Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen Graphematik PD Dr. Alexandra Zepter Systemorientierte theoretische Linguistik Syntax Morphologie Phonetik/Phonologie Graphematik (Semiotik) Semantik Pragmatik: Textlinguistik Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Überblick – Graphematik des Deutschen Typen von Schriftsystemen Grundeinheiten einer Alphabetschrift: Buchstaben und Grapheme Phonographische, silbische und logographische Aspekte der deutschen Wortschreibung Orthographische Muster des Deutschen Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Typen von Schriftsystemen Alphabetschriften – verschiedene Alphabete, z.B.: Lateinische Schrift Griechische Schrift Kyrillische Schrift Konsonantenschriften Abugida (Mix aus reiner Silbenschrift und Alphabet) Silbenschriften Logographische Schriftsysteme Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Logographische Schrift In logographischen Schriftsystemen stehen die einzelnen Zeichen für Wortbedeutungen (oder Morpheme) Ideographische und piktographische Aspekte: Das Zeichen steht für einen Begriff (Ideogramm) oder einen ganzen Gedanken bzw. das Zeichen konstituiert einen bildhaften Bezug zum dargestellten Begriff (Piktogramm) Beispiel – Chinesische Kanji: Chinesisch = isolierende Sprache; keine Integration von Flexionssuffixen in das Schriftsystem nötig Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Logographische Schrift Chinesische Kanji: • Schildkröte • Baum • Salamander • Wald • Teich • Messer Piktogramm archaisch altchinesisch modern Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter (Beispiel Lehmann 2013) Silbenschrift Japanische Silbenschriften = Kana (Hiragana, Katakana) Die japanische Schrift verwendet eine Kombination aus chinesischen Kanji (häufig mit differenter Bedeutung) und Silbenzeichen (Hiragana) für Flexionssuffixe und Flexionspräfixe, für grammatikalische Partikel (Okurigana) und für zu seltene Kanji Japanische Kinder lernen zuerst (schon in der Vorschule) vollständig in Hiragana zu schreiben; ab der 1. Klasse werden die Kanji schrittweise erlernt Katagana: ursprünglich von buddhistischen Mönchen entwickelt; heute vor allem zur Hervorhebung; in der Werbung, Manga, Konsumgüterbeschriftung Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbenschrift – einzelne Zeichen repräsentieren Silben Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbenschrift – einzelne Zeichen repräsentieren Silben Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Beispiele für Alphabete – Grundmenge von Schriftzeichen für je einzelne Laute Arabisch, Hebräisch, Syrisch, Griechisch: Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Beispiele für Alphabete – Grundmenge von Schriftzeichen für je einzelne Laute Kyrillisch (Buchstabenschrift vieler slawischer Sprachen): Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Konsonantenschriften (z.B. Hebräisch, Arabisch) Beispiel Arabisch: Laufrichtung von rechts nach links Konsonanten des arabischen Lautsystems werden durch Zeichen ausgedrückt; Vokale nicht Einschränkung: lange Vokale werden durch Buchstaben repräsentiert, die auch für Konsonanten stehen können (langes a: Alif; langes i: Ya; langes u: Waw) اﻟﻘﻣر Al-q(a)m(a)r Diakritika können optional verwendet werden, um die kurzen Vokale anzuzeigen ْاﻟ َﻘ َﻣ ُر Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Alphabetschrift – Deutsche Orthographie In einer Alphabetschrift korrespondieren einzelne (oder Kombinationen von) Buchstaben zu einzelnen Vokalen oder Konsonanten. Aber wie eindeutig ist das Korrespondenzverhältnis? <Schuh> /ʃu:/ Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Alphabetschrift – Deutsche Orthographie Buchstaben der (lateinischen) Alphabetschrift: a, b, c, d.. Gedankenspiel: Eindeutigkeit würde bedeuten, dass jedem Buchstaben genau ein distinkter Lautwert zugeordnet ist und jedem möglichen deutschen Konsonanten und Vokal je genau ein distinkter Buchstabe → z.B.: [mut] → mut Eine ausreichende phonologische Bewusstheit vorausgesetzt, bräuchten wir dann in der Tat nicht mehr als die Strategie: ‚Schreib, wie du sprichst!