Perspektiven PPA MEDIZINWISSEN Varikosis – Eine Volkskrankheit von Britta Novak, Ärztin, Nordhorn | Krampfadern (aus dem Altdeutschen = Krummader) sind ein häufiges Problem des Venensystems. Im medizinischen Fachjargon werden sie als Varizen (von Varix = Knoten) oder Varikosis bezeichnet. Sie kommen bei ­etwa 15 bis 20 Prozent der deutschen Bevölkerung vor. Vor allem Frauen sind betroffen (etwa dreiviertel der Fälle), häufig zeigen sich erste Symptome bereits im dritten Lebensjahrzehnt. | Kleine Venenkunde Venen transportieren das sauerstoffarme Blut aus dem Gewebe zum Herzen zurück (mit Ausnahme der Lungenvenen). Es gibt mehrere Mechanismen der Venen, um gegen die Schwerkraft das Blut zum Herzen zu transportieren. An den Beinen wirken beispielsweise die Muskeln als Unterstützung, die ­sogenannte Muskelpumpe. Daneben befinden sich in den Venen Klappen, die als Rückschlagventil wirken und so verhindern, dass das Blut zurückfließt. Muskelpumpe und Venenkappen verhindern ­Blutrückfluss Was sind Varizen? Als Varizen werden sackförmige oder zylindrisch erweiterte, oberflächliche Venen bezeichnet. Die dauerhafte Venenerweiterung geht oft mit einer Schlängelung oder Knäuelbildung einher. Am häufigsten treten Varizen an den Beinen auf, da hier durch die Schwerkraft ein erhöhter Druck in den Venen herrscht. Erweiterungen der oberflächlichen Venen, häufig an den Beinen ◼◼Typen von Varizen Besenreiser­ varizen Spinnengewebsartiges Netz erweiterter kleinster Hautvenen Durchmesser < 1 mm Auftreten vor allem an den Rückseiten der Ober- und Unterschenkel Retikuläre Varizen Netzförmige Erweiterungen kleiner oberflächlicher Venen vor allem in den Kniekehlen und den Außenseiten der Ober- und Unterschenkel Grobmaschig Durchmesser 2 bis 4 mm Stammvarizen „Typische“ Krampfader der großen oberflächlichen Bein­venen ▪▪ Vena saphena magna (zieht vom Innenknöchel bis zur Leiste) und ▪▪ Vena saphena parva (zieht vom Außenknöchel bis oberhalb der Kniekehle) Seitenastvarizen Seitenäste der beiden Stammvenen betroffen Perforans­varizen Erweiterung der Verbindungsvenen zwischen den oberflächlichen und tiefen Venen Wichtig | Besenreiservarizen und retikuläre Varizen sind sehr häufig und haben lediglich kosmetische Bedeutung. Sie können aber auch Hinweis für ein schwerwiegenderes Venenleiden sein. 12-2016PPA Praxisteam professionell 15 PPA Perspektiven Wie entstehen Varizen? Zahlreiche Risikofaktoren Varizen werden wahrscheinlich durch eine genetisch bedingte Schwäche des Bindegewebes verursacht. ◼◼Weitere Risikofaktoren Betroffene Familienangehörige (in 50 Prozent der Fälle) Fortgeschrittenes Lebensalter Weibliches Geschlecht, hormonelle Einflüsse wie z. B. eine Schwangerschaft Stehende oder sitzende Tätigkeit Alkohol- und Nikotinkonsum Übergewicht als Risikofaktor wird kontrovers diskutiert. Selten: Folge einer anderen Erkrankung, vor allem der tiefen Beinvenenthrombose (PPA 02/2016, Seite 4). Welche Beschwerden haben Ihre Patienten? Variable Intensität der Beschwerden Typischerweise nehmen die Beschwerden der Patienten gegen Abend zu ­sowie nach langem Sitzen oder Stehen und bei warmem Wetter. ◼◼Varizen: die häufigsten Beschwerden Schwere- und Spannungsgefühl in den Beinen (Besserung im Liegen und bei Bewegung), „müde“ Beine Schmerzen, Jucken oder Kribbeln in den Beinen Neigung zu abendlichen Schwellungen, vor allem im Bereich der Knöchel (Ödeme) Hitze- oder Kältegefühl Eventuell Wadenkrämpfe Wie werden Varizen erkannt? Anamnese und körperliche Untersuchung häufig zielführend Die Beschwerden des Patienten, seine Risikofaktoren und familiäre Vorbelastung lassen häufig bereits Varizen vermuten. Die körperliche Untersuchung, bei der auch die Mündungsstellen der oberflächlichen Venen in das tiefe Venensystem (Leiste, Kniekehle, Unterschenkel) abgetastet werden, gibt weitere Hinweise. Die Duplex-Sonographie besitzt große Aussagekraft und kann ohne großen Aufwand für den Patienten durchgeführt werden. Meist wird diese Untersuchung in einer gefäßchirurgischen oder phlebo­ logischen Praxis vorgenommen. Therapie von Varizen Wichtigste Behandlungsmethoden sind die physikalische Therapie mit ­Venengymnastik und die Kompressionstherapie. Übungen können zu Hause durchgeführt werden 16 Venengymnastik Bei der Venengymnastik werden spezielle Übungen durchgeführt, die die Muskelpumpe gezielt stärken sollen. Hierzu zählen beispielsweise Zehenund Fersengang oder das Anheben der Knie beim Gehen bis auf Gürtelhöhe. Ihre Patienten können diese Übungen auch selbstständig zu Hause durch­ führen. PPA Praxisteam professionell 12-2016 Perspektiven PPA Kompressionstherapie Die Kompressionstherapie gehört zu den wichtigsten Therapiemaßnahmen bei Venenleiden. Durch die Kompression wird der Querschnitt der Venen ­effektiv sowohl in Ruhe, als auch in Bewegung vermindert. Dadurch können die ­ Venenklappen wieder effektiver arbeiten und die Muskelpumpe wird ­unterstützt. Der venöse Rückstrom zum Herzen wird so verbessert. Kompression durch Verband oder spezielle Strümpfe Für die Kompression können sowohl Verbände als auch Strümpfe genutzt werden. Ein Kompressionsverband wird häufig mit wenig elastischen Kurzzugbinden durchgeführt, da hier ein hoher Arbeitsdruck (in Bewegung) bei geringem Ruhedruck erzeugt werden kann. Die korrekte Ausführung der Wicklung ist von zentraler Bedeutung, um Nekrosen und Nervendruckschäden zu vermeiden. Eine Anleitung zum Anlegen eines Kompressionsverbands finden Sie online unter http://tinyurl.com/hqqscfv. Alle wichtigen Informationen zu Kompressionsstrümpfen finden Sie in PPA 01/2016, Seite 4. ARCHIV Ausgabe 1 | 2016 Seite 4 – 7 MERKE | Ob sich eine Versorgung durch einen Kompressionsstrumpf oder -verband für den Patienten besser eignet, ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung, bereits vorhandenen Komplikationen (Wundversorgung), Dauer der Kompressionstherapie, Kontraindikationen und anatomischen Besonderheiten. Weitere therapeutische Möglichkeiten Varizen können auch invasiv therapiert werden. Dazu zählen thermische Verfahren wie Laser- oder Radiowellentherapie, bei denen im betroffenen Gefäß Hitze abgegeben wird und die Varizen verschlossen werden. Eine Verödung (Sklerosierung) des Gefäßes ist ebenfalls möglich. Dabei wird ein Verödungsmittel in die betroffene Vene injiziert. Operativ stehen weitere Methoden zur Wahl wie die Crossektomie oder das Venenstripping (komplette oder Teil­ entfernung der Varizen). Thermische Verfahren, Verödung, Crossektomie, Stripping ◼◼Tipps für den Alltag Regelmäßige Bewegung zur Kräftigung der Muskelpumpe, z. B. durch geeignete Sportarten wie Schwimmen, Wandern, Walking Hochlagerung der Beine Wechselduschen oder Kneippsche Wassergüsse Bei Schuhen hohe Absätze meiden, lieber auf flaches, bequemes Schuhwerk zurückgreifen Langes Stehen und Sitzen vermeiden Auf Alkohol und Nikotin verzichten Ballaststoffreiche gesunde Ernährung, Gewichtskontrolle Übermäßige Wärme wie Saunagänge vermeiden Wichtig | 3L-3S-Regel: Lieber Liegen und Laufen statt Sitzen und Stehen. ↘↘ WEITERFÜHRENDER HINWEIS •Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie bietet für MFA eine berufsbegleitende Fortbildung zur Phlebologieassistentin an. Nähere Informationen finden Sie online unter http://tinyurl.com/htdpma7. 12-2016PPA Praxisteam professionell INFORMATION Fortbildung für MFA: Phlebologieassistentin 17