UNIVERSIT . . AT BONN Physikalisches Institut - HEP1

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UNIVERSIT AT BONN
Physikalisches Institut
Studie zur Messbarkeit der Struktur der Kopplung eines
Higgs-Bosons an schwache Eichbosonen in der
Vektorbosonfusion mit dem ATLAS-Detektor am LHC
von
Christoph Ruwiedel
The structure of the vertex tensor that couples a scalar boson to two weak gauge
bosons contains information about the CP quantum number of the scalar boson and
possible loop contributions of massive particles. The vertex structure can be studied
at the LHC in the vector boson fusion channel using the distribution of the azimuthal
angles between the two tagging jets.
The case of a standard model Higgs boson is studied with additional couplings from
higher dimensional terms in an effective Lagrangian. The decay channels H → τ + τ − →
ll + 4ν, H → τ + τ − → lepton + hadron at mH = 120 GeV and H → W + W − → llνν at
mH = 160 GeV are used in the analysis. In a Monte-Carlo study using a fast simulation
of the ATLAS detector, it is found that the dominant coupling can probably be determined with a statistical power of 2 σ at m H = 120 GeV and with 5 σ at mH = 160 GeV
from 30 fb−1 of data. Furthermore, the standard deviation in a measurement of a contribution of an anomalous coupling in addition to the standard model coupling is
estimated to be 0.21 at mH = 120 GeV and 0.08 at mH = 160 GeV, with a value of 1
reproducing the standard model cross section for a purely anomalous coupling.
Post address:
Nussallee 12
53115 Bonn
Germany
BONN-IB-2006-06
Bonn University
June 2006
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UNIVERSIT AT BONN
Physikalisches Institut
Studie zur Messbarkeit der Struktur der Kopplung eines
Higgs-Bosons an schwache Eichbosonen in der
Vektorbosonfusion mit dem ATLAS-Detektor am LHC
von
Christoph Ruwiedel
Dieser Forschungsbericht wurde als Diplomarbeit von der Mathematisch - Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn angenommen.
Angenommen am:
Referent:
Korreferent:
28.3.2006
Prof. Dr. N. Wermes
Prof. Dr. I. Brock
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Allgemeine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2. Lokale Eichinvarianz in der QED . . . . . . . . . . . . .
2.3. Der Elektroschwache Sektor des Standardmodells . . . .
2.4. Higgs-Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1. Boson- und Fermionmassenterme . . . . . . . . .
2.4.2. Das Higgs-Boson . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5. Higgs-Boson-Produktion und -Zerfall am LHC . . . . . .
2.6. Anomale Higgs-Kopplungen . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6.1. Betrachtete Terme der effektiven Lagrangedichte
2.6.2. Allgemeiner HVV-Vertex . . . . . . . . . . . . .
2.6.3. Beispiele im Standardmodell . . . . . . . . . . .
2.6.4. CP-Quantenzahl des skalaren Teilchens . . . . .
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3. Experimentelle Schranken
19
3.1. Masse des Standardmodell-Higgs-Bosons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.2. Anomale Higgs-Kopplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
4. Der LHC und das ATLAS-Experiment
4.1. Der Large Hadron Collider . . . . . . .
4.2. Der ATLAS-Detektor . . . . . . . . . .
4.2.1. Innerer Detektor . . . . . . . . .
4.2.2. Kalorimeter . . . . . . . . . . . .
4.2.3. Myonspektrometer . . . . . . . .
4.2.4. Trigger und Datenaufnahme . . .
4.3. Ereignis- und Detektorsimulation . . . .
4.3.1. Generierung von Streuereignissen
4.3.2. Simulation des Detektors . . . .
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5. Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
5.1. Entdeckungspotential des ATLAS-Detektors für ein Standardmodell-HiggsBoson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2. Erzeugung von Signalereignissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1. Erzeugung von Massen und Spins für die τ -Leptonen . . . . . . . .
5.2.2. Wirkungsquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.3. Erzeugte Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3. Erzeugung von Untergrundereignissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1. tt̄ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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39
39
40
41
41
vi
Inhaltsverzeichnis
5.3.2.
5.3.3.
5.3.4.
5.3.5.
5.3.6.
Wt . . . . . . . . . .
WWjj(EW) . . . . .
Gluon-Gluon-Fusion
Zjj(EW) . . . . . . .
Zjj(QCD) . . . . . .
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6. Schnittanalyse
6.1. Motivation der Schnittkriterien . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1. Signatur der Vektorbosonfusion . . . . . . . . . . .
6.1.2. Schnitte nach der Signatur der Vektorbosonfusion
6.1.3. Schnitte gegen bestimmte Untergrundprozesse . . .
6.2. Rekonstruktion der Higgs-Boson-Masse in H → τ + τ − . .
6.3. Selektionsschnitte für H → W + W − → llνν . . . . . . . .
6.4. Selektionsschnitte für H → τ + τ − → ll + 4ν . . . . . . . .
6.5. Selektionsschnitte für H → τ + τ − → lepton + hadron . . .
6.6. Vergleich von vbfnlo mit Pythia . . . . . . . . . . . . . .
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7. Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
7.1. Beschreibung der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.1. Betrachtete Observable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.2. Hypothesentest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2. Anwendung auf einen Monte-Carlo-Datensatz pro Kanal . . . . . . .
7.2.1. Ergebnisse für einen MC-Datensatz pro Kanal . . . . . . . .
7.3. Erweiterung auf mehrere MC-Datensätze, Resampling . . . . . . . .
7.3.1. Ergebnisse des Hypothesentests für mehrere MC-Datensätze .
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8. Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
8.1. Beschreibung der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1.1. Interferenzeffekte in der ∆φ jj -Verteilung . . . . . . . . . .
8.1.2. Likelihood-Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1.3. Umgewichtung von Ereignissen . . . . . . . . . . . . . . .
8.2. Anwendung auf einen Datensatz pro Kanal . . . . . . . . . . . .
8.3. Test der Methode mit mehreren Monte-Carlo-Datensätzen . . . .
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9. Zusammenfassung und Ausblick
95
A. Dimension von Termen der Lagrangedichte
97
B. Das Verhalten des -Tensors unter der Parität
99
C. Definition der Signalsignifikanz
101
1. Einleitung
Die Physik der kleinsten derzeit bekannten Bausteine der Materie, der Elementarteilchen, wird durch das Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschrieben. Dieses
Modell wurde in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgestellt und seitdem
in zahlreichen Experimenten überprüft und bis ins Detail bestätigt. Zahlreiche Suchen
nach Abweichungen vom Standardmodell blieben bisher ohne Erfolg.
Das Standardmodell beschreibt fundamentale, punktförmige Materieteilchen, die Quarks
und Leptonen, und die Wechselwirkungen zwischen ihnen, die durch Austauschteilchen
vermittelt werden. Fast alle Teilchen, die das Standardmodell enthält, wurden mittlerweile experimentell nachgewiesen. Zuletzt wurden 1995 mit den Experimenten D0 und CDF
am Proton-Antiproton-Beschleuniger Tevatron das Top-Quark und 2000 mit dem Experiment DONUT das τ -Lepton-Neutrino entdeckt. Das letzte Teilchen des Standardmodells,
welches bis heute nicht direkt nachgewiesen werden konnte, ist das Higgs-Boson. Es hat
eine besondere Stellung im Standardmodell, da es weder zu den Materieteilchen gezählt
wird, noch eine der Wechselwirkungen zwischen ihnen beschreibt.
Eine der zentralen Eigenschaften des Standardmodells ist die Invarianz der Theorie
unter sogenannten Eichtransformationen. Dabei tritt zunächst das Problem auf, dass aufgrund dieser Invarianz die Teilchen des Standardmodells masselos sein sollten, was der
Beobachtung widerspricht. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, bietet die sogenannte spontane Brechung der Eichsymmetrie. Im Zusammenhang mit der Beschreibung
der Symmetriebrechung, die im Standardmodell gewählt wurde, dem sogenannten HiggsKibble-Mechanismus, wird ein Teilchen mit Spin 0, das Higgs-Boson, in die Theorie eingeführt. Die Existenz des Higgs-Bosons, und damit die Gültigkeit des Standardmodells,
soll in den nächsten Jahren experimentell überprüft werden.
Die spontane Brechung der Eichsymmetrie ist ein Bereich des Standardmodells, über den
es bisher nur wenige experimentelle Erkenntnisse gibt. Aus den Studien am Large Electron
Positron Collider (LEP) des europäischen Forschungszentrums für Teilchenphysik CERN 1
bei Genf und anderen Präzisionsmessungen des elektroschwachen Sektors existieren lediglich Ausschlussgrenzen, etwa für die Masse eines Standardmodell-Higgs-Bosons. Zurzeit
wird im ehemaligen LEP-Tunnel der Large Hadron Collider (LHC) gebaut, mit dem die
Frage nach dem Mechanismus der Symmetriebrechung, durch den sämtliche Massen im
Standardmodell beschrieben werden, experimentell geklärt werden soll.
Das ATLAS-Experiment ist eines der vier großen Experimente, die sich zurzeit am LHC
in der Konstruktion befinden. Eine der zentralen Aufgaben des Experiments ist die Suche
nach dem Higgs-Boson. Die Datennahme soll im Jahr 2007 beginnen. Im Vorfeld wurde und
wird in Monte-Carlo-Studien das Entdeckungspotential des Detektors für Higgs-Bosonen
des Standardmodells und erweiterter Theorien untersucht. So wurde gezeigt, dass das
Higgs-Boson des Standardmodells über den gesamten noch nicht ausgeschlossenen Massenbereich nachgewiesen werden können wird. Für das minimale supersymmetrische Standardmodell (MSSM), welches fünf Higgs-Bosonen enthält, wurde gezeigt, dass für einen
sehr großen Bereich des in diesem Modell gegenüber dem SM neu hinzugekommenen Parameterraums zumindest ein Higgs-Boson entdeckt werden können wird.
1
Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire
2
Einleitung
In dieser Arbeit wird untersucht, ob bestimmte Eigenschaften eines neu entdeckten Teilchens mit dem ATLAS-Detektor gemessen werden können. Eine wichtige Aufgabe nach
der Entdeckung eines neuen Teilchens wird die Bestimmung der Kopplungen und Quantenzahlen des Teilchens sein, um zu überprüfen, ob es sich um ein Higgs-Boson oder um ein
anderes Teilchen handelt, und gegebenenfalls um welche Art Higgs-Boson. Im Kanal der
Vektorbosonfusion ist es möglich, die Struktur der Kopplungen des produzierten Teilchens
mit Spin 0 an W - oder Z-Bosonen zu untersuchen. Für diese Kopplungen werden im Rahmen einer effektiven Theorie Kopplungsterme bis zur Dimension 6 betrachtet. Der Ansatz
in Form einer effektiven Lagrangedichte bietet den Vorteil, dass er modellunabhängig ist,
so dass die Ergebnisse einen relativ großen Gültigkeitsbereich besitzen.
Für die Analyse werden Monte-Carlo-Studien zum Entdeckungspotential für ein HiggsBoson als Ausgangspunkt genommen. Auf den Schnittanalysen für den Kanal der Vektorbosonfusion mit den Zerfällen H → W + W − → llνν, H → τ + τ − → ll + 4ν und
H → τ + τ − → lνν + hadron aufbauend werden die Effekte der Higgs-VektorbosonKopplungen auf die Verteilungen der Teilchen im Endzustand untersucht. Die Vektorbosonfusion zeichnet sich durch zwei sogenannte Tagging Jets mit hohem Transversalimpuls
im Vorwärts- und Rückwärtsbereich des Kalorimeters aus, die zur Selektion von Ereignissen der Vektorbosonfusion verwendet werden. Die Struktur der Kopplung des HiggsBosons an die schwachen Eichbosonen in der Vektorbosonfusion modifiziert die Winkelverteilungen der Tagging Jets und kann anhand dieser Verteilungen untersucht werden.
Für den Fall, dass ein skalares Teilchen mit einer Ereignisrate, wie sie für das HiggsBoson des Standardmodells vorhergesagt wird, beobachtet wird, wird untersucht, welcher
Kopplungsterm den dominanten Beitrag zur Kopplung darstellt. Aus den Ergebnissen
lassen sich Aussagen über die CP-Transformationseigenschaften des erzeugten Teilchens
treffen.
In einer zweiten Analyse wird untersucht, ob es möglich sein wird, mit dem ATLASDetektor eine kleine Beimischung einer anomalen Kopplung zur Standardmodellkopplung
zu messen. Da die anomale Kopplung Beiträge höherer Ordnungen der Störungstheorie
parametrisiert, ist diese Analyse sensitiv auf neue Physik, die auf Schleifenniveau zur
Kopplung beitragen könnte.
Diese Arbeit gliedert sich wie folgt. Zunächst wird in Kapitel 2 ein kurzer Überblick über
die für diese Arbeit relevanten Aspekte des Standardmodells gegeben. Die betrachteten
anomalen Higgs-Boson-Kopplungen werden eingeführt, und die Struktur des Vertexfaktors
der Kopplung des Higgs-Bosons an schwache Eichbosonen wird erläutert. Schließlich werden die Produktions- und Zerfallsprozesse für das Standardmodell-Higgs-Boson am LHC
diskutiert. In Kapitel 3 werden die derzeitigen experimentellen Schranken an die Masse des
Standardmodell-Higgs-Bosons und an die anomalen Kopplungen des Higgs-Bosons angegeben. Kapitel 4 enthält eine kurze Beschreibung des LHC und des ATLAS-Experiments
sowie einen Abschnitt über die Monte-Carlo-Simulation von Streuereignissen und die Simulation des ATLAS-Detektors. In Kapitel 5 werden die erzeugten Datensätze für Signalund Untergrundprozesse angegeben und es wird kurz auf die verwendeten Monte-CarloProgramme eingegangen. Kapitel 6 gibt einen Überblick über die Analyseschnitte sowie die
Signalsignifikanzen, die man in den einzelnen Kanälen durch die Schnittanalysen erhält.
In Kapitel 7 wird ein Hypothesentest vorgestellt, durch den untersucht werden kann,
über welchen Kopplungsterm ein neu entdecktes Teilchen mit Spin 0 dominant an schwache Eichbosonen koppelt. In Kapitel 8 wird eine Parameteranpassung vorgestellt, durch
die ein kleiner zusätzlicher Beitrag durch eine anomale Kopplung zur StandardmodellKopplung bestimmt werden kann. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und
einem Ausblick in Kapitel 9.
2. Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel wird zunächst ein kurzer Überblick über das Standardmodell der Teilchenphysik gegeben, wobei hier ein Schwerpunkt auf den elektroschwachen Sektor und
den Higgs-(Kibble-)Mechanismus gelegt wird. Im Anschluss daran werden die Produktionsprozesse für ein Standardmodell-Higgs-Boson am LHC diskutiert. Hierfür werden
die Feynmandiagramme sowie Wirkungsquerschnitte und Verzweigungsverhältnisse angegeben. Schließlich wird die verwendete effektive Lagrangedichte beschrieben und die
allgemeine Struktur der Higgs-Vektorboson-Vertizes wird erläutert. Die Darstellung des
Standardmodells richtet sich zu einem großen Teil nach [1, 2, 3]. Außerdem wurde teilweise
auf [4, 5, 6, 7] zurückgegriffen.
2.1. Allgemeine Einführung
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist eine Quantenfeldtheorie, in der Elementarteilchen als quantisierte Anregungen von Feldern beschrieben werden. Das Modell
enthält Fermionfelder mit Spin 1/2, die den Materieteilchen, den Quarks und Leptonen,
und deren Antiteilchen entsprechen. Diese treten in 3 Generationen auf, d.h. zu jedem
Teilchen gibt es zwei weitere Teilchen, die diesem sehr ähnlich sind. Die Teilchen verschiedener Generationen wechselwirken auf die gleiche Weise miteinander. Sie unterscheiden
sich nur durch ihre Kopplungen an das Higgs-Feld, welches in Abschnitt 2.4 eingef ührt
werden wird, und durch ihre Massen voneinander.
Wechselwirkungen zwischen den elementaren Fermionen werden durch Eichbosonen vermittelt. Diese sind Feldquanten von Vektorfeldern, die durch die Forderung nach lokaler
Eichinvarianz der Theorie eingeführt werden. Dieses Prinzip der lokalen Eichinvarianz
spielt eine zentrale Rolle im Standardmodell, daher wird es in einem eigenen Abschnitt
am Beispiel der Quantenelektrodynamik (QED) kurz erläutert werden.
Das Standardmodell umfasst drei der vier bekannten fundamentalen Wechselwirkungen:
die starke, die schwache und die elektromagnetische Wechselwirkung. Es ist bis heute noch
nicht gelungen, eine konsistente Theorie zu formulieren, die alle vier Wechselwirkungen,
also zusätzlich auch die Gravitation, gleichzeitig beschreibt. Bei den bisher experimentell
erreichten Energien kann die Gravitation allerdings vernachlässigt werden.
Die Eichgruppe des Standardmodells ist SU (3) C ⊗SU (2)L ⊗U (1)Y . Der erste Faktor, die
Gruppe SU (3)C , beschreibt die starke Wechselwirkung. Das C steht für Colour, die Ladung
dieser Wechselwirkung. Die Theorie von SU (3) C wird, dieser Bezeichnung folgend, auch
Quantenchromodynamik (QCD) genannt. Zu den 8 Generatoren von SU (3) C gehören 8
Eichfelder bzw. -bosonen, die Gluonen. Es gibt drei verschiedene Farbladungen, oft r, g, b
genannt, für rot, grün und blau. Nur die Quarks und die Gluonen tragen Farbladung
und nehmen an der starken Wechselwirkung teil. Da die starke Wechselwirkung bei der
elektroschwachen Symmetriebrechung keine Rolle spielt, wird sie im Folgenden nicht weiter
betrachtet.
SU (2)L ⊗U (1)Y ist die Eichgruppe der elektroschwachen Wechselwirkung. In ihr werden
die schwache und die elektromagnetische Wechselwirkung zusammengefasst. Das L steht
hierbei für linkschiral. Die Quantenzahlen bezüglich SU (2)L sind der schwache Isospin IW
4
Theoretische Grundlagen
3 . Y ist das Symbol für die Quantenzahl bezüglich der
und dessen dritte Komponente IW
3 , Y und der elektrischen Ladung
Gruppe U (1)Y , die schwache Hyperladung. Zwischen I W
Q besteht die Beziehung
Y
3
(2.1)
Q = IW
+
2
Tabelle 2.1 gibt einen Überblick über die fundamentalen Fermionen des Standardmodells
und ihre Quantenzahlen. Neutrinos werden in dieser Arbeit, und insbesondere in Tabelle
2.1, der Einfachheit halber als masselos betrachtet.
2.2. Lokale Eichinvarianz in der QED
Die Lagrangedichte der Quantenelektrodynamik ist gegeben durch:
1
LQED = ψ̄ (i/
∂ − m) ψ − Fµν F µν − eψ̄γ µ ψAµ
4
(2.2)
wobei ∂
/ := γ µ ∂µ . Das Feld ψ beschreibt Fermionen mit Spin-1/2 und elektrischer Ladung e = −|e|, etwa Elektronen. Aµ ist das elektromagnetische Vektorpotential, und
F µν = ∂ µ Aν − ∂ ν Aµ ist der elektromagnetische Feldstärketensor. Fasst man die Felder als
klassische Felder
auf, so erhält man aus der Lagrangedichte durch die Bedingung, dass die
R
Wirkung S = Ld4 x minimal wird, die Euler-Lagrange-Bewegungsgleichungen. Das ist
einerseits die Dirac-Gleichung für das Feld ψ:
(i/
D − m) ψ(x) = 0
(2.3)
in der die kovariante Ableitung Dµ := ∂µ + ieAµ (x) anstelle der einfachen Ableitung ∂ µ
der freien Dirac-Gleichung auftritt. Durch die kovariante Ableitung wird die Kopplung des
Feldes ψ an das elektromagnetische Feld A µ beschrieben. Für das Feld Aµ erhält man die
inhomogenen Maxwell-Gleichungen
∂µ F µν = eψ̄γ ν ψ = ej ν
(2.4)
mit der erhaltenen Dirac-Stromdichte j ν = ψ̄γ ν ψ. Anhand der Definition von F µν sieht
man leicht, dass die Maxwell-Gleichungen in dieser Form invariant unter einer sogenannten Eichtransformation Aµ → Aµ − 1e ∂ µ α(x) sind. Wenn man die Invarianz unter dieser
Eichtransformation auch für die Dirac-Gleichung bzw. die Lagrangedichte erreichen will,
so muss man gleichzeitig das Feld ψ gemäß ψ(x) → eiα(x) ψ(x) transformieren. Die Transformationseigenschaften von ψ folgen hier also aus der Forderung nach der Invarianz der
Lagrangedichte unter den bekannten Eichtransformationen der Maxwell-Theorie.
In der heutigen Sichtweise dreht man diese Überlegung gewissermaßen um und geht von
dem Feld ψ aus. Man sieht, dass der erste Summand in (2.2), die freie Dirac-Lagrangedichte, invariant unter einer globalen Phasenrotation ψ(x) → e iα ψ(x) dieses Feldes ist.
Sobald man jedoch zu einer lokalen Phase α(x) übergeht, d.h. zu einer Phase, die von x µ
abhängt, muss man die Ableitung ∂ µ durch die kovariante Ableitung D µ ersetzen, um die
Invarianz der Theorie zu erhalten. Dies lässt sich auch durch geometrische Überlegungen
motivieren (s. etwa [1], Kap. 15.1). Auf diese Weise hat man also das Feld, das die elektromagnetische Wechselwirkung vermittelt, aus der Forderung nach lokaler Eichinvarianz
der Lagrangedichte in die Theorie eingeführt.
Weitere Eichtheorien lassen sich konstruieren, indem diese Vorgehensweise auf andere
Eichgruppen als U (1) verallgemeinert wird. So ist das Standardmodell eine Eichtheorie
zur Gruppe SU (3) ⊗ SU (2) ⊗ U (1).
5
2.3 Der Elektroschwache Sektor des Standardmodells
1
νe
e
eR
!
!
u
d
uR
dR
L
L
Generation
2
Leptonen
!
νµ
µ
L
µR
Quarks
!
c
s
L
cR
sR
3
ντ
τ
τR
!
L
!
t
b
tR
bR
L
Quantenzahl
Y
Q
C
1/2
−1/2
0
−1
−1
−2
0
−1
−1
0
0
0
1/2
−1/2
0
0
1/3
1/3
4/3
−2/3
2/3
−1/3
2/3
−1/3
r, g, b
r, g, b
r, g, b
r, g, b
IW
3
IW
1/2
1/2
0
1/2
1/2
0
0
Tabelle 2.1.: Die fundamentalen Fermionen und ihre Eichquantenzahlen.
2.3. Der Elektroschwache Sektor des Standardmodells
Die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung werden zusammen durch eine
spontan gebrochene Symmetrie unter SU (2) L ⊗ U (1)Y beschrieben. Es wurde zuerst von
Glashow [8] vorgeschlagen, dass es zu den schwachen Feldern W ± ein entsprechendes
neutrales Feld gibt, welches mit einem weiteren neutralen Feld zum elektromagnetischen
Feld A und zum schwachen Feld Z 0 mischt. Die Formulierung der Theorie als spontan
gebrochene Eichtheorie stammt von Weinberg und Salam [9]. 1971 wurde von ’t Hooft
gezeigt [10], dass die Theorie renormierbar ist.
Aus dem Experiment ist bekannt, dass die geladenen schwachen Bosonen W ± nur an
linkschirale Fermionen koppeln (im Folgenden wird statt chiral händig geschrieben). Dabei
ändert sich die elektrische Ladung des Fermions um 1. Übergänge zwischen den Generationen treten nur für Quarks auf. Sie werden durch die Kopplungen an das Higgs-Feld
in die Theorie eingeführt und durch die CKM-Matrix parametrisiert. Im Vergleich zu
Übergängen innerhalb einer Generation treten sie jedoch nur selten auf. Dies erinnert an
das Verhalten eines SU (2)-Dubletts unter den SU (2)-Auf- und Absteigeoperatoren σ ± .
Man ordnet daher die linkshändigen Fermionen in Dubletts von SU (2) L an. Rechtshändige
Fermionen koppeln nicht an W -Bosonen, daher weist man sie SU (2) L -Singletts zu.
Eine Eichtransformation unter SU (2) L ⊗U (1)Y hat, für das Beispiel des Dubletts χL :=
(νe , e)L und des Singletts eR , die Form
χL → eiα
eR → e
a (x)σ a /2
iβ(x)Y /2
eiβ(x)Y /2 χL
(2.5)
eR
mit den Pauli-Matrizen σ a und der Konvention, dass identische lateinische Indizes von 1
bis 3 summiert werden. Die kovariante Ableitung von χ L ist gegeben durch:
g0
g
Dµ χL = ∂µ − i Wµa σ a + i Bµ χL
2
2
(2.6)
In dieser Gleichung treten die Eichfelder W a und B der Gruppen SU (2)L bzw. U (1)Y
auf. Außerdem werden die Kopplungskonstanten g und g 0 eingeführt. Allgemein ist Dµ =
∂µ −igWµa Iwa −ig 0 Y Bµ /2 mit den Generatoren Iwa von SU (2). Die Eichfelder transformieren
unter einer infinitesimalen Eichtransformation gemäß:
1
Wµa → Wµa + ∂µ αa (x) + abc Wµb αc (x)
g
(2.7)
6
Theoretische Grundlagen
Bµ → B µ +
1
∂µ β(x)
g0
abc ist der total antisymmetrische Tensor in drei Dimensionen. Die Feldstärketensoren
der Eichfelder sind gegeben durch:
g0
σa a
bµν + W
cµν
[Dµ , Dν ] = i Bµν + ig Wµν
=B
(2.8)
2
2
In dieser Arbeit werden die Tensoren ohne Hut verwendet, in der Literatur treten jedoch
beide Formen auf. Explizit gilt:
Bµν
a
Wµν
= ∂ µ Bν − ∂ ν Bµ
∂µ Wνa
=
−
∂ν Wµa
(2.9)
+ g
abc
Wµb Wνc
Setzt man nun diese Bestandteile geeignet zusammen, so erhält man die folgende Lagrangedichte, der Einfachheit halber wieder für ein Dublett χL und ein Singlett eR :
1 a aµν 1
W
− Bµν B µν
(2.10)
L = χ̄L i/
DχL + ēR i/
DeR − Wµν
4
4
Die ersten beiden Terme beschreiben die kinetische Energie der Fermionen und deren
Wechselwirkungen mit den Eichfeldern. Die letzten beiden Terme beschreiben die kinetische Energie der Eichfelder, und für die Felder W a auch die Kopplungen zwischen den
Eichfeldern. Kopplungen zwischen den Eichfeldern treten allgemein für Eichfelder nichtabelscher Eichgruppen auf.
Die physikalischen Felder W ± sind Linearkombinationen von W 1 und W 2 :
1 Wµ± = √ Wµ1 ∓ iWµ2
2
(2.11)
Diese treten in Kombination mit den Auf- und Absteigeoperatoren I w± von SU (2)L auf.
In der zweidimensionalen Spinordarstellung von SU (2) gilt I w± = 12 σ 1 ± iσ 2 .
Die Felder W 3 und B entsprechen nicht den physikalischen Feldern Z 0 und A. Das
elektromagnetische Feld koppelt im Gegensatz zum Feld W 3 nicht an Neutrinos, daher
kann das Feld W 3 nicht dem Feld A entsprechen. Außerdem koppeln sowohl das Z 0 als
auch das A an rechtshändige Teilchen, was für das W 3 nicht der Fall ist. Die Felder Z 0
und A entsprechen vielmehr den folgenden Mischungen von W 3 und B:
Z0
A
!
=
cos θw − sin θw
sin θw cos θw
!
W3
B
!
(2.12)
Den Winkel θw nennt man Weinbergwinkel oder elektroschwachen Mischungswinkel. Er
hängt mit den Kopplungskonstanten g und g 0 über
cos θw = p
g
,
2
g + g 02
sin θw = p
g0
g 2 + g 02
(2.13)
zusammen. Durch die physikalischen Felder ausgedrückt, lautet die kovariante Ableitung:
Dµ
Y
1
g = ∂µ − i √ Wµ+ Iw+ + Wµ− Iw− − i p 2
Zµ g 2 Iw3 − g 02
02
2
2
g +g
0
gg
Y
−i p 2
Aµ Iw3 +
02
2
g +g
g
g + +
= ∂µ − i √ Wµ Iw + Wµ− Iw− − i
Zµ Iw3 − sin2 θw Q
cos θw
2
−ieAµ Q
(2.14)
7
2.4 Higgs-Mechanismus
Abbildung 2.1.: Das Higgs-Potential, veranschaulicht als Funktion von 2 Feldkomponenten (aus [4]).
Dabei wurden die Beziehungen Q = Iw3 + Y /2 und e = g sin θw verwendet.
Bisher enthält die Theorie noch keine Massenterme für die Eichfelder. Terme der Art
m2W Wµ− W +µ bzw. 21 m2Z Zµ Z µ sind nicht eichinvariant. Auch Fermionmassenterme, welche
die Form
Lmf = −mf f¯L fR + f¯R fL
(2.15)
haben, verletzen die Eichsymmetrie, da die Felder f L und fR zu verschiedenen Darstellungen von SU (2) gehören und verschiedene U (1)-Ladungen tragen. Da die Eichinvarianz
der Theorie deren Renormierbarkeit sichert, ist es wünschenswert, die Eichinvarianz zu erhalten. Durch den Higgs-Mechanismus, der im folgenden Abschnitt erläutert werden wird,
ist es möglich, Massenterme einzuführen, ohne die Eichinvarianz der Lagrangedichte zu
verletzen.
2.4. Higgs-Mechanismus
Das oben geschilderte Problem der Massenterme wird gelöst, indem zunächst ein skalares
Feld, das Higgs-Feld, eingeführt wird. Im Standardmodell wählt man hierfür ein komplexes
Dublett mit schwacher Hyperladung 1:
φ=
φ+
φ0
!
=
φ3 + iφ4
φ1 + iφ2
!
(2.16)
Dies ist die einfachste mögliche Wahl, die zu dem gewünschten Muster der Symmetriebrechung führt. Die Komponenten φi des Feldes sind reell. Die Lagrangedichte wird um einen
kinetischen Term und einen Potentialterm ergänzt:
LHiggs = (Dµ φ)† (D µ φ) + µ2 φ† φ − λ(φ† φ)2
(2.17)
Die letzten beiden Terme in dieser Gleichung bilden das Potential des Higgs-Feldes. µ 2 und
λ sind zwei neue reelle Parameter, die in die Theorie eingeführt werden. Dass Potential
wird so gewählt, dass das Minimum nicht bei Null liegt. Mit der Wahl der Vorzeichen in
Gleichung 2.17 ist das für positive µ2 und λ der Fall. Für das Minimum des Potentials gilt
die Bedingung
µ2
.
(2.18)
φ† φ =
2λ
8
Theoretische Grundlagen
Aus dieser Gleichung erhält man nicht ein isoliertes Minimum, sondern eine Schar gleichberehtigter Minima. Die Situation lässt sich in zwei Dimensionen wie in Abbildung 2.1
veranschaulichen. Die Minima liegen in dem dargestellten Fall auf einem Kreis mit dem
Ursprung als Mittelpunkt. Der Vakuumerwartungswert h0|φ|0i =: hφi des Higgs-Feldes
ist in diesem Fall nicht (0, 0), sondern ein beliebiger Punkt auf dem Kreis der Minima.
Der Übergang vom symmetrischen Zustand mit hφi = (0, 0) in einen zufällig aus einer
Schar von gleichberechtigten Zuständen ausgewählten Grundzustand nennt man spontane
Symmetriebrechung. Die Lagrangedichte ist nach wie vor invariant unter der gesamten
Symmetrie SU (2)L ⊗ U (1)Y , der Erwartungswert des Higgsfeldes im neuen Grundzustand
ist es jedoch nicht. Man kann den Vakuumerwartungswert von φ etwa wählen als
1
hφi = √
2
0
v
!
.
(2.19)
p
Damit ist v = µ2 /λ. In dieser Darstellung sieht man, dass hφi nicht invariant unter
beliebigen Eichtransformationen ist, da die untere, neutrale Komponente des Higgs-Feldes
sowohl schwachen Isospin als auch schwache Hyperladung trägt.
Betrachtet man eine Eichtransformation des Higgs-Feldes, die gegeben ist durch (vgl.
Gleichung 2.5)
a a
φ → eiα σ /2 eiβ/2 φ,
(2.20)
so sieht man, dass eine Eichtransformation mit α 1 = α2 = 0 und α3 = β den Vakuumerwartungswert hφi unverändert lässt. Diese verbleibende Symmetrie entspricht der
elektromagnetischen U (1)em -Symmetrie. Das elektromagnetische Feld A, welches zu der
speziellen Kombination von Generatoren I w3 + Y2 gehört (s. Gleichung 2.14), bleibt masselos. Die entsprechende Quantenzahl ist die elektrische Ladung in Einheiten der Ladung
des Positrons Q.
2.4.1. Boson- und Fermionmassenterme
Die Massenterme für die Eichbosonen folgen nach dem Higgs-Mechanismus aus dem kinetischen Term des Higgs-Feldes, ausgewertet bei dessen Grundzustand. Mit der kovarianten
Ableitung aus Gleichung 2.14, sowie Gleichungen 2.17 und 2.19 erhält man die relevanten
Terme
g g
1
√ Wµ− T − + Wµ+ T + +
0 v
Zµ T 3 − sin2 θw Q + eAµ Q
L =
2
cos θw
2
=
g
g
√ W +µ T + + W −µ T − +
Z µ T 3 − sin2 θw Q + eAµ Q
cos θw
2
g 2 v 2 − +µ 1 g 2 v 2
Zµ Z µ .
Wµ W +
4
2 4 cos2 θw
0
v
!
(2.21)
Die Terme in der letzten Zeile sind Massenterme für die Bosonen der schwachen Wechselwirkung W ± und Z 0 mit den Massen
v
(2.22)
mW = g
2
v
mW
mZ = g
=
.
2 cos θw
cos θw
Aus (2.22) folgt, dass v gegeben ist durch
−1/2
√
mW
2GF
=
≈ 246 GeV.
v=2
g
(2.23)
9
2.4 Higgs-Mechanismus
Durch diese Beziehung ist das Verhältnis der beiden Parameter µ2 und λ aus (2.18) festgelegt und mit der Masse des W -Bosons verknüpft. Somit verbleibt nur noch ein experimentell weitgehend unbestimmter freier Parameter im Higgs-Sektor des Standardmodells.
Zur Beschreibung der Fermionmassen fügt man der Lagrangedichte die folgenden eichinvarianten Massenterme hinzu:
L = −λe χ̄L φeR − λd Q̄L φdR − λu ab Q̄aL φ†b uR + h.k.
(2.24)
Die Abkürzung h.k. steht hierbei für hermitesch konjugiert. ab ist der total antisymmetrische Tensor in zwei Dimensionen. Der Einfachheit halber werden nur die Terme f ür
die erste Fermiongeneration angegeben. χ L und QL bezeichnen dabei die Fermiondubletts
und fR entsprechend die Fermionsingletts. Mit dem Higgs-Feld aus (2.19) erhält man
1
(2.25)
L = − √ λf v f¯L fR + h.k.
2
mit den Fermionmassen mf =
√1 λf v.
2
2.4.2. Das Higgs-Boson
Durch Festlegen einer speziellen Eichung, der sogenannten unitären Eichung, ist es möglich, das Higgs-Feld als
!
1
0
(2.26)
φ= √
2 v + H(x)
zu schreiben. Das Higgs-Feld hat in dieser Form noch einen Freiheitsgrad, das reelle Feld
H(x), welches Fluktuationen um den Grundzustand beschreibt. Die Anregung erfolgt dabei senkrecht zur Hyperfläche der Minima des Higgs-Potentials (vgl. Abb. 2.1). Gegenüber
der allgemeinen Form des Higgs-Feldes scheinen durch die Festlegung der Eichung zunächst
drei Freiheitsgrade verloren zu gehen. Masselose Eichbosonen besitzen zwei physikalische
Freiheitsgrade, die zwei unabhängigen transversalen Polarisationen entsprechen. Massive
Eichbosonen dagegen treten auch mit longitudinaler Polarisation auf und besitzen entsprechend drei Freiheitsgrade. Die drei schwachen Eichbosonen, die vor der spontanen Symmetriebrechung masselos waren, gewinnen demnach bei der spontanen Symmetriebrechung
jeweils einen longitudinalen Freiheitsgrad hinzu, so dass die Gesamtzahl der Freiheitsgrade
unverändert bleibt.
