Arzneimittelsicherheit in der Kinderrheumatologie

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Kinderrheumatologie
Übersichtsartikel
Arzneimittelsicherheit in der Kinderrheumatologie
K. Minden1,2; J. Klotsche1; M. Niewerth1; G. Horneff3; A. Zink1
1Deutsches
Rheumaforschungszentrum Berlin; 2Universitätskinderklinik Charité, Campus Virchow, Berlin; 3Asklepios
Kinderklinik Sankt Augustin
Schlüsselwörter
Keywords
Pharmakovigilanz, juvenile idiopathische Arthritis, Biologikaregister, Arzneimittelsicherheit
Pharmacovigilance, juvenile idiopathic arthritis, biologic registries, drug safety
Zusammenfassung
Summary
Die Einführung biologischer Medikamente
hat die Behandlung von Kindern mit schweren rheumatischen Erkrankungen gravierend
verändert. Sie hat auch dazu beigetragen,
dass unerwünschte Arzneimittelwirkungen in
der Kinderrheumatologie heute systematisch
erfasst werden. Mit dem nationalen JIA-Biologikaregister BiKeR und dessen Follow-upRegister JuMBO werden bereits seit 2001 Informationen zur Langzeitsicherheit der zunehmend eingesetzten Biologika erhoben.
Beide Register übersehen mittlerweile etwa
15 000 Patientenjahre und erfassen prospektiv unerwünschte Ereignisse mit möglichem
Zusammenhang zur Therapie. Von besonderem Interesse sind schwerwiegende Infektionen, inzidente Autoimmunerkrankungen und
maligne Erkrankungen. Bisher haben sie,
ebenso wie andere internationale prospektive Erhebungen, kein den Nutzen der neuen
Therapien infrage stellendes Risiko aufgedeckt. Valide Aussagen zum Risikoprofil der
Biologika für bestimmte Ereignisse gestatten
sie allerdings noch nicht. Eine weitere sorgfältige Pharmakosurveillance ist zur abschließenden Risikobewertung erforderlich. Diese
wird durch die neue Gesetzgebung der EU
bzw. deren Anpassung für Deutschland mittels der 16. AMG-Novelle, deren Inhalte kurz
vorgestellt werden, unterstützt.
The introduction of biologic drugs has substantially changed the treatment of children
with severe rheumatic diseases and has contributed to a systematic recording of drug
side effects in pediatric rheumatology. The
national JIA biologic register BiKeR and its
follow-up register JuMBO have collected
data on the long-term safety of the increasingly used biologics. Both registers meanwhile comprise 15,000 patient-years of observation. Over this period, they have prospectively recorded adverse events of special
interest, including serious infections, newonset autoimmune diseases and malignancies. So far, both registers, as well as other international prospective surveys, have not revealed any risk that would call the benefit of
the new drugs in question. However, available data do not allow drawing conclusions
on the risk profile of biologics for specific
events. A more comprehensive pharmacosurveillance (of more patients over a longer
period) is necessary for this purpose. The new
EU legislation on pharmacovigilance and its
adaptation for Germany by the 16th AMG
amendment, whose content is briefly given,
will support this.
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. Kirsten Minden
Deutsches Rheumaforschungszentrum Berlin und
Universitätskinderklinik Charité, Campus Virchow
Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Tel.: 030/28 46 06 69, Fax: 030/28 46 06 26
E-Mail: [email protected]
Drug safety in pediatric rheumatology
arthritis + rheuma 2014; 34: 42–47
Arzneimitteltherapie bei
juvenilen rheumatischen
Erkrankungen
Voraussetzungen für eine rationale Pharmakotherapie sind eine korrekte Diagnoseund Indikationsstellung, eine Aufklärung
des Patienten bzw. seiner Familie, eine geeignete Dosierung des Arzneimittels, die
Berücksichtigung der konkreten Behandlungssituation und individuellen Besonderheiten des Patienten sowie eine sorgfältige
Überwachung des Therapie- und Krankheitsverlaufs anhand etablierter Parameter.
