Gegendarstellung zur gutachterlichen Stellungnahme

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Gegendarstellung
zur
gutachterlichen
Stellungnahme Versichertenstammdatendienst
(VSD) in der Arztpraxis und Strafbarkeitsrisiken
für Ärzte nach § 203 StGB (Fassung vom
11.09.2014)
Gegendarstellung
zur
gutachterlichen
Stellungnahme
Versichertenstammdatendienst (VSD) in der Arztpraxis und Strafbarkeitsrisiken für
Ärzte nach § 203 StGB (Fassung vom 11.09.2014)
Seit einigen Tagen kursiert in den Medien eine Meldung, dass sich der Arzt bei der
Verwendung der eGK strafbar macht. Diese Meldung nimmt Bezug auf eine
gutachterliche Stellungnahme von Dr. André Zilch und RAin Dr. Franziska MeyerHesselbarth.
Diese
gutachterliche
Stellungnahme
basiert
auf
veralteten
Grundlagendokumenten und trifft falsche fachliche Annahmen. Zudem wird der juristische
Sachverhalt nicht beschrieben, so dass eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem
Gutachten im Detail nicht möglich ist. Die Ausführungen zum subjektiven Tatbestand sind
aber juristisch nicht haltbar. Eine Strafbarkeit des Arztes bei Verwendung der eGK kann
ausgeschlossen werden. Hierzu im Einzelnen:
1.
Veraltete Grundlagendokumente
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass sich die gutachterliche Stellungnahme zum
„Versichertenstammdatendienst (VSD) in der Arztpraxis und Strafbarkeitsrisiken für Ärzte
nach § 203 StGB (Fassung vom 11.09.14)“ auf eine Reihe von veralteten Dokumenten
bezieht. Das in der Stellungnahme zitierte Sicherheitskonzept stammt aus dem Jahr 2008
und gilt nicht für den Online-Rollout (Stufe 1) inkl. VSDM. Das eGovernment-Handbuch
des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aus dem Jahr 2003 wird
nicht mehr durch das BSI publiziert bzw. eingesetzt.
Grundsätzlich ist die elektronische Gesundheitskarte (eGK) gemäß § 291 Abs. 2a Satz 4
SGB V technisch in der Lage eine elektronische Signatur sowie eine Authentifizierung
und Verschlüsselung zu ermöglichen. Die derzeit von der gematik spezifizierten eGKs der
Generationen 1, 1+ und 2 sind nicht mit Material zur elektronischen Signatur
ausgestattet. Daher unterliegt die eGK nicht den strengen Vorschriften der
Identitätsprüfung und der Herausgabe im Sinne des Signaturgesetzes.
2.
Falsche fachliche Annahme - Kein Zugriff auf medizinische Daten durch
Authentisierung des Versicherten mittels der eGK
Zudem geht das Gutachten implizit davon aus, dass alleine durch die Authentisierung als
„Versicherter XYZ“ mittels der eGK ein Zugriff auf medizinische Daten möglich wäre. Dies
ist jedoch nicht der Fall.
Der Versicherte weist sich bei einem Versichertenstammdaten-Update nicht mittels der
AUT und AUTN Zertifikate der eGK gegenüber der Telematikinfrastruktur aus. Im Fall
eines VSD-Updates dient die eindeutige Chipkartenseriennummer (ICCSN) der eGK zur
Identifizierung der eGK bzw. des Versicherten gegenüber der Telematikinfrastruktur (vgl.
gemSysL_VDSM). Bei freiwilligen Anwendungen gemäß § 291a Abs. 3 SGB V wird
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Stellungnahme Versichertenstammdatendienst
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zusätzlich durch die PIN-Eingabe des Versicherten das Einverständnis in den Zugriff auf
medizinische Daten erteilt.
Die eGK selbst ist nur Datenträger oder ermöglicht mit kartenindividuellen Schlüsseln die
dezentrale Entschlüsselung von Daten in der Arztpraxis. Wenn ein Angreifer also auf
medizinische Daten des Versicherten zugreifen will, so braucht er seine aktuelle eGK, die
PIN und die Hilfe eines Arztes der unter Anwendung des Zwei-Schlüssel-Prinzips
zusammen mit seinem Heilberufsausweis die Daten ausliest. Zudem enthalten alle von
einer Krankenkasse versendeten neuen eGKs keine medizinischen Daten.
