Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und Determinanten

Werbung
Kapitel 2
Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und
Determinanten
Einen klassischen Einstieg in die lineare Algebra bietet die Behandlung linearer Gleichungssysteme. Wir beschäftigen uns dabei zunächst mit einer Lösungsmethode, dem
Gauß’schen Verfahren, und der Lösbarkeitstheorie. Mit der Einführung des Matrixbegriffs
gelingt uns eine Formalisierung der behandelten Sachverhalte.
2.1 Lösung linearer Gleichungssysteme
Zur Einführung in die Lösungstheorie linearer Gleichungssysteme betrachten wir einige
Beispiele, die für typische Situationen hinsichtlich der Ausprägung der Lösungsmengen
stehen.
Beispiel 1: Wir untersuchen zunächst ein lineares Gleichungssystem bestehend aus
zwei Unbekannten x1 , x2 und zwei Gleichungen:
2x1 + x2 = 4
∧
4x1 + 3x2 = 2.
Gesucht sind x1 , x2 ∈ R, mit denen beide Gleichungen gelten. In einer alternativen Notation
werden nun diese beiden Gleichungen übereinander geschrieben. Dabei deutet ein Paar aus
geschweiften Klammern an, dass beide Gleichungen erfüllt werden müssen:
2x1 + x2 = 4
.
4x1 + 3x2 = 2
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, dieses Gleichungssystem zu lösen. So könnten wir
beispielsweise die zweite Gleichung nach x2 auflösen und diese, von x1 abhängende Lösung für die Variable x2 in die erste Gleichung einsetzen. Alternativ bietet sich das Additionsverfahren an, indem wir versuchen, Variablen in den einzelnen Gleichungen durch
geschicktes Addieren der jeweils anderen Gleichung zu eliminieren. So führt die Addition
des −2-Fachen der ersten Gleichung zur zweiten Gleichung, also das zweifache Subtrahieren der ersten Gleichung von der zweiten Gleichung, mit anschließender Subtraktion
der zweiten Gleichung von der ersten zu folgenden äquivalenten Umformungen:
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
L. Göllmann, Lineare Algebra, Springer-Lehrbuch, DOI 10.1007/978-3-662-54343-6_2
57
58
2 Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und Determinanten
2x1 + x2 = 4 ·(−2)
⇐⇒
4x1 + 3x2 = 2 2x1 + x2 = 4
x2 = −6
·(−1)
⇐⇒
2x1
= 10
x2 = −6
.
Wenn wir nun die erste Gleichung noch durch 2 dividieren, erhalten wir direkt die Lösung:
x1
=5
.
x2 = −6
Beispiel 2: Wir betrachten nun ein weiteres lineares Gleichungssystem bestehend aus zwei
Unbekannten x1 , x2 und zwei Gleichungen:
2x1 + x2 = 4
.
4x1 + 2x2 = 8
In ähnlicher Weise wie im Beispiel zuvor machen wir uns das Additionsverfahren zunutze,
um das Gleichungssystem zu vereinfachen. Auch hier führt die Addition des −2-Fachen
der ersten Zeile zur zweiten Zeile dazu, dass die Variable x1 aus der zweiten Gleichung eliminiert wird. Allerdings wird im Gegensatz zum ersten Beispiel hiermit auch die Variable
x2 aus der zweiten Zeile entfernt:
2x1 + x2 = 4
2x1 + x2 = 4 ·(−2)
⇐⇒
.
0 =0
4x1 + 2x2 = 8 Damit liegt im Endeffekt nur noch eine Bestimmungsgleichung mit zwei Variablen vor:
1
2x1 + x2 = 4 ⇐⇒ x1 = 2 − x2 .
2
Die Variable x2 kann hier also frei vorgegeben werden, da es keine zweite Bestimmungsgleichung gibt. Es ergibt sich dann über die letzte Gleichung der entsprechende Wert für
die Variable x1 , wenn zuvor x2 ∈ R frei gewählt wurde. Wir erhalten damit unendlich viele
Lösungskombinationen für die Variablen x1 und x2 , also eine Lösungsmenge mit unendlich vielen Elementen. Wie sehen diese Elemente aus? Da es sich bei x1 und x2 um zwei
gesuchte Variablen handelt, können wir die Kombination aus ihnen als Element aus dem
Vektorraum R2 = R × R auffassen. Dieser Vektorraum stellt die Menge aller Paare (x1 , x2 )
reeller Zahlen dar. Die Lösungsmenge ist damit eine Teilmenge dieses Vektorraums. Es
handelt sich dabei um die Menge
x1
1
2 − 12 x2
x=
: x1 = 2 − x2 , x2 ∈ R =
: x2 ∈ R ⊂ R2 .
x2
x2
2
Wird beispielsweise x2 = 0 vorgegeben,
dann ergibt sich für die erste Variable x1 = 2 −
1/2 · 0 = 2 bzw. der Lösungsvektor 2 . Wählen wir dagegen x2 = 6, so ergibt sich mit
0
−1
6 ein anderer Lösungsvektor. Mit x2 ∈ R können wir auf diese Weise unendlich viele
Lösungsvektoren generieren.
Beispiel 3: Wir betrachten schließlich ein weiteres lineares Gleichungssystem bestehend aus zwei Unbekannten x1 , x2 und zwei Gleichungen, bei dem im Vergleich zum
vorausgegangenen Beispiel die rechte Seite der zweiten Gleichung modifiziert ist:
2.1 Lösung linearer Gleichungssysteme
59
2x1 + x2 = 4
4x1 + 2x2 = 2
.
Die Addition des −2-Fachen der ersten Zeile zur zweiten Zeile führt hier, wie im Beispiel
zuvor, zur völligen Elimination der beiden Variablen aus der zweiten Gleichung. Die rechte
Seite verschwindet hier allerdings nicht:
2x1 + x2 = 4
2x1 + x2 = 4 ·(−2)
⇐⇒
.
0 = −6
4x1 + 2x2 = 2 Für keine Wertekombination von x1 und x2 kann die zweite Gleichung 0 = −6 erfüllt
werden. Die resultierende Gleichung stellt also eine Kontradiktion dar, also eine Aussageform, die stets falsch ist. Die Lösungsmenge ist in diesem Fall leer – es gibt keinen Vektor
x ∈ R2 , der dieses lineare Gleichungssystem löst. Eine ähnliche Situation kann auftreten,
wenn mehr Gleichungen als Unbekannte vorhanden sind.
Beispiel 4: Wir betrachten ein lineares Gleichungssystem mit zwei Unbekannten x1 , x2
und drei Gleichungen.




