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Harald Wirtz
Die Übernahme
börsennotierter Aktiengesellschaften
Eine ökonomische Analyse
des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes
Freie Online-Version
Dieses Buch ist im Original im Jahr 2004 im Verlagshaus
Monsenstein & Vannerdat in Münster erschienen.
ISBN-10: 3937312390
ISBN-13: 978-3937312392
Die freie Online-Version darf für wissenschaftliche Zwecke
ausgedruckt und vervielfältigt werden. Jegliche gewerbliche
Nutzung oder Weiterverbreitung ist untersagt.
Die vorliegende Arbeit ist unter dem Originaltitel „Öffentliche Angebote bei der Übernahme
börsennotierter Aktiengesellschaften – Eine modellgestützte einzelwirtschaftliche Analyse
der Regulierung durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz“ im Dezember 2003
vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der FernUniversität in Hagen als Dissertation angenommen worden.
3
Geleitwort
Die von Harald Wirtz vorgelegte Arbeit, die an der FernUniversität als Dissertation angenommen wurde, ist dem zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen „Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz“ gewidmet, durch das öffentliche Übernahmeaktivitäten in Deutschland erstmalig speziellen gesetzlichen Vorgaben unterworfen werden. Das Hauptinteresse des Verfassers gilt dabei der Situation der von
Übernahmeaktivitäten betroffenen Minderheitsaktionäre.
Die im Vorfeld der Gesetzgebung zu diesem Thema veröffentlichten Beiträge
stammen ganz überwiegend von juristischen Autoren, die ökonomische Aspekte
nur eher beiläufig auf der Basis von ad-hoc-Plausibilitäten in ihre Argumentation
einfließen lassen. Mit der vorliegenden Arbeit schließt der Verfasser dieses Defizit, in dem er die wirtschaftlichen Betroffenheiten der Beteiligten innerhalb eines
geschlossenen theoretischen Rahmens analysiert. Dazu entwickelt er in gut nachvollziehbarer Weise ein Modell und gewinnt aus der Untersuchung dessen formaler Strukturen aufschlußreiche Erkenntnisse über die zugrundeliegenden realen
Sachverhalte. Es zeigt sich, daß die gesetzlichen Vorschriften den angestrebten
Schutzzweck nur sehr unvollständig erreichen, ihm unter Umständen sogar entgegenstehen können. Insbesondere kann es dazu kommen, daß für alle Beteiligten
vorteilhafte Übernahmen als Folge der gesetzlichen Restriktionen unterbleiben
oder daß die Altaktionäre bei dennoch erfolgenden Übernahmen durch diese
rechtlichen Vorgaben auch in solchen Fällen besser gestellt werden, in denen gar
kein Schutzbedürfnis besteht.
Da die Arbeit von Herrn Wirtz nicht nur die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit öffentlichen Übernahmeaktivitäten inhaltlich wesentlich bereichert, sondern auch durch ihre klare Sprache und eine stringente Gedankenführung gefällt,
wünsche ich ihr, daß sie sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis hohe
Aufmerksamkeit und Verbreitung findet.
Hagen, im Dezember 2003
Univ.-Prof. Dr. Michael Bitz
5
Vorwort
Auf das Verfassen dieses Vorworts habe ich mich lange gefreut. Zum einen, weil
es, obgleich ein Vorwort, doch ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass man die
großen Mühen und Schwierigkeiten, die mit der Erstellung einer solchen Dissertation einhergehen, hinter sich hat. Zum anderen, weil es mir Gelegenheit gibt, all
denen noch einmal zu danken, die mich auf dem Weg zur Fertigstellung begleitet
und unterstützt haben.
Allen voran möchte ich meinem Doktorvater Herrn Univ.-Prof. Dr. Michael Bitz
danken für die hervorragende Betreuung, die guten Arbeitsbedingungen an seinem
Lehrstuhl und nicht zuletzt für die Bereitschaft, seinen Jahresurlaub der zügigen
Begutachtung meiner Arbeit zu opfern. Durch seine Anleitung und sein Vorbild
hat er wesentlich zu meiner wissenschaftlichen und persönlichen Weiterentwicklung beigetragen. Herrn Univ.-Prof. Dr. Thomas Hering danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl bin
ich für die oft anstrengenden, manchmal ernüchternden, aber immer fruchtbaren
Diskussionen meiner Vorlagen bei unseren Doktorandenseminaren verbunden.
