigt, daß bei vielen
Geräten und Systemen EMV-Aspekte während der Entwicklungsphase unberücksichtigt
bleiben. EMV-Probleme, die dann nach Fertigstellung eines Gerätes oder Systems während
des Betriebes auftreten, müssen nachträglich mit Hilfe der angeführten Maßnahmen
behoben werden, wodurch erhebliche Mehrkosten gegenüber einem von vornherein EMVgerechten Design entstehen.
3
Um diese EMV-Maßnahmen soweit wie möglich systematisch durchführen zu können, ist
zuvor eine Wirkungsanalyse erforderlich, die näheren Aufschluß über Störquellen, Störpegel,
Ausbreitungs- und Einkoppelwege für elektromagnetische Störenergie und Störsenken liefern
soll.
Diese
Wirkungsanalyse
besteht
aus
theoretischen
Abschätzungen
und
experimentellen Untersuchungen. Werden jedoch, wie bereits erwähnt, EMV-Aspekte
während der Entwicklungsphase berücksichtigt, reduziert sich der Aufwand für die
Realisierung von EMV-Maßnahmen erheblich.
2. Störungen, Filter und Schutzschaltungen
2.1. Störungsarten
Man unterscheidet bei den auftretenden Störsignalen drei Arten:
†
Periodische Störungen, d.h. die Energie des Störsignals ist im Frequenzbereich auf
ein schmales Band begrenzt. (z.B. Netzbrummen, HF-Einstrahlung)
†
Transiente Störungen, also kurze, aber oft sehr energiereiche Impulse. Die Pulsbreite
ist sehr schmal, d.h. im Frequenzbereich hat das Störsignal praktisch konstante
Leistungsdichte über einen sehr großen Frequenzbereich. (Grenzfall ist die FourierTransformierte des Dirac-Impulses). Im Rahmen dieses Versuches werden transiente
Störungen untersucht.
†
Rauschen, d.h. extrem breite Verteilung der Störenergie im Frequenzbereich. Das
Rauschen wird im folgenden nicht mehr weiter erwähnt.
Periodisch auftretende Impulse (z.B. in KFz-Zündanlagen) werden zweckmäßigerweise trotz
ihrer Periodizität den Transienten zugeordnet.
2.2. Gegenmaßnahmen
Bei der Filterung bzw. Unterdrückung von leitungsgeführten Störsignalen wird grundsätzlich
zwischen zwei Fällen unterschieden:
-
Das Frequenzspektrum des Nutzsignals ist deutlich vom Spektrum des Störsignals
getrennt (keine Überlappung).
-
Die Frequenzspektren von Stör- und Nutzsignal überlappen sich. Bei transienten
Störungen ist dieser Fall fast immer gegeben.
4
2.2.1. Lineare Filter
Zu dem in Bild 1 gezeigten Fall, daß sich die Spektren von Nutzsignal und Störung nicht
überlappen,
läßt
sich
mit
einem
linearen
Filter
entsprechender
Dämpfung
und
Flankensteilheit die Störung wirkungsvoll unterdrücken. Bei den hier zur Diskussion
stehenden Filterschaltungen handelt es sich ausschließlich um analoge Filter. Digitale Filter
werden nicht benutzt, da sie sehr aufwendig sind und ohnehin ein analoges AntialiasingFilter benötigen.
Abhängig von der relativen Lage von Nutz- und Störfrequenzband kommen entweder
Bandpässe, Tiefpässe oder Hochpässe zur Anwendung. Ausgehend von speziellen EMVProblemen wird bei Filtern oft zwischen zwei verschiedenen Dämpfungsverläufen
unterschieden:
†
Dämpfung bei asymmetrischer Beaufschlagung (common mode, Gleichtakt)
†
Dämpfung bei symmetrischer Beaufschlagung (differential mode, Gegentakt)
Im Gleichtakt werden alle Leitungen gleich beaufschlagt gegenüber der Erde. Störungen
werden meistens im Gleichtakt eingekoppelt, da der Abstand der Leitungen meist gering ist.