 2x1 + x2 = 4  ·(−2) ·(−3)
 2x1 + x2 = 4 
4x1 + 3x2 = 2
x2 = −6
.
⇐⇒




x2 = −19
6x1 + 4x2 = −7
Es ergibt sich ein Widerspruch: x2 = −6 und x2 = −19. Auch hier existiert kein Lösungsvektor.
Wir können also festhalten, dass es für ein lineares Gleichungssystem offenbar
(i) keine Lösung,
(ii) genau eine Lösung, d. h. einen Lösungsvektor x,
(iii) mehrere Lösungen, d. h. mehrere unterschiedliche Lösungsvektoren
geben kann. Wir werden später feststellen, dass es im Fall unendlicher Körper, wie Q, R
oder C, in der Situation mehrdeutiger Lösungen stets bereits unendlich viele Lösungen
gibt und es niemals eine Lösungsmenge geben kann, die sich auf eine endliche Anzahl
von Vektoren beschränkt mit mehr als einem Lösungsvektor. Bei linearen Gleichungssystemen über endlichen Körpern führt dagegen eine mehrdeutige Lösungssituation zu einer
endlichen Anzahl von Lösungsvektoren.
Beispiel 5: Um das in den vorangegangenen Beispielen skizzierte Verfahren etwas detaillierter zu studieren, betrachten wir abschließend ein lineares Gleichungssystem bestehend aus drei Unbekannten x1 , x2 , x3 und drei Gleichungen:


 2x1 + 3x2 + x3 = 13 
2x1 + 4x2
= 14 .


x1 + 2x2 + x3 = 9
Wir vertauschen nun die Zeilen, indem wir die letzte Gleichung nach ganz oben setzen,
was keinen Einfluss auf die Lösung des Gleichungssystems hat. Mit dieser Gleichung
können wir dann die Variablen x1 und x2 in den anderen Gleichungen eliminieren. Der
eigentliche Sinn dieser Vertauschung liegt darin, zu versuchen, das Eliminationsverfahren
60
2 Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und Determinanten
so weit wie möglich zu standardisieren. Nach der Vertauschung erhalten wir zunächst


 x1 + 2x2 + x3 = 9 
2x1 + 3x2 + x3 = 13 .