Besonders möchte ich aus diesem Kreis Frau Dr. Karin Niehoff hervorheben, die
es bereitwillig übernommen hat, mein Manuskript noch einmal sorgfältig durchzusehen und vor allem durchzurechnen. Frau Claudia Barcarolo danke ich für die
Hilfestellung bei der abschließenden Textformatierung und Frau Ulrike Martin für
die Gestaltung des Buchumschlags.
So wichtig die Hilfe aus dem universitären Bereich für den Erfolg meines Promotionsvorhabens auch war, so wäre ein Gelingen ohne Unterstützung im privaten
Bereich nicht möglich gewesen. Dabei denke ich vor allem an meine Frau
Andrea, die während der gesamten Zeit unerschütterlich an mich geglaubt hat.
Hierfür und für so vieles andere bin ich ihr mehr dankbar, als ich es hier ausdrücken kann.
Bonn, im Januar 2004
Harald Wirtz
Inhaltsverzeichnis
VII
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeuchnis
Symbolverzeichnis
VII
XII
XV
XVII
XX
Kapitel A: Einführung
1
Einleitung
3
2
Zielsetzung und Abgrenzung
7
3
Gang der Arbeit
8
Kapitel B: Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und
öffentlichen Angeboten
1
Vorbemerkung
13
2
2.1
2.2
Definitionen
Allgemeine Definition: Unternehmensübernahme
Spezielle Definition: Übernahme einer börsennotierten
Aktiengesellschaft
14
14
3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Erscheinungsformen von Übernahmen
Überblick
Technik des Beteiligungserwerbs
Art der Gegenleistung
Art der Finanzierung
Einstellung des Managements der Zielgesellschaft
21
21
22
24
26
30
4
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
4.8
4.9
4.10
4.11
Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
Überblick
Rechtliche Bindungswirkung
Art der Gegenleistung
Preisregeln
Art der nachgefragten Wertpapiere
Mengenregeln
Repartierungsregeln
Annahmefrist
Zusammenarbeit mit Finanzintermediären
Wiederholung und Änderung des Angebots
Abschließendes Beispiel
31
31
32
33
34
36
37
38
40
41
41
42
17
VII
Inhaltsverzeichnis
VIII
5
5.1
5.2
5.3
Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der
Literatur
Überblick
Amerikanische Diskussion
Deutsche Diskussion
45
45
45
50
Kapitel C: Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und
öffentlichen Angeboten
1
Vorbemerkung
59
2
2.1
2.2
Historische Entwicklung des Übernahmegesetzes
EU-Ebene
Nationale Ebene
60
60
62
3
Ziele des Gesetzgebers bei der Regulierung von öffentlichen
Angeboten
64
4
4.1
4.2
4.3
4.4
Arten von Angeboten
Überblick
Angebot zum Erwerb von Wertpapieren
Übernahmeangebote
Pflichtangebote
67
67
69
71
73
5
Allgemeine Grundsätze bei öffentlichen Angeboten
75
6
Pflichten des Bieters
6.1 Überblick
6.2 Ausgestaltung des Angebots
6.2.1 Rechtliche Bindungswirkung
6.2.2 Art der Gegenleistung
6.2.3 Preisregeln
6.2.4 Art der nachgefragten Wertpapiere
6.2.5 Mengenregeln
6.2.6 Zuteilungsregeln
6.2.7 Annahmefrist
6.2.8 Zusammenarbeit mit Finanzintermediären
6.2.9 Wiederholung und Änderung des Angebots
6.2.10 Zusammenfassung
6.3 Veröffentlichungs- und Meldepflichten
6.3.1 Vorbemerkung
6.3.2 Vorangebotsphase
6.3.3 Annahmephase
6.3.4 Nachangebotsphase
78
78
79
79
81
83
88
88
89
90
91
92
92
96
96
97
98
98
7
99
Pflichten des Managements der Zielgesellschaft
Inhaltsverzeichnis
IX
8
Sanktionen
102
9
Zusammenfassung
104
Kapitel D: Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
1
Vorbemerkung
2
2.1
2.2
2.2.1
109
Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
Wert und Bewertung von Unternehmensanteilen
Einflussfaktoren auf die relevante Zahlungsreihe
Einflussfaktoren mit gleichgerichteter Wirkung bei Übernehmer und
Veräußerer
2.2.1.1 Interne Synergieeffekte
