Methodenlehre der Rechtswissenschaft

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Methodenlehre der
Rechtswissenschaft
Wintersemester 2016/17
Ein Analogieschluss wird anhand
dieses Beispiels so dargestellt:
Wenn ein vierfüßiges Tier einem anderen in seiner Wildheit
einen Schaden tut, so ist der Eigentümer des Tieres
verpflichtet, diesen zu ersetzen.
Zweifüßige Tiere können ebenso wild sein wie vierfüßige
Tiere.
Wenn ein zweifüßiges Tier einem anderen in seiner Wildheit
einen Schaden tut, so ist der Eigentümer des Tieres
verpflichtet, diesen zu ersetzen.
2
Das argumentum e contrario wird
anhand dieses Beispiels so dargestellt:
Wenn ein vierfüßiges Tier einem anderen in seiner Wildheit
einen Schaden tut, so ist der Eigentümer des Tieres
verpflichtet, diesen zu ersetzen.
Ein zweifüßiges Tier ist kein vierfüßiges Tier.
Wenn ein zweifüßiges Tier einem anderen in seiner Wildheit
einen Schaden tut, so muss der Eigentümer diesen nicht
ersetzen.
3
Der Analogieschluss
Ausgangssatz: Wenn ein vierfüßiges Tier einem anderen in seiner Wildheit einen Schaden
tut, so ist der Eigentümer des Tieres verpflichtet, diesen zu ersetzen.
Der Satz ist auf den zur Entscheidung stehenden Fall nicht anwendbar; ein Zweifüßer ist
kein Vierfüßer.
Interpretation: Der Grund dafür, dass der Eigentümer eines Vierfüßers zum Schadensersatz
verpflichtet ist, besteht darin, dass Vierfüßer gefährlich sind.
Gleichheit: Ein zweifüßiges Tier kann in seiner Wildheit genauso gefährlich und
unberechenbar sein, wie ein vierfüßiges Tier.
Verallgemeinerung: Wenn ein Tier einem anderen in seiner Wildheit einen Schaden tut, so
ist der Eigentümer des Tieres verpflichtet, diesen zu ersetzen.
Konsequenz: Wenn ein zweifüßiges Tier einem anderen in seiner Wildheit einen Schaden
tut, so soll er Eigentümer des zweifüßigen Tieres diesen ersetzen.
4
sog. Eingeschränkte Schuldtheorie
Ausgangssatz:
Wer einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, kann nicht wegen vorsätzlicher Tat bestraft
werden.
Auf den Fall, dass der Täter irrtümlich Tatsachen annimmt, die einen Rechtfertigungsgrund erfüllen, ist dieser Satz
seinem Wortlaut nach nicht anwendbar.
Problemstellung:
Wer irrtümlich annimmt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes gegeben sind, irrt sich
über Tatsachen, die das objektive Unrecht seiner Tat ausmachen, aber er weiß, dass er fremde Rechtsgüter verletzt.
Verallgemeinerung:
Es ist der Zweck des § 16 StGB, dass wer eine Tatsache nicht kennt, die das Unrecht der Tat begründet, nicht wegen
vorsätzlicher Verwirklichung dieses Unrechts bestraft werden soll.
Konsequenz:
Wer die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes irrtümlich annimmt, soll nicht wegen
vorsätzlicher Verwirklichung dieses Unrechts bestraft werden.
5
sog. strenge Schuldtheorie
Ausgangssatz: Wer einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand
gehört, kann nicht wegen Vorsatzes bestraft werden. Auf einen Täter, der irrtümlich
die Voraussetzungen annimmt, die einen Rechtfertigungsgrund erfüllen, ist dieser Satz
seinem Wortlaut nach nicht anwendbar.
Problemstellung: Wer irrtümlich annimmt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen
eines Rechtfertigungsgrundes gegeben sind, irrt sich über Tatsachen, die das objektive
Unrecht seiner Tat ausmachen, aber er weiß, dass er fremde Rechtsgüter verletzt.
Interpretation: Der Grund dafür, dass ein Täter, der einen Umstand nicht kennt, der
zum gesetzlichen Tatbestand gehört, nicht wegen Vorsatzes bestraft werden kann,
besteht darin, dass er nicht weiß, dass er in fremde Rechtsgüter eingreift.
Konsequenz: Der Ausschluss der Strafbarkeit eines Täters, der irrtümlich Tatsachen
angenommen hat, die einen Rechtfertigungsgrund erfüllen, ist nicht aus einer
analogen Anwendung von § 16 StGB ableitbar.
6
Argumentum a fortiori (Erst-RechtSchluss)
1. Die Eigenschaft E des Sachverhalts SV1 ist der Grund dafür,
dass die Rechtsfolge R eintritt.
2. Der Sachverhalt SV2 hat die Eigenschaft E in höherem
Maße als der Sachverhalt SV1.
3. Die Rechtsfolge R tritt beim Sachverhalt SV2 (erst Recht)
ein.
1. Obwohl der Sachverhalt SV1 die Eigenschaft E hat, tritt die
Rechtsfolge R nicht ein.
2. Der Sachverhalt SV2 hat die Eigenschaft E in geringerem
Maße als der Sachverhalt SV1.
3. Die Rechtsfolge R tritt beim Sachverhalt SV2 (erst Recht)
nicht ein.
Argumentum a fortiori (Erst-RechtSchluss) - Beispiel
Ausgangssatz:
Die vorsätzliche Beteiligung an einer fremden
Selbstverletzung ist straflos.
Komparatives Merkmal:
Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung
beteiligt beherrscht den Kausalprozess weniger als der,
der sich vorsätzlich daran beteiligt.
Komparative Regel:
In je geringerem Maße der Beteiligte den Kausalverlauf
zum Erfolg beherrscht, desto eher bleibt er straflos.
Konsequenz:
Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung
beteiligt ist straflos.
Argumentum a fortiori (Erst-RechtSchluss) - Beispiel
Ausgangssatz:
Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung
beteiligt, ist straflos.
Komparatives Merkmal:
Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstgefährdung
beteiligt beherrscht den Eintritt des Erfolges weniger als
der, der sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung
beteiligt.
Komparative Regel:
In je geringerem Maße der Beteiligte den Kausalverlauf
zum Erfolg beherrscht, desto eher bleibt er straflos.
Konsequenz:
Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstgefährdung
beteiligt ist straflos.
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