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Erworbene Gerinnungsstörungen und perioperative Blutungsneigung
CHRISTOPH SUCKER, GERINNUNGSZENTRUM DR. SUCKER, BERLIN
Die Blutgerinnung ist ein komplexer Prozess, der bei einer Gefäßläsion eine Blutungsstillung
unter Aufrechterhaltung des Blutflusses im betroffenen Gefäß gewährleiten soll. Das komplexe Gerinnungssystem beinhaltet zahlreiche Hämostasekomponenten, die im Zusammenspiel eine effiziente Blutstillung ermöglichen und gleichzeitig den Gerinnungsprozess koordinieren, um eine unkontrollierte Ausbreitung in das Gefäßsystem mit Auftreten thrombotischer
Komplikationen zu verhindern.
Unterscheiden lassen sich beim Prozess der Blutgerinnung die primäre und sekundäre
(plasmatische) Hämostase; wichtige antithrombotische Mechanismen sind Fibrinolyse, Protein-C/Protein-S-System und Antithrombin. Auf den Prozess der primären und sekundären
Hämostase wird nachfolgend kurz eingegangen, da Grundkenntnisse über Aufbau und Funktion dieser Systeme die Grundlage zum Verständnis erworbener Gerinnungsstörungen darstellen.
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Primäre und sekundäre Hä-
von-Willebrand-Faktor und/oder Fibrino-
mostase
gen vermittelt.
Die primäre Hämostase entspricht dem
Prozess der Thrombozytenadhäsion und
Thrombozytenaggregation. Ausgelöst wird
die Thrombozytenadhäsion, wenn es im
Rahmen einer Gefäßläsion zu einer Endothelschädigung mit Exposition der subendothelialen Kollagenmatrix gegenüber
dem zirkulierenden Blut kommt. Thrombozyten binden - vermittelt über ein Adhäsivprotein, den von-Willebrand-Faktor [24]
Defekte der primären Hämostase betreffen
also hieran beteiligte Hämostasekomponenten, insbesondere den von-WillebrandFaktor und die Thrombozyten. Dementsprechend stellen das erworbene vonWillebrand-Syndrom sowie die erworbene
Thrombozytopenie
und
die
erworbene
Plättchenfunktionsstörung die relevanten
erworbenen Defekte der primären Hämostase dar.
- über einen spezifischen Rezeptor (Gly-
Der Begriff der sekundären (plasmati-
koprotein (GP) Ib-V-IX) an Kollagen. Diese
schen) Hämostase beschreibt den Pro-
initial noch lockere Bindung an sub-
zess der Fibrinbildung und der Fibrinstabi-
endotheliale Strukturen wird dann über
lisierung [12]. Der Prozess wird durch eine
direkte Interaktion von Thrombozytenre-
Exposition von „Tissue Factor“, früher als
zeptoren, etwa den Kollagenrezeptoren
Gewebsthromboplastin
GP Ia-IIa und GP VI, mit Komponenten
genüber dem zirkulierenden Blut nach
der subendothelialen Matrix stabilisiert [5,
einer Endothelläsion ausgelöst. Es kommt
10]. Durch den aktivierten Gerinnungs-
initial zu einer Aktivierung von Gerin-
prozess und die Thrombozytenadhäsion
nungsfaktor VII zu Faktor VIIa, worauf an-
kommt es zu einer Thrombozytenaktivie-
dere Gerinnungsfaktoren ebenfalls akti-
rung, was in der Folge die Bindung von
viert werden und kleinere Mengen von
Thrombozyten untereinander, die Throm-
Thrombin aus seiner Vorstufe, dem Pro-
bozytenaggregation,
diese
thrombin, gebildet werden. Durch Throm-
erfolgt über thrombozytäre Aggregations-
bin werden Thrombozyten aktiviert, die
rezeptoren (GP IIb-IIIa) und wird durch
eine prokoagulatorische Oberfläche prä-
ermöglicht;
bezeichnet,
ge-
sentieren, auf der die Gerinnungsprozesse
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beschleunigt ablaufen können. Durch Ver-
bzw. genetisch-determinierte angeborene
stärkermechanismen kommt es unter Be-
und in erworbene Gerinnungsdefekte; bei
teiligung weiterer Gerinnungsfaktoren im
erworbenen Gerinnungsdefekten können
Verlauf zur Bildung großer Thrombinmen-
wiederum verschiedene zugrundeliegende
gen (sog. „Thrombin-Burst“). Thrombin
Pathomechanismen unterschieden wer-
initiiert die Bildung von Fibrin aus Fibrino-
den.
gen [33,43]. Das entstandene Fibringerinnsel wird schließlich durch Faktor XIII,
den fibrinstabilisierenden Faktor, vernetzt
Erworbene Defekte der primären Hä-
und stabilisiert [12].
mostase
Defekte der sekundären (plasmatischen)
Zu den erworbenen Defekten der primären
Hämostase führen somit zu einer Störung
Hämostase zählen in erster Linie erwor-
der Fibrinbildung und Fibrinstabilisierung.
bene
Die erworbenen Defekte der sekundären
Thrombozytenfunktionsstörungen und er-
(plasmatischen) Hämostase sind also er-
worbene von-Willebrand-Syndrome.
worbene
Mangelzustände
von
Thrombozytopenien,
erworbene
Gerin-
nungsfaktoren, wobei im Gegensatz zu
den angeborenen plasmatischen Gerin-
Erworbene Thrombozytopenien
nungsstörungen hier – von seltenen Fällen
abgesehen – zumeist mehrere Gerin-
Thrombozytopenien sind durch eine Ver-
nungsfaktoren betroffen sind.
