PRESSE-INFO Mai 2003 Psychiatrie und Psychotherapie DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHIATRIE, PSYCHOTHERAPIE UND NERVENHEILKUNDE (DGPPN) Etwa drei Millionen Deutsche haben gelegentlich oder ständig Tinnitus. Doch während die Mehrzahl sich relativ gut an die Ohrgeräusche gewöhnt, gelingt dies etwa 2,4 Prozent der Patienten überhaupt nicht. Sie leiden unter Schlafstörungen, Depressionen und Angsterkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) meldet, dass eine medizinisch-psychologische Kombinationstherapie die Tinnitusbelastung schon in der Frühphase deutlich senkt und möglicherweise auch der Chronifizierung vorbeugt. lernen Strategien, damit umzugehen. „Es ist sehr wichtig, dass die Patienten frühzeitig lernen, den Tinnitus nicht als Bedrohung wahrzunehmen, sondern sich aktiv davon abzulenken“, erklärt sich so weit an den Tinnitus zu gewöhnen, dass er nicht mehr als Störreiz wahrgenommen wird. „Die Studie ergab, dass eine Kombination aus Infusionstherapie und psychologischer Kurzintervention schon im Frühstadium die subjektive Belastung der Patienten deutlich senkt“, berichtet D’Amelio. TINNITUS: FRÜHE PSYCHOTHERAPIE VERBESSERT HEILUNGSCHANCEN PSYCHISCHE STÖRUNGEN OFT FOLGE VON TINNITUS Möglicherweise verringert sich durch die psychologische Beratung auch das Risiko, dass der Tinnitus chronisch oder dekompensiert wird. Manche Patienten erleben ihren Tinnitus als so bedrohlich, dass es Bisher gibt es keine Therapie, ihnen nicht gelingt, ihre Aufdie chronischen Tinnitus zum merksamkeit davon abzulenVerschwinden bringt. Tinnitus ken. Sie befinden sich in einem DGPPN: Aktive Bewältigungs(lat. Klingeln) ist ein Ohrständigen „Alarmzustand“, strategien können Chronifizierung geräusch ohne äußere Schallverspüren eine große innere verhindern quelle. In einer aktuellen Studie Unruhe und entwickeln zahlwurde jetzt untersucht, ob eine reiche weitere Symptome. frühe psychologische Beratung Der so genannte dekompenund Therapie den Patienten helfen sierte Tinnitus kann zu Kopf- und MaDipl.-Psych. Roberto D‘Amelio von der kann, bereits in der Frühphase der Ergenschmerzen, MedikamentenmissUniversitätsklinik Homburg (Saar), krankung die Belastung durch Tinnitus brauch und Depressionen bis zum Suieiner der Leiter der Studie. „Sonst bezu senken. Dabei werden sie ausführzid führen. „Insgesamt betrifft dies nur steht die Gefahr, dass er zu einer stänlich über die Erkrankung aufgeklärt und digen Belastung wird.“ Das Ziel ist es, weiter auf Seite 2 DURCHBRUCH IN DER ANGSTFORSCHUNG DGPPN: Neue Forschungsergebnisse helfen Menschen mit Traumen, Phobien und Angststörungen In der Angstforschung ist Münchner Wissenschaftlern möglicherweise ein wichtiger Durchbruch gelungen. In einem Tiermodell fanden sie heraus, wie der Körper Angst- und Panikzustände wieder abbaut. Die Erkenntnisse könnten neue Ansätze für die Therapie von Patienten liefern, die unter chronischen Angstzuständen leiden, meldet die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Immer wiederkehrende Ängste können unterschiedliche Ursachen haben. Nach einem Unfall oder Verbrechen leiden manche Menschen noch Jahre später unter Posttraumatischen Belastungsstörungen. Bei anderen entwickeln sich bestimmte Urängste – etwa vor Tieren oder engen Räumen – zu Phobien. „Angststörungen sind nach Depressionen die zweithäufigste psychische Störung in Deutschland“, weiter auf Seite 2 1 AUS DEM INHALT 2 Schizophrenie: Fünf beteiligte Genvarianten entdeckt Gene für Glutamatstoffwechsel sind verändert – Durchbruch in der Forschung 3 Ecstasy: Neue Studie untersucht Langzeitschäden Psychische und kognitive Störungen möglicherweise irreversibel 4 Manisch-depressiv: Neues Medikament in Sicht? Ursachen im Hirnstoffwechsel nachgewiesen PRESSE-INFO PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE MAI 2003 SCHIZOPHRENIE: FÜNF BETEILIGTE GENVARIANTEN ENTDECKT DGPPN: Gene für Glutamatstoffwechsel sind verändert – nach 15 Jahren Forschungsarbeit erste Durchbrüche erzielt In den letzten Monaten wurden große Fortschritte bei der Entschlüsselung der genetischen Faktoren, die zum Entstehen einer Schizophrenie beitragen, erzielt, meldet die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Mittlerweile wurden fünf Genvarianten identifiziert, die gehäuft bei an Schizophrenie Erkrankten auftreten. Alle fünf beeinflussen den Glutamatstoffwechsel, der wiederum wichtige Prozesse im Gehirn steuert. Die Krankheit Schizophrenie ist zu etwa gleichen Teilen erblich und durch Umweltfaktoren bedingt. Dabei gibt es kein einzelnes „Schizophrenie-Gen“, sondern Kombinationen von Genvarianten, die das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, erhöhen. Sie zu identifizieren ist äußerst aufwendig. „Nach fünzehnjähriger Forschungsarbeit liegen jetzt erstmals konkrete Hinweise auf fünf Genvarianten vor, die zum Entstehen einer Schizophrenie beitragen können“, so Prof. Wolfgang Maier von der DGPPN, Leiter einer entsprechenden Studie. „Dies bedeutet einen Durchbruch in der Forschung.“ WELCHE ROLLE SPIELT DER GLUTAMATSTOFFWECHSEL? Die betreffenden Gene sind auf den Chromosomen 6, 8, 13 und 22 lokalisiert. Wenn sie in bestimmten Varianten vorliegen, ist das Risiko, an einer Schi- zophrenie zu erkranken, erhöht. An der Identifizierung der Genvariante auf Chromosom 6 für das Protein Dysbindin war die molekulargenetische Arbeitsgruppe der Universität Bonn beteiligt. Interessant ist, dass alle beteiligten Gene den Glutamatstoffwechsel beeinflussen, der wiederum verschiedene Hirnfunktionen wie Sinneswahrnehmungen, Motorik, Lernen und Gedächtnis steuert. „Noch lassen sich daraus keine therapeutischen Schlussfolgerungen ziehen, da die Gene auch andere gemeinsame Funktionen haben, die ebenfalls zur Krankheitsentstehung beitragen könnten“, so Prof. Maier. Man schätzt, dass jede einzelne der gefundenen Genvarianten das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, verdoppelt. LANGFRISTIG VERBESSERUNG BEI DIAGNOSE, THERAPIE UND VORBEUGUNG ERHOFFT Von der Erforschung der genetischen Faktoren versprechen sich Wissenschaftler langfristig eine genauere Diagnose, wirkungsvollere Vorbeugemaßnahmen und bessere Vorhersagen darüber, wie Patienten auf bestimmte Psychopharmaka ansprechen und welche Nebenwirkungen auftreten können. „Die Tatsache, dass Patienten sehr verschieden auf Medikamente ansprechen und ganz unterschiedliche Nebenwirkungen auftreten können, hat vermutlich genetische Ursachen“, so Prof. Peter Falkai, Sprecher der DGPPN. Fortsetzung von Seite 1 Tinnitus: Frühe Psychotherapie verbessert ... eine relativ geringe Anzahl von Patienten“, berichtet der Sprecher der DGPPN, Prof. Peter Falkai. „Diese leiden jedoch ganz massiv.“ Tinnitus kann nicht nur Depressionen verursachen, sondern umgekehrt haben Patienten mit Depressionen auch ein erhöhtes Risiko, an chronischem Tinnitus zu erkranken. Auch dies hängt möglicherweise mit unangemessenen Bewältigungsstrategien zusammen. Gerade Patienten mit Depressionen er- leben sich selbst oft als ohnmächtig und hilflos – eine Haltung, die die Entwicklung eines chronischen oder dekompensierten Tinnitus fördern kann. „Auch bei dieser Patientengruppe besteht die Hoffnung, dass eine frühe psychologische Intervention den Verlauf der Tinnituserkrankung positiv beeinflussen kann”, so D’Amelio. In schweren Fällen kann auch eine Psychopharmakotherapie mit Antidepressiva sinnvoll sein. 2 Fortsetzung von Seite 1 Durchbruch Angstforschung so Prof. Mathias Berger, Präsident der DGPPN. „An der Posttraumatischen Belastungsstörung erkranken zwischen einem und sieben Prozent der Bevölkerung im Lauf ihres Lebens.“ Bei diesen Menschen ist der Körper in ständiger Alarmbereitschaft, auch wenn objektiv keine Gefahr mehr besteht. Welche biochemischen Vorgänge sich dabei im Gehirn abspielen, konnten Forscher vom Max-PlanckInstitut für Psychiatrie in München jetzt erstmals beschreiben. ENDOCANNABINOIDE SPIELEN ENTSCHEIDENDE ROLLE Eine wichtige Rolle beim Abbau von Angstreaktionen spielen die so genannten Endocannabinoide. Diese körpereigenen Stoffe ähneln dem Wirkstoff in der Cannabispflanze. Sie entfalten ihre Wirkung, wenn sie an bestimmte Rezeptoren im Gehirn andocken. Die Forscher schalteten diese Rezeptoren bei Mäusen genetisch bzw. durch Medikamente aus. Den Mäusen wurde dann wiederholt ein Ton vorgespielt, dem ein Stromstoß folgte. Schon bald erstarrten die Mäuse vor Schreck, sobald sie nur den Ton hörten. Im zweiten Teil des Experiments hörten sie nur noch den Ton, ohne Stromstoß. Trotzdem erstarrten die Mäuse, denen der CannabinoidRezeptor fehlte, jedes Mal von Neuem. KÖRPEREIGENE CANNABINOIDE LINDERN ANGSTZUSTÄNDE Ganz anders reagierten normale Mäuse, die relativ schnell „lernten“, dass der Ton keine Bedrohung mehr darstellte. „Der Körper schüttet große Mengen Endocannabinoide in bestimmte Regionen des Gehirns aus, um die Angst abzubauen, wenn die ursprünglich erwartete Bedrohung ausbleibt“, so der Initiator der Studie, PD Dr. Beat Lutz. „Diese Erkenntnis ist bedeutend für die Entwicklung von Medikamenten für Angstpatienten.“ Die Wirkung der Endocannabinoide darf jedoch nicht mit der von Cannabis verwechselt werden. Cannabinoide aus der Haschischpflanze überfluten das gesamte Gehirn und haben daher eine relativ unspezifische Wirkung. Häufig lösen sie sogar Ängste erst aus. PRESSE-INFO PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE MAI 2003 ECSTASY: NEUE STUDIE UNTERSUCHT LANGZEITSCHÄDEN DGPPN: Psychotische und Hirnfunktions-Störungen möglicherweise irreversibel Jährliche Sicherstellungen von Ecstasy-Tabletten und -Kapseln (1994 – 2001) in Deutschland Vor dem Hintergrund der neuen Ecstasy-Welle, die Deutschland mit immer billiger werdenden Partydrogen überschwemmt, haben die Hamburger Untersuchungen eine besondere Brisanz, betont die DGPPN. „Noch wissen wir wenig über die Langzeitfolgen, vor allem darüber, ob die Schäden reversibel sind, wenn der Ecstasy-Konsum beendet wird“, so Prof. Rainer Thomasius von der DGPPN. Dies ist Gegenstand einer auf drei Jahre angelegten interdisziplinären Großstudie unter Beteiligung von insgesamt 38 Wissenschaftlern aus mehreren Fachbereichen der Universität Hamburg. Sie untersucht nicht nur psychische Langzeitschäden, sondern auch, inwieweit das Herz-Kreislaufsystem, das Gerinnungssystem des Blutes und die Leber- und Nierenfunktionen dauerhaft durch den Konsum von Ecstasy beeinträchtigt werden. weiter auf Seite 4 1994 llllllllllll 239.051 1995 lllllllllllllllllll 380.858 1996 llllllllllllllllllllllllllllllllll 692.397 1997 llllllllllllllllllllllllllllllllll 694.281 1998 lllllllllllllllllllll 419.329 1999 llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 1.470.507 2000 llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 1.634.683 2001 lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 4.576.504 Drogen: User immer jünger DGPPN: Bisher kaum Therapiekonzepte für jugendliche Abhängige – Erfolge mit bundesweit einmaliger Familientherapie in Hamburg Immer mehr Jugendliche haben immer früher Kontakt zu Drogen. Doch die Therapie ist in Deutschland fast nur auf Erwachsene mit langer Abhängigkeit zugeschnitten. Ganz neue Wege geht die Drogenambulanz am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. In dem deutschlandweit einmaligen Modellprojekt nimmt nicht nur der junge Abhängige selbst, sondern auch seine Familie an der Therapie teil. Fast zwei Drittel kommen so von der Droge wieder los, teilt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) mit. Das Einstiegsalter für Partydrogen liegt heute oft schon bei 15 Jahren. In einer Befragung gaben 38 Prozent der 18- bis 24Jährigen zu, Erfahrungen mit Haschisch zu haben. „Körperliche und psychische Störungen als Folge von Drogenmissbrauch gehören in dieser Altersgruppe inzwischen zu den häufigsten Krankheitsbildern“, warnt Prof. Rainer Thomasius von der DGPPN und Leiter der Eppendorfer Drogenambulanz. „Doch richten sich die vorhandenen Therapieangebote fast nur an Erwachsene.“ Erhalten die Jugendlichen nicht frühzeitig Hilfe, droht eine langjährige Drogenkarriere. PROBLEM LIEGT IN DER FAMILIE Während viele Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe nur den Abhängigen betrachten und seine Familie sogar möglichst auf Distanz halten, um Beeinflussung zu vermeiden, ist für Prof. Thomasius die Familie der zentrale Ansatzpunkt für die Therapie speziell jugendlicher Drogenkonsumenten: „Hinter jedem Drogenproblem steckt ein Familienproblem, das eben nicht nur vom Jugendlichen selbst, sondern nur von der ganzen Familie bewältigt werden kann“, erläutert er. Dabei unterscheidet er zwei typische Fälle: Das überbehütete, beschützte Kind, dem es nicht gestattet wird, sich aus der Familie zu lösen, und das in der Droge eine Möglichkeit des Ausbruchs sieht. Und das Kind aus einer Familie mit sehr oberflächlichen, interesselosen Beziehungsstrukturen. Hier signalisiert der Drogenkon- 3 Quelle: DGPPN/Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS Berichtsjahr 2001) Wer regelmäßig die Techno-Droge Ecstasy nimmt, riskiert möglicherweise lebenslange psychische Störungen, warnt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Während die große Hamburger EcstasyStudie vom Jahr 2000 die unmittelbaren Folgen des Drogenkonsums untersucht hat, verfolgt die Nachfolgestudie jetzt die Frage, ob es sich bei den Wahnvorstellungen, Verhaltens- und Gedächtnisstörungen um bleibende Schäden handelt. sum die Suche nach Beachtung, Zuwendung und emotionaler Wärme. DOPPELTE ERFOLGSQUOTE In dem Modellprojekt „Eppendorfer Familientherapie“ wurden 86 Familien mit einem drogenabhängigen Jugendlichen therapeutisch behandelt. Ziel war, sowohl die Drogenabstinenz der Jugendlichen zu erreichen als auch die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander zu verbessern. Deswegen nahmen alle gemeinsam an den therapeutischen Gesprächen teil, zunächst in kurzen, später in größeren Zeitabständen. Nach jedem Termin erhielt die Familie „Hausaufgaben“, die sie bis zum nächsten Treffen einüben sollte. Im Schnitt dauerte die Therapie eineinhalb Jahre und umfasste zehn bis elf Sitzungen. Danach hatte sich bei 61 Prozent der Jugendlichen die Suchtproblematik deutlich verbessert – eine Erfolgsquote, die etwa doppelt so hoch ist wie bei Therapien für langjährige Abhängige. Nach rund zwei Jahren hatten sich auch die Familienbeziehungen weitgehend stabilisiert. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt ist bisher einmalig in Deutschland. Inzwischen suchen jährlich rund 600 Drogenabhängige die Eppendorfer Drogenambulanz auf. PRESSE-INFO PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE MAI 2003 MANISCH-DEPRESSIV: NEUES MEDIKAMENT IN SICHT? DGPPN: Ursachen im Hirnstoffwechsel nachgewiesen Etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung leiden an manisch-depressiven Erkrankungen – doch über die möglichen Ursachen ist noch wenig bekannt. Daher werden bei der Behandlung sehr unterschiedliche Wirkstoffe eingesetzt. Nun haben Wissenschaftler erstmals auf verschiedenen Wegen nachgewiesen, welcher gemeinsamer Wirkmechanismus ihnen zu Grunde liegen könnte. Dies könnte die Entwicklung spezifischerer Medikamente ermöglichen, meldet die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt – was manchen aus der Pubertät bekannt vorkommt, kann ein ernstes psychiatrisches Krankheitsbild sein. Obwohl manisch-depressive Erkrankungen oder auch bipolare Störungen zu den bekanntesten psychiatrischen Krankheitsbildern gehören, weiß man nur wenig über die Ursachen. Bei den Patienten wechseln Phasen von überschießender, unkontrollierter Aktivität und Reizbarkeit, in denen sie sich und andere gefährden können, mit Episoden tiefer Niedergeschlagenheit; viele sind suizidgefährdet. „Oft wird die Krankheit zunächst als reine Depression fehldiagnostiziert – was gravierende Folgen haben kann“, so Prof. Mathias Berger, Präsident der DGPPN. „Bestimmte Antidepressiva können bei manisch-depressiven Patienten eine manische Phase erst auslösen.“ Am besten wirken Medikamente, die die Stimmung der Patienten stabilisieren, so dass sie weder in einen manischen noch in einen depressiven Zustand geraten. Bisher war es für die Wissenschaft ein Rätsel, warum dafür ganz unterschiedliche Medikamente geeignet sind: Manche Patienten sprechen gut auf Lithiumsalze an, bei anderen helfen Valproinsäure oder Carbamazepin, so genannte Antikonvulsiva, die eigentlich gegen Epilepsie eingesetzt werden. Diese drei Medikamente sind in ihrer Zusammensetzung völlig unterschiedlich. „Es ist uns gelungen zu zeigen, dass diese drei Medikamente doch eine gemeinsame Wirkung haben, nämlich die Aufnahme von Inositol in Hirnzellen zu hemmen“, so der Leiter einer entsprechenden Studie, Prof. Dietrich van Calker. „Die Ergebnisse wurden jetzt ganz aktuell von britischen Wissenschaftlern in einem Artikel in der Zeitschrift Nature (Vol. 417, S. 292) bestätigt, die in einem Gegentest nachweisen konnten, dass die Medikamente in Nervenzellen, die zusätzlich mit Inositol behandelt wurden, keine Wirkung haben.“ Inositol ist ein Vitamin-ähnlicher Stoff, der unter anderem in Getreide, Früchten und Hefe enthalten ist. „Jetzt besteht die Chance, Medikamente zu entwickeln, die ganz spezifisch in den Inositol-Haushalt eingreifen und damit wesentlich weniger Nebenwirkungen haben als die bisherigen“, so Prof. van Calker. Fortsetzung von Seite 3 Ecstasy: Neue Studie … HÄUFIG PSYCHOTISCHE, DEPRESSIVE UND KOGNITIVE STÖRUNGEN Schon die direkten Folgen, die in der ersten Studie untersucht worden waren, sind äußerst Besorgnis erregend: Bei mehr als einem Viertel der untersuchten über 100 Ecstasy-Konsumenten war es in den zurückliegenden zwölf Monaten zu psychoti- schen Störungen gekommen, bei den Dauerkonsumenten sogar bei der Hälfte. Typisch waren neben Halluzinationen Personenverkennungen und Beziehungsideen. Häufig kam es auch zu so genannten Rest- und Nachhallzuständen und verzögerten Reaktionen, die oft erst Tage nach der Drogeneinnahme spontan auftraten. Dazu zählten auch Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen. „Wir haben Hinweise dafür, dass Ecstasy neurotoxisch, also wie ein Nervengift Impressum Die Presse-Info Psychiatrie und Psychotherapie Herausgeber: erscheint mit Unterstützung Deutsche Gesellschaft für der folgenden Firmen: Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Bristol-Myers-Squibb GmbH, Hauptstraße 5, 79194 Freiburg Lilly Deutschland GmbH, Verantwortlich für den Inhalt: Lundbeck GmbH & Co, Prof. Dr. med. Peter Falkai Pfizer GmbH Konzept und Produktion: und impressum Publikation und PR, Sanofi-Synthelabo Hamburg Alle Artikel und Grafiken stehen zum Download bereit unter: www.dgppn.de 4 wirkt“, erläutert Prof. Thomasius. „Bei 37 Prozent der Konsumenten haben wir Kurzzeitgedächtnisstörungen diagnostiziert, bei solchen, die bereits über 500 Pillen geschluckt haben, sogar bei 60 Prozent.“ VEREINSAMUNG UND PARANOIA Weitere erschreckende Ergebnisse waren verlangsamte Psychomotorik und eine verminderte Aktivität mehrerer Gehirnregionen, die zu einem Nachlassen von Fähigkeiten, die in diesen Arealen angesiedelt sind, führte. Zusätzlich kam es teilweise zu Persönlichkeitsveränderungen. Prof. Thomasius: „Die schweren Konsumenten verlieren die kritische Distanz zu Drogen und zur Drogenszene. Sie können tragfähige Freundschaften immer weniger aufrechterhalten, vereinsamen, und manche werden paranoid. Die Gesundheitsschäden durch langfristigen Ecstasy-Konsum werden nach wie vor unterschätzt.“