‘ Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Die deutsche Orthographie „Nida mit dea rechtschraibunk!“ – ‚Schreib, wie du sprichst‘ als suboptimale Strategie (für die deutsche Orthographie): Laut-Buchstaben-Zuordnungen gestalten sich nicht als eineindeutige 1:1-Beziehungen, sondern sind in erheblichem Maße grammatisch (und etymologisch) überformt! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Die deutsche Orthographie Beispiel: Laut [k] – diverse Schreibungen in: Kino, Acker, Tag, Camping, Christ, Quelle, Hexe ... Und umgekehrt: Buchstabe <e> – diverse Lautungen in: Esel, Engel, sagen, Orthographie ... Im Übrigen kann ein Wort sehr unterschiedlich ausgesprochen werden! (Umgangslautung, Dialekt; Explizitlautung, Pilotsprache) Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Deutsche Orthographie = „tief“ Schrift (auch Alphabetschrift) bildet gesprochene Sprache nicht einfach ab – gesprochene und geschriebene Sprache bilden je eigene Systeme! „Die strukturelle Beziehung zwischen Laut- und Buchstabenfolgen lässt sich als ‚Übersetzungsbeziehung‘ charakterisieren.“ (Günther 1981, 2012; nach Haas 1970) „Die Schrift ist keine Abbildung der Lautung; sie ist vielmehr eine Abbildung von Grammatik.“ (Bredel, Fuhrhop und Noack 2011: 22) Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Deutsche Orthographie = „tief“ Im Weiteren auch zu beachten: Orthographie als strukturiertes System (vgl. Eisenberg 2004, 2011) mit Leserorientierung: Orthographie soll das Lesen erleichtern! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Deutsche Orthographie = „tief“ Mitentscheidend für die Buchstabenzuordnung/ Graphemform bzw. dafür, ob (und welcher Art) Korrespondenz zur lautlichen Form besteht, ist der strukturelle Kontext – Zusammenspiel von phonographischen Schreibungen, Relevanz der Schreibsilbe und Morphemkonstanz: Phonographisches Prinzip Silbisches Prinzip Morphologisches Prinzip (logographischer Zug) Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Buchstabeninventar / Graphemsystem Bestimmte systematische Korrespondenzen lassen sich nur dann ausmachen, wenn wir: das Zeicheninventar der Schrift als System betrachten: System von Graphemen und den strukturellen Kontext, die Grammatik bzw. silbische und morphologische Aspekte mit in den Blick nehmen! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphemsystem des Deutschen Graphem (Definition in Parallele zum Phonem) = kleinste bedeutungsdifferenzierende Einheit auf Schriftebene – Welche Konsonantengrapheme könnten Sie für das Deutsche auf der Basis der folgenden Daten bzw. Minimalpaare isolieren? <Baum>, <Raum>, <Saum>, <Schaum> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphemsystem des Deutschen <sch> als Mehrgraph, da er sich nur als Einheit ersetzen lässt – in Korrespondenz zu /š/; vergleiche auch: <ch> (Mehrgraph) <qu> (Mehrgraph) [ç; x] Licht (vs. List), Buch [kv] Qual Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphemsystem des Deutschen Nach Eisenberg (2004: 306): Konsonantengrapheme des Deutschen: <p>, <b>, <t>, <k>, <d>, <g>, <f>, <s>, <ß>, <w>, <j>, <h>, <m>, <n>, <l>, <r>, <qu>, <ch>, <sch>, <z> Vokalgrapheme: <a>, <e>, <i>, <ie>, <o>, <u>, <ä>, <ö>, <ü> Beachte die Abweichungen vom lateinischen Alphabet! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphemsystem im Deutschen Beachte die Abweichungen vom lateinischen Alphabet: (a) im Alphabet fehlen: <ß> (beachte: generell nicht als Majuskel möglich) Umlautgrapheme <ä>, <ö>, <ü> Mehrgraphen Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphemsystem im Deutschen Beachte die Abweichung vom lateinischen Alphabet: (b) im Grapheminventar nach Eisenberg fehlen c, v, x, y – die Buchstaben werden nicht regelmäßig in produktiven Schreibungen des Kernwortschatzes verwendet (zum Fokus auf den Kernwortschatz gleich mehr...): entweder nur in Fremdwörtern: z.B. <Cello>, <Comic>, <Mythos>, <Baby> oder als markierte Schreibung: so <v> statt <f> in <Vogel>, <von>; <x> statt <chs> in <Hexe>, <Faxen> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Analysieren wir für das Deutsche sowohl ein Phonemals auch ein Grapheminventar, so können wir auf dieser Basis durchaus mögliche Graphem-PhonemKorrespondenzregeln erstellen (GPK-Regeln) – z.B.: /p/ → <p>: <Post> /k/ → <k>: <kalt> /d/ → <d>: <Durst> /kv/ → <qu>: <Qual> /s/ → <ß>: <Ruß> /t/ → <t>: <Ton> /b/ → <b>: <bunt> /g/ → <g>: <Gunst> /f/ → <f>: <Frosch> /z/ → <s>: <Samt> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (GPK-Regeln); Konsonanten (Fortsetzung, Eisenberg 2004: 307): /š/ → <sch>: <Schrot> /ç/ → <ch>: <Milch> /v/ → <w>: <Werk> /j/ → <j>: <jung> /h/ → <h>: <hart> /m/ → <m>: <Milch> /n/ → <n>: <Napf> /l/ → <l>: <Licht> /ŋ/ → <ng>: <jung> /R/ → <r>: <rot> /ts/ → <z>: <zart> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (GPK); Vokale (links gespannt; rechts ungespannt): /i/ → <ie>: <Kiel> /y/ → <ü>: <Tür> /e/ → <e>: <wem> /ø/ → <ö>: <schön> /æ/ → <ä>: <Bär> /ı/ → <i>: <Milch> /Y/ → <ü>: <hübsch> /ε/ → <e>: <Welt> /œ/ → <ö>: <Köln> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (GPK); Vokale (links gespannt; rechts ungespannt) (Fortsetzung, Eisenberg 2004: 308): /a/ → <a>: <Tran> /o/ → <o>: <Ton> /u/ → <u>: <Mut> /a/ → <a>: <kalt> /ɔ/ → <o>: <Frost> /Ʊ/ → <u>: <Gurt> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Beachte: z.B. /o/ → <o>: <Ton> /ɔ/ → <o>: <Frost> In der Regel korrespondiert ein Vokalgraphem alternativ mit zwei Vokalphonemen (gespannte; ungespannte Variante) Die einzige Ausnahme – zwei Vokalgrapheme (1:1-Korrespondenz): /i/ → <ie>: <Kiel>; /ı/ → <i>: <Milch> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Achtung – auch im Falle /i/ → <ie>: <Kiel>; /ı/ → <i>: <Milch> liegt letztlich keine Eindeutigkeit vor, denn – auch zur Ausnahme existieren Ausnahmen; vgl.: /i/ → <i>: <Igel> In <Igel> korrespondiert der gespannte (lange) Vokal nicht zu <ie>, sondern zu <i>! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Analysemöglichkeit (vgl. Thomé 2003: 370): Basisgraphem = das Graphem, das in den meisten Fällen korrespondiert /i/ → Basisgraphem <ie> (ca. 83% der Verteilung) Orthographem = ‚Ausnahme‘ /i/ → Orthographeme <i> (wie in <Igel>, <Fibel>), <ih> (wie in <ihr>), <ieh> (wie in <Vieh>) Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Graphem-Phonem-Korrespondenzen? Zurück zur übergeordneten Tendenz: In der Regel korrespondiert ein Vokalgraphem alternativ mit zwei Vokalphonemen (gespannte; ungespannte Variante)! Lassen sich systematische Zusammenhänge (systematische Korrespondenzvariationen) erkennen? Ja, wenn wir die GPK-Regeln in Bezug zur prosodischen Struktur definieren und mit Eisenberg auf den Kernwortschatz fokussieren! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter GPK und Relation zum Silbenakzent Systematische Korrespondenzen finden sich im Kernwortschatz des Deutschen (= native, ins grammatische System vollständig integrierte Wörter) – wenn wir ausgehen von: Den lexikalischen (offenen und flektierbaren) Klassen Einfachen Wortstämmen Explizitlautung Trochäen Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Bezugsgröße: Trochäus im Kernwortschatz Deutsch als akzentzählende Sprache: Trochäus als Basisform zentral: Zweisilber aus 1. betonter Hauptsilbe und 2. unbetonter Reduktionssilbe Fra ge Im Silbenkern der Reduktionssilbe in der geschriebenen Form stets ein <e>: In Explizitlautung als Schwa gesprochen! Sprechsilbe ungleich Schreibsilbe – starke Schematisierung der Schreibsilbe als Markierung für die Aussprache und Worterkennung! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Bezugsgröße: Trochäus im Kernwortschatz Viele phonographische Schreibungen ergeben sich, wenn wir den Trochäus als Basisform zugrunde legen (vgl. Eisenberg 2011: 88) – d.i. bei einsilbigen Wörtern werden flektierte Formen zugrunde gelegt → Trochäen: a. substantivisch: Zwerg – Zwerges, Dieb – Diebe, Burg – Burgen b. adjektivisch: karg – karges, grob – grobes; mild – milder c. verbal: lagst – lägest, heb – heben; fand – fanden Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Morphemkonstanz Dabei gilt grundsätzlich das Gesetz der Morphemkonstanz (morphologisches Prinzip; logographischer Zug – das Schriftzeichen wird unabhängig vom Lautbezug auf die Morphembedeutung bezogen): Die geschriebene Form der Morpheme wird konstant gehalten – unabhängig davon, in welcher Weise und in welchem Umfang die Lautform variiert! Morphemkonstanz gilt im gesamten Flexionsparadigma und wird häufig in die Wortbildung ausgedehnt! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Morphemkonstanz Beispiel Auslautverhärtung in phonetischer Struktur = Im Deutschen werden Obstruenten in der Koda grundsätzlich stimmlos artikuliert! In der Orthographie bleibt die Auslautverhärtung unberücksichtigt – Morphemkonstanz mit Basis Trochäus: <Zwerge> → [tsvεR.gə] <Zwerg> (NICHT: <Zwerk>) → [tsvεR.k] Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbische Schreibungen Sprechsilbe =/= Schreibsilbe Vergleiche z.B.: Ho-lun-der (Sprechsilben: CV.CVC.CV); ge-hen (CV.VC) Schreibsilbe sehr viel stärker schematisiert! Basal – welche Opposition können Sie erkennen? Lupe Lunte Dose Borte Hase Lampe Leben Lende Liebe Linde Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbische Schreibungen Schreibsilbe mit ‚Aussprachehinweisen‘ für den Leser: Lupe vs. Lunte Ist im Trochäus die zu betonende Schreibsilbe (die erste Silbe/Hauptsilbe) offen → wird der Vokal gespannt und lang gesprochen: [lu.pə] Ist die Hauptschreibsilbe geschlossen (in der Koda: Konsonantengraphem) → wird der Vokal ungespannt und kurz gesprochen: [lƱn.tə] Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbische Schreibungen: Dehnungs-h In manchen Fällen steht trotz offener Hauptsilbe ein (redundantes) Dehnungs-h – vergleiche: Bah-re Rah-men zah-len gäh-nen Do-se Lu-pe Le-ben Wann und warum steht das Dehnungs-h? Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbische Schreibungen: Dehnungs-h Wann steht ein (redundantes) Dehnungs-h? Bah-re Rah-men zah-len gäh-nen Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung: Folgesilbe (Reduktionssilbe) mit Sonorant im Onset: [R, l, n, m] Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbische Schreibungen: Dehnungs-h Möglicher Hintergrund: In Einsilbern folgt ein Koda-Sonorant in der Regel einem kurzen Vokal. Ergo Dehnungs-h als Markierung, dass der Vokal trotz folgendem Sonoranten lang gelesen werden muss? Vergleiche: Markt, Sand, ernst, dumpf vs. Lohn, Hohn, Lehm Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbenöffnendes h Erkennen Sie eine Regel? Ruhe, Mühe, zähem, roher, sehen, gehen, ziehen, Reihe Ru-he, Mü-he, zä-hem, ro-her, se-hen, ge-hen, zie-hen, Rei-he Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbenöffnendes h Ru-he, Mü-he, zä-hem, ro-her, se-hen, ge-hen, zie-hen, Rei-he Notwendige und hinreichende Bedingung (mögliche Ausnahme: Schreibdiphthong): Silbenöffnendes h steht im Schreibsilben-Onset immer dann, wenn eine nackte auf eine offene Sprechsilbe folgt: CV.VC Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Silbenöffnendes h Beachte: In der Sprechsilbe existiert hier kein [h]! Ruhe → [Ru.ə] Das Graphem <h> wird ja gerade dadurch motiviert, dass im Lautstring zwei Vokale an der Silbengrenze aufeinander treffen! → Wenn wir [h] sprechen: Fall von Überlautung! Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Distribution von <s> und <ß> Im deutschen Phonemsystem unterscheiden wir die Phoneme: /s/ (stimmloser, alveolarer Frikativ) und /z/ (stimmhafter, alveolarer Frikativ) Im Graphemsystem unterscheiden wir: <s> und <ß> Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Distribution von <s> und <ß> Wann steht im Kernwortschatzbereich <s> und wann <ß> und in welcher Korrespondenz? Erkennen Sie eine regelgeleitete Distribution? Untersuchen Sie die folgenden Daten: rasten, Gläser, losen, Füße, Dose, Besen, Rasen, Muße, Phase, lesen, Maße, Muse, Laster, Wespe, große, ließen, Kasten, hasten, rosten, kosten ... Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Distribution von <s> und <ß> Wann steht im Kernwortschatzbereich <s> und wann <ß> und in welcher Korrespondenz? (vgl. Hinney 2011: 214): Langvokal → offene Schreibsilbe Kurzvokal → geschlossene Schreibsilbe /s/ (stimmlos) /z/ (stimmhaft) Fü-ße, gro-ße, lie-ßen, Mu-ße ... Do-se, Glä-ser, Ra-sen, le-sen ... Ras-ten, Wes-pe, kos-ten ... Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Schärfungsgraphien Was ist mit den folgenden Schreibungen? Hütte, Sonne, Kette, Decke … vs. Hüte … Erinnere [hYtә]: Die Lautstruktur in betreffenden Trochäen weist nach dem 1. Silbenkern nur einen Konsonanten auf und dieser kann als Silbengelenk analysiert werden! (Alternative Analyse: Fester (vs. loser) Anschluss) Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Schärfungsgraphien Warum aber zwei Konsonanten auf der Ebene der Schrift? Hütte (vs. Hüte) Bei Silbengelenken wird im geschriebenen Wort der Konsonant verdoppelt, so dass das Grundmuster erfüllt bleibt: Bei offener Hauptsilbe wird der Vokal gespannt und lang gesprochen, bei geschlossener Hauptsilbe wird er ungespannt und kurz gesprochen! Ausnahmen: Mehrgraphen <sch>, <ch>, <ng> werden nicht verdoppelt (vgl. Masche, Sache, Länge); <k> wird als <ck> gedoppelt (vgl. Decke) Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Grammatisch fundierte Orthographie Fünf orthographische Grundmuster im Kernwortschatz (vgl. Bredel 2012: 130f.; Eisenberg 2004, 2011): Trochäen im lexikalischen Kernwortschatz + Morphemkonstanz einfache Stämme; ev. + Flexion Typ 1: hal-ten Geschlossene Hauptsilbe: Kurzvokal Typ 3: Hen-ne durch Verdopplung gewonnene geschlossene Hauptsilbe; Silbengelenk Typ 2: Ha-se Offene Hauptsilbe: Langvokal Typ 4: ge-hen durch h-Insertion markierter Silbenanfangsrand; silbenöffnendes h Typ 5: Hüh-ner durch h-Insertion markierter Silbenendrand; Dehnungs-h Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter Einführung in die Sprachwissenschaft des Deutschen – PD Dr. Alex Zepter