minderung der Thrombozytenzahlen unter
den Normbereich (ca. 150.000-400.000/µl)
charakterisiert [22]. Relevante Spontanblu-
Erworbene Gerinnungsdefekte
tungen
sind,
Funktionsfähigkeit
der
Thrombozyten vorausgesetzt, bei Plätt-
einerseits
chenzahlen unter ca. 20.000/µl zu erwar-
nach deren Lokalisation im Gerinnungs-
ten. Für die meisten operativen Eingriffe
system, andererseits nach deren Ätiologie
werden
klassifiziert werden; hierbei erfolgt zu-
50.000/µl gefordert, für Eingriffe an „kriti-
nächst eine Unterscheidung in hereditäre
schen Organen“ wie Zentralnervensystem
Gerinnungsdefekte
können
Thrombozytenzahlen
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von
≥
3
(ZNS) oder Augenhintergrund Thrombozy-
häufig
tenzahlen von ≥ 80.000/µl.
unterschiedlicher Ätiologie und Ausprä-
Während angeborene, hereditäre bzw.
genetisch-determinierte
Thrombozytope-
nien eine ausgesprochene Rarität darstellen, finden sich im klinischen Alltag sehr
gung.
erworbene
Wichtige
Thrombozytopenien
Formen
genetisch-
determinierter und erworbener Thrombozytopenien sind nachfolgend tabellarisch dargestellt (Tab. 1).
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Genetisch-determinierte
Erworbene
Thrombozytopenien
Thrombozytopenien
kongenitale amegakaryozytäre
Immunthrombozytopenie (ITP)
Thrombozytopenie (CAMT)
(primär, sekundär)
hereditäre Makrothrombozytopenien
Thrombozytopenien im Rahmen hepatischer
(MYH9-assoziierte Erkrankungen)
Erkrankungen/ Splenomegalie
Gerinnungsstörungen
Thrombozytopenien im Rahmen hämatologi-
(Bernard-Soulier-Syndrom, von-Willebrand-
scher Systemerkrankungen oder Tumorerkran-
Syndrom Typ 2B)
kungen
sonstige seltene Syndrome
medikamentös-toxische
(TAR-Syndrom, Wiskott-Aldrich-Syndrom
Thrombozytopenien
[WAS])
sonstige
thrombotische Mikroangiopathien
(TTP, HUS, TTP/HUS)
paroxysmale nächtliche
Hämoglobinurie (PNH)
Thrombozytopenien in der Schwangerschaft
(ITP, Gestationsthrombozytopenie,
Thrombozytopenie bei HELLP-Syndrom, etc.)
sonstige
Tabelle 1: Wichtige Formen angeborener und erworbener Thrombozytopenien
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Die Immunthrombozytopenie (ITP) stellt
Thrombozytenkonzentrate erforderlich, um
die häufigste Ursache der Thrombozyto-
durch die Transfusion einen Anstieg der
penie im Erwachsenenalter dar. Hierbei
Thrombozytenzahlen zu bewirken, der
kommt es zu einer Antikörperbildung ge-
dann aber eben auch nur von kurzer Dau-
gen thrombozytäre Merkmale und in der
er sein wird [7,9,21].
Folge zu einem massiv gesteigerten Abbau der Thrombozyten. Im Gegensatz
zum Kindesalter ist die Remissionsrate
einer ITP im Erwachsenenalter deutlich
geringer; demzufolge kommt es oft zu
chronischen Verläufen mit bisweilen persistierender schwerer Thrombozytopenie.
Therapeutische Optionen sind neben der
Steroidbehandlung die intravenöse Gabe
von Immunglobulinen (IVIG) zur passageren Anhebung der Plättchenzahlen durch
Blockade des Abbaus der Thrombozyten
im retikuloendothelialen System (RES)
sowie als innovative Therapieoption die
Gabe
von
Bei sekundären Formen der Immunthrombozytopenien (ITP), etwa bei ITP im Rahmen chronischer Hepatitiden, kann ggf.
eine Therapie der ursächlichen Grunderkrankung zur signifikanten Besserung oder
Rückbildung der Thrombozytopenie führen
(z.B. durch virostatische Behandlung einer
Hepatitis C). Somit ist im Falle einer ITP
durch geeignete Diagnostik zu prüfen, ob
eine
primäre
ITP
als
eigenständiges
Krankheitsbild vorliegt oder ob es sich um
eine sekundäre ITP im Rahmen einer
Grunderkrankung handelt.
Thrombopoetin-Rezeptor-
Des Weiteren treten Thrombozytopenie im
agonisten (TPO-Agonisten), insbesondere
Erwachsenenalter häufig im Zusammen-
Eltrombopag und Romiplostim. Plättchen-
hang mit Lebererkrankungen, insbesonde-
transfusionen weisen bei den betroffenen
re der Leberzirrhose, auf [1,3,25]. Ursäch-
Patienten zumeist nur einen geringen Ef-
lich sind verschiedene Mechanismen, ins-
fekt auf, da auch transfundierte Throm-
besondere das „Pooling“ der Thrombozy-
bozyten bei Anwesenheit antithrombozytä-
ten bei Splenomegalie aufgrund portaler
rer Antikörper in der Regel rasch abgebaut
Hypertension
werden. Die Gabe von Thrombozytenkon-
sowie eine gestörte Thrombozytopoese
zentraten sollte daher Notfällen vorbehal-
[30]. Häufig liegt auch eine Plättchenfunk-
ten
tionsstörung (sog. hepatische Thrombozy-
sein;
dann
sind
häufig
mehrere
(„Hyperspleniesyndrom“)
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topenie) vor. Ein kausaler Therapieansatz
mangel kommt als Ursache einer Panzy-
besteht bei einer Thrombozytopenie im
topenie, einschließlich Thrombozytopenie,
Rahmen einer Leberzirrhose in der Regel
in Betracht und sollte ggf. ausgeschlossen
nicht. Im Falle von Blutungen werden
werden.
