Ein Gärtner im All

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Samstag, 2. Juli 2016
Ein Gärtner im All
DLR-Forscher will 2017 Tomaten in einem Satelliten in der Erdumlaufbahn ziehen – Gewächshäuser auf Mond und Mars im Blick
soren die gefährliche kosmische
Strahlung messen, die insbesondere
für Astronauten auf dem langen Weg
zum Mars und zurück zum Problem
werden könnte.
Diese Strahlung würde auch die
zukünftigen Gewächshäuser im All
gefährden, sagt Jens Hauslage: „Käme etwa ein starker Sonnensturm, er
könnte alle Pflanzen stark schädigen.“ Darum erwägen die DLR-Forscher, die Gemüsebeete auf Mond
und Mars entweder unter der Oberfläche einzurichten oder sie gegen
das Bombardement der geladenen
Teilchen sehr gut abzuschirmen.
Ein anderes Problem ist der Lichtmangel auf dem Mars, der 1,5-mal so
weit von der Sonne entfernt ist wie
die Erde. „Die Solarenergie wird
nicht reichen. Wir werden daher mit
Atomenergie künstliches LED-Licht
erzeugen müssen, damit die Pflanzen
gut wachsen“, schätzt Hauslage.
Von Alexei Makartsev
●
RAVENSBURG - Im Blockbuster „Der
Marsianer“ (2015) rettet sich der gestrandete Astronaut Mark Watney
auf dem Roten Planeten, indem er
auf dem Marsboden Kartoffeln anbaut und sie mit eigenen Ausscheidungen düngt. Nach Meinung von
Wissenschaftlern ist das ScienceFiction-Szenario des US-Autors Andy Weir gar nicht so weit weg von der
zukünftigen Realität entfernt.
2017 startet mit „Eu:Cropis“ ein
Kompaktsatellit des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DRL) ins All, der biologische Lebenserhaltungssysteme in 650 Kilometern Höhe testen soll. Die kühne
Vision dahinter: Technologien für effiziente Gewächshäuser auf Mond
und Mars zu entwickeln, die Langzeitmissionen auf anderen Planeten
möglich machen sollen.
Der Gravitationsbiologe Jens
Hauslage hat kein Verständnis dafür,
wenn jemand seine Space-Tomaten
„ungenießbar“ nennt. „Die schmecken gut“, widerspricht der Kölner
DLR-Forscher, der jedoch die Früchte seines außerirdischen Experiments nie probieren können wird.
Schwerkraft simuliert
Im kommenden Jahr sollen der Satellit und seine Nutzlast mit der Falcon-9-Rakete der US-Firma SpaceX
in die Erdumlaufbahn befördert werden. Die Forscher wollen dort ein
Jahr lang unter simulierter Schwerkraft Tomaten ziehen. Um Geld zu
sparen, wird „Eu:Cropis“ die Proben
nicht zurückbringen, der Satellit soll
in der Atmosphäre verglühen.
Zuvor wollen aber Hauslage und
sein Kollege Michael Lebert von der
Uni Erlangen-Nürnberg das Geschehen an Bord mithilfe von Videoaufnahmen beobachten. „Die Mission
ist bereits ein Erfolg“, sagt der Biologe, „wenn unsere Kameras gekeimte
Tomaten im All sehen. Wenn diese
dann rote Früchte tragen, bedeutet
das, dass die Früchte wiederverwendbare Samen entwickelt haben.
Dies wäre ein Durchbruch“.
Der Mensch und die Pflanzen bilden eine biologische Schicksalsgemeinschaft: Ohne das Grünzeug auf
der Erde, das mit seiner fotosynthetischen Fähigkeit den Sauerstoff pro-
Der Kölner Weltraumbiologe Jens Hauslage will mit seinen Tomaten hoch hinaus.
duziert und den Biomüll in Nahrung
umwandelt, könnte unsere Zivilisation nicht existieren. Für Experten
steht außer Frage, dass die Kundschafter auf anderen Planeten nur
dann eine Überlebenschance hätten,
wenn sie Pflanzen mitnehmen würden. Die große Frage ist, wie man unter den extrem lebensfeindlichen Bedingungen im All das Weltraumgemüse in geschlossenen Systemen zuverlässig züchten und dabei den
gesamten Abfall recyceln kann.
„Eu:Cropis“ soll im All sechs Monate lang die Schwerkraft von Mond
und genauso lang die Mars-Gravitation erzeugen – die jeweils 16 und 38
Prozent der Erdanziehungskraft betragen. Dazu wird der Satellit sich
mithilfe von speziellen Stäben auf
der Außenoberfläche vom Magnetfeld der Erde abstoßen, um sich zu
drehen. In seinem Inneren werde in
dieser Zeit ein Kampf um Nahrung
ausbrechen, erklärt Jens Hauslage.
Mit Urin besprüht
Die Forscher schicken statt des Bodens einen von Mikroorganismen
bewohnten Rieselfilter ins All, der
mit künstlichem Urin berieselt werden soll. „Die Bakterien im ‚C.R.O.P.‘Filter und die mitreisenden Augentierchen Euglena, die Sauerstoff produzieren, werden den Urin in eine
Nitratlösung umwandeln. Das ist der
Dünger, den die Tomaten brauchen,
um zu keimen“, so Hauslage.
Das Modell ist eine mögliche Lösung dafür, wie die Astronauten ihre
FOTO: PR
organischen Abfälle recyceln könnten. „Bei mir im Garten macht das
der Komposthaufen, aber man kann
keinen Kompost auf einer Raumstation oder einer Mondbasis einrichten“, erklärt der Biologe. „Da können
Bakterien und die Euglena helfen, die
das schädliche Ammoniak als Zerfallprodukt des Urins abbauen.“
Das LED-Licht im Satelliten soll
für die Augentierchen und Tomatensamen einen Tag-und-Nacht-Rhythmus erzeugen, ein Drucktank simuliert in den Gewächshäusern die irdische Atmosphäre. Ein Nebenziel
der Mission ist es, herauszufinden,
bei welcher Schwerkraft im Satelliten sich die Euglena wohlfühlen
wird. Ein weiteres Ziel der Forscher:
„Eu:Cropis“ soll mithilfe vieler Sen-
Keine Ölpalmen im Weltraum
Bleibt die Frage, welche Nahrung die
Astronauten am besten anbauen sollen. Laut den Biologen lassen sich Eiweiße und Kohlenhydrate auf anderen Planeten noch relativ leicht gewinnen, während die Produktion
von Fetten viel Abfall verursacht. Darum würden etwa Raps und Ölpalmen ausscheiden. „Die Kartoffel wie
im Film ,Der Marsianer’ ist keine
schlechte Idee, ich würde nur Süßkartoffeln nehmen“, sagt Jens Hauslage. „Noch besser wären aber Hülsenfrüchte, die mehr Protein haben“.
Die Mission „Eu:Cropis“ hat bereits die ersten Planungshürden genommen. Zurzeit wird ein Flugmodell gebaut, das bis zum Frühjahr im
DLR Bremen getestet werden soll.
Während sie zuversichtlich sind,
2017 ins All starten zu können, wagen
die Wissenschaftler keine Prognose
darüber, wann das erste ständige Gewächshaus außerhalb unseres Planeten betrieben werden könnte. Das
werde von den politischen Entwicklungen abhängen, sagen sie.
„Zweifellos nützt aber dieses Wissen aus dem Weltraum unserem eigenen Planeten“, sagt Jens Hauslage.
„Denn die Möglichkeit, geschlossene
Lebenserhaltungssysteme betreiben
zu können, könnte uns auf der Erde
retten, wenn die Umweltverschmutzung weiter zunimmt.“
Forschung hilft
gegen Gülle-Gestank
Eine mögliche Anwendung der
„Eu:Cropis“-Technologie, der
„C.R.O.P.“-Filter, könnte in der
Landwirtschaft all denen das
Leben leichter machen, die
angesichts des beißenden GülleGeruchs auf dem Land die Nase
rümpfen. „Wir haben jedes Jahr
in Deutschland 200 Millionen
Tonnen Gülle, die auf die Felder
gekippt wird. Gülle enthält das
Gift Ammoniak, und bis zu
70 Prozent davon landen nicht
im Boden, sondern gelangen in
die Atmosphäre und verpesten
unsere Luft“, erklärt der Biologe
Jens Hauslage. Der bei der
geplanten Weltraum-Mission
„Eu:Cropis“ verwendete Rieselfilter sei in der Lage, den Ammoniak über die Zwischenstufe
Nitrit zu Nitrat umzuwandeln,
sagt der Wissenschaftler des
Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR). „Das
Gülle-Problem könnte man also
mit unseren Filtern in den Griff
kriegen.“ Die Landwirte würden
eine nicht riechende Flüssigkeit
bekommen, die bis zu
32 Gramm Nitrat pro Liter enthält – eine hochkonzentrierte
Lösung, die sie dosiert einsetzen
könnten. Gäbe es weniger Gülle,
würde das auch die Qualität des
Trinkwassers verbessern, sagt
Hauslage. Auch das Recycling
von Urin in Hochhäusern sei ein
möglicher Anwendungsbereich
der DLR-Forschung. (alm)
Der deutsche Satellit Eu:Cropis soll
2017 starten. Mit an Bord sind
dann zwei Gewächshäuser. FOTO: DLR
Der Sternhimmel im Juli
Merkus und Venus sind nicht zu sehen – Mond und Jupiter übertreffen den Mars – „Sommerdreieck“ macht helle Sterne sichtbar
Erläutert, wie immer an dieser Stelle,
von der Volkssternwarte Laupheim
● Die Sonne
Am 4. Juli erreicht die Erde mit
152,1 Millionen Kilometer ihre größte Entfernung von der Sonne. Fragen
Sie sich vielleicht, warum genau
dann in unseren Breiten Hochsommer herrscht? Das liegt am sommerlich-steilen Einfallswinkel der Sonnenstrahlen auf die Nordhalbkugel.
Auf der Südhalbkugel ist er zur gleichen Zeit flacher: Dort herrscht jetzt
Winter. Die Tabelle mit den Auf- und
Untergangszeiten, angegeben – wie
alle anderen Zeiten in diesem Artikel
– in mitteleuropäischer Sommerzeit
(MESZ): 1. Juli 5.15 Uhr, 21.32 Uhr; 10.
Juli 5.23 Uhr, 21.28 Uhr; 20. Juli 5.34
Uhr, 21.18 Uhr; 31. Juli 5.48 Uhr, 21.03
Uhr.
● Der Mond
Kurz nach Monatsbeginn verschwindet in der Neumondnacht des 4. Juli
die immer dünner werdende Mondsichel vom Firmament. Sie kehrt jedoch bald in den darauffolgenden Tagen an den westlichen Abendhorizont zurück. Bis zum 12. ist sie in das
Sternbild „Jungfrau“ gezogen, wo sie
sich zum zunehmenden Halbmond
gerundet hat (Phase des ersten Viertels). Danach wandert der Erdtrabant weiter in den „Schützen“, wo er
in der Vollmondnacht des 19. mit
größter Leuchtkraft strahlt. Während seine Helligkeit nun wieder stetig schwindet, findet sich unser Erdbegleiter am 27. im „Walfisch“ als abnehmender Halbmond ein (Phase
des letzten Viertels). Zurückverwandelt in eine dünne Sichel verabschiedet sich der Mond aus diesem Monat.
● Die Planeten
Die beiden sonnennächsten Plane-
ten Merkur und Venus kommen
wieder hinter der Sonne hervor, können sich jedoch noch nicht aus ihrem
Glanz lösen. Sie sind deshalb in diesem Monat von Deutschland aus
nicht zu beobachten.
Der Mars, unser Nachbarplanet im äußeren Sonnensystem, steht bereits abends
am Firmament. Er verabschiedet sich jedoch immer früher aus der zweiten Nachthälfte. Am 1.
Juli geht Mars um 2.17
Uhr unter, am 31. bereits gegen 0.30 Uhr.
Der rote Planet streift
durch die „Waage“. In
dieser Sternenregion
ist er leicht als hellstes
Nachtobjekt zu erkennen. Er wird nur noch
vom Mond und Jupiter
in seiner Helligkeit übertroffen. Übrigens: Am 4.
beginnt auf der Nordhalbkugel des Mars der Herbst,
auf der Südhalbkugel der
Frühling.
Jupiter, der größte Planet unseres
Sonnensystems mit elffachem Erddurchmesser, steuert südlich des
„Löwen“ auf die „Jungfrau“ zu. Als
auffälliger, heller Lichtpunkt ist er
dort nicht zu verfehlen. Der Gasriese
zieht sich allerdings auch wie Mars
stetig aus der zweiten Nachthälfte
zurück. Er versinkt am Monatsersten
gegen 0.26 Uhr, am Monatsletzten
gegen 22.37 Uhr unter den Horizont.
Auch Saturn, der entlegenste mit
bloßem Auge sichtbare Planet, ist
leicht aufzuspüren: Im Süden des
„Schlangenträgers“ hat er sich als
auffälliger Lichtpunkt östlich des
Mars eingefunden. Saturn bremst
seine Bewegung immer mehr ab und
kommt am
31. Juli fast zum
Stillstand. Der berühmte
Ringplanet geht am 1. gegen 3.40 Uhr
und am 31. gegen 1.38 Uhr unter.
Die Fixsterne
Eine der bekanntesten Sternfiguren
ist das „Sommerdreieck“. Es setzt
sich zusammen aus den hellen Sternen Wega in der „Leier“, Deneb im
„Schwan“ und Atair im „Adler“. Sie
gehören zu den 20 der hellsten mit
●
Der Sternhimmel am 1.
gegen 0 Uhr, am 15. gegen 23 Uhr
und am 31. gegen 22 Uhr (MESZ).
Die Kartenmitte zeigt den Himmel
im Zenit. Der Kartenrand entspricht
dem Horizont. Norden ist oben,
Westen rechts, Süden unten und
Osten links. Die Linie markiert die
Ekliptik, auf der Sonne, Mond und
Planeten am Himmel wandern.
FOTO: STERNWARTE LAUPHEIM
bloßem Auge sichtbaren Sterne
überhaupt. Über diese drei Sternbilder werden folgende Legenden berichtet:
Auf der Leier spielte und sang Orpheus so ausgezeichnet, dass er sogar den Totengott dazu bewegen
konnte, ihm seine verstorbene
Frau aus der Unterwelt herauszugeben!
Der „Schwan“ entstand
durch den ersten Verkehrsunfall der Antike: Nachdem
der junge Phaeton bei einer heimlichen Spritztour
mit dem Sonnenwagen
seines Vaters, des Sonnengottes Helios, schwer
verunglückte, trauerte
sein Freund so sehr um
ihn, dass dieser aus Mitleid von den Göttern als
Schwan an den Himmel
versetzt wurde.
Der Adler wiederum entführte einen Jungen namens
Antinous, der fortan den Göttern auf dem Olymp diente.
Im Fernglas leuchtet nahe des
„Leier“-Hauptsterns Wega das
Vierfachsystem Epsilon Lyrae, also
vier sich gegenseitig umkreisende
Sonnen.
„Schwan“ und „Adler“ liegen im matten Band der Milchstraße, das das
Fernglas in Tausende einzelner Sterne auflöst. Die Milchstraße ist unsere diskusförmige Heimatgalaxis, die
wir von der Kante her sehen. Ihr
Durchmesser beträgt etwa 100 000
Lichtjahre, ihre Dicke nur 16 000
Lichtjahre. Ihre etwa 200 Milliarden
Sterne vollenden in 230 Millionen
Jahren eine Umdrehung um das Zentrum der Galaxis, von dem die Sonne
rund 27 000 Lichtjahre entfernt ist.
Östlich des Sommerdreiecks liegt
das ausgedehnte Sternbild „Schlangenträger“ und die dazugehörige
„Schlange“. Beide sind leuchtschwach, ergeben aber ein lohnendes Puzzle für klare Sommernächte.
Über dem Kopf der „Schlange“ liegt
der Sternenbogen der „Nördlichen
Krone“. Ihr östlicher Nachbar ist der
bärenstarke „Herkules“. Zwischen
den westlichen zwei „Kastensternen“, der Brust des Herkules, ist mit
einem Fernglas – an dunklen Orten
auch bereits mit bloßem Auge – der
bekannte Kugelsternhaufen M 13 zu
finden. Der vom „Herkules“ als erste
seiner zwölf Heldentaten gejagte
„Löwe“ versinkt bereits mit den beiden anderen Frühlingssternbildern
„Bärenhüter“ und „Jungfrau“ im
Westen.
Da die milden Sommernächte immer
wieder gerne zur Sternbeobachtung
einladen, hier noch einmal, wie die
Sternkarte zu benutzen ist. Zunächst
ist rasch erklärt, warum auf ihr die
Himmelsrichtungen Ost und West
vertauscht sind. Um mit ihr den
Sternhimmel zu beobachten, wird
die Sternkarte mit dem Bild nach unten über den Kopf gehalten und den
Himmelsrichtungen entsprechend
ausgerichtet. Der Zenit, der Himmelspunkt direkt über dem Kopf,
entspricht dem Schnittpunkt der gedachten Nord-Süd- mit der OstWest-Linie. Zur angegebenen Uhrzeit tummeln sich dort „Drache“ und
der antike Hau-drauf-Held „Herkules“.
Der aktuelle Sternhimmel und
weitere besondere Ereignisse
werden auch in öffentlichen Vorführungen des Planetariums in
Laupheim erläutert. Nähere Informationen unter der Telefonnummer 07392/ 91 059 und im Internet unter www.planetariumlaupheim.de
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STERNHIMMEL
Schwäbische Zeitung
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