O NLINEPROFIS 2012 Kundenpflege im Social Web Rein, aber mit Netzwerkeffekt Foto: Fotolia/Thinkstock In den Facebook-Präsenzen vieler Autohäuser schlummert ungenutztes Potenzial Gebrauchtwagen-Onlinebörsen, Verbraucherportale, immer zuverlässigere Pkw: Autohäuser haben es heutzutage nicht leicht, den Kontakt zu König Kunde stetig aufrecht zu erhalten und Bindung und Loyalität als Basis geschäftlichen Erfolgs herzustellen. Dabei lässt sich über die sozialen Netzwerke wie Facebook auf smarte und zukunftsgewandte Weise Kundendialog aufbauen und die schwindende Nähe zum Käufer wiederherstellen. Allerdings nur, wenn man es richtig macht. Im Folgenden lesen Sie, was für einen erfolgreichen Auftritt im Social Web beachtet werden muss. Während die prestigeträchtigen Automobilmarken Tausende von Fans um ihre FacebookSeiten scharen, tun sich die Autohäuser von Kiel bis Konstanz bereits schwer, auch nur 500 Fans zu gewinnen. Nur eine Handvoll Betriebe wie die Hessengarage erreichen 10.000 Fans. Sieht man sich die Facebook-Pages genauer an, fällt auf: Sie bedienen in der Regel kaum die Bedürfnisse der Zielgruppe und bieten dem Nutzer wenig in- 38 www.kfz-betrieb.de dividuellen Mehrwert. Außer dem „guten Start in die neue Woche“ passiert oft nicht viel. Zudem macht die vertriebsgesteuerte Branche oft den Fehler, Facebook in erster Linie als Verkaufskanal zu betrachten. Genau das ist das weltweit größte soziale Netzwerk nicht. Wie das Adjektiv „sozial“ bereits andeutet, dient es vielmehr dazu, Beziehungen aufzubauen, auszubauen und zu pflegen. Kundenpflege 2.0 Die großen Automobilmarken machen vor, wie man mit den Facebook-Nutzern in einen attraktiven Dialog tritt und gemeinsam mit den Fans die Faszination Automobil gestaltet. Genau hier liegen auch die Chancen für das einzelne Autohaus: die vielfältige Welt individueller Mobilität für Facebook-Nutzer erlebbar zu machen und so für das eigene Leistungsspektrum zu begeistern. Damit ergänzt Facebook Werkzeuge wie Kundenmailings und Inspektionserinnerungen. Die Plattform soll aber auch Spaß bringen und den Kunden mit der faszinierenden Lebenswelt Automobil in Kontakt bringen. Nicht zu vergessen: Eine Präsenz im Social Web ist auch deshalb wichtig, weil man bestimmte Zielgruppen nur noch dort erreicht. Dennoch ist das Social Web nicht für alle Autohäuser pauschal zu empfehlen. Ein Werkstattbesitzer, der für seine Maulfaulheit berüchtigt ist, kann nicht glaubhaft routiniert im Social Web kommunizieren oder mangelnde Kundenorientierung und -ansprache ausgleichen, die offline nicht gelebt wird. Der Mindset – ein offener Umgang mit König Kunde und die entsprechende Serviceorientierung – muss per se vorhanden sein. Auch, um Risiken zu minimieren, die Facebook, Twitter und Co. bei allen Chancen bergen: Kunden können dauerhafte Servicemängel oder notorische Schwachstellen gnadenlos offenlegen – mit zwei, drei kurzen Sätzen, lesbar nicht nur für die eigene Fangemeinde, sondern für jeden. Deshalb sollte den Schritt ins Social Web nur gehen, wessen Kundenzufriedenheitsniveau mindestens im Normbereich liegt. Spezial 2012 O NLINEPROFIS 2012 Entscheidung steht – was nun? Als Plattform für Autohäuser empfiehlt sich Facebook, da es mit über 24 Millionen Nutzern in Deutschland die mit Abstand größte Reichweite bietet. Hinzu kommt eine Fülle an Interaktionsangeboten und Möglichkeiten, Text-, Bild- und Bewegtbild-Komponenten flexibel zu gestalten. Die Einrichtung der Facebook-Seite kann – je nach Komplexität – eine spezialisierte Agentur oder auch der versierte Mitarbeiter vornehmen. Kurzporträt, Leistungsportfolio, Ansprechpartner, Bilder und Impressum – auf diese Infos sollte keine Seite verzichten. Allerdings alles in medienadäquater Kurzform. Während die Einrichtung der Facebook-Seite eine vergleichsweise einfache Aufgabe ist, kommt der wichtigste Job im Anschluss: die dauerhafte Bespielung. Dabei wird oft unterschätzt, dass Facebook eine zeitaufwendige Aufgabe ist, die erstens keinen Praktikantenjob darstellt, zweitens außer nachts schnelle Reaktionszeiten erfordert, drittens eigenverantwortliches Handeln erfordert und viertens Produktund Servicewissen mit Genauigkeit und Empathie dafür voraussetzt, wie man mit seiner Zielgruppe sprechen muss. Idealerweise sollte das Autohaus hier – als Alternative zu Profis aus Agenturen oder Freelancern – einen oder besser mehrere Mitarbeiter nominieren, die diese Aufgabe fest übernehmen. Mitarbeiter, die ihre Kunden auch offline besonders versiert, sympathisch und kompetent bedienen, werden diese Aufgabe auch online menschlich überzeugend lösen. Information, Unterhaltung und Dialog Ausgangspunkt für alle Social-Media-Aktivitäten sollte ein Konzept sein, das die Ziele und Strategien des Autohauses im Social Web verbindlich festlegt. Nur so kann überprüft werden, wie Spezial 2012 die einzelnen Maßnahmen zum Gesamterfolg beitragen. Das Konzept sollte außerdem einen groben Redaktionsplan für das nächste Jahr umfassen, die Themen Monat für Monat festlegen und sinnvoll mit der Gesamtplanung verknüpfen. Zwar liegen die Themen dafür förmlich auf der Straße, beziehungsweise stehen auf dem Parkplatz oder im Schauraum. Allerdings sollte die persönliche Relevanz von Information, Unterhaltung und Dialog für den Fan immer im Vordergrund stehen. Darüber hinaus muss man Facebook auch als Kundencenter begreifen, in dem Fragen öffentlich geäußert werden. Eine gute Strategie ist es, den User in die Welt des Automobils zu entführen und Informationen mit Mehrwert bereitzustellen. Eine knappe Info, möglichst mit Direktlink zur neuen Winterreifen-Verordnung, dürfte den Leser ebenso interessieren wie der Hinweis auf den Tag der offenen Tür. Smarte Geschichten und Bilderserien zur neuen Modellreihe, Verlinkung auf interessante Tests aus Endkundenzeitschriften oder historisches Bildmaterial aus der Geschichte des eigenen KfzBetriebs runden den Themenmix ab. Natürlich lassen sich zwischendurch auch die aktuellen Angebote gut platzieren. Nur im Vordergrund dürfen sie nicht stehen – Facebook ist keine Verkaufsplattform. Damit sich der Post über die eigene Fangemeinde hinaus verbreitet, sollte er außerdem so attraktiv sein, das die Fans ihn an ihre Facebook-Freunde weiterleiten. Das maximiert den Netzwerkeffekt. Um rasch einen Freundeskreis aufzubauen, sollte der neue Auftritt auch beworben werden. Naheliegenderweise über Facebook-Ads, aber auch über alle anderen Kanäle: Facebook-Link auf der Homepage, im E-Mail-Abbinder, in Mailings, Zusätze auf Kundenanschreiben „Übrigens: Besuchen Sie uns auch auf Facebook“, Kundenstopper im Verkaufsraum, wahlweise mit QR-Code (Quick-Response-Code mit Direktlink zur FacebookSeite) oder der Facebook-Hinweis auf der Visitenkarte leiten Kunden zielsicher ins Social Web. www.kfz-betrieb.de 39 O NLINEPROFIS 2012 wort von dem entsprechenden Experten im KfzBetrieb verifiziert werden muss. Trotzdem gilt: Schnelligkeit ist Trumpf. Im Krisenfall, also bei öffentlichen Beschwerden, Vorwürfen etc., muss unbedingt Contenance bewahrt werden. Man sollte ruhig und sachlich antworten und um ein persönliches Gespräch per Telefon oder im Betrieb bitten. So wird der Vorfall entschärft und auf die Offline-Ebene zurückgeholt. Nur im absoluten Ausnahmefall – unsittliche Beschimpfungen oder gar rechtsverletzende Äußerungen – kann der Kommentar von der Pinnwand gelöscht werden. Qualität statt Quantität Praxistipps für einen Facebook-Auftritt Schon mit ein paar einfachen Regeln können Kfz-Betriebe ihren Facebook-Auftritt professionell strukturieren und attraktiver gestalten. ▶ Dreimal täglich reinschauen: Ein täglicher Besuch der eigenen Facebook-Seite ist Pflicht. Was bewegt die Fans morgens, mittags und abends? Welche neuen Infos und Fragen gibt es? ▶ Heute noch: Facebook ist ein schnelles und spontanes Medium. Bleiben Userfragen und Kommentare zu lange unbeantwortet, wird das negativ bewertet. ▶ Mindestens einmal wöchentlich: Ein Autohaus sollte genau beobachten, wie die Nutzer auf die Postingfrequenz reagieren. Zwei, drei Posts in der Woche sind ein guter Erfahrungswert, öfter als einmal am Tag ist eher kritisch. ▶ User einbeziehen: Wer nur über sich selbst spricht, erfährt nichts vom anderen: Ermuntern Sie Ihre Community darum aktiv, eigene Beiträge zu posten. Sie können auch Ihre Wertschätzung in Kommentaren öffentlich mitteilen und die User persönlich ansprechen. ▶ Bilder, Bilder und nochmal Bilder: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Bebilderte und illustrierte Postings werden eher wahrgenommen, gelesen, geliked und geteilt. Mit der entsprechenden Facebook-Strategie und Offlinebewerbung im Autohaus sollte der neue Kanal – je nach Größe – rasch ein stattliches Netzwerk aufbauen. Doch wie schätzt man seine Reichweite realistisch ein? Es lohnt sich ein Blick auf den Facebook-Admanager, über wie viele Nutzer das Einzugsbereich generell verfügt. Man sollte auch prüfen, wie viele Kunden man in der Datenbank hat. Im Zweifel ist eine kleine, eingeschworene Fangemeinde zufriedener und aktiver Facebook-Nutzer hilfreicher als eine vergleichsweise große, aber inaktive Masse. Wer Facebook – neben Mailings, Kundenkontakt im Autohaus, Veranstaltungen, telefonischen Zufriedenheitsbefragungen – als weiteren Kanal im Kommunikationsmix versteht, ist auf dem richtigen Weg. Denn: Facebook schafft das, was in der ewigen Schleife zwischen Vertrieb und Aftersales, Kauf und Wiederverkauf am wichtigsten ist: Kundenbindung und -loyalität. Als Unternehmer hat man die Möglichkeit, die jüngere Zielgruppe gezielt anzusprechen, an den Kfz-Betrieb zu binden und ihre Erwartungshaltung an Informations- und Kundendienst zu erfüllen. Zugleich schafft man Zukunftssicherheit und bereitet sich aktiv auf den immer stärker voranschreitenden Kanalwechsel der Kunden vor. Wer weiß, ob man König Kunde morgen noch per Brief erreicht! Hannelore Grunwald, Geschäftsführerin der Agentur Grunwald Foto: Grunwald ▶ Frage, Antwort, Frage Ein Gespräch basiert auf der Annahme, dass der andere Recht hat: Postings genau lesen und im Zweifelsfall nachfragen, um Missverständnisse zu vermeiden. So entstehen konstruktive Dialoge, die die Kunden und die mitlesenden Fans und Freunde weiterbringen. ▶ Bleiben Sie, wie Sie sind Niemand muss seine Facebook-Fans duzen oder in Jugendjargon verfallen. Ein Autohaus sollte genauso kommunizieren wie sonst auch: freundlich, offen und nachvollziehbar. Facebook – ein Fulltime-Job Interessante, unterhaltsame und informative Posts mit Mehrwert sind der eine Teil der Aufgabe – das Kommentieren und Beantworten von Kommentaren der andere. Wichtige Grundregel: Schon die Beachtung bzw. Nichtbeachtung von UserPosts ist eine Botschaft – man kann nicht nicht 40 www.kfz-betrieb.de kommunizieren! Man sollte sympathisch, informativ und in der gebotenen Kürze antworten. Damit dies – insbesondere bei schwierigen Fragen zu Serviceleistungen oder Produktdetails – auch immer möglich ist, muss vorher festgelegt werden, wer eigenständig auf Kommentare welcher Art antworten darf, bzw. in welcher Situation die Ant- Spezial 2012