Im Gegentakt wird zwischen den Leitungen eine Spannung angelegt. Bei symmetrischen
Leitungen wird das Nutzsignal im Gegentakt eingespeist. (siehe Bild 3)
NutzsignalSpektrum
U
StörsignalSpektrum
1
2
3
4
5
6
7
8
10 10 10 10 10 10 10 10
f [Hz]
a
Dämpfungscharakteristik
eines Bandpasses
1
2
3
4
5
6
7
8
10 10 10 10 10 10 10 10
f [Hz]
Bild 1: Benötigte Dämpfungscharakteristik eines Bandpasses gegen auf
Signalleitungen eingekoppelte niederfrequente Störungen.
Die auf den ersten Blick verwirrende Bezeichnung des Gegentaktes als symmetrische
Beaufschlagung läßt sich so erklären, daß sie den Betriebszustand benennt, bei dem durch
5
eine Leitung ein bestimmter Strom zum Verbraucher fließt und durch die andere Leitung der
gleiche Strom zurückfließt. Der Begriff "symmetrisch" ergibt also nur bei einem 2-LeiterSystem einen Sinn.
I
RL
I
zu schützende Schaltung
I
RL
I
zu schützende Schaltung
Bild 2: Filterschaltung für Versorgungsnetze.
Um für die Gleichtakt- und Gegentaktbeaufschlagung unterschiedliche Dämpfungsverläufe
zu erhalten, werden stromkompensierte Drosseln eingesetzt. Das Bild 2 zeigt eine einfache
Filterschaltung (Tiefpaß) für Versorgungsnetze, die eine stromkompensierte Drossel
aufweist. Die beiden Spulen sind im gleichen Wickelsinn auf den selben Kern gewickelt. Der
im Bild zur Vereinfachung als Stab dargestellte Kern wird oft als Ringkern ausgeführt,
wodurch die magnetische Streuung reduziert wird. Durch den gemeinsamen Kern
kompensieren sich die Magnetfelder und damit werden auch die Induktivitäten L1und L2 für
Gegentaktsignale und für den Betriebsstrom weitgehend zu Null. Im Gleichtakt (Störungen)
addieren sich die Felder, wodurch die Induktivitäten groß werden (im mH-Bereich).
Die Dämpfung a ist folgendermaßen definiert:
⎛U ⎞
a = 20 lg ⎜ 1 ⎟ [dB ] .
⎝ U2 ⎠
6
(1)
Quelle
Störquelle
Schutzschaltung
Verbraucher
Gegentaktstörung
Störquelle
Quelle
Schutzschaltung
Verbraucher
Gleichtaktstörung
Bild 3: Veranschaulichung von Gleich- und Gegentakt
2.2.2. Nichtlineare Schutzschaltungen
Bild 4 zeigt den in der Praxis oft vorliegenden Fall, daß sich Nutz- und Störfrequenzband in
weiten Bereichen überlappen, insbesondere bei NF- und HF-Leitungen. Der ausschließliche
Einsatz linearer Filter führt hier nicht zum Ziel, denn eine wirkungsvolle Filterung im
Störfrequenzbereich würde auch das Nutzsignal unzulässig dämpfen. Umgekehrt bewirkt ein
Filter mit einer minimalen Einfügungsdämpfung für das Nutzspektrum eine nicht
ausreichende Unterdrückung des Störspektrums.
7
NutzsignalSpektrum
U
StörsignalSpektrum
1
2
3
4
5
6
7
8
f [Hz]
10 10 10 10 10 10 10 10
a
Dämpfung für
Störamplituden
Dämpfung für
Signalamplituden
2
3
4
1
5
6
7
8
10 10 10 10 10 10 10 10
f [Hz]
Bild 4: Benötigte Dämpfungscharakteristik einer Schutzschaltung gegen auf
Signalleitungen eingekoppelte transiente Störungen. Im Gegensatz zu Bild 1 ist die
Dämpfung hier ein oft unerwünschter Nebeneffekt.