Dabei orientiert sich das ärztliche Vorgehen an der vorliegenden medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnis und/oder praktischen ärztlichen Erfahrung (1).
Wie alle Patienten wünschen sich natürlich auch Rheumakranke bzw. ihre Familien eine Behandlung möglichst ohne Risiken und Nebenwirkungen. Andernfalls erwarten sie konkrete Informationen hierzu.
Konkret bedeutet das für Kinderrheumatologen, dass sie die Patienten (entsprechend
ihres Entwicklungszustandes) und ihre Familien adäquat über Nutzen und Risiko der
Therapie aufzuklären haben. Dabei müssen sie potenzielle Auswirkungen einer
meist jahrelangen (gegebenenfalls sogar lebenslangen) Medikamentenexposition in
Betracht ziehen. Das stellt Kinderrheumatologen im Hinblick auf die begrenzte Wissenslage zur Sicherheit der in der Kinderrheumatologie eingesetzten Medikamente
vor nahezu unlösbare Aufgaben.
Wir übersehen zwar mittlerweile eine
Dekade der regulären Durchführung von
Zulassungsstudien in der Kinderrheumatologie, was die Behandlung vor allem der juvenilen Polyarthritis gravierend verändert
hat (▶ Abb. 1), aber auch nach Abschluss
der Zulassungsstudien besteht aufgrund
der begrenzten Patientenzahlen und relativ
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Kinderrheumatologie
K. Minden et al.: Arzneimittelsicherheit in der Kinderrheumatologie
kurzen Beobachtungszeiträume (in den
Zulassungsstudien zwischen 150 und
450 Patientenjahre [PJ]) sowie selektierten
Patientenkohorten nur unvollständiges
Wissen über Nebenwirkungen und Risiken
dieser Substanzen (2–9). Zudem wurden
Zulassungsstudien bisher nur für bestimmte Formen der juvenilen idiopathischen
Arthritis (JIA) durchgeführt. Noch lückenhafter sind demzufolge die Kenntnisse zur
Sicherheit der – in der Regel off-label – eingesetzten Pharmaka bei anderen Indikationen, wie z. B. den juvenilen Kollagenosen
und primären Vaskulitiden.
Im Prinzip kann eine valide NutzenSchadens-Bilanz von Arzneimitteln erst
nach deren breiter klinischer Anwendung
gezogen werden, vorausgesetzt, dass unerwünschte Wirkungen gemeldet und erfasst
werden. Das erfordert im Hinblick auf die
Seltenheit der juvenilen rheumatischen Erkrankungen, die mit Ausnahme der oligoartikulären JIA alle als seltene Erkrankungen mit einer Prävalenz von < 1 : 2000 anzusehen sind, eine umfassende Rückmeldung aller Beteiligten (Angehörige der Gesundheitsberufe, Patienten, Angehörige) zu
Komplikationen/Nebenwirkungen
von
Medikamenten.
Wo werden unerwünschte Arzneimittelwirkungen
gemeldet?
Meldung eines Verdachtsfalles
durch Ärzte
AkdÄ
http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/
UAW-Meldung/index.html
Bundesoberbehörden
• Via Internet: Seit April 2009 haben BfArM
und PEI ein gemeinsames Online-Erfassungssystem. Die Eingabemaske ist über
https://humanweb.pei.de erreichbar.
• Schriftlich: Verdachtsfälle können jederzeit per Brief oder Fax gesendet werden.
man-Arzneimittel für Impfstoffe, Sera (einschließlich monoklonaler Antikörper,
Antikörperfragmente oder Fusionsproteine mit einem funktionellen Antikörperbestandteil), Blut-, Knochenmark- und
Gewebezubereitungen, Allergene, Arzneimittel für neuartige Therapien und gentechnisch hergestellte Blutbestandteile zu-
Meldungen von Arzneimittelnebenwirkungen und
neue Gesetzgebung
Nichtsteroidale Antirheumatika
Insofern kommt die neue Gesetzgebung,
die das Melden unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) durch alle Beteiligten
fördern soll, der Kinderrheumatologie sehr
entgegen.