2x1 + 4x2
= 14
Subtrahiert man das Doppelte der ersten Zeile von der zweiten und dritten Zeile, so führt
dies zur Elimination der Variablen x1 aus beiden Gleichungen. Es ergeben sich dann die
folgenden Umformungen:




 x1 + 2x2 + x3 = 9 
 x1 + 2x2 + x3 = 9  ·(−2) ·(−2)
− x2 − x3 = −5
2x1 + 3x2 + x3 = 13 ⇐⇒




− 2x3 = −4 ·(− 12 )
2x1 + 4x2
= 14

  x1 + 2x2 + x3 = 9 
− x2 − x3 = −5
⇐⇒


·1 ·(−1)
x3 = 2


=7 
 x1 + 2x2
− x2
= −3 ·2
⇐⇒


x3 = 2


=1 
 x1
− x2
= −3 ·(−1)
⇐⇒


x3 = 2


= 1
 x1
x2
=3 .
⇐⇒


x3 = 2
Die eindeutige Lösung lautet also x1 = 1, x2 = 3 sowie x3 = 2 oder in der von nun an
konsequent verwendeten vektoriellen Darstellung:
 
1
x = 3 ∈ R3 .
2
Wir formalisieren nun unsere bisherigen Überlegungen. Dazu ist es zweckmäßig, zunächst
nicht nur von Gleichungen mit reellen Zahlen und reellen Lösungen auszugehen, sondern
Gleichungen mit Elementen eines Körpers. Damit wir dies nicht bei jeder Definition und
jedem Satz explizit betonen müssen, legen wir nun fest, dass mit dem Symbol K künftig
ein Körper (beispielsweise K = Q, R, C, Z7 etc.) bezeichnet werde.
Definition 2.1 (Lineares Gleichungssystem) Es seien m, n ∈ N und m, n 6= 0 sowie K ein
Körper. Ein System aus m Gleichungen und n Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn der Gestalt
2.1 Lösung linearer Gleichungssysteme


a11 x1 + a12 x2 + · · · + a1n xn = b1 




 a21 x1 + a22 x2 + · · · + a2n xn = b2 

..
..
..
..

.
. 
.
 .





am1 x1 + am2 x2 + · · · + amn xn = bm
61
(2.1)
mit Koeffizienten ai j ∈ K für 1 ≤ i ≤ m (Zeilenindex) und 1 ≤ j ≤ n (Spaltenindex) sowie
b1 , b2 , . . . bm ∈ K heißt (inhomogenes) lineares Gleichungssystem (LGS). Falls die rechte
Seite nur aus Nullen besteht, also b1 , b2 , . . . , bm = 0 gilt, spricht man von einem homogenen1 linearen Gleichungssystem. Ein Vektor
 
x1
x2 
 
x =  .  ∈ Kn
(2.2)
 .. 
xn
mit Lösungen x j ∈ K heißt Lösungsvektor oder einfach Lösung von (2.1).
Wir haben bereits exemplarisch gesehen, dass ein lineares Gleichungssystem keine, genau
eine oder unendlich viele Lösungen besitzen kann. Noch nicht beantwortet ist aber die
Frage, ob es auch eine endliche Anzahl von Lösungen mit mehr als einem Lösungsvektor
geben kann. Für einen endlichen Körper ist dies in der Tat der Fall, da die Anzahl der Vektoren des Vektorraums Kn bei einem endlichen Körper ebenfalls endlich ist, denn es gilt
|Kn | = |K|n . Wir betrachten als Beispiel ein lineares Gleichungssystem mit vier Variablen
und drei Gleichungen über dem Körper K = Z2 :


 x1 + x2 + x3 + x4 = 1 
x1 +
x3
=0 .