Thrombozytentransfusionen
erforderlich,
wobei der Anstieg der Thrombozytenzahl
aufgrund des vermehrten „Poolings“ der
transfundierten Thrombozyten in der zumeist vergrößerten Milz häufig nur gering
ausfällt und von vorübergehender Dauer
ist. Üblicherweise liegt bei dieser Form der
erworbenen Thrombozytopenie zusätzlich
auch eine Lebersynthesestörung vor, aus
der wiederum eine plasmatische Gerinnungsstörung resultiert, die das Blutungsrisiko weiter erhöhen kann. Somit wird zur
Prophylaxe und Therapie der Blutungen
Ausgeprägte
medikamentös-induzierte
Thrombozytopenien sind vergleichsweise
selten [9,15]. Hieran ist jedoch differenzialdiagnostisch im Falle einer erworbenen
Thrombozytopenie zu denken und eine
ausführliche Medikamentenanamnese zu
erheben. Ggf. sind Medikamente, die in
Zusammenhang mit der Thrombozytopenie stehen könnten, ab- oder umzusetzen;
bei einem kausalen Zusammenhang sollte
es dann zu einem Anstieg der Plättchenzahlen kommen.
häufig auch eine Gabe von gerinnungsak-
Bei den thrombotischen Mikroangiopa-
tivem Plasma, ggf. in Kombination mit Pro-
thien,
thrombinkomplexpräparaten (PPSB), er-
thrombozytopenischen Purpura (TTP) und
forderlich.
dem
Im Rahmen hämatologischer Systemerkrankungen und solider Tumoren mit Beteiligung des Knochenmarks bzw. Infiltration/Metastasierung sowie der Tumortherapie (Chemotherapie, Radiatio) kann es zu
einer Thrombozytopenie kommen, häufig
kombiniert mit anderen Zytopenien, also
mit Anämie und Leukopenie [19,20,23].
insbesondere
der
thrombotisch-
hämolytisch-urämischen
Syndrom
(HUS) kann sich eine Thrombozytopenie
entwickeln, die ggf. in Kombination mit
einer
mikroangiopathisch-hämolytischen
Anämie auftritt [2,14]. Es handelt sich um
schwere thrombotische Erkrankungen, die
mit einer Organdysfunktion – insbesondere Nierenversagen und zentralnervösen
Ausfällen – gekennzeichnet sind und un-
Auch ein Vitamin-B12- und/oder Folsäure
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behandelt mit einer hohen Sterblichkeit
zung von der ITP ist aufgrund des hier
einhergehen [37].
gegebenen Blutungsrisikos der Schwan-
Ein seltenes Krankheitsbild, welches mit
einer Thrombozytopenie assoziiert sein
kann, ist die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH). Diese ist unbehandelt
mit hoher Letalität verbunden und durch
eine Dysinhibition des Komplementsystems charakterisiert.
geren und der Neugeborenen, welche hier
im Gegensatz zur Gestationsthrombozytopenie bei Entbindung häufig eine Thrombozytopenie aufweisen, von besonderer
Bedeutung. Die ITP in der Schwangerschaft wird in der Regel mit Steroiden
und/oder intravenösen Immunglobulinen
(IVIG) therapiert, um Blutungen vorzubeu-
Schließlich treten erworbene Thrombozy-
gen oder zu behandeln.
topenien häufig in der Schwangerschaft
auf [46]. Die Ursachen sind ausgesprochen vielfältig, wobei neben der Im-
Erworbene Thrombozytenfunktionsstörun-
munthrombozytopenie (ITP) insbesondere
gen (Thrombozytopathien)
die Gestationsthrombozytopenie von Bedeutung ist, die die häufigste Ursache der
Thrombozytopenie
in
der
Schwanger-
schaft darstellt. Es handelt sich um eine
milde Thrombozytopenie mit Plättchenzahlen über 100.000/µl, die ganz überwiegend
erst im 3. Trimenon der Schwangerschaft
auftritt und nicht mit einer relevanten Blutungsneigung assoziiert ist. Eine Abgren-
Wie bei den Thrombozytopenien der Fall,
sind auch Thrombozytenfunktionsstörungen (Thrombozytopathien) ganz überwiegend erworben, während hereditäre Entitäten ausgesprochen selten sind [6]. Wichtige Formen angeborener und erworbener
Plättchenfunktionsstörungen sind nachfolgend tabellarisch aufgeführt (Tab. 2.).
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Genetisch-determinierte Thrombozytenfunk-
Erworbene Thrombozytenfunktions-
tionsstörungen (Thrombozytopathien)
störungen (Thrombozytopathien)
angeborene Rezeptordefekte
medikamentös-induzierte Plättchenfunktionsstö-
(z.B. Thrombasthenie Glanzmann, Bernard-
rungen
Soulier-Syndrom)
angeborene Granuladefekte
Thrombozytenfunktionsstörung bei fortgeschrit-
(„Storage-Pool-Defekte [SPD]“)
tener Niereninsuffizienz (urämische Thrombozy-
(α- und δ-SPD, kombinierte Defekte)
topathie)
sonstige Defekte
Thrombozytenfunktionsstörung bei schwerer
Leberkrankung/ Leberzirrhose
(urämische Thrombozytopathie)
sonstige Ursachen
Tabelle 2: Wichtige Formen angeborener und erworbener Thrombozytenfunktionsstörungen
(Thrombozytopathien)
Die medikamentös-induzierte Thrombozy-
Neben Acetylsalicylsäure (ASS) werden
tenfunktionsstörung stellt die häufigste
heutzutage insbesondere die Thienopyri-
erworbene Gerinnungsstörung dar, die mit
dine Clopidogrel und Prasugrel sowie Ti-
einer
sein
cagrelor eingesetzt. Unerwünscht kommt
kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
es unter zahlreichen anderen Medikamen-
zahlreiche Medikamente die Plättchen-
ten als Nebeneffekt zu einer Hemmung
funktion hemmen und hierdurch zu einer
der Plättchenfunktion, was dann zu einer
Blutungsneigung führen können [35]. Er-
Blutungsneigung bzw. einem erhöhten
wünscht ist die Hemmung der Plättchen-
Blutungsrisiko führen kann. Klinisch be-
funktion zur antithrombotischen Therapie.
deutsam ist insbesondere die Plättchen9
Blutungsneigung
assoziiert
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hemmung durch nichtsteroidale Antirheu-
Bestandteil der differenzialdiagnostischen
matika (NSAID) und selektive Serotonin-
Einordnung einer erworbenen Thrombozy-
Wiederaufnahmehemmer
tenfunktionsstörung.