Setzt man die Entwicklung des Higgs-Feldes in der unitären Eichung in√(2.17) ein, so
folgt aus dem Potentialterm, dass die Masse des Higgs-Bosons m H = 2µ ist. Diese
Beziehung legt den letzten freien Parameter des Higgs-Sektors fest. Falls der Higgs-Sektor
des Standardmodells die richtige Beschreibung der elektroschwachen Symmetriebrechung
darstellt und die Masse des Higgs-Bosons aus einer direkten Messung ermittelt werden
kann, sind somit sämtliche Parameter des Standardmodells, unter Vernachlässigung von
Neutrinomassen, bestimmt.
Der kinetische Term des Higgs-Feldes ist jetzt gegeben durch
1
1
H 2
.
(2.27)
Lk = (∂µ H)2 + m2W Wµ− W +µ + m2Z Zµ Z µ 1 +
2
2
v
Er enthält die schon bekannten Massenterme der schwachen Eichbosonen und zusätzlich
Kopplungsterme des Higgs-Bosons an die schwachen Eichbosonen. Für diese Arbeit sind
die Kopplungen relevant, die linear in dem Feld H sind, also
1 g
g mW HWµ− W +µ und
mZ HZµ Z µ .
(2.28)
2 cos θw
Die entsprechenden Feynmanregeln sind in Abbildung 2.2 dargestellt.
10
Theoretische Grundlagen
Z0
W+
mZ
= i g cos
g µν
θw
= i g mW g µν
W−
Z0
Abbildung 2.2.: Feynmanregeln für die Kopplung eines Higgs-Bosons an zwei schwache
Eichbosonen auf Bornniveau
2.5. Higgs-Boson-Produktion und -Zerfall am LHC
Abbildung 2.3 zeigt die Wirkungsquerschnitte der wichtigsten Produktionsprozesse eines Standardmodell-Higgs-Bosons am LHC, d.h. für Proton-Proton-Kollisionen bei einer Schwerpunktsenergie von 14 TeV. Die Feynmandiagramme der verschiedenen Prozesse
sind in Abbildung 2.4 dargestellt. Man sieht, dass der Prozess mit dem größten Wirkungsquerschnitt über fast den gesamten Massenbereich die Gluon-Gluon-Fusion ist. Der
Wirkungsquerschnitt für die Vektorbosonfusion (VBF, teilweise auch weak boson fusion,
WBF, genannt) liegt über einen weiten Bereich etwa eine Größenordnung darunter. Die
Higgs-Strahlung und die Produktion eines Higgs-Bosons in Assoziation mit einem TopQuark-Paar tragen nur bei sehr kleinen Higgs-Boson-Massen nennenswert zur Produktion
bei.
Die Kopplungen des Higgs-Bosons an die anderen Teilchen des Standardmodells sind
proportional zu deren Massen. Daraus lassen sich die wesentlichen Eigenschaften von Abbildung 2.5 erklären, in der die Verzweigungsverhältnisse im Zerfall eines Higgs-Bosons
in Abhängigkeit von der Higgs-Boson-Masse dargestellt sind. Bei kleinen Higgs-BosonMassen weit unterhalb der Schwelle für die Paarproduktion von W - oder Z-Bosonen dominiert der Zerfall in ein Paar von b-Quarks. Bereits deutlich kleiner ist das Verzweigungsverhältnis für den Zerfall in zwei τ -Leptonen. Dieser Kanal wird dennoch voraussichtlich
ein wichtiger Entdeckungskanal sein, da Prozesse, in denen mindestens ein Lepton im Detektor nachgewiesen wird, leichter von dem großen hadronischen Untergrund zu trennen
sind. Für diesen Kanal wird daher bereits auf Triggerniveau mindestens ein Lepton gefordert werden. Bei größeren Higgs-Boson-Massen, etwa ab 130 GeV aufwärts, spielen in zunehmendem Maße die Zerfälle in W - und Z-Bosonen eine Rolle. Der Zerfall H → ZZ, der
bei großen Higgs-Boson-Massen das größte Entdeckungspotential zeigt, nimmt im Bereich
um die Produktionsschwelle für W -Boson-Paare etwas ab. Dort zerfällt das Higgs-Boson
fast ausschließlich in W -Bosonen. Es fällt auf, dass das Verzweigungsverhältnis für den
Zerfall in W -Bosonen stets größer ist als das für den Zerfall in Z-Bosonen, obwohl die
Kopplung eines Higgs-Bosons an Z-Bosonen stärker ist als die an W -Bosonen (s. Abb.
2.2). Das liegt daran, dass im Zerfall H → ZZ die beiden Bosonen nicht unterscheidbar
sind, im Zerfall H → W + W − aufgrund der unterschiedlichen Ladung dagegen schon. Ein
gegebener Phasenraumpunkt trägt daher im Zerfall H → W + W − doppelt bei, im Zerfall
H → ZZ jedoch nur einfach.
2.6. Anomale Higgs-Kopplungen
In dieser Arbeit werden allgemeine Abweichungen der Kopplungen eines Higgs-Bosons
an schwache Eichbosonen von den im Standardmodell vorhergesagten Kopplungen unter-
11
2.6 Anomale Higgs-Kopplungen
σLO(pp→H+X) [pb]
10 2
√s = 14 TeV
Mt = 174 GeV
10
gg→H
1
_
qq’→HW
10
10
10
CTEQ6L1
qq→Hqq
-1
-2
_
_
gg,qq→Htt
-3
_
10
qq→HZ
-4
0
200
400
600
800
1000
MH [GeV]
Abbildung 2.3.: Wirkungsquerschnitte in führender Ordnung für die Higgs-BosonProduktion am LHC in Abhängigkeit von der Higgs-Boson-Masse [13]
g
q1
t̄
W/Z
H0
t
q3
H0
W/Z
t
q2
g
q4
Vektorbosonfusion
Gluon − Gluon − Fusion
g
t̄
W/Z
q
W/Z
H
H0
t
0
q̄
g
Higgsstrahlung
t
tt̄H − Produktion
Abbildung 2.4.: Feynmandiagramme der am LHC dominanten Produktionsprozesse f ür
ein Standardmodell-Higgs-Boson
12
Theoretische Grundlagen
1
_
bb
WW
BR(H)
ZZ
10
-1
+ −
ττ
_
cc
tt-
gg
10
-2
γγ Zγ
10
-3
50
100
200
MH [GeV]
500
1000
Abbildung 2.5.: Verzweigungsverhältnisse für den Zerfall eines Standardmodell-HiggsBosons in Abhängigkeit von der Higgs-Boson-Masse [12]
sucht. Zur Beschreibung solcher Abweichungen wird eine effektive Lagrangedichte aufgestellt. Diese enthält zusätzlich zum Standardmodell weitere unter der Eichgruppe SU (3) C ⊗
SU (2)L ⊗ U (1)Y invariante Terme der Massendimension ≥ 5. Die Bedeutung der Massendimension in diesem Zusammenhang wird in Anhang A erläutert. Eine Theorie, die solche
Terme enthält, ist nicht renormierbar, d.h. sie enthält Divergenzen in physikalischen Vorhersagen, die sich nicht systematisch in allen Ordnungen der Störungsreihe beheben lassen.
Bei einer effektiven Theorie geht man davon aus, dass diese nur bis zu einer gewissen Skala Λ oberhalb der derzeit experimentell erreichbaren Energien gültig ist und verzichtet
auf die Renormierbarkeit. Man geht davon aus, dass die zusätzlich eingeführten Terme
der effektiven Lagrangedichte die Effekte der unbekannten zugrundeliegenden Theorie nur
bis zur Skala Λ richtig beschreiben und dort durch eine andere Beschreibung zu ersetzen sind. Im Allgemeinen werden bei der Skala Λ neue Teilchen oder Wechselwirkungen
auftreten. Über die Art diese Teilchen oder Wechselwirkungen werden in einer effektiven
Theorie zunächst keine Annahmen gemacht. Die Verwendung einer effektiven Lagrangedichte bietet demnach eine Möglichkeit, systematisch und modellunabhängig die Effekte
von Wechselwirkungen bei der Skala Λ auf Beobachtungen bei Skalen unterhalb von Λ zu
parametrisieren.
Ein bekanntes Beispiel für eine effektive Theorie ist die Fermi-Theorie, die die Effekte der schwachen Wechselwirkung bei kleinen Energien beschreibt. Der Austausch eines
W ± -Bosons wird in ihr durch eine Punktwechselwirkung in Form eines Vertexes zwischen
vier Fermionfeldern ersetzt. Nach der heutigen Sichtweise kommt dieser dadurch zustande,
dass bei kleinen Energien der Impulsübertrag im W -Propagator gegenüber der W -Masse
13
2.6 Anomale Higgs-Kopplungen
vernachlässigt werden kann. Dadurch wird der Propagator konstant und kann in die Kopplungskonstante absorbiert werden. Dem Vierer-Fermionvertex entspricht ein Term der Dimension 6 in der Lagrangedichte. Die Fermi-Kopplungskonstante muss demnach hat die
Dimension -2 haben, da das Produkt des Terms mit der Kopplungskonstanten die Dimension 4 haben muss. Die Theorie ist nicht renormierbar und nur gültig bis zur Skala der
W -Boson-Masse. Für kleine Energien werden die Effekte der schwachen Wechselwirkung
jedoch gut beschrieben.
Die Fermi-Kopplungskonstante erhält ihre Dimension unmittelbar von der Skala Λ der
Theorie, welche in diesem Fall der W -Boson-Masse entspricht. Die Größen hängen zusammen über die Beziehung
g2
(2.29)
GF = √ 2 .
4 2mW
Die Fermi-Kopplungskonstante gibt die Stärke der schwachen Wechselwirkung bei kleinen
Energien an. Wie man sieht, werden Effekte der schwachen Wechselwirkung bei kleinen
Energien um einen Faktor, der proportional zu 1/Λ 2 ist, gegenüber der eigentlichen Kopplungsstärke g der Wechselwirkung unterdrückt.
2.6.1. Betrachtete Terme der effektiven Lagrangedichte
Unter der Annahme, dass die negative Dimension der Kopplungskonstanten wie im Fall
der Fermi-Theorie von der Skala Λ stammt, und dass die einzelnen Terme der effektiven
Theorie ohne Einbeziehung der Kopplungskonstanten von ähnlicher Größe sind, ist es
sinnvoll, die effektive Lagrangedichte als Entwicklung in Potenzen von 1/Λ zu schreiben:
Lef f = LSM +
X g (5)
i
i
Λ
(5)
Oi
+
X g (6)
i
i
Λ2
(6)
Oi
+ ...
(2.30)
Dabei sind die gi dimensionslose Faktoren der Größenordnung 1. Im Rahmen der Quantisierung einer Feldtheorie werden die Felder der Lagrangedichte zu Feldoperatoren uminterpretiert. Für die Diskussion der effektiven Lagrangedichte ist es in der Literatur üblich,
die einzelnen Terme unter Ausschluss der Kopplungskonstanten als Operatoren zu bezeichnen. Die Operatoren Oi werden also nach ihrer Dimension geordnet, wobei davon
ausgegangen wird, dass Operatoren weniger beitragen, je höher ihre Dimension ist.
Da die effektive Lagrangedichte Effekte unbekannter Physik auf die Wechselwirkungen
der bekannten Teilchen des Standardmodells beschreiben soll, werden die Operatoren O i
aus den Standardmodellfeldern aufgebaut. Bei Energien unterhalb der Skala Λ ist die
Eichsymmetrie des Standardmodells erfüllt, daher werden nur unter SU (3)C ⊗ SU (2)L ⊗
U (1)Y eichinvariante Terme betrachtet. Außerdem sollen die Terme lorentzinvariant sein,
d.h. insbesondere, dass alle Lorentzindizes in einem Term kontrahiert sein müssen.
Es lässt sich nur ein einziger Term der Dimension 5 aufstellen. Dieser besteht jedoch nicht aus Higgs-Feldern und schwachen Eichfeldern und ist daher für die HiggsVektorboson-Kopplungen (HVV-Kopplungen) nicht von Bedeutung. Eine Liste von Termen der Dimension 6 findet sich in [14]. Dort hat man sich auf solche Terme beschränkt,
die die Baryonen- und Leptonenzahl erhalten. Mit dieser Einschränkung umfasst die Liste insgesamt 80 Terme. Davon werden in dieser Arbeit diejenigen betrachtet, die aus
Higgs-Feldern und elektroschwachen Eichfeldern bestehen. Es handelt sich dabei um die
folgenden 8 Terme:
OφW =
1 † a aµν
φ φ Wµν W ,
2
a
OφW̃ = φ† φ W̃µν
W aµν
(2.31)
14
Theoretische Grundlagen
1 † φ φ Bµν B µν ,
2
a
= φ† τ a φ Wµν
B µν ,
OφB =
OW B
(1)
Oφ = φ† φ
Dµ φ† D µ φ
OφB̃ = φ† φ B̃µν B µν
a
B µν
OW̃ B = φ† τ a φ W̃µν
(3)
Oφ = φ† D µ φ
Dµ φ† φ
(2.32)
(2.33)
(2.34)
Der duale Feldstärketensor F̃ µν für ein allgemeines Feld F , der hier für die Felder B und
W a auftritt, ist definiert als
1
(2.35)
F̃ µν = µνρσ Fρσ
2
mit dem total antisymmetrischen Tensor in vier Dimensionen µνρσ .
Diese Terme werden nun so umgeformt, dass sie die physikalischen Felder enthalten. Es
ist zu beachten, dass es an die Größe des Beitrags einiger der Operatoren Einschränkungen aus experimentellen Daten gibt. Für eine Diskussion dieser Fragen siehe z.B. [11]
und die dort angegebenen Referenzen. Da nach dem Standardmodell die Vektorbosonfusion im Wesentlichen durch den Austausch von W - oder Z-Bosonen stattfindet, werden
keine Terme mit dem elektromagnetischen Eichfeld A betrachtet. In die verbleibenden
Terme wird das Higgs-Feld in der physikalischen Entwicklung in unitärer Eichung (Gl.
2.26) eingesetzt. Analog zu Gleichung 2.28 werden die Terme beibehalten, die linear im
physikalischen Higgs-Boson-Feld H sind. Diese Terme sind gleichzeitig auch linear im Vakuumerwartungswert v. Dieser Vakuumerwartungswert wird kombiniert mit einem der
Λ-Faktoren im Nenner des Vorfaktors aus Gleichung 2.30, was eine Reskalierung des Vorfaktors bewirkt:
1
v
∝
2
Λ
Λ5
Die Dimension der Terme reduziert sich dabei um 1, und man erhält Terme der Dimension
5 [15, 16]. Der in dieser Arbeit verwendete Teil der effektiven Lagrangedichte ist schließlich
gegeben durch:
L5 =
HW W
g HW W
g5e
+
+
HWµν
W −µν + 5o
H W̃µν
W −µν +
Λ5e
Λ5o
HZZ
g5e
g HZZ
HZµν Z µν + 5o H Z̃µν Z µν
2Λ5e
2Λ5o
(2.36)
Der Index e bzw. o, für even und odd, zeigt an, ob der entsprechende Operator CP-gerade
oder CP-ungerade ist. Die auftretenden Produkte von jeweils zwei Feldstärketensoren sind
CP-gerade, das Higgs-Boson-Feld ebenfalls. Die Terme mit den dualen Feldstärketensoren,
die den -Tensor enthalten, sind CP-ungerade, da der -Tensor unter der Parität das
Vorzeichen ändert (s. Anhang B).
2.6.2. Allgemeiner HVV-Vertex
Ein HVV-Vertex hat die Struktur eines Lorentz-Tensors, da er zwei Vektorbosonen an
ein skalares Teilchen koppelt. In Abbildung 2.2 sieht man, dass dieser Tensor im Stan2m2
dardmodell die Struktur T µν (q1 , q2 ) = v V g µν hat. Die Schreibweise soll andeuten, dass
der Vertexfaktor T µν im Allgemeinen eine Funktion der Impulse der Vektorbosonen q 1
und q2 sein kann. Für den Fall der anomalen Kopplungen wird zunächst die allgemeinste
lorentz-kovariante Form dieser Vertexfunktion aufgestellt. Beachtet man, dass Terme proportional zu q1µ und q2ν nicht beitragen, wenn sie mit den äußeren erhaltenen Quarkströmen
15
2.6 Anomale Higgs-Kopplungen
kontrahiert werden [16], so erhält man den Vertex [11, 16]:
T µν (q1 , q2 ) = a1 (q1 , q2 ) g µν + a2 (q1 , q2 ) [q1 · q2 g µν − q2µ q1ν ] +
a3 (q1 , q2 ) µνρσ
(2.37)
q1ρ q2σ .
Die ai (q1 , q2 ) sind lorentz-invariante Formfaktoren.
Um zu motivieren, wie man von der effektiven Lagrangedichte (2.36) auf die Feynmanregeln für anomale Kopplungen gelangt, kann man den einfachen Fall der effektiven
Kopplung an zwei Photonen betrachten [11]:
HAµν Aµν
= H (∂µ Aν − ∂ν Aµ ) (∂ µ Aν − ∂ ν Aµ )
µ
ν
ν
(2.38)
µ
= 2H∂µ Aν (∂ A − ∂ A )
Im Impulsraum, d.h. nach einer Fouriertransformation, erhält man:
−→ 2H (−q1µ Aν q2µ Aν + q1µ Aν q2ν Aµ )
−2 (q1 · q2 gµν − q1ν q2µ ) HAµ Aν
=
(2.39)
Eine CP-gerade Kopplung der Form HV µν V µν führt also auf einen Vertex mit der Form
des zweiten Terms in (2.37). Eine CP-ungerade Kopplung führt auf analoge Weise auf
einen Vertex mit der Form des dritten Terms in (2.37):
HAµν õν
1 µνρσ
(∂µ Aν − ∂ν Aµ ) (∂ρ Aσ − ∂σ Aρ )
2
µνρσ
2H
∂µ Aν ∂ρ Aσ
=
=
(2.40)
F.T.
−→ −2µνρσ q1ρ q2µ HAσ Aν
2µνρσ q1ρ q2σ HAµ Aν
=
(2.41)
Die Feynmanregeln für die effektive Lagrangedichte (2.36) sind gegeben durch (2.37)
mit den folgenden Koeffizienten [16]:
a2 (q1 , q2 ) = −
2 HW W
,
g
Λ5e 5e
a3 (q1 , q2 ) =
2 HW W
g
Λ5o 5o
(2.42)
2 HZZ
g
,
Λ5e 5e
a3 (q1 , q2 ) =
2 HZZ
g
Λ5o 5o
(2.43)
für den HW W -Vertex und
a2 (q1 , q2 ) = −
für den HZZ-Vertex. Damit sind nun alle Grundlagen zusammengestellt, die benötigt
werden, um die Amplitude für den Vektorbosonfusionsprozess mit anomalen Kopplungen
zu berechnen.
2.6.3. Beispiele im Standardmodell
Ein Beispiel für die Verwendung einer effektiven Kopplung im Standardmodell ist die
Gluon-Gluon-Fusion (Abb. 2.6). Da Gluonen masselos sind, koppeln sie nicht direkt an
ein Higgs-Boson. Die Wechselwirkung wird durch ein in einer Schleife umlaufendes Fermion
vermittelt, wobei im Standardmodell der Beitrag durch ein umlaufendes Top-Quark dominiert. Stellt man die Amplitude auf und berechnet das Schleifenintegral unter der Annahme einer großen Top-Quark-Masse, so erhält man einen Vertex T µν ∝ (q1 · q2 g µν − q1ν q2µ )
16
Theoretische Grundlagen
g
g
t̄
H0
H0
t
−→
t
g
g
Abbildung 2.6.: Übergang zum effektiven Vertex in der Gluon-Gluon-Fusion
mit den Impulsen der Gluonen q1 und q2 , also gerade einen Term, der dem Vertex einer CP-geraden anomalen Kopplung entspricht (für die Rechnung siehe z.B. [11]). Der
entsprechende Term der effektive Lagrangedichte ist proportional zu HG aµν Gaµν mit den
Feldstärketensoren der 8 Gluon-Felder Gaµν . Wie man sieht, können die betrachteten anomalen Kopplungsterme also durch Schleifendiagramme im Grenzwert großer Massen der
umlaufenden Teilchen erzeugt werden.
Analog zur Gluon-Gluon-Fusion tritt im Standardmodell auf Schleifenniveau auch ein
Beitrag zur Kopplung eines Higgs-Bosons an schwache Eichbosonen auf, der die Struktur
der CP-geraden anomalen Kopplung hat. Dieser Beitrag ist gegenüber der Standardmodellkopplung um einen Faktor αW /π ≈ 10−2 unterdrückt und wird, wie in Kapitel 8 gezeigt werden wird, am LHC voraussichtlich nicht nachgewiesen werden können. In Kapitel
8 wird eine Methode vorgestellt, nach der ein zusätzlich zur Standardmodellkopplung auftretender Beitrag durch eine anomale HVV-Kopplung in der Vektorbosonfusion mit dem
ATLAS-Detektor gemessen werden kann. Hierzu wird eine Likelihood-Anpassung in der
Kopplungskonstanten der anomalen Kopplung durchgeführt.
2.6.4. CP-Quantenzahl des skalaren Teilchens
Die beschriebene Vorgehensweise zum Aufstellen der effektiven Lagrangedichte lässt sich
auf Erweiterungen des Standardmodells übertragen. In diesem Fall kann das Higgs-BosonFeld durch ein anderes in dem jeweiligen Modell auftretendes skalares Feld ersetzt werden. Die effektive Lagrangedichte beschreibt dann die effektiven Kopplungen dieses Feldes
an schwache Eichbosonen. Es kann sich z.B. um eines der Higgs-Boson-Felder eines Modells mit zwei Higgs-Dubletts wie dem minimalen supersymmetrischen Standardmodell
(MSSM) handeln. Eine weitere Möglichkeit ist die Kopplung eines skalaren SU (2)-SinglettFeldes an die schwachen Eichfelder. In diesem Fall folgen die effektiven Kopplungsterme
nicht aus Termen der Dimension 6 sondern treten direkt mit der Dimension 5 in der
effektiven Lagrangedichte auf.
Die Transformationseigenschaften der effektiven Kopplungsterme mit einem allgemeinen
skalaren Feld hängen von dem Verhalten des skalaren Feldes unter CP-Transformationen
ab. Die Theorie ist invariant unter CP-Transformationen, wenn die effektiven Kopplungsterme es sind, und nur in diesem Fall ist die CP-Quantenzahl erhalten. Unter der Annahme, dass die anomalen Kopplungen die CP-Symmetrie nicht verletzen, koppelt ein
CP-gerades skalares Teilchen wie das Standardmodell-Higgs-Boson folglich nur über den
Standardmodell-Kopplungsterm HV µ V µ oder den anomalen Kopplungsterm HV µν V µν ,
die in diesem Fall CP-gerade sind. Ein CP-ungerades Teilchen koppelt dagegen über den
Kopplungsterm H Ṽµν V µν mit dem dualen Feldstärketensor, der in diesem Fall CP-gerade
2.6 Anomale Higgs-Kopplungen
17
ist, an schwache Eichbosonen. Ein Beispiel für diesen zweiten Fall ist die Kopplung eines CP-ungeraden A0 -Higgs-Bosons, wie es in Zwei-Dublett-Modellen vorhergesagt wird.
Die Kopplung hat die Struktur A0 Ṽµν V µν , sie ist jedoch so schwach, dass man sie am
LHC nicht beobachten können wird. Ein weiteres Beispiel, dass in [15] genannt wird,
ist die Kopplung eines Top-Pions, wie es in Topcolor-Modellen vorhergesagt wird. Die
Kopplungsterme haben die Struktur Π Ṽµν V µν , wobei diese Kopplungen zu beobachtbaren
Ereignisraten am LHC führen können.
Da es sich zunächst allgemein um neue Physik handelt, wenn ein neu entdecktes skalares
Teilchen vorwiegend über eine der anomalen Kopplungen wechselwirkt, ist es keineswegs
sicher, dass die CP-Symmetrie durch die Kopplung nicht verletzt wird. So ist es zunächst
nicht ausgeschlossen, dass ein Standardmodell-Higgs-Boson über den CP-ungeraden anomalen Kopplungsterm H Ṽµν V µν an schwache Eichbosonen koppelt, wobei diese Kopplung
die CP-Symmetrie verletzen würde.
In Kapitel 7 wird eine Methode vorgestellt, nach der der dominante Kopplungsterm
eines skalaren Teilchens bestimmt werden kann. Mit dieser Methode wird die Tensorstruktur des Vertexfaktors untersucht. Diese ist nicht von den CP-Eigenschaften des skalaren
Feldes abhängig, d.h. die Kopplungsterme, die für ein Standardmodell-Higgs-Boson CPgerade sind, können von dem Kopplungsterm, der für ein Standardmodell-Higgs-Boson
CP-ungerade ist, unterschieden werden. Eine solche Messung kann einen starken Hinweis
darauf liefern, welche CP-Quantenzahl dem beobachteten skalaren Teilchen zuzuweisen
ist. So wird ein skalares Teilchen, welches mit der Ereignisrate eines StandardmodellHiggs-Bosons produziert wird und über die anomale Kopplung H Ṽµν V µν an schwache
Eichbosonen koppelt, mit großer Wahrscheinlichkeit CP-ungerade sein. Für eine eindeutige Identifikation der CP-Quantenzahl wird es jedoch nötig sein, zu überprüfen, ob die
übrigen Kopplungen des Teilchens, etwa an Fermionen, mit dieser Hypothese konsistent
sind.
18
Theoretische Grundlagen
3. Experimentelle Schranken
3.1. Masse des Standardmodell-Higgs-Bosons
Die Masse des Higgs-Bosons geht über Schleifenkorrekturen in die Parameter des Standardmodells ein. Da das Higgs-Boson stark an Teilchen mit großer Masse koppelt, sind
besonders die W -Boson-Masse und die Topquarkmasse sensitiv auf m H . Das rechte Diagramm in Abbildung 3.1 zeigt die aktuellen (November 2005) Unsicherheiten auf die W Boson-Masse und die Top-Quark-Masse und deren Zusammenhang mit der Masse des
Standardmodell-Higgs-Bosons.
Das linke Diagramm in Abbildung 3.1 zeigt das ∆χ 2 einer Anpassung von 5 Standardmodellparametern an die Daten von elektroschwachen Präzisionsmessungen bei hohen
Energien in Abhängigkeit von der Higgs-Boson-Masse. Diese Anpassung wird in [17], S.
133 ff. beschrieben. Dort werden die folgenden Werte als Ergebnisse angegeben. Der bevorzugte Wert für die Higgs-Boson-Masse aus der Anpassung liegt bei 91 +45
−32 GeV. Eine
obere Ausschlussgrenze für die Higgs-Boson-Masse auf 95% Vertrauensniveau liegt bei
186 GeV. Zusätzlich existiert eine untere Ausschlussgrenze auf 95% Vertrauensniveau aus
der direkten Suche nach Higgs-Bosonen bei LEP von 114,4 GeV. Berücksichtigt man diese
bei der Berechnung der oberen Ausschlussgrenze, so erhält man eine obere Grenze auf
95% Vertrauensniveau von 219 GeV. Nach den derzeitigen Daten wird also eine kleine
Higgs-Boson-Masse bevorzugt.
In Monte-Carlo-Studien zum Entdeckungspotential des ATLAS-Detektors für ein Standardmodell-Higgs-Boson wurde gezeigt, dass über den gesamten noch nicht ausgeschlossenen Massenbereich möglich sein wird, mit einer integrierten Luminosität von 30 fb−1 , was 3
Jahren Laufzeit des LHC bei niedriger Luminosität entspricht, das Standardmodell-HiggsBoson mit einer Signifikanz von 5σ oder mehr nachzuweisen. Das Entdeckungpotential des
ATLAS-Detektors für ein Standardmodell-Higgs-Boson und die Bedeutung der Signalsignifikanz werden in Abschnitt 5.1 ausführlicher beschrieben.
3.2. Anomale Higgs-Kopplungen
In einer Studie der L3-Kollaboration [18] wurden Ausschlussgrenzen für die in Abschnitt
2.6 beschriebenen anomalen Higgs-Kopplungen angegeben, die aus den Daten des L3Experiments bei LEP gewonnenen wurden. Von den Kollaborationen der anderen drei
LEP-Experimente wurden anomale Higgs-Kopplungen nicht explizit untersucht. Die Parameter ∆κγ und ∆g1Z , die bei den LEP-Experimenten in Messungen der Drei-EichbosonVertizes untersucht wurden, beeinflussen zwar auch einige der anomalen Higgs-Kopplungen,
jedoch nicht die in dieser Arbeit betrachteten HW W - und HZZ-Vertizes [18].
Die L3-Kollaboration verwendet eine andere Parametrisierung der anomalen Kopplungen als diese Arbeit. Der relevante Teil der effektiven Lagrangedichte lautet in der Notation
der L3-Kollaboration:
(2)
(2)
+
Lef f = gHW W HWµν
W−µν + gHZZ HZµν Z µν
(3.1)
20
Experimentelle Schranken
6
Theory uncertainty
∆αhad =
(5)
5
80.5
0.02758±0.00035
68% CL
0.02749±0.00012
2
incl. low Q data
mW [GeV]
∆χ2
4
3
2
1
0
80.4
80.3
Excluded
30
100
mH [GeV]
LEP1 and SLD
LEP2 and Tevatron (prel.)
300
mH [GeV]
114
300
150
∆α
1000
175
200
mt [GeV]
Abbildung 3.1.: links: ∆χ2 der Parameteranpassung des Standardmodells an elektroschwache Präzisionsmessungen bei hohen Energien in Abhängigkeit von der HiggsBoson-Masse[17]. Das blaue Band kennzeichnet die theoretische Unsicherheit. Der gelbe
Bereich ist mit 95 % Vertrauensniveau durch direkte Suchen ausgeschlossen. rechts: 68%Vertrauensniveau-Konturen aus direkten Messungen (blau, gestrichelt) und Parameteranpassungen (rot, durchgezogen) in der m W -mt -Ebene. Die magentafarbenen Linien sind
Linien gleicher Higgs-Boson-Masse. Der grün ausgefüllte Bereich entspricht Higgs-BosonMassen zwischen 114 GeV und 1000 GeV
21
3.2 Anomale Higgs-Kopplungen
Exclusion (95% CL):
Combined
Expected limit
ee→γγγ, eeγγ
ee→Zγγ
1
ee→HZ
(*)
ee→WW γ
L3
Excluded
db
0
L3
0.2
0.1
Excluded
d
0.5
t
0
-0.1
-0.5
a)
-0.2
b)
-1
100
150
mH [GeV]
200
75
100
125 150
mH [GeV]
175
Abbildung 3.2.: Schranken an die Parameter d und d B , gewonnen aus den Daten des
L3-Experiments bei LEP [18]. Die gelben Bereiche sind auf 95% Vertrauensniveau ausgeschlossen.
mH
120 GeV
160 GeV
d
−0.19 . . . 0.19
−0.50 . . . 0.40
dB
−0.06 . . . 0.06
−0.13 . . . 0.14
Tabelle 3.1.: Erlaubte Bereiche für die Parameter d und dB , graphisch aus Abbildung
3.2 bestimmt
Dabei gilt:
(2)
gHW W
=
(2)
=
gHZZ
g
d
mW cos 2θW
g d cos2 θW + dB sin2 θW
2mW
(3.2)
(3.3)
CP-ungerade Operatoren wurden in der L3-Studie nicht betrachtet.
Die Ausschlussgrenzen auf 95% Vertrauensniveau für die Parameter d und dB sind
in Abbildung 3.2 als Konturlinien angegeben. Zur Bestimmung dieser Grenzen wurde
jeweils ein Parameter variiert, während die übrigen auf Null gesetzt wurden. Aus den
Graphen kann eine obere und eine untere Schranke für den jeweiligen Parameter bei einer
gegebenen Higgs-Boson-Masse abgelesen werden. Für die in dieser Arbeit betrachteten
Higgs-Boson-Massen von 120 GeV und 160 GeV sind die entsprechenden Werte in Tabelle
3.1 zusammengefasst.
Aus diesen Grenzen lassen sich entsprechende Grenzen für die Vorfaktoren in Gleichung
2.36 berechnen. Die Vorfaktoren haben die Form g 5e /Λ5e , so dass einer der beiden Werte
g5e und Λ5e für eine gegebene Grenze noch frei wählbar ist. Eine Möglichkeit wäre, diese
22
Experimentelle Schranken
mH
120 GeV
160 GeV
HW W
g5e
−1.4 . . . 1.4
−3.6 . . . 2.9
HZZ
g5e
−0.62 . . . 0.62
−1.6 . . . 1.3
HW W und g HZZ , berechnet aus den
Tabelle 3.2.: Erlaubte Bereiche für die Parameter g5e
5e
Werten in Tabelle 3.1.
Wahl offen zu lassen, und mit den vollständigen Vorfaktoren zu rechnen, was jedoch zu
einer unhandlichen Form der Ergebnisse führen würde. Stattdessen wurde in dieser Studie
HZZ wurde als freier PaΛ5e = Λ5o = 480 GeV fest gewählt. Die Kopplungskonstante g5e
rameter verwendet. Auf diese Weise ist die betrachtete Größe dimensionslos und liegt in
der Größenordnung eins. Das Verhältnis der anomalen Kopplungen des Higgs-Bosons an
W -Bosonen zu den anomalen Kopplungen an Z-Bosonen wurde der Einfachheit halber in
HW W = g HZZ cos2 θ fest gewählt, was dem Verhältnis der Standardmodieser Studie als g5e/o
w
5e/o
dellkopplungen zueinander entspricht. Der Wert von 480 GeV wurde nach [16] so gewählt,
dass der Wirkungsquerschnitt für rein CP-gerade oder CP-ungerade anomale Kopplungen
HW W = g HZZ cos2 θ = 1 in etwa dem
in der Vektorbosonfusion bei mH = 120 GeV mit g5e/o
w
5e/o
Wirkungsquerschnitt für Standardmodell-Kopplungen entspricht.
HW W und g HZZ sind in TabelDie Ausschlussgrenzen für die Kopplungskonstanten g5e
5e
HW
W
le 3.2 angegeben. Die Grenzen für g5e
wurden bestimmt, indem in Gleichung 3.2 die
Grenzen für d eingesetzt wurden. Das Vertrauensniveau von 95% der Grenzen von d gilt
HW W . Die Grenzen für g HZZ wurden bestimmt, indaher auch für die Grenzen von g5e
5e
dem jeweils die beiden oberen beziehungsweise die beiden unteren Grenzen für d und dB
in Gleichung 3.3 eingesetzt wurden. Diese Grenzen entsprechen daher nicht exakt 95%
Vertrauensniveau.
Man sieht aus Tabelle 3.2, dass die Grenzen des L3-Experiments für eine Higgs-BosonMasse von 160 GeV deutlich schwächer sind als für eine Masse von 120 GeV. Außerdem
sind die anomalen Kopplungen des Higgs-Bosons an Z-Bosonen stärker eingeschränkt
als die anomalen Kopplungen an W -Bosonen. Aufgrund des gewählten Verhältnisses der
HW W kleiner ist als g HZZ ,
anomalen Kopplungen an W -Bosonen und Z-Bosonen, bei dem g 5e
5e
HZZ nicht oder nur wenig verringert, dennoch die
wird eine Messung, die die Grenzen an g 5e
HW W deutlich senken können. Das Potential des ATLAS-Detektors für die
Grenzen an g5e
HZZ und g HW W wird in Kapitel 8
Bestimmung der Grenzen der Kopplungskonstanten g 5e
5e
besprochen.
4. Der LHC und das ATLAS-Experiment
In diesem Kapitel werden der Large Hadron Collider und das ATLAS-Experiment vorgestellt. Die Darstellung richtet sich im Wesentlichen nach [4, 5, 6, 20]. Im Anschluss wird
auf die Ereignissimulation und die Simulation des ATLAS-Detektors eingegangen.
4.1. Der Large Hadron Collider
Der Large Hadron Collider ist ein Proton-Proton-Collider mit einer geplanten Schwerpunktsenergie von 14 TeV, der sich zurzeit am Forschungszentrum CERN in der Konstruktion befindet. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2007 geplant. Der LHC wird im Tunnel
des inzwischen abgebauten Beschleunigers LEP errichtet, und hat daher wie dieser einen
Umfang von etwa 27 km. Die maximale angestrebte Luminosität liegt bei 1034 cm−2 s−1 . In
einer Anfangsphase soll der LHC bei einer niedrigeren Luminosität von 1033 cm−2 s−1 betrieben werden. Diese niedrige Luminosität entspricht einer integrierten Luminosität von
10 fb−1 pro Jahr. Durch eine Reihe von Vorbeschleunigern werden Protonen auf eine Energie von 450 GeV beschleunigt, bevor sie in den LHC-Ring injiziert werden. Dort werden
zwei Protonenstrahlen in entgegengesetzten Richtungen auf jeweils 7 TeV beschleunigt.
