Wie sieht es nun mit dem Schlaf und dem Traum aus? Der Traum ist eine besondere Form des unbewussten Bewusstseinzustandes, wobei seine Zuordnung zum menschlichen Bewusstsein mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, und darüber hinaus verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zu regelrechten Grabenkämpfen verleiten kann. „Der Arzt kann nicht anders, als die Versicherung, „das Bewusstsein sei der unentbehrliche Charakter des Psychischen“, mit Achselzucken zurückweisen, und etwas, wenn sein Respekt vor den Äußerungen der Philosophen noch stark genug ist, annehmen, sie behandelten nicht dasselbe Objekt und trieben nicht die gleiche Wissenschaft.“1 Diese Worte Sigmund Freuds charakterisieren gut das Dilemma, das auftritt, wenn der Versuch der Einordnung des Traumes in das menschliche Bewusstsein stattfindet. Sobald man sich dem Phänomen des Traums und dessen Rolle für das menschliche Bewusstsein nähert, entsteht das Problem des Traums als Bewusstseinslosigkeit, als Unbewusstes, der nichtsdestotrotz konstituierend für einen Teil der menschlichen Psyche ist. In der Untersuchung des Schlafes und des Traumes werden diese mit dem Verlust des Bewusstseins gekennzeichnet, wobei eine Trennlinie zu anderen Bewusstlosigkeiten wie der Narkose, dem Koma oder Ohnmächtigkeit gezogen wird.2 Dabei ist beim Schlaf der nahtlose Übergang von Bewusstsein zur „Bewusstlosigkeit“ entscheidend. Es existiert kein Schalter der umgelegt wird, um das Bewusstsein auszuschalten, stattdessen gibt es mehrere Dämmerungszustände, die den Verlauf vom Wachzum Schlafzustand kennzeichnen.3 In der Betrachtung neuronaler Bewusstseinszustände ist es sogar üblich, sowohl Schlaf auch als Traum als Form des Bewusstseins zu klassifizieren, und dabei besondere Schlafphasen mit hoher neuronaler Aktivität als Bewusstseinszustände zu beschreiben.4 An dieser Stelle soll von einer bestimmten Phase des Schlafes die Rede sein, vom so genannten „paradoxen Schlaf“ bzw. der REM-Schlafphase, da sich diese Phase und das damit korrelierende Traumverhalten von der übrigen Bewusstlosigkeit des Schlafes stark unterscheidet. Natürlich ist an dieser Stelle Vorsicht geboten. Zu verlockend wäre die Vorstellung eine unmittelbare Korrelation zwischen EEG-Aufzeichnungen während der Traumphase und dem Bewusstsein herzustellen. Die Tatsache, dass während einer Traumphase ein Bewusstseinsfluss stattfindet und diese Traumphase auf einem EGG zeitlich exakt verortet werden kann, ist selbstverständlich noch kein hinreichender Beweis für einen Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Messdaten. Trotzdem scheint evident zu sein, dass es eine enge 1 Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. Frankfurt a.M. 2005 (S. 598) Vgl.: Raths, Paul: Zwischen Traum und Tag. Die Biologie des Schlafes. Halle 1983. (S. 8 f.) 3 Vgl.: Ebd. S. 10 4 Vgl.: Pflüger, Neander: Neurogene Entwicklungsstörungen. München 1991 (S. 111) 2 Verwandtschaft gibt zwischen dem, was wir in unseren Wachzustand als Bewusstsein definieren, und der Unbewussten Wahrnehmung innerhalb des Traumes. Es gibt immer wieder Anekdoten von produktiver Geistestätigkeit und Problemlösungen innerhalb des Traumstadiums bei Menschen.5 Trotzdem hat der Bewusstseinszustand des Traumes einige Sonderbarkeiten. Als erstes liegt die Verknüpfung von Unbewusstem und Traum nahe. Die psychoanalytische Traumforschung hat ganz selbstverständlich ihre Definition des Unbewussten im Traum verortet, aber auch