Für den Fall, daß nur Gleichtaktstörungen unterdrückt werden sollen, ist für bestimmte
Frequenzbereiche mit Hilfe von stromkompensierten Drosseln in einigen Fällen eine Wirkung
zu erzielen. In der EMV-Technik geht es oftmals um die Unterdrückung von Spitzen
transienter Vorgänge. Ausgehend von z.B. ebenfalls transienten Nutzsignalen mit einer
Flankensteilheit
in
der
gleichen
Größenordnung
wäre
mit
linearen
Filtern
keine
Amplitudenbegrenzung zu erreichen. Hier werden gemäß Bild 4 Schutzschaltungen
eingesetzt, die unterhalb einer definierten Schwelle eine minimale Einfügungsdämpfung für
die Nutzsignale aufweisen und Spannungsspitzen oberhalb dieser Schwelle unterdrücken.
Diese
Einfügungsdämpfung
Reaktanzen
(z.B.
nichtlinearer
Leitungsinduktivitäten
Schutzschaltungen
und
ist
ein
Diodenkapazitäten)
auf
parasitäre
zurückzuführender
Nebeneffekt. Die eigentliche Wirkung beruht auf der Amplitudenbegrenzung.
Die wesentlichen Parameter nichtlinearer Schutzschaltungen sind für die Störsignale
-
reproduzierbares Ansprechverhalten (auch nach ständiger starker
Beanspruchung),
-
ausreichende Stromtragfähigkeit,
-
die maximale Unterdrückung des Störpulses,
und für die Nutzsignale
8
-
bei Versorgungsleitungen die Übertragung maximaler Nutzenergie.
-
bei Signalleitungen minimale Einfügungsdämpfung, minimale Reflexion,
phasenlineare Übertragung,
-
bei Signalleitungen minimale nichtlineare Verzerrungen des Nutzsignals.
Entkopplung
Feinschutz
geschützte
Seite
ungeschützte
Seite
Grobschutz
Bild 5: Allgemeine Realisierung einer zweistufigen Schutzschaltung
Nichtlineare Schutzschaltungen werden je nach den geforderten Eigenschaften ein- bzw.
mehrstufig ausgeführt (s. Bild 5). Üblich sind ein- bis dreistufige Schaltungen. Die
nichtlinearen Elemente, die die Eigenschaften dieser Schaltungen bestimmen, sind:
†
Funkenstrecken als Überspannungsableiter
†
Spannungsabhängige Widerstände (Varistoren)
†
Halbleiter (Z-Dioden bzw. Suppressordioden)
Der typische Aufbau einer Funkenstrecke besteht aus zwei Elektroden, die sich in einem
edelgasgefüllten Glas- oder Keramikgehäuse befinden. Als Dielektrikum dient ein Edelgas.
Dadurch wird eine gegenüber Luftfunkenstrecken hohe Reproduzierbarkeit des
Ansprechverhaltens bewirkt.
9
UDurchbruch
600 V
230 V
UNenn
1μ s
tStirn
Bild 6: Typische Stoßkennlinie einer Funkenstrecke.
Ein Nachteil von Funkenstrecken ist ihr langsames Ansprechen und die starke Abhängigkeit
des Ansprechverhaltens von der Impulssteilheit. So kann es geschehen, daß ein Ableiter der
Nennableitspannung 230 V bei sehr steilen Impulsen erst bei 1 kV zündet. Grafisch stellt
man die Abhängigkeit der Durchbruchspannung von der Steilheit in einer sog. Stoßkennlinie
(Bild 6) dar. Beim Einsatz von Funkenstrecken auf Versorgungsleitungen ist zu beachten,
daß
nach
Zündung
des
Lichtbogens
durch
eine
Überspannung,
die
normale
Betriebsspannung ausreichen kann, um den Lichtbogen zu erhalten. Um eine Zerstörung zu
verhindern, sind Maßnahmen erforderlich, die den Lichtbogen nach Abklingen der Störungen
löschen. Bei Signalleitungen sind die Nutzamplituden i.a. zu klein, um den Lichtbogen zu
erhalten, daher sind Maßnahmen zur Bogenlöschung hier nicht erforderlich. Da der Strom
beim Zünden steil ansteigt, sollte die Funkenstrecke abgeschirmt werden, um nicht selbst zur
Störquelle zu werden.
Varistoren sind nichtlineare Widerstände aus gesinterter Keramik. Bild 7 zeigt eine typische
Kennlinie. Da Varistoren eine sehr hohe parasitäre Kapazität haben, eignen sie sich nicht
zum Schutze von HF-Leitungen. Ein weiterer Nachteil ist ihre schnelle Alterung bei häufiger
Beanspruchung. Ein wesentlicher Vorteil ist ihr hohes Energieabsorptionsvermögen pro
Volumeneinheit. Ihre Kennlinie wird oft näherungsweise in der Form
I
= cV α .
(2)
angegeben. Das α sollte möglichst hoch sein und ist ein typischer Kennwert des Varistors.
Es beträgt 1 für einen gewöhnlichen, linearen Widerstand und erreicht bei guten Varistoren
aus ZnO-Keramik den Wert 60. Für noch höhere Werte entspräche die Kennlinie der einer
Suppressordiode.
Suppressordioden sind Z-Dioden mit extrem hoher Pulsbelastbarkeit. Oft werden bipolare
Suppressordioden benutzt, die auf einem Chip zwei antiseriell geschaltete Suppressordioden
enthalten und sich somit in beide Richtungen einen Zener- bzw. Lawinendurchbruch zeigen.
10
α
I
50
α
5
U
Bild 7: Vergleich der Kennlinien von Varistoren und Suppressordioden (qualitativ)
Der praktische Entwurf nichtlinearer Schutzschaltungen für Signalleitungen ist problematisch,
weil noch kein analytisches Entwurfsverfahren existiert. Die im Pflichtenheft der
Schutzschaltung aufgelisteten Werte für Störunterdrückung und Einfügungsdämpfung
müssen während der Entwicklung der Schaltung wechselweise meßtechnisch überprüft
werden, um den besten Kompromiß zwischen möglichst hoher Störunterdrückung und
möglichst kleiner Einfügungsdämpfung zu erreichen.
3. Meßtechnik
3.1. Meß- und Prüfvorschriften, Normen
Um für die elektromagnetische Verträglichkeit verbindliche Daten bzw. Anforderungen an
Geräte mit entsprechender elektromagnetischer Verträglichkeit formulieren zu können bzw.
die Wirksamkeit von EMV-Schutzmaßnahmen quantitativ erfassen zu können, ist es
erforderlich, Meß- und Prüfverfahren in Normen festzulegen. Für den Hersteller von
elektronischen Geräten und Systemen sind diese Normen von ausschlaggebender
Wichtigkeit. Wenn z.B. bei einem Gerät, das in einem bestimmten Frequenzbereich eine
unzulässig hohe Empfindlichkeit gegen externe elektromagnetische Störstrahlung zeigt, eine
elektromagnetische Verträglichkeit bis zu einem bestimmten Grad verlangt wird, ist es für
den Hersteller von großer Bedeutung, diesen Grad der EMV nach allgemein verbindlichen
Vorschriften experimentell auch nachweisen zu können. Schutzmaßnahmen, die bezüglich
des hier angeführten Beispiels eine stärkere Reduzierung der Störempfindlichkeit zur Folge
haben als dem geforderten EMV-Grad entspricht, sind in der Regel mit einem unvertretbaren
Mehraufwand an Kosten verbunden.
11
Wie bereits erwähnt, gibt es zur EMV eine Fülle nationaler (z.B. VDE, DIN, VG-Normen) und
internationaler (z.B. IEEE, IEC, ISO, EN, MIL-STD, CCITT) Vorschriften und Normen. Nach
welcher Vorschrift ein zu entwickelndes Gerät oder System EMV-mäßig zu testen ist, wird im
wesentlichen durch den späteren Einsatz bzw. Verwendungszweck festgelegt.
3.2. Messungen im Zeitbereich
Die Störunterdrückung wird sinnvoll im Zeitbereich überprüft. Die Störung wird von
Impulsgeneratoren simuliert, deren Ausgangsspannung bzw. Ausgangsstrom in den Prüfling
in definierter Höhe eingekoppelt wird. Es gibt verschiedene Generatoren für transiente
Störungen (z.B. Blitze), oder Bursts (Störimpulsfolgen) und andere, spezielle Störungsarten.
Der zeitliche Verlauf der Störspannung ist für diverse Anwendungen genormt und hat z.B. für
die häufig benutzte Blitzstoßspannung nach IEC 60-2 die Zeitkennwerte TStirn= 1,2 μs
(zwischen 30% und 90 % des Spitzenwertes gemessen) und THalbwert = 50 μs, die von der
Spannungsamplitude unabhängig sind (Bild 8).
U
100 %
90 %
50 %
Rückenhalbwertzeit
30 %
t
Stirnzeit
Bild 8: Kennwerte einer Stoßspannung
Zur Messung wird der Prüfling mit einer Impedanz abgeschlossen, die derjenigen der zu
schützenden Schaltung entspricht. Geeignet für derartige Messungen sind Oszillografen und
Transientenrecorder mit einer Bandbreite von mindestens 100 MHz, die über Stromzangen
oder Hochspannungstastköpfe mit dem Prüfling verbunden werden. Stromzangen haben
gegenüber HV-Tastköpfen verschiedene Vorteile:
† rückwirkungsarm
† klein
† unempfindlich gegen unerwünschte Einstrahlung
† galvanische Entkopplung des Meßkreises
12
Die untere Grenzfrequenz beträgt 100 kHz, was in den meisten Anwendungsfällen in der
EMV-Meßtechnik kein gravierender Nachteil ist, bei der Interpretation der Meßergebnisse
jedoch beachtet werden muß.
Die Verbindung vom Strom-/Spannungssensor zum Meßgerät (Oszillograf) muß besonders
gut geschirmt sein (doppelt, z.B. Koaxialkabel RG 214 C/U), normales Koaxialkabel (RG 58
U) reicht in oft nicht aus. Bei sehr hohen Störpegeln muß u.U. der ganze Meßplatz in einer
Schirmkabine untergebracht werden, da auch Oszillografen nur begrenzt einstrahlfest sind.
Als Prüfspannungsquelle werden Generatoren benutzt, die mehrere Pulsformen mit
unterschiedlichen Stirn- und Rückenhalbwertzeiten am Ausgang zur Verfügung stellen, da
das Ansprechverhalten einer Schutzschaltung von der Pulsform abhängt. Das stark
vereinfachte Schaltbild eines Pulsers ist in Bild 9 dargestellt.
S
R
V
220 V
R
d
R
E
C
S
C
b
Bild 9: Pulsgenerator (vereinfacht), S kann ein Schalter oder eine Schaltfunkenstrecke sein.
Der Ladewiderstand Rv ist hochohmig, so daß er den Stoßkreis, bestehend aus Cs, S, Re,
Rd und Cb nicht beeinflußt. Der Stelltrafo versorgt einen Hochspannungstrafo, dessen
Ausgangsspannung gleichgerichtet wird und den sog. "Stoßkondensator" Cs auflädt. Die
Entladung erfolgt entweder über einen Hochspannungsschalter oder eine Funkenstrecke.
Das Netzwerk zwischen Schalter und den Ausgangsklemmen des Generators bestimmt die
Impulsform der Ausgangsspannung.
Wenn während der Aufladezeit des Kondensators Cb die Spannung an Cs nicht
nennenswert abfällt, d.h. wenn gilt THalbwert >> TStirn, kann die entstehende
Ausgangsspannung als Differenz von zwei Exponentialfunktionen dargestelllt werden:
t
⎛ − Tt
− ⎞
T2
1
u( t ) = U 0 ⋅ ⎜⎜ e − e ⎟⎟
⎠
⎝
(3)
Die Impulsform ist in dieser Darstellung also nicht durch die Stirnzeit und die
Rückenhalbwertzeit, sondern durch die Zeitkonstanten T1 und T2 eindeutig spezifiziert. Der
Spannungsfaktor U0 entspricht in dieser Darstellung nicht exakt der Spitzenspannung, weil
das Maximum der Klammer etwas kleiner als 1 ist.
Real können die erzeugten Pulse vom idealisierten Verlauf abweichen, zum einen, weil der
Stoßkreis parasitäre Induktivitäten und Kapazitäten enthält, zum anderen, weil auch die
angeschlossene
Last
nicht
ohne
Einfluß
bleibt.
Hochspannungsschalters beeinflußt den erzeugten Impuls.
