Übung zu Risiko und Versicherung Entscheidungstheoretische Grundlagen Christoph Lex Dominik Lohmaier http://www.inriver.bwl.lmu.de Newsletter Institut für Risikomanagement und Versicherung Auf der Homepage unter http://www.inriver.bwl.uni-muenchen.de/studium/sommer_2014/bachelorveranstaltungen/risiko_und_versicherungen/index.html ist der Link „Newsletter“ zu finden. Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 1 Das Grundmodell der Entscheidungstheorie Institut für Risikomanagement und Versicherung Komponenten • Aktionsraum A: die Menge aller zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen ai, i {1,…,n} • Zustandsraum S: die Menge aller vom Entscheidungsträger für möglich gehaltenen und für die Entscheidung relevanten Umweltzustände sj , j {1,…,m} • Ergebnisraum E: die Menge aller für möglich erachteten Ergebnisse eij , i {1,…,n}, j {1,…,m} • Ergebnisfunktion f ordnet jedem Paar (ai, sj) mit ai A, sj S ein Ergebnis eij E zu • (vollständige, transitive) Präferenzrelation Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 2 Das Grundmodell der Entscheidungstheorie Institut für Risikomanagement und Versicherung S A s1 s2 ... sj ... sm a1 e11 e12 ... e1j ... e1m a2 e21 e22 ... e2j ... e2m . . . . . . . . . . . . . . ai ei1 ei2 ... eij ... eim . . . . . . . . . . . . . . an en1 en2 ... enj ... enm E Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 3 Einige Aussagen über Wahrscheinlichkeiten Institut für Risikomanagement und Versicherung • Eine Wahrscheinlichkeit (meist mit dem Buchstaben „p“ bezeichnet) ist eine Zahl zwischen 0 und 1. • Schließen sich die einzelnen Ereignisse gegenseitig aus (es kann entweder Ereignis 1 oder Ereignis 2 oder ... eintreten), so ist die Summe der Wahrscheinlichkeiten über alle möglichen Ereignisse gleich 1. • Schließen sich die einzelnen Ereignisse gegenseitig aus, so ergibt sich die Wahrscheinlichkeit für ein “kombiniertes” Ereignis aus der Summe der einzelnen Wahrscheinlichkeiten (Additionssatz). • Beispiel Würfeln: P("1 oder 2" ) 1 1 6 6 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 4 Einige Aussagen über Wahrscheinlichkeiten Institut für Risikomanagement und Versicherung • Bei unabhängiger Wiederholung eines Zufallsexperiments ergibt sich die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis der Form „erste Durchführung des Experiments führt zu Ergebnis 1, zweite Durchführung führt zu Ergebnis 2” durch Multiplikation der Einzelwahrscheinlichkeiten. • Beispiel Würfeln: P(„1.Wurf = 1 und 2.Wurf = 2“) Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 1 1 1 6 6 36 5 Definition Wahrscheinlichkeits-Maß (Axiome) • Institut für Risikomanagement und Versicherung Eine Funktion P, die jedem Ereignis Z S eine reelle Zahl zuordnet, heißt Wahrscheinlichkeitsmaß, und P(Z) heißt Wahrscheinlichkeit von Z, wenn gilt: 1. 2. 3. 0 P (Z ) 1 P(S ) 1 für jedes ZS Für abzählbar viele Ereignisse Z1, Z2, .... mit Z i Z j = i j gilt: P Z i P ( Z i ) i 1 i 1 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 6 Rechenregeln und grundlegende Definitionen Es gilt: Institut für Risikomanagement und Versicherung P ( ) = 0 , P ( S ) = 1 P(Z ) P(Z C ) 1 mit Z C S \ Z (Komplement von Z) P (Z1 Z 2 ) = P (Z1) + P (Z 2 ) - P (Z1 Z 2 ) Zwei Ereignisse Z1 und Z2 heißen stochastisch unabhängig, wenn gilt: P (Z1 Z 2 ) = P (Z1) P (Z 2 ) Die bedingte Wahrscheinlichkeit P (Z 1 | Z 2 ) wird definiert als P ( Z 1 | Z 2 ) : P ( Z1 Z 2 ) , P(Z 2 ) sofern P ( Z 2 ) 0 . Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 7 Institut für Risikomanagement und Versicherung Beispiel: Roulette stochastisch unabhängig: Kugel fiel auf „rot“ in den letzten drei Runden. P(rot | „rot“ in den letzten drei Runden) = 18/37 stochastisch abhängig: P(gerade) = 18/37 Kugel fällt auf „rot“: P(gerade | „rot“ in aktueller Runde) = 8/18 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 8 Rechenregeln und grundlegende Definitionen Institut für Risikomanagement und Versicherung Für stochastisch unabhängige Ereignisse Z1 und Z2 gilt: P ( Z1 Z 2 ) P ( Z1 ) P ( Z 2 ) P ( Z 1 | Z 2 ) : P ( Z1 ) P(Z 2 ) P(Z 2 ) Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit: Zi mit i = 1, 2, ... seien abzählbar viele paarweise disjunkte Ereignisse positiver Wahrscheinlichkeit. Für ein Ereignis A Zi i 1 gilt: P ( A) P ( Z i ) P ( A Z i ) Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 i 1 9 Rechenregeln und grundlegende Definitionen Institut für Risikomanagement und Versicherung Bayes-Theorem: Sei P(Zk) die a-priori und P(Zk | A) die a-posteriori Wahrscheinlichkeit von Zk unter Kenntnis des Eintritts von Ereignis A. Unter den Voraussetzungen des Satzes der totalen Wahrscheinlichkeit gilt dann P ( Z k A) P(Z k ) P( A Z k ) P(Z ) P( A Z ) i 1 i Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 i 10 Wahrscheinlichkeitsinterpretationen Institut für Risikomanagement und Versicherung 1) logische (bzw. objektive a-priori-) Wahrscheinlichkeiten 2) frequentistische (bzw. objektive a-posteriori-) Wahrscheinlichkeiten 3) subjektive Wahrscheinlichkeiten Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 11 Anpassung subjektiver Wahrscheinlichkeiten Institut für Risikomanagement und Versicherung • Urne mit 6 Kugeln: - entweder sind alle rot (s1), - zur Hälfte rot und zur Hälfte schwarz (s2) - oder alle sind schwarz (s3). • Der Entscheidungsträger hat folgende subjektive Wahrscheinlichkeitseinschätzungen über die Umweltzustände: 1 p(s 1 ) = p(s 2 ) = p(s 3 ) = 3 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 12 Anpassung subjektiver Wahrscheinlichkeiten Jetzt wird eine rote Kugel gezogen: Institut für Risikomanagement und Versicherung subjektive Wkt. 1 1 p(s1 ) p(r | s1 ) 2 3 p(s1 | r) = 3 = = 1 1 1 1 3 1 + + 0 p(s ) p(r | s ) i i 3 3 2 3 i=1 1 1 1 3 2 p(s2 | r) = = 1 1 1 1 1+ + 0 3 3 3 2 3 1 0 3 p(s3 | r) = =0 1 1 1 1 1+ + 0 3 3 2 3 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 13 Anpassung subjektiver Wahrscheinlichkeiten Institut für Risikomanagement und Versicherung Nach Zurücklegen wird noch eine rote Kugel gezogen: angepasste Wkt. 2 1 p(s1 ) p(r | s1 ) 4 3 p(s1 | r) = 3 = 2 1 1 5 1 + 0 0 p ( s ) p ( r | s ) i i 3 3 2 i1 p(s 2 | r) = 1 5 Nach Zurücklegen wird zum dritten Mal eine rote Kugel gezogen: 4 1 8 5 p(s1 | r) = = 4 1 1 9 1+ 5 5 2 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 1 p(s 2 | r) = 9 14 Entscheidungsproblem des Versicherungsnehmers s1 p(s1) s2 p(s2) w1 w2 a1 a2 w1 w 2 x 2 Institut für Risikomanagement und Versicherung ... sj p(sj) ... sm p(sm) ... wj ... wm ... wj xj ... wm xm s1, s2, …, sm Umweltzustände (s1 = ungestörte Situation) p(sj) (subjektive) Wahrscheinlichkeitseinschätzung des Versicherungsnehmers für den Eintritt des Umweltzustandes sj a1 Handlungsmöglichkeit „nicht versichern“ a2 Handlungsmöglichkeit „Versicherungsvertrag mit der Prämie und den Versicherungsleistungen x2, ..., xm abschließen“ w1, w2, ..., wm Endvermögen des Versicherungsnehmers in Abhängigkeit von möglichen Realisationen des zu versichernden Risikos x2, x3, ..., xm Preis für Versicherungsschutz (Prämie) Schadenzahlungen des Versicherers Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 15 Entscheidungsproblem des Versicherers s1 q(s1) a1 0 a2 k Institut für Risikomanagement und Versicherung s2 q(s2) ... sj q(sj) 0 ... 0 ... ... k xj ... k x2 ... sm q(sm) 0 k xm q(sj) (subjektive) Wahrscheinlichkeitseinschätzung des Versicherers für den Eintritt des Umweltzustandes sj a1 Handlungsmöglichkeit „nicht versichern“ a2 Handlungsmöglichkeit „versichern“ k Betriebskosten, die für den Versicherungsvertrag anfallen Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 16 Institut für Risikomanagement und Versicherung Beispiel • Simulation : Aus einer Urne, die 10 Kugeln enthält (1 davon rot, die restlichen schwarz), wird dreimal jeweils eine Kugel gezogen, die anschließend wieder zurückgelegt wird. Die Ziehung einer roten Kugel bedeutet jeweils einen Schaden in Höhe von 10.000,- €. • Wie sieht die (Gesamt-)„Schadenverteilung“ (xi, pi) aus? „Schadenzahl“verteilung: zi „Schadenverteilung“: pi xi pi 0 0.729 0€ 0.729 1 0.243 10000 € 0.243 2 0.027 20000 € 0.027 3 0.001 30000 € 0.001 • Angemessene Prämie/Mindestprämie? Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 17 Risikoaversion Institut für Risikomanagement und Versicherung • Definition: Ein Entscheidungsträger heißt risikoavers (risikoscheu), wenn er stets eine sichere Zahlung einer zufälligen Zahlung mit identischem Erwartungswert vorzieht. • Risikoaversion kann als das zentrale Motiv für die Nachfrage nach Versicherungsschutz angesehen werden und ist deshalb in der Versicherungsökonomie von besonderer Bedeutung. Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 18 Institut für Risikomanagement und Versicherung Sicherheitsäquivalent • Das Sicherheitsäquivalent einer zufälligen Größe ist dasjenige sichere Einkommen, für das ein Entscheidungsträger ein Risiko gerade abgeben würde. U(w+SÄ) = E(U(w+)) U(…) := Nutzenfunktion E(...) := Erwartungswert w := Anfangsvermögen := Risiko SÄ := Sicherheitsäquivalent Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 19 Institut für Risikomanagement und Versicherung Sicherheitsäquivalent Einfache Lotterie (25.000; 0,75; -8.000) U(w) U(w+25.000) U[E(w+)] U(w+SÄ) = E[U(w+)] U(w) U(w-8.000) SÄ[] RP[] E[] E[w+] SÄ[]+w w-8.000 w Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 E[w+] w+25.000 w 20 Risikoaversion versus Risikoneutralität Institut für Risikomanagement und Versicherung • Ein Entscheidungsträger heißt risikoneutral, wenn er stets eine zufällige Zahlung genauso beurteilt wie eine sichere Zahlung in Höhe des Erwartungswertes. • Risikoneutralität wird in ökonomischen Modellen häufig als Annahme über die Risikoeinstellung von Versicherungsunternehmen verwendet. warum? • Es spricht aber auch vieles dafür, dass sich Versicherer – zumindest in bestimmten Sparten – risikoscheu verhalten. Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 21 Risikoprospekt im μ-σ-Diagramm Institut für Risikomanagement und Versicherung 2 1 1 2 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 22 Risikoprospekt im μ-σ-Diagramm Institut für Risikomanagement und Versicherung Indifferenzkurve VR Netto-RP[1] des VR (µ1, 1) Indifferenzkurve VN SÄ1 1 1 =E [1] Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 Preisuntergrenze des VR = Mindest-BruttoRP 23 Stichworte zum Bernoulli-Prinzip Institut für Risikomanagement und Versicherung • Bernoulli-Prinzip: Ein Entscheidungsträger besitzt eine auf dem Ergebnisraum definierte beschränkte, streng monoton wachsende, reellwertige Nutzenfunktion u (Bernoulli-Nutzenfunktion). Der Präferenzwert einer jeden Wahrscheinlichkeitsverteilung über dem Ergebnisraum errechnet sich als Erwartungswert der mit ihrem Nutzen bewerteten Ergebnisse (Erwartungsnutzen). Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 24 Stichworte zum Bernoulli-Prinzip Institut für Risikomanagement und Versicherung • Ein Entscheidungsverhalten, das im Einklang mit dem BernoulliPrinzip steht, kann als rational in dem Sinne betrachtet werden, dass es bestimmte Postulate erfüllt, die Anforderungen an “vernünftiges” Handeln formulieren. • Umgekehrt impliziert das Anerkennen dieser Axiome als Entscheidungskriterium bei Risiko das Bernoulli-Prinzip. - Beispiel: Eine Handlungsalternative a, deren zufälliges Ergebnis e eine endlich-diskrete Verteilung besitzt (mögliche Ergebnisse e1,..., en, zugehörige Wahrscheinlichkeiten p1,..., pn), wird beurteilt nach dem Kriterium n Eu(e) p i u(ei ) i1 Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 25 Stichworte zum Bernoulli-Prinzip Institut für Risikomanagement und Versicherung • Bei Risikoaversion gilt Eu(e) u(E[e ]) für eine nicht-degenerierte Zufallsvariable e. • Die Bernoulli-Nutzenfunktion eines risikoscheuen Entscheidungsträgers ist streng konkav (Jensensche Ungleichung); (u‘ > 0, u‘‘ < 0, wenn zweifach differenzierbar) • Analog: Bernoulli-Nutzenfunktionen sind linear bei risikoneutralen Entscheidungsträgern (und streng konvex bei risikofreudigen Entscheidungsträgern) Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 26 Risikoneutralität Institut für Risikomanagement und Versicherung • Ein Entscheidungsträger verhält sich risikoneutral, wenn er stets eine zufällige Zahlung genauso beurteilt wie eine sichere Zahlung in Höhe des Erwartungswertes. • Risikoneutralität wird in ökonomischen Modellen häufig als Annahme über die Risikoeinstellung von Unternehmen verwendet. Warum? Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 27 Das Arrow-Lind-Theorem Institut für Risikomanagement und Versicherung • Betrachtet wird ein Syndikat mit („unendlich“) vielen risikoaversen Beteiligten, die gemeinsam eine riskante Investition tätigen. • Außerdem gelten folgende Annahmen: - Keine Transaktionskosten, - Keine Steuern, - das übernommene Risiko ist vollkommen unkorreliert mit den individuellen Einkommen der Beteiligten [Cov=0] Das Syndikat verhält sich so, als ob es risikoneutral wäre. Lex / Lohmaier - Übung zu Risiko und Versicherung - Sommer 2014 28