unsere Definition des Unbewussten, sich nicht selbst bewussten Bewusstseins scheint im Traum heimisch zu sein. Das Bewusstsein des Traumes existiert ohne das Cogito oder hat zumindest die Möglichkeit ohne das Cogito zu existieren. Der Traum besteht aus Bewusstseinsströmen, und Wahrnehmungen, die nicht an eine individuelle – im Sinne von unteilbare – Instanz wie dem wahrnehmenden oder denkenden Ich gebunden sind. Wie leicht wechselt man im Traum zwischen verschiedenen Identitäten oder gibt den subjektiven Blick gar ganz auf um zu einem auktorialen Beobachter zu werden. Im Traum ist das Bewusstsein aktiv, nimmt wahr, erlaubt es dem Geist sogar auf das Wahrgenommene zu reagieren, wohingegen das Ich ebenso wie die Rationalität – die das Cogito konstituieren – ausgeschaltet, mindestens aber auf ein Minimum zurückgenommen sind. Erst retrospektiv bildet der Mensch aus dem cogitolosen Bewusstsein des Traums die „Erkenntnis“, selbst geträumt zu haben und verortet damit das Erlebte wieder in einer individuellen – im Sinne von unteilbaren - Wahrnehmung. Im Traum selbst ist das Bewusstsein losgelöst von derlei Kategorien: Der Traum ist assoziativ, dissoziativ, verzichtet auf logische Kausalitäten und Bedürfnisse. Im Traum selbst ist das Bewusstsein nicht individuell im Sinne von unteilbar, es verortet sich selbst nicht in einem Körper und es reflektiert sich nicht selbst. Trotz alledem nimmt der Mensch im Traum Eindrücke bewusst wahr und verarbeitet diese auch, wenn auch nicht unter rationalen Gesichtspunkten oder als Cogito-erkenntnis. Der Traum ist ein Bewusstsein ohne das Cogito. Diese Beobachtung unterstützt die Kritik an einer Korrelierung zwischen Cogito und Bewusstsein. Das Ich als menschliche Konstruktion – mit all seinen Vorteilen – betrachtet, scheint nicht zu genügen, um den Bewusstseinsbegriff ausreichend zu bestimmen. Es liegt daher nahe, dass Fundament des Bewusstseins an andere Stelle zu setzen. Eine Möglichkeit wäre es die Antagonisten Bewusstes und Unbewusstes miteinander zu versöhnen. Der Begriff des Unbewussten als Antagonist zum Bewussten wird spätestens an der Stelle fraglich, an der man von einer Form der Wahrnehmung, einer Form des Bewusstseins außerhalb des Cogito ausgeht. Hier scheint das Unbewusste, dass sich durch das 5 Vgl.: Jung, Richard: Neurophysiologie von Bewusstsein, Schlaf und Traum. In: Bewusstsein. Ein Zentralproblem der Wissenschaften. Baden Baden 1975 (S.212) Fehlen des Cogitos auszeichnet als Teil eines Bewusstseins, das unabhängig ist vom Cogito. Oder anders ausgedrückt, das Unbewusste ist ein fundamentaler Teil des Bewusstseins, oder zumindest eine Vorstufe davon. Freud selbst definiert nach seiner Etablierung des Unbewussten das Bewusstsein als „Sinnesorgan zur Wahrnehmung psychischer Qualitäten“6 So sehr er der Psychologie und der Vorstellung des Bewusstseins durch die besondere Beachtung des Traumes einen Dienst erwiesen hat, so fehlt dieser Definition doch die letzte Konsequenz der Wahrnehmung psychischer Qualitäten außerhalb des von ihm propagierten Bewusstseins, bzw. innerhalb des Unbewussten, sowohl in Schlaf und Traum als auch im Wachzustand. Inwiefern eine Wahrnehmung psychischer Qualitäten, ein Zustand des Bewussten außerhalb des „Sich bewussten“ und außerhalb des Cogitos möglich ist, und was dies für die Analyse eines Bewusstseins der Tiere bedeutet, soll im folgenden untersucht werden. 6 Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. Frankfurt a.M. 2005 (S. 601)