30 gesundheit Minimalinvasive Techniken Fortschritte der Zahn- und Allgemeinmedizin Dr. med. dent. Angela Fischer | Zahnärztin | Praxis für Zahnheilkunde Minimalinvasiv, was heißt das einfach übersetzt? Welche Ziele und Vorteile sind damit verbunden? Minimalinvasiv bedeutet „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Größtmögliche Sicherheit, umfassende Befunderhebung und unstrittige, differenzialdiagnostische Abklärung sollten dabei immer oberste Priorität haben. Ein wenig belastendes Diagnostikverfahren mit enormer Aussagekraft erleben wir zum Beispiel in der Magnetresonanztomografie (MRT). Mit dem „sanften Blick in den Körper“ erkennen wir heute oft Probleme so früh, dass Hilfe noch rechtzeitig kommen kann. Auch ganz aktuelle, zukunftsweisende bildgebende Diagnostikverfahren (Pet-CT) für Untersuchungen von Gefäßen, Lymphknoten, der Lunge und dem Darm gehören zu den wichtigen neueren Untersuchungstechniken. nung, Magenverkleinerung, Blinddarm-, Nierensteinentfernung, Herzoperationen (Klappenersatz), Schulter- und Gelenkoperationen, Eingriffe an den Bandscheiben der Wirbelsäule sowie Gebärmutterentfernung genannt. Neben den schon lange bewährten feinen endoskopischen Diagnostikverfahren zur Untersuchung der Speiseröhre, der oberen Luftwege und der Bauchhöhle haben sich eine Vielzahl von minimalinvasiven endoskopischen Operationstechniken entwickelt. Sie alle versprechen dem Patienten eine sanfte, weniger belastende Untersuchung und Behandlung. In der Zahnheilkunde Seit Jahren erlaubt die digitale Röntgenbilderfassung eine Strahlenreduktion und eine früher nicht mögliche Diagnostik am Bildschirm (Vergrößerung, Detaildarstellung, Vermessung, Schärfung, Kontrastumkehr und räumliche Darstellung). Auch können heute dreidimensionale Bilder (DVT) ganzer Schädel und Kieferanteile in allen räumlichen Ebenen (mit spezieller PC-Software) gedreht, vermessen und vergrößert betrachtet werden – Fortschritte in der Tumordiagnostik, Unfallchirurgie und Implantatplanung! Als Beispiele für endoskopische Operationstechniken seien Gallensteinentfer- Weitere Beispiele der Minimalinvasivtechnik: Die Nutzung von Keramikschalen Keine Kronen – Stellungskorrekturen durch Klebetechnik Keine Kronen – offene Zahnzwischenräume (Parodontose) durch Klebetechnik verborgen (Veneers), so dünn wie Kontaktlinsen, mit minimalem Abtrag, schont und erhält Zahnsubstanz ebenso wie grazile adhäsiv geklebte Keramikteil- und Compositversorgungen. Alle gesunden Zahnanteile bleiben unberührt! Auch die Nutzung grazilster Klebebrücken ermöglicht bei minimalem Substanzabtrag maximale Substanzschonung – so wenig wie möglich, so viel wie nötig! Hierzu zählt auch die berührungslose Präparation von kleinen kariösen Primärdefekten, ganz ohne zu bohren und ohne Vibrationsgeräusche – mit kinetischer Energie – es wird nur kariös verändertes Zahnmaterial abgetragen – schmerzfrei und geräuschlos. In der Parodontologie hat die Entwicklung der Mikrochirurgie neue Möglichkeiten geschaffen: Gewebeschonung und -erhalt, Wiederaufbau von Zahnfleisch und Knochen, Einsatz von speziellen Schmelzmatrixproteinen und Wachstumsfaktoren sowie reduzierte Schnittführungen (spezielles Mikrochirurgieinstrumentarium, spezielle Nahttechniken) sind nur einige Beispiele der sanften Trendrichtung. Weitere Entwicklungen erleichtern auch die gefürchtete Zahnentfernung: Grazilere Technikinstrumente (Elevatoren, Extraktoren, Periotome) erlauben eine weniger traumatisierende Vorgehensweise mit Schonung der zahntragenden Knochen- und Weichgewebestrukturen. Chirurgische Techniken wurden verfeinert: Reduzierte Schnittführung, minimale Gewebeeröffnung und ein lokaler kleiner Knochenaufbau durch die Extraktionshöhle des entfernten Zahnes kennzeichnen das Prozedere bei fehlendem Knochenangebot und Implantationswunsch im kompromittierten Oberkiefer. Minimalinvasiv-prothetischchirurgische Techniken Eine Verbesserung der Kauleistung (Prothesenhalt) des vorhandenen Das GesundheitsMagazin für die Region Zahnersatzes ist auch bei reduzierter körperlicher