Bisher wurden UAW von Ärzten spontan gemeldet, wozu jeder Arzt (laut § 6 der
Musterberufsordnung) die berufsrechtliche
Verpflichtung hat (10). Gemeldet wird an
die Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft (AkdÄ). UAW-Meldungen
nehmen auch die zuständigen Behörden
(Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [BrArM] und Paul-EhrlichInstitut [PEI]) und die pharmazeutischen
Unternehmer, also die Zulassungsinhaber
selbst, entgegen (siehe Kasten „Wo werden
unerwünschte Arzneimittelwirkungen gemeldet?“). Das PEI ist im Bereich der Hu-
Glukokortikoide, systemisch
71%
67%
56%
48%
21%
18%
12%
12%
Dafür stehen bei beiden Behörden Meldeformulare im PDF-Format bereit:
http://www.bfarm.de→Service→Formulare
→Formulare Pharmakovigilanz→Meldebogen UAW
http://www.pei.de→Nebenwirkungen melden→Formulare Pharmakovigilanz
Meldung eines Verdachtsfalles
durch Verbraucher
http://www.bfarm.de→Service→Formulare
→Formulare Pharmakovigilanz→für Bürger
und Patienten
https://verbraucher-uaw.pei.de
ständig, das BfArM für alle anderen Arzneimittel.
Die AkdÄ unterhält mit dem BfArM
den Ärzteausschuss Arzneimittelsicherheit
und eine Datenbank zur Erfassung der
UAW. Dieses Spontanmeldewesen ist eine
zentrale Stütze der Pharmakovigilanz, die
laut WHO alle Aktivitäten zur Entdeckung,
Antimalariamittel
6%
4%
2%
2%
Sulfasalazin
8%
6%
4%
4%
47%
52%
52%
57%
4%
3%
2%
1%
32%
39%
42%
43%
2000 2004 2008 2012
1%
6%
11%
19%
0,0%
0,0%
0,0%
5,7%
Tocilizumab
Methotrexat
Biologika
0,9%
5,7%
10,3%
11,8%
Adalimumab
Azathioprin
DMARDs
Etanercept
0,0%
0,0%
0,0%
0,7%
Abatacept
0,0%
0,0%
0,0%
0,5%
Abb. 1 Anteil der mit nichtsteroidalen Antirheumatika, Glukokortikoiden systemisch und nichtbiologischen/biologischen DMARDs (disease modifying antirheumatic drugs) behandelten JIA-Patienten (in
Prozent). Die Angaben beziehen sich auf Querschnittsdaten der Kinder-Kerndokumentation von 2000
bis 2012.
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Kinderrheumatologie
K. Minden et al.: Arzneimittelsicherheit in der Kinderrheumatologie
Beurteilung sowie zum Verständnis und
zur Vorbeugung gegen unerwünschte Wirkungen oder andere Probleme in Verbindung mit Arzneimitteln umfasst. Wegen zu
geringer Meldeaktivitäten ist das bisherige
Meldewesen aber nicht ausreichend.
Um die Melderate und Transparenz in
der Pharmakovigilanz zu erhöhen und die
Rahmenbedingungen für eine sicherere
Pharmakotherapie u. a. von Kindern und
Jugendlichen zu verbessern, brachte die
Europäische Union (EU) mit der Richtlinie
2010/84/EU vom 15. Dezember 2010
(„Pharmakovigilanzrichtlinie“) und der
EU-Verordnung (Nr. 1235/2010 vom
15. Dezember 2010) umfassende Neuregelungen auf den Weg (11, 12). Dazu gehören
u. a.:
• Die Risikoüberwachung aller Medikamente der EU-Länder nach Markteinführung generell auf europäischer Ebene.