Ein Strahl wird 2808 Protonenbündel mit jeweils 1.1·1011 Protonen und einer Länge von
etwa 7.5 cm enthalten, die einen zeitlichen Abstand von 25 ns aufeinander haben.
Die Beschleunigung der Strahlteilchen übernimmt ein Hochfrequenzsystem, welches bei
4.5 K und 400 MHz arbeitet. Pro Strahl werden 8 supraleitende Hohlraumresonatoren eingesetzt, in denen die Teilchen einer maximalen Spannung von 2 MV entsprechend beschleunigt werden. Für die Ablenkung der Teilchen werden supraleitende Dipolmagnete
eingesetzt. Diese werden mit flüssigem Helium gekühlt und arbeiten bei einer Temperatur von 1.9 K. Die Magnete erzeugen ein Feld im Bereich von 0.5 T bei der Injektion bis
zu etwa 8 T bei 7 TeV Strahlenergie. Da der LHC Teilchen gleicher Ladung zur Kollision
bringen soll, benötigt er zwei getrennte Strahlrohre sowie getrennte Beschleunigungs- und
Ablenkmagnetsysteme. Diese sind jedoch stets in einem gemeinsamen Kryostat f ür beide
Strahlen untergebracht. Abbildung 4.1 zeigt den Querschnitt durch einen der Dipolmagnete des LHC. Einige Parameter des LHC sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst.
Die Protonenstrahlen werden an vier Wechselwirkungspunkten zur Kollision gebracht.
Die vier großen Experimente an diesen Wechselwirkungspunkten sind ATLAS, CMS, LHCb und ALICE. ATLAS und CMS sind Vielzweckdetektoren, die einen großen Bereich
physikalischer Fragestellungen untersuchen sollen. LHCb ist ein Experiment speziell zur
b-Physik, und ALICE ist ein auf Schwerionenphysik ausgelegtes Experiment. Für letzteres
soll der LHC zeitweise mit Ionen, unter anderem Bleiionen, betrieben werden.
4.2. Der ATLAS-Detektor
Der ATLAS-Detektor ist einer der beiden Vielzweckdetektoren am LHC. Wie der LHC
befindet auch er sich in der Konstruktion und soll 2007 fertiggestellt werden. Der Detektor
weist eine zylindrische Form auf mit einer Höhe von 22 m, einer Länge von 42 m und
24
Der LHC und das ATLAS-Experiment
Abbildung 4.1.: Querschnitt eines LHC-Dipolmagneten
Größe
Energie bei der Kollision
Energie bei der Injektion
Umfang
Dipolfeld bei 0.45 GeV
Dipolfeld bei 7 TeV
Luminosität
Protonen pro Bündel
Bündel pro Strahl
Zeitlicher Abstand der Bündel
Energieverlust pro Umlauf/Proton bei 7 TeV
Wert
7
0.45
26 658
0.535
8.34
1033 - 1034
1.1·1011
2 808
25
6.7
Tabelle 4.1.: Parameter des LHC, aus [4, 19]
Einheit
TeV
TeV
m
T
T
cm−2 s−1
ns
keV
25
4.2 Der ATLAS-Detektor
Abbildung 4.2.: Der ATLAS-Detektor, entnommen aus [5]
einer Masse von fast 7000 t. Der Name ATLAS ist ein Akronym für A Toroidal LHC
”
ApparatuS“. Der Aufbau des Detektors ist in Abbildung 4.2 dargestellt.
Das Koordinatensystem des ATLAS-Detektors ist wie folgt gewählt. Die x-Achse zeigt
zum Zentrum des LHC-Rings, die y-Achse zeigt nach oben. Da es sich um ein rechtshändiges Koordinatensystem handelt, ist damit die Richtung der z-Achse festgelegt. Sie liegt
parallel zur Strahlachse und zeigt von oben gesehen dem Uhrzeigersinn entgegen. Der Azimuthalwinkel φ ist der Winkel zur x-Achse in der x-y-Ebene. Der Polarwinkel θ ist der
Winkel zur Strahlachse. Es ist üblich, an Hadron-Collidern anstelle von θ die sogenannte
Pseudorapidität η := − ln tan 2θ zu verwenden. Das hat zwei Vorteile. Zum einen hat die
Verteilung der Jets im Kalorimeter wegen der logarithmischen Abhängigkeit in der Pseudorapidität η einen flacheren Verlauf als im Winkel θ. Zum anderen ist die Pseudorapidität
bei im Vergleich zu den Teilchenmassen großen Teilchenenergien eine gute Näherung für
die longitudinale Rapidität in Richtung der Strahlachse. Differenzen in der longitudinalen
Rapidität sind invariant unter speziellen Lorentz-Transformationen parallel zur Strahlachse. Daher ist an einem Hadron-Collider, an welchem das Schwerpunktsystem der wechselwirkenden Partonen im Allgemeinen nicht mit dem Laborsystem übereinstimmt, sondern
eine Relativgeschwindigkeit zu diesem in Richtung der Strahlachse besitzt, die Differenz
∆η zweier Objekte im Endzustand der Wechselwirkung eine geeignete Messgröße, da sie
nicht von der Relativgeschwindigkeit abhängt.
Als Abstandsmaß für Richtungen im Detektor wird häufig ∆R :=
wendet.
p
∆η 2 + ∆φ2 ver-
26
Der LHC und das ATLAS-Experiment
Zentraler SCT
Vorwärts-SCT
TRT
Pixeldetektor
Abbildung 4.3.: Der innere Detektor des ATLAS-Detektors
4.2.1. Innerer Detektor
Der innere Detektor des ATLAS-Experiments (Abbildung 4.3) dient der Spurrekonstruktion, der Bestimmung der Teilchenladung und der Impulsmessung. Der Impuls eines Teilchens wird aus der Krümmung der Teilchenspur in einem Solenoid-Magnetfeld von 2 T
bestimmt. Durch die Richtung der Ablenkung ist die Ladung des Teilchens festgelegt.
Eine genaue Spurrekonstruktion soll die Bestimmung von Sekundärvertizes ermöglichen,
wodurch Jets aus den Zerfällen von b-Hadronen und die hadronischen Zerfallsprodukte
von τ -Leptonen identifiziert werden können. Als b-Hadronen werden Hadronen, die b oder
b̄-Quarks enthalten, zusammenfassend bezeichnet. Besondere Herausforderungen an den
inneren Detektor stellen die hohe erwartete Spurdichte, besonders bei hoher Luminosität,
und die hohe Energie der Teilchen dar.
Der innere Detektor ist aus 3 Komponenten aufgebaut. Im Zentrum befindet sich ein
Halbleiter-Pixeldetektor. Dieser bietet die beste Ortsauflösung der drei Subdetektoren
und wird mit dem geringsten Abstand zum Wechselwirkungspunkt eingesetzt. Er setzt
sich aus drei zylindrischen Lagen im Zentralbereich und jeweils drei Scheiben im Vorund Rückwärtsbereich zusammen. Der Pixeldetektor besteht aus insgesamt 1 744 Modulen, von denen jedes 46 080 Pixel enthält. Die Pixel arbeiten nach dem Prinzip einer in
Sperrrichtung betriebenen Diode. Wenn ein Teilchen den Halbleiter durchquert, erzeugt es
Elektron-Loch-Paare, welche durch die angelegte Spannung an den Elektroden gesammelt
und ausgelesen werden.
Im Anschluss an den Pixeldetektor nach außen hin befindet sich der Semiconductor
Tracker (SCT), ein Halbleiter-Streifendetektor. Dieser ist aus 4 zylindrischen Lagen im
Zentralbereich und jeweils 9 Scheiben in den Endkappen aufgebaut. Die Module des SCT
sind so aufgebaut, dass sich sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite Detektoren
befinden. Die Detektoren auf der Vorder- und Rückseite eines Moduls werden mit einem
kleinen Stereowinkel von 40 mrad gegeneinader verdreht angebracht. Dies ermöglicht eine
zweidimensionale Auflösung und minimiert gleichzeitig die Mehrdeutigkeit aus der Anzahl
überlappender Streifen.
Der dritte Bestandteil des inneren Detektors ist der Transition Radiation Tracker (TRT).
Dieser besteht aus sogenannten Straw Tubes. Das sind kleine Röhren aus Kaptonfolie mit
27
4.2 Der ATLAS-Detektor
einem leitfähigen Überzug, durch die in der Mitte ein vergoldeter Wolframdraht gespannt
ist. Die Röhren arbeiten nach dem Prinzip einer Proportionalitätskammer. Zwischen Draht
und Röhre liegt eine Hochspannung an. Durchquert ein Teilchen die mit einer speziellen
Gasmischung gefüllte Röhre, so wird das Gas ionisiert. Die geladenen Teilchen werden an
den Elektroden gesammelt. In der Nähe des Drahtes werden durch das hohe elektrische
Feld die Elektronen stark beschleunigt, so dass sie zusätzliche Teilchen ionisieren. Das so
verstärkte Signal wird als Spannungspuls nachgewiesen. Der Detektor besteht aus etwa
370 000 Straw Tubes. Im zylindrischen Zentralbereich sind etwa 50 000 davon axial angeordnet. Die übrigen Straw Tubes sind radial in den Endkappen angeordnet. Zusätzlich zu
den Spurpunkten, die mit den Halbleiterdetektoren gemessen wurden, liefert der TRT im
Zentralbereich im Mittel weitere 36 Spurpunkte pro Spur.
Zwischen den Straw Tubes sind in den Endkappen Folien aus Polypropylen angebracht.
Im zylindrischen Zentralbereich befindend sich zwischen den Straw Tubes Fasern aus Polypropylen und Polyethylen. Sobald Elektronen diese Kunststoffelemente durchqueren,
erzeugen sie Übergangsstrahlung, welche in den Straw Tubes nachgewiesen werden kann.
Auf diese Weise soll die Identifikation von Elektronen ermöglicht werden.
Die Auflösung des inneren Detektors ist von der zur z-Richtung transversalen Komponente des Dreierimpulses pT und der Pseudorapidität η eines Teilchens abhängig. Für
Myonen und Pionen kann sie näherungsweise parametrisiert werden als:
σ2
1
pT

≈ 0.362 +

σ 2 (d0 ) ≈ 112 +
13
√
pT sin θ
73
√
pT sin θ
!2 
!2 
 TeV−2
 µm2
(4.1)
(4.2)
d0 bezeichnet dabei den transversalen Stoßparameter einer Spur. Eine Definition des transversalen Stoßparameters findet sich in [4], S. 123. Die Auflösung für Elektronen ist aufgrund von Bremsstrahlung etwas schlechter [20].
Der innere Detektor wird in radialer Richtung von einem supraleitenden Solenoidmagneten sowie dem benötigten Kryostaten umgeben. Daran schließen sich nach außen hin
die Kalorimeter an.
4.2.2. Kalorimeter
Die Kalorimeter des ATLAS-Detektors (Abbildung 4.4) dienen der Messung von Teilchenenergien. Sie liefern außerdem Informationen über Richtung der Teilchenimpulse und
die Art der Teilchen. Die innere Komponente des Kalorimeters, das elektromagnetische
Kalorimeter, besteht aus Kaptonelektroden, die in einer akkordeonartigen Struktur angeordnet sind, sowie flüssigem Argon (LAr, liquid Argon) als aktivem Material und Blei als
Absorber. Schichten aus Absorbermaterial wechseln sich mit Schichten aus aktivem Material ab. Das elektromagnetische Kalorimeter hat 3 Schichten aus aktivem Material mit
unterschiedlicher Granularität. Elektronen, die den Bleiabsorber durchqueren, geben dort
Energie in Form von Bremsstrahlung ab. Die Photonen konvertieren ihrerseits in ElektronPositron-Paare. Auf diese Weise werden elektromagnetische Schauer eingeleitet, welche in
den Schichten aus aktivem Material nachgewiesen werden. Die Schauerteilchen ionisieren
hierzu das flüssige Argon. Die freien Elektronen und Ionen werden durch eine anliegende
Spannung an den Elektroden gesammelt und nachgewiesen. Das Material zwischen dem
Wechselwirkungspunkt und dem elektromagnetischen Kalorimeter entspricht im Zentral-
28
Der LHC und das ATLAS-Experiment
zentrales hadronisches
Kalorimeter
elektromagnetisches
Akkordeonkalorimeter
Vorwärtskalorimeter
hadronisches LAr
Endkappenkalorimeter
Abbildung 4.4.: Das Kalorimetersystem des ATLAS-Detektors
bereich des Detektors etwa 2.3 Strahlungslängen. Um den Energieverlust in diesem Material, welches sich vor allem im Magneten und Kryostaten befindet, zu berücksichtigen, ist
vor dem Kalorimeter im Bereich |η| < 1.8 ein sogenannter Presampler angebracht. Das
elektromagnetische Kalorimeter hat eine Dicke von 24 Strahlungslängen im Zentralbereich
und über 26 Strahlungslängen in den Endkappen. Die Dicke ist so gewählt, dass elektromagnetische Schauer vollständig im Kalorimeter enthalten sind. Das Kalorimeter besteht
aus einem zylindrischen Zentralteil mit einer Abdeckung von |η| < 1.4 und Endkappen
mit einer Abdeckung von 1.375 < |η| < 3.2. Der statistische Term der Energieauflösung
soll nach dem ATLAS Technical Design Report etwa
σE
0.1
=p
.
E
E/GeV
(4.3)
betragen [20].
Außerhalb des elektromagnetischen Kalorimeters befindet sich das hadronische Kalorimeter. Dieses besteht aus einer alternierenden Struktur von Plastikszintillatorkacheln und
Eisenabsorbermaterial. Hadronen, die nicht im elektromagnetischen Kalorimeter gestoppt
wurden, treffen auf das Absorbermaterial und starten dort einen hadronischen Schauer.
Die erzeugten Sekundärteilchen regen die Atome im Szintillatormaterial an, so dass diese
Licht aussenden. Dieses Licht wird durch optische Fasern zu Photovervielfachern weitergeleitet und dort nachgewiesen. Das Kalorimeter besitzt einen zentralen zylindrischen Teil
im Bereich |η| < 1.0. Unter etwas größeren Winkeln, bei 0.8 < |η| < 1.7, befindet sich ein
erweiterter zylindrischer Teil mit der gleichen Struktur wie der Zentralteil. Im Endkappen-
29
4.2 Der ATLAS-Detektor
Abbildung 4.5.: Das Toroid-Magnetsystem des ATLAS-Detektors
bereich (1.5 < |η| < 3.2) wird aufgrund der hohen dort erwarteten Strahlungsdichte f ür
das hadronische Kalorimeter wie für das elektromagnetische Kalorimeter flüssiges Argon
als aktives Material verwendet. Im Bereich sehr nahe der Strahlachse bei 3.1 < |η| < 4.9
befindet sich das sogenannte Vorwärtskalorimeter. Dieses besteht aus Kupfer und Wolfram, und es enthält ebenfalls flüssiges Argon als aktives Material. Für das hadronische
Kalorimeter soll eine Energieauflösung von
erreicht werden [20].
σE
E
2
=
0.5
p
E/GeV
!2
+ 0.032
(4.4)
4.2.3. Myonspektrometer
Das Myondetektorsystem dient dem Nachweis und der Impulsmessung von Myonen. Myonen sind die einzigen Teilchen des Standardmodells, außer Neutrinos, die überhaupt nicht
nachgewiesen werden, welche diesen Teil des Detektors erreichen. Das Myonsystem des
ATLAS-Detektors zeichnet sich dadurch aus, dass es ein eigenes Magnetsystem (Abbildung 4.5) besitzt. Es besteht aus acht toroidalen supraleitenden Magnetspulen mit Luftkern, die im Bereich |η| < 1.0 zylindrisch um das Kalorimeter angeordnet sind. Im Vorund Rückwärtsbereich (1.4 < |η| < 2.7) des Detektors befinden sich zwei kleinere Endkappentoroidmagnete. Das Magnetfeld hat im Mittel eine Stärke von 0.5 T. Dieses Magnetsystem ermöglicht zusätzlich zu der Messung im inneren Detektor eine weitere Messung der
Myonenimpulse, wobei es möglich ist, die beiden Messungen zu kombinieren. Die Ablenkung der Myonen erfolgt dabei im Wesentlichen senkrecht zu der Ablenkung im inneren
30
Der LHC und das ATLAS-Experiment
Cathode Strip
Chambers
Resistive Plate
Chambers
Thin Gap
Monitored Drift Tube
Chambers
Chambers
Abbildung 4.6.: Die Kammern des Myonspektrometers des ATLAS-Detektors
Detektor. Die Messung der Myonenspuren erfolgt durch ein System von sogenannten Monitored Drift Tubes (MDT) und Cathode Strip Chambers (CSC). Die MDTs bestehen aus
gasgefüllten Aluminiumröhrchen mit einem Durchmesser von 3 cm, in deren Mitte sich ein
Wolfram-Rhenium-Draht zur Auslese befindet. Die CSCs sind Vieldrahtproportionalkammern, ebenfalls mit Wolfram-Rhenium-Drähten ausgestattet. Im Zentralbereich sind drei
Kammerlagen bei Radien von 5, 7.5 und 10 m angeordnet. Endkappen-Kammern befinden
sich im Bereich 1 < |η| < 2.7 in Abständen von 7, 10, 14, und 21-23 m vom Wechselwirkungspunkt entfernt [4]. Der weiteste Bereich wird dabei von MDTs abgedeckt. CSCs
werden nur im Bereich 2 < |η| < 2.7 eingesetzt. Aus den genannten Abmessungen des
Myonsystems wird deutlich, dass dieses den mit Abstand größten Teil des Volumens des
ATLAS-Detektors einnimmt.
Das Myonsystem besitzt ein System aus Kammern, die speziell zum Triggern von Ereignissen, die Myonen enthalten, dienen. Im Zentralbereich sind dies sogenannte Resistive
Plate Chambers (RPC), im Vorwärtsbereich werden Thin Gap Chambers verwendet. In
den RPCs liegt eine Hochspannung zwischen zwei Metallplatten an. Diese Hochspannung
verstärkt Signale, die durch die Ionisation eines Gases zwischen den Platten entstehen. Die
TGCs ähneln Vieldrahtproportionalkammern. Sie werden im Sättigungsmodus betrieben,
um eine geringe Auslesezeit zu erreichen. Das Myonkammersystem des ATLAS-Detektors
ist in Abbildung 4.6 dargestellt.
4.2.4. Trigger und Datenaufnahme
Im Zentrum des ATLAS-Detektors werden die Protonenbündel mit einer Rate von 40 MHz
aufeinander treffen. Bei einer Luminosität von 1033 cm−2 s−1 erwartet man im Mittel 2.3
4.3 Ereignis- und Detektorsimulation
31
inelastische Proton-Proton-Kollisionen für jedes Aufeinandertreffen zweier Bündel. Im Fall
hoher Luminosität von 1034 cm−2 s−1 sind es entsprechend 23. Das führt zu einer Ereignisrate von bis zu einem GHz. Bei einem mittleren Datenvolumen pro Ereignis von 1-2 MB
entspräche das einer Datenrate der Größenordnung 1 TB/s. Um diese Datenrate zu reduzieren und die aufgezeichneten Daten auf die physikalisch relevanten Ereignisse zu beschränken, wird ein dreistufiges Triggersystem verwendet. In der ersten Stufe, dem Ebene1-Trigger, wird eine einfache Ereignisselektion durchgeführt, die die Ereignisrate bereits
auf 75 kHz senken soll. Außerdem werden Bereiche des Detektors identifiziert, die interessante Informationen enthalten. Diese Bereiche werden im Ebene-2-Trigger mit einfachen
Auswahlalgorithmen untersucht. Die dritte Stufe, der Ereignisfilter, wendet aufwändigere, und langsamere, Rekonstruktions- und Triggeralgorithmen an, die denen der OfflineSoftware ähneln. Als Offline-Software wird der Teil der Software bezeichnet, mit dem die
Daten nach der Datennahme weiter verarbeitet und analysiert werden. Ebene-2-Trigger
und Ereignisfilter zusammen sollen die Ereignisrate auf den endgültigen Wert von etwa
100 Hz reduzieren. Die verbleibenden Ereignisse werden mit einer Datenrate von einigen
hundert MB/s aufgezeichnet.
4.3. Ereignis- und Detektorsimulation
Für vorbereitende Studien der Sensitivität des ATLAS-Experiments wie diese wird eine
Detektorsimulationssoftware verwendet. Diese wird auf simulierte Streuereignisse angewendet, welche mit Monte-Carlo-Programmen generiert werden.
4.3.1. Generierung von Streuereignissen
Die Theorie macht im Rahmen von Streuexperimenten Vorhersagen über das Matrixelement eines Streuprozesses an einem gegebenen Punkt im Phasenraum. Bei der Berechnung des Wirkungsquerschnitts des Prozesses aus dem Matrixelement ist es nötig, über
den Phasenraum zu integrieren. Diese Integration ist oft schwierig und nicht analytisch
durchführbar. Das Integral wird stattdessen numerisch mit Monte-Carlo-Programmen berechnet. Diese Programme erzeugen im Prinzip zufällig Punkte im Phasenraum, d.h. Sätze
von Vierervektoren, die die kinematischen Bedingungen erfüllen, und berechnen dort das
Matrixelement. Wenn man nun die erzeugten Punkte im Phasenraum mit dem quadrierten
Matrixelement, multipliziert mit einem Phasenraumfaktor und den Werten der Partondichteverteilungen für die beteiligten Partonen, gewichtet, und über kleine Bereiche des
Phasenraums mittelt, etwa indem man die Punkte in ein Histogramm füllt, so erhält man
eine Näherung für den differentiellen Wirkungsquerschnitt. Entwichtet“ man die Punkte
”
noch nach einem geeigneten Verfahren, so kann man die Phasenraumpunkte als simulierte Streuereignisse auffassen, deren Verteilungen dem differentiellen Wirkungsquerschnitt
folgen.
Das Matrixelement beschreibt nur einen Teil des gesamten Ereignisses, das sogenannte
harte“ Streuereignis. Als hartes“ Streuereignis bezeichnet man in einer Hadron-Hadron”
”
Kollision die direkte Wechselwirkung von einem Parton des einen Hadrons mit einem Parton des anderen Hadrons. Davon unterscheidet man die Abstrahlung von Teilchen im Anfangszustand (initial state radiation, ISR), die Abstrahlung von Teilchen im Endzustand
(final state radiation, FSR) und die Fragmentation bzw. Hadronisierung, die Bildung von
farbneutralen Hadronen im Endzustand.
Diese zusätzlichen Effekte können in einem Monte-Carlo-Programm nach der Erzeugung
des harten“ Streuereignisses in weiteren Schritten berücksichtigt werden. Für ein erzeug”
32
Der LHC und das ATLAS-Experiment
tes hartes“ Streuereignis werden dazu in einer Näherung perturbativ die Abstrahlung
”
von Teilchen im Anfangs- und im Endzustand, ISR und FSR, berechnet. Die abgestrahlten Teilchen können ihrerseits wieder Teilchen abstrahlen. Dies wird bis wird bis zu einer
bestimmten Skala, bis zu der perturbativ gerechnet werden kann, fortgesetzt. Im Fall
der QCD-Abstrahlung nennt man dies Parton-Schauer. Als nächster Schritt wird mittels
phänomenologischer Modelle die Bildung farbneutraler Hadronen aus den zuvor erzeugten
Partonen, die sogenannte Hadronisierung, berechnet. Je nach Teilchen werden schließlich
noch die Zerfälle berechnet, die vor dem Eintritt in den Detektor stattfinden. Zusätzlich
können weitere Wechselwirkungen zwischen den Partonen der Hadronen, aus denen auch
die am harten“ Streuereignis beteiligten Partonen stammen, sogenannte Mehrfachwech”
selwirkungen, berücksichtigt werden.
4.3.2. Simulation des Detektors
Nach der oben beschriebenen Rechnung ähneln die generierten Streuereignisse echten
Streuereignissen, wie sie mit dem ATLAS-Detektor nachgewiesen werden können. Auf
diese generierten Streuereignisse wird eine Simulation des Detektors angewendet. Man
erhält so eine theoretische Vorhersage für die Verteilungen und die Gesamtrate der nachgewiesenen Teilchen, die bereits sämtliche bekannten und modellierten Detektoreffekte
enthält. Die erhaltenen Verteilungen lassen sich daher unmittelbar mit den Verteilungen
der Messdaten vergleichen. Für vorbereitende Studien wie diese ist es nötig, simulierte
Daten anstelle der echten Daten zu verwenden. Die Detektorsimulation und teilweise auch
die Ereignissimulation wurden innerhalb der ATLAS-Software-Umgebung ATHENA in der
Version 10.0.1 durchgeführt.
Eine Möglichkeit der Detektorsimulation bietet das Programm GEANT [21]. Dabei handelt
es sich um ein Programm, das die Wechselwirkung von Teilchen mit Materie beschreibt.
Zunächst wird für das Programm eine ausführliche Beschreibung des Aufbaus des ATLASDetektors erstellt. Anhand dieser Beschreibung werden durch das Programm im Detail
die einzelnen Effekte wie Schauerbildung, Streuung, Energieverlust im inaktiven Material,
Ablenkung im Magnetfeld usw. berechnet. Im Anschluss daran wird die Rekonstruktionssoftware des ATLAS-Experiments angewendet, die später auch für die Rekonstruktion
der Messdaten verwendet werden wird. Abhängig vom eingesetzten Rechner dauert diese
vollständige Simulation für ein Ereignis mehrere Minuten. Für Analysen, in denen große
Monte-Carlo-Datensätze verwendet werden, teilweise mit mehreren Millionen simulierter
Ereignisse, ist dies nicht praktikabel. Zur schnellen Simulation vieler Ereignisse wurde daher eine schnelle Detektorsimulation, ATLFAST [22], geschrieben. In dieser Arbeit wurde
diese schnelle Detektorsimulation verwendet, da die erzeugten Monte-Carlo-Datensätze
teilweise sehr umfangreich sind.
In ATLFAST werden nur einige grundlegende Detektoreigenschaften wie die Granularität des Kalorimeters und der Abdeckungsbereich der einzelnen Detektorkomponenten
berücksichtigt. Die Antwort des Detektors wird parametrisiert in Abhängigkeit von der
Teilchenart sowie η und pT . Richtung und Betrag des Impulses eines Teilchens werden nach
gaußförmigen Auflösungsfunktionen, die nach Studien in vollständiger Detektorsimulation
kalibriert wurden, zufällig neu erzeugt. Im Gegensatz zur vollständigen Simulation werden
Teilchenschauer im Detektor nicht im Detail simuliert.
Im Kalorimeter werden zunächst mit einem Cone-Algorithmus mit einem Kegelradius von ∆R = 0.4 Gruppen aus Kalorimeterzellen gebildet (sogenannte Cluster )[22]. Den
Photonen und Elektronen im Ereignis wird nun ein Cluster zugeordnet, wobei der Abstand zwischen Teilchen und Cluster kleiner als ∆R = 0.15 sein muss. Dabei werden nur
4.3 Ereignis- und Detektorsimulation
33
Elektronen und Photonen mit pT > 5 GeV und |η| < 2.5 betrachtet. Der Bereich |η| < 2.5
entspricht dem Abdeckungsbereich des inneren Detektors. Er wird hier betrachtet, da im
Experiment zur Identifikation von Elektronen, Photonen und Myonen die Information des
inneren Detektors verwendet wird. Als nächstes werden Isolationskriterien für Elektronen,
Photonen und Myonen angewendet, wobei nur Myonen mit p T > 6 GeV und |η| < 2.5
betrachtet werden. Dazu wird gefordert, dass das nächste Cluster einen Abstand von mindestens ∆R = 0.4 von dem betrachteten Teilchen hat, und dass der Energieeintrag im
Kalorimeter aus anderen Quellen innerhalb eines Kegels von ∆R = 0.2 um das Teilchen
kleiner als 10 GeV ist. Die isolierten Teilchen werden nun getrennt gespeichert, und die entsprechenden Cluster werden aus der Liste der Cluster entfernt. Die verbleibenden Cluster
mit |η| < 5 und pT > 15 GeV werden als Jets aufgefasst.
Im Programmteil ATLFAST-B wird die Jet-Energie kalibriert. Diese Kalibration ist so
ausgelegt, dass die Massenskalen, jedoch nicht unbedingt die Energie- bzw. p T -Skalen
richtig wiedergegeben werden [22]. Das heißt, für jeweils zwei Jets wird die invariante
Masse der Partonen, aus denen die Jets entstanden sind, richtig wiedergegeben, nicht jedoch unbedingt der Transversalimpuls oder die Energie der Partonen. Außerdem wird in
ATLFAST-B die Identifikation von Jets durchgeführt, die aus den Zerfällen von τ -Leptonen
oder Hadronen, die b- oder c-Quarks enthalten, stammen. Für diese Identifikation wird in
der vollständigen Simulation und in den Messdaten die Information des inneren Detektors
benötigt. Sie wird daher auch in der schnellen Detektorsimulation nur im Bereich |η| < 2.5,
der durch den inneren Detektor abgedeckt wird, durchgeführt. Für die Identifikation von
b-Jets wird eine Effizienz von 50% angenommen. Die Wahrscheinlichkeit für die Fehlidentifikation eines c-Jets als b-Jet beträgt 1/10.9. Die Fehlidentifikationswahrscheinlichkeit
für die übrigen Jets beträgt 1/231.
Die Identifikation der hadronischen τ -Lepton-Zerfallsprodukte mit ATLFAST-B ist in
ATHENA 10.0.1 fehlerhaft [24]. Die Identifikationswahrscheinlichkeit wurde daher manuell durch einen Faktor in den erwarteten Ereigniszahlen berücksichtigt. Es wurde eine
Identifikationswahrscheinlichkeit von 50%, unabhängig von η und pT , angenommen. Die
τ -Lepton-Identifikation wurde für den Zerfallskanal H → τ τ → lepton + hadron benötigt.
Der Hauptuntergrund in diesem Kanal ist die Produktion eines Z-Bosons, welches in
τ τ → lepton + hadron zerfällt. Es wurde angenommen, dass der Hauptanteil des Untergrundes in diesem Fall aus echten τ -Lepton-Zerfällen stammt. Die Möglichkeit der Fehlidentifikation wurde nicht betrachtet. Für rekonstruierte Jets aus τ -Lepton-Zerfällen ist
zu berücksichtigen, dass hier die Jet-Energie-Kalibration zu falschen Ergebnissen f ührt.
Es wurden daher die unkalibrierten τ -Jet-Impulse verwendet.
Die Nachweiseffizienzen für Myonen und Elektronen sind in ATLFAST-B nicht enthalten. Sie werden zu dem bei ATLAS üblichen Wert von 90% angenommen und manuell
berücksichtigt.
34
Der LHC und das ATLAS-Experiment
5. Betrachtete Prozesse und erzeugte
Datensätze
In diesem Kapitel werden die betrachteten Prozesse vorgestellt. Die Wahl der in der Analyse verwendeten Signalprozesse wird anhand der Ergebnisse von Monte-Carlo-Studien zum
Entdeckungspotential motiviert. Die Untergrundprozesse werden aufgeführt, und die verwendeten Monte-Carlo-Programme und Wirkungsquerschnitte werden angegeben. Schließlich enthält das Kapitel eine Liste der verwendeten Datensätze (Tabelle 5.3), und eine
Übersicht über die verwendeten Schnitte auf Generatorniveau (Tabelle 5.2).
5.1. Entdeckungspotential des ATLAS-Detektors für ein
Standardmodell-Higgs-Boson
Das Entdeckungspotential des ATLAS-Detektors für ein Standardmodell-Higgs-Boson wurde im Rahmen des ATLAS Technical Design Report [20] untersucht. Der Kanal der Vektorbosonfusion wurde dort noch nicht betrachtet. Die Ergebnisse der Analysen dieses
Kanals wurden erst später veröffentlicht und in [25] zusammenfassend dargestellt. Die
Signalsignifikanz für ein Standardmodell-Higgs-Boson in den untersuchten Kanälen ist in
Abbildung 5.1 in Abhängigkeit von der Higgs-Boson-Masse dargestellt. Der dargestellte
Massenbereich entspricht in etwa dem experimentell noch nicht ausgeschlossenen Bereich.
Man sieht, dass die kombinierte Signalsignifikanz im gesamten Massenbereich f ür eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 über 5, bzw. 5 σ liegt. Die Vektorbosonfusion trägt im
Bereich kleiner bis mittlerer Higgs-Boson-Massen entscheidend zu dieser Signalsignifikanz
bei. Eine Signalsignifikanz von 5 bedeutet in diesem Fall, dass die Wahrscheinlichkeit, die
Summe der simulierten Signal- und Untergrundereignisse oder mehr alleine aus einer statistischen Fluktuation des Untergrundes ohne Beitrag durch den Signalprozess zu erhalten,
2.87 · 10−7 beträgt. Eine genaue Definition der Signalsignifikanz sowie der Unterschied
zwischen Gauß- und Poisson-Signifikanz werden in Anhang C angegeben.
In den Analysen für das ATLAS-Experiment werden bisher keine K-Faktoren verwendet,
da diese nicht für alle Untergrundprozesse bekannt sind. Als K-Faktor wird das Verhältnis
des Wirkungsquerschnitts in nächsthöherer Ordnung zur führenden Ordnung der Störungsreihe zum Wirkungsquerschnitt in führender Ordnung bezeichnet. Es ist bekannt, dass der
K-Faktor für den Kanal der Gluon-Gluon-Fusion in der Nähe von 2 liegt. Der K-Faktor
für die Vektorbosonfusion beträgt etwa 1.06. Es ist daher möglich, dass die Signalsignifikanz für diejenigen Kanäle in Abbildung 5.1, zu denen die Gluon-Gluon-Fusion beiträgt,
relativ zu der Signalsignifikanz der Vektorbosonfusion nach oben verschoben wird, sobald
die Analysen mit Rechnungen in höherer Ordnung durchgeführt worden sind.
In dieser Studie werden zwei verschiedene Werte für die Higgs-Boson-Masse betrachtet.
Es wird ein relativ kleiner Wert von 120 GeV gewählt, welcher aus der StandardmodellAnpassung (Abb. 3.1) bevorzugt wird, sowie ein größerer Wert von 160 GeV, der ebenfalls
im experimentell erlaubten Bereich liegt. Bei der Higgs-Boson-Masse von 120 GeV wird
der Zerfallskanal H → τ + τ − betrachtet, der in diesem Bereich die größte Signalsignifikanz besitzt. Es wurde zunächst nur der Zerfallskanal τ + τ − → ll + 4ν betrachtet. Da
36
Signal significance
Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
H → γγ
ttH (H → bb)
H → ZZ(*) → 4 l
H → WW(*) → lνlν
∫ L dt = 30 fb
(no K-factors)
-1
10
ATLAS
2
qqH → qq WW
qqH → qq ττ
(*)
Total significance
10
1
100
120
140
160
180
200
2
mH (GeV/c )
Abbildung 5.1.: Entdeckungspotential für ein Standardmodell-Higgs-Boson im Bereich
kleiner bis mittlerer Higgs-Bosonmassen [25]. Der Kanal der Vektorbosonfusion wird in
der Abbildung mit qqH bezeichnet.
die erwartete Ereignisrate in diesem Kanal klein ist, und sich die Messung der anomalen
Kopplungen als entsprechend schwierig erweist, wird, um die Sensitivität auf die anomalen Kopplungen bei dieser Higgs-Boson-Masse zu erhöhen, zusätzlich der Zerfallskanal
τ + τ − → lepton + hadron betrachtet. Bei der Higgs-Boson-Masse von 160 GeV wird der
Zerfallskanal H → W + W − betrachtet, der an diesem Punkt die größte Signalsignifikanz
besitzt. Für den Zerfall der W -Bosonen wird der Kanal W + W − → llνν betrachtet. Aufgrund der größeren Ereigniszahl wird in diesem Kanal eine größere Sensitivität auf die
anomalen Kopplungen aus den Verteilungen der Teilchen im Endzustand nach Analyseschnitten erwartet. Die Grenzen an die anomalen Kopplungen, die bei L3 gewonnen wurden, sind bei der größeren Higgs-Boson-Masse deutlich schwächer, so dass das Potential
für eine Verbesserung der Ausschlussgrenzen hier höher sein sollte.
5.2. Erzeugung von Signalereignissen
Die Signalereignisse wurden mit dem Programm vbfnlo [27] (s. auch Anhang A in [11])
erzeugt. Obwohl der Name nahelegt, das es sich um eine Rechnung in nächsthöherer Ordnung zur führenden Ordnung handelt, wurde das Programm nur in führender Ordnung
verwendet. Das Programm enthält die in Abschnitt 2.6 vorgestellten anomalen HiggsBoson-Kopplungen in verschiedenen Parametrisierungen. Für diese Studie wird die Parametrisierung in Gl. 2.36 mit Λ5e = 480 GeV, wie in Abschnitt 3.2 beschrieben, verwendet.