Die
Sicherheitskonzepte der Telematikinfrastruktur sehen somit an keiner Stelle vor, dass
alleine auf Basis eine Authentisierung des Versicherten mittels eGK ein Zugriff auf
medizinische Daten gewährt wird.
3.
Rechtlicher Sachverhalt unklar
Eine juristische Auseinandersetzung mit der gutachterlichen Stellungnahme ist im Detail
nicht möglich, da die Stellungnahme den konkreten tatbestandlichen Sachverhalt
verschweigt. Es wird nicht beschrieben, wer wem gegenüber in welcher Situation ein
fremdes Geheimnis offenbart. Auf Seite 3 wird ausgeführt, dass die Bereitstellung einer
unsicheren IT-Infrastruktur einen Verstoß i.S.v. § 203 StGB darstellen kann. Auf Seite 5
wird der objektive Tatbestand des § 203 StGB in sämtlichen Fällen erfüllt, in denen die
Identität falsch angegeben wird und die Angaben im Rahmen des VSD zugrunde gelegt
werden. Das tatbestandliche Handeln des Arztes wird nicht beschrieben.
4.
Rechtliche Stellungnahme der gematik
Der Arzt würde sich strafbar machen, wenn er die Voraussetzungen des § 203 StGB
erfüllt. Nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes
Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder
ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm beispielsweise als Arzt
anvertraut worden oder sonst bekannt worden ist.
a)
Es muss zunächst ein fremdes Geheimnis vorliegen. Die medizinischen Daten
eines Patienten sind ein Geheimnis. Zwar wird der genaue Vorgang in der
gutachterlichen Stellungnahme nicht dargestellt, es ist aber davon auszugehen, dass
dem Täuschenden das Geheimnis eines Dritten preisgegeben wird. Das Geheimnis ist
dem Täuschenden demnach auch fremd.
b)
Der Täter muss zu den in § 203 Abs. 1 Nr. 1 – 6 StGB genannten Berufsgruppen
gehören. Ärzte oder Zahnärzte gehören zu den Berufsgruppen und werden in Nr. 1
explizit genannt.
c)
Der Arzt muss das Geheimnis auch offenbart haben. Offenbaren ist jedes
Mitteilen eines zur Zeit der Tat noch bestehenden Geheimnisses oder einer Einzelangabe
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an einen Dritten, der diese nicht, nicht in dem Umfange, nicht in dieser Form oder nicht
sicher kennt. Hierbei stellt sich die Frage, ob der Patient bereits durch den Zugang zur
elektronischen Gesundheitskarte durch die Krankenkasse Kenntnis von dem Geheimnis
hatte. Eine tatsächliche inhaltliche Kenntnisnahme ist dabei nicht erforderlich. Die
Übergabe der elektronischen Gesundheitskarte könnte hierfür ausreichend sein. Bereits
hier kann man argumentieren, dass eine Kenntnisnahme der Geheimnisse bereits mit der
Übergabe der elektronischen Gesundheitskarte
an den Täuschenden durch die
Krankenkasse erfolgt ist. Die gutachterliche Stellungnahme geht auf die rechtliche
Problematik nicht ein, dass der Täuschende das Geheimnis „mitbringt“.
d)
Das fremde Geheimnis muss dem Arzt oder Zahnarzt auch anvertraut oder
sonst bekannt worden sein. In welchem Zusammenhang dem Arzt oder Zahnarzt das
Geheimnis anvertraut oder sonst bekannt wurde, ist der gutachterlichen Stellungnahme
nicht zu entnehmen. Es ist zu vermuten, dass es nicht um Geheimnisse geht, die der
betroffene Dritte dem Arzt oder Zahnarzt mitgeteilt hat. In diesem Fall hätte der betroffene
Dritte den Arzt vorher schon einmal aufgesucht; der Arzt kennt also den Dritten. Dieses
Szenario hat gegenüber der bisherigen Praxis durch die elektronische Gesundheitskarte
keine
neue
Qualität
erhalten
–
abgesehen
von
der
verbesserten
Identifizierungsmöglichkeit anhand des Lichtbildes. Vermutlich wurde bei der
gutachterlichen Stellungnahme an das Szenario gedacht, in dem der Täuschende mit der
erschlichenen elektronischen Gesundheitskarte das erste Mal in die Praxis kommt und
den Arzt dazu benutzt, die Geheimnisse von der Karte oder mit der Hilfe der Karte zu
lesen (zur technischen Möglichkeit siehe unter 2.). Der Täuschende vertraut in diesem
Fall dem Arzt das Geheimnis an - das Anvertrauen ist das Einweihen in ein Geheimnis
unter Umständen, aus denen sich eine Pflicht zur Verschwiegenheit ergibt. Allerdings
wäre es systemwidrig, in diesem Fall auch eine Offenbarung (siehe unter c)) gegenüber
dem Täuschenden anzunehmen. Es liegt also entweder kein „Offenbaren“ oder kein
„Anvertrauen“ vor. Der Tatbestand des § 203 StGB ist nicht erfüllt.