x2 +
x4 = 1
Um dieses System zu vereinfachen, eliminieren wir ebenfalls, wie in den Beispielen zuvor,
gezielt Variablen in den einzelnen Gleichungen. Dabei ist zu beachten, dass wir im Körper
Z2 rechnen. Hier gilt also 1 + 1 = 0, was die Rechnung sehr leicht macht:


 x1 + x2 + x3 + x4 = 1  +
x1 +
x3
=0 

x2 +
x4 = 1


 x1 + x2 + x3 + x4 = 1 
x2 +
x4 = 1 +
⇐⇒


x2 +
x4 = 1 

 x1 + x2 + x3 + x4 = 1 
x2 +
x4 = 1 +
⇐⇒


0 =0
1
Das Adjektiv „inhomogen“ wird in der Regel weggelassen. In diesem Sinne ist ein inhomogenes lineares
Gleichungssystem kein nicht-homogenes lineares Gleichungssystem, sondern einfach nur ein beliebiges
lineares Gleichungssystem.
62
2 Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und Determinanten
⇐⇒

 x1 +
x2 +

⇐⇒



= 0  +x3
x4 = 1 +x4

0 =0

= x3

= 1 + x4 .

∈ Z2
x3
x1
x2

x3 , x4
Die Lösungsmenge lautet daher




x3






1 + x4 
 : x3 , x4 ∈ Z2 ⊂ Z42
L= x=
 x3 






x4
und besteht aus genau vier Vektoren:
        
1 
1
0
0



        
1
0
1
 ,   ,   , 0 .
L= 
0 0 1 1 





1
0
1
0
Wie sieht aber dagegen dieser Sachverhalt bei Körpern mit unendlicher Anzahl von
Elementen wie K = Q, R, C aus? Es sei also K ein derartiger Körper. Gehen wir einmal
davon aus, uns liege ein lineares Gleichungssystem der Art (2.1) mit ai j ∈ K vor. Es seien
x, y ∈ Kn zwei verschiedene Lösungen. Wir betrachten nun für ein beliebiges λ ∈ K den
Vektor
z := x + λ (x − y) = (1 + λ )x − λ y ∈ Kn .
Da x, y verschieden sind, gibt es eine Komponente j ∈ {1, . . . , n} mit x j 6= y j , sodass
x j − y j 6= 0 gilt. Wir können nun für jedes der unendlich vielen q ∈ K einen Vektor der
q−x
Form von z erzeugen mit z j = q. Dazu wählen wir λ = x j −yjj . Auf diese Weise können wir
unendlich viele Vektoren der Form von z generieren.
Wir setzen nun die Komponenten von z, also zk = (1 + λ )xk − λ yk , k = 1, . . . , n, in das
lineare Gleichungssystem (2.1) ein und erhalten


a11 z1 + · · · + a1n zn =(1+λ )(a11 x1 +···+a1n xn )−λ (a11 y1 +···+a1n yn )=(1+λ )b1 −λ b1 = b1 





 a21 z1 + · · · + a2n zn =(1+λ )(a21 x1 +···+a2n xn )−λ (a21 y1 +···+a2n yn )=(1+λ )b2 −λ b2 = b2 
.
..


.






am1 z1 + · · · + amn zn =(1+λ )(am1 x1 +···+amn xn )−λ (am1 y1 +···+amn yn )=(1+λ )bm −λ bm = bm
Somit ist auch der Vektor z Lösung dieses linearen Gleichungssystems. Falls es zwei verschiedene Lösungen gibt, so gibt es bereits unendlich viele Lösungen. Fassen wir also
zusammen:
Satz 2.2 (Charakterisierung der Lösungsmengen linearer Gleichungssysteme über
Q, R oder C) Ein lineares Gleichungssystem der Art (2.1) über Q, R oder C besitzt entweder
2.2 Matrix-Vektor-Notation
63
(i) keine Lösung,
(ii) genau eine Lösung oder
(iii) unendlich viele Lösungen.
Das bereits exemplarisch skizzierte Lösungsverfahren der Variablenelimination werden
wir in Abschn. 2.2 weiter schematisieren. Zunächst stellen wir fest:
Satz 2.3 Ein homogenes lineares Gleichungssystem


a11 x1 + a12 x2 + · · · + a1n xn = 0 





 a21 x1 + a22 x2 + · · · + a2n xn = 0 
..
..
..
..