(SSRI).
Auch
Naturprodukte wie Gingko-Präparate können zu einer relevanten Hemmung der
Plättchenfunktion und konsekutiv zu einer
vermehrten Blutungsneigung führen. Somit ist die Medikamentenanamnese unbedingt erforderlich, um eine Thrombozytenfunktionsstörung ätiologisch weiter einzugrenzen. Das Absetzen der entsprechenden Medikation führt zur raschen Rückbildung der Plättchenfunktionsstörung; bei
irreversibler Hemmung der Plättchenfunktion durch Pharmaka bildet sich der Effekt
mit der Neubildung von Thrombozyten
nach etwa sieben bis zehn Tagen zurück.
Falls immer möglich, sollte eine kausale
Therapie der erworbenen Plättchenfunktionsstörung versucht werden. Hierzu zählt
ggf. das Absetzen von Medikamenten, die
als hierfür ursächlich angesehen werden,
insofern diese Medikamente verzichtbar
sind oder durch andere Präparate ausgetauscht werden können. Werden Plättchenfunktionshemmer abgesetzt oder umgestellt, ist stets das resultierende thrombotische Risiko bei Absetzen bzw. Umsetzen des Plättchenfunktionshemmers zu
berücksichtigen, um thrombotische Komplikationen beim Patienten zu vermeiden.
Weitere erworbene Formen der Plättchen-
Zudem kann sich eine Therapie der zu-
funktionsstörung finden sich insbesondere
grundeliegenden Erkrankung, etwa eine
bei terminaler Niereninsuffizienz (urämi-
intensivierte
sche Thrombozytopathie) und fortgeschrit-
Thrombozytopathie, günstig auf die erwor-
tenen Lebererkrankungen, insbesondere
bene Gerinnungsstörung und die resultie-
Leberzirrhose (hepatische Thrombozyto-
rende Blutungsneigung auswirken.
pathie). Auch bei hämatologischen Systemerkrankungen können sich funktionsbe-
Dialyse
bei
urämischer
Erworbenes von-Willebrand-Syndrom
einträchtigte Thrombozyten und somit eine
Das erworbene von-Willebrand-Syndrom
erworbene Plättchenfunktionsstörung ent-
ist ein heterogenes Krankheitsbild, wel-
wickeln [1,3,19,25]. Die Abklärung hin-
ches nahezu ausschließlich im Zusam-
sichtlich des Vorliegens der genannten
menhang mit prädisponierenden Grunder-
Erkrankungen
krankungen beobachtet wird. Es wird da-
ist
somit
unabdingbarer
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von ausgegangen, dass es sich bei ca.
Einen Überblick über mögliche Ursachen
10%
des erworbenen von-Willebrand-Syndroms
der
Fälle
eines
von-Willebrand-
Syndroms um erworbene Formen dieses
Krankheitsbildes
handelt
zeigt Tabelle 3.
[26,32,39,42].
angeborenes von-Willebrand-Syndrom
erworbenes von-Willebrand-Syndrom
genetisch-determiniertes von-Willebrand-
erworbenes von-Willebrand-Syndrom bei häma-
Syndrom (Typ 2A, 2B, 2M, 2N)
tologischen Systemerkrankungen (insbesondere
bei myelo- [MPS] und lymphoproliferativen [LPS]
Erkrankungen)
erworbenes von-Willebrand-Syndrom bei kardialen Vitien (Scherkraft-induziert)
erworbenes von-Willebrand-Syndrom bei Autoimmunerkrankungen (z.B. bei systemischem
Lupus erythematodes [SLE])
erworbenes von-Willebrand-Syndrom bei endokrinen Erkrankungen
medikamentös-induziertes erworbenes vonWillebrand-Syndrom
andere Ursachen
Tabelle 3: Wichtige Formen des angeborenen und erworbenen von-Willebrand-Syndroms
Klinisch am bedeutsamsten ist das
(LPS). Patienten mit einer relevanten
erworbene von-Willebrand-Syndrom im
Thrombozytose, insbesondere bei es-
Rahmen myeloproliferativer (MPS) und
senzieller Thrombozythämie (ET) oder
lymphoproliferativer
Polyzythämia vera (PV), weisen in der
Erkrankungen
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Regel die Laborkonstellation eines er-
erworbenen
worbenen
von-Willebrand-Syndroms
kommen. Die Therapie der Grunderkran-
auf, welches durch einen funktionellen
kung kann dann durch Reduktion des Pa-
Defekt
raproteins auch zu einer Besserung bzw.
des
von-Willebrand-Faktors
gekennzeichnet ist. Dieser resultiert
bei
einer
Thrombozytose/
Throm-
von-Willebrand-Syndrom
Rückbildung der erworbenen Gerinnungsstörung führen.
bozythämie aus der vermehrten Spal-
Auch bei kardialen Vitien mit hohen
tung des von-Willebrand-Faktors durch
Scherkräften kann durch vermehrte Prote-
thrombozytäre Proteasen. Im Rahmen
olyse des von-Willebrand-Faktors die La-
myeloproliferativer
borkonstellation eines erworbenen von-
Erkrankungen
(MPS), die insbesondere durch thrombotische
Ereignisse
gekennzeichnet
sind, können Patienten durch das erworbene von-Willebrand-Syndrom pa-
Willebrand-Syndroms
entstehen.