13
Auch
die
Qualität
des
3.3. Messungen im Frequenzbereich
Die Messung der Einfügungsdämpfung ai (insertion loss) der Schutzschaltung für das
Nutzsignal geschieht zweckmäßig im Frequenzbereich. Die Einfügungsdämpfung eines
Zweitors ist das Verhältnis der in der Last umgesetzten Leistung PL zur Leistung, die ohne
das zwischengeschaltete Zweitor in der Last umgesetzt werden würde. Wenn die Last dem
Innenwiderstand der Quelle angepaßt wird, entspricht die Einfügungsdämpfung der
Betriebsdämpfung des Zweitors, nämlich dem Verhältnis von PL zur verfügbaren Leistung
der Quelle. Dann gilt also für das logarithmische Dämpfungsmaß:
ai = 20 ⋅ log
UQ
2U L
,
(4)
mit UQ als Quellenspannung und UL als Spannung über der Last.
Ersatzweise wird meistens die Übertragungsfunktion F(jω), also das Verhältnis von
Ausgangsspannung und Eingangsspannung gemessen. Der Betrag |F(jω)| kann von einem
Spektrum-Analysator mit Mitlaufgenerator bequem gemessen werden. Das Blockschaltbild
eines solchen Meßplatzes ist in Bild 10 zu sehen. Eine solche Anordnung wird auch skalarer
Netzwerkanalysator genannt, nur von einem Netzwerkanalysatoren spricht man, wenn auch
die Phase der Übertragungsfunktion gemessen wird.
Mitlauf-
DUT
Generator
(Schutzschaltung)
Steuerung
Bandpaß
Amplituden-
Anzeige
detektor
Überlagerungsoszillator
Spektrum-Analysator
Bild 10: Spektrum-Analysator mit Mitlaufgenerator
Der Mitlaufgenerator erzeugt ein Ausgangssignal, das auf die zu messende Schaltung
("Device Under Test", DUT) gegeben wird. Das Signal hinter dem DUT wird in einem
komplexen Multiplizierer (in der Nachrichtentechnik Mischer genannt) mit dem Signal eines
Überlagerungsoszillators so gemischt, daß es in den Frequenzbereich eines eingebauten,
festfrequenten Bandpasses angehoben wird. Hinter dem Bandpaß kann dann mit dem
Amplitudendetektor der Einfluß des DUT auf die Signalamplitude gemessen werden. Die
Anzeige erfolgt zweckmäßigerweise logarithmisch in Dezibel. Die Steuerung des
Spektrumanalysators steuert den Mitlaufgenerator und den Überlagerungsoszillator synchron
14
und ermöglicht es so, einen vorwählbaren Frequenzbereich automatisch durchzumessen
und den Frequenzgang der Schaltung aufzuzeichnen.
4. Versuchsdurchführung
4.1. Sicherheitsvorschriften
Grundsätzliches
Der Umgang mit hohen Spannungen erfordert vom Bedienpersonal wegen der
Gefährlichkeit von Hochspannung die Beachtung bestimmter Sicherheitsvorschriften,
insbesondere die zuständigen VDE-Bestimmungen (0100, 0101, 0103, 0105). Die
Nichtbeachtung dieser und der nachstehenden Vorschriften bedeutet eine Gefährdung
des eigenen Lebens und des Lebens anderer. Ihre genaueste Befolgung wird deshalb
zur Pflicht gemacht
Wichtigste Vorschrift:
Jeder, der an einer Hochspannungsanlage hantieren will, muß sich persönlich davon
überzeugen, daß alle Hochspannungsversorgungsgeräte abgeschaltet sind. Vor dem
Berühren von Hochspannungsbauteilen sind diese zuverlässig zu erden.
Durchführung von Versuchen
Alle Schaltungen, die zu Versuchszwecken verwendet werden, müssen in einer
geschlossenen Versuchsbox untergebracht und verdrahtet werden. Die Box ist mit
Durchführungen und Kurzschlußschaltern für die Hochspannungsversorgung von zwei
Pulsgeneratoren sowie Meßanschlüssen ausgerüstet. Die Box darf nur in geschlossenem
Zustand in Betrieb genommen werden, wobei zwei Sicherheitsschalter geschlossen sind. Ein
dritter Sicherheitsschalter ist von oben zugänglich und darf nur dann betätigt werden, wenn
allen am Versuch beteiligten Personen dieses unmißverständlich mitgeteilt wurde. Das
Auslösen von Testpulsen kann nach der Betätigung des Sicherheitsschalters erfolgen.