e)
Nimmt man vorsorglich an, dass Konstellationen denkbar sind, in denen der Arzt
ein anvertrautes und fremdes Geheimnis offenbart und damit der objektive Tatbestand
des § 203 StGB vorliegt, so handelt der Arzt bei Prüfung der eGK auf keinen Fall
vorsätzlich (subjektiver Tatbestand). Zwar hat der Arzt bewusst etwas mitgeteilt, jedoch
unter der Annahme, dass die Mitteilung nicht an einen Dritten erfolgt - das Geheimnis
dem Täuschenden also bekannt ist - und damit keine Offenbarung im Sinne des § 203
StGB vorliegt. Die Ausführungen in der gutachterlichen Stellungnahme zum
Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ sind an dieser Stelle irreführend und juristisch nicht
haltbar. Der Arzt wird nicht über das Vorliegen einer Einwilligung getäuscht sondern über
die Tatsache, dass die Mitteilung an den Berechtigten erfolgt. Für einen bedingten
Vorsatz muss der Arzt es zumindest für möglich halten, dass er das Geheimnis einem
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für Ärzte nach § 203 StGB (Fassung vom
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Dritten mitteilt. Eine mediale Berichterstattung über das rechtswidrige Verhalten anderer
(Missbrauchsfälle) führt dabei nicht dazu, dass der Arzt die reale Möglichkeit einer
Rechtsgutverletzung erkennen muss. Zunächst muss er selber objektiv sorgfaltswidrig
handeln. Dieser Sorgfaltsmaßstab wird im Bundemantelvertrag definiert. Gemäß § 19
Bundesmantelvertrag i.V.m. Anlage 4a, Anhang 1.2 BMV-Ä muss eine Prüfung der
Identität des Versicherten bei einem Leistungserbringer vor der Erhebung von
medizinischen Daten auf der eGK anhand der eGK erfolgen. Findet diese Prüfung statt,
ist dem Arzt kein fahrlässiges geschweige denn vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen.
Zudem wird in der gutachterlichen Stellungnahme der rechtstheoretische Meinungsstand
zum Eventualvorsatz aufgeführt, die Voraussetzungen des Eventualvorsatzes allerdings
nur lückenhaft wiedergegeben. Zu dem oben dargestellten Wissenselement
(„Möglichkeit“) kommt nach ständiger Rechtsprechung zudem ein voluntatives Element.
Der Arzt muss auch mit dem Eintritt des Erfolges in dem Sinne einverstanden sein, dass
er ihn billigend in Kauf nimmt. Dies wird grundsätzlich nicht der Fall sein. Der subjektive
Tatbestand des § 203 StGB wird nicht erfüllt. Der Arzt macht sich nicht strafbar.
Zu den Verfassern des juristischen Gutachtens
Dr. André Zilch ist Geschäftsführer der 2004 gegründeten Firma „ValiPic“, heute
„ValiPro, zu deren Parnter (neben Fujitsu und CitiPost) der Centralverband der
Berufsfotografen gehört. Zum Leistungsspektrum gehört eine Schnittstelle zur
elektronischen Annahme von Daten (einschließlich Lichtbild) für Krankenkassen. ValiPro
stellt den Krankenkassen eine Schnittstelle zur elektronischen Annahme von Daten zur
Verfügung.
RAin Dr. Franziska Meyer-Hesselbarth hat bereits im Jahr 2010 ein Gutachten gegen
den neuen Personalausweis erstellt, dessen Einführung angeblich „massive rechtliche
Fragen“ aufwerfe. Das Gutachten wurde im Auftrag des Centralverbands der
Berufsfotografen erstellt, der seine Interessen durch das Angebot biometrischer FotoDienstleistungen in Bürgerämtern bedroht sah.
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