• Der Ausbau öffentlicher Informationsangebote zu Arzneimittelrisiken und Risikoüberwachung über ein Web-Portal.
• Die Meldung von UAW durch Firmen
nicht mehr an die nationalen Behörden,
sondern direkt an die europäische Arzneimittelagentur (EMA), die für deren
einheitliche Erfassung, Sammlung, Auswertung und Archivierung das Netzwerk EudraVigilance betreibt.
• Die Meldung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse innerhalb von
15 Tagen mit Berücksichtigung der
weltweit (und nicht mehr nur in EULändern) aufgetretenen Fälle.
• Die Meldung in der EU aufgetretener
nicht schwerwiegender unerwünschter
Wirkungen bereits innerhalb von 90 Tagen.
Zur Koordination und Bewältigung der
wachsenden Aufgaben für die europäische
Arzneimittelagentur wurde ein Pharmakovigilanzausschuss (Pharmakovigilance Risk
Assessment Committee, PRAC) eingerichtet. Das PRAC ist in alle Belange der Pharmakovigilanz für in den Ländern der EU
zugelassene Arzneimittel eingebunden und
unterstützt den ebenfalls in der European
Medicines Agency (EMA) angesiedelten
Ausschuss
für
Humanarzneimittel
(CHMP) und die Koordinierungsgruppe
der Länderbehörden (CMDh). Das PRAC
Wichtige Änderungen des
AMG (13)
• Der Begriff „Nebenwirkungen“ wurde
•
•
•
•
neu als „schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf ein Arzneimittel definiert“. Damit unterliegen jetzt auch
UAW nach nicht bestimmungsgemäßem
Gebrauch (Überdosierung, Fehlgebrauch
oder Missbrauch) der Meldepflicht. Es
wird zudem nicht mehr in erwartete (bekannte) und unerwartete (neue) Nebenwirkungen unterschieden.
Alle Fachinformationstexte enthalten
eine Aufforderung an die Angehörigen
der Gesundheitsberufe, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung an die zuständigen Bundesoberbehörden, das BfArM
beziehungsweise das PEI, zu melden.
Auch Patienten und Verbraucher können
Nebenwirkungen direkt an das BfArM
und das PEI melden. In die Packungsbeilage ist ein Standardtext aufzunehmen,
„durch den die Patienten ausdrücklich
aufgefordert werden, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung ihren Ärzten,
Apothekern, Angehörigen von Gesundheitsberufen oder unmittelbar der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden, wobei die Meldung in jeder Form,
insbesondere auch elektronisch, erfolgen kann“. Hierfür haben BfArM und
PEI im Oktober 2012 ein neues Internetangebot gestartet, mit dem Patienten
und Verbraucher Verdachtsfälle von Nebenwirkungen direkt melden können
(https://verbraucher-uaw.pei.de).
Arzneimittel, die einer zusätzlichen Risikoüberwachung unterliegen (z. B. Biologika), werden künftig mit einem schwarzen Symbol in der Fachinformation und
der Packungsbeilage besonders gekennzeichnet.
Behörden können von den Pharmafirmen zusätzliche Unbedenklichkeits- und
Wirksamkeitsprüfungen sowohl bei als
auch nach der Zulassung anfordern.
ist zudem für die Führung von europäischen Risikobewertungsverfahren verantwortlich.
Für Deutschland wurden die europarechtlichen Vorgaben zur Pharmakovigi-
lanz mit der sogenannten 16. AMG-Novelle vom 19.10.2012 umsetzt. Änderungen
betreffen sowohl die Definitionen als auch
Mitwirkungsebenen und die öffentliche Information über Ergebnisse im Spontanmeldesystem (siehe Kasten „Wichtige Änderungen des AMG“).