2.2.1.2 Restrukturierung
2.2.2 Einflussfaktoren mit unterschiedlicher Wirkung bei Übernehmer und
Veräußerer
2.2.2.1 Externe Synergieeffekte
2.2.2.2 Werttransfers zwischen Zielgesellschaft und Übernehmer
2.3 Einflussfaktoren auf die Bewertung der erwarteten Zahlungsreihe
2.4 Zusammenfassung
110
110
114
3
3.1
3.2
3.3
3.3.1
3.3.2
126
126
128
129
129
131
131
131
132
134
137
151
152
152
153
153
153
154
160
163
3.3.3
3.3.4
3.4
3.4.1
3.4.2
3.4.3
3.5
Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
Grundannahmen
Zeitlicher Modellablauf
Bewertungskalkül der Kleinaktionäre der Zielgesellschaft
Situation vor Bekanntwerden der Übernahmeabsicht (t = 0)
Situation nach Bekanntwerden der Übernahmeabsicht (t = II)
3.3.2.1 Vorbemerkung
3.3.2.2 Situation bei Misslingen der Übernahme
3.3.2.3 Situation bei Gelingen der Übernahme
3.3.2.4 Die Bildung neuer Bewertungen
Situation bei vorliegendem öffentlichen Angebot (t=IV)
Situation nach Abschluss des Angebotsverfahrens (t = VI)
Bewertungskalkül des Übernehmers
Vorbemerkung
Situation bei Misslingen der Übernahme
Situation bei Gelingen der Übernahme
3.4.3.1 Der innere Wert einer Aktie
3.4.3.2 Der Wert der Beteiligung
3.4.3.3 Der Wert der einzelnen Aktien der Beteiligung
Zusammenführung der Kalküle
114
114
116
117
117
118
121
124
IX
Inhaltsverzeichnis
X
Kapitel E:
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
1
1.1
1.2
1.3
1.3.1
1.3.2
1.4
1.4.1
1.4.2
Untersuchungsablauf
Überblick
Informationsszenario
Allokationsszenarien
Streubesitz
Paket
Wirkungsszenarien
Ausbeutungsfall
Synergiefall
167
167
168
169
169
169
169
169
170
2
2.1
2.2
Vergleichssituationen
Situation ohne Regulierung
Situation mit Regulierung
171
171
171
3
Analyse des Übernahmeprozesses
3.1 Situation ohne Regulierung
3.1.1 Strategie des Bieters
3.1.1.1 Streubesitz
3.1.1.2 Paket
3.1.2 Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
3.1.2.1 Vorbemerkung
3.1.2.2 Streubesitz
3.1.2.2.1 Ausbeutungsfall
3.1.2.2.2 Synergiefall
3.1.2.3 Paket
3.1.2.3.1 Ausbeutungsfall
3.1.2.3.2 Synergiefall
3.2 Situation mit Regulierung
3.2.1 Strategie des Bieters
3.2.1.1 Streubesitz
3.2.1.2 Paket
3.2.2 Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
3.2.2.1 Streubesitz
3.2.2.1.1 Ausbeutungsfall
3.2.2.1.2 Synergiefall
3.2.2.2 Paket
3.2.2.2.1 Ausbeutungsfall
3.2.2.2.2 Synergiefall
3.3 Vergleich der Situation ohne und mit Regulierung hinsichtlich der
Wirkungen auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
3.3.1 Vorbemerkung
3.3.2 Streubesitz
3.3.2.1 Bildung von Fallgruppen
173
173
173
173
182
192
192
192
192
197
198
198
201
203
203
203
215
221
221
221
224
226
226
229
230
230
232
232
Inhaltsverzeichnis
XI
3.3.2.2 Ausbeutungsfall
3.3.2.2.1 Fallgruppe I
3.3.2.2.2 Fallgruppe II
3.3.2.2.3 Fallgruppe III
3.3.2.2.4 Fallgruppe IV
3.3.2.3 Synergiefall
3.3.2.3.1 Fallgruppe I
3.3.2.3.2 Fallgruppe II
3.3.2.3.3 Fallgruppe III
3.3.2.3.4 Fallgruppe IV
3.3.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse für den Streubesitzfall
3.3.3 Paket 261
3.3.3.1 Übertragung der Ergebnisse bei Streubesitz auf den Paketfall
3.3.3.2 Ergebnisse für den Paketfall
232
232
233
241
246
248
248
248
251
252
254
4
Wertung der Modellergebnisse
276
5
Modellkritik
286
261
264
Kapitel F: Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
1
Allgemeines
293
2
Beschreibung der Modellvariation
295
3
3.1
3.2
3.3
3.4
Analyse des Übernahmeprozesses
Kalkül der Aktionäre der Zielgesellschaft
Strategie des Bieters
Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
Wirkungen der Regulierung
296
296
300
