"Pressearbeit vor dem Hintergrund gesellschaftlichen Wandels

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Gisela Goblirsch
Pressearbeit vor dem Hintergrund gesellschaftlichen
Wandels
Ein Berufsbild auf dem Weg zur Professionalisierung
„Die Weihnachtsfeier des Vereins war ein Ereignis, was seinesgleichen suchte. Die
zahlreich erschienene Zuhörerschaft war voll des Lobes. Max Meier kam als
Weihnachtsmann verkleidet und brachte lustige Geschichten zu Gehör. Auch unsere
Bürgermeisterin, die Frau Huber kam und brachte ihren Ehemann mit.“
Diese Pressemitteilung (alle Namen geändert) traf eine Lokal-Redaktion der
Süddeutschen Zeitung vor vielen Jahren. Abgesehen von der originellen Diktion zeigt
diese Pressemitteilung zweierlei:
1) Der Verfasser hatte sich die Mühe gemacht, ein erfolgreiches Ereignis, das
ihm wichtig erschien, in die Öffentlichkeit zu tragen.
2) Die Mitteilung war für jeden außerhalb des Vereins unbrauchbar.
Das war vor 15 Jahren. Die Diktion hat sich geändert, aber bis heute bleibt bestehen,
dass etwa 50 Prozent aller Mitteilungen an die Medien zwar für den Verfasser
bedeutsam, für alle anderen Menschen jedoch eher uninteressant sind. Und was den
Leser nicht interessiert, das ist auch für das angesprochene Medium unbrauchbar.
Der Erfolg solcher Pressemitteilungen war und ist eher bescheiden. Angesichts
dieser Tatsache war eine Professionalisierung der Pressearbeiter unumgänglich.
Daher die Frage:
((Raster))
Wie hat sich das Berufsbild des Pressearbeiters bisher gewandelt? Und wohin geht
die Reise?
((Ende Raster))
Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen sicherlich die
Veränderung in der Printmedien-Landschaft, die seit etwa fünf Jahren geradezu
dramatische Züge annimmt. Die Leser, die den Printmedienbereich verlassen,
verlagern ihren Informationsbedarf ins Web. Insofern geschieht eine natürliche
Veränderung – allerdings mit erheblichen Folgen für die Beschäftigten in diesem
Sektor. So verlieren Hunderte von altgedienten Journalisten ihren Arbeitsplatz. Fakt
ist: Die Journalisten drängen heute auf den PR-Markt. Und sie stehen in Konkurrenz
zu den Nichtjournalisten, die ebenfalls das Feld der Medien-Kommunikation für sich
erschließen wollen und meist mit einer Affinität für Werbung oder Marketing an diese
Aufgabe herangehen.
Hier setzt die Arbeit der Journalistenakademie ein. Denn Journalismus, Marketing
und PR trennen Welten. Die Journalisten können besser schreiben als die Laien –
zumindest schreiben sie routinierter. Meist können sie auch besser recherchieren.
Aber sie haben eine Denkweise verinnerlicht, die plötzlich in krassem Gegensatz zu
den Anforderungen ihrer neuen Auftraggeber steht. Journalisten und gleichzeitig
interessierte Quereinsteiger zu PR-Fachleuten auszubilden ist eine Herausforderung,
der sich die Akademie seit Jahren stellt. Der Unterricht in diesem Bereich muss also
drei Welten zusammenführen.
Pressearbeit aus Sicht des Informationsgebers
Was tut sich im Bereich Pressearbeit und damit verbunden im Berufsbild
„Pressebeauftragter“?
Der Pressebeauftragte in Unternehmen, Kommunen und Institutionen wurde und wird
zum Teil heute noch als verlängerter Arm des Marketings gesehen. „Werbung kostet
Geld – Pressearbeit gibt´s umsonst“ – das ist die irrige Annahme vieler Firmenchefs.
