BlW 37 I 12.9.2014 32 I RINDER Bio-Sicherheit in der Milchviehhaltung: Ob inne rbetriebliche oder au ßerbetriebliche Hygienemaßnahmen , das Unterbinden vo n Infektionskrankheiten hat einen wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit de r Milcherzeugung. Die Ansatzpunkte sind vielseitig. Von innen und außen sauber Die Bio-Sicherheit im Blick: Wichtige Hygiene-Regeln tür den Milchviehbetrieb ygiene und Sauberkeit sind in der Lebensmittelproduktion unverziehtbar und sollten auch schon im Milchviehbetrieb großgeschrieben werden. Eine gute Hygiene verbessert die Biosicherheit für Mensch und Tier und trägt dazu bei, die Tiergesundheit zu verbessern und den Arzneimitteleinsatz zu senken. Grundsätzlich ist eine Keimübertragung durch direkten Kontakt von Tier zu Tier oder Mensch zu Tier, durch Kontakt zu Sekreten und Ex- H kreten, durch sogenannte Vektoren wie Fliegen möglich. Aber auch Erreger, die über die Atemwege ausgeschieden werden, können sich über die Luft neue Opfer suchen. Kritisch ist vor allem der direkte Kontakt zwischen Tiergruppen unterschiedlichen Alters oder unterschiedli chen Risikogruppen (kranke Kühel Trockensteher/Kalbende). Es ist also wichtig nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb des eigenen Betriebes, die Übertragung möglicher Krankheitserreger durch entsprechende Hygienemaßnahmen zu verhindern. Außerbetriebliche Hygienemaßnahmen • Zuchtschauen/Viehmärkte: Grundsätzlich ist der Besuch von Zuchtschauen oder Zuchtviehmärkten mit einem hohen Risiko verbunden. Viele Tiere unterschiedlicher Herkunft, die durch den Transport und die ungewohnte Umgebung gestresst sind, kommen auf engem Raum zusammen, was den Austausch unterschiedlichster Infektionen fordert. Besuche von Zuchtschauen, Zuchtviehmärkten, aber auch die gemeinsame Älpung von Tieren führen zu einem Austausch von Keimen und möglichen vorhandenen Krankheitserregern. Jeder direkte Tierkontakt ist mit einem hohen Risiko der Keimübertragung verbunden. Dabei geht es nicht nur um Erkrankungen, die von tier- seuchenrechtlicher Bedeutung sind (BHVl, BVD), sondern auch um weitere Erkrankungen wie z. B. die Übertragung von Chlarnydien, Paratuberkulose, Q-Fieber und Flechte. Werden die Tiere wieder in den Betrieb eingegliedert, ist folglich eine Quarantäne ohne direkten Tierkontakt sinnvoll. • Tierzukauf: Ein Tierzukaufbedeutet immer ein hohes Einschleppungsrisiko für alle möglichen Krankheitserreger. Durch Transportstress und Umstallung kann es zur verstärkten Erregerausscheidung beim Zukaufstier kommen. Um das Ansteckungsrisiko für die eigene Herde gering zu halten, ist es wichtig, beim Zukauf nicht nur auf die Freiheit von tierseuchenrechtlich relevanten Erkrankungen, sondern auch auf Anzeichen möglicher ansteckender Erkrankungen zu achten (z. B. chronische Veränderungen durch Mortellaro). Neben der Freiheit von BHVI und BVD sollte auch hier auf Chlarnydien, Q-Fieber und Paratuberkulose untersucht werden. Bei melkenden Kühen ist es sinnvoll, Milchproben zu untersuchen, um keine kuhassoziierten Eutererkrankungen in den Betrieb einzuschleppen. • Personenkontakt: Für Personen, die mit direktem Tierkontakt arbeiten, sollte jeder Betrieb die Hygiene so einfach wie möglich machen. Warmes Wasser, Seife und ein sauberes Handtuch sind genauso wichtig wie die Möglichkeit, die Stiefel gut zu reinigen. Saubere und trockene Stiefel sind der erste Schritt um einer Übertragung von Infektionen vorzubeugen. Desinfektionsmatten oder -wannen sind sinnvoll, allerdings muss dabei auf ausreichende Konzentration des Desinfektionsmittels und regelmäßigen Austausch der Lösung geachtet werden. Wird bestandseigene Schutzkleidung verwendet, so muss diese sauber aufbewahrt und regelmäßig gewaschen werden, außerdem sollte eine Urnkleidemöglichkeit vorhanden sein. 4 Hygieneregeln llgemein sollten folgen de Grundsätze gewahrt werde n: A • Unterschiedliche Gruppen getrennt aufstallen; • Versorgung der Tiere von jung nach alt; • Kranke und gesunde Tiere ohne direkten Kontakt aufsta llen; • Erst die gesunden, dann die kranken Tiere verso rgen . Innerbetriebliche Hygienemaßnahmen Grundsätzlich sollte der