740 Wolfgang Wiegand / Bernhard Beiger ZBJV • Band 135 • 1999 der Vertrauenshaftung fusst wie erwähnt auf der Ablösung eines wesentlichen Pflichtenkomplexes vom Willen der Parteien. Durch die Anerkennung der gesetzlichen Natur der Verhaltenspflichten entfällt zugleich ihre «Bindung an die zweipolige Beziehung der Vertragsparteien»138. Zwischen den am vertraglichen Leistungsverhältnis Beteiligten und denjenigen des gesetzlichen Schuldverhälntisses ist m.a.W. nicht zwingend Identität vorausgesetzt129. Folgerichtig hat das Bundesgericht im Sivksa;V-Entscheid eine den Grundsätzen der culpa in contrahendo nachgebildete Dritt(vertrauens)haftung der Konzernmuttergesellschaft gegenüber einer Vertragspartnerin ihrer Tochtergesellschaft anerkannt11". Auch gegen eine Anerkennung des Vertrages mit Schutzwirkungen für Dritte bestünden - obwohl vom Bundesgericht bisher vermieden - keine grundsätzlichen Einwände'31. Nichts steht schliesslich im Wege, die Eigenhaftung der Vertreter oder Verhandlungsgehilfen aus culpa in contrahendo als Fallgruppe der Vertrauenshaftung zu billigen132. KURT BALLERSTEDT hat in seiner grundlegenden Untersu- chung zur «Haftung für culpa in contrahendo bei Geschäftsabschluß durch Stellvertreter» in vorzüglicher Weise die Bedeutung des Vertrauens für derartige Haftungsfälle herausgearbeitet: Da die Pflichten im vorvertraglichen Verhältnis auf einer Vertrauensbeziehung beruhten, komme es «für die Frage, ob dem Dritten der Vertretene oder der Vertreter für eine Verletzung dieser Pflichten haftet, offensichtlich darauf an, wem der Dritte sein <Verhandlungsvertrauen> in der Erwartung schenken darf, in diesem Vertrauen Rechtsschutz zu genießen. Wenn und soweit Vertrauensperson für den Dritten nicht 128 MOSER (zit. Fn.64), 114. 129 Vgl. CANARIS, JZ 1965,480. 130 BGE 120 II 331. 131 Für die Annahme dieser Rechtsfigur z.B. WALTER, ZBJV 132 (1996) 284ff.: WIEGAND, recht 1997,93f. Eingehend MOSER (zit. Fn.64), 144ff. Vgl. aber BGE 121 III 310; dazu - für die Lösung über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter WALTER FELLMANN/JÖRG SCHWARZ, AJP 1996, 96f.; WOLFGANG WIEGAND, Die privat- rechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1995 - Obligationenrecht, ZBJV 133 (1997) 111 ff. (123ff.); weiter dazu MARTIN HESS, Bargeldlose Überweisung mit Hilfe von lnterbankzahlungssystemen - Vertrauenshaftung im Zahlungsverkehrsrecht? recht 1996. 144 ff. Vgl. auch BGE 123 III 204; dazu THOMAS ACKERMANN, AJP 1997. 1553 ff. 132 Zu den Unterschieden zwischen Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte und Dritthaftung aus culpa in contrahendo vgl. CLAUS-WILHELM CANARIS. Die Haftung des Sachverständigen zwischen Schutzwirkungen für Dritte und Dritthaftung aus culpa in contrahendo. JZ 1998. 603 ff.