Man informiert die Presse in der Hoffnung, sich dadurch die Anzeige sparen zu
können. Man versucht die Medien zu instrumentalisieren und zu Produktwerbern
umzugestalten. Die Sparte „Produkt-PR“ ist besonders prädestiniert (und daher
anfällig) für diese Herangehensweise. Hier findet man übrigens heute noch die
meisten werbungsaffinen PR-Mitarbeiter, die vergessen, dass PR zur
Harmonisierung von Interessen eingesetzt wird und nicht zur Indoktrination von
Redaktionsmitarbeitern.
Oft scheiterte dieses Vorgehen an den Gatekeepern – den Journalisten in den
Redaktionen. In den letzten Jahren wurden jedoch die Redaktionen ausgedünnt. Die
Arbeitsbelastung des einzelnen Journalisten wuchs und damit auch die Bereitschaft
der Medien, gut gestaltete Texte zu übernehmen.
Das verschafft denjenigen Pressestellen, die gut formulierte Mitteilungen aussenden,
einen Marktvorteil – allerdings nur auf kurze Sicht.
Die schriftliche Ausdrucksweise, damit einhergehend der Verzicht auf werbende
Sprache, eine klare Struktur des Textes – all das ist heute unverzichtbarer
Bestandteil der Pressearbeit. Doch es geht um mehr als nur wohlgesetzte Worte zu
finden. Ein guter Text einer Pressemitteilung muss flexibel auf die Bedürfnisse der
Medien eingehen. Und das wird leider immer noch seitens der Informationsgeber
ignoriert. Noch heute steht in vielen Fällen die Produktkommunikation an erster
Stelle. Dies liegt daran, dass die Öffentlichkeitsarbeit immer noch in erster Linie
vertriebsunterstützend eingesetzt wird. Damit aber unterliegt sie in den Augen der
Unternehmen eindeutig den Gesetzen der Verkaufsförderung. Da ist Werbung nicht
weit entfernt. Anstatt Themen, Inhalte und Diskussionsstoff zu liefern, reduzieren sich
die Hauptaussagen der Pressemitteilungen allzu oft auf die Darstellung, welch
gigantische Neuerungen das wunderbare Produkt mit sich bringt. In einigen
Branchen mag dies eventuell noch vertretbar sein und zum Ziel führen, doch die
Messlatte wird täglich ein Stückchen höher gelegt und das werbende Denken und
Schreiben führt immer öfter in eine Sackgasse.
Pressearbeit aus Sicht des Informationsnehmers
Medien werden überhäuft mit Informationen. Da fällt alles durchs Raster, was nicht
echten Mehrwert für einen Leser / Hörer / Zuschauer verspricht. Die Kriterien, nach
denen die eingehende Information aussortiert wird, sind gnadenlos. Nur Information,
die auf das Medium und dessen Zielpublikum abgestimmt ist, hat noch gute Chancen
auf Resonanz.
Das hat Auswirkungen auf die Pressearbeit. Die einheitliche an den großen Verteiler
ausgesandte Pressemitteilung ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Pressemitteilung muss
oft die Hürde des Newsdesks überwinden und so gestaltet sein, dass sie für OnlineRedaktion ebenso interessant erscheint, wie für die Printversion einer Zeitung.
Der Pressebeauftragte eines Unternehmens muss also nicht nur die vorhandenen
Informationen in passable Form bringen, sondern sollte den Fokus ändern und die
Information mit den Augen der jeweiligen Mediengruppe betrachten. Das erweitert
seinen Aufgabenbereich dahingehend, dass er sich in den relevanten Medien und
Mediengruppen ebenso auskennen sollte, wie im eigenen Unternehmen.
Pressearbeit am Scheideweg
Gleichzeitig gehört in den Aufgabenbereich des Pressebeauftragten eine
Überwachungs- und Schutzfunktion für Produkt, Marke und Unternehmen. Die
Auswertung der Pressearbeit und das Controlling von unternehmensrelevanten
Themen – also alles, was in den Bereich des Issue Managements gehört – muss
originäre Aufgabe des Pressebeauftragten sein. Deshalb kann die Produkt-PR nicht
die alleinige Zielfunktion bleiben. Das Themenumfeld eines Unternehmens zu
scannen und zu werten nimmt immer mehr Raum im Portfolio des
Pressebeauftragten ein. Dies wiederum setzt Kenntnisse im Unternehmensumfeld
voraus. Wer hier auf einen BWL-Hintergrund zurückgreifen kann, ist eindeutig im
Vorteil. Zusammenhänge zwischen dem Unternehmen, seiner Produktion und dem
gesellschaftlichen Umfeld spielen beim Issue Management eine sehr große Rolle –
und damit auch in der Pressearbeit. Diese Zusammenhänge zumindest zu erahnen
und sich der Wichtigkeit der Aufgabe bewusst zu sein, muss also schon in einer
sinnvollen Ausbildung thematisiert werden.
Der nächste Schritt in der Unternehmenskommunikation ist die Nutzung der Social
Media. Twitter und Co. verzeichnen rasante Zuwächse und damit verlagert sich ein
Großteil des Diskussionsbedarfs in Communities, die nicht mehr (wie noch vor 5
Jahren) rein themenbasiert sind. Mit dem Web 2.0 nahmen Foren, die sich ganz
klaren Themen widmeten, Gestalt an. Diese Foren im Blick zu behalten galt den
Pressebeauftragten als Nebenbei-Job. Man wusste, zu welchen Themen sich
Diskussionsgemeinschaften gründeten, und konnte dort (immer unter Angabe der
eigenen Funktion) Diskussionsbeiträge liefern.
Ganz anders die neuen Social Communities. Hier diskutiert man frei und meldet sich
zu den unterschiedlichsten Themen zu Wort. Dort zu agieren und zu reagieren ist
erheblich aufwändiger geworden. Außerdem überschreitet das Engagement
beispielsweise in Twitter oder Xing, in StudiVZ oder anderen Communities die
Schwelle der „Interessensharmonisierung“ zwischen Medium und Informationsgeber.
Das hat Auswirkungen auf das Bild der Öffentlichkeitsarbeit ganz allgemein.
Definiert man ein neues Bild von Pressearbeit, so muss man sich diesen Fragen
stellen. Eines ist ganz klar: die Social Media erzwingen eine Veränderung in den
herkömmlichen Berufsdefinitionen – oder aber sie führen zu einer neuen Sparte
innerhalb der PR.
Die Pressearbeit als Kommunikationsinstrument zwischen Unternehmen und Medien
unterliegt also permanenter Veränderung. In dem Moment, in dem sich die Medien
ändern, muss sich zwangsläufig die Pressearbeit ändern. Diesen Prozess in der
Ausbildung zu begleiten ist Kernpunkt der Journalistenakademie. Was aber bei aller
Aktualität nicht auf der Strecke bleiben darf, ist die philosophische Strukturierung der
Pressearbeit und die Entwicklung einer berufsethischen Basis.
Wenn Öffentlichkeitsarbeit – im Gegensatz zur Werbung oder Indoktrination – darauf
beruht, dass ein Dritter, Unabhängiger, positiv oder zumindest wohlwollend kritisch
über ein Thema, ein Produkt, eine Firma oder eine Marke berichtet, muss ein
Grundsatz im eigenen Denken zementiert sein: „Ein Pressearbeiter will überzeugen
und bietet Stoff für Diskussion. Es kann nicht seine Aufgabe sein, allein dem Vertrieb
und seinen Zielen zu dienen.“ Nur wenn diese Einstellung – bei aller Veränderung im
Umfeld - erhalten bleibt, hat Öffentlichkeitsarbeit als schlagkräftiges Instrument eine
Überlebenschance.
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