GESELLSCHAFT & POLITIK Forschen mit Gesundheitsdaten unter Kontrolle der Bürger Im Zuge der Digitalisierung werden persönliche Daten zur gesuchten Ressource: Ihre Aggregation und die Analyse der Datensammlungen erlauben neue Arten von Forschung. So ermöglichen Smartphones und Sensoren ganz neue Zugänge für die medizinische Forschung. Es ist zentral, dass die Aggregation personenbezogener Daten bei den Bürgern selbst erfolgt. Nur sie können diverse personenbezogene Datensets zusammenbringen, und gerade in der Kombination steigt der Wert der Datensammlung. Gleichzeitig stellt eine solche Sammlung personenbezogener Daten höchste An- Die Autoren Prof. Serge Bignens, Institute for Medical Informatics, Berner Fachhochschule, Dr. Dominik Steiger, Geschäftsstelle Midata sprüche an die Wahrung der Privatsphäre. Die Kontrolle über diese Sammlungen sollte nicht in den Händen Dritter liegen, und jeder sollte souverän entscheiden können, ob und mit wem solche Daten geteilt und wozu sie verwendet werden dürfen. nossenschaftsinterne Ethikkommission, deren Mitglieder von der Generalversammlung gewählt werden. Bürgerkontrollierte Datenplattformen helfen der ­Forschung Im Modell der Midata-Genossenschaften sind diese Prinzipien Die Datenplattform als Zentrum eines Innovations-Ökosystems realisiert: Die ETH Zürich und die Berner Fachhochschule ent- Das Modell erlaubt die Trennung der IT-Plattform (Datenspeiche- wickelten dazu eine IT-Plattform, die den Bürgern erlaubt, ihre rung, Zugangs- und Einwilligungsmanagement) von den Datenan- Gesundheitsdaten zu sammeln und frei über deren Verwendung wendungen (mobile Applikationen) und ermöglicht damit ein offe- in Forschungsprojekten zu verfügen. Sie können damit als «Ci- nes Innovations-Ökosystem. Den Nutzern werden verschiedene tizen Scientists» eine aktive Rolle in der medizinischen For- Datendienstleistungen zur Verfügung stehen, und sie können schung spielen. entscheiden, ob sie an Forschungsprojekten teilnehmen. Start- Die Plattform wird von einer gemeinnützigen Genossenschaft ups, IT-Dienstleister und Forschungsgruppen können auf der Platt- betrieben, die als Treuhänderin der Datensammlung agiert und form mobile Apps anbieten, welche die datenbasierten Dienstleis- die Souveränität der Bürger über die Verwendung ihrer Daten tungen liefern sowie Daten sammeln und analysieren. garantiert. Die Bürger tragen einerseits als Nutzer der Plattform Die IT-Plattform ist operativ und wird derzeit in mehreren daten- aktiv zur Forschung bei, indem sie Zugang zu Datensets geben, wissenschaftlichen Projekten genutzt. In einem Projekt zeichnen andererseits als Genossenschaftsmitglieder zur Kontrolle und Patienten nach einer Magenbypass-Operation ihr Befinden, Fit- Entwicklung der Genossenschaft. ness und Gewicht zuhause auf und teilen die Daten mit dem be- Die Statuten der Genossenschaft schreiben ihre Natur als handelnden Arzt am Inselspital Bern. In einem anderen Projekt Non-Profit-Organisation fest und verankern die Souveränität der am Universitätsspital Zürich prüfen Patienten, die an Multipler Nutzer über ihre Daten und deren Verwendung (auch in anonymi- Sklerose leiden, den Effekt von Behandlungen mittels einer Tab- sierter Form). Zur Kontrolle der datenethischen Qualität der let-App, die ihren kognitiven und motorischen Status testet. Wei- Dienstleistungen und angebundenen Projekte existiert eine ge- tere «Citizen Science»-Projekte sind in Vorbereitung. Mit Midata können Nutzer ihre verschiedenen ­gesundheitsbezogenen und anderen persönli­ chen Daten an einem einzigen, sicheren Ort speichern. Sie können ihre Daten mit Freun­ den oder Ärzten teilen oder bei Forschungs­ projekten mitwirken, indem sie den Zugang auf ihre Daten teilweise freigeben. So können sie zur Entwicklung neuer Behandlungs­ methoden beitragen. 22