304
306
4
Wertung der Ergebnisse der Modellvariation
309
Kapitel G: Schlussbetrachtung
Schlussbetrachtung
317
Literaturverzeichnis
323
Verzeichnis verwendeter Gesetze und Verordnungen
358
XI
Abbildungsverzeichnis
XII
Abbildungsverzeichnis
Abb. B 1
Systematisierung von Formen des Beteiligungserwerbs
22
Abb. B 2
Mögliche Arten der Gegenleistung bei Übernahmen
25
Abb. B 3
Möglichkeiten der Finanzierung einer Übernahme
29
Abb. B 4
Grundtypen von Preisregeln
34
Abb. B 5
Grundtypen von Mengenregeln
38
Abb. B 6
Grundtypen von Repartierungsregeln
39
Abb. C 1
Arten von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren
67
Abb. D 1 Zeitlicher Modellablauf
128
Abb. D 2 Bewertungsfunktion vor Bekanntwerden einer
Übernahmeabsicht (t = 0)
130
Abb. D 3 Bewertungsfunktionen bei Misslingen und Gelingen der
Übernahme
133
Abb. D 4 Position der Aktionäre vor Abgabe eines Übernahmeangebots
134
Abb. D 5 Bewertungsfunktionen nach Bekanntwerden der
Übernahmeabsicht (t = II)
136
Abb. D 6 Entscheidungssituation in t = IV bei unvollständiger
Information
145
Abb. D 7 Bewertungsfunktion in t = IV ohne Mindestbedingung
148
Abb. D 8 Interner Übernahmewertbeitrag
156
Abb. D 9 Externer Übernahmewertbeitrag
157
Abb. D 10 Netto-Transferwertbeitrag (Ausbeutungsfall)
158
Abb. D 11 Netto-Transferwertbeitrag (Zuschussfall)
159
Abb. D 12 Zusammenfassende Darstellung der Wertbeiträge
160
Abb. D 13 Wert der einzelnen Aktien einer Beteiligung
161
Abb. D 14 Alternative Verläufe der Bewertungskurve
162
Abb. D 15 Ermittlung des Übernahmegewinns bei Einheitspreis
164
Abb. E 1
Bedingung für die Vorteilhaftigkeit des Erwerbs bei
Streubesitz
174
Abb. E 2
Maximaler Übernahmegewinn ohne Regulierung, Fall S2
178
Abb. E 3
Maximaler Übernahmegewinn ohne Regulierung, Fall S3
179
Abb. E 4
Übernahmegewinn bei Paketkauf und Übernahmeangebot I
184
Abb. E 5
Übernahmegewinn bei Paketkauf und Übernahmeangebot II
185
Abbildungsverzeichnis
Abb. E 6
Abb. E 7
Abb. E 8
Abb. E 9
XIII
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Ausbeutungsfall bei Streubesitz ohne Regulierung
192
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Synergiefall bei Streubesitz ohne Regulierung
197
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Ausbeutungsfall bei Paketkauf ohne Regulierung
199
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Synergiefall bei Paketkauf ohne Regulierung
202
Abb. E 10 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz I
206
Abb. E 11 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz II
207
Abb. E 12 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz III
211
Abb. E 13 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz IV
212
Abb. E 14 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Paketkauf
216
Abb. E 15 Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Ausbeutungsfall bei Streubesitz mit Regulierung
221
Abb. E 16 Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Synergiefall bei Streubesitz mit Regulierung
224
Abb. E 17 Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre
im Ausbeutungsfall bei Paketkauf mit Regulierung
226
Abb. E 18 Zusammenhang der Vergleichsgrößen
231
Abb. E 19 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz, Fallgruppe II
233
Abb. E 20 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz, Fallgruppe III
241
Abb. E 21 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz, Fallgruppe IV
246
Abb. E 22 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei Streubesitz,
Fallgruppe II
248
Abb. E 23 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei Streubesitz,
Fallgruppe III
251
Abb. E 24 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei Streubesitz,
Fallgruppe IV
252
XII
Abbildungsverzeichnis
XIV
Abb. E 25 Wirkungen der Regulierung auf die
Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei Paketkauf,
Fallgruppe II
262
Abb. F 1
Zeitlicher Modellablauf mit verlängerter Annahmefrist
295
Abb. F 2
Entscheidungssituation für die Zielgesellschaftsaktionäre
296
Abb. F 3
Angebotsfunktionen bei Modellvariation, Ausbeutungsfall
299
Abb. F 4
Strategie des Bieters I, Ausbeutungsfall
301
Abb. F 5
Strategie des Bieters II, Ausbeutungsfall
302
Abb. F 6
Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der
Zielgesellschaft bei Regulierung mit verlängerter
Annahmefrist
305
Wirkungen der Regulierung mit verlängerter Annahmefrist
307
Abb. F 7
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis
Tab. B 1
Zulässige Aktiengattungen
Tab. C 1
Zusammenfassung der Pflichten des Bieters bei der
Ausgestaltung von Angeboten
Tab. D 1
Ergebnismatrix beim Gefangenen-Dilemma
139
Tab. D 2
Beispiel für die Ergebnismatrix bei einem
Übernahmeangebot
140
Tab. D 3
Entscheidungsmatrix im Zeitpunkt t = IV ohne Mindestquote
147
Tab. D 4
Entscheidungsmatrix im Zeitpunkt t = IV mit Mindestquote
149
Tab. E 1
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Streubesitz ohne
Regulierung
181
Tab. E 2
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines
nichtkontrollierenden Pakets ohne Regulierung
188
Tab. E 3
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines
kontrollierenden Pakets ohne Regulierung
191
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Streubesitz mit
Regulierung bei Zulässigkeit eines Teilangebots
209
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Streubesitz mit
Regulierung bei Vollangebotspflicht
213
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines
nichtkontrollierenden Pakets mit Regulierung
218
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines
kontrollierenden Pakets mit Regulierung
220
Übersicht über die Fallgruppen und Einzelfälle bei
Streubesitz
255
Übersicht über die Differenzen der Gruppengrößen mit und
ohne Regulierung bei Streubesitz
257
Tab. E 4
Tab. E 5
Tab. E 6
Tab. E 7
Tab. E 8
Tab. E 9
36
94
Tab. E 10 Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die
einzelnen Aktionäre bei Streubesitz
259
Tab. E 11 Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die
gesamten Aktionärsgruppen bei Streubesitz
260
Tab. E 12 Übersicht über die Fallgruppen und Einzelfälle bei
Paketerwerb
268
Tab. E 13 Übersicht über die Differenzen der Gruppengrößen mit und
ohne Regulierung bei Paketkauf
270
XV
XVI
Tabellenverzeichnis
Tab. E 14 Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die
einzelnen Aktionäre bei Paketkauf
Tab. E 15/1
Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die
gesamten Aktionärsgruppen bei Paketkauf im
Ausbeutungsfall
271
272
Tab. E 15/2Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die
gesamten Aktionärsgruppen bei Paketkauf im Synergiefall
273
Tab. E 16 Vermögensänderungen der Zielgesellschaftsaktionäre ohne
Regulierung
277
Tab. E 17 Zusammenfassung der Wirkungen der Regulierung auf die
Aktionäre der Zielgesellschaft
279
Tab. F 1
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen des Bieters bei
Regulierung mit verlängerter Annahmefrist
304
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
Abl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
AG
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AktG
Aktiengesetz
Aufl.
Auflage
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)
BörsG
Börsengesetz
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
c.p.
ceteris paribus
DAX
Deutscher Aktienindex
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
DBW
Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
d.h.
das heißt
DM
Deutsche Mark
DStR
Deutsches Steuerrecht ((Zeitschrift)
XVII
XV
Abkürzungsverzeichnis
XVIII
EG
Europäische Gemeinschaften
etc.
et cetera
et al.
et aliud
EU
Europäische Union
h.M.
herrschende Meinung
GE
Geldeinheiten
gem.
gemäß
GG
Grundgesetz
ggf.
gegebenenfalls
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
IStR
Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
i.V.m.
in Verbindung mit
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
Tab.
Tabelle
Abkürzungsverzeichnis
RefE
Referentenentwurf
RIW
Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
Rn.
Randnummer
S.
Seite(n), Satz
sog.
so genannte(r)
u.a.
unter anderem
USA
Vereinigte Staaten von Amerika
u.U.
unter Umständen
vgl.
vergleiche
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)
WISU
Das Wirtschaftsstudium(Zeitschrift)
WM
Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WpÜG
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
WpÜG-VO
WpÜG-Angebotsverordnung
z.B.
zum Beispiel
ZfbF
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZfhF
Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
XIX
XIX
Symbolverzeichnis
XX
Symbolverzeichnis
a
Anzahl erworbener bzw. zu erwerbender Aktien der Zielgesellschaft
a ′ , a ′′
beispielhaft hervorgehobene bestimmte Anzahlen Aktien der
Zielgesellschaft
a*
Anzahl Aktien der Zielgesellschaft, bei der der Übernehmer die
Kontrolle erlangt
â *
Anzahl Aktien, die insgesamt gekauft werden müssen, wenn in
der ersten Runde a * Aktien gekauft werden (Modellvariation)
a BP
Anzahl Aktien der Zielgesellschaft, die bei Anwendung der Börsenpreisregel zu kaufen ist
a eR
Anzahl Aktien der Zielgesellschaft, die in der ersten Runde erworben werden (Modellvariation)
a GP
Anzahl Aktien der Zielgesellschaft, die bei Anwendung der
Gleichpreisregel zu kaufen ist
a krit
kritische Anzahl Aktien der Zielgesellschaft, bei deren Erwerb
gerade kein Gewinn für den Übernehmer entsteht
a opt
mR
gewinnoptimale Anzahl Aktien der Zielgesellschaft mit Regulierung (Grundmodell)
â opt
mR
gewinnoptimale Anzahl Aktien der Zielgesellschaft mit Regulierung unter Einbeziehung der verlängerten Annahmefrist (Modellvariation)
a opt
oR
gewinnoptimale Anzahl Aktien der Zielgesellschaft ohne Regulierung
aP
Anzahl der Aktien eines Paketaktionärs
vX
a oR
kumulierte Anzahl der Mitglieder der Gruppen ohne Regulierung, die auf der Abszisse weiter links als die betrachtete Gruppe X abgetragen sind
a XY
Anzahl der Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe X und
mit Regulierung der Gruppe Y angehören
Symbolverzeichnis
XXI
a XmR
Anzahl der Angehörigen der Aktionärsgruppe X mit Regulierung (Grundmodell)
â XmR
Anzahl der Angehörigen der Aktionärsgruppe X mit Regulierung unter Einbeziehung der verlängerten Annahmefrist (Modellvariation)
X
a oR
Anzahl der Angehörigen der Aktionärsgruppe X ohne Regulierung
A
Gesamtzahl ausgegebener Aktien der Zielgesellschaft
α
Steigung der Bewertungsfunktion W 0 (a)
BÜ (a)
Wert einer Beteiligung von a Aktien aus Sicht des Übernehmers
β
Steigung der Bewertungs- bzw. Angebotsfunktion W IV (a)
Ct
Schnittpunkt der Bewertungsfunktion im Zeitpunkt t mit der
Ordinate
C+
Schnittpunkt der Bewertungsfunktion bei Gelingen der Übernahme mit der Ordinate
C∅
Durchschnittsbörsenkurs im Beobachtungszeitraum
∆a X
Differenz der Größen der Gruppe X mit und ohne Regulierung
X
∆VmR
X
∆VoR
Änderung des Vermögens der Gesamtheit aller Angehörigen der
Aktionärsgruppe X durch den Übernahmeversuch mit Regulierung
Änderung des Vermögens der Gesamtheit aller Angehörigen der
Aktionärsgruppe X durch den Übernahmeversuch ohne Regulierung
XX
Symbolverzeichnis
XXII
X
∆VmR,j
Änderung des Vermögens des Aktionärs j als Angehörige der
Aktionärsgruppe X durch den Übernahmeversuch mit Regulierung
∆VoXR , j
Änderung des Vermögens des Aktionärs j als Angehörige der
Aktionärsgruppe X durch den Übernahmeversuch ohne Regulierung
∆(∆VjX )
Differenz der Vermögensänderungen mit und ohne Regulierung
des Aktionärs j, der ohne Regulierung der Gruppe X angehört,
zugleich Endvermögensdifferenz
∆Wj+
Wertunterschied zwischen dem Wert ihrer Aktie bei Gelingen
zum Wert bei Misslingen der Übernahme aus Sicht des Aktionärs j
∆WÜ+
Wertunterschied zwischen dem Wert ihrer Aktie bei Gelingen
zum Wert bei Misslingen der Übernahme aus der Sicht des Übernehmers
Ej
individueller unsicherheitsadjustierter Barwert der aus einer
Aktie resultierenden Einzahlungen aus Ausschüttungen aus der
Sicht des Aktionärs j im Falle unveränderter Fortführung des
Unternehmens
EÜ
individueller unsicherheitsadjustierter Barwert der aus einer
Aktie resultierenden Einzahlungen aus Ausschüttungen aus der
Sicht des Übernehmers im Falle unveränderter Fortführung des
Unternehmens
GP(a)
Gesamtpreis einer Beteiligung von a Aktien
GrP P
Grenzpreis des Paketaktionärs für sein gesamtes Aktienpaket
γ , γ′
Bezeichnungen für einen Winkel
Symbolverzeichnis
XXIII
pn
Wahrscheinlichkeit für den Zustand n
P
Preis pro Aktie
P% j
Erwartung des Aktionärs j für den Angebotspreis vor dessen
Bekanntgabe
opt
PmR
gewinnoptimaler Preis pro Aktie mit Regulierung (Grundmodell)
opt
P̂mR
gewinnoptimaler Preis pro Aktie ohne Regulierung unter Einbeziehung der verlängerten Annahmefrist (Modellvariation)
opt
PoR
gewinnoptimaler Preis pro Aktie ohne Regulierung
PP
Paketpreis pro Aktie
Rj
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Aktionärs j durch Restrukturierung des Unternehmens
bzw. Änderung der Geschäftspolitik durch das neue Management
RÜ
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Übernehmers durch Restrukturierung des Unternehmens bzw. Änderung der Geschäftspolitik durch das neue
Management.
SÄ tj
Sicherheitsäquivalent des Aktionärs j im Zeitpunkt t
SYN INT
j
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Aktionärs j durch das Zusammenwirken des übernommenen Unternehmens mit dem übernehmenden (interne
Synergieeffekte)
SYN INT
Ü
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Übernehmers durch das Zusammenwirken des übernommenen Unternehmens mit dem übernehmenden (interne
Synergieeffekte).
XX
Symbolverzeichnis
XXIV
SYN EXT
Ü
Wert der externen Synergieeffekte für den Übernehmer
t
Zeitpunkt
TRANS j
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Aktionärs j durch den nicht ausgeglichenen Transfer
von Zahlungen vom übernommenen Unternehmen zum übernehmenden und umgekehrt
TRANSÜ
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Übernehmers durch den nicht ausgeglichenen Transfer
von Zahlungen vom übernommenen Unternehmen zum übernehmenden und umgekehrt
TRANSP
Wert der durch den bisherigen Paketinhaber betriebenen Ausbeutung
ÜG(a)
Übernahmegewinn des Übernehmers in Abhängigkeit von der
Anzahl gekaufter Aktien
WÜIn
Innerer Wert einer Aktie der Zielgesellschaft aus der Sicht des
Übernehmers
Wjt
Wert einer Aktie der Zielgesellschaft aus der Sicht des Anlegers
j im Zeitpunkt t
Wj−
Wert einer Aktie für Aktionär j bei Misslingen der Übernahme
(nach Abschluss des Übernahmeversuchs)
Wj+
Wert einer Aktie für Aktionär j bei Gelingen der Übernahme
(nach Abschluss des Übernahmeversuchs)
W t (a)
Bewertungs- bzw. Angebotsfunktion der Zielgesellschaftsaktionäre in Abhängigkeit von der Anzahl der Aktien im Zeitpunkt t
Symbolverzeichnis
XXV
W − (a)
Bewertungsfunktion der Zielgesellschaftsaktionäre bei Misslingen der Übernahme (nach Abschluss des Übernahmeversuchs)
W + (a)
Bewertungsfunktion der Zielgesellschaftsaktionäre bei Gelingen
der Übernahme (nach Abschluss des Übernahmeversuchs)
WÜ (a)
Bewertungsfunktion des Übernehmers (nach Abschluss des Übernahmeversuchs), durchschnittlicher Wert einer Aktie unter
Einschluss von externen Effekten bei einer Beteiligung von a
Aktien aus Sicht des Bieters
WÜ (a)
Bewertungsfunktion, welche die Maximalpreise pro Aktie angibt, die im Rahmen des Angebots nach Paketkauf bei einem
Gesamterwerb von a Aktien gerade noch gezahlt werden dürfen,
damit kein Verlust entsteht.
XX
XXVI
Symbolverzeichnis
A
Einführung
2
Kapitel A
Einführung
1 Einleitung
1
3
Einleitung
Übernahmen börsennotierter Aktiengesellschaften, insbesondere wenn sie mittels
öffentlicher Übernahmeangebote durchgeführt werden, genießen oftmals große
Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung derartiger Vorgänge ist
dabei vielfach durch eine irrationale Emotionalität geprägt, die auch in der Sprache ihren Niederschlag gefunden hat, indem z.B. von „Übernahmeschlachten“ und
„feindlichen“ Übernahmen gesprochen wird, Bieter als „Raubritter“, „Raider“
oder „Haie“ und mit dem Management der „übernahmebedrohten“ Gesellschaft
zusammenarbeitende Gegenbieter als „weiße Ritter“ bezeichnet werden.1 Selbst
einige wissenschaftliche Autoren schüren offenbar latent vorhandene Ängste
durch Warnungen vor dem „Übernahmegespenst“, das bis vor die deutsche
Haustür komme, oder dem „Takeover-Virus“, für den ein Impfstoff gesucht werde.2
Diese Emotionalität ist zumindest teilweise dadurch erklärbar, dass regelmäßig
eine große Anzahl von Personen durch einen Übernahmeversuch ökonomisch
betroffen ist. Diese Betroffenheit kann sich in Form von Gewinnchancen, aber
auch in Gefