Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Angewandte Spieltheorie WOW B.Sc. Modul „Vertiefung Volkswirtschaftslehre“ (4. Trim.) Univ.-Prof. Dr. Karl Morasch Volkswirtschaftslehre, insbesondere Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik [email protected] © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 1 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Team Vorlesung Univ.-Prof. Dr. Karl Morasch Zimmer 1119, Gebäude 36, Tel. (089) 6004-4201 [email protected] Sprechstunde: Dienstag, 15:00-16:00 und nach Vereinbarung Übung Dr. Florian Bartholomae Zimmer 1120, Gebäude 36, Tel. (089) 6004-4283 [email protected] Sprechstunde nach Vereinbarung Kirsten Johannemann (M.Sc. VWL) Zimmer 1123, Gebäude 36, Tel. (089) 6004-4284 [email protected] Sprechstunde nach Vereinbarung © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 2 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Schritte zum Erfolg Vorlesungsbesuch und solide Mitschrift Nachbereitung und Literaturstudium Bearbeiten der Übungsaufgaben Besuch der Übung Aktive Beteiligung durch Fragen, Kommentare, etc. © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 3 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Lernziele Nach Besuch der Veranstaltung sollten Sie • in der Lage sein, ökonomische Problemstellungen in eine spieltheoretische Formulierung zu übersetzen, • die wichtigsten spieltheoretischen Lösungskonzepte kennen und ihre Anwendbarkeit beurteilen können, • wichtige (ökonomische) Anwendungsbereiche der Spieltheorie kennen und dabei insbesondere Kenntnisse im Anwendungsfeld Oligopolwettbewerb und strategisches Unternehmensverhalten erworben haben. (weniger relevant: formale Aspekte, z.B. häufig Beispiel statt allgemeine Analyse und nur ausnahmsweise Beweise von Aussagen) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 4 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Aufbau der Veranstaltung Einführung (Idee + Beispiele, formale Darstellung der Spielsituation) Statische Spiele bei vollständiger Information (Dominanz, Nash-Gleichgewicht, Fokus-Punkt, gemischte Strategien) Dynamische Spiele und unvollständige Information (Teilspielperfektheit bei mehrstufigen und wiederholten Spielen, Bayes-Nash- und sequentielles Gleichgewicht bei unvollständiger Info) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 5 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Literaturempfehlung Grundlegende Literatur: Holler, M. J., Illing, G. (2006), Einführung in die Spieltheorie, 6. Aufl., Berlin: Springer. (Hauptgrundlage der Veranstaltung – als E-book über Bibliothek verfügbar!) Dixit, A., Skeath, S. (2004), Games of Strategy, 2. Aufl., New York: Norton. (zusätzliche Beispiele + ausführlichere, weniger formale Darstellung) Bartholomae, F. W., Wiens, M. (2016), Spieltheorie. Ein anwendungsorientiertes Lehrbuch, Berlin: Springer (relativ knappe Darstellung der Grundkonzepte, viele Aufgaben und Anwendungsbeispiele) Morasch, K., Bartholomae, F. W., Wiens, M. (2010), Spieltheoretische Grundkonzepte, wisu, 39 (8-9), 1135-1140. Sieg, G. (2005), Spieltheorie (relativ knappe und etwas einfachere Alternative zu Holler/Illing) Zusätzliche und weiterführende Literatur: siehe Gliederung © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 6 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Beziehung zu anderen Veranstaltungen Grundlagen aus Grundzüge der Mikroökonomik Optimierung und Gleichgewichtsprinzip (zusätzlich: Interaktion bei bewusster Interdependenz) Beispiele für Anwendungen in anderen Veranstaltungen • Zeitliche Inkonsistenz im Rahmen von „Geld, Kredit und Währung“ • Modellierung Oligopolwettbewerb in „Wettbewerb und Regulierung“ • Interaktion von wirtschaftspolitischen Trägern untereinander und mit dem privaten Sektor in „Wirtschaftspolitik“ © K. Morasch 2016 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Angewandte Spieltheorie 7 1. Einführung: Idee, Beispiele, formale Darstellung 2. Statische Spiele bei vollständiger Information 3. Dynamische Spiele und unvollständige Information Einführung Idee und ökonomische Anwendungsbeispiele Formale Beschreibung strategischer Entscheidungssituationen Literatur zu 1.1: Holler/Illing, Kapitel 1 (insbes. 1.1, 1.2., 1.3.2 und 1.3.3) Dixit/Skeath, Chapter 1 und 2 Morasch/Bartholomae/Wiens (interne Version), S. 1-3 Bartholomae/Wiens © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 8 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Grundidee und ökonomische Anwendungsbeispiele Aufbau von Abschnitt 1.1: • Beschreibung von Spielsituationen Thema Spieltheorie, zentrale Aspekte bei Beschreibung • Veranschaulichung anhand „Gefangenendilemma“ Matrixform und extensive Form, Gleichgewicht in dominanten Strategien • Simultanspiel: Kartellinstabilität von der Spielsituation zur Auszahlungsmatrix, Struktur wie Gefangenendilemma • Sequentielles Spiel: Zeitinkonsistenz bei Patentpolitik Darstellung der Situation, Übertragung in extensive Form, Konzept Selbstbindung • Informationsasymmetrie: Unsicherheit über Kosten der etablierten Firma • Fokus der Veranstaltung und Abgrenzung zu anderen Bereichen der Spieltheorie © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 9 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele 1.2 Formale Beschreibung Beschreibung von Spielsituationen Thema: strategischen Entscheidungssituationen, d.h. - Ergebnis vom Verhalten mehrerer Entscheidungsträger abhängig - alle Akteure sind sich dieser Interdependenz bewusst Drei zentrale Aspekte: • strategische Situation (Zusammenhang zwischen Strategien und Auszahlungen) • zeitliche Struktur des Spiels (Anzahl und Reihenfolge der Spielzüge) • Informationsstruktur des Spiels (symmetrische oder asymmetrische Information) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 10 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Gefangenendilemma - Matrixform Idee: nicht beweisbares Verbrechen, Einzelhaft und Kronzeugenregelung Spieler: 1, 2 si1 = nicht gestehen Strategien: si2 = gestehen s21 s22 s11 (3,3) (1,4) s12 (4,1) (2,2) Spieler 1 Auszahlungen ui (s) Spieler 2 Lösungskonzept: Gleichgewicht in dominanten Strategien (ist auch Nash-Gleichgewicht) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 11 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Gefangenendilemma – extensive Form Abbildung von Zugreihenfolge und Informationsstruktur (für das Ergebnis hier irrelevant) B Knoten (Zug eines Spielers) s11 s21 (3,3) s22 (1,4) s21 (4,1) s22 (2,2) A s12 imperfekte Information (Spieler 2 weiß nicht, ob er sich in B oder C befindet) © K. Morasch 2016 C Angewandte Spieltheorie 12 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Simultanspiel: Kartellinstabilität Beispiel: Duopol mit unverbindlicher Preisabsprache (Situation entspricht derjenigen im Gefangenendilemma) Strategien: s21 s22 s11 (50,50) (0,100) s12 (100,0) (10,10) si1 = Kartellpreis si2 = Wettbewerbspreis Auszahlungen: beide Kartellpreis: 50 beide Wettbewerbspreis: 10 nur einer Wettbewerbspreis: Gewinn: 100, Konkurrent: 0 © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 13 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Sequentielles Spiel: Zeitliche Inkonsistenz (I) Beispiel Patentschutz - Situationsbeschreibung Politik (t=0): Unternehmen (t=1) Ergebnis (t=2) kein Patentschutz keine F&E-Aktivität keine neuen Produkte (vollständige Konkurrenz) Patentschutz in beiden Perioden F&E-Aktivität neue Produkte Monopole Patentschutz in t=0 angekündigt, zu Beginn von t=2 abgeschafft F&E-Aktivität ? neue Produkte ? vollständige Konkurrenz Auszahlungsstruktur: - Politik will „F&E + Konkurrenz“, am ungünstigsten ist „keine F&E-Aktivität“ - Unternehmen wollen „F&E + Monopol“, keinesfalls „F&E + Konkurrenz“ © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 14 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Sequentielles Spiel: Zeitliche Inkonsistenz (II) Beispiel Patentschutz - Darstellung in extensiver Form Spieler: 1 = Politik 2 = Unternehmen Strategien: s11 = Patentschutz in t=2 s12 = kein Patentschutz in t=2 s21 = F&E-Aktivität s22 = keine F&E-Aktivität B s11 s21 (2,3) s22 (1,2) s21 (3,1) s22 (1,2) ? A s12 Problem: Selbstbindung der Politik möglich? (d.h. nach Ankündigung in t=0 wissen die C Unternehmen, ob sie sich in B oder C befinden) Lösungskonzept: teilspielperfektes Gleichgewicht (hier Rückwärtsinduktion) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 15 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Informationsasymmetrie: Markteintritt Idee: unvollständige Information über etabliertes Unternehmen Annahmen: • Potentieller Markteintreter kennt die Kosten des etablierten Unternehmens nicht (können entweder hoch oder niedrig sein) • Markteintritt lohnt sich nur bei hohen Kosten der etablierten Firma Fragestellungen: • Markteintrittsentscheidung auf Grundlage der A-priori-Schätzung der Kosten des etablierten Unternehmens (Bayes-Nash-Gleichgewicht) • Manipulation der A-priori-Information durch etabliertes Unternehmen (Anwendung Bayes‘sche Regel und sequentielles Gleichgewicht) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 16 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele 1.2 Formale Beschreibung Abgrenzung: Andere Bereiche der Spieltheorie Zentrales Thema der Veranstaltung: Theoretische Analyse nicht-kooperativer Spiele mit gegebenen Spielregeln zwischen vollständig rationalen Akteuren ohne Kommunikationsmöglichkeit Andere Bereiche der Spieltheorie: • Mechanismusdesign (Gestaltung der Spielregeln – z.B. Auktionsform) • korrelierte Gleichgewichte (Kommunikation zur Verhaltenskoordinierung) • kooperative Spieltheorie (bindende Verträge möglich) • evolutorische Spiele (beschränkte Rationalität und Lernen) • experimentelle Spieltheorie (Empirische Analyse des Verhaltens in Spielen) (soweit Zeit bleibt, werden in der Veranstaltung auch einige Aspekte der fett-kursiven Themen behandelt) © K. Morasch 2016 Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft Angewandte Spieltheorie 17 1. Einführung: Idee, Beispiele, formale Darstellung 2. Statische Spiele bei vollständiger Information 3. Dynamische Spiele und unvollständige Information Einführung Idee und ökonomische Anwendungsbeispiele Formale Beschreibung strategischer Entscheidungssituationen Literatur zu 1.2: Holler/Illing, 2.1, 2.2, (2.3 – Erwartungsnutzen), 2.4 Bartholomae/Wiens, S. 31-32, S. 43 Mitte (1.3 – Erwartungsnutzen) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 18 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Formale Beschreibung eines Spiels Ein Spiel ist formal gegeben durch • die Menge N = {1,…, n} der Spieler (n = Anzahl der Spieler) • die Menge S der Strategiekombinationen s = {s1,…,si,…,sn} (dabei ist si eine Strategie von Spieler i aus seiner Strategiemenge Si ) • die Auszahlungsvektoren u (s) = {u1(s),…, un(s)} (mit ui (s) als Nutzen des Spielers i bei Strategiekombination s) • die Spielregeln (Reihenfolge der Spielzüge, Informationsstand) Simultanspiel mit vollständiger Info durch G(N, S, u) komplett beschrieben (Darstellung als Spiel in „Normalform“ bzw. „Matrixform“ – Details zur extensiven Form - „Spielbaum“ - in Abschnitt 3.1) © K. Morasch 2016 Angewandte Spieltheorie 19 1.1 Idee und Anwendungsbeispiele Institut für Ökonomie und Recht der globalen Wirtschaft 1.2 Formale Beschreibung Warum Auszahlungen als Erwartungsnutzen? Unsichere Auszahlungen: Wie Ergebnis für verschiedene Strategien vergleichen? • Erwartungswert? Problem: Wegen Risikoaversion sichere Auszahlung präferiert! • Ansatz: Auszahlungen mit konkaver Erwartungsnutzenfunktion bewerten Beispiel: u( x ) x x (Mio €) Aktie steigt (Wsk. ½) u(E(x)) 4 1 2 Option Aktie fällt (Wsk. ½) Finanzierungsschatz © K. Morasch 2016 E(u(x)) 4 1 2 0 2 1 2 4 1 2 0 1 0 2 Angewandte Spieltheorie 2 2 20