Änderungen an der Verkabelung außerhalb der Box sowie das Überbrücken von
Sicherheitsschaltern ist streng verboten.
Die Mißachtung oder Unkenntnis der vorgenannten Vorschriften führt zum Ausschluß vom
Versuch für das laufende Studienjahr. Die strikte Einhaltung der Sicherheitsvorschriften liegt
vor allem im eigenen Interesse.
15
4.2. Meßaufgaben
Die durchzuführenden Meßaufgaben bestehen aus zwei Teilen:
Messungen im Zeitbereich, um das Verhalten gegenüber Störsignalen zu bestimmen und
Messungen im Frequenzbereich, um die Wirkung auf das Nutzsignal zu messen. Zuerst
werden verschiedene Schutzschaltungen mit Hochspannungsimpulsen beaufschlagt und ihre
Schutzwirkung bestimmt, indem mit dem Oszilloskop die höchste auftretende Spannung am
Ausgang der Schutzschaltung gemessen wird. Außerdem wird die Stoßkennlinie einer 230V-Funkenstrecke durch mehrere Messungen der Überschlagstoßspannung approximiert.
Im zweiten Versuchsteil werden die Frequenzgänge der Schutzschaltungen mit einem
Spektrum-Analysator aufgenommen. Es können dann Schutzwirkung und Frequenzgang
jeder Schaltung gegenübergestellt werden und so die Vor- und Nachteile jeder Schaltung
diskutiert werden.
Der Vergleich der Messungen soll erkennen lassen, daß sich gutes Schutzverhalten und
gutes Signalverhalten entgegenstehen und oft schwierige Kompromisse erfordern.
16
4.2.1. Erster Versuchsteil: Messungen im Zeitbereich
1. Messen Sie den zeitlichen Verlauf der Ausgangsspannung des Pulses am Pulsgenerator
"PEMI 12 "
a) Verwenden Sie den Hochspannungstastkopf 1 : 1000 gemäß Schaltbild 1
HV-Tastkopf
50
RV
50
PEMI 12
Schaltbild 1 : Messung mit Hochspannungstastkopf
b) Verwenden Sie die koaxiale Stromzange CAP1 gemäß Schaltbild 2.
50
CAP1
50
RV
10dB
PEMI 12
10dB
50
Schaltbild 2: Messung mit Stromzange
Erklären Sie die Unterschiede!
17
2.
Messen Sie die Schutzschaltungen (Schaltbilder 6 bis 10) gemäß Meßaufbau
(Schaltbild 3) durch.
Schaltbild 3
Plotten Sie die Oszillogramme und bestimmen Sie die am Ausgang maximal auftretenden
Spannungen.
18
4.2.2. Zweiter Versuchsteil: Messungen im Frequenzbereich
1. Messen Sie den Frequenzgang aller Schaltungen in geeigneten Grenzen, plotten Sie die
Kurven und diskutieren Sie die Ergebnisse.
2. Messen Sie den 3-dB-Punkt für alle Schaltungen.
2 mal 7950
LCE 30 A
22uH
230V
Schaltbild 5
230V
S 10 K 3035
Schaltbild 6
19
20
BZX 79 B 10
230V
Schaltbild 7
Suhner EMP-Protector
230V
Schaltbild 8
1
1
BAX 13
BZX 78 B 10
Schaltbild 9: Überspannungsschutz für elektro-optisches System
20
5. Literaturverzeichnis
1. K.H. Gonschorek, H. Singer Elektromagnetische Verträglichkeit
Teubner-Verlag, Stuttgart, 1992
2. Meinke, Gundlach Taschenbuch der Hochfrequenztechnik Bd. 3
Springer Verlag, Berlin 1986
3. Ronald B. Standler Protection of Electronic Circuits from Overvoltages
Wiley, New York 1989
4. G. Durcansky EMV-gerechtes Gerätedesign
Franzis-Verlag, München 1995
5. G. Hilgarth Hochspannungstechnik
Teubner-Verlag Stuttgart 1992
21
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