Aus der neuen Gesetzgebung ergeben
sich für Rheumatologen keine Änderungen hinsichtlich der bisherigen Meldeverpflichtung laut Berufsordnung an die
AkdÄ, da diese alle ihr zugehenden Meldungen an die Bundesoberbehörden weiter
gibt. Aber die neuen Regularien werden
Konsequenzen für den kinderrheumatologischen Alltag haben. Verändern wird sich
einerseits der Sprechstundenalltag durch
besser informierte Patienten/Eltern, die
sich auf den Internetportalen der Bundesoberbehörden und der EMA für Verbraucher umfassend über die Zulassung, die aktuelle Packungsbeilage und Fachinformation, den öffentlichen Beurteilungsbericht
sowie Angaben zu Risikomanagementplänen erkundigen können. Verändern werden sich andererseits auch die Aufklärungsgespräche mit Kindern, Jugendlichen
und ihren Eltern, Sorgeberechtigten und
Betreuern zu unerwünschten Effekten von
Arzneimitteln und dem Melden des Verdachtes selbiger. Da Verbraucher auch Verdachtsmeldungen von Nebenwirkungen
über behandelnde Ärzte durchführen lassen können, ergibt sich für Rheumatologen
auch eine Mitwirkungspflicht in der Prozessierung von Verbraucherbeobachtungen. Das, ebenso wie die sorgfältige Erfassung von UAW, ist natürlich für Kinderrheumatologen nicht neu, sondern wird
bereits seit über zehn Jahren im kinderrheumatologischen Alltag durch Mitarbeit
im nationalen Biologikaregister praktiziert.
Nationale Biologikaregister
in der Kinderrheumatologie
Bereits im Jahr 2001 wurde das JIA-Register BiKeR (Biologika in der Kinderrheumatologie) etabliert, um weiterführende
Informationen zur Sicherheit der neu zugelassenen biologischen Medikamente zu gewinnen (14, 15). Wurden zunächst nur
Kinder und Jugendliche bei Beginn einer
Etanercept-Therapie in BiKeR aufgenom-
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K. Minden et al.: Arzneimittelsicherheit in der Kinderrheumatologie
Tab. 1 Ausgewählte publizierte Daten zur Sicherheit von zugelassenen DMARDs bei Patienten mit JIA
Substanz
Etanercept
Referenz
Lovell et
al.
(2, 3)a
Adalimu- Abatamab
cept
Tocilizumab
Canakinumab
Giannini
et al.
(17)
Prince et Otten et Sevcic et BiKeR/
al.
al.
al.
JuMBO
(18)b
(19)b
(20)b
(15, 16)
Lovell et
al.
(4)a
Ruperto
et al.
(5, 6)a
De Bene- Brunner et Yokota
detti et al. al.
et al.
(7)a
(8)a
(21)
Ruperto
et al.
(9)a
69
397
146
262
72
1411
171
190
112
188
56
177
Expositions- 315
jahre (n)
859
312
683
153
4213
310
448
158
184
69
k. A.
12,5 (k. A.) 34,8 (24) k. A. (23)
Patienten (n)
Ereignisse pro 100 Patienten- bzw. Expositionsjahre (n)
Schwere
UAW
12,3 (39) 6,3 (54)
2,9 (9)
4,5 (31)
k. A.
4,5 (189) 4,5c (14)
6,5 (29)
25 (39)
11 (18)
Schwere Infektionen
3,0 (9)
2,0 (17)
1,3 (4)
k. A.
3,3 (5)
1,0 (40)
2,3 (7)
1,8 (8)
Immunvermittelte Erkrankungen/
Phänomene
0,3 (1)
3,1 (27)
1,3 (4)
k. A.
5,2 (8)
1,0 (44)
0
0,4 (2)
1,9 (3)d
k. A.
k. A.
k. A. (5)d
Malignome
0
0
0
k. A.
0
0,09 (4)
0
0,2 (1)e
0
k. A.
k. A.
0
Todesfälle
0
0
0
k. A.
0
0,05 (2)
0
0
1,9 (3)
k. A.
k. A.
k. A (1)
4,9 (k. A.) k. A.
k. A. (11)
k. A. = keine Angabe
a Zulassungsstudie (ggf. inklusive open label extension); b beide bezogen auf holländisches ABC-Register; c nur schwere UAW in möglichem Zusammenhang mit Substanz; d Makrophagenaktivierungssyndrom; e Leukämie an Tag 89 diagnostiziert, Zusammenhang mit Therapie unwahrscheinlich
men, umfasst es inzwischen auch mit anderen zugelassenen Biologika (d. h. Abatacept, Adalimumab, Tocilizumab, Canakinumab) therapierte Patienten. Nach Zulassung von Methotrexat (MTX) für die polyartikuläre JIA in 2005 wurde es außerdem
möglich, eine Biologika-naive Kontrollgruppe (Patienten, die neu auf MTX eingestellt wurden) zu verfolgen. Im Dezember 2013 waren bereits über 3200 Kinder
und Jugendliche mit einer JIA in BiKeR registriert. Damit ist es das weltweit bisher
umfangreichste prospektive JIA-Biologikaregister. Eine Fortsetzung erfuhr es im
Jahr 2007 durch das Anschlussregister
JuMBO (Juvenile arthritis Methotrexate/
Biologics long-term Observation), in das
Patienten aufgenommen werden, die
1. in BiKeR registriert wurden,
2. eine gesicherte JIA nach der ILAR-Klassifizierung aufweisen und
3. das 18. Lebensjahr erreicht haben und/
oder aus der kinderrheumatologischen
Betreuung ausgeschieden sind (16).
Die weitere Beobachtung erwachsen gewordener JIA-Patienten in JuMBO gestattet Rückschlüsse auf die Langzeitsicherheit
der aktuell in der Kinderrheumatologie
eingesetzten DMARDs (disease modifying
antirheumatic drugs). Beide Register generieren durch halbjährliche Befragungen
von Ärzten und Patienten Informationen
zu möglicherweise im Zusammenhang mit
der Therapie aufgetretenen UAW und zu
Gründen für Therapiewechsel, darüber hinaus auch zum Gesundheitszustand der
Patienten, zur Krankheitsaktivität und aktuellen Therapie. UAW werden hinsichtlich
eines möglichen kausalen Zusammenhangs mit der Therapie, die der Patient
zum Zeitpunkt des Ereignisses (bzw. jemals) erhielt, bewertet. Unabhängig von
dieser Bewertung werden alle beobachteten
schweren unerwünschten Ereignisse
(SUEs) nach MedDRA (Medical Dictionary for Regulatory Activities) kodiert und
halbjährlich an die Firmen weitergeleitet,
welche die Daten an die EMA weiterleiten
und die Register (mit unconditional
grants) unterstützen. Damit tragen die Register wesentlich zur Pharmakovigilanz in
der Kinderrheumatologie bei. Sie übersehen bisher insgesamt ca. 15 000 Patientenbeobachtungsjahre und haben mit derzeit
etwa 4200 Patientenexpositionsjahren um-
fangreichere Sicherheitsdaten für Etanercept – als dem ersten für die JIA zugelassenen Biologikum – als die Zulassungsstudie
geliefert.
Das in BiKeR/JuMBO bisher erfasste
Spektrum unerwünschter Ereignisse unter
Etanercept bei Patienten ist in ▶ Tabelle 1
zusammengefasst. Über den Beobachtungszeitraum wurden bei den gegenüber
Etanercept exponierten JIA-Patienten 189
schwere UAW registriert (4,5 SUEs/100 Expositionsjahre), davon neun Prozent in
möglichem Zusammenhang zur Therapie.
Nun lässt die Rate schwerer UAW bei Anwendung der üblichen Definition (analog
jener in klinischen Studien) nur sehr begrenzt Aussagen zur Therapiesicherheit zu.
Besonderes Augenmerk wird deshalb in
den Registern auf Ereignisse von besonderem Interesse, u. a. medizinisch bedeutsame Infektionen, neu unter Therapie aufgetretene immunvermittelte Erkrankungen,
Malignome und Todesfälle, gelegt. Gerade
das Risiko für bösartige Erkrankungen hat
die Fachöffentlichkeit in den vergangenen
Jahren sehr beschäftigt und ist natürlich
gerade bei der Behandlung von Kindern
und Jugendlichen höchst relevant (22, 23).
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Kinderrheumatologie
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Tab. 2
Klassifikation der Häufigkeiten unerwünschter Arzneimittelwirkungen (28)
Kategorie
Häufigkeit des Ereignisses
sehr selten
< 0,01 %
< 1 von 10 000
selten
≥ 0,01 % und < 0,1 %
≥ 1 von 10 000 und < 1 von 1000
gelegentlich
≥ 0,1 % und < 1 %
≥ 1 von 1000 und < 1 von 100
häufig
≥ 1 % und < 10 %
≥ 1 von 100 und < 1 von 10
sehr häufig
≥ 10 %
≥ 1 von 10
rekrutieren nicht nur mit Biologika behandelte Patienten, sondern zu Vergleichszwecken auch mit konventionellen Medikamenten therapierte. Insofern verbessern sie
auch die Kenntnisse zur Sicherheit der
konventionellen DMARDs, für die bislang
keine systematisch erhobenen Sicherheitsdaten vorliegen.
Interessenkonflikt
Unter anderem trugen die in BiKeR erfassten malignen Erkrankungen mit zur Warnmeldung der FDA hinsichtlich eines potenziell erhöhten Lymphomrisikos unter einer
anti-TNF-Therapie bei (24). Nach Untersuchungen aus der jüngsten Vergangenheit
ist dieses Risiko allerdings weniger auf die
Therapie als vielmehr auf die Grunderkrankung zurückzuführen (25–27).
Insofern haben die bisher vorliegenden
Sicherheitsdaten aus den Zulassungsstudien mit ihren offenen Anschlussstudien,
den Biologikaregistern und weiteren prospektiven Beobachtungsstudien (▶ Tab. 1)
keine Risiken der biologischen Substanzen
aufgezeigt, die deren Nutzen infrage stellen
würden. Abschließend lässt sich die Frage
der Sicherheit der biologischen DMARDs
mit den bisher erfassten Patientenkollektiven aber keineswegs beantworten. Zur Erfassung seltener und sehr seltener Ereignisse (▶ Tab. 2) braucht es weit mehr Patienten und längere Beobachtungszeiträume.
Eine internationale Zusammenarbeit ist erforderlich, um zu validen Aussagen zur
Langzeitsicherheit von bei Kindern und Jugendlichen eingesetzten Rheumamedikamenten zu gelangen.
Internationale Biologikaregister in der Kinderrheumatologie
Etablierte JIA-Biologikaregister gibt es mit
der „BSPAR Etanercept Cohort Study“ und
„Biologics for Children with Rheumatic
Diseases Study (BCRD) – the extended
biologics study“ auch in Großbritannien
oder dem „Dutch Arthritis and Biologicals
in Children (ABC) Register“ in den Niederlanden (29, 30). Diese und andere Register/Beobachtungsstudien haben bisher,
analog zu BiKeR/JuMBO, Sicherheitsdaten
nahezu ausschließlich für Etanercept geliefert (▶ Tab. 1). Das Sicherheitsprofil der
später zugelassenen Biologika ist noch weniger gut untersucht, Daten hierzu werden
aber in den Registern erfasst.
Einen erheblichen Beitrag diesbezüglich
wird wahrscheinlich Pharmachild leisten.
Dieses europaweite webbasierte JIA-Pharmakovigilanz-Register wird seit 2011
durch die PRINTO und mit Finanzierung
der EU aufgebaut und soll mit den bestehenden nationalen Registern kooperieren
bzw. in Ländern ohne nationale Register eine Erfassung von UAW bei Kindern mit
JIA ermöglichen (31).
Auch in den USA wird derzeit ein Pharmakovigilanzregister (CARRA Consolidated Safety Registry = CoRe) etabliert (32).
Es nutzt das CARRA (Childhood Arthritis
and Rheumatology Research Alliance)-Register, um UAW bei der Behandlung juveniler rheumatischer Erkrankungen zu erfassen. In Zusammenarbeit von u. a. US
Food and Drug Administration, EMA, National Institutes of Health, Patienten- und
Elterngruppen, Vertretern der Industrie,
nationalen Behörden, der CARRA und
dem Duke Clinical Research Institute
(DCRI) wurde CARRA-CoRe entwickelt.
Hierin werden Patienten mit juvenilen
rheumatischen Erkrankungen unabhängig
von der Art der Behandlung erfasst und
UAW dokumentiert. Für wie viele der bisher in das CARRA-Register eingeschlossenen über 8000 Patienten bereits regelmäßige Meldungen zu UAW erfolgen, ist bisher
nicht veröffentlicht worden.
Sowohl in Europa als auch in Nordamerika sind somit Strukturen für eine aktive
Pharmakovigilanz in der Kinderrheumatologie geschaffen. Sie werden helfen, das Risiko der biologischen Medikamente besser
bewerten zu können. Die meisten Register
Das BiKeR-Register wird durch einen unconditional grant der Firmen Abbvie, Pfizer, Roche/Chugai, das JuMBO-Register
durch einen unconditional grant der Firmen Pfizer und Abbvie unterstützt.
KM: Honorare für Vortrags- und Beratertätigkeiten von Abbvie, Roche, PharmAllergan, Pfizer.
Literatur
1. Janzen RWC. Off-Label-Therapie: aktuelle Probleme aus Sicht der Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft. Z Rheumatol 2012; 71:
108–118.
2. Lovell DJ, Giannini EH, Reiff A et al. Etanercept in
children with polyarticular juvenile rheumatoid
arthritis. Pediatric Rheumatology Collaborative
Study Group. N Engl J Med 2000; 342: 763–769.
3. Lovell DJ, Reiff A, Ilowite NT et al. Pediatric Rheumatology Collaborative Study Group. Safety and
efficacy of up to eight years of continuous etanercept therapy in patients with juvenile rheumatoid
arthritis. Arthritis Rheum 2008; 58: 1496–1504.
4. Lovell DJ, Ruperto N, Goodman S et al. Pediatric
Rheumatology Collaborative Study Group; Pediatric Rheumatology International Trials Organisation. Adalimumab with or without methotrexate
in juvenile rheumatoid arthritis. N Engl J Med
2008; 359: 810–820.
5. Ruperto N, Lovell DJ, Quartier P et al. Abatacept
in children with juvenile idiopathic arthritis: a
randomised, double-blind, placebo-controlled
withdrawal trial. Lancet 2008; 372: 383–391.
6. Ruperto N, Lovell DJ, Quartier P et al. Paediatric
Rheumatology International Trials Organization
and the Pediatric Rheumatology Collaborative
Study Group. Long-term safety and efficacy of
abatacept in children with juvenile idiopathic arthritis. Arthritis Rheum 2010; 62: 1792–1802.
7. Brunner H, Ruperto N, Zuber Z et al. Efficacy and
safety of tocilizumab in patients with polyarticular
juvenile idiopathic arthritis: data from a phase 3
trial. ACR Annual Meeting Abstracts 2012; 64:
1597.
8. De Benedetti F, Brunner HI, Ruperto N et al.
PRINTO; PRCSG. Randomized trial of tocilizumab in systemic juvenile idiopathic arthritis. N
Engl J Med 2012; 367: 2385–2395.
9. Ruperto N, Brunner HI, Quartier P et al. PRINTO;
PRCSG. Two randomized trials of canakinumab in
© Schattauer 2014
arthritis + rheuma 1/2014
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