Der Prozess der Vektorbosonfusion mit Standardmodellkopplungen ist auch in dem häufig
5.2 Erzeugung von Signalereignissen
37
verwendeten und in ATHENA enthaltenen Programm Pythia [29] enthalten. Die Studien
zum Entdeckungspotential wurden z.B. mit Pythia angefertigt. Daher wurde überprüft,
ob die Verteilungen der mit vbfnlo mit Standardmodellkopplungen erzeugten Ereignisse
mit denen aus Pythia übereinstimmen. Die Ergebnisse dieses Vergleichs werden in Abschnitt 6.6 vorgestellt.
In vbfnlo wird das Matrixelement Mprod für die Produktion eines Higgs-Bosons in dem
Prozess qq → qqH berechnet. Für den Zerfall H → τ + τ − wird das Produktionsmatrixelement für die weitere Rechnung quadriert und mit dem Verzweigungsverhältnis für den
Zerfall des Higgs-Bosons multipliziert. Das Matrixelement hängt somit nicht von den Impulsen der τ -Leptonen ab. Das bedeutet, dass durch das Matrixelement keine Konfiguration der τ -Leptonimpulse bevorzugt wird, was zu einem isotropen Zerfall des Higgs-Bosons
im Higgs-Boson-Ruhesystem führt. Die Zerfälle der τ -Leptonen werden von vbfnlo nicht
berechnet.
Das quadrierte Matrixelement ist im Kanal H → τ + τ − eine Funktion der im Prozess
HZZ und g HW W , deren Form nicht einauftretenden anomalen Kopplungskonstanten, g 5e/o
5e/o
fach anzugeben ist. Die totale Zerfallsbreite des Higgs-Bosons hängt von den anomalen
Kopplungen ab und geht über den Propagator des Higgs-Bosons in das quadrierte Matrixelement ein. Außerdem hängt das Verzweigungsverhältnis für den Zerfall des Higgs-Bosons
in ein Paar von τ -Leptonen von den anomalen Kopplungen ab. Der Rest des quadrierten
Matrixelements unter Ausschluss des Higgs-Boson-Propagators und des Verzweigungsverhältnisses für den Zerfall ist für den Fall, dass zusätzlich zur Standardmodellkopplung
entweder die CP-gerade oder die CP-ungerade anomale Kopplung auftritt, eine quadraHZZ oder g HW W . Diese quadratische Funktion enthält einen Term,
tische Funktion von g5e/o
5e/o
der proportional zum Quadrat der Standardmodellkopplung ist, einen Interferenzterm,
der proportional zur Standardmodellkopplung und zur anomalen Kopplungskonstanten
ist, und einen Term, der quadratisch in der anomalen Kopplungskonstanten ist:
∗
) + |Manom |2
|Mprod |2 = |MSM |2 + 2Re(MSM Manom
(5.1)
Das Matrixelement MSM in dieser Gleichung ist linear in der Standardmodellkopplung,
und das Matrixelement Manom ist linear in der Kopplungskonstanten der anomalen Kopplung. Die quadratische Abhängigkeit von der Kopplungskonstanten der anomalen Kopplung bleibt auch dann erhalten, wenn gleichzeitig anomale HW W - und HZZ-Kopplungen
verwendet werden. Die Prozesse der W W -Fusion und der ZZ-Fusion werden getrennt berechnet, so dass in einem Ereignis entweder die HW W - oder die HZZ-Kopplungskonstante
auftritt. Die Interferenz zwischen den Prozessen wird nicht berücksichtigt. Eine mögliche
Erklärung dafür, weshalb die Interferenz vernachlässigt werden kann, ist, dass in der W W Fusion, im Gegensatz zur ZZ-Fusion, die Quarks ihr Flavour wechseln, und die Quarks
generell in Vorwärtsrichtung gestreut werden. Die entsprechenden Phasenraumbereiche
mit gleichen Anfangs- und Endzuständen sind also für beide Prozesse voneinander verschieden.
Im Fall H → W + W − wird das komplette Zerfallsmatrixelement M dec für den Prozess
H → W + W − → llνν, gegebenenfalls mit anomalen HW W -Kopplungen, berechnet. In
der weiteren Rechnung wird das Produkt|M prod |2 |Mdec |2 gebildet. Auf diese Weise werden
alle Off-Shell-Beiträge der W -Bosonen berücksichtigt. Die Zerfälle von τ -Leptonen aus
dem Zerfall von W -Bosonen werden von vbfnlo nicht berechnet.
Die vollständige Abhängigkeit des quadrierten Matrixelements von den Kopplungskonstanten der anomalen Kopplungen lässt sich auch im Kanal H → W + W − → llνν nicht einfach angeben. Die anomalen Kopplungen gehen auch in diesem Kanal in das Verzweigungsverhältnis im Zerfall des Higgs-Bosons ein sowie über die Zerfallsbreite des Higgs-Bosons in
38
Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
den Higgs-Boson-Propagator. Für den Fall, dass zusätzlich zur Standardmodellkopplung
entweder die CP-gerade oder die CP-ungerade anomale Kopplung auftritt, ist das quadrierte Zerfallsmatrixelement eine quadratische Funktion der anomalen Kopplungskonstanten
HW W . Das quadrierte Produktionsmatrixelement ohne den Higgs-Boson-Propagator ist
g5e/o
HZZ oder g HW W .
eine quadratische Funktion der anomalen Kopplungskonstanten g 5e/o
5e/o
Das Programm vbfnlo erzeugt nur den harten“ Streuprozess. Die erzeugten Ereignisse
”
werden in eine Datei geschrieben, die die Einträge der sogenannten Les Houches Common
Blocks [28] in einem speziellen Format enthält, welches auch von den Programmen der
MadCUP-Familie verwendet wird. In ATHENA ist eine Funktion implementiert, die dieses
Format einliest. Das in ATHENA enthaltene Pythia berechnet für die Ereignisse die ISR,
FSR, Fragmentation, Zerfälle und Mehrfachwechselwirkungen. Dies ist eine häufig verwendete Vorgehensweise bei Monte-Carlo-Generatoren, die nur das harte“ Ereignis auf
”
Matrixelement-Niveau enthalten. Pythia besitzt speziell zu diesem Zweck eine Schnittstelle für sogenannte externe Prozesse“ die ebenfalls die Les Houches Common Blocks
”
verwendet. Für die Berechnung der Zerfälle von τ -Leptonen wurde die Bibliothek Tauola
[30] verwendet, welche die Spinkorrelationen korrekt behandelt. Die elektromagnetische
Abstrahlung der τ -Leptonen wurde mit dem Programm Photos [31] berechnet. Es wurden die in ATHENA 10.0.1 enthaltenen Versionen Pythia 6.226, Tauola 2.7 und Photos 2.6
verwendet.
In allen Programmen wurden die Partondichteverteilungen CTEQ5L verwendet. Diese
geben bei der zu wählenden Faktorisierungsskala Q die Wahrscheinlichkeit an, im Proton
ein Quark mit einem bestimmten Flavour oder ein Gluon mit dem Impulsanteil x am
Protonimpuls anzutreffen. Zusätzlich zur Faktorisierungsskala, bei der die Partondichteverteilungen ausgewertet werden, muss die Renormierungsskala, bei der die Kopplungskonstanten berechnet werden, festgelegt werden. Im Programm vbfnlo wurden die Skalen
auf den Impulsübertrag des zur entsprechenden Quarklinie gehörenden W bzw. Z-Bosons
gesetzt. Für die beiden einlaufenden Quarks wurden also verschiedene Skalen verwendet.
Bei dieser Einstellung ist zu beachten, dass standardmäßig keine Information über die
Skalen in die Ausgabedatei geschrieben wird. Die gesamte Information ließe sich ohnehin
nicht übermitteln, da die Les Houches Common Blocks nur eine einzige Variable für die
”
Skala des Ereignisses“, die Variable SCALUP, enthalten. Wenn keine Skala für den externen
Prozess angegeben wird, verwendet Pythia standardmäßig die Schwerpunktsenergie der
Partonen ŝ. Da diese Skala für den Prozess der Vektorbosonfusion zu groß ist, erhält man
auf diese Weise starke Abweichungen in den Verteilungen von den Verteilungen von mit
Pythia generierten Ereignissen. Bei der Generierung von Ereignissen der Vektorbosonfusion mit Pythia wird für Ereignisse der W W -Fusion die W -Masse und für Ereignisse der
ZZ-Fusion die Z-Masse als Skala verwendet. Die Subroutine von vbfnlo, die die generierten Ereignisse in eine Datei schreibt, wurde an diese Wahl der Skala angepasst, so dass f ür
Ereignisse der W W -Fusion die W -Masse und für Ereignisse der ZZ-Fusion die Z-Masse
in die Datei geschrieben wird. Diese Wahl der Skala lässt sich für die Rechnung innerhalb
von vbfnlo nicht einstellen. Der Vergleich zwischen vbfnlo und Pythia in Abschnitt 6.6
zeigt, dass man mit dieser Einstellung der Skalen eine gute Übereinstimmung zwischen
beiden Programmen erreicht.
Pythia verwendet für externe Prozesse die eingelesene Skala des Ereignisses“ aus der
”
Variablen SCALUP als obere Grenze, bei der der Parton-Schauer abgeschnitten wird. Bei der
Berechnung des Parton-Schauers wird die Skala außerdem nochmals als Faktorisierungsskala für die Auswertung der Partondichteverteilungen verwendet. Es ist zu beachten, dass
Pythia die eingelesene Skala nicht direkt verwendet, sondern zuvor für die ISR mit dem
Parameter PARP(67) und für die FSR mit dem Parameter PARP(71) multipliziert. Für den
39
5.2 Erzeugung von Signalereignissen
Pythia-internen Prozess werden diese Faktoren jedoch nicht angewendet. Standardmäßig
ist PARP(67) auf 1 gesetzt und PARP(71) auf 4. Mit diesen Einstellungen sind in der Verteilung einer bestimmten Schnittvariablen deutliche Unterschiede zwischen den mit vbfnlo
generierten Daten und den mit Pythia generierten Daten zu sehen. Dies wird in Abschnitt 6.6 diskutiert. Die Faktoren PARP(67) und PARP(71) sind a priori nicht festgelegt
und innerhalb gewisser Grenzen frei wählbar. Um eine möglichst gute Übereinstimmung
zwischen vbfnlo und Pythia zu erreichen, wurden beide Faktoren auf 1 gesetzt.
5.2.1. Erzeugung von Massen und Spins für die τ -Leptonen
In der verwendeten Version generiert vbfnlo τ -Leptonen, die weder Masse noch Spin
besitzen. Diese beiden Größen wurden daher nachträglich hinzugefügt. Dafür wurden zwei
Programme geschrieben, die die Ausgabedateien von vbfnlo modifizieren, eins f ür den
(−)
Zerfall H → τ + τ − und eins für den Zerfall W ± → τ ± ντ .
Für den Zerfall H → τ + τ − ergibt sich im Fall masseloser τ -Leptonen im Ruhesystem
des Higgs-Bosons, dass der Betrag der Impulse τ -Leptonen m H /2 ist. Führt man die
Rechnung mit massiven τ -Leptonen durch, so erhält man
|p| =
s
m2H
− m2τ =
4
s
|
1−4
{z
β
m2τ mH
.
m2H 2
(5.2)
}
Die Impulse der τ -Leptonen werden daher zunächst ins Ruhesystem des Higgs-Bosons
transformiert. Die 3 Raumkomponenten der Impulse werden nun mit dem Faktor β multipliziert, die Energie wird nicht verändert. Schließlich werden die Impulse ins Laborsystem
zurücktransformiert. Die Spins werden entweder beide parallel oder beide antiparallel zu
den τ -Lepton-Impulsen gewählt. Für jedes Ereignis wird mit einer Wahrscheinlichkeit von
jeweils 50 % eine der beiden Möglichkeiten zufällig ausgewählt. Die τ -Leptonen erhalten
so stets beide positive oder beide negative Helizität. Auf diese Weise macht man einen
Fehler von der Ordnung mτ /mH in den Spinkorrelationen, der vernachlässigt werden kann
[32].
(−)
Für den Zerfall W ± → τ ± ντ wird ähnlich verfahren. Die Impulse des τ -Leptons und
des Neutrinos werden zunächst ins Ruhesystem des W -Bosons transformiert. Aus einer
einfachen Rechnung folgt, dass die Energie des Neutrinos, sowie die Raumkomponenten
m2τ
der Impulse von Neutrino und τ -Lepton mit 1− m
2 zu multiplizieren sind. Die Energie der
2
W
mτ
τ -Leptonen wird mit 1 + m
multipliziert. Dabei wird die Off-Shell-W -Boson-Masse ver2
W
wendet. Anschließend werden die Impulse ins Laborsystem zurücktransformiert. Der Spin
wird für τ − -Leptonen antiparallel zur Richtung des Leptonimpulses gesetzt, der Spin für
τ + -Leptonen entsprechend parallel. τ − -Leptonen erhalten so stets negative Helizität, τ + Leptonen erhalten positive Helizität. Auch diese Wahl der Spins ist nur im relativistischen
Grenzfall für die τ -Leptonen exakt richtig.
5.2.2. Wirkungsquerschnitte
Die Wirkungsquerschnitte, multipliziert mit den Verzweigungsverhältnissen, die von
vbfnlo berechnet werden, weichen etwas von den in [25] veröffentlichten mit den Verzweigungsverhältnissen multiplizierten Wirkungsquerschnitten ab. Die entsprechenden Werte
40
Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
vbfnlo Werte aus [25],[33]
H→
mH = 120 GeV
BR H → τ + τ −
0.0567
0.0697
σ·BR [fb]
243.7
304
σ(vbfnlo)·BR([25]) [fb]
300
H → W + W − → llνν, mH = 160 GeV
BR H → W + W −
0.932
0.918
±
BR W → lν
0.1084
0.1068
σ·BR [fb]
317.3
303.3
σ(vbfnlo)·BR([25]) [fb]
304
τ +τ −,
Tabelle 5.1.: Vergleich der Produktions-Wirkungsquerschnitte und der Verzweigungsverhältnisse aus der Rechnung mit vbfnlo mit denen aus [25]. Die statistischen Fehler der
vbfnlo-Rechnung sind vernachlässigbar klein.
sind in Tabelle 5.1 angegeben. Für die Rechnungen in vbfnlo und allen anderen verwendeten Programmen wird die Top-Quark-Masse auf 175 GeV eingestellt. Auf Generatorniveau wird in vbfnlo lediglich für die beiden Quarks im Endzustand p T > 5 GeV
und E > 5 GeV gefordert. Diese Generatorschnitte sind relativ schwach und nicht die
Hauptursache für den Unterschied zu [25]. Vielmehr weichen die Verzweigungsverhältnisse (Branching Ratio, BR), die vbfnlo berechnet, von denen in [25] ab. Dividiert man
die mit den Verzweigungsverhältnissen multiplizierten Wirkungsquerschnitte durch die jeweiligen Verzweigungsverhältnisse, so erhält man eine gute Übereinstimmung zwischen
vbfnlo und [25]. In Tabelle 5.1 sind zum Vergleich die Werte der Wirkungsquerschnitte
aus vbfnlo, multipliziert mit den Verzweigungsverhältnissen aus [25], angegeben. Da die
Verzweigungsverhältnisse in [25] im Vergleich zu denen aus vbfnlo zusätzliche Korrekturen enthalten, werden im Folgenden die Werte aus [25] verwendet.
5.2.3. Erzeugte Datensätze
Es wurden jeweils 4.5 Millionen Ereignisse mit Standardmodellkopplungen für die Kanäle
H → τ + τ − → ll+4ν und H → τ + τ − → lepton+hadron bei einer Higgs-Boson-Masse von
120 GeV sowie H → W + W − → llνν bei einer Higgs-Boson-Masse von 160 GeV erzeugt.
Außerdem wurden für jeden dieser Kanäle 1.5 Millionen Ereignisse erzeugt, für die die
Standardmodellkopplungen auf 0 gesetzt waren, und die CP-geraden anomalen KopplunHZZ = 1 und g HW W = cos2 θ = 0.7685.
gen (im Folgenden auch CPE, für CP even) auf g5e
w
5e
Analog wurden für jeden Kanal 1.5 Millionen Ereignisse mit den CP-ungeraden anomaHZZ = 1 und g HW W = 0.7685
len Kopplungen (im Folgenden auch CPO, für CP odd) g5o
5o
ohne Standardmodellkopplungen erzeugt. ISR, FSR, Hadronisierung, Zerfälle bis auf τ Lepton-Zerfälle und und Mehrfachwechselwirkungen wurden durch Pythia berechnet. Für
τ -Lepton-Zerfälle und die elektromagnetische Abstrahlung der τ -Leptonen wurden Tauola
und Photos verwendet. Im Kanal H → τ + τ − → ll + 4ν wurden nur leptonische τ -LeptonZerfälle erzeugt. In H → τ + τ − → lepton+hadron wurde ein τ -Lepton leptonisch zerfallen
gelassen, das andere hadronisch. Im Kanal H → W + W − → llνν wurden alle τ -LeptonZerfälle zugelassen. Zur Detektorsimulation wurde ATLFAST verwendet.
41
5.3 Erzeugung von Untergrundereignissen
5.3. Erzeugung von Untergrundereignissen
Für alle Untergrundereignisse wurden ISR, FSR, Hadronisierung, Zerfälle und Mehrfachwechselwirkungen durch Pythia berechnet. Für die τ -Lepton-Zerfälle wurden wie für
die Signalereignisse Tauola und Photos verwendet. Die Detektorsimulation wurde mit
ATLFAST durchgeführt.
5.3.1. tt̄
t
g
t
g
t̄
Abbildung 5.2.: Beispiel-Feynman-Graph für den Untergrundprozess tt̄
Ein Untergrundprozess mit einem großen Wirkungsquerschnitt am LHC ist die Produktion von tt̄-Paaren (Abbildung 5.2). Die Top-Quarks zerfallen zu nahezu 100% in ein
W -Boson und ein b-Quark. Die W -Bosonen können leptonisch Zerfallen, und die aus den
b-Quarks hervorgehenden Jets bzw. auch andere Jets aus dem Partonschauer können als
Tagging Jets fehlidentifiziert werden. Die Ereignisse für diesen Prozess wurde mit Pythia
erzeugt. Für die W -Bosonen wurden nur leptonische Zerfälle zugelassen. Für τ -Leptonen
wurden alle Zerfallskanäle berücksichtigt. Der Wirkungsquerschnitt multipliziert mit den
Verzweigungsverhältnissen beträgt laut Pythia 51.66 pb. Pythia gibt keinen statistischen
Fehler auf den Wirkungsquerschnitt an. Es wurden 65 Millionen Ereignisse generiert.
5.3.2. Wt
t
g
t
b
W−
Abbildung 5.3.: Beispiel-Feynman-Graph für den Untergrundprozess Wt
Dieser Untergrund (Abbildung 5.3) hat einen ähnlich großen Wirkungsquerschnitt wie
die Top-Quark-Paarproduktion. Auch in diesem Fall zerfällt das Top-Quark in ein W Boson und ein b-Quark. Die beiden W -Bosonen können leptonisch zerfallen. Diese Zerfallsleptonen können die Leptonen der Vektorbosonfusion vortäuschen und der aus dem
Bottom-Quark entstehende Jet einen der beiden Tagging Jets. Zusätzlich wird für eine
Fehlidentifikation des Ereignisses noch ein weiterer Jet benötigt, bei dem es sich entweder um einen Jet handeln kann, der aus dem Partonschauer entstanden ist, oder um
42
Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
einen fehlrekonstruierten Jet. Die Produktion des W t-Untergrundes wurde mit dem Programm TopReX [34] in der in ATHENA enthaltenen Version 4.06 berechnet. Es wurden alle
Zerfallskanäle zugelassen. Auf die erzeugten Ereignisse wurde ein Filter angewendet, der
mindestens ein Lepton mit |η| < 3 und p T > 8 GeV forderte. Der Wirkungsquerschnitt
multipliziert mit den Verzweigungsverhältnissen und der Filtereffizienz beträgt 26.66 pb.
Der statistische Fehler wird auch für diesen Prozess vom Programm nicht angegeben. Es
wurden 34 473 508 Ereignisse nach dem Filter erzeugt.
5.3.3. WWjj(EW)
q
Z
W
q
W
W
Z
q
q
Abbildung 5.4.: Beispiel-Feynman-Graph für den Untergrundprozess WWjj(EW)
Die Produktion von zwei W -Bosonen zusammen mit zwei Jets ohne den Austausch eines
Higgs-Bosons (Abbildung 5.4) spielt vor allem als Untergrund für den Signalprozess mit
dem Zerfall H → W + W − eine Rolle, da die beiden Prozesse denselben Endzustand haben.
Es wurden nur solche Feynman-Diagramme betrachtet, die keine QCD-Vertizes enthalten
(EW, für electroweak ). In [25] wurde gezeigt, dass der Prozess WWjj(QCD), bei dem
mindestens ein QCD-Vertex in jedem Feynman-Diagramm auftritt, nach Analyseschnitten
einen vernachlässigbar kleinen Beitrag darstellt. Die Ereignisse des Prozesses WWjj(EW)
wurden mit dem Programm MadEvent [35] erzeugt. MadEvent beruht auf dem Programm
MadGraph [36]. Unter der Angabe von Anfangs- und Endzustand generiert MadGraph alle
auftretenden Feynman-Diagramme und Ausdrücke für die zugehörigen Amplituden. Aus
diesen Ausdrücken erzeugt MadGraph für im Prinzip beliebige Prozesse auf Born-Niveau
den Quelltext für einen Ereignisgenerator. Dieser Ereignisgenerator ist MadEvent.
In MadEvent wurde gefordert, dass für die Quarks im Endzustand |η| < 5.5 und p T >
15 GeV gilt. Außerdem wurde ein Abstand von ∆R > 0.3 zwischen den Quarks gefordert.
MadEvent ist, wie vbfnlo, ein Monte-Carlo-Programm, das das harte“ Streuereignis auf
”
Parton-Ebene erzeugt. Es schreibt ebenfalls Ausgabedateien, die die Information aus den
Les Houches Common Blocks enthalten. MadEvent schreibt diese Informationen im sogenannten MadEvent-Format. Für dieses Format existiert ebenfalls eine Funktion in ATHENA,
die die Dateien einliest. Um die Ereignisse konsistent zu den Signalereignissen zu behandeln, wurde auch für diesen Prozess in Pythia der Parameter PARP(71) auf 1 gesetzt (vgl.
Abschnitt 5.2). Die Zerfälle der W -Bosonen wurden von Pythia berechnet. Es wurden
nur leptonische Zerfälle erzeugt. Bei gegebenenfalls darauf folgenden τ -Lepton-Zerfällen
wurden alle Zerfallskanäle zugelassen.
Der von MadEvent berechnete Wirkungsquerschnitt, multipliziert mit dem Verzweigungsverhältnis für die leptonischen W -Boson-Zerfälle, beträgt 95.4 ± 1.1 fb. Der angegebene Fehler ist der statistische Fehler. Die Erzeugung von Ereignissen mit MadEvent
43
5.3 Erzeugung von Untergrundereignissen
benötigt relativ viel Rechenzeit, daher wurde der Wirkungsquerschnitt nicht genauer berechnet. Es wurden 148 000 Ereignisse generiert.
5.3.4. Gluon-Gluon-Fusion
Der Prozess der Higgs-Boson-Produktion durch Gluon-Gluon-Fusion stellt nach den in
der Vektorbosonfusion verwendeten Analyseschnitten einen Beitrag dar, dessen Wirkungsquerschnitt mit dem der übrigen Untergrundprozesse vergleichbar ist. In den Analysen des
Entdeckungspotentials für die Vektorbosonfusion wird die Gluon-Gluon-Fusion dem Signal
zugerechnet. In dieser Studie wird jedoch nicht in erster Linie das Entdeckungspotential
für ein Higgs-Boson untersucht. Es wird davon ausgegangen, dass ein Kandidat für ein
Higgs-Boson bereits entdeckt worden ist, und dass dessen Kopplungen an elektroschwache Eichbosonen untersucht werden. Für diese Untersuchung stellt der Beitrag durch die
Gluon-Gluon-Fusion einen störenden Effekt dar. Daher wird der Prozess in dieser Arbeit
als Untergrund bezeichnet. Für die Behandlung des Prozesses in der Analyse hat das keine
Auswirkungen, es handelt sich lediglich um eine Frage der Bezeichnung.
Für jeden der drei betrachteten Signalkanäle wurde ein Monte-Carlo-Datensatz des entsprechenden Kanals in der Gluon-Gluon-Fusion erzeugt. Die Ereignisse wurden mit Pythia
generiert. Die τ -Leptonzerfälle wurden wie bei der Generierung der Signalereignisse behandelt. Für den Kanal H → τ + τ − → ll +4ν wurden 300 000 Ereignisse erzeugt. Der Wirkungsquerschnitt, multipliziert mit den Verzweigungsverhältnissen, beträgt laut Pythia
170.1 fb. Für den Kanal H → τ + τ − → lepton+hadron wurden 900 000 Ereignisse erzeugt.
Der Wirkungsquerschnitt, multipliziert mit den Verzweigungsverhältnissen, beträgt laut
Pythia 313.2 fb. Für den Kanal H → W + W − → llνν wurden 1 200 000 Ereignisse erzeugt.
Der Wirkungsquerschnitt, multipliziert mit den Verzweigungsverhältnissen, beträgt laut
Pythia 991.2 fb.
5.3.5. Zjj(EW)
q
q
W
W
q
Z
q
Abbildung 5.5.: Beispiel-Feynman-Graph für den Untergrundprozess Zjj(EW)
Die Produktion eines Z-Bosons zusammen mit zwei Jets (Abbildung 5.5) stellt einen
wichtigen Untergrund für den Prozess H → τ + τ − dar. Der Beitrag aus Ereignissen mit
dem Zerfall Z → τ + τ − lässt sich nur schwer durch Schnitte unterdrücken. Die Ereignisse für den rein elektroschwachen Prozess wurden mit einem Programm aus der MadCUPFamilie [37] erzeugt. Die MadCUP-Programme sind Generatoren des harten“ Streuprozesses
”
auf Parton-Niveau, die die erzeugten Ereignisse in eine Ausgabedatei im auch von vbfnlo
verwendeten MadCUP-Format schreiben. Das Programm erzeugt Ereignisse, in denen das
Z-Boson bereits leptonisch zerfallen ist. Auf Generator-Niveau wurde für die Quarks und
Leptonen im Endzustand pT > 5 GeV gefordert. Der erlaubte Bereich für die Off-ShellMasse des Z-Bosons war mZ − 15 GeV bis mZ + 160 GeV. Die τ -Lepton-Zerfälle wurden
44
Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
wie für die übrigen Prozesse mit Tauola und Photos durchgeführt. Es wurden alle Zerfallskanäle zugelassen. Der vom Programm berechnete Wirkungsquerschnitt, multipliziert mit
dem Verzweigungsverhältnis, beträgt 2.764 pb. Der statistische Fehler ist vernachlässigbar
klein. Es wurden 3 152 807 Ereignisse erzeugt.
5.3.6. Zjj(QCD)
q
q
q
g
q
q
Z
Abbildung 5.6.: Beispiel-Feynman-Graph für den Untergrundprozess Zjj(QCD)
Der Prozess Zjj(QCD) (Abbildung 5.6), insbesondere mit dem Zerfall Z → τ + τ − , stellt
den Hauptuntergrund für den Signalprozess H → τ + τ − dar. Er unterscheidet sich von
Zjj(EW) dadurch, das nur solche Feynman-Diagramme berücksichtigt werden, die mindestens einen QCD-Vertex enthalten. Die Ereignisse dieses Prozesses wurden ebenfalls mit
einem Programm aus der MadCUP-Familie erzeugt und in derselben Weise behandelt,
wie die Ereignisse des Prozesses Zjj(EW). Da der Prozess am LHC voraussichtlich einen
sehr großen Wirkungsquerschnitt haben wird, war es nötig, einige Schnitte auf GeneratorNiveau anzuwenden, um die Anzahl der zu generierenden Ereignisse zu beschränken. Für
die Quarks im Endzustand wurde pT > 20 GeV, |η| < 6 und |∆η| > 3.0 gefordert. Zwischen
den Leptonen und den Quarks wurde ein Abstand von jeweils ∆R > 0.3 gefordert. Die
invariante Masse der beiden Quarks im Endzustand sollte mindestens 400 GeV betragen.
Die Leptonen mussten die Bedingungen |η| < 3 und p T > 5 GeV erfüllen. Für die Masse
des Z-Bosons wurde der Bereich von 75 GeV bis 160 GeV zugelassen. Nach diesen Schnitten beträgt der vom Programm berechnete Wirkungsquerschnitt 26.67 pb. Der statistische
Fehler ist vernachlässigbar. Es wurden 27 951 817 Ereignisse erzeugt.
45
5.3 Erzeugung von Untergrundereignissen
Quarks im Endzustand:
pT
E
|η|
∆R
|∆η|
mqq
Leptonen im Endzustand:
pT
|η|
mll
Quarks und Leptonen:
∆R
VBF
WWjj(EW)
Zjj(EW)
Zjj(QCD)
> 5 GeV
> 5 GeV
-
> 15 GeV
< 5.5
> 0.3
-
> 5 GeV
-
> 20 GeV
<6
>3
> 400 GeV
-
-
> 5 GeV
(76.19 - 251.19)
GeV
> 5 GeV
<3
(75 - 160)
GeV
-
-
-
> 0.3
Tabelle 5.2.: Übersicht über die verwendeten Generatorschnitte. Für die (nicht aufgeführten) mit Pythia generierten Monte-Carlo-Datensätze wurden die Standardeinstellungen
von Pythia in ATHENA 10.0.1 verwendet. Zu dem im Prozess Wt verwendeten Filter s.
Text.
46
Betrachtete Prozesse und erzeugte Datensätze
Prozess
VBF: H → τ + τ − → ll + 4ν
mH = 120 GeV, SM Kopplungen
VBF: H → τ + τ − → ll + 4ν
mH = 120 GeV, CPE Kopplungen
VBF: H → τ + τ − → ll + 4ν
mH = 120 GeV, CPO Kopplungen
VBF: H → τ + τ − → lνν + hadron
mH = 120 GeV, SM Kopplungen
VBF: H → τ + τ − → lνν + hadron
mH = 120 GeV, CPE Kopplungen
VBF: H → τ + τ − → lνν + hadron
mH = 120 GeV, CPO Kopplungen
VBF: H → W + W − → llνν
mH = 160 GeV, SM Kopplungen
VBF: H → W + W − → llνν
mH = 160 GeV, CPE Kopplungen
VBF: H → W + W − → llνν
mH = 160 GeV, CPO Kopplungen
gg-Fusion: H → τ + τ − → ll + 4ν
mH = 120 GeV
gg-F.: H → τ + τ − → lνν + hadron
mH = 120 GeV
gg-Fusion: H → τ + τ − → ll + 4ν
mH = 160 GeV
tt̄, W -Zerfälle leptonisch
Wt, Ein-Lepton-Filter (s. Text)
WWjj(EW), W -Zerfälle leptonisch
Zjj(EW), Z-Zerfälle leptonisch
Zjj(QCD), Z-Zerfälle leptonisch
Generator
vbfnlo
Wirkungsquerschnitt
37.67 fb
Anzahl
Ereignisse
4 500 000
vbfnlo
-
1 500 000
vbfnlo
-
1 500 000
vbfnlo
138.7 fb
4 500 000
vbfnlo
-
1 500 000
vbfnlo
-
1 500 000
vbfnlo
303.3 fb
4 500 000
vbfnlo
-
1 500 000
vbfnlo
-
1 500 000
Pythia
170.1 fb
300 000
Pythia
313.2 fb
900 000
Pythia
991.2 fb
1 200 000
Pythia
TopReX
MadEvent
MadCUP
MadCUP
51.66 pb
26.66 pb
95.4±1.1 fb
2.764 pb
26.12 pb
65 000 000
34 473 508
148 000
3 152 807
27 951 817
Tabelle 5.3.: Übersicht über die verwendeten Monte-Carlo-Datensätze. Für die Datensätze mit rein anomalen Kopplungen existiert keine Vorhersage für den Wirkungsquerschnitt, da die Stärke der Kopplung nicht bestimmt ist. Der statistische Fehler auf den
Wirkungsquerschnitt ist nur für den Prozess WWjj(EW) bekannt und nicht vernachlässigbar. Die Wirkungsquerschnitte für den Signalprozess werden im Text diskutiert. Die übrigen Wirkungsquerschnitte entsprechen den vom jeweiligen Programm berechneten Werten
nach Generatorschnitten.
6. Schnittanalyse
Der Ausgangspunkt für diese Arbeit ist die Annahme, dass ein neues, dem StandardmodellHiggs-Boson ähnelndes, skalares Teilchen am LHC bereits entdeckt worden ist. Das Entdeckungspotential für ein Standardmodell-Higgs-Boson in der Vektorbosonfusion ist bereits untersucht worden, und die entsprechenden Schnittanalysen sind bereits optimiert.
Für diese Analyse wurden die Schnitte aus [25] und [5] zum größten Teil übernommen.
Detaillierte Informationen zu den einzelnen Schnitten finden sich dort. In diesem Kapitel
werden einige wichtige Schnitte kurz beschrieben, und es werden umfassende Listen der
Schnitte für die drei betrachteten Kanäle angegeben.
6.1. Motivation der Schnittkriterien
6.1.1. Signatur der Vektorbosonfusion
In Abbildung 6.1 ist eine Skizze eines typischen Ereignisses der Vektorbosonfusion im
ATLAS-Detektor dargestellt. Die beiden am harten“ Streuprozess teilnehmenden einlau”
fenden Quarks werden gestreut und gehen in die sogenannten Tagging Jets über. Diese
haben einen großen Abstand in η voneinander und einen relativ großen Transversalimpuls.
Da bei der Streuung keine Farbe zwischen den Quarks ausgetauscht wird, findet QCDAbstrahlung vor allem im Winkelbereich zwischen den Impulsvektoren eines Quarks vor
und nach der Streuung statt. Da die Quarks in der Vektorbosonfusion bevorzugt unter
kleinen Winkeln gestreut werden, findet die Abstrahlung entsprechend in Vorwärts- bzw.
Rückwärtsrichtung statt. Im Bereich in η zwischen den Tagging Jets findet im Allgemeinen
keine QCD-Abstrahlung statt.
Die Zerfallsprodukte des Higgs-Bosons werden bevorzugt in Richtungen mit kleinem
Betrag der Pseudorapidität ausgesendet. Da zu ihrer Identifikation der innere Detektor
benötigt wird, können sie nur nachgewiesen werden, wenn sie sich innerhalb des Bereichs
|η| < 2.5 befinden.
Im Zerfall H → W + W − → llνν sind die Richtungen der Impulse der geladenen Leptonen aufgrund der Ausrichtung der Spins der W -Bosonen miteinander korreliert. Da das
Higgs-Boson ein skalares Teilchen ist, haben die W -Bosonen im Zerfall H → W + W −
entgegengesetzte Spins. Die geladenen Leptonen aus dem Zerfall der W -Bosonen werden
daher bevorzugt in die gleiche Richtung ausgesendet (s. Abbildungen 6.2 und 6.9).
Der Zerfall H → τ + τ − erfolgt im Ruhesystem des Higgs-Bosons isotrop. Da die Impulse der Zerfallsprodukte der τ -Leptonen im Laborsystem näherungsweise kollinear zum
Impuls des jeweiligen τ -Leptons sind (s. Abschnitt 6.2), erhält man in diesem Kanal keine starke Richtungskorrelation der sichtbaren Zerfallsprodukte des Higgs-Bosons durch
Spinkorrelationen.
6.1.2. Schnitte nach der Signatur der Vektorbosonfusion
In allen betrachteten Kanälen werden Kandidaten für die beiden Tagging Jets mit einem
gewissen Mindesttransversalimpuls gefordert. Zwischen den Kandidaten wird ein Mindestabstand in η gefordert.
48
Schnittanalyse
2π
l−
l+
Jet
φ
Jet
0
−5
−2.5
0
η
2.5
5
Abbildung 6.1.: Typisches Ereignis der Vektorbosonfusion im Detektor, am Beispiel des
Kanals H → W + W − → llνν, dargestellt in Abhängigkeit von η und φ. Die sichtbaren
Zerfallsprodukte des Higgs-Bosons, in diesem Fall die beiden geladenen Leptonen, werden
im Zentralbereich des Detektors nachgewiesen. Es werden zwei Tagging Jets mit einem
großen Abstand in η voneinander beobachtet. Im Bereich in η zwischen den Tagging Jets
befinden sich keine weiteren Jets mit großem Transversalimpuls.
Im Gegensatz zur Vektorbosonfusion findet QCD-Abstrahlung bei Prozessen, bei denen
im t-Kanal Farbe durch ein Gluon oder Quark ausgetauscht wird, auch im Bereich in
η zwischen den Tagging Jet-Kandidaten statt (s. Abbildung 6.3). Die Abwesenheit dieser zentralen Abstrahlung in der Vektorbosonfusion lässt sich durch die Forderung eines
Jet-Vetos für zusätzliche Jets im Zentralbereich des Detektors oberhalb eines gewissen
Transversalimpulses ausnutzen.
Die vektorielle Summe der Transversalimpulse der Teilchen im Endzustand des harten“
”
Streuprozesses auf Parton-Ebene ist Null. Man definiert daher die vektorielle Größe
l,1
l,2
j,2
miss
ptot
+ pj,1
T := pT + pT + pT
T + pT
(6.1)
j,2
für die Impulse der Tagging Jets pj,1
T und pT , die Impulse der sichtbaren Higgs-Bosonl,1
l,2
. Falls in einem
Zerfallsprodukte pT und pT und den fehlenden Transversalimpuls p miss
T
Ereignis die Jet- und Leptonimpulse richtig zugeordnet werden, und der fehlende Transversalimpuls nur durch die Neutrinos aus Zerfällen der Zerfallsprodukte des Higgs-Bosons
verursacht wird, sollte der Betrag von p tot
T klein sein. Größere Abweichungen des Betrages
von Null können durch die Abstrahlung von zusätzlichen Jets mit großem Transversalimpuls bewirkt werden, deren Transversalimpulse in der Summe nicht berücksichtigt werden.
Eine solche Abstrahlung tritt, wie oben erwähnt, vor allem in Untergrundprozessen auf,
zu denen die starke Wechselwirkung beiträgt. Ein Schnitt auf |ptot
T | ist daher mit dem
Jet-Veto korreliert und wird in [5] als Alternative zum Jet-Veto verwendet.
Für jeden Kanal wird gefordert, dass Kandidaten für die sichtbaren Zerfallsprodukte
des Higgs-Bosons nachgewiesen werden.
Im Kanal H → W + W − → llνν wird die Richtungskorrelation der geladenen Leptonen
durch Schnitte auf die Winkelgrößen der Leptonimpulse ausgenutzt.
Im Kanal H → τ + τ − kann aus den Impulsen der sichtbaren τ -Lepton-Zerfallsprodukte
und dem fehlenden Transversalimpuls die invariante Masse des τ -Leptonpaares rekonstruiert werden. Diese Rekonstruktion wird in Abschnitt 6.2 beschrieben. Die invariante
6.2 Rekonstruktion der Higgs-Boson-Masse in H → τ + τ −
S=1
S=1
W−
W+
S=
e+
1
2
49
S=
νe
1
2
S=
1
2
S=
e−
1
2
νe
Abbildung 6.2.: Skizze zur Richtungskorrelation der Leptonen im Zerfall H →
W + W − → llνν. Die Spins der W -Bosonen sind einander entgegengesetzt, da das HiggsBoson Spin 0 hat. Die Spins eines Lepton-Neutrino-Paars müssen in der Summe den Spin
des zugehörigen W -Bosons ergeben, sie müssen daher parallel zum Impuls des W -Bosons
gerichtet sein. Aus der Bedingung, dass das Neutrino und das Antineutrino links- bzw.
rechtshändig sein müssen, ergibt sich die dargestellte Bewegungsrichtung der Leptonen.
Masse des τ -Leptonpaares entspricht der Masse des Bosons im Zerfall H → τ + τ − oder
Z → τ + τ − . Durch die Wahl eines Fensters um die Masse des Higgs-Bosons ist es möglich,
den Z → τ + τ − -Untergrund zu unterdrücken.
Der Trigger für die Vektorbosonfusion mit den Zerfällen H → W + W − oder H → τ + τ −
erfordert entweder ein isoliertes Elektron mit p T > 25 GeV oder ein Myon mit pT > 20 GeV
oder zwei isolierte Elektronen mit p T > 15 GeV oder zwei Myonen mit pT > 10 GeV oder
ein isoliertes Elektron mit pT > 15 GeV und ein Myon mit pT > 10 GeV.
6.1.3. Schnitte gegen bestimmte Untergrundprozesse
Der Beitrag aus den Prozessen tt̄ und Wt lässt sich unterdrücken, indem man fordert,
dass die als Tagging Jets rekonstruierten Jets nicht als b-Jets identifiziert worden sind.
Die Identifikation eines Tagging Jets als b-Jet ist nur innerhalb von |η| < 2.5 möglich, da
hierfür die Information des inneren Detektors benötigt wird.
Der Untergrund durch Z → e+ e− /µ+ µ− im Kanal H → W + W − lässt sich unterdrücken, indem Ereignisse mit einer invarianten Leptonpaarmasse in der Nähe der ZBoson-Masse verworfen werden. Für kleine invariante Leptonpaarmassen lässt sich dieser
Untergrund durch einen Schnitt auf die transversale Masse des Lepton-Neutrino-Systems
unterdrücken [25]. Diese ist definiert als
mT (llν) =
q
2PT (ll)PTmiss (1 − cos ∆φ)
(6.2)
mit dem Winkel ∆φ zwischen dem Summenvektor der transversalen Leptonimpulse und
dem fehlenden Transversalimpuls.
6.2. Rekonstruktion der Higgs-Boson-Masse in H → τ + τ −
Es ist möglich, im Zerfall H/Z → τ + τ − → ll + 4ν die Masse des ursprünglichen Bosons
aus den Impulsen der nachgewiesenen geladenen Leptonen und dem fehlenden Transversalimpuls zu rekonstruieren. Hierfür wird die Näherung verwendet, dass der Impuls eines
τ -Leptons und die Impulse der beiden Neutrinos aus dem Zerfall des τ -Leptons parallel
50
Schnittanalyse
q1
q1
q3
W/Z
q3
H0
g
q2
W/Z
q2
q4
q4
Abbildung 6.3.: Skizze zum Farbfluss in der Vektorbosonfusion und in einem typischen
QCD-Prozess, in dem ein Gluon im t-Kanal ausgetauscht wird. Die Quarks q 3 und q4
werden jeweils vorwiegend in Vorwärtsrichtung gestreut, d.h. der Winkel zwischen einlaufendem und auslaufendem Quark ist klein. Die Abstrahlung von Gluonen (analog zur
Synchrotronstrahlung) findet im Winkelbereich zwischen ein- und auslaufender Farbladung statt, d.h. in der Vektorbosonfusion im relativ kleinen Winkelbereich zwischen einund auslaufendem Quark. Im QCD-Prozess werden die Farbladungen um nahezu 180 ◦
abgelenkt, und die Abstrahlung von Gluonen findet im gesamten dadurch aufgespannten
Winkelbereich statt.
zum gemessenen Impuls des sichtbaren Leptons liegen (die sogenannte kollineare Nähe”
rung“ s. Abbildung 6.4). Diese Näherung ist zulässig, da die Massen der τ -Leptonen klein
sind im Vergleich zur Masse des Z- bzw. Higgs-Bosons. Die τ -Leptonen erhalten aufgrund
dieser Massendifferenz im Zerfall des Bosons im Laborsystem einen im Vergleich zu ihrer
Masse großen Impuls. Einen zusätzlichen Beitrag zu diesem Impuls liefert der Transversalimpuls des Bosons. Die Impulse der Zerfallsprodukte eines τ -Leptons werden durch die
Transformation vom Ruhesystem des τ -Leptons ins Laborsystem am Impuls des τ -Leptons
ausgerichtet.
Im Folgenden werden sämtliche Leptonen als masselos betrachtet. Im Zerfall H/Z →
τ + τ − → lepton + hadron lässt sich die Masse des Bosons analog rekonstruieren. Es ist
lediglich eines der nachgewiesenen geladenen Leptonen durch die hadronischen Zerfallsprodukte eines τ -Leptons zu ersetzen.
Man definiert die Impulsanteile xτ1 und xτ2 der sichtbaren Leptonen an den τ -LeptonImpulsen über
xτi pτi := pli .
(6.3)
Aus dem Parallelogramm der Impulse in der x-y-Ebene (s. Abb. 6.4) lassen sich x τ1 und
xτ2 berechnen. Es gilt
pTτ1 + pTτ2 =
pT
pTl1
+ l2 = pTl1 + pTl2 + pTmiss
x τ1
x τ2
(6.4)
Auflösen nach xτ1 und xτ2 ergibt:
x τ1
x τ2
=
=
pxl2 pyl1 − pxl1 pyl2
pxl2 pyl1 + pxl2 pymiss − pyl2 pxl1 − pyl2 pxmiss
pxl1 pyl2 − pxl2 pyl1
pxl1 pyl2 + pxl1 pymiss − pyl1 pxl2 − pyl1 pxmiss
(6.5)
(6.6)
Damit wird die Masse des Bosons berechnet als
mτ τ =
q
(pτ1 + pτ2 )2 =
q
mll
.
2pµτ1 pµτ2 = √
x τ1 x τ2
(6.7)
6.3 Selektionsschnitte für H → W + W − → llνν
51
Abbildung 6.4.: Impulsdiagramm zur Rekonstruktion der Higgs-Boson-Masse. Es wird
die kollineare Näherung verwendet, in der alle Zerfallsprodukte der τ -Leptonen parallel
zum Impuls der τ -Leptonen emittiert werden. Das Diagramm stammt aus [5].
6.3. Selektionsschnitte für H → W +W − → llνν
1. Jet- und Leptonakzeptanz: Es werden zwei nachgewiesene Kandidaten für die Tagging
Jets im Ereignis gefordert. Der Jet mit dem größten pT im Bereich η < 0 und der
Jet mit dem größten pT im Bereich η > 0 werden als Tagging Jet-Kandidaten
betrachtet. Außerdem werden zwei nachgewiesene Leptonen gefordert. Ein Lepton
muss pT > 20 GeV haben, das andere Lepton pT > 15 GeV.
2. b-Jet Veto: Die Tagging Jet-Kandidaten dürfen nicht als b-Jet identifiziert worden
sein.
3. Tagging Jet-Identifikation: Ein Tagging Jet-Kandidat muss p T > 40 GeV haben, der
andere pT > 20 GeV. Die Tagging Jet-Kandidaten müssen einen Abstand von ∆η >
3.8 voneinander haben. Die Leptonimpulse müssen in der Pseudorapidität zwischen
min < η
max
den Tagging Jet-Kandidaten liegen: η tag
l1,2 < ηtag .
4. Leptonschnitte: Für die Leptonen wird ∆φll < 1.05, ∆Rll < 1.8, cos θll > 0.2, mll <
85 GeV und pT (l) < 120 GeV gefordert.
5. Unterdrückung von Z → τ + τ − : Ereignisse mit xτ1 > 0 und xτ2 > 0 und |mτ τ −mZ | <
25 GeV werden verworfen.
6. Invariante Masse der Tagging Jets: m jj > 550 GeV
7. Impulserhaltung: |ptot
T | < 30 GeV
8. Zentrales Jet-Veto: Zusätzlich zu den Tagging Jet-Kandidaten dürfen im Bereich |η| <
3.2 keine weiteren Jets mit pT > 20 GeV liegen.
9. Zusätzliche Z → e+ e− /µ+ µ− -Unterdrückung: Für Ereignisse mit zwei Elektronen oder
zwei Myonen wird zusätzlich mll < 75 GeV und pmiss
> 30 GeV gefordert.
T
52
Schnittanalyse
Signal H → W W → llνν
+
-
tt
gg → H
Anzahl Ereignisse / 6.25 GeV
WWjj(EW)
Wt
30 fb-1
30
25
20
15
10
5
0
0 20 40 60 80 100120140160180200
mT (llν) [GeV]
Abbildung 6.5.: Verteilung der erwarteten Ereigniszahlen für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 in der letzten Schnittgröße, mT (llν), im Kanal H → W + W − → llνν
nach allen Schnitten bis auf den letzten. Für jeden Prozess wurden alle generierten Ereignisse verwendet. Die Verteilungen wurden auf die im Mittel erwarteten Ereigniszahlen
bei der angegebenen integrierten Luminosität normiert. Der dargestellte Schnitt wird zur
Unterdrückung der Zjj-Prozesse angewendet, deren Verteilungen nicht dargestellt sind (s.
Text).
10. mT (llν)-Schnitt: mT (llν) > 30 GeV
Die Ergebnisse dieser Schnittanalyse für Signal- und Untergrundprozesse sind in Tabelle
6.1 angegeben. Die Verteilung in der letzten Schnittvariablen, m T (llν), vor dem letzten
Schnitt ist in Abbildung 6.5 dargestellt. Es werden nur die Untergrundprozesse t t̄, Wt,
Gluon-Gluon-Fusion und WWjj(EW) betrachtet. Die bei der Erzeugung von Zjj(EW)
und Zjj(QCD) angewendeten Schnitte auf Generatorniveau sind nicht für die Analyse
in diesem Kanal geeignet. Da die beiden Prozesse in diesem Kanal nach Schnitten laut
[25] nur eine geringe Rolle spielen, wurden die entsprechenden Untergrundereignisse mit
geeigneten Generatorschnitten nicht extra erzeugt. Wenn man den Beitrag der GluonGluon-Fusion zum Signal zählt, erhält man für eine integrierte
Luminosität von 30 fb−1
√
eine Poisson-Signifikanz von 26. Die Gauß-Signifikanz S/ U beträgt 37. Dies deutet darauf
hin, dass sich eine Gauß- und eine Poisson-Verteilung in ihren Ausläufern bei großen
Abständen vom Mittelwert auch bei relativ großen Mittelwerten noch deutlich voneinander
unterscheiden. Daher sollte auch bei relativ großen erwarteten Untergrundereigniszahlen
für große Signifikanzen die Poisson-Signifikanz verwendet werden.
6.4 Selektionsschnitte für H → τ + τ − → ll + 4ν
Signal
gg-Fusion
tt̄
Wt
WWjj(EW)
σ·BR
vor Schnitten
303.3 fb
991.2 fb
51.66 pb
26.67 pb
95.4±1.1 fb
53
σ·BR
nach Schnitten
9.46±0.02 fb
0.96±0.03 fb
1.23±0.03 fb
0.77±0.02 fb
0.43±0.02 fb
Ereignisse für 30 fb−1
nach Schnitten
284±1
29±1
37±1
23±1
13±1
Tabelle 6.1.: Ergebnisse der Schnittanalyse für den Kanal H → W + W − → llνν. In der
letzten Spalte ist die im Mittel erwartete Anzahl Ereignisse für eine integrierte Luminosität
von 30 fb−1 nach Schnitten angegeben. Die statistischen Fehler wurden dort angegeben,
wo sie bekannt und von Null verschieden sind.
Anzahl Ereignisse / 2.5 GeV
6.4. Selektionsschnitte für H → τ + τ − → ll + 4ν
Signal H →ττ→ ll + 4ν
Zjj (QCD)
Zjj (EW)
12
tt
Wt
WWjj (EW)
gg→ H
10
8
-1
30 fb
6
4
2
0
80
90
100
110
120
130
140
150
mττ [GeV]
Abbildung 6.6.: Verteilung der erwarteten Ereigniszahlen für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 in der letzten Schnittgröße, der invarianten τ -Leptonpaarmasse, im Kanal
H → τ + τ − → ll + 4ν nach allen Schnitten bis auf den letzten. Für jeden Prozess wurden
alle generierten Ereignisse verwendet. Die Verteilungen wurden auf die im Mittel erwarteten Ereigniszahlen bei der angegebenen integrierten Luminosität normiert.
1. Jet- und Leptonakzeptanz: Es werden zwei nachgewiesene Kandidaten für die Tagging
Jets im Ereignis gefordert. Diese werden wie im Fall H → W + W − identifiziert. Es
wird gefordert, dass die Triggerbedingungen für Leptonen im Ereignis erfüllt werden
(Ein- oder Zwei-Lepton-Trigger), und dass mindestens zwei Leptonen im Ereignis
nachgewiesen werden. Es werden die beiden Leptonen mit den größten Transversalimpulsen ausgewählt.
2. b-Jet Veto: Die Tagging Jet-Kandidaten dürfen nicht als b-Jet identifiziert worden
54
Schnittanalyse
Signal
gg-Fusion
tt̄
Wt
WWjj(EW)
Zjj(EW)
Zjj(QCD)
σ·BR
vor Schnitten
37.67 fb
170.1 fb
51.66 pb
26.67 pb
95.4±1.1 fb
2.76 pb
26.12 pb
σ·BR
nach Schnitten
0.61 fb
0.03 fb
0.02 fb
0.01 fb
0.02 fb
0.05±0.01 fb
0.23±0.01 fb
Ereignisse für 30 fb−1
nach Schnitten
18
1
1
0
1
2
7
Tabelle 6.2.: Ergebnisse der Schnittanalyse für den Kanal H → τ + τ − → ll + 4ν. In der
letzten Spalte ist die im Mittel erwartete Anzahl Ereignisse für eine integrierte Luminosität
von 30 fb−1 nach Schnitten angegeben. Die statistischen Fehler wurden dort angegeben,
wo sie bekannt und von Null verschieden sind.
sein.
3. Tagging Jet-Identifikation: Ein Tagging Jet-Kandidat muss p T > 50 GeV haben, der
andere pT > 30 GeV. Die Tagging Jet-Kandidaten müssen einen Abstand von ∆η >
4.4 voneinander haben. Die Leptonimpulse müssen in der Pseudorapidität zwischen
den Tagging-Jet-Kandidaten liegen. Der Abstand zwischen Lepton und Jet muss
min + 0.7 < η
max
jeweils mindestens ∆η > 0.7 betragen: η tag
l1,2 < ηtag − 0.7.
4. Fehlender Transversalimpuls: p miss
> 50 GeV
T
5. Invariante Masse der Tagging Jets: m jj > 700 GeV
6. Zentrales Jet-Veto: Zusätzlich zu den Tagging-Jet-Kandidaten dürfen im Bereich |η| <
3.2 keine weiteren Jets mit pT > 20 GeV liegen.
7. Abstand zwischen Leptonimpulsen: ∆R ll < 2.4
8. τ -Lepton-Rekonstruktion: xτ1 > 0 und xτ2 > 0 und x2τ1 + x2τ2 < 1
9. Higgs-Boson-Massenfenster: 110 GeV < m τ τ < 135 GeV
Die Ergebnisse dieser Analyse für Signal- und Untergrundprozesse sind in Tabelle 6.2
angegeben. Die Verteilung in der letzten Schnittgröße, der invarianten Masse des τ -LeptonPaars, vor dem letzten Schnitt ist in Abbildung 6.6 dargestellt. Für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 erhält man eine Poisson-Signifikanz von 4.7.
6.5. Selektionsschnitte für H → τ +τ − → lepton + hadron
1. Jet- und Leptonakzeptanz: Es werden zwei nachgewiesene Kandidaten für die Tagging
Jets im Ereignis gefordert. Diese werden wie im Fall H → W + W − identifiziert. Es
wird ein isoliertes Elektron mit pT > 25 GeV oder ein Myon mit pT > 20 GeV
gefordert.
2. b-Jet Veto: Die Tagging Jet-Kandidaten dürfen nicht als b-Jet identifiziert worden
sein.
Anzahl Ereignisse / 2.5 GeV
6.5 Selektionsschnitte für H → τ + τ − → lepton + hadron
55
Signal H→ττ→ lepton + hadron
Zjj(QCD)
14
Zjj(EW)
gg→ H
12
-1
30 fb
10
8
6
4
2
0
80
90
100
110
120
130
140
150
mττ [GeV]
Abbildung 6.7.: Verteilungen der erwarteten Ereigniszahlen für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 in der letzten Schnittgröße, der invarianten τ -Leptonpaarmasse, im
Kanal H → τ + τ − → lepton + hadron nach allen Schnitten bis auf den letzten. Für jeden
Prozess wurden alle generierten Ereignisse verwendet. Die Verteilungen wurden auf die im
Mittel erwarteten Ereigniszahlen bei der angegebenen integrierten Luminosität normiert.
3. Hadronischer τ -Zerfall: Es wird ein Cluster im Kalorimeter gefordert, das als aus einem hadronischen τ -Lepton-Zerfall stammend identifiziert wurde. Das Cluster muss
pT > 40 GeV haben. Da die Identifikationseffizienz durch ATLFAST-B in ATHENA
10.0.1 nicht richtig wiedergegeben wird (vgl. Abschnitt 4.3), wird zur Identifikation
die Information aus ATLFAST verwendet, in der die Identifikationseffizienz 100 % beträgt. Eine Identifikationseffizienz von 50 % wird nachträglich berücksichtigt, indem
die Hälfte der Ereignisse verworfen wird.
4. Tagging Jet-Identifikation: Ein Tagging Jet-Kandidat muss p T > 40 GeV haben, der
andere pT > 20 GeV. Die Tagging Jet-Kandidaten müssen einen Abstand von ∆η >
4.4 voneinander haben. Die Impulse der τ -Lepton-Zerfallsprodukte müssen in der
min < η
max
Pseudorapidität zwischen den Tagging-Jet-Kandidaten liegen: η tag
l,h < ηtag .
5. τ -Lepton-Rekonstruktion: 0 < xτl < 0.75 und 0 < xτh < 1. Die Rekonstruktion wurde
analog zum Fall H → τ + τ − → ll + 4ν durchgeführt.
6. Transversale Masse: mT (lν) =
q
2pT (l)pmiss
(1 − cos ∆φ) < 30 GeV
T
> 30 GeV
7. Fehlender Transversalimpuls: p miss
T
8. Invariante Masse der Tagging Jets: m jj > 700 GeV
9. Zentrales Jet-Veto: Im Bereich der Pseudorapidität wischen den Tagging Jet-Kandidaten dürfen keine weiteren Jets mit pT > 20 GeV liegen.
10. Higgs-Boson-Massenfenster: 110 GeV < m τ τ < 135 GeV
56
Schnittanalyse
Signal
gg-Fusion
Zjj(EW)
Zjj(QCD)
σ·BR
vor Schnitten
138.7 fb
313.2 fb
2.76 pb
26.12 pb
σ·BR
nach Schnitten
0.46 fb
0.02 fb
0.03±0.01 fb
0.18±0.01 fb
Ereignisse für 30 fb−1
nach Schnitten
14
1
1
5
Tabelle 6.3.: Ergebnisse der Schnittanalyse für den Kanal H → τ + τ − → lepton+hadron.
In der letzten Spalte ist die im Mittel erwartete Anzahl Ereignisse für eine integrierte
Luminosität von 30 fb−1 nach Schnitten angegeben. Die statistischen Fehler wurden dort
angegeben, wo sie bekannt und von Null verschieden sind.
Die Ergebnisse dieser Analyse für Signal- und Untergrundprozesse sind in Tabelle 6.3
angegeben. Die Verteilung in der letzten Schnittgröße, der invarianten Masse des τ -LeptonPaars, vor dem letzten Schnitt ist in Abbildung 6.7 dargestellt. Da die Identifikation von
hadronischen τ -Lepton-Zerfällen, wie bereits in Abschnitt 4.3 erwähnt, in ATHENA 10.0.1
nicht richtig funktioniert, wird eine Identifikationseffizienz von 50% manuell angewendet.
Da die Fehlidentifikation von QCD-Jets auf diese Weise nicht berücksichtigt wurde, wurden nur die Zjj-Untergrundprozesse sowie die Gluon-Gluon-Fusion betrachtet. Es wurde
angenommen, dass der Hauptbeitrag dieser Prozessen aus echten τ -Leptonzerfällen aus
Z/H → τ + τ − stammt. In [25] wurde gezeigt, dass die anderen Untergrundprozesse nach
allen Schnitten vernachlässigbar sind. Für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 erhält
man eine Poisson-Signifikanz von 4.3.
6.6. Vergleich von vbfnlo mit Pythia
Die Programme vbfnlo und Pythia enthalten beide den Prozess der Vektorbosonfusion in
führender Ordnung. Sofern man in vbfnlo die anomalen Kopplungen deaktiviert, sollten
die Ergebnisse aus beiden Programmen miteinander übereinstimmen. Um die Ergebnisse
von vbfnlo zu überprüfen, wurden die Verteilungen der Schnittgrößen in den erzeugten
Signaldatensätzen mit denen in Kontrolldatensätzen verglichen, die mit Pythia erzeugt
wurden. Dabei zeigte sich zunächst, dass es wichtig ist, wie in 4.3 beschrieben, in den
Ausgabedateien von vbfnlo die in der Variablen SCALUP in einem der Les Houches Common Blocks gespeicherte Skala des Ereignisses“ richtig zu setzen. Wenn die Skala auf
”
den Wert gesetzt wird, der auch bei der Ereigniserzeugung in Pythia als Faktorisierungsund Renormierungsskala verwendet wird, verbleiben dennoch einige kleinere Abweichungen. Eine Verteilung, die immer noch eine Abweichung zeigt, ist die in der Größe |ptot
T |
(s. Abb. 6.8). Es stellte sich heraus, dass der Parameter PARP(71) in Pythia bei der Verwendung der Vektorbosonfusion als externer Prozess auf 1 gesetzt werden muss, um die
gleiche Verteilung wie in mit Pythia generierten Ereignissen zu erhalten. Der Parameter
PARP(71) ist, wie in 5.2 erläutert, ein Faktor, mit dem der Wert der Variablen SCALUP
multipliziert wird, um die Abschneideskala des Parton-Schauers der FSR zu erhalten. Die
Effizienz des Schnittes auf |ptot
T | steigt mit PARP(71) = 1 gegenüber der Standardeinstellung PARP(71) = 4 um etwa 15%, die Effizienz aller Schnitte zusammen um über 30%. Dies
zeigt, dass die Anzahl der Signalereignisse nach allen Schnitten sensitiv auf die a priori
nicht festgelegte Abschneideskala der FSR ist.
Die Verteilungen der letztlich für die Analyse verwendeten, mit vbfnlo erzeugten Er-
57
Anteil der Ereignisse
6.6 Vergleich von vbfnlo mit Pythia
0.18
0.16
0.14
0.12
0.1
0.08
0.06
0.04
0.02
0
0
10 20 30 40 50 60 70 80
|
|ptot
T
90
[GeV]
Abbildung 6.8.: Verteilung in der Größe |ptot
T | vor Schnitten. Die mit Pythia erzeugte
Verteilung ist in schwarz dargestellt. Die mit vbfnlo erzeugten Verteilungen sind in gr ün
für PARP(71) = 1 und in rot für PARP(71) = 4 dargestellt. Die schwarze Verteilung ist zur
besseren Sichtbarkeit mit Markern dargestellt.
eignisse in einigen Schnittvariablen sind für das Beispiel des Kanals H → W + W − → llνν
bei mH = 160 GeV in Abb. 6.9 und 6.10 dargestellt. Zum Vergleich sind die entsprechenden Verteilungen von mit Pythia generierten Ereignissen dargestellt. Man sieht, dass die
verbleibenden Abweichungen klein sind.
Schnittanalyse
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
58
0.1
0.08
0.06
0.04
0.02
0.12
0.1
0.08
0.06
0.04
0.02
0
0
50
100
150
200
250
300
350
00
400
20
40
60
80
100 120
140
160 180
j2
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
j1
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
00
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
1
2
3
4
5
6
7
0-3
8
-2
-1
0
1
2
3
1
Anteil der Ereignisse
0.06
0.05
0.04
0.03
4
∆ηjl
∆ηjj
Anteil der Ereignisse
200
pT [GeV]
pT [GeV]
0.02
0.06
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
0.01
0
0.5
1
1.5
2
2.5
00
3
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
0.5
0.4
0.3
0.2
4
∆Rll
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
∆φll
0.045
0.04
0.035
0.03
0.025
0.02
0.015
0.01
0.1
0.005
0-1
-0.8
-0.6 -0.4
-0.2
-0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
cosθll
00
10
20
30
40
50
60
70
80
90
mll [GeV]
Abbildung 6.9.: Verteilungen einiger Schnittgrößen für den Kanal H → W + W − → llνν
bei mH = 160 GeV. Die mit vbfnlo erzeugten Verteilungen sind schwarz dargestellt, die
mit Pythia erzeugten Verteilungen grün.
pT,j1 : der größere der beiden Transversalimpulse der Tagging Jets
pT,j2 : der kleinere der beiden Transversalimpulse der Tagging Jets
∆ηjj : Abstand der Tagging Jets voneinander in η
∆ηjl,1 : Abstand zwischen Tagging Jet und Lepton mit dem jeweils kleineren η
∆φll , ∆Rll , cos θll : Abstände in den Richtungen der Leptonenimpulse
mll : invariante Masse des Leptonpaars
59
0.12
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
6.6 Vergleich von vbfnlo mit Pythia
0.1
0.08
0.06
0.04
0.02
0.06
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
0
-3
-2
-1
0
1
2
0
3
20
40
60
80
100
120
140
xτ
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
1
0.05
0.04
0.03
0.02
160
180
mττ [GeV]
0.18
0.16
0.14
0.12
0.1
0.08
0.06
0.04
0.01
0
0.02
0
200 400 600 800 1000 12001400 1600 1800 2000
0
20
40
60
tot
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
0.035
0.03
0.025
0.02
0.015
100 120 140 160 180 200
|pT | [GeV]
mjj [GeV]
0.04
80
0.06
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
0.01
0.005
00
20
40
60
80
100
120
140
160
mT(llν) [GeV]
00
20
40
60
80 100 120 140 160 180 200
miss
pT
[GeV]
Abbildung 6.10.: Verteilungen einiger Schnittgrößen für den Kanal H → W + W − → llνν
bei mH = 160 GeV. Die mit vbfnlo erzeugten Verteilungen sind schwarz dargestellt, die
mit Pythia erzeugten Verteilungen grün.
xτ1 : hypothetischer Anteil des Impulses des Leptons mit dem größeren Transversalimpuls
am Impuls des entsprechenden τ -Leptons (vgl. Beschreibung der Schnitte)
mτ τ : rekonstruierte invariante Masse des τ -Leptonpaares
mjj : invariante Masse des Tagging Jet-Paares
|ptot
T |, mT (llν): s. Text
: fehlender Transversalimpuls
pmiss
T
60
Schnittanalyse
7. Bestimmung des dominanten
Kopplungsterms
Nach der Entdeckung eines neuen Teilchens am LHC, etwa durch eine der in Kapitel 6 vorgestellten Schnittanalysen, werden dessen Eigenschaften zu untersuchen sein. Dies bedeutet die Bestimmung der Quantenzahlen und Kopplungen des Teilchens. Für ein Teilchen
mit Spin 0, das mit der Ereignisrate, die für ein Standardmodell-Higgs-Boson vorhergesagt wird, produziert wird, wird sich die Frage stellen, ob es sich tatsächlich um ein
Higgs-Boson handelt. In der Vektorbosonfusion ist es möglich, die Kopplung des Teilchens
an zwei schwache Eichbosonen daraufhin zu untersuchen, ob sie durch die im Standardmodell für das Higgs-Boson vorhergesagte Kopplung oder durch eine der in Abschnitt
2.6 angegebenen anomalen Kopplungen beschrieben wird. Durch die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Kopplungstermen kann, wie in Abschnitt 2.6.4 erläutert, die CPQuantenzahl des Teilchens bestimmt werden, und ein Standardmodell-Higgs-Boson kann
von einem Teilchen unterschieden werden, welches durch ein skalares Eichsinglett-Feld
beschrieben wird.
In diesem Kapitel wird zunächst eine Methode erläutert, nach der durch einen χ2 -Test
untersucht werden kann, welcher der in Kapitel 2 beschriebenen Kopplungsterme den dominanten Beitrag zur Kopplung eines Teilchens mit Spin 0 an zwei schwache Eichbosonen
darstellt. Die Methode wird anschließend auf Monte-Carlo-Testdatensätze mit Ereignissen
der Vektorbosonfusion mit Standardmodell-Kopplungen angewendet, die die möglichen
Daten des ATLAS-Experiments nach den ersten Jahren der Datennahme simulieren. Auf
diese Weise wird untersucht, ob es für ein Standardmodell-Higgs-Boson am LHC möglich
sein wird, den Fall einer rein anomalen Kopplung auszuschließen.
In der Diskussion wird davon ausgegangen, dass in den Kopplungstermen das Standardmodell-Higgs-Boson-Feld auftritt, so dass der Kopplungsterm mit dem dualen Feldstärketensor stets CP-ungerade ist, und die anderen Kopplungsterme CP-gerade sind.
7.1. Beschreibung der Methode
7.1.1. Betrachtete Observable
Eine Observable, die besonders sensitiv auf die Tensorstruktur der HVV-Kopplungen ist,
ist die Differenz der Azimuthalwinkel der beiden Tagging Jets ∆φ jj in der Vektorbosonfusion [15]. Die Verteilungen für Signalereignisse in dieser Observablen nach allen Analyseschnitten sind für die drei betrachteten Kanäle und die drei verschiedenen betrachteten
Kopplungen in Abbildung 7.1 dargestellt. Man sieht, dass die Verteilung für eine reine
Standardmodell-Kopplung relativ flach ist. Die Verteilung für eine reine CP-ungerade anomale Kopplung (CPO, für CP-odd) hat ein Maximum bei π/2 und ist fast Null im Fall
kollinearer Transversalimpulse. Die Verteilung für eine reine CP-gerade anomale Kopplung
(CPE, für CP-even) ist im Gegensatz dazu maximal für kollineare Transversalimpulse und
fast Null bei π/2. In den Verteilungen für die Kanäle mit H → τ + τ − fällt auf, dass große
Werte für ∆φjj anders als in der Verteilung für den Kanal H → W + W − etwas unter-
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
0.07
+
Anteil Ereignisse / ( π/40)
Anteil Ereignisse / ( π/40)
62
-
H→ W W → llνν
mH = 160 GeV
0.06
CPO
0.05
0.04
0.03
SM
0.02
0.01
0.5
1
1.5
Anteil Ereignisse / ( π/40)
00
CPO
0.05
0.04
SM
0.03
0.02
0.01
CPE
2
2.5
H→τ τ-→ ll + 4ν
mH = 120 GeV
+
0.06
CPE
00
3
∆φjj
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
+
H→τ τ-→ lepton + hadron
mH = 120 GeV
CPO
0.06
0.05
0.04
SM
0.03
0.02
0.01
00
CPE
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Abbildung 7.1.: Signalverteilungen in der Differenz der Azimuthalwinkel der Tagging
Jets ∆φjj für die betrachteten Kanäle nach allen Analyseschnitten. Für jeden Kanal sind
drei Verteilungen dargestellt, die den drei einzelnen Kopplungen entsprechen. Es wurde
jeweils eine Kopplung angeschaltet und die anderen auf Null gesetzt.
drückt sind. Dies ist ein Effekt der Analyseschnitte in den Kanälen mit H → τ + τ − . Vor
den Analyseschnitten ist die Verteilung in der Größe ∆φjj in guter Näherung unabhängig
vom Zerfallskanal des Higgs-Bosons und von dessen Masse [15, 16]. In [16] wurde gezeigt,
dass die charakteristischen Eigenschaften der Verteilung in ∆φ jj durch die Emission eines zusätzlichen Gluons nur schwach beeinflusst werden und auch in einer Rechnung in
nächsthöherer Ordnung zur führenden Ordnung erhalten bleiben.
Andere Verteilungen, die durch die anomalen Kopplungen beeinflusst werden sind die
in der Differenz der Pseudorapiditäten der beiden Tagging Jets und in den Transversalimpulsen der Tagging Jets (Abbildung 7.2). Da die Unterschiede in diesen Verteilungen
jedoch nicht so deutlich sichtbar sind, wie in der Verteilung von ∆φ jj , und da anzunehmen ist, dass nicht vernachlässigbare Korrelationen zwischen diesen Größen bestehen, wird
für diese Studie nur die Verteilung der Größe ∆φjj betrachtet. Es ist zunächst denkbar,
dass auch die Winkelverteilungen der Leptonen im Zerfall H → W + W − → llνν sensitiv
auf die anomalen Kopplungen zwischen dem Higgs-Boson und den W -Bosonen im Zerfall
des Higgs-Bosons sind. Es zeigt sich jedoch, dass sich diese Winkelverteilungen f ür die
63
+
-
H → W W → llνν
0.06
0.05
SM
0.04
0.03
CPE
0.02
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
7.1 Beschreibung der Methode
CPO
4
4.5
5
5.5
6
6.5
7
7.5
0.06
0.04
CPE
CPO
0.03
∆ηjj
+ -
H →τ τ → ll + 4ν
0.09
0.08
CPO
0.07
CPE
0.06
0.05
SM
0.04
0.03
50
100
150
200
250
pT(tagging jets)
+
H→τ τ-→ ll + 4ν
0.07
0.06
SM
0.05
0.04
CPE
CPO
0.03
0.02
0.02
0.01
0.01
4.5
5
5.5
6
6.5
7
7.5
0
8
∆ηjj
+
H→τ τ-→ lepton + hadron
0.09
0.08
0.07
0.06
CPO
CPE
0.05
SM
0.04
0.03
50
100
150
200
250
pT(tagging jets) [GeV]
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
SM
0.05
0
8
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
0.07
0.01
0
3.5
+
H→τ τ-→ ll + 4ν
0.07
0.06
SM
0.05
0.04
CPE
CPO
0.03
0.02
0.02
0.01
0.01
0
-
0.02
0.01
0
+
H → W W → llνν
0.08
4.5
5
5.5
6
6.5
7
7.5
8
∆ηjj
0
50
100
150
200
250
pT(tagging jets) [GeV]
Abbildung 7.2.: Signalverteilungen der Tagging Jets nach allen Analyseschnitten f ür
eine reine Standardmodellkopplung, eine reine CP-gerade Kopplung und eine reine CPungerade Kopplung. Links ist für die verschiedenen Zerfallskanäle des Higgs-Bosons die
Differenz der Pseudorapiditäten der Tagging Jets dargestellt, rechts der Transversalimpuls
der Tagging Jets.
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
0.045
+
-
Anteil der Ereignisse
Anteil der Ereignisse
64
H → W W → llνν
0.04
CPO
0.035
0.03
SM
0.025
CPE
0.02
0.015
+
CPE
0.06
0.05
SM
CPO
0.04
0.03
0.02
0.01
0.01
0.005
0
0
-
H→ W W → llνν
0.07
0.2
0.4
0.6
0.8
0
1
0
0.2 0.4 0.6 0.8
1
1.2 1.4 1.6 1.8
Anteil der Ereignisse
∆φll
∆ηll
+
-
H → W W → llνν
0.06
CPO
0.05
SM
0.04
CPE
0.03
0.02
0.01
0
0
0.2 0.4 0.6 0.8
1
1.2 1.4 1.6 1.8
∆Rll
Abbildung 7.3.: Winkelverteilungen der Leptonen im Signalprozess H → W + W − →
llνν nach allen Analyseschnitten für eine reine Standardmodellkopplung, eine reine CPgerade Kopplung und eine reine CP-ungerade Kopplung.
verschiedenen Kopplungen kaum voneinander unterscheiden (Abbildung 7.3).
7.1.2. Hypothesentest
Zur Unterscheidung der Kopplungen voneinander wird in der Verteilung der Größe ∆φjj
ein χ2 -Test durchgeführt. Für diesen Test werden zunächst aus den erzeugten MonteCarlo-Signal-Datensätzen mit Standardmodell-Kopplungen und rein anomalen Kopplungen Referenzverteilungen in der Größe ∆φjj gebildet.
Zu den Referenzverteilungen für den Signalprozess werden Referenzverteilungen für die
Untergrundprozesse addiert. Dazu muss zunächst die relative Normierung zwischen Signalund Untergrundverteilungen festgelegt werden. Für die Verteilungen mit anomalen Kopplungen existiert keine Vorhersage für den totalen Wirkungsquerschnitt, da die Stärke der
Kopplungen im Gegensatz zur Standardmodell-Kopplung nicht festgelegt ist. Es ist daher
nur sinnvoll, die Verteilungen der Ereignisse in ∆φ jj zu untersuchen. Die Ereignisrate
für das beobachtete Teilchen ergibt sich später aus dem Experiment. In dieser Studie
wird davon ausgegangen, dass ein Teilchen mit der Ereignisrate eines Standardmodell-
65
7.1 Beschreibung der Methode
Higgs-Bosons beobachtet wird. Die relative Normierung zwischen Signal und Untergrund
wird daher für die Referenzverteilung mit Standardmodell-Kopplungen entsprechend der
Standardmodell-Wirkungsquerschnitte festgelegt. Die relative Normierung, die man nach
allen Analyseschnitten erhält, wird für die Verteilungen mit anomalen Kopplungen übernommen. Das heißt, in der Referenzverteilung nach allen Analyseschnitten, die Standardmodell-Signal und Untergrund erhält, wird die Signalverteilung durch eine Verteilung mit
anomalen Kopplungen ersetzt, ohne die Normierung des Signals zu verändern. Die Referenzverteilungen sind in Abbildung 7.4 dargestellt. Die absolute Normierung der Referenzverteilungen wird nicht festgelegt, da die Referenzverteilungen bei der Berechnung des χ 2
auf die Datenverteilung normiert werden.
Sowohl die Signal- als auch die Untergrund-Monte-Carlo-Datensätze enthalten viele
Ereignisse. Für jeden Untergrundprozess entsprechen die Monte-Carlo-Daten einer integrierten Luminosität von über 1000 fb−1 . Die Analysen zum Entdeckungspotential eines
Standardmodell-Higgs-Bosons in der Vektorbosonfusion, deren Ergebnisse in Abbildung
5.1 dargestellt sind, sind auf die Anfangsphase des LHC mit niedriger Luminosität ausgelegt. Insbesondere sind die Auflösungsfunktionen in ATLFAST standardmäßig, und auch in
dieser Studie, für die niedrige Luminosität angepasst. In dieser Anfangsphase rechnet man
mit einer integrierten Luminosität von etwa 10 fb−1 pro Jahr. Nach einer gewissen Zeit
soll die Luminosität des LHC um einen Faktor 10 erhöht werden, so dass etwa 100 fb−1
pro Jahr erreicht werden können. Das Entdeckungspotential der Vektorbosonfusionskanäle
muss für die hohe Luminosität erst noch untersucht werden. Die bei niedriger Luminosität verwendeten Analysen lassen sich nicht ohne weiteres übertragen. Insbesondere die
Identifikation von Jets im Vorwärtsbereich des Detektors wird voraussichtlich durch die
hohe Anzahl sich überlagernder Ereignisse und die damit verbundene hohe Anzahl Jets
erschwert werden.
In dieser Studie wird nur die Anfangsphase des LHC mit niedriger Luminosität betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass die Daten, die während dieser Phase genommen
werden werden, etwa einer integrierten Luminosität von 30 fb−1 entsprechen werden. Die
Monte-Carlo-Referenzverteilungen enthalten daher stets mindestens 30 mal so viele Einträge wie sie für eine Verteilung der LHC-Daten erwartet werden. Die statistischen Fehler
auf die Referenzverteilungen sind entsprechend klein verglichen mit denen der zu untersuchenden Datenverteilung und werden bei der Berechnung des χ 2 nicht berücksichtigt.
Zwischen dem ∆φjj -Histogramm eines LHC-Datensatzes und den Referenzhistogrammen könnte nun im Prinzip ein χ2 -Test durchgeführt werden. In dieser Studie wird die
Sensitivität eines solchen Tests untersucht, indem der Test anstelle des LHC-Datensatzes
mit entsprechenden Monte-Carlo-Datensätzen für realistischerweise zu erwartende Werte
der integrierten Luminosität durchgeführt wird. Es wird nur die Verteilung, nicht die Normierung, getestet. Die Referenzhistogramme werden bei der Berechnung des χ 2 auf die
Fläche des Datenhistogramms normiert. Das χ 2 wird berechnet als
2
χ =
νi n 2
ν
νi n
ν
X ni −
i
(7.1)
mit den Bineinträgen im Datenhistogramm ni , den Bineinträgen im (noch nicht normierP
P
ten) Referenzhistogramm νi und den Summen n =
ni und ν =
νi . Für den Fall,
dass die Daten durch die Referenzverteilung richtig beschrieben werden, sollte dieses χ 2
einer sogenannten χ2 -Verteilung für die Anzahl der Freiheitsgrade im Problem folgen.
Die Form einer solchen χ2 -Verteilung ist in Büchern zur statistischen Datenanalyse, z.B.
[38], angegeben. Die Anzahl der Freiheitsgrade entspricht im allgemeinen Fall der Anzahl
66
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
der Bins im betrachteten Histogramm. Da hier die Normierung der Referenzverteilung
der Normierung der Datenverteilung angepasst wird, muss ein Freiheitsgrad abgezogen
werden.
Aus dem erhaltenen Wert für das χ2 für einen gegebenen Datensatz lässt sich die sogenannte χ2 -Wahrscheinlichkeit P (χ2 ≥ χ2beobachtet ), oder kurz P , berechnen, indem das
Integral über die χ2 -Verteilung vom gemessenen Wert bis ∞ gebildet wird. P ist unter der
Annahme, dass die Referenzverteilung die Daten korrekt beschreibt, die Wahrscheinlichkeit, den beobachteten oder einen größeren Wert für χ2 zu messen. Ist diese Wahrscheinlichkeit klein, so liefert der Test einen Hinweis darauf, dass die zu testende Hypothese
über die korrekte Theorievorhersage wahrscheinlich falsch ist. Die Wahrscheinlichkeit P
wird auch als Vertrauensniveau des Tests bezeichnet. Analog zur Vorgehensweise bei der
Berechnung der Poisson-Signifikanz in Gleichung C.1 kann eine diesem Vertrauensniveau
entsprechende Abweichung vom Mittelwert einer Gaußverteilung in Einheiten der Standardabweichung berechnet werden. Das Vertrauensniveau des Tests wird hier jedoch als
Wahrscheinlichkeit interpretiert, eine Abweichung vom Mittelwert der Gaußverteilungen
sowohl zu größeren als auch zu kleineren Werten hin um die gegebene Anzahl Standardabweichungen oder mehr zu beobachten. Bei der Berechnung der Poisson-Signifikanz wurden
im Gegensatz dazu nur Abweichungen
Werten hin betrachtet. Die Abweichung
√ zu größeren
−1
wird hier daher als Abweichung = 2 Erf (1 − P ) berechnet. Eine Abweichung von 5 σ
entspricht einer χ2 -Wahrscheinlichkeit von 5.73 · 10−7 .
7.2. Anwendung auf einen Monte-Carlo-Datensatz pro Kanal
Der Hypothesentest wird zunächst beispielhaft für einen Monte-Carlo-Datensatz pro Kanal
durchgeführt. Für diesen Test wird davon ausgegangen, dass das Signal eines Standardmodell-Higgs-Bosons beobachtet wird. Es wird untersucht, ob für das StandardmodellHiggs-Boson am LHC die Möglichkeiten einer rein CP-geraden oder einer rein CP-ungeraden anomalen Kopplung ausgeschlossen werden können. Aus den generierten Standardmodell-Signal-Monte-Carlo-Datensätzen wird für jeden Kanal jeweils mindestens ein Teildatensatz gebildet. Im Kanal H → W + W − wird ein Teildatensatz für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1 und ein Teildatensatz für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1
gebildet, was einem bzw. drei Jahren LHC-Laufzeit bei niedriger Luminosität entspricht.
In den Kanälen mit H → τ + τ − sind für 10 fb−1 die erwarteten Ereigniszahlen nach Schnitten zu klein, um einen χ2 -Test in den Winkelverteilungen durchzuführen. Es wird daher
nur jeweils ein Teildatensatz für 30 fb−1 gebildet. Zu den Monte-Carlo-Signaldaten werden die Beiträge durch Untergrundprozesse für die entsprechende integrierte Luminosität
hinzugefügt.
Die erzeugten Pseudodaten-Verteilungen sind zusammen mit den Referenzverteilungen
für rein anomale Kopplungen in Abbildung 7.5 dargestellt. Der χ 2 -Test wird hier nur für
die Referenzverteilungen mit anomalen Kopplungen durchgeführt. Das χ2 wird im Kanal
H → W + W − bei 30 fb−1 in 10 Bins berechnet, bei 10 fb−1 in 5 Bins, und für die H →
τ + τ − -Kanäle werden jeweils 3 Bins verwendet. Die Anzahl der Bins wurde so gewählt,
dass jedes Bin der Pseudodaten-Verteilung ausreichend Einträge enthält, um die Annahme
einer Gaußverteilung der Bineinträge zu rechtfertigen. Die Zahl der Bineinträge sollte
andererseits nicht zu groß gewählt werden, da sonst Information aus der Winkelverteilung
verloren geht. In der Regel sollten etwa 10 Einträge pro Bin ausreichen [38]. In den Kanälen
mit H → τ + τ − erhält man im Mittel nur etwa 5 Einträge pro Bin, ein Test in weniger
als 3 Bins ist jedoch nicht sinnvoll. In Abschnitt 7.3 wird gezeigt, dass das χ 2 auch in
67
7.2 Anwendung auf einen Monte-Carlo-Datensatz pro Kanal
Signal H →ττ→ ll + 4ν
Zjj (QCD)
Zjj (EW)
Signal H → W W → llνν
tt
gg → H
WWjj(EW)
Wt
30000
25000
-
tt
Wt
dσ/d∆φjj [beliebige Einheiten]
dσ/d∆φjj [beliebige Einheiten]
+
WWjj (EW)
25000
gg → H
CPO
20000
CPO
20000
SM
15000
15000
SM
10000
10000
CPE
5000
CPE
5000
0
0
0
0.5
1
1.5
2
2.5
0
3
∆φjj
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Signal H → ττ→ lepton + hadron
Zjj(QCD)
dσ/d∆φjj [beliebige Einheiten]
Zjj(EW)
gg → H
CPO
SM
CPE
0
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Abbildung 7.4.: Referenzhistogramme, für die die vollständigen jeweiligen MonteCarlo-Datensätze verwendet wurden, für die drei betrachteten Kanäle. Die Histogramme für Signal und Untergrund liegen übereinander. Zum Vergleich sind zusätzlich zur
Standardmodell-Verteilung die Verteilungen für anomale Kopplungen dargestellt. Bei der
Berechnung des χ2 werden die Histogramme auf die simulierten Daten normiert, die Normierung wurde daher hier nicht festgelegt.
diesem Fall für die Standardmodell-Hypothese einer χ 2 -Verteilung folgt, und der Test
daher aussagekräftige Ergebnisse liefert.
Wie man in Abbildung 7.5 sieht, ist die erwartete Ereigniszahl im Kanal H → τ + τ − →
ll + 4ν klein (≈ 18 Signalereignisse für 30 fb−1 ) und eine Bestimmung der Kopplung entsprechend schwierig. Dies war die Motivation dafür, den Kanal H → τ + τ − → lepton +
hadron hinzuzunehmen, um eine bessere Unterscheidung zu ermöglichen. Da für beide
Kanäle die gleiche Higgs-Boson-Masse angenommen wird, können die Ergebnisse beider
Kanäle kombiniert werden. Die Werte für das χ2 beider Kanäle werden zu diesem Zweck
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
Anzahl Ereignisse
Anzahl Ereignisse
68
simulierte Daten H → W W → llνν
Theorievorhersage CPE
+
45
-
Theorievorhersage CPO
40
35
30
25
20
15
-1
30 fb
14
12
10
8
6
4
simulierte Daten H →τ τ-→ ll + 4ν
Theorievorhersage CPE
Theorievorhersage CPO
+
10
2
5
00
10 fb
0.5
1
1.5
2
2.5
-1
00
3
∆φjj
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Anzahl Ereignisse
+
simulierte Daten H → τ τ-→ lepton + hadron
Theorievorhersage CPE
Theorievorhersage CPO
12
10
8
6
4
2
-1
30 fb
00
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Abbildung 7.5.: Beispiele für Verteilungen der simulierten Datensätze in den verschiedenen Kanälen. Zum Vergleich sind die Referenzhistogramme für anomale Kopplungen
angegeben. Diese sind auf die Fläche der Datenverteilungen normiert. Sowohl die Datenals auch die Referenzverteilungen enthalten einen Beitrag durch Untergrund. Um in den
Verteilungen der H → τ + τ − -Kanäle genügend Ereignisse pro Bin zu erhalten, so dass
die die Annahme einer Gaußverteilung der Anzahl der Bineinträge gerechtfertigt werden
kann, musste der χ2 -Test in 3 Bins pro Kanal durchgeführt werden.
addiert. Die Anzahl der Freiheitsgrade ist 4 (6 Bins und 2 Einschränkungen an die Normierung).
7.2.1. Ergebnisse für einen MC-Datensatz pro Kanal
Die Ergebnisse für die χ2 -Wahrscheinlichkeit sind in Tabelle 7.1 zusammengefasst. Man
sieht, dass es für ein Higgs-Boson mit einer Masse von 160 GeV im Zerfall H → W + W − →
llνν bereits ab einer integrierten Luminosität von 10 fb−1 möglich sein sollte, signifikante
Abweichungen von der Hypothese einer rein anomalen Kopplung zu beobachten. Bei einer
integrierten Luminosität von 30 fb−1 lassen sich die rein anomalen Kopplungen mit einem
hohen Vertrauensniveau ausschließen. Für eine Higgs-Boson-Masse von 120 GeV in den
Zerfällen H → τ + τ − → ll + 4ν und H → τ + τ − → lepton + hadron ist die Unterscheidung
schwieriger. Bei einer integrierten Luminosität von 10 fb−1 ist ein Test aufgrund der klei-
69
7.3 Erweiterung auf mehrere MC-Datensätze, Resampling
Mit Untergrund:
10 fb−1
30 fb−1
CPE
CPO
CPE
CPO
H → W + W − → llνν
9.6 · 10−11 =
b 6.5 σ
−2
1.6 · 10 =
b 2.4 σ
< 10−15 =
b > 7.7 σ
1.1 · 10−15 =
b 7.7 σ
Zum Vergleich ohne Untergrund:
H → W + W − → llνν
−1
10 fb
CPE
< 10−15 =
b > 7.7 σ
−4
CPO
1.2 · 10 =
b 3.8 σ
30 fb−1 CPE
< 10−15 =
b > 7.7 σ
CPO
< 10−15 =
b > 7.7 σ
H → τ + τ − → ll + 4ν
H → τ + τ − kombiniert
6.2 · 10−3 =
b 2.7 σ
6.6 · 10−1 =
b 0.44 σ
2.0 · 10−4 =
b 3.7 σ
4.5 · 10−1 =
b 0.76 σ
H → τ + τ − → ll + 4ν
H → τ + τ − kombiniert
2.2 · 10−8 =
b 5.6 σ
7.2 · 10−1 =
b 0.36 σ
4.1 · 10−9 =
b 5.9 σ
3.5 · 10−1 =
b 0.93 σ
Tabelle 7.1.: Werte der χ2 -Wahrscheinlichkeit für jeweils einen bzw. zwei BeispielPseudodatensätze pro Kanal. Zusätzlich zur χ2 -Wahrscheinlichkeit ist die entsprechende
Abweichung vom Mittelwert einer Gaußverteilung angegeben. Die obere Tabelle enthält
die Werte für die Pseudodatensätze mit Untergrund. In der unteren Tabelle sind zum
Vergleich die Werte angegeben, die man erhält, wenn man nur die Signalverteilungen miteinander vergleicht (aus denselben Pseudodatensätzen wie in der oberen Tabelle).
nen Ereigniszahlen gar nicht möglich. Mit einer Datenmenge, die 30 fb −1 entspricht, ist
es eventuell möglich, zumindest für eine der beiden Hypothesen eine Abweichung von 3 σ
oder mehr zu beobachten. Die Abweichungen, die für die Hypothesen der rein CP-geraden
und der rein CP-ungeraden Kopplung beobachtet werden, sind vermutlich stark korreliert.
Wenn ein Datensatz zufällig mehr der Referenzverteilung für eine der beiden anomalen
Kopplungen ähnelt, wird die χ2 -Wahrscheinlichkeit für die Hypothese der anderen anomalen Kopplung klein sein und umgekehrt. Dies sieht man an dem Beispieldatensatz im
Kanal H → τ + τ − → ll + 4ν, der eher der CP-ungeraden Verteilung folgt. Die Abweichung
von der Hypothese der CP-geraden Kopplung ist entsprechend deutlich größer als die von
der Hypothese der CP-ungeraden Kopplung.
Aus der Tabelle 7.1 geht außerdem hervor, dass es wichtig ist, den Beitrag des Untergrunds zu berücksichtigen. Die χ2 -Wahrscheinlichkeit steigt um mehrere Größenordnungen, sobald man den Untergrund hinzunimmt, und die Abweichung in Einheiten von σ
sinkt um nahezu einen Faktor zwei. Schließlich zeigt sich, dass es möglich ist, die Unterscheidungskraft durch die Kombination der beiden Kanäle mit H → τ + τ − zu erhöhen.
7.3. Erweiterung auf mehrere MC-Datensätze, Resampling
Wird ein Experiment, etwa die Datennahme in einem bestimmten Kanal für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1 mit dem ATLAS-Detektor, mehrmals durchgeführt, so
werden sich im Allgemeinen die ermittelten χ 2 -Wahrscheinlichkeiten von Datensatz zu
Datensatz voneinander unterscheiden. Es wäre daher interessant, zusätzlich zu den oben
angegebenen Ergebnissen für einen Pseudodatensatz pro Kanal den χ 2 -Test für mehrere
verschiedene Pseudodatensätze durchzuführen, um Informationen über die Schwankungen der χ2 -Wahrscheinlichkeit zu erhalten. Die Methode lässt sich anhand der Verteilung
der χ2 -Wahrscheinlichkeit unter der richtigen Hypothese für die Theorievorhersage über-
70
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
prüfen.
Die erzeugten Standardmodell-Signaldatensätze enthalten genügend Ereignisse, um mehr
als 10 000 disjunkte Teildatensätze für eine integrierte Luminosität von jeweils 30 fb−1
zu bilden. Für die Untergrundprozesse ist es aufgrund der teilweise großen Wirkungsquerschnitte nicht praktikabel, entsprechend viele Ereignisse zu generieren. Die erzeugten
Monte-Carlo-Datensätze enthalten jeweils eine Anzahl Ereignisse, die einer integrierten
Luminosität von mehr als 1000 fb−1 entspricht. Daraus lassen sich ungefähr 45 disjunkte
Teildatensätze für eine integrierte Luminosität von jeweils 30 fb−1 bilden.
Um die Anzahl der Pseudodatensätze weiter zu erhöhen, wird die Methode des Resampling verwendet. Dabei wird aus den erzeugten Datensätzen eine der gewünschten integrierten Luminosität entsprechende Anzahl Ereignisse zufällig ausgewählt. Sobald ein Ereignis
ausgewählt worden ist, wird es nicht aus der Menge der möglichen Ereignisse entfernt. Es
kann also vorkommen, dass ein Ereignis in einem Pseudodatensatz mehrmals vorkommt
( Ziehen mit Zurücklegen“). Diese Methode wird häufig verwendet, um genauere Infor”
mationen über die statistischen Schwankungen innerhalb eines Datensatzes zu erhalten,
als es mit disjunkten Teildatensätzen möglich ist [39, 40].
Für diese Analyse werden für jeden Kanal und jede integrierte Luminosität jeweils 10 000
solcher Pseudodatensätze verwendet. Da mehrere Pseudodatensätze dasselbe Ereignise
enthalten können und ein Ereignis auch in einem Pseudodatensatz mehrmals auftreten
kann, sind die verschiedenen Pseudodatensätze zum Teil miteinander korreliert. Diese
Korrelation und mögliche Auswirkungen wurden in dieser Studie nicht näher untersucht.
Die Korrelation sollte im hier untersuchten Fall gering sein, da die Pseudodatensätze
nach allen Schnitten vor allem Signalereignisse enthalten. Die vollständigen Monte-CarloDatensätze für die Signalprozesse enthalten, wie oben erwähnt, genug Ereignisse, um diese
Anzahl Pseudodatensätze auch ohne Resampling, also disjunkt, zu bilden.
7.3.1. Ergebnisse des Hypothesentests für mehrere MC-Datensätze
Zunächst lässt sich die Methode überprüfen, indem die Verteilung der Werte für die χ2 Wahrscheinlichkeit unter der korrekten Theoriehypothese betrachtet wird. Die Pseudodatensätze wurden für Standardmodell-Kopplungen erzeugt, daher sollten die Werte für das
χ2 , wenn man die Pseudodatensätze mit der Standardmodell-Theorievorhersage vergleicht,
einer χ2 -Verteilung folgen. Die Verteilung der χ 2 -Wahrscheinlichkeit sollte in diesem Fall
flach im Bereich zwischen 0 und 1 sein. Die Verteilungen der χ 2 -Wahrscheinlichkeit für die
Standardmodellhypothese sind in Abbildung 7.6 abgebildet. Man sieht, dass die Verteilungen für die disjunkten Teildatensätze im Rahmen der statistischen Fluktuationen der
Erwartung entsprechen. Für die durch Resampling gebildeten Pseudodatensätze erhält
man eine gute Übereinstimmung mit der Vorhersage einer flachen Verteilung.
Die Ergebnisse des χ2 -Tests für die Hypothesen einer CP-geraden bzw. einer CP-ungeraden anomalen Kopplung sind in den Abbildungen 7.7 und 7.8 dargestellt. Die Verteilungen geben wieder, wie die χ2 -Wahrscheinlichkeiten für verschiedene StandardmodellPseudodatensätze unter der Hypothese einer rein anomalen Kopplung schwanken. Aus ihnen lässt sich die Wahrscheinlichkeit ableiten, für einen konkreten Datensatz, der mit dem
ATLAS-Detektor genommen werden wird, eine χ 2 -Wahrscheinlichkeit in einem bestimmten Bereich zu messen. In die Verteilungen sind die Schranken für eine χ2 -Wahrscheinlichkeit von 5 % und eine χ2 -Wahrscheinlichkeit, die 5 σ entspricht, eingezeichnet. Der Anteil
der Pseudodatensätze, der eine χ2 -Wahrscheinlichkeit unterhalb einer der Schranken hat,
lässt sich als Wahrscheinlichkeit interpretieren, bei ATLAS mindestens eine der Schranke
entsprechende Abweichung zu beobachten. Diese Wahrscheinlichkeiten wurden aus den
71
7.3 Erweiterung auf mehrere MC-Datensätze, Resampling
Mit Untergrund:
Ws. für
> 5σ
< 5%
H → W + W − → llνν
10 fb−1
CPE
CPO
30 fb−1
CPE
CPO
H → τ + τ − kombiniert
30 fb−1
CPE
CPO
Mittlere
Abw. in σ
χ2 -Ws.
63 %
40 %
100 %
100 %
99 %
98 %
100 %
100 %
2.8 · 10−8
1.0 · 10−6
–
–
5.5 σ
4.9 σ
–
–
2 %,
0.3 %
65 %
49 %
6.3 · 10−3
2.5 · 10−2
2.7 σ
2.2 σ
Zum Vergleich ohne Untergrund:
Ws. für
> 5σ
< 5%
H → W + W − → llνν
10 fb−1
CPE
98 %
100 %
CPO
86 %
100 %
−1
30 fb
CPE
100 %
100 %
CPO
100 %
100 %
H → τ + τ − kombiniert
30 fb−1
CPE
36 %,
94 %
CPO
2%
70 %
Mittlere
Abw. in σ
χ2 -Ws.
–
–
–
–
–
–
–
–
2.8 · 10−6
4.5 · 10−3
4.7 σ
2.8 σ
Tabelle 7.2.: Wahrscheinlichkeiten, für einen gegebenen (Pseudo-)Datensatz für
Standardmodell-Kopplungen eine χ 2 -Wahrscheinlichkeit unterhalb einer Schranke von
5.7 · 10−7 =5
b σ bzw. 5 % zu erhalten, sowie mittlere χ 2 -Wahrscheinlichkeiten und mittlere
Abweichungen vom Mittelwert einer Gauß-Verteilung. In der oberen Tabelle sind die Werte
angegeben, die unter Berücksichtigung des Untergrunds bestimmt wurden. In der unteren Tabelle sind zum Vergleich die Werte angegeben, die man für reine Signaldatensätze
erhält. Die Mittelwerte sind nur dort angegeben, wo nicht zu viele Pseudodatensätze eine
χ2 -Wahrscheinlichkeit von weniger als 10 −15 haben.
durch Resampling gewonnenen Verteilungen bestimmt und in Tabelle 7.2 zusammengefasst.
Darüberhinaus lässt sich aus den Verteilungen die im Mittel beobachtete χ 2 -Wahrscheinlichkeit bestimmen. Die Bestimmung des Mittelwertes ist nur dann sinnvoll, wenn nicht zu
viele Pseudodatensätze eine χ2 -Wahrscheinlichkeit außerhalb des betrachteten Bereichs,
also unterhalb von 10−15 , haben. Die mittleren χ2 -Wahrscheinlichkeiten aus den durch
Resampling gewonnenen Verteilungen sind ebenfalls in Tabelle 7.2 angegeben.
Aus den Ergebnissen geht hervor, das es für den Fall eines Standardmodell-Higgs-Bosons
mit einer Masse von 160 GeV möglich sein sollte, im Kanal H → W + W − → llνν mit
einer integrierten Luminosität von 30 fb−1 eine Abweichung, die 5 σ entspricht, von den
Hypothesen der anomalen Kopplungen zu beobachten. Signifikante Abweichungen sollten
in diesem Kanal bereits für 10 fb−1 beobachtet werden können. Im Mittel erhält man für
10 fb−1 eine Abweichung von ungefähr 5 σ.
Für eine Higgs-Boson-Masse von 120 GeV ist die Unterscheidung schwieriger. Es besteht
72
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
zwar eine gewisse Chance, eine χ2 -Wahrscheinlichkeit von 5 % oder weniger zu messen,
eine Abweichung um 5 σ wird man jedoch mit einer Datenmenge, die 30 fb −1 entspricht
und unter Kombination der beiden Kanäle H → τ + τ − → ll + 4ν und H → τ + τ − →
lepton + hadron voraussichtlich nicht beobachten können. Im Mittel lässt sich in den
Kanälen mit H → τ + τ − eine Abweichung von über 2 σ beobachten.
Aus den Abbildungen 7.7 und 7.8, sowie aus Tabelle 7.2, sieht man, dass es einen großen
Unterschied macht, ob man den Beitrag des Untergrunds berücksichtigt. Verwendet man
Datensätze, die nur Signalereignisse enthalten, so überschätzt man die Trennkraft aus den
∆φjj -Verteilungen deutlich.
73
Entries
149
Mean 0.4959
RMS
0.2765
25
20
15
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
7.3 Erweiterung auf mehrere MC-Datensätze, Resampling
10
Entries 10000
Mean
0.498
RMS
0.288
300
250
200
150
100
SM
5 SM
+
50 H→ W+W-
-
H→ W W
-1
10 fb
10 fb-1
00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
χ2-Wahrscheinlichkeit
χ -Wahrscheinlichkeit
Entries
49
Mean 0.4614
RMS
0.283
16
14
12
10
8
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
2
2
250
200
150
100
6
4
Entries 10000
Mean 0.4952
RMS
0.2867
300
SM
50 H→ W+W-
SM
+ H→ W W
-1
30 fb
-1
30 fb
00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
χ2-Wahrscheinlichkeit
Entries
44
Mean 0.4965
RMS
0.2816
14
12
10
8
6
Entries 10000
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
χ2-Wahrscheinlichkeit
300
Mean
0.4998
RMS
0.2831
250
200
150
100
4
50 SM
SM
-1
30 fb
00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9
χ -Wahrscheinlichkeit
2
+
H →τ τ- kombiniert
-1
30 fb
2 H →τ+τ- kombiniert
1
00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
χ2-Wahrscheinlichkeit
Abbildung 7.6.: Kontrollverteilungen der χ 2 -Wahrscheinlichkeit für die Standardmodellhypothese, links für disjunkte Teildatensätze, rechts für Pseudodatensätze, die durch
Resampling gewonnen wurden. Oben sind die Verteilungen für den Kanal H → W + W −
für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1 dargestellt, in der Mitte die für denselben
Kanal bei 30 fb−1 und unten für den Kanal H → τ + τ − bei 30 fb−1 , kombiniert für beide
Zerfallsmöglichkeiten des τ -Leptonpaars.
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
CPE
35 H→ W+W-1
10 fb
Entries
149
Mean
-7.047
RMS
3.07
Underflow
2
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
74
30
5%
25
20
15
500 CPE
+
Entries
10000
Mean
-7.54
RMS
2.938
Underflow
361
-
H→ W W
-1
10 fb
400
5%
300
200
10
5σ
-12
-10
-8
-6
-4
-2
0 -14 -12 -10
0
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
3.5
CPE
+ H→ W W
-1
30 fb
3
Entries
49
2.5
5%
2
1.5
-8
5σ
CPE
+ H→ W W
-1
30 fb
90
80
-2
0
Entries 10000
70
60
50
5%
40
5σ
20
0.5
10
0 -14 -12 -10
-8
-6
-4
-2
0 -14 -12 -10
0
log10(χ -Wahrscheinlichkeit)
CPE
14 H →τ+τ-1
30 fb
Entries
44
Mean
-2.532
RMS
1.657
Underflow
1
5%
12
10
8
6
-8
-6
-4
-2
0
-1
0
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
Anzahl Datensätze
2
Anzahl Datensätze
-4
30
1
5σ
Entries
10000
Mean
-2.2
RMS
1.495
Underflow
45
CPE
+
H→τ τ600 30 fb-1
500
400
300
4
200
2
100
0-8
-6
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
0 -14
5σ
100
5
5σ
5%
-7
-6
-5
-4
-3
-2
-1
0
log10(χ -Wahrscheinlichkeit)
2
0-8
-7
-6
-5
-4
-3
-2
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
Abbildung 7.7.: Verteilungen der χ 2 -Wahrscheinlichkeit für die Hypothese einer rein
CP-geraden anomalen Kopplung, links für disjunkte Teildatensätze, rechts für Pseudodatensätze, die durch Resampling gewonnen wurden. Zum Vergleich sind in grau die Verteilungen eingetragen, die man erhält, wenn man den Untergrund vernachlässigt. Im Kanal
H → W + W − bei 30 fb−1 liegen alle Einträge dieser Verteilungen unterhalb von −15. Die
Rechnung wurde mit 15 Stellen Genauigkeit durchgeführt, daher wurden die Verteilungen
bei −15 abgeschnitten.
75
45 CPO
40
+
Entries
149
Mean
-6.552
RMS
2.868
Underflow
1
-
H→ W W
-1
10 fb
5%
35
30
25
20
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
7.3 Erweiterung auf mehrere MC-Datensätze, Resampling
15
0 -14 -12 -10
-8
500
400
300
100
-6
-4
-2
0 -14 -12 -10
0
log10(χ -Wahrscheinlichkeit)
Entries
CPO
+ H→ W W
-1
30 fb
4.5
49
4
3.5
5%
3
2.5
2
180
160
-8
-6
-4
-2
5%
18
16
14
12
10
8
-6
H→τ τ
+ -
800 30 fb-1
-2
0
-1
0
700
600
500
400
5σ
200
4
-4
Entries
10000
Mean
-1.61
RMS
1.156
Underflow
8
900 CPO
300
5σ
6
-8
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
Anzahl Datensätze
Entries
44
Mean
-1.278
RMS
0.8332
CPO
5σ
0 -14 -12 -10
0
log10(χ -Wahrscheinlichkeit)
22 H →τ+τ-1
20 30 fb
5%
80
20
2
0
100
0.5
-10
-2
Entries 10000
120
40
-12
-4
140
1
0 -14
-6
CPO
+ H→ W W
-1
30 fb
60
5σ
1.5
-8
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
Anzahl Datensätze
2
Anzahl Datensätze
5%
5σ
5σ
5
5%
100
2
0-8
10000
-5.997
2.627
56
200
10
Anzahl Datensätze
Entries
Mean
CPO
+ - RMS
W Underflow
600 H→ W
-1
10 fb
-7
-6
-5
-4
-3
-2
-1
0
log10(χ -Wahrscheinlichkeit)
2
0-8
-7
-6
-5
-4
-3
-2
log10(χ2-Wahrscheinlichkeit)
Abbildung 7.8.: Verteilungen der χ 2 -Wahrscheinlichkeit für die Hypothese einer rein
CP-ungeraden anomalen Kopplung, links für disjunkte Teildatensätze, rechts für Pseudodatensätze, die durch Resampling gewonnen wurden. Zum Vergleich sind in grau die
Verteilungen eingetragen, die man erhält, wenn man den Untergrund vernachlässigt. Im
Kanal H → W + W − bei 30 fb−1 liegen alle Einträge dieser Verteilungen unterhalb von
−15. Die Rechnung wurde mit 15 Stellen Genauigkeit durchgeführt, daher wurden die
Verteilungen bei −15 abgeschnitten.
76
Bestimmung des dominanten Kopplungsterms
8. Bestimmung eines anomalen Beitrags zur
Standardmodellkopplung
Als nächster Schritt nach der Bestimmung des dominanten Kopplungsterms lässt sich
die Frage untersuchen, ob zusätzlich zum dominanten Kopplungsterm ein kleiner Beitrag
durch einen der anderen Kopplungsterme existiert. In diesem Kapitel wird für ein HiggsBoson, dessen Kopplung an zwei schwache Eichbosonen vorwiegend standardmodellartig
ist, die Sensitivität des ATLAS-Experiments auf einen zusätzlich zum StandardmodellBeitrag auftretenden Beitrag durch einen anomalen Kopplungsterm untersucht. Ein Beitrag durch den CP-geraden anomalen Kopplungsterm kann anhand der charakteristischen
Eigenschaften des Interferenzterms mit dem Standardmodell-Beitrag aus der Verteilung
der Differenz der Azimuthalwinkel der Tagging Jets in der Vektorbosonfusion ∆φ jj bestimmt werden.
Zunächst wird die verwendete Methode beschrieben, in der die Größe des Beitrags durch
eine anomale Kopplung durch eine Likelihood-Anpassung mit der Kopplungskonstanten
der anomalen Kopplung als freier Parameter bestimmt wird. Die Likelihood-Anpassung
wird anschließend für mehrere Monte-Carlo-Datensätze mit Standardmodell-Ereignissen
der Vektorbosonfusion, die die Daten des ATLAS-Experiments nach den ersten Jahren
der Datennahme simulieren, durchgeführt. Aus der Standardabweichung der Ergebnisse
der Anpassung lässt sich abschätzen, ab welchem Wert der Kopplungskonstanten der anomalen Kopplung am LHC eine statistisch signifikante Beobachtung eines Beitrags durch
die anomale Kopplung möglich sein wird.
8.1. Beschreibung der Methode
8.1.1. Interferenzeffekte in der ∆φjj -Verteilung
Als sensitive Observable wird, wie schon in Kapitel 7, die Differenz der Azimuthalwinkel
der Tagging Jets ∆φjj verwendet. Ein kleiner Beitrag durch den CP-geraden anomalen
Kopplungsterms hat über den Interferenzterme mit dem Standardmodell-Beitrag im quadrierten Produktions-Matrixelement |M | 2 = |Manom + MSM |2 einen deutlich sichtbaren
Einfluss auf die Verteilung in ∆φjj . In Abbildung 8.2 sind die Verteilungen in der Größe
∆φjj für Signalereignisse nach allen Analyseschnitten für drei verschiedene Werte der
HZZ dargestellt. Zwischen den Kopplungskonstanten der HW W Kopplungskonstanten g5e
HW W = g HZZ cos2 θ beibehalten.
und HZZ-Kopplungen wird auch hier die Beziehung g 5e
w
5e
Alle Ergebnisse in diesem Kapitel sind folglich unter dieser Voraussetzung zu verstehen.
Man sieht aus der Abbildung, dass der Interferenzterm ungefähr bei π/2 den Wert Null
annimmt und dort das Vorzeichen wechselt. Je nach dem Vorzeichen der Kopplungskonstanten befindet sich das Minimum der Verteilung bei kleinen oder bei großen Werten
von ∆φjj . Die Verteilung in ∆φjj wird durch den Interferenzterm relativ stark beeinflusst, der totale Wirkungsquerschnitt aufgrund der Asymmetrie des Beitrags durch den
Interferenzterm jedoch kaum. Die Verteilung in der Größe ∆φjj sollte daher auf kleine
Beiträge durch die anomale Kopplung eine größere Sensitivität besitzen als der totale
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
1 H→ W+W-→ llνν
0.9 mH = 160 GeV
0.8
0.7
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
78
HZZ
g5e = 0.6
0.6
0.5 gHZZ
=0
5e
0.4
0.3
HZZ
g5e
= -0.6
0.09
0.07
0.06
0.05 gHZZ
=0
5e
0.04
0.03
0.02
0.1
0.01
1
1.5
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
0.5
2
2.5
HZZ
g5e = -0.6
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
+
H →τ τ-→ lepton + hadron
mH = 120 GeV
HZZ
0.07
00
3
∆φjj
0.08
+
0.08
0.2
00
H→τ τ-→ ll + 4ν
mH = 120 GeV
HZZ
g5e = 0.6
g5e = 0.6
0.06
0.05
0.04
HZZ
g5e = 0
0.03
HZZ
0.02
g5e = -0.6
0.01
00
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Abbildung 8.1.: Verteilungen für den Signalprozess nach allen Analyseschnitten in der
Größe ∆φjj für die drei betrachteten Kanäle. Für jeden Kanal sind drei Verteilungen mit
unterschiedlichen Werten für die Kopplungskonstante der CP-geraden anomalen Kopplung
dargestellt. Die anomale Kopplung tritt jeweils zusätzlich zur Standardmodell-Kopplung
auf. Die Verteilungen wurden durch Umgewichten von Ereignissen gebildet (s. Abschnitt
8.1.3).
Wirkungsquerschnitt.
Ein Beitrag durch den CP-ungeraden Kopplungsterm zeigt praktisch keine Interferenz mit dem Standardmodell-Beitrag [32]. Mit der hier vorgestellten Methode wird ein
kleiner Beitrag durch den CP-ungeraden Kopplungsterm am LHC daher voraussichtlich
nicht beobachtbar sein. Ein größerer Beitrag kann gegebenenfalls aus dem totalen Wirkungsquerschnitt sowie aus der in Kapitel 7 betrachteten Verteilung in ∆φ jj , die durch
den quadratischen Term |Manom |2 des gesamten quadrierten Produktions-Matrixelements
|Manom + MSM |2 beschrieben wird, bestimmt werden.
Die Normierung der Kopplungskonstanten wird, wie in Kapitel 3 erläutert, so gewählt,
HW W = g HZZ / cos2 θ = 1 bei
dass die Rechnung für eine rein anomale Kopplung von g5e
w
5e
einer Higgs-Boson-Masse von 120 GeV den gleichen Wirkungsquerschnitt wie für eine reine
Standardmodell-Kopplung vorhersagt. Die Werte, die für die Verteilungen in Abbildung
8.2 verwendet wurden, liegen somit in dem Bereich, in dem der Interferenzterm dominiert.
79
8.1 Beschreibung der Methode
Sie liegen außerdem innerhalb der in Tabelle 3.2 angegebenen experimentellen Schranken.
8.1.2. Likelihood-Anpassung
Die Größe eines Beitrags durch die anomale CP-gerade Kopplung in einem Datensatz
wird durch eine Likelihood-Anpassung in der Winkelverteilung ∆φ jj mit der KopplungsHZZ als freier Parameter bestimmt.
konstanten g5e
Bei einer Likelihood-Anpassung wird die sogenannte Likelihood-Funktion maximiert.
Es wird ein Experiment betrachtet, das darin besteht, eine Zufallsvariable mehrmals zu
messen. Ein Beispiel für ein solches Experiment ist etwa die hier betrachtete wiederholte Messung des Winkels ∆φjj in Streuereignissen am LHC. Die Datensätze folgen, wenn
das Experiment selbst mehrmals durchgeführt wird, einer Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung. Diese ist eine Funktion der einzelnen Messwerte und kann zusätzlich von einem oder
mehreren Parametern der Theorievorhersage abhängen. Bei einer Likelihood-Anpassung
wird davon ausgegangen, dass das Experiment bereits ein Mal durchgeführt worden ist
und die Daten festliegen. Aus den erhaltenen Daten sollen nun die besten Schätzwerte
für die Parameter der Theorie bestimmt werden. Hierfür wird die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung, der die gemessenen Datensätze folgen, wenn das Experiment mehrmals
durchgeführt wird, für den gegebenen Datensatz als Funktion der Parameter der Theorie
aufgefasst. Diese Funktion wird Likelihood-Funktion genannt. Die besten Schätzwerte für
die Parameter, die in einer Likelihood-Anpassung angegeben werden, sind die Werte f ür
die die Likelihood-Funktion maximal wird. Die Werte für die Parameter werden also so
bestimmt, dass die Wahrscheinlichkeit, die im Experiment gemessenen Daten zu messen,
maximal wird. Eine ausführliche Beschreibung der Methode der Likelihood-Anpassung
findet sich in Büchern zur statistischen Datenanalyse, z.B. [38].
Im Allgemeinen ist die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung in einer gegebenen Zufallsvariablen als eine stetige Funktion in dieser Variablen gegeben. In einer Monte-Carlo-Studie
wie dieser kommt es jedoch vor, dass die Verteilung in der untersuchten Größe, in diesem
Fall ∆φjj , nicht als stetige Funktion bekannt ist. Es existiert lediglich eine Vorhersage in
Form eines Histogramms von Monte-Carlo-Ereignissen. Aus den Daten wird daher in dieser Studie ebenfalls ein Histogramm gebildet. Die Likelihood-Funktion ist durch die Form
der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung für die Datenhistogramme gegeben, aufgefasst als
HZZ für den gegebenen Datensatz, an den die Anpassung durchgeführt
Funktion von g5e
werden soll.
HZZ berechnen zu können,
Um die Werte der Likelihood-Funktion in Abhängigkeit von g5e
wird die theoretisch vorhergesagte Verteilung der Ereignisse in der Größe ∆φjj in AbhängigHZZ benötigt. Hierfür werden Referenzhistogramme für beliebige Werte von
keit von g5e
HZZ gebildet, in denen die statistischen Fehler auf die Anzahl der Bineinträge verg5e
nachlässigbar klein sind im Vergleich zu den statistischen Fehlern im Datenhistogramm.
Die Referenzhistogramme werden durch Umgewichten von Ereignissen erzeugt. Die Methode des Umgewichtens wird in Abschnitt 8.1.3 erläutert.
In einer einfachen Likelihood-Anpassung wird für die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung der Datenhistogramme eine Multinomialverteilung angenommen. Die Gesamtzahl
der Histogrammeinträge ist dabei nicht Teil der Theorievorhersage. Es wird nur die Form
der Verteilung untersucht. Der Logarithmus der Likelihood-Funktion ist in diesem Fall
gegeben durch (s. etwa [38])
HZZ
ln L(g5e
)=
N
X
i=1
HZZ
ni ln νi (g5e
)
(8.1)
80
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
wobei additive Terme, die nicht von dem zu bestimmenden Parameter abhängen, nicht
angegeben werden, da sie für die Bestimmung der Position des Maximums der LikelihoodFunktion irrelevant sind. In Gleichung 8.1 wird die Anzahl der Bins als N bezeichnet,
die Bineinträge des Datenhistogramms werden als n i bezeichnet und die Bineinträge des
P
auf die Gesamtzahl N
i=1 ni normierten Referenzhistogramms als ν i . Die Bineinträge νi
HZZ ab.
hängen von dem Parameter g5e
Man gibt üblicherweise den Logarithmus der Likelihood-Funktion an, da bei der Bildung des Logarithmus das normalerweise in der Likelihood-Funktion auftretende Produkt
der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen der Einzelmessungen in eine Summe übergeht.
Diese lässt sich leichter analysieren, etwa bei der Bestimmung des Maximums durch Ableitung. Da der Logarithmus streng monoton steigt, ist das Maximum von L auch das
Maximum von ln L.
Wenn die Gesamtzahl der Einträge im Datenhistogramm von den zu bestimmenden
Parametern abhängt, kann es von Vorteil sein, diese Gesamtzahl in der Anpassung mit
zu berücksichtigen. Die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung der Datenhistogramme ist in
diesem Fall das Produkt aus einer Multinomialverteilung, multipliziert mit einer Poissonverteilung für die Gesamtzahl der Histogrammeinträge. Dies ist äquivalent dazu, für die
Anzahl der Einträge in jedem Bin eine unabhängige Poissonverteilung anzunehmen (s. S.
89 in [38]). Der Logarithmus dieser sogenannten erweiterten Likelihood-Funktion ist
HZZ
HZZ
)+
) = −νtot (g5e
ln L(g5e
N
X
HZZ
)
ni ln νi (g5e
(8.2)
i=1
mit der Anzahl der Bins N , den Bineinträgen im Datenhistogramm ni , den Bineinträgen
im Referenzhistogramm νi und der Summe der Einträge des Referenzhistogramms νtot =
PN
i=1 νi . Das Referenzhistogramm wird in diesem Fall nicht auf das Datenhistogramm
normiert. Im Gegensatz zur einfachen Likelihood-Anpassung, in der nur die Form der
Verteilung theoretisch bekannt sein muss, muss in diesem Fall auch die Normierung des
Referenzhistogramms durch die Theorie vorhergesagt werden.
8.1.3. Umgewichtung von Ereignissen
HZZ wird,
Zur Berechnung der Likelihood in Abhängigkeit von der Kopplungskonstanten g 5e
wie in Abschnitt 8.1.2 erläutert, eine Referenzverteilung in der Größe ∆φjj für jeden einHZZ , an dem die Likelihood-Funktion ausgewertet wird, benötigt. Diese
zelnen Wert von g5e
HZZ werden, um sie direkt an die Verteilung
Verteilungen für kontinuierliche Werte von g5e
der Daten anpassen zu können, nach der Detektorsimulation und den Analyseschnitten
benötigt. Im Allgemeinen sind Verteilungen auch auf Parton-Ebene nicht analytisch bekannt und werden durch Monte-Carlo-Methoden numerisch berechnet. Zusätzlich sind die
Effekte sämtlicher Rechenschritte bis einschließlich der Detektorsimulation und der nachfolgenden Analyseschnitte zu berücksichtigen, was analytisch ebenfalls schwierig ist.
HZZ Monte-Carlo-Ereignisse zu
Ein möglicher Ansatz wäre, für mehrere Werte von g5e
HZZ , für die keine Ereignisse
generieren, und die Referenzverteilungen für die Werte von g5e
erzeugt wurden, geeignet zu interpolieren. Dies ist jedoch nur bei einer relativ geringen
HZZ , bei denen Ereignisse erzeugt werden, praktikabel, da für jede
Zahl von Werten für g5e
Referenzverteilung eine große Anzahl Ereignisse benötigt wird, und da die Referenzverteilungen für die drei verschiedenen untersuchten Kanäle erzeugt werden müssen.
In dieser Studie werden stattdessen die Referenzverteilungen durch Umgewichten von
Ereignissen erzeugt. Für jeden Kanal wird nur jeweils ein umfangreicher Monte-CarloDatensatz für den Signalprozess mit Standardmodell-Kopplungen generiert. Der grund-
81
8.1 Beschreibung der Methode
legende Gedanke der Umgewichtung ist es, jedem der Ereignisse in diesen Monte-CarloDatensätzen ein Gewicht zuzuordnen, so dass die Verteilungen der gewichteten Ereignisse dem differentiellen Wirkungsquerschnitt folgen, den man mit einem zusätzlich zur
Standardmodell-Kopplung auftretenden Beitrag durch die anomale Kopplung erhält. Für
ein gegebenes Ereignis ist das Verhältnis des differentiellen Wirkungsquerschnitts mit der
anomalen CP-geraden Kopplung und der Standardmodell-Kopplung zum differentiellen
Wirkungsquerschnitt mit einer reinen Standardmodell-Kopplung an dem Phasenraumpunkt des Ereignisses gegeben durch das Verhältnis des quadrierten Matrixelementes mit
HZZ )|2 zum quadrierten Matrixelement mit der reinen
beiden Kopplungen |MSM +CP E (g5e
Standardmodell-Kopplung |MSM |2 . Die Partondichteverteilungen, die ebenfalls in den differentiellen Wirkungsquerschnitt eingehen, hängen nur von der Art des Partons sowie vom
Impulsanteil des Partons x und der quadrierten Faktorisierungsskala Q 2 ab. Da das Ereignis selbst beim Umgewichten nicht verändert wird und die Werte für x und Q2 beibehalten werden, sind die Werte der Partondichteverteilungen und der Phasenraumfaktor
unabhängig von der anomalen Kopplung und liefern keinen Beitrag zum Verhältnis der
HZZ
differentiellen Wirkungsquerschnitte. Eine Verteilung für einen beliebigen Wert von g5e
kann somit erzeugt werden, indem die mit Standardmodell-Kopplungen generierten Ereig2
HZZ )|2 /|M
nisse mit den Gewichten |MSM +CP E (g5e
SM | in ein Histogramm gefüllt werden.
Zur Umgewichtung werden die Subroutinen von vbfnlo, in denen das Matrixelement
berechnet wird, direkt aus dem Analyseprogramm heraus aufgerufen. Parallel zu den Ausgabedateien von ATLFAST werden die Ausgabedateien von vbfnlo eingelesen, um zu jedem
Ereignis die von vbfnlo erzeugten Impulse zu erhalten. Das Verhältnis der quadrierten
Matrixelemente mit und ohne einen Beitrag durch die anomale Kopplung ist für diese
Impulse zu berechnen, da die Verteilungen dieser Impulse dem differentiellen Wirkungsquerschnitt mit dem quadrierten Matrixelement für die Standardmodell-Kopplung |M SM |2
folgen. Die weiteren Rechenschritte nach der Generation auf Parton-Ebene hängen nicht
von den HV V -Kopplungen ab und können auch für den Fall eines Beitrags durch eine anomale Kopplung beibehalten werden. Die aus den Parton-Impulsen berechneten Gewichte
können daher auf die Ereignisse nach der Detektorsimulation angewendet werden, um
Verteilungen zu erhalten, in denen alle simulierten Detektoreffekte bereits ber ücksichtigt
sind.
Die Verteilungen der umgewichteten Ereignisse sollten unter der Bedingung, dass gen ügend Ereignisse in den Bereichen des Phasenraums generiert wurden, in denen der differentielle Wirkungsquerschnitt nach der Umgewichtung größer ist als vorher, bis auf die
statistischen Fehler in jeder Beziehung den Verteilungen von Ereignissen, die mit der anomalen Kopplung generiert werden, entsprechen. Der statistische Fehler auf die Summe
W der Gewichte wi in einem Bin ist gegeben durch [41]
2
σ (W ) =
N
X
wi2
(8.3)
i=1
wobei über alle Ereignisse im Bin zu summieren ist.
Eine Schnittanalyse sollte, wenn sie auf Verteilungen mit umgewichteten Ereignissen
angewendet wird, auf die gleichen Ergebnisse führen wie für Verteilungen mit generierten Ereignissen. Außerdem sollte der totale Wirkungsquerschnitt in Abhängigkeit von der
Kopplungskonstanten der anomalen Kopplung durch das Umgewichten richtig wiedergegeben werden.
HZZ = ±0.6 für umUm die Methode zu überprüfen, wurden die Verteilungen für g5e
gewichtete Ereignisse mit Kontrollverteilungen verglichen, deren Ereignisse mit den entsprechenden anomalen Kopplungen generiert wurden. Die Verteilungen wurden sowohl
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
H→ W W → llνν
40 mH = 160 GeV
+
-
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
82
HZZ
g5e = -0.6
35
30
25
20
HZZ
g5e
15
g5e = 0.6
1
0.9
H→ W W → llνν
mH = 160 GeV
0.8
g5e = 0.6
+
-
HZZ
0.7
0.6
0.5 gHZZ = 0
5e
=0
HZZ
0.4
HZZ
0.5
1
1.5
2
H→τ τ-→ ll + 4ν
mH = 120 GeV
2.5
+
HZZ
g5e
0.20
3
∆φqq
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
0
= -0.6
5
4
3
HZZ
g5e = 0
0.5
1
1.5
0.09
2
2.5
3
∆φjj
+
HZZ
g5e
0.08
H→τ τ-→ ll + 4ν
mH = 120 GeV
= 0.6
0.07
0.06
HZZ
0.05 g5e = 0
0.04
HZZ
0.03 g5e = -0.6
HZZ
2
g5e = 0.6
0.02
0.01
0.5
1
1.5
2
2.5
∆φqq
H→τ τ-→ lepton + hadron
HZZ
g5e = -0.6
mH = 120 GeV
+
20
18
16
14
12
HZZ
10
g5e = 0
8
00
3
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
1
0
dσ/d∆φjj [fb/(π/20)]
g5e = -0.6
0.3
10
6
1
0.09
0.07
1.5
2
2.5
3
∆φjj
H→τ τ-→ lepton + hadron
mH = 120 GeV
+
0.08
HZZ
g5e = 0.6
0.06
0.05
0.04 gHZZ = 0
5e
0.03
HZZ
g5e = 0.6
0.5
0.02
HZZ
g5e = -0.6
0.01
4
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φqq
00
0.5
1
1.5
2
2.5
3
∆φjj
Abbildung 8.2.: Signal-Verteilungen für die drei betrachteten Kanäle und jeweils drei
HZZ , links auf Parton-Ebene in der Differenz der Azimuthalwinverschiedene Werte von g5e
kel der Quarks ∆φqq , rechts nach der Detektorsimulation und nach den Analyseschnitten
in der Größe ∆φjj . Die schwarz dargestellten Verteilungen wurden durch Umgewichten erzeugt. Zum Vergleich sind in Farbe Kontrollverteilungen dargestellt, deren Ereignisse mit
anomalen Kopplungen generiert wurden. Die Verteilungen mit nicht gewichteten Ereignissen sind auf den jeweiligen totalen Wirkungsquerschnitt normiert. In den Verteilungen
mit gewichteten Ereignissen wurde die Anzahl der Ereignisse in einem Histogramm auf
den Standardmodell-Wirkungsquerschnitt normiert. Die absolute Normierung der Verteilungen ergibt sich aus den Gewichten.
83
σ [fb]
σ [fb]
8.1 Beschreibung der Methode
H→ W W → llνν
auf Parton-Ebene
+
-
500
11.4
11.2
11
H→ W W → llνν
nach Detektorsimulation
und Selektionsschnitten
+
-
10.8
450
10.6
10.4
400
10.2
350
9.8
10
9.6
300
-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 -0 0.2 0.4 0.6 0.8
1
HZZ
g5e
9.4
-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 -0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
HZZ
g5e
Abbildung 8.3.: totaler Wirkungsquerschnitt des Signals im Kanal H → W + W − → llνν
HZZ . Die Kurven wurden durch Umgein Abhängigkeit von der Kopplungskonstanten g 5e
wichten von Ereignissen berechnet. Die zum Vergleich eingetragenen Punkte wurden aus
Monte-Carlo-Datensätzen bestimmt, deren Ereignisse mit anomalen Kopplungen generiert
wurden. Links ist der Wirkungsquerschnitt auf Parton-Ebene vor den Analyseschnitten
dargestellt, rechts der Wirkungsquerschnitt nach der Detektorsimulation und den Analyseschnitten. Die Fehler auf die Punkte in der rechten Abbildung sind die Binomialfehler,
die sich durch die Rekonstruktions- und Schnitteffizienzen ergeben.
auf Parton-Ebene in der Differenz der Azimuthalwinkel der gestreuten Quarks ∆φ qq als
auch nach der Detektorsimulation und den Analyseschnitten in der Größe ∆φjj berechnet und sind in Abbildung 8.2 dargestellt. Man sieht, dass die Verteilungen, die durch
Umgewichten erzeugt wurden, gut mit den Verteilungen für mit der anomalen Kopplung
generierte Ereignisse übereinstimmen. Kleine Abweichungen sind lediglich für die Kanäle
mit H → τ + τ − auf Parton-Ebene bei großen Werten für ∆φqq und eine KopplungskonHZZ = −0.6 zu beobachten.
stante der anomalen Kopplung von g5e
Man sieht in Abbildung 8.2 außerdem, dass nicht nur die Form der Verteilungen durch
das Umgewichten richtig wiedergegeben werden, sondern auch deren Normierung, d.h. der
totale Wirkungsquerschnitt. Die Richtigkeit der Vorhersage des totalen Wirkungsquerschnitts durch das Umgewichten wurde explizit am Beispiel des Kanals H → W + W − →
llνν durch den Vergleich mit generierten Ereignissen überprüft. Dazu wurden zusätzliHZZ im Bereich zwischen −1 und 1 geche Monte-Carlo-Datensätze für 6 Werte von g5e
neriert. Die Ergebnisse für den totalen Wirkungsquerschnitt auf Parton-Ebene und nach
der Detektorsimulation und den Analyseschnitten sind für die generierten Monte-CarloDatensätze und für die durch Umgewichten erzeugten Verteilungen in Abbildung 8.3 dargestellt. Die entsprechenden Zahlenwerte sind in Tabelle 8.1 angegeben. Man sieht aus den
Ergebnissen, dass der totale Wirkungsquerschnitt sowohl auf Parton-Ebene als auch nach
der Detektorsimulation und den Analyseschnitten im Rahmen der statistischen Fluktuationen durch die Umgewichtung richtig wiedergegeben wird. Man sieht in Abbildung 8.3
außerdem, dass der Wirkungsquerschnitt nach der Detektorsimulation und den AnalyseHZZ abhängt als auf Parton-Niveau.
schnitten schwächer von der Kopplungskonstanten g 5e
Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Selektionseffizienz der Analyseschnitte mit zunehmendem Beitrag durch die anomale Kopplung abnimmt.
84
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
HZZ
g5e
-0.9
-0.6
-0.3
0.0
0.3
0.6
0.9
σ[f b] auf Parton-Ebene
generiert
umgewichtet
498.4 ± 0.9
499.1 ± 2.3
401.5 ± 0.9
403.0 ± 1.0
335.6 ± 0.9
336.1 ± 0.3
303.3
303.3
307.3 ± 0.9
307.3 ± 0.2
348.6 ± 0.9
350.1 ± 0.7
431.4 ± 0.9
432.5 ± 1.5
σ[f b] nach ATLFAST
generiert
11.06 ± 0.12
10.19 ± 0.13
9.80 ± 0.09
9.46 ± 0.02
9.48 ± 0.09
10.19 ± 0.11
10.94 ± 0.11
und Schnitten
umgewichtet
10.82 ± 0.05
10.19 ± 0.03
9.69 ± 0.02
9.46 ± 0.02
9.57 ± 0.02
10.06 ± 0.03
10.97 ± 0.04
Tabelle 8.1.: Werte für den totalen Wirkungsquerschnitt im Kanal H → W + W − → llνν,
bestimmt aus durch Umgewichten erzeugten Verteilungen und zum Vergleich aus MonteHZZ geCarlo-Datensätzen, die für die verschiedenen Werte der Kopplungskonstanten g 5e
neriert wurden. Links ist der totale Wirkungsquerschnitt auf Parton-Ebene angegeben,
rechts der nach der Detektorsimulation und den Analyseschnitten. Die statistischen Fehler, die auf die Werte aus den mit anomalen Kopplungen generierten Monte-CarloDatensätzen nach der Schnittanalyse angegeben sind, sind die Binomialfehler, die sich
aus den Rekonstruktions- und Schnitteffizienzen ergeben. Die Fehler auf Parton-Ebene
entsprechen den vom Programm angegebenen Fehlern. Die statistischen Fehler auf die
durch Umgewichten erhaltenen Werte wurden aus dem Fehler der Summe der Gewichte
(Gleichung 8.3) berechnet.
Für die Likelihood-Anpassung wurden durch Umgewichten Referenzhistogramme f ür
Signalereignisse in der Größe ∆φjj nach der Detektorsimulation und den Analyseschnitten
HZZ mit gleichem Abstand voneinander im
für 2000 Werte der Kopplungskonstanten g 5e
Bereich von −3.5 bis 3.5 erzeugt. In den Zwischenbereichen wird jedes Bin einzeln zwischen
den beiden benachbarten Histogrammen linear interpoliert. Zur Bestimmung der Position
des Maximums der Likelihood-Funktion werden 3 Punkte in der Umgebung des Maximums
HZZ einführt, nicht
benötigt. Daher ist der Fehler, den man durch die Abstände in g5e
größer als der zweifache Abstand der Punkte, an denen die Referenzhistogramme berechnet
werden, also nicht größer als 7 · 10−3 .
HZZ werZu den Referenzverteilungen der Signalereignisse für verschiedene Werte von g5e
den die gleichen Beiträge durch Untergrundprozesse addiert, die auch in Kapitel 7 verwendet werden.
8.2. Anwendung auf einen Datensatz pro Kanal
Die Likelihood-Anpassung wird zunächst beispielhaft für einen bzw. zwei Monte-CarloPseudodatensätze pro Kanal durchgeführt. Die Pseudodatensätze enthalten Signalereignisse für Standardmodell-Kopplungen sowie Beiträge durch Untergrundprozesse für die
jeweilige betrachtete integrierte Luminosität. Im Kanal H → W + W − → llνν wird ein
Pseudodatensatz für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1 und ein Pseudodatensatz für
eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 untersucht. In den Kanälen H → τ + τ − → ll + 4ν
und H → τ + τ − → lepton + hadron wird jeweils ein Pseudodatensatz für eine integrierte
Luminosität von 30 fb−1 betrachtet. Die Pseudodatensätze simulieren die erwarteten Daten des ATLAS-Experiments für ein Standardmodell-Higgs-Boson-Signal nach einem bzw.
drei Jahren Datennahme bei niedriger Luminosität. Es werden dieselben Pseudodatensätze
85
+
-∆ ln L
-∆ ln L
8.2 Anwendung auf einen Datensatz pro Kanal
-
H → W W → llνν
mH = 160 GeV
-1
10 fb
8
7
6
+
6
5
5
3σ
-
H → W W → llνν
mH = 160 GeV
-1
30 fb
7
3σ
4
4
3
3
2σ
2
1
0
-1.2
1
1σ
-1
-0.8 -0.6 -0.4 -0.2
2σ
2
0
0.2
1σ
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1
0.4
-∆ ln L
HZZ
g5e
-0
0.1
0.2
0.3
0.4
HZZ
g5e
+
H →τ τ- kombiniert
mH = 120 GeV
-1
30 fb
8
7
6
5
3σ
4
3
2σ
2
1
0
1σ
-1
-0.5
0
0.5
1
HZZ
g5e
HZZ für
Abbildung 8.4.: Verlauf von −∆ ln L in Abhängigkeit der Kopplungskonstanten g 5e
einen Beispiel-Pseudodatensatz pro Kanal. In schwarz sind die Kurven eingetragen, die unter Berücksichtigung des Untergrunds berechnet wurden. Die durchgezogenen Kurven entsprechen einer einfachen Likelihood, die gestrichelten Kurven einer erweiterten Likelihood.
Zum Vergleich sind in grau die Kurven eingezeichnet, die man für reine Signaldatensätze
erhält. Für die einfache Likelihood-Kurve unter Berücksichtigung des Untergrunds sind
die 1-, 2-, und 3σ-Intervalle eingezeichnet. Die schraffierten Bereiche entsprechen den von
L3 ausgeschlossenen Bereichen mit den Schranken aus Tabelle 3.2.
wie in Abschnitt 7.2 verwendet.
Um bei einer Higgs-Boson-Masse von 120 GeV die Sensitivität zu erhöhen, wurden die
beiden Kanäle mit H → τ + τ − in der Likelihood-Anpassung kombiniert. Die gemeinsame
Likelihood-Funktion für die Histogramme beider Kanäle in ∆φjj ist das Produkt der
Likelihood-Funktionen für die einzelnen Histogramme. Die Logarithmen der LikelihoodFunktionen beider Kanäle werden daher addiert.
In Abbildung 8.4 sind die Logarithmen der Likelihood-Funktionen für die betrachteten
Pseudodatensätze dargestellt. Da für die Bestimmung der Position des Maximums additive Konstanten keine Rolle spielen, wird üblicherweise die Differenz zum Extremum der
Likelihood-Funktion dargestellt. Außerdem ist es üblich, nicht das Maximum von ∆ ln L zu
bestimmen, sondern das Minimum von −∆ ln L. Aus der Kurve für −∆ ln L lässt sich ein
86
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
Schätzwert für die Standardabweichung der Ergebnisse der Anpassung ablesen. Für den
Fall, dass die Kurve von −∆ ln L in der Nähe des Minimums die Form einer Parabel hat,
ist der Schätzwert gegeben durch den Abstand des Minimums zu den Punkten, an dem
die Funktion −∆ ln L den Wert 0.5 annimmt. Allgemein lässt sich ein nσ-Intervall ablesen
als der Abstand des Minimums zu den Punkten, an denen die Funktion den Wert n 2 /2
annimmt (s. S. 78 f. in [38]). Da der Verlauf von −∆ ln L mit zunehmendem Abstand vom
Minimum in zunehmendem Maß von der Form einer Parabel abweicht, weicht die Breite
dieser Intervalle im Allgemeinen stärker vom richtigen Wert der n-fachen Standardabweichung ab, je größer n wird. Das aus der Kurve von −∆ ln L bestimmte nσ-Intervall
lässt sich jedoch auch für eine nicht parabelförmige Kurve als zentrales Vertrauensintervall
mit demselben Vertrauensniveau, das einem nσ-Intervall in einer Gauß-Kurve entspricht,
interpretieren (S. 131 in [38]).
In Tabelle 8.2 sind die Ergebnisse aus der Likelihood-Anpassung für einen BeispielPseudodatensatz pro Kanal angegeben. Aus der −∆ ln L-Kurve wurden die 1, 2, und 3 σIntervalle bestimmt. Als Schätzwerte für die Standardabweichungen werden die Breiten
der 1σ-Intervalle dividiert durch 2 angegeben.
Man sieht anhand der Schätzwerte für die Standardabweichung, dass es für eine HiggsBoson-Masse von 160 GeV im Kanal H → W + W − → llνν durch eine einfachen LikelihoodAnpassung möglich sein sollte, allein aus der Form der Winkelverteilung ∆φ jj die derzeitigen, in Abschnitt 3.2 angegebenen, experimentellen Schranken von L3 an die CP-geraden
anomalen Kopplungen um einen Faktor 4 oder mehr zu verringern. Für eine integrierte Luminosität von 30 fb−1 erhält man eine Standardabweichung von 0.11. Das aus der
−∆ ln L-Kurve bestimmte 3σ-Intervall von -0.36 bis 0.31 liegt noch deutlich innerhalb der
L3-Schranken von -1.6 bis 1.3. In den Kanälen mit H → τ + τ − sollte eine Sensitivität in der
HZZ erreichbar sein, die in etwa den Grenzen von L3 entspricht.
Kopplungskonstanten g5e
Aus der einfachen Likelihood-Anpassung erhält man eine Standardabweichung von 0.27.
Die Werte aus der Likelihood-Anpassung für ein 2 σ-Intervall von -0.69 bis 0.42 liegen in
dem gleichen Bereich, wie die Schranken von L3 von ±0.62, die in etwa einem Vertrauensniveau von 95% und damit ungefähr 2 σ entsprechen. In jedem Fall sollte es nach den
Werten in Tabelle 8.2 möglich sein, die deutlich schwächeren Schranken von L3 an die
HW W zu verringern. Aufgrund der gewählten Beziehung zwischen
Kopplungskonstante g5e
den HZZ- und den HW W -Kopplungen entspricht eine Standardabweichung von 0.27 auf
HZZ einer Standardabweichung von 0.21 auf g HW W .
g5e
5e
Die zusätzliche Berücksichtigung der absoluten Normierung der Verteilung in einer erweiterten Likelihood-Anpassung bietet im Kanal H → W + W − → llνν, vor allem bei
30 fb−1 , nur einen geringen Vorteil. Das entspricht der Erwartung, da für kleine Werte von
HZZ vor allem die Form der Verteilung über den Interferenzterm des Produktionsmatrig5e
HZZ abhängt. Die absolute Normierung wird vor allem durch die Terme
xelements von g5e
HZZ bzw. g HW W in einer höheren Potenz
des quadrierten Matrixelements beeinflusst, die g 5e
5e
enthalten, und die bei kleinen Werten der Kopplungskonstanten entsprechend unterdr ückt
sind. Eine deutliche Verbesserung durch die erweiterte Likelihood-Anpassung erhält man
im Kanal H → τ + τ − → ll + 4ν. Dort ist aufgrund der geringen Ereigniszahl die Form der
∆φjj -Verteilung in einem Testdatensatz nur schlecht bestimmt, und der Schätzwert für
HZZ bzw. g HW W quadratidie Standardabweichung liegt in einem Bereich, in dem der in g 5e
5e
sche Term beizutragen beginnt (zur Abhängigkeit der quadrierten Matrixelemente von den
Kopplungskonstanten vgl. Abschnitt 5.2). Für die Kombination beider H → τ + τ − -Kanäle
ist die Verbesserung in der erweiterten Likelihood-Anpassung wieder deutlich kleiner. Da
der Vorteil, den eine erweiterte Likelihood-Funktion liefert, recht gering ist, kann es unter
Umständen günstiger sein, auf die Information aus der Normierung zu verzichten, und nur
87
8.2 Anwendung auf einen Datensatz pro Kanal
Mit Untergrund:
H → W + W − → llνν
10f b−1
einfach
erweitert
30f b−1
einfach
erweitert
H → τ + τ − → ll + 4ν
30f b−1
einfach
erweitert
H → τ + τ − kombiniert
30f b−1
einfach
erweitert
Minimum
−∆ ln L
1σ-Intervall
2σ-Intervall
3σ-Intervall
Schätzwert
für σ
−0.30
−0.24
−0.03
−0.02
[−0.50, −0.10]
[−0.42, −0.06]
[−0.13, 0.08]
[−0.12, 0.09]
[−0.72, 0.10]
[−0.61, 0.12]
[−0.24, 0.20]
[−0.23, 0.19]
[−0.96, 0.30]
[−0.81, 0.30]
[−0.36, 0.31]
[−0.33, 0.30]
0.20
0.18
0.11
0.11
−0.25
−0.25
[−0.64, 0.12]
[−0.59, 0.07]
[−1.23, 0.53]
[−0.97, 0.40]
–
[−1.38, 0.74]
0.38
0.33
−0.13
−0.16
[−0.40, 0.13]
[−0.40, 0.06]
[−0.69, 0.42]
[−0.64, 0.40]
[−1.08, 0.78]
[−0.90, 0, 53]
0.27
0.23
1σ-Intervall
2σ-Intervall
3σ-Intervall
Schätzwert
für σ
[−0.42, −0.06]
[−0.36, −0.04]
[−0.01, 0.18]
[−0.01, 0.17]
[−0.62, 0.10]
[−0.53, 0.12]
[−0.10, 0.27]
[−0.10, 0.27]
[−0.83, 0.28]
[−0.70, 0.28]
[−0.20, 0.37]
[−0.19, 0.36]
0.18
0.16
0.10
0.09
[−0.55, 0.00]
[−0.54, −0.01]
[−0.89, 0.27]
[−0.86, 0.26]
[−1.89, 0.61]
[−1.25, 0.55]
0.28
0.27
[−0.27, 0.15]
[−0.28, 0.10]
[−0.48, 0, 40]
[−0.49, 0.30]
[−0.73, 0.71]
[−0.70, 0.50]
0.21
0.19
Zum Vergleich ohne Untergrund:
Minimum
−∆ ln L
+
−
H → W W → llνν
10f b−1
einfach
−0.24
erweitert
−0.20
30f b−1
einfach
0.08
erweitert
0.08
H → τ + τ − → ll + 4ν
30f b−1
einfach
−0.27
erweitert
−0.27
H → τ + τ − kombiniert
30f b−1
einfach
−0.06
erweitert
−0.09
HZZ aus der Likelihood-Anpassung für jeTabelle 8.2.: Ergebnisse für den Parameter g5e
weils einen Beispiel-Pseudodatensatz pro Kanal. In der oberen Tabelle sind die Ergebnisse
unter Berücksichtigung des Untergrunds angegeben, in der unteren Tabelle zum Vergleich
die Ergebnisse, die man aus den reinen Signaldatensätzen erhält. Zum Vergleich sind
zusätzlich zu den kombinierten Ergebnissen der Kanäle mit H → τ + τ − die Ergebnisse für
den Kanal H → τ + τ − → ll + 4ν alleine angegeben.
die Form der Verteilungen zu betrachten. Die Tatsache, dass die absolute Normierung sich
HZZ bzw. g HW W ändert,
in der Nähe des Minimums nur schwach in Abhängigkeit von g5e
5e
bedeutet umgekehrt, dass eine kleine Abweichung in der Vorhersage der Normierung eine
relativ große Verschiebung des erhaltenen Wertes für die Kopplungskonstante bewirkt.
Der Vergleich zwischen den in Tabelle 8.2 angegebenen Ergebnissen mit und ohne
Berücksichtigung des Untergrunds zeigt, dass sich wie erwartet durch den Beitrag des
Untergrunds die Sensitivität etwas verringert. In den kombinierten Ergebnissen für die
H → τ + τ − -Kanäle sinkt die Standardabweichung, wenn der Untergrund vernachlässigt
wird, um bis zu 22 %, im Kanal H → W + W − → llνν um bis zu 18 %. Der Effekt ist
vermutlich aufgrund des geringeren Verhältnisses der Anzahl Signalereignisse zur Anzahl
Untergrundereignisse in den Kanälen mit H → τ + τ − etwas größer. Der Beitrag des Unter-
88
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
HZZ aus der Anpassung
Verteilungen der Ergebnisse für g5e
für disjunkte Teildatensätze
Mittelwert
σ
H → W + W − → llνν
10f b−1
einfach
erweitert
30f b−1
einfach
erweitert
H → τ + τ − kombiniert
30f b−1
einfach
erweitert
0.1 · 10−2 ± 1.7 · 10−2
−0.3 · 10−2 ± 1.7 · 10−2
0.0 · 10−2 ± 1.8 · 10−2
−0.3 · 10−2 ± 1.9 · 10−2
1.85 · 10−1 ± 1.5 · 10−2
1.86 · 10−1 ± 1.6 · 10−2
1.27 · 10−1 ± 1.4 · 10−2
1.29 · 10−1 ± 1.4 · 10−2
−2.5 · 10−2 ± 3.7 · 10−2
−3.0 · 10−2 ± 3.4 · 10−2
2.47 · 10−1 ± 2.6 · 10−2
2.22 · 10−1 ± 2.5 · 10−2
Pull-Verteilungen
für disjunkte Teildatensätze
Mittelwert
σ
H → W + W − → llνν
10f b−1
einfach
erweitert
30f b−1
einfach
erweitert
H → τ + τ − kombiniert
30f b−1
einfach
erweitert
0.4 · 10−2 ± 7.9 · 10−2
−2.2 · 10−2 ± 8.3 · 10−2
0.5 · 10−1 ± 1.6 · 10−1
−0.8 · 10−1 ± 1.7 · 10−1
0.956 ± 5.6 · 10−2
1.02 ± 5.9 · 10−2
1.14 ± 1.2 · 10−1
1.19 ± 1.3 · 10−1
−1.1 · 10−1 ± 1.4 · 10−1
−1.3 · 10−1 ± 1.4 · 10−1
9.13 · 10−1 ± 9.7 · 10−2
9.12 · 10−1 ± 9.7 · 10−2
Tabelle 8.3.: Die obere Tabelle zeigt die Ergebnisse der Anpassung einer Gauß-Funktion
HZZ aus der im Text beschriebenen Likelihoodan die Verteilungen der Ergebnisse für g5e
Anpassung. Die untere Tabelle zeigt die Ergebnisse der Anpassung einer Gauß-Funktion
an die Pull-Verteilungen. Es wurden die Verteilungen der disjunkten Teildatensätze verwendet. Die Werte sind so angegeben, dass der statistische Fehler stets die Unsicherheit
in den beiden letzten Stellen des Wertes angibt.
grundes hat in der Likelihood-Anpassung einen kleineren Effekt als bei der Bestimmung
des dominanten Kopplungsterms in Kapitel 7.
8.3. Test der Methode mit mehreren Monte-Carlo-Datensätzen
Die Eigenschaften der Likelihood-Anpassung lassen sich genauer untersuchen, indem die
Anpassung für mehrere verschiedene Monte-Carlo-Pseudodatensätze durchgeführt wird.
Die Vorhersagen für die Standardabweichungen aus der Breiten der −∆ ln L-Kurven können
so direkt anhand der statistischen Schwankungen der Ergebnisse der Anpassung überprüft
werden. Außerdem lässt sich so untersuchen, ob durch die Methode eine systematische
Verschiebung (engl. bias) der Ergebnisse eingeführt wird.
Für diesen Test wurden dieselben Pseudodatensätze wie in Abschnitt 7.3 verwendet.
Dort wurden aus den vollständigen generierten Monte-Carlo-Datensätzen zunächst disjunkte Teildatensätze gebildet. Zusätzlich wurden, um die Statistik weiter zu erhöhen, für
jeden Kanal 10 000 Datensätze durch Resampling erzeugt.
Um zu überprüfen, ob für jeden einzelnen Datensatz im Mittel der Fehler aus der Breite
89
22
20
18
einfache Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
10 fb
Entries
149
16
14
12
10
8
6
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
8.3 Test der Methode mit mehreren Monte-Carlo-Datensätzen
einfache Likelihood
Entries
40 H→ W+W-→ llνν
35
10 fb
30
25
20
15
10
4
5
2
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1
-0
0.1 0.2
0.3
0
0.4
-3
-2
-1
0
1
einfache Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
Entries
49
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
12
10
8
6
4
2
14
einfache Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
3
Pull
HZZ
g5e
Entries
49
12
10
8
6
4
-0
0.1 0.2
0.3
0
0.4
-3
-2
-1
0
1
einfache Likelihood
Entries
+ 14 H→τ -1τ kombiniert
44
30 fb
12
10
8
6
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
Anzahl Datensätze
2
2
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1
14
0
0.2
0.4
0.6
HZZ
g5e
Entries
44
6
2
-0.2
Pull
8
2
-0.4
3
HZZ
g5e
10
4
-0.6
einfache Likelihood
+
H →τ τ- kombiniert
-1
30 fb
2
12
4
0
149
-1
0
-3
-2
-1
0
1
2
3
Pull
HZZ
g5e
Abbildung 8.5.: Verteilungen der Ergebnisse der einfachen Likelihood-Anpassung f ür disjunkte Teildatensätze. Auf der linken Seite sind die Verteilungen der Minima von −∆ ln L
dargestellt, auf der rechten Seite die entsprechenden Pull-Verteilungen. An alle Verteilungen wurde eine Gauß-Funktion angepasst.
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
20
18
erweiterte Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
10 fb
Entries
149
16
14
12
10
8
6
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
90
erweiterte Likelihood
Entries
40 H→ W+W-→ llνν
35
10 fb
30
25
20
15
10
4
5
2
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1
-0
0.1 0.2
0.3
0-5
0.4
-4
-3
-2
-1
0
1
2
14
erweiterte Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
Entries
49
12
10
8
6
18 erweiterte Likelihood
+ 16
8
6
2
0.3
0
0.4
-3
-2
-1
0
1
14
Entries
44
12
10
8
6
4
12
2
3
Pull
HZZ
g5e
Entries
erweiterte Likelihood
+
H→τ τ- kombiniert
-1
30 fb
44
10
8
6
4
2
2
0
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
erweiterte Likelihood
+
H →τ τ- kombiniert
-1
30 fb
49
10
2
0.1 0.2
5
HZZ
g5e
12
4
-0
Entries
H→ W W → llνν
-1
30 fb
4
14
4
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1
3
Pull
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
16
149
-1
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
HZZ
g5e
0
-3
-2
-1
0
1
2
3
Pull
HZZ
g5e
Abbildung 8.6.: Verteilungen der Ergebnisse der erweiterten Likelihood-Anpassung f ür
disjunkte Teildatensätze. Auf der linken Seite sind die Verteilungen der Minima von
−∆ ln L dargestellt, auf der rechten Seite die entsprechenden Pull-Verteilungen. An alle Verteilungen wurde eine Gauß-Funktion angepasst.
91
800
700
einfache Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
10 fb
Entries 10000
600
500
400
300
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
8.3 Test der Methode mit mehreren Monte-Carlo-Datensätzen
200
900 einfache Likelihood
Entries 10000
H→ W W → llνν
-1
10 fb
+
800
-
700
600
500
400
300
200
100
100
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1 -0
0
-5 -4
0.1 0.2 0.3 0.4
-3
-2
-1
0
1
600
einfache Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
Entries 10000
500
400
300
200
2
3
Pull
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
800
einfache Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
4
5
HZZ
g5e
Entries 10000
700
600
500
400
300
200
100
100
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1 -0
0-5
0.1 0.2 0.3 0.4
-4
-3
-2
-1
0
1
2
900
einfache Likelihood
h_1 + H→τ τ kombiniert
800 30 fb-1
Entries 10000
700
600
500
400
300
200
einfache Likelihood
+
H →τ τ- kombiniert
-1
30 fb
h_2
900
800
4
5
HZZ
g5e
Entries 10000
700
600
500
400
300
200
100
0
3
Pull
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
100
-1
-0.5
0
0.5
1
HZZ
g5e
0-5 -4
-3
-2
-1
0
1
2
3
Pull
4
5
gHZZ
5e
Abbildung 8.7.: Verteilungen der Ergebnisse der einfachen Likelihood-Anpassung f ür
Monte-Carlo-Pseudodatensätze, die durch Resampling erzeugt wurden. Auf der linken
Seite sind die Verteilungen der Minima von −∆ ln L dargestellt, auf der rechten Seite
die entsprechenden Pull-Verteilungen. An alle Verteilungen wurde eine Gauß-Funktion
angepasst.
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
800
700
erweiterte Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
10 fb
Entries 10000
h_1
Entries
Mean
600
10000
-0.0006116
RMS
0.1698
500
400
300
200
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
92
900
800
Entries 10000
erweiterte Likelihood
+ H → W W → llνν
-1
10 fb
h_2
Entries
RMS
700
600
500
400
300
0
-5 -4
0.1 0.2 0.3 0.4
-3 -2
-1
0
1
2
HZZ
g5e
erweiterte Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
Entries 10000
500
400
300
200
3
4
800
erweiterte Likelihood
+ H→ W W → llνν
-1
30 fb
5
HZZ
g5e
Pull
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
0.9911
100
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1 -0
600
-0.01617
200
100
700
10000
Mean
Entries 10000
700
600
500
400
300
200
100
100
0
-0.4 -0.3 -0.2 -0.1 -0
0-5
0.1 0.2 0.3 0.4
-4
-3
-2
-1
0
1
2
erweiterte Likelihood
900 H →τ+τ- kombiniert
-1
800 30 fb
Entries 10000
h_1
Entries
Mean
700
RMS
10000
-0.00454
0.2369
600
500
h_1
400
300
erweiterte Likelihood
5
HZZ
g5e
h_2
Entries
Mean
700
RMS
10000
0.005315
0.9716
600
500
400
300
200
100
100
HZZ
g5e
4
Entries 10000
900 H→τ+τ- kombiniert
-1
800 30 fb
200
0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 -0 0.2 0.4 0.6 0.8
3
Pull
Anzahl Datensätze
Anzahl Datensätze
HZZ
g5e
h_2
0-5 -4
-3
-2
-1
0
1
2
3
Pull
4
5
HZZ
g5e
Abbildung 8.8.: Verteilungen der Ergebnisse der erweiterten Likelihood-Anpassung f ür
Monte-Carlo-Pseudodatensätze, die durch Resampling erzeugt wurden. Auf der linken
Seite sind die Verteilungen der Minima von −∆ ln L dargestellt, auf der rechten Seite
die entsprechenden Pull-Verteilungen. An alle Verteilungen wurde eine Gauß-Funktion
angepasst.
8.3 Test der Methode mit mehreren Monte-Carlo-Datensätzen
93
HZZ aus der Anpassung
Verteilungen der Ergebnisse für g5e
für durch Resampling erzeugte Datensätze
Mittelwert
σ
H → W + W − → llνν
10f b−1
einfach
erweitert
30f b−1
einfach
erweitert
H → τ + τ − kombiniert
30f b−1
einfach
erweitert
−1.2 · 10−3 ± 2.1 · 10−3
−0.9 · 10−3 ± 2.1 · 10−3
0.1 · 10−3 ± 1.1 · 10−3
0.2 · 10−3 ± 1.1 · 10−3
1.889 · 10−1 ± 2.0 · 10−3
1.879 · 10−1 ± 2.0 · 10−3
1.0852 · 10−1 ± 7.8 · 10−4
1.0816 · 10−1 ± 7.7 · 10−4
1.01 · 10−2 ± 2.8 · 10−3
−4.6 · 10−3 ± 2.4 · 10−3
2.612 · 10−1 ± 1.9 · 10−3
2.372 · 10−1 ± 1.7 · 10−3
Pull-Verteilungen
für durch Resampling erzeugte Datensätze
Mittelwert
σ
H → W + W − → llνν
10f b−1
einfach
erweitert
30f b−1
einfach
erweitert
H → τ + τ − kombiniert
30f b−1
einfach
erweitert
−1.83 · 10−2 ± 9.8 · 10−3
−1.62 · 10−2 ± 9.9 · 10−3
−0.7 · 10−2 ± 1.0 · 10−2
−0.9 · 10−2 ± 1.0 · 10−2
9.739 · 10−1 ± 6.9 · 10−3
9.916 · 10−1 ± 7.0 · 10−3
9.959 · 10−1 ± 7.0 · 10−3
1.0050 ± 7.1 · 10−3
−1.66 · 10−2 ± 8.9 · 10−3
5.6 · 10−3 ± 9.7 · 10−3
8.875 · 10−1 ± 6.3 · 10−3
9.727 · 10−1 ± 6.9 · 10−3
Tabelle 8.4.: In der oberen Tabelle sind die Ergebnisse der Anpassung einer GaußHZZ aus der im Text beschriebenen
Funktion an die Verteilungen der Ergebnisse für g5e
Likelihood-Anpassung angegeben. Die untere Tabelle zeigt die Ergebnisse der Anpassung
einer Gauß-Funktion an die Pull-Verteilungen. Es wurden die Verteilungen der durch
Resampling erzeugten Testdatensätze verwendet. Die Werte sind so angegeben, dass der
statistische Fehler stets die Unsicherheit in den beiden letzten Stellen des Wertes angibt.
der −∆ ln L-Verteilung richtig vorhergesagt wird, kann eine sogenannte Pull-Verteilung
betrachtet werden. Ein Pull zi wird hier definiert als die Abweichung eines Messergebnisses
mi vom wahren Wert, der in diesem Fall 0 ist, dividiert durch die aus der Breite der
−∆ ln L-Kurve vorhergesagte Standardabweichung σ(m i ):
zi =
mi
σ(mi )
Die Verteilung der zi sollte einer Gaußverteilung mit Mittelwert 0 und Standardabweichung 1 folgen ([42], S. 289 f.). Ist die Standardabweichung der Pull-Verteilung kleiner als
1, so wird der Fehler aus den Einzelmessungen überschätzt, ist die Standardabweichung
größer, so wird der Fehler unterschätzt.
Die Verteilungen der Minima der −∆ ln L-Kurven und die Pull-Verteilungen aus der einfachen Likelihood-Anpassung an Datensätze, die durch Resampling erzeugt wurden, sind
in Abbildung 8.7 dargestellt, die Verteilungen der Minima und die Pull-Verteilungen aus
der erweiterten Likelihood-Anpassung in Abbildung 8.8. Die entsprechenden Verteilungen
für disjunkte Teildatensätze sind in den Abbildungen 8.5 und 8.6 dargestellt. Aufgrund
des hohen Rechenaufwands wurden die Verteilungen nur für die physikalisch relevanten
94
Bestimmung eines anomalen Beitrags zur Standardmodellkopplung
Datensätze berechnet, in denen die Beiträge durch Untergrundprozesse enthalten sind.
Im Gegensatz zum χ2 -Test in Kapitel 7, wo die Verteilungen für mehrere Testdatensätze
zusätzliche Informationen lieferten, dienen die Verteilungen hier in erster Linie dem Test
der Methode. Unter der Voraussetzung, das die Methode keine systematische Verschiebung enthält und die Standardabweichung durch die Breite der −∆ ln L-Verteilung richtig
wiedergegeben wird, enthält Tabelle 8.2 bereits die nötigen Informationen, um die Verringerung der Sensitivität durch Untergrundbeiträge abzuschätzen.
An die Verteilungen wurde jeweils eine Gauß-Funktion angepasst. Die Ergebnisse dieser
Anpassung sind in den Tabellen 8.4 und 8.3 angegeben.
Man sieht anhand der Abbildungen, dass die meisten Verteilungen im Rahmen der
statistischen Fluktuationen durch eine Gauß-Funktion beschrieben werden können. Eine
leichte Abweichung von der Form einer Gauß-Kurve lässt sich in den Verteilungen für
den Kanal H → τ + τ − und die einfache Likelihood-Anpassung an die durch Resampling
erzeugten Datensätze erkennen.
Die aus den Verteilungen der disjunkten Testdatensätze ermittelten Werte in Tabelle 8.3
zeigen innerhalb der statistischen Fehler eine gute Übereinstimmung mit den Erwartungen.
Aufgrund der geringen Anzahl disjunkter Teildatensätze ist die statistische Genauigkeit jedoch relativ gering. Die Mittelwerte aus der Anpassung der Gauß-Funktion sind innerhalb
der statistischen Genauigkeit mit dem wahren Wert 0 verträglich. Die Standardabweichungen der Gauß-Kurven stimmen innerhalb der statistischen Fehler mit den vorhergesagten
Werten aus der Breite der −∆ ln L-Kurve für einen Beispiel-Pseudodatensatz aus Abschnitt 8.2 überein. Die Pull-Verteilungen sind innerhalb der statistischen Fehler mit der
Annahme einer Gauß-Verteilung mit Mittelwert 0 und Standardabweichung 1 verträglich.
Anhand der Werte aus Tabelle 8.4 sieht man, dass auch für den Fall der durch Resampling erzeugten Datensätze im Kanal H → W + W − und im Kanal H → τ + τ − mit der
erweiterten Likelihood die Mittelwerte aus der Anpassung der Gauß-Funktion im Rahmen der statistischen Unsicherheit mit dem wahren Wert 0 verträglich sind. Dies gilt
sowohl für die Verteilungen der Ergebnisse der Likelihood-Anpassung als auch für die
Pull-Verteilungen. Im Kanal H → τ + τ − mit der einfachen Likelihood ist der Mittelwert
in der Verteilung der Ergebnisse der Likelihood-Anpassung etwas zu positiven Werten hin
verschoben. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Verteilungen in diesem Kanal mit
der einfachen Likelihood deutlich sichtbar von einer Gaußverteilung abweichen.
Die ermittelten Standardabweichungen der an die Pull-Verteilungen angepassten GaußFunktionen stimmen im Kanal H → W + W − → llνν für eine integrierte Luminosität von
30 fb−1 innerhalb der statistischen Genauigkeit mit 1 überein. Das bedeutet, dass in diesem
Kanal und für diese integrierte Luminosität der Fehler aus der Breite der −∆ ln L-Kurve im
Mittel richtig abgeschätzt wird. Für den Kanal H → W + W − → llνν bei 10 fb−1 und den
Kanal H → τ + τ − sind die Standardabweichungen der Pull-Verteilungen etwas kleiner
als 1. Das deutet darauf hin, dass in diesen beiden Fällen der Fehler aus den −∆ ln LKurven leicht überschätzt wird. Eine naheliegende Erklärung ist, dass die −∆ ln L-Kurven
im Bereich einer Standardabweichung ober- bzw. unterhalb des Minimums nicht mehr
exakt parabelförmig sind, sondern etwas flacher. Im Kanal H → W + W − → llνν für
30 fb−1 ist die −∆ ln L-Kurve aufgrund der höheren Statistik über einen größeren Bereich
parabelförmig und gibt daher die Standardabweichung richtig wieder.
Die Standardabweichungen der Verteilungen des Ergebnisses der Anpassung für den
HZZ stimmen größtenteils mit den in Abschnitt 8.2 aus der −∆ ln L-Kurve
Parameter g5e
für einen Beispieldatensatz ermittelten Werten überein.
9. Zusammenfassung und Ausblick
In dieser Arbeit wurde erstmals die Messbarkeit der Tensorstruktur der Kopplungen eines Higgs-Bosons an schwache Eichbosonen in der Vektorbosonfusion mit dem ATLASDetektor am LHC untersucht. Die Analyse wurde für die Annahme einer Higgs-BosonMasse von 120 GeV in den Kanälen H → τ + τ − → ll + 4ν und H → τ + τ − → lepton +
hadron, sowie für die Annahme einer Higgs-Boson-Masse von 160 GeV im Kanal H →
W + W − → llνν durchgeführt.
Zusätzlich zum Standardmodell-Vertex, der proportional zum metrischen Tensor des
Minkowski-Raums g µν ist, wurden im Rahmen einer effektiven Theorie weitere TensorKopplungsvertizes betrachtet, die aus Kopplungstermen der Dimension 6 in einer effektiven Lagrangedichte hervorgehen. Diese Kopplungsterme unterscheiden sich in ihren Transformationseigenschaften unter der CP-Transformation. Eine experimentelle Unterscheidung zwischen den Termen ermöglicht daher die Bestimmung der CP-Transformationseigenschaften des koppelnden skalaren Teilchens.
In den betrachteten Kanälen wurden Schnittanalysen durchgeführt, wie sie in Studien
zum Entdeckungspotential verwendet wurden. Die anomalen Kopplungen wurden unter
Berücksichtigung von Untergrundprozessen und unter Verwendung der schnellen Simulation des ATLAS-Detektors anhand der Verteilung der Differenz der Azimuthalwinkel
der Tagging Jets ∆φjj nach allen Analyseschnitten untersucht. In den Analysen wurden
Monte-Carlo Pseudodatensätze für integrierte Luminositäten von maximal 30 fb−1 verwendet. Dies entspricht in etwa der Datenmenge, die für das ATLAS-Experiment innerhalb
der Laufzeit von 3 Jahren bei niedriger Luminosität erwartet wird.
In einem χ2 -Test wurde untersucht, ob für ein Standardmodell-Higgs-Boson die Hypothesen einer rein CP-geraden anomalen Kopplung und einer rein CP-ungeraden anomalen Kopplung ausgeschlossen werden können. Die Gültigkeit der Methode wurde anhand
der Hypothese einer reinen Standardmodell-Kopplung getestet und bestätigt. Es wurde
gezeigt, dass es für ein Standardmodell-Higgs-Boson mit einer Masse von 160 GeV im Kanal H → W + W − → llνν mit einer integrierten Luminosität von 30 fb−1 voraussichtlich
möglich sein wird, Abweichungen von den alternativen Hypothesen, die 5 σ oder mehr entsprechen, zu beobachten. Im Mittel wurden für die betrachteten Monte-Carlo-Datensätze
bereits für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1 Abweichungen von 4.9 σ für die Hypothese einer CP-ungeraden Kopplung und 5.5 σ für die Hypothese einer CP-geraden
Kopplung beobachtet. In der Analyse bei einer Higgs-Boson-Masse von 120 GeV wurden
die Ergebnisse der beiden Kanäle H → τ + τ − → ll+4ν und H → τ + τ − → lepton+hadron
kombiniert. Es wurde gezeigt, dass wahrscheinlich zumindest für eine der beiden alternativen Hypothesen ein Vertrauensniveau von 5% oder weniger erreicht werden kann. Eine
Unterscheidung, die 5 σ entspricht, lässt sich mit dieser Analyse voraussichtlich nicht erreichen. Im Mittel betragen die für Monte-Carlo-Datensätze beobachteten Abweichungen
in diesen Kanälen 2.2 σ für die CP-ungerade Kopplung und 2.7 σ für die CP-gerade Kopplung.
In einer Likelihood-Anpassung wurde untersucht, ab welcher Größe der Kopplungskonstanten ein Beitrag der CP-geraden anomalen Kopplungen zur Standardmodell-Kopplung
mit dem ATLAS-Detektor voraussichtlich gemessen werden können wird. Die Metho-
96
Zusammenfassung und Ausblick
de wurde getestet, indem die Likelihood-Anpassung für eine Reihe von Monte-CarloPseudodatensätzen durchgeführt wurde. Es wurde gezeigt, dass die Methode aussagekräftiHZZ und dessen Standardabweige Schätzwerte für den Wert der Kopplungskonstanten g 5e
chung liefert. Im Rahmen der statistischen Genauigkeit konnte im Kanal H → W + W − →
llνν kein Hinweis auf eine systematische Verschiebung der Ergebnisse beobachtet werden.
In den Kanälen mit dem Zerfall H → τ + τ − zeigten sich gerinfügige, statistisch signifikante Verschiebungen der Ergebnisse, welche auf die leichte Abweichung der Form der
Verteilungen der Ergebnisse von einer Gauß-Kurve zurückgeführt wurden.
Für simulierte Testdatensätze mit Standardmodell-Kopplungen ergab sich im Kanal
H → W + W − → llνν bei 30 fb−1 eine Standardabweichung in der Kopplungskonstanten
HZZ von 0.11, wobei ein Wert für g HW W = g HZZ cos2 θ von 1 für eine rein anomale CPg5e
w
5e
5e
gerade Kopplung bei einer Higgs-Boson-Masse von 120 GeV ungefähr den StandardmodellWirkungsquerschnitt reproduziert. Im Kanal H → τ + τ − ergab sich eine Standardabweichung von 0.27, wobei der rein leptonische Zerfallskanal und der semileptonische Zerfallskanal für das τ -Leptonpaar in der Anpassung kombiniert wurden. Die angegebenen Werte
für die Standardabweichung wurden durch eine Likelihood-Anpassung ermittelt, in der
nur die Form der Verteilung betrachtet wurde. Eine erweiterte Likelihood-Anpassung, in
der zusätzlich die Normierung der Verteilung berücksichtigt wird, zeigte nur eine geringe
Verbesserung der Ergebnisse.
Die aktuellen experimentellen Schranken an die CP-geraden anomalen Kopplungen vom
L3-Experiment bei LEP werden nach den Ergebnissen dieser Analyse für ein Standardmodell-Higgs-Boson mit einer Masse von 160 GeV im Kanal H → W + W − → llνν bereits
für 10 fb−1 voraussichtlich deutlich reduziert werden können. Für ein Higgs-Boson der
Masse 120 GeV im Kanal H → τ + τ − wurde gezeigt, dass die Schranken an die CP-gerade
anomale Kopplung des Higgs-Bosons an W -Bosonen gegenüber der L3-Studie ebenfalls
voraussichtlich etwas verringert werden können. Für die CP-gerade anomale Kopplung des
Higgs-Bosons an Z-Bosonen wurde gezeigt, dass in etwa die Sensitivität der L3-Analyse
erreicht werden kann.
Ausblick
Eine offene Frage ist, wie die Analyse in der vollständigen Detektorsimulation durchgeführt werden kann. Aufgrund des hohen Rechenaufwands, den die vollständige Detektorsimulation benötigt, wird es nicht möglich sein, Referenzverteilungen mit ähnlich vielen
Monte-Carlo-Ereignissen zu erzeugen, wie sie in dieser Analyse verwendet wurden. Mit Referenzverteilungen, die deutlich weniger Ereignisse erhalten wird jedoch bei analoger Vorgehensweise zu dieser Studie die Sensitivität auf die anomalen Kopplungen allein durch
die Ungenauigkeit in den theoretisch vorhergesagten Winkelverteilungen stark abnehmen.
A. Dimension von Termen der
Lagrangedichte
R
In natürlichen Einheiten hat die Wirkung S = Ld4 x die Einheit 1, d.h. sie ist dimensionslos. Das bedeutet, da d4 x die Dimension (M asse)−4 hat, dass die Lagrangedichte die
Dimension (M asse)4 haben muss. Da in natürlichen Einheiten alle Größen in Einheiten
der Masse bzw. Energie ausgedrückt werden, sagt man auch kurz, dass L die Dimension
4 hat.
Von den kinetischen Termen der Standardmodellfelder ausgehend lässt sich die Dimension der einzelnen Felder bestimmen. Eine Ableitung ∂ µ hat die Dimension 1. Aus dem
Term ψ̄i/
∂ ψ ergibt sich, dass ein Diracfeld die Dimension 3/2 hat. Aus den Termen |D µ φ|2
und 14 Fµν F µν folgt, dass skalare und Vektorfelder die Dimension 1 haben.
Wenn die Summe über die Dimensionen aller Felder und Ableitungen eines Terms nicht
4 ist, muss der Vorfaktor bzw. die Kopplungskonstante diese Abweichung ausgleichen und
selbst eine Dimension besitzen. Das ist zum Beispiel bei herkömmlichen Massentermen
der Fall. Ein wichtiger Punkt hierbei ist, dass eine Theorie nicht renormierbar ist, wenn
sie Terme mit einer Kopplungskonstanten mit negativer Dimension enthält (s. etwa Kap.
4.1 in [1]). Die Summe der Dimensionen aller Felder und Ableitungen eines Terms ohne
Berücksichtigung der Kopplungskonstanten nennt man auch die Dimension des Terms.
Dass die Dimension unter Einbeziehung der Kopplungskonstanten 4 ist, wird implizit
vorausgesetzt. Das Standardmodell als renormierbare Theorie enthält nur Terme bis zur
Dimension 4.
98
Dimension von Termen der Lagrangedichte
B. Das Verhalten des -Tensors unter der
Parität
Das Ergebnis der Anwendung der Paritätstransformation




P =
1 0
0
0
0 −1 0
0
0 0 −1 0
0 0
0 −1



,

auf µνρσ ergibt sich wie folgt. In der Summe P αµ Pβν Pγρ Pδσ αβγδ sind diejenigen Terme
von Null verschieden, in denen nur Diagonalelemente von P auftreten. Dabei müssen,
wegen des -Tensors, in einem nichtverschwindenden Summanden alle vier verschiedenen
Diagonalemente von P auftreten. Das Produkt der Diagonalelemente von P ist aber gerade
−1. Der -Tensor wechselt also unter der Parität sein Vorzeichen:
Pαµ Pβν Pγρ Pδσ αβγδ = −µνρσ
Der -Tensor ist daher ein sogenannter Pseudotensor vierter Stufe.
100
Das Verhalten des -Tensors unter der Parität
C. Definition der Signalsignifikanz
Die Signalsignifikanz ist ein Maß für die Abweichung einer im Experiment gemessenen
Ereigniszahl von der erwarteten Anzahl Untergrundereignisse. Bei ihrer Berechnung geht
man zunächst davon aus, dass die Anzahl der Untergrundereignisse bei mehrmaliger Wiederholung des Experiments einer Poisson-Verteilung folgt. Für den Fall, dass die im Mittel
erwartete Anzahl der Untergrundereignisse groß ist, kann diese Poisson-Verteilung durch
eine
√ Gaußverteilung angenähert werden. Die Standardabweichung einer Gaußverteilung ist
U , wenn U die im Mittel erwartete Anzahl Ereignisse, in diesem Fall Untergrundereignisse, ist. Die Signalsignifikanz ist in diesem Fall definiert als die Differenz der gemessenen
Anzahl Ereignisse vom Erwartungswert der Anzahl
√ Untergrundereignisse, normiert auf die
Standardabweichung der Untergrundverteilung U . Im Rahmen einer Monte-Carlo-Studie
wird anstelle der gemessenen Anzahl Ereignisse die Summe der für einen Signalprozess im
Mittel vorhergesagten Anzahl Signalereignisse S und der im Mittel vorhergesagten Anzahl Untergrundereignisse
√ U verwendet. Die Signifikanz wird in diesem Fall berechnet als
√
(U + S − U )/ U = S/ U .
Für den Fall, dass die im Mittel erwartete Anzahl Untergrundereignisse klein ist, und daher die entsprechende Poisson-Verteilung nicht gut durch eine Gaußverteilung angenähert
werden kann, wird die Signifikanz auf eine andere Weise berechnet. Eine Abweichung vom
Erwartungwert einer Poisson-Verteilung um z.B. 5 Standardabweichungen zu größeren
Werten tritt bei einer Poissonverteilung mit einer anderen relativen Häufigkeit auf als bei
einer Gaußverteilung. Die Signifikanz wird daher für eine Poisson-Verteilung nicht direkt
aus der Abweichung vom Erwartungswert berechnet. Sie wird so berechnet, dass einer
gegebenen Poisson-Signifikanz die gleiche Wahrscheinlichkeit entspricht, die beobachtete
Anzahl Ereignisse oder mehr zu erhalten, wie dem gleichen Wert der Gauß-Signifikanz.
Zunächst wird die Wahrscheinlichkeit CL (für Confidence Level, Vertrauensniveau) bestimmt, unter der Annahme, das die im Experiment gemessene Anzahl Ereignisse durch
die angenommene Poisson-Verteilung der Anzahl Untergrundereignisse richtig beschrieben
wird, die beobachtete Anzahl Ereignisse oder mehr zu erhalten. Es wird also das Integral
über die Poisson-Verteilung der Anzahl Untergrundereignisse von der Gesamtzahl der beobachteten Ereignisse bis ∞ gebildet. Die Signifikanz ergibt sich dann als
√
(C.1)
Signifikanz = 2 Erf −1 (1 − 2 · CL)
mit der Fehlerfunktion
2
Erf(z) = √
π
Z
z
0
2
e−t dt
(C.2)
Nach dieser Definition entspricht eine gegebene Signifikanz von 5 etwa einer Wahrscheinlichkeit von 2.87·10−7 , allein durch Untergrundprozesse die beobachtete Anzahl Ereignisse
oder mehr im Experiment zu erhalten. Dies ist die gleiche Wahrscheinlichkeit, die im Fall
einer Gauß-Verteilung einer Gauß-Signifikanz von 5 entspricht. Für große im Mittel erwartete
√ Untergrundereigniszahlen nähern sich die Werte der für die Poisson-Signifikanz und
S/ U einander an.
Die Poisson-Signifikanz ist bei kleinen Zahlen von Signal- und Untergrundereignissen
√
aufgrund der Asymmetrie der Poisson-Verteilung etwas kleiner als S/ U . Anschaulich
102
Definition der Signalsignifikanz
ist bei einer Poisson-Verteilung mit kleinem Mittelwert die relative Wahrscheinlichkeit
einer Abweichung nach oben etwas größer als bei einer Poisson-Verteilung mit großem
Mittelwert.
Unter [26] steht ein Programm zur Verfügung, welches die Poisson-Signifikanz berechnet.
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