Stall so aufgebaut sein, dass Entmisten, Reinigen und Desinfizieren gut möglich sind. Denn Milchreste, Mist und Futterreste stellen für Fliegen und andere Schädlinge einen Nährboden dar. Futter- und Mistachsen sollten sich möglichst nicht kreuzen. Besonders wichtige Bereiche, in denen auf Hygiene zu achten ist, sind: • Abkalbebox: Der Abkalbebereich ist für die Übertragung von Krankheiten ein sehr kritischer Bereich. Kühe um den Abkalbezeitpunkt sind hochempfanglich für Infektionen und die Möglichkeit der Keimausscheidung bei oder nach der Geburt mit dem Fruchtwasser und der Nachgeburt ist sehr hoch. Gerade bei Boxen mit Matratze ist auf eine ausreichend dicke täglich neue Einstreuschicht zu achten. Spätestens alle fünf Geburten muss die Abkalbebox dann komplett entmistet werden. Ein Nutzen der Abkalbebox als Krankenbox ist nicht sinnvoll. Vor allem Klauenerkrankungen wie die Mortellarosche Erkrankung oder Dermatitis digitalis (Panaritium) werden bei der Nutzung der Abkalbebox als Krankenbox leicht weiterverschleppt. Nach dem Aufstallen kranker Tiere (z.B. mit Nachgeburtsverhalten oder Totgeburt), wird die Abkalbebox gemistet und gereinigt. Bei der Geburtshilfe können über das Fruchtwasser auch Krankheitserreger auf den Geburtshelfer übertragen werden. Einige Infektionserreger, werden sogar besonders stark mit dem Fruchtwasser ausgeschieden (zum Beispiel Q-Fieber). Das Tragen von Schutzkleidung und Handschuhen und eine gute Handhygiene sind wichtig, um die Übertragung möglicher Infektionen auf den Menschen zu vermeiden. • Kälberaufstallung: Auch im Kälberbereich ist eine sehr gute Hygiene besonders wichtig. Die Boxen oder Iglus sowie der Boden des Kälberstalls sollten nach jeder Belegung gereinigt und desinfiziert werden. Dementsprechend sollten die Oberflächen so beschaffen sein, dass sie sich auch gut reinigen und desinfizieren lassen. Eine vorhandene Drainage lässt Kot, Urin und Milch leichter abfließen. Die Tränkeeimer sind nach jeder Mahlzeit gründlich zu säubern und am besten mit der Öffnung nach unten sauber aufzubewahren. Kritisch ist der Übergang zum Nuckel. Rauhe und spröde Nuckel müssen ausgetauscht werden. Wird ein Tränkeautomat verwendet, so ist eine zweimal tägliche Reinigung der Schläuche und der Anmischapparatur sinnvoll. Die Tränkenuckel sind zumindest nach jedem Gruppenwechsel auszutauschen. Biestmilehreste müssen kühl und zumindest abgedeckt aufbewahrt werden. • Melken: Beim Melken ist eine Erregerübertragung vor allem über das Melkzeug von Tier zu Tier möglich. Um dem Vorzubeugen, ist hier ein besonderes Augenmerk auf Hygiene wichtig, Handschuhe für die Melker, saubere Euter, eine gute Vorreinigung (v. a. der Zitzenkuppen) und ein Dippen nach dem Melken sollten Standard sein. Einwegmaterialien sollten zwischen den Melkzeiten gut verschlossen aufbewahrt werden, Eutertücher bei mindestens 60· C gewaschen werden. Risikokühe sollten zum Schluss gemolken werden. Eine Zwischendesinfektion verhindert die Infektion der nachfolgenden Tiere. Keime Sicher abtöten Wahrend Feuchtigkeit und Nässe das Wachstum oder überleben vieler BLW 37 I 12.9.2014 FOTOS: RIESBERG Krankheitserreger erleichtern, können Trockenheit, UV-Licht und Hitze viele Keime abtöten. Beim Reinigen und Desinfizieren von Stalleinrichtungen oder Gegenständen ist darauf zu achten, dass zwei getrennte Arbeitsschritte eingehalten werden. Die Reinigung entfernt zunächst gründlich den Schmutz. Nach vollständiger Abtrocknung der Gegenstände werden diese dann bei der vom Hersteller angegebenen Konzentration des Desinfektionsmittels im angegebenen Temperaturbereich und mit ausreichend langer Einwirkzeit desinfiziert. Eine Anwendung des Desinfektionsmittels auf verschmutzten Oberflächen kann dazu führen, d.ss geschützt durch Verkrustungen Krankheitserreger nicht abgetötet werden. Wird das Desinfektionsmittel .uf noch nassen Oberflächen angewendet, so ist es möglich. dass keine ausreichende Wirkkonzentration erreicht wird. Um das passende Desinfektionsmittel für entsprechende Einsatzbereiche zu finden, helfen die DVG-Desinfektionsmittel-Listen. Dr. Andrea Rütz, Tierärztin und Betriebswirtin, München