Belastbarkeit durch minimalinvasive Maßnahmen (zwei bis vier Mini- oder Druckknopfhalteimplantate) möglich. Die „Dritten“ bleiben in diesen Fällen zwar herausnehmbar, erlau- ben aber den „festen Biss“ und rutschen nicht. „Berge versetzen, Wege ebnen“ – vieles erscheint heute leichter machbar. Aber bedenken wir bitte: Trotz aller Begeiste- Osteoporose und Zahngesundheit Bisphosphonate – Kieferknochen – Nekroserisiko Ulrike Rühmann | Zahnärztin | Praxis für Zahnheilkunde Bisphosphonate (BP) werden seit über 20 Jahren zur erfolgreichen Behandlung bei Kalziumstoffwechselstörungen (Osteoporose) sowie in der Krebstherapie (Brust- und Prostatakrebs) eingesetzt. Sie hemmen die knochenabbauenden Zellen in ihrer Aktivität und verkürzen deren Lebensdauer. Sie reduzieren den Knochenabbau, indem sie sich in das Kristallgitter des Knochens einbauen. Leider verlangsamen die BP nicht nur den Knochenabbau, sondern sie hemmen auch die für den Knochenaufbau verantwortlichen Zellen (Osteoblasten). Die Regeneration (Heilung) wird erschwert. Dies kann zu schwerwiegenden Wundheilungsstörungen des Knochens führen: Der durch den veränderten Umbauzyklus in seiner Abwehr geschwächte Knochen wird aufgrund der damit verbundenen Infektanfälligkeit zum Risikofaktor. Ein durch BP-Therapie kompromittierter Kieferknochen ist eine infektanfällige Schwachstelle, falls Extraktionen (Zahnentfernung) oder andere chirurgische Maßnahmen notwendig werden. Aber auch an den Weichgeweben der Mundhöhle konnte in den letzten Jahren unter einer BP-Therapie eine verminderte Regeneration (Heilung) beobachtet werden. Durch kleine schlecht heilende Mundschleimhautverletzungen kann leicht eine Eintrittspforte für Bakterien entstehen. Eine bakterielle Infektionsausbreitung in den abwehrgeschwächten Knochen kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen, bis hin zu teilweise sehr schwer beherrschbaren Nekrosen (abgestorbenes Gewebe). Anzeichen für einen kritischen Infektionsverlauf sind frei liegende Knochenbereiche, Schwellungen, Zahnlockerungen, Sensibilitätsstörungen und schlecht heilende kleine Wunden (Schleimhautdefekte). Vorsicht! Die Nekrosen verlaufen zunächst symptomlos! Erst später zeigen sich im Röntgenbild wolkenförmige Aufhellungen und es treten Schmerzen auf. Ist es zu einer Knochennekrose gekommen, gehören chirurgische Maßnahmen mit dem Ziel der Nekroseabtragung und einem sicheren Weichteilverschluss – 31 rung für die Fortschritte in der Medizin und Zahnmedizin steht die Sicherheit und Übersicht an oberster Stelle, sodass in einigen Fällen von den minimalinvasiven Behandlungsvorhaben abgewichen werden muss. zwingend mit hochdosierter Antibiotikergabe – zum Therapieschema der ersten Wahl (Dekortikation und Sequesterentfernung mit anschließender Weichteildeckung). Bei der zahnärztlichen Betreuung der BP-Patienten stehen die Prophylaxe und Früherkennung im Vordergrund. Das individuelle Risiko eines jeden Patienten ist abhängig von Applikationsart, Dosierung, Medikationsdauer und sollte interdisziplinär diskutiert werden, um die möglichen teilweise schweren Komplikationen einer BP-Therapie zu vermeiden oder zu mindern. Vor der BP-Therapie sollten potenziell entzündliche Prozesse behandelt werden, mögliche prothetische Druckstellen ausgeschaltet werden, suboptimale Füllungs- und Kronenversorgungen erneuert, beherdete Zähne entfernt und die Mundhygiene intensiviert werden. Bei geplanten zahnärztlichen Eingriffen, wie Zahnentfernung, Parodontalbehandlungen, Wurzelkanalbehandlungen oder Implantatsetzung, sollte das Risiko einer Kiefernekrose genau eingeschätzt werden. Eine systemische Antibiotikaprophylaxe ist oft sinnvoll, im Einzelfall zwingend. Entsprechend ihrer chemischen Zusammensetzung und Struktur haben die verschiedenen BP-Medikamente eine unterschiedliche Wirkstärke. Intravenös verabreichte BP verursachen eher Knochennekrosen als BP in Tablettenform. Ebenso spielt die Dosierung eine wichtige Rolle. „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“, sagte schon Arthur Schopenhauer.