.
.
.
. 






am1 x1 + am2 x2 + · · · + amn xn = 0
(2.3)
besitzt mindestens eine Lösung:
   
x1
0
x2  0
   
x =  .  =  .  = 0.
 ..   .. 
xn
0
Der Nullvektor 0 ∈ Kn löst also jedes homogene lineare Gleichungssystem mit n Unbekannten. Man spricht in diesem Fall von der sogenannten „trivialen“ Lösung.
Hat also ein lineares Gleichungssystem der Art (2.1) keine Lösung, so kann es nicht homogen sein. In diesem Fall gibt es also ein k ∈ {1, 2, . . . , m} mit bk 6= 0.
2.2 Matrix-Vektor-Notation
Definition 2.4 (Matrixschreibweise) Ein lineares Gleichungssystem der Gestalt (2.1)
lautet in der Matrix-Vektor-Notation

   
a11 a12 · · · a1n
x1
b1
 a21 a22 · · · a2n  x2   b2 

   
(2.4)
 ..
..   ..  =  ..  .
 .
.  .   . 
am1 am2 · · · amn
Dabei heißt das Objekt

a11 a12 · · ·
 a21 a22 · · ·

A= .
 ..
xn

a1n
a2n 

..  =: (ai j ) 1≤i≤m ,
1≤ j≤n
. 
am1 am2 · · · amn
bm
mit
ai j ∈ K
(2.5)
64
2 Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und Determinanten
(Koeffizienten-)Matrix oder m × n-Matrix (sprich: „m kreuz n Matrix“). Zudem bilden die
n Unbekannten x1 , . . . , xn und die m Skalare b1 , . . . , bm auf der rechten Seite als Spalte
geschriebene Vektoren
 
 
x1
b1
 .. 
 .. 
n
x= . ∈K ,
b =  .  ∈ Km .
(2.6)
xn
bm
Die Menge aller m × n-Matrizen2 mit Koeffizienten aus K wird in der Literatur unterschiedlich bezeichnet, beispielsweise mit M(m × n, K) oder Km×n . Hat eine Matrix
A ∈ M(m × n, K) genauso viele Zeilen wie Spalten, gilt also m = n, wird A als quadratische Matrix bezeichnet. Die Menge aller quadratischen Matrizen bestehend aus n Zeilen
und Spalten und Koeffizienten aus K wird speziell mit M(n, K) bezeichnet. Das lineare
Gleichungssystem (2.1) lautet mit diesen Bezeichnungen in Kurzform
Ax = b.
(2.7)
Wir werden später sehen, dass der Term Ax als Produkt aus der Matrix A und dem Vektor
x interpretiert werden kann. Das Ergebnis dieses sogenannten Matrix-Vektor-Produkts ist
dann der Vektor b. Zur Lösung des linearen Gleichungssystems bieten sich nun elementare
Zeilenumformungen an, die die Lösungsmenge nicht ändern, jedoch die Matrix mit dem
Ziel modifizieren, Einträge durch Nullen zu ersetzen. Hierzu definieren wir:
Definition 2.5 (Elementare Zeilenumformungen) Gegeben sei ein lineares Gleichungssystem der Gestalt (2.1) bzw. in Matrix-Vektor-Notation Ax = b, mit A ∈ M(m × n, K) und
b ∈ Km , im Detail
   

a11 a12 · · · a1n
x1
b1
 a21 a22 · · · a2n  x2   b2 

   
(2.8)
 ..
..   ..  =  ..  .
 .
.  .   . 
am1 am2 · · · amn
xn
bm
Die Nettodaten des linearen Gleichungssystems können noch kürzer in einem Tableau
(Tableau-Matrix) notiert werden:


a11 a12 · · · a1n b1
 a21 a22 · · · a2n b2 


(2.9)
 ..
..  .
 .
. 
am1 am2 · · · amn bm
Oftmals wird bei Matrizen auch die Schreibweise mit eckigen statt mit runden Klammern
verwendet. Eckige Klammern sind etwas platzsparender und bieten sich insbesondere
bei größeren Matrizen an. Innerhalb dieses Buches werden für Tableau-Matrizen eckige Klammern verwendet, Matrizen ansonsten aber mit runden Klammern notiert. Die
Tableau-Schreibweise erleichtert das in den Beispielen zuvor skizzierte Verfahren der
2
„Matrizen“ (engl. matrices) ist der Plural von „Matrix“.
2.2 Matrix-Vektor-Notation
65
äquivalenten Gleichungsumformungen. Diese Umformungen dienen zur Vereinfachung
des zugrunde gelegten linearen Gleichungssystems möglichst so weit, dass die Lösungsmenge aus dem Tableau ablesbar ist. Diesen Gleichungsumformungen entsprechen dann
Zeilenumformungen im Tableau der folgenden drei Typen:
Typ I: Addition des Vielfachen einer Zeile (bzw. Gleichung) zu einer
anderen Zeile (bzw. Gleichung),
Typ II: Vertauschung von Zeilen (bzw. Gleichungen),
Typ III: Multiplikation einer Zeile (bzw. Gleichung) mit einem Skalar 6= 0.
Mithilfe dieser Umformungen ist es möglich, aus dem linearen Gleichungssystem Variablen zu eliminieren, was dann einem Erzeugen von Nullen im jeweiligen Tableau entspricht. Wir bezeichnen diese Umformungstypen als elementare Zeilenumformungen und
das entsprechende Verfahren zur Elimination der Variablen als Gauß’sches Eliminationsverfahren oder kurz Gauß-Algorithmus. Zur Illustration des Gauß-Algorithmus betrachten
wir ein weiteres Mal das bereits zuvor diskutierte Beispiel 5 eines linearen Gleichungssystems mit drei Gleichungen und drei Unbekannten:


 2x1 + 3x2 + x3 = 13 
2x1 + 4x2
= 14 .


x1 + 2x2 + x3 = 9
Dieses lineare Gleichungssystem lautet in der Matrix-Vektor-Schreibweise

   
231
x1
13
2 4 0 x2  = 14
121
x3
9
bzw. in der Tableau-Schreibweise


2 3 1 13
 2 4 0 14  .
121 9
Wir lösen nun dieses lineare Gleichungssystem mithilfe des Gauß’schen Eliminationsverfahrens. Ziel ist ein Tableau, das uns ein einfaches Ablesen der Lösung ermöglicht. Dabei
eliminieren wir in jeder Zeile genau zwei Zahlen. Die übrigbleibende Zahl entspricht dann
dem Vorfaktor einer Variablen. Es verbleibt dann schließlich in jeder Zeile (bzw. Gleichung) genau eine Zahl (bzw. Variable). Hierzu verwenden wir exakt die Umformungen,
die wir zuvor in Beispiel 5 verwendet hatten. Wir beginnen dabei mit Zeilenvertauschungen, indem wir die dritte Zeile nach oben schieben. Diese Umformung entspricht dabei
zwei Zeilenumformungen des Typs II (Vertauschung der Zeilen 1 und 2 mit anschließender Vertauschung der letzten beiden Zeilen). Wir erhalten


121 9
 2 3 1 13  .
2 4 0 14
66
2 Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und Determinanten
Das Eliminieren der Variablen x1 in der zweiten und dritten Gleichung entspricht in diesem
Tableau dem Eliminieren der beiden Zweien in der ersten Spalte. Wir verwenden hierzu
zwei Umformungen des Typs I, wie rechts vom Tableau angedeutet, und erhalten




1 2 1 9
1 2 1 9 ·(−2) ·(−2)
 2 3 1 13 
→  0 −1 −1 −5  .
2 4 0 14
0 0 −2 −4
Es folgt eine Umformung des Typs III. Wir erzeugen eine Eins in der letzten Zeile, indem
wir sie mit − 21 multiplizieren:




1 2 1 9
1 2 1 9
 0 −1 −1 −5 
→  0 −1 −1 −5  .
1
0 0 −2 −4 ·(− 2 )
0 0 1 2
Wir können dann in der letzten Zeile bereits die Lösungskomponente x3 = 2 für die dritte
Variable ablesen. Als erstes Etappenziel haben wir ein Tableau erzeugt, das unterhalb der
diagonalen Zahlenlinie, die von links oben nach rechts unten verläuft, nur noch aus Nullen
besteht. Wenn wir nun oberhalb dieser Diagonalen ebenfalls Nullen erzeugen und die verbleibenden Zahlen auf der Diagonallinie durch Zeilenmultiplikation (Typ III-Umformung)
auf den Wert 1 bringen, so entsteht ein Tableau, das einem linearen Gleichungssystem
entspricht, in dessen Gleichungen von oben nach unten die Variablen abzulesen sind. Zunächst eliminieren wir in der dritten Spalte die Zahlen 1 und −1 der ersten beiden Zeilen.
Hierzu wird die letzte Zeile zur zweiten addiert und von der ersten subtrahiert:
 


1 2 0 7
1 2 1 9
 0 −1 −1 −5 
→  0 −1 0 −3  .
0 0 1 2 ·1 ·(−1)
0 0 1 2
Der letzte Eliminationsschritt besteht nun darin, die Zahl 2 in der ersten Zeile mithilfe der
zweiten Zeile zu eliminieren. Wegen der bereits erzeugten Null an der zweiten Position
der letzten Zeile kann hierzu die dritte Zeile nicht verwendet werden. Das Resultat ist ein
Tableau, bei dem nur noch die Diagonallinie besetzt ist:




1 2 0 7
1 0 0 1
 0 −1 0 −3  ·2 →  0 −1 0 −3  .
0 0 1 2
0 0 1 2
Nach Multiplikation der zweiten Zeile mit −1 erhalten wir ein Tableau, bei welchem links
von der Trennlinie nur noch Einsen auf der Diagonalen auftreten:




1 0 0 1
1001
 0 −1 0 −3  ·(−1) →  0 1 0 3  .
0 0 1 2
0012
Rechts von der Trennlinie steht dann die Lösung, denn dem letzten Tableau entspricht das
lineare Gleichungssystem
2.2 Matrix-Vektor-Notation
67


 x1 = 1 
x2 = 3 .


x3 = 2
Die links von der Trennlinie stehende Matrix des letzten Tableaus wird als 3×3-Einheitsmatrix
bezeichnet. Wir definieren nun allgemein:
Definition 2.6 (n × n-Einheitsmatrix) Es sei n ∈ N, n 6= 0. Die quadratische Matrix


1 0 ··· 0
0 1 · · · 0


(2.10)
En =  .
. . .. 
 ..
. .
0 ··· 0 1
heißt n × n-Einheitsmatrix.
Für
A = (ai j )1≤i, j≤n = En
gilt
ai j = 0,
für i 6= j sowie,
ai j = 1,
für i = j,
(bzw. aii = 1),
wobei 1 ≤ i, j ≤ n. Wie lässt sich nun das Gauß’sche Eliminationsverfahren in Fällen anwenden, in denen keine eindeutige Lösung existiert. Wie wir bereits wissen, bedeutet dies,
dass entweder keine Lösung existiert oder dass es mehrere Lösungsvektoren gibt, wie es
beispielsweise in Situationen mit mehr Variablen als Gleichungen der Fall sein kann. Betrachten wir hierzu ein Beispiel mit zwei Gleichungen und drei Unbekannten:
x1 + x2 − x3 = 3
.
x1 + 2x2
=2
In Matrix-Vektor-Schreibweise lautet dieses lineare Gleichungssystem
 
x
1 1 −1  1 
3
x2 =
.
12 0
2
x3
Wir nutzen die Tableau-Schreibweise, um es zu vereinfachen:
1 1 −1 3 1 0 −2 4
1 1 −1 3 ·(−1)
→
→
.
12 0 2 0 1 1 −1 ·(−1)
0 1 1 −1
Wir haben nun die 2 × 2-Einheitsmatrix im linken Teil dieses Endtableaus erzeugt. Wenn
wir nun dieses Tableau zurückübersetzen, erhalten wir als entsprechendes lineares Gleichungssystem
x1
− 2x3 = 4
.
x2 + x3 = −1
Aufgelöst nach x1 und x2 ergibt sich
http://www.springer.com/978-3-662-54342-9
Herunterladen