Sinn und Zweck von Functional food: Eine ernährungsphysiologische Bestandsaufnahme Prof. Dr. Peter Stehle Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften Functional Food – Definition und Einordnung • Lebensmittel, die zusätzlich zu ihrem eigentlichen Ernährungswert (Nähr- und Geschmackswert) eine nachweislich positive Funktion („added function“) hinsichtlich Erhalt und Förderung der Gesundheit, der physischen Leistungsfähigkeit oder des Wohlbefindens ausüben. • Alternative Begriffe: Designer Food, Pharma Food, Medical Food …. Functional Food – Abgrenzung zu NEM und Arzneimittel NEM (§1 NemV): • Lebensmittel, die die allgemeine Ernährung ergänzen ein Konzentrat von Nährstoffen…..darstellen in dosierter Form, insb. als Kapseln, Pastillen … in Verkehr gebracht werden. Arzneimittel (AMG §2): • Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen…. Functional Food – Definition und Einordnung • „Traditionelle“ Lebensmittel mit nachweislich „präventiven“ Eigenschaften • Neue Produkte bzw. veränderte „alte“ Produkte Elimination unerwünschter Komponenten Ersatz/Austausch unerwünschter Komponenten Erhöhung des Anteils eines wertgebenden natürlichen Inhaltsstoffes (Anreicherung) Zusatz einer bisher nicht vorkommenden wertgebenden Substanz (Supplementation) nach Erbersdobler, 2000 Produkte der 1. Generation: Anreicherung von Lebensmitteln mit (langkettigen) omega3-Fettsäuren Produkte der 1. Generation: Lebensmittel mit „neuen“ Inhaltsstoffen Functional Food 1.0 – Zielsubstanzen • Proteine, Peptide, Aminosäuren • Poly- und Oligosaccharide • Lipide • Mineralstoffe und Vitamine • Phenole und Polyphenole • andere „phytochemicals“ • Probiotika Functional Food 1.0 – Ernährungsphysiologische Ziele 1. Vorbeugung einer Mangelernährung 2. Verringerung der Prävalenz von chronischen (degenerativen) Erkrankungen 3. Vermeidung von Übergewicht/Adipositas Ziele erreicht? Functional Food 1.0 – Ernährungsphysiologische Bestandsaufnahme Auf der Basis von einzelnen Produkten: • Generell schwierig! Kontrollierte Humanstudien nicht verfügbar (Ausnahmen: Phytosterol-Margarine, Pre-/Probiotics) Auf der Basis von epidemiologischen Erhebungen: • Die Prävalenz/Inzidenz von degenerativen Erkrankungen nimmt in den letzten Jahren zu! Weststrate & Meijer, 1998 Hendriks, Weststrate, Van Vliet & Meijer, 1999 Functional Food 1.0 – Ernährungsphysiologische Bestandsaufnahme Auf der Basis von einzelnen Produkten: • Generell keine Bewertungen möglich! Kontrollierte Humanstudien nicht verfügbar (Ausnahmen: Phytosterol-Margarine, Pre-/Probiotics) Auf der Basis von epidemiologischen Erhebungen: • Die Prävalenz/Inzidenz von degenerativen Erkrankungen nimmt in den letzten Jahren zu! Lancet 337: 557-567, 2011 Prävalenz von Übergewicht (BMI > 25) Männer Prävalenz von Adipositas (BMI > 30) Männer Trends im Alters-korrrigierten BMI Nationale Verzehrsstudie II • Zufuhr an Ballaststoffen (immer noch) unter den Richtwerten (f: 23g/d; m:25g/d) • Fettanteil an der Energieaufnahme zu hoch • Zufuhr von Folat/Folsäure und Vitamin D deutlich unter den Referenzwerten • Zufuhr von Jod und (in einigen Altersgruppen) von Calcium und Eisen unter den Referenzwerten Ernährungsphysiologische Bewertung der Nährstoffaufnahme - Probleme • Für zahlreiche „Wirkstoffe“ (z.B. sek. Pflanzenstoffe, CLA) existieren keine Referenzwerte und nur wenige Zufuhrdaten Versorgungsstatus der Bevölkerung kann nicht bewertet werden! Functional Food 1.0 – Ernährungsphysiologische Bestandsaufnahme Mögliche Gründe für die geringen Effekte • Keine ausreichende ernährungsphysiologische Begründung für die Formulierung von FF Anreicherung von Mikronährstoffen bei generell guter Versorgungslage ohne Sinn • Kein „Austausch“ der traditionellen LM, nur alternatives Angebot • • Rechtlicher Rahmen nicht optimal ……. Functional Food 2.0 Zukunftsstrategien • Formulierung von Functional Food: Ausrichtung an tatsächlichen Ernährungsproblemen Zu viel Energie, zu viel Fett Zu wenig Gemüse und Obst, zu wenig Ballaststoffe Zu wenig langkettige omega3-Fettsäuren, zu wenig Folat • (Obligate) Durchführung von Interventionsstudien • Ersatz von ungünstig zusammengesetzten Lebensmitteln Functional Food 2.0 Zukunftsstrategien • Enge (Forschungs-)Kooperation zwischen der Industrie und den wissenschaftlichen Fachgebieten (Ernährungsphysiologie, Lebensmitteltechnologie, -chemie, -toxikologie, Agrarwissenschaften) • notwendig. Ein „Risikomanagement“ zur Vermeidung von unerwünschten Effekten erscheint notwendig (Stichwort: upper intake level). für ihre Aufmerksamkeit ! Many thanks for your attention!