Die
meisten Beschreibungen beziehen sich
auf
die
wurde
Aortenklappenstenose,
das
erworbene
jedoch
von-Willebrand-
Syndrom auch bei anderen Vitien mit ho-
radoxerweise insbesondere bei sehr
hen Scherkräften beschrieben [41]. Inte-
hohen Plättchenzahlen eine gesteiger-
ressant ist, dass zwar bei nahezu allen
te Blutungsneigung aufweisen. Eine
Patienten mit schwerwiegender Aorten-
zytoreduktive Therapie kann den Pa-
klappenstenose Scherkraft-bedingte Ver-
thomechanismus
und
änderungen des von-Willebrand-Faktors
zur Rückbildung des erworbenen von-
nachweisbar sind, andererseits aber nur
Willebrand-Syndroms führen. Bei lym-
sehr wenige dieser Patienten eine ver-
phoproliferativen
durchbrechen
Erkrankungen,
zu-
meist der monoklonalen Gammopathie
unklarer Signifikanz (MGUS) und dem
multiplen Myelom (MM), kann es durch
mehrte Blutungsneigung, etwa auch im
Rahmen
eines
Aortenklappenersatzes,
aufweisen. Gleichwohl bilden sich die Veränderungen des von-Willebrand-Faktors
bei postoperativ normalisierter Klappen-
Interferenz der massiv gebildeten Immun-
funktion zurück. Es ist heute umstritten, ob
globuline zu einer gestörten Funktion des
es sich bei den Scherkraft-induzierten
von-Willebrand-Faktors bzw. zu einem
Veränderungen
des
von-Willebrand12
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Syndroms nur um ein Laborphänomen
Epilepsiebehandlung,
oder aber um eine klinisch relevante Ge-
ben.
wurden
beschrie-
rinnungsstörung handelt. Gegen eine hohe
klinische Relevanz spricht, dass die meisten Patienten mit Aortenklappenstenose
Erworbene Defekte der plasmatischen
und entsprechenden Veränderungen nicht
Hämostase (erworbene Koagulopa-
per se eine vermehrte Blutungsneigung
thien)
aufweisen, so dass auch ein perioperativer
Ausgleich des erworbenen Gerinnungsdefekts in der Regel nicht erforderlich ist [38].
Im Gegensatz zu angeborenen Mangelzuständen von Gerinnungsfaktoren, die in
der Regel nur einen Gerinnungsfaktor be-
Weitere Formen des erworbenen von-
treffen, sind erworbene plasmatische Ge-
Willebrand-Syndroms sind vergleichswei-
rinnungsdefekte üblicherweise durch einen
se selten. Beschrieben wurde es im Rah-
kombinierten
men von autoimmunen und endokrinen
zeichnet. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei
Erkrankungen, wobei hier zwar häufig ent-
Amyloidose oder bei Vorliegen eines spe-
sprechende schwach ausgeprägte Labor-
zifischen Inhibitors, kommt es zu erworbe-
veränderungen nachweisbar sind, die Pa-
nen plasmatischen Gerinnungsstörungen,
tienten aber kein relevant erhöhtes Blu-
bei denen nur ein Gerinnungsfaktor betrof-
tungsrisiko aufzuweisen scheinen. Auch
fen ist. Einen Überblick über erworbene
medikamentös-induzierte
plasmatische Gerinnungsstörungen zeigt
erworbenen
Formen
des
von-Willebrand-Syndroms,
Faktorenmangel
gekenn-
Tabelle 4.
etwa unter Einnahme von Valproat zur
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angeborene plasmatische Gerinnungsstö-
erworbene plasmatische Gerinnungsstörun-
rungen (Koagulopathien)
gen (Koagulopathien)
Hämophilie
Verlust-, Verdünnungs- und Verbrauchskoa-
(Hämophilie A, Hämophilie B)
Faktor VII-Mangel
gulopathie (DIC)
Leberzirrhose
(komplexer Faktorenmangel)
Hypo-/ Dysfibrinogenämie
Amyloidose
(singulärer oder kombinierter Faktorenmangel)
seltene isolierte Faktorenmängel
(Faktor II-, V-, X-, XI-, XIII-Mangel)
Vitamin K-Mangel oder Therapie mit Vitamin KAntagonisten (VKA)
(Mangel der Faktoren der Vitamin K-abhängig
gebildeten Faktoren des Prothrombinkomplexes
[PPSB])
sehr selten kombinierte Defekte
Inhibitoren gegen Gerinnungsfaktoren
(z.B. kombinierter Faktor V-/VIII-Mangel, Mangel
(z.B. erworbene Hemmkörper-Hämophilie)
an Faktoren des Prothrombinkomplexes)
Tabelle 4: Wichtige Formen angeborener und erworbener plasmatischer Gerinnungsstörungen (Koagulopathien)
Die Verlustkoagulopathie resultiert aus
hierbei zu einer Beeinträchtigung der
einem Mangel von Gerinnungskompo-
sekundären (plasmatischen) Hämosta-
nenten nach schweren Blutungen, zu-
se, so dass die Fibrinbildung reduziert
meist im Rahmen operativer Eingriffe
wird. Gleichzeitig liegt in der Regel
und Traumata [13,27]. Durch den Ver-
auch eine Thrombozytopenie vor, was
lust von Gerinnungsfaktoren kommt es
den Gerinnungsprozess weiter beein-
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trächtigt. Durch den erworbenen Ge-
grunde, wodurch es nach einer initialen
rinnungsdefekt wird somit die Blu-
hyperkoagulatorischen
tungsneigung bei schwerem Blutverlust
durch die Bildung von Mikrothromben
weiter aggraviert, zudem kann die in
und ggf. Organdysfunktion geprägt ist,
der Regel bestehende Anämie durch
zu einem Verbrauch von Gerinnungs-
rheologische Effekte die Blutungsnei-
komponenten und letztendlich zu einer
gung weiter verstärken. Therapeutisch
vermehrten Blutungsneigung kommt.
ist neben der Stillung der zugrundelie-
Zahlreiche Faktoren, etwa operative
genden Blutungen eine Substitutions-
Eingriffe, schwere Infektionen (Sepsis),
therapie – insbesondere mit Frisch-
Intoxikationen und Schwangerschafts-
plasmen, Fibrinogenkonzentraten und
komplikationen,
ggf. Thrombozytenkonzentraten - an-
brauchskoagulopathie auslösen [28].
gezeigt, um den Gerinnungsdefekt
Entscheidend ist therapeutisch die Ur-
auszugleichen [36]. Wird keine Substi-
sache zu beseitigen; ansonsten wer-
tution
den supportive Therapiemaßnahmen
bei
von
Gerinnungskomponenten
manifester
Verlustkoagulopathie
Phase,
können
die
eine
Ver-
durchgeführt [8]. Eine Substitution von
durchgeführt, so kann die Gabe von
Gerinnungskomponenten
kristalloiden und/oder kolloidalen Infu-
nur
sionslösungen zu einer Verdünnung
Abwägung bei manifester oder dro-
der Gerinnungskomponenten führen
hender Blutungsneigung erfolgen, da
und damit die Blutungsneigung weiter
hierdurch der pathogenetische Prozess
forciert werden (Verdünnungskoagulo-
der Verbrauchskoagulopathie verstärkt
pathie).
werden kann.
Der Verbrauchskoagulopathie („disse-
Häufig im klinischen Alltag ist ferner
minated
die
intravascular
coagulation“
unter
strenger
komplexe
sollte
hier
Nutzen-Risiko-
plasmatische
Gerin-
[DIC]) liegt eine unphysiologische Akti-
nungsstörung im Rahmen schwerer
vierung des Gerinnungssystems zu-
Lebererkrankungen, insbesondere der
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Leberzirrhose [1,3,25]. Diese hepati-
IX und X) und Gerinnungsinhibitoren
sche Koagulopathie ist durch eine
(Protein C, Protein S) gekennzeichnet
Verminderung zahlreicher in der Leber
ist. Ursachen können eine verminderte
gebildeter
Gerinnungskomponenten
Vitamin-K-Zufuhr oder eine gestörte
gekennzeichnet. Häufig liegt zudem
Resorption von Vitamin K sein [4,11].
eine Thrombozytopenie vor, die insbe-
Identische Veränderungen der Gerin-
sondere
der
nung finden sich außer bei seltenen
Thrombozyten in der hier meist ver-
genetischen Defekten auch unter An-
größerten Milz (Hypersplenismus) und
tikoagulation
eine gestörte Thrombozytopoese be-
agonisten (VKA). VKA hemmen die
dingt ist. Zur Prophylaxe und Therapie
Vitamin-K-Epoxidreduktase
von Blutungen wird in diesen Fällen
sie vermindern somit die Bildung der
eine Substitution von Frischplasmen,
genannten aktivierbaren Gerinnungs-
ggf. in Kombination mit Prothrombin-
faktoren aus Vorstufen und hemmen
komplexpräparaten
sowie
konsekutiv die Fibrinbildung. Hierauf
erforder-
beruht der antikoagulatorische Effekt
durch
das
„Pooling“
(PPSB),
Thrombozytenkonzentraten
lich [34,45].
mit
Vitamin-K-Ant(VKOR);
der VKA. Zur Therapie des Gerin-
Hingegen ist die erworbene Gerinnungsstörung bei systemischer Amyloidose, die durch eine verminderte
Aktivität eines einzelnen oder mehrerer
Gerinnungsfaktoren
gekennzeichnet
sein kann, selten [40].
nungsdefekts
bei
Vitamin-K-Mangel
oder zur Aufhebung des Effekts von
VKA kann eine Substitution von Vitamin K erfolgen. Die erworbene Gerinnungsstörung kann schnell durch eine
Substitution mit Prothrombinkomplexpräparaten (PPSB), welche die Vitamin
Nur bei wenigen Patienten findet man
K-abhängig
einen Vitamin-K-Mangel, der durch
komponenten enthalten, aufgehoben
verminderte
werden.
Aktivitäten
Vitamin-K-
gebildeten
Gerinnungs-
abhängiger Gerinnungsfaktoren (II, VII,
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16
Selten sind erworbene Gerinnungsstö-
erfolgversprechend ist, da die ursächli-
rungen, die durch Antikörper (Inhibito-
chen Inhibitoren in hohem Überschuss
ren) gegen einzelne Gerinnungsfakto-
vorliegen und somit auch zugeführter
ren hervorgerufen werden. Am bedeut-
Faktor VIII inhibiert wird. Zur Therapie
samsten ist hierbei die erworbene
bei erworbener Hemmkörperhämophi-
Hemmkörperhämophilie, die durch Au-
lie dienen somit Strategien, die eine
toantikörper gegen den patienteneige-
adäquate plasmatische Gerinnung un-
nen
bedingt
ter Umgehung von Gerinnungsfaktor
ist;.50 % der Fälle sind idiopathisch,
VIII ermöglichen; insbesondere werden
die andere Hälfte mit einer Grunder-
hierbei rekombinanter aktivierter Faktor
krankung – etwa einer Autoimmun-
VII (rFVIIa) und aktivierter Prothrombi-
oder Tumorerkrankung – assoziiert.
nkomplex („factor VIII bypassing activi-
Betroffene
ty“ [FEIBA]) eingesetzt [18].
Gerinnungsfaktor
schwere
Patienten
spontane
VIII
weisen
eine
Blutungsneigung
auf. Tödliche Blutungskomplikationen
sind möglich, was zu einer beträchtlichen Letalität führt. Therapeutische
Strategien zielen neben der Behandlung der auslösenden Grunderkrankung auf die Elimination des zugrundeliegenden Inhibitors (Eliminationstherapie) sowie auf die Prophylaxe und
Therapie manifester Blutungen (Blutstillungstherapie). Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine Substitution
von Faktor-VIII-Konzentraten bei der
erworbenen
Hemmkörperhämophilie
zur Blutstillung ungeeignet und nicht
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17
Nachweis erworbener Gerin-
Fällen werden ergänzend Thrombinzeit
nungsstörungen
(TZ) und Fibrinogen bestimmt. Zusätzlich
Nachfolgend wird auf die präoperative
die Thrombozytenzahl aus dem Blutbild
Diagnostik zum Nachweis eines Gerin-
ersichtlich [29].
nungsdefekts eingegangen. Die intraoperative Gerinnungsdiagnostik zum Nachweis erworbener Gerinnungsstörungen ist
nicht Gegenstand dieser Darstellung.
ist zur Beurteilung der Gerinnungssituation
Ein unauffälliger Befund der genannten
Untersuchungen führt häufig fälschlich zu
der Annahme, dass keine relevante angeborene und erworbene Gerinnungsstörung, die zu einer Blutungsneigung führen
Stellenwert der präoperativen RoutineGerinnungsdiagnostik
kann, bei dem betroffenen Patienten vorliegt. Dabei ist die Aussagekraft der
präoperativen
Gerinnungsdiagnostik
im
Vor operativen Eingriffen wird häufig eine
Hinblick auf das Vorliegen eines Gerin-
präoperative Gerinnungsdiagnostik durch-
nungsdefekts und die perioperative Blu-
geführt, durch die eventuelle Gerinnungs-
tungsgefährdung nur gering, da hierdurch
defekte erkannt und blutungsgefährdete
häufige und klinisch relevante Gerin-
Patienten identifiziert werden sollen. Diese
nungsdefekte nicht oder nicht ausreichend
Diagnostik beinhaltet in den meisten Ein-
erfasst
richtungen die Prothrombinzeit nach Quick
Schwächen der präoperativen Routinege-
(„Quickwert“) sowie die aktivierte partielle
rinnungsdiagnostik sind nachfolgende ta-
Thromboplastinzeit (aPTT), in manchen
bellarisch dargestellt (Tab. 5).
werden
[16,17].
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Stärken
und
18
Laborverfahren
Stärken
Schwächen
Thrombozytenzahl
Nachweis
Kein Nachweis einer Thrombozyten-
(aus Blutbild)
einer Thrombozytopenie
funktionsstörung
Prothrombinzeit nach Quick
Erfassung
schweren
Kein sicherer Nachweis von (milden)
(„Quickwert)
plasmatischen Gerinnungs-
plasmatischen Gerinnungsstörungen,
störungen
unzureichende Sensitivität bzgl. ei-
aktivierte partielle Thrombo-
von
nes von-Willebrand-Syndroms, kein
plastinzeit (aPTT)
Nachweis eines Faktor-XIII-Mangels
Tabelle 5: Stärken und Schwächen der präoperativen Routinegerinnungsdiagnostik
Es zeigt sich, dass gerade die häufigsten
chungen
Gerinnungsstörungen, nämlich das von-
werden. Da weder Prothrombinzeit nach
Willebrand-Syndrom als häufigste gene-
Quick noch aPTT durch Vorliegen eines
tisch-determinierte Gerinnungsstörung und
Faktor-XIII-Mangels beeinflusst werden,
die
als
lassen die genannten Gerinnungstests
häufigste erworbene Gerinnungsstörung,
keinen Rückschluss auf das Vorliegen
durch die präoperative Gerinnungsdiag-
eines Faktor-XIII-Mangels vor. Somit hat
nostik nicht ausreichend erfasst werden.
die übliche präoperative Gerinnungsdiag-
Auch plasmatische Gerinnungsstörungen
nostik keine ausreichende Sensitivität zur
werden durch die Gruppentests der plas-
Erfassung eines klinisch relevanten Gerin-
matischen Gerinnung (Prothrombinzeit n.
nungsdefekts, der mit einem erhöhten
Quick, aPTT) nur unsicher detektiert. Je
Blutungsrisiko des Patienten assoziiert ist.
Thrombozytenfunktionsstörung
nach Sensitivität der verwendeten Assays
können insbesondere milde plasmatische
Gerinnungsstörungen auch bei unauffälligen Befunden und in manchen Fällen abhängig von anderen Faktoren auch schwere Defekte mit relevanter Blutungsgefährdung des Patienten durch diese Untersu-
nicht
sicher
ausgeschlossen
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass
auch eine abnorme präoperative Gerinnungsdiagnostik keine ausreichende Prädiktion perioperativer Blutungsereignisse
zulässt. In verschiedenen Studien zeigte
sich übereinstimmend, dass nur etwa 1020
%
der
Patienten
mit
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abnormaler
19
präoperativer Gerinnungsdiagnostik dann
Eigen- und Familienanamnese des Patien-
auch eine gesteigerte perioperative Blu-
ten erheblich beitragen und auf einen vor-
tungsneigung aufweisen.
liegenden angeborenen oder erworbenen
Es bleibt festzuhalten, dass die präoperative
Routinegerinnungsdiagnostik
nicht
geeignet ist, einen Gerinnungsdefekt mit
ausreichender Sensitivität zu erkennen
und das perioperative Blutungsrisiko des
Patienten vorherzusagen. Ohne die Kombination
der
Befunde
mit
klinisch-
anamnestischen Angaben zum Patienten
hat diese Diagnostik häufig nur einen „Ali-
Gerinnungsdefekt hinweisen [31,44]. Um
eine standardisierte Erhebung der Blutungsanamnese zu ermöglichen, sind heute entsprechende Anamnesebögen kommerziell verfügbar. Eine Übersicht über
wichtige
Aspekte
der
präoperativen
Anamnese in Hinblick auf eine erhöhtes
Blutungsrisiko bzw. das Vorliegen eines
Gerinnungsdefekts zeigt Tabelle 6.
bi-Charakter“ und ist in vielen Fällen ent-
Nach Studienlage hat eine negative stan-
behrlich.
dardisierte präoperative Blutungsanamnese einen hohen negativen prädiktiven Wert
hinsichtlich des perioperativen Blutungsri-
Stellenwert der präoperativen Gerin-
sikos des Patienten und schließt einen
nungsanamnese
klinisch relevanten Gerinnungsdefekt mit
Aufgrund der genannten Schwächen der
präoperativen
Routine-Gerinnungsdiag-
nostik kommt der präoperativen Anamnese eine entscheidende Bedeutung zu, um
Patienten mit erhöhtem perioperativen
hoher Sicherheit aus. Bei positiver bzw.
auffälliger Blutungsanamnese liegt hingegen bei etwa 50-70 % der Patienten ein
Gerinnungsdefekt vor oder es besteht ein
erhöhtes Blutungsrisiko.
Blutungsrisiko zu identifizieren [16,17].
Hierbei können standardisierte Fragen zu
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20
Bereich
Aspekt
Fragen
Eigenanamnese
Gerinnungsstörung
Bekannte Gerinnungsstörung ?
Blutungssymptome
Auffällige Blutungssymptome in
der Eigenanamnese?
(insbesondere: auffällige Blutungen bei früheren operativen Eingriffen und Interventionen, Blutungen bei Traumata sowie spontane
Blutungssymptome (Epistaxis,
Hämatomneigung, Gelenkblutungen, Hypermenorrhoe [bei
Frauen])
Begleiterkrankungen
Begleiterkrankungen mit erhöhtem
Blutungsrisiko ?
(insbesondere: Leberzirrhose,
fortgeschrittene Niereninsuffizienz
[Urämie], hämatologische Erkrankungen, Amyloidose, u.v.m.)
Medikation
Medikation mit erhöhtem Blutungsrisiko ?
(insbesondere: Plättchenfunktionshemmer [z.B. ASS, Thienopyridine], Analgetika [z.B.
NSAID], selektive SerotoninReuptake-Hemmer [SSRI], Naturprodukte [z.B. Gingko])
Familienanamnese
Gerinnungsstörung
Bekannte Gerinnungsstörung
Blutungssymptome
Auffällige Blutungssymptome bei
nahen blutsverwandten Angehörigen ?
Tabelle 6: Wichtige Aspekte der präoperativen Blutungsanamnese
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21
Unterscheidung von angeborenen und
scher“ Medikamente (z.B. Plättchenfunkti-
erworbenen Gerinnungsdefekten
onshemmer, Analgetika [z.B. ASS-haltige
Die Unterscheidung von angeborenen und
erworbenen Gerinnungsdefekten ist von
erheblicher Bedeutung, da sich das Vor-
Präparate, nicht-steroidale Antirheumatika
(NSAID)], selektive Serotonin-ReuptakeHemmer [SSRI], u.a.) sein.
gehen bezüglich der Prophylaxe und The-
Labordiagnostisch belegt wird ein erwor-
rapie von Blutungsereignissen in Abhän-
bener
gigkeit von Ätiologie und Pathogenese des
dadurch, dass dieser bei Voruntersuchun-
Gerinnungsdefekts erheblich unterschei-
gen noch nicht detektiert werden konnte;
den kann. Auf diese differenzialherapeuti-
daher sind, wann immer möglich, Vorbe-
schen Aspekte wird im Weiteren noch ein-
funde heranzuziehen, um einen nachge-
gegangen. Grundsätzlich können anam-
wiesenen Gerinnungsdefekt entsprechend
nestische und labordiagnostische Befunde
bewerten zu können. Des Weiteren wei-
herangezogen werden, um angeborene
sen komplexe Gerinnungsstörungen, bei
und erworbene Gerinnungsdefekte vonei-
denen mehrere Gerinnungskomponenten
nander zu unterscheiden.
betroffen sind, stark auf eine erworbene
Anamnestisch hinweisend auf einen erworbenen Gerinnungsdefekt können neu
auftretende Blutungszeichen bei zuvor
bzgl. der Blutungsneigung unauffälligen
Patienten, Begleiterkrankungen, in deren
Folge es häufig zu erworbenen Gerinnungsdefekten
mit
Blutungsneigung
kommt (z.B. Leberzirrhose, terminale Niereninsuffizienz bzw. Urämie, Amyloidose,
u.v.m.),
unauffällige
Familienanamnese
bzgl. Gerinnungsdefekten und Blutungsneigung sowie die Assoziation der Blutungsneigung mit der Einnahme „kriti
Gerinnungsdefekt
insbesondere
Genese hin, während bei angeborenen
Defekten – von seltenen Ausnahmen abgesehen – lediglich einzelne Gerinnungskomponenten betroffen sind. Schließlich
können
weiterführende
Spezialuntersu-
chungen, etwa der Nachweis von Autoantikörpern (Inhibitoren) gegen Gerinnungsfaktoren, auf einen erworbenen Gerinnungsdefekt hinweisen. Die Diagnose eines
angeborenen
determinierten
bzw.
genetisch-
Gerinnungsdefekts
kann
dagegen gestellt werden, wenn die molekulargenetische Untersuchung im Gen des
entsprechenden Faktors einen Fehler er22
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geben hat. Hierauf wird im Weiteren nicht
eingegangen und auf entsprechende weiterführende Literatur verwiesen.
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Wir danken dem Autor!
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. med. habil. Christoph Sucker
Gerinnungszentrum Berlin Dr. Sucker
Tauentzienstrasse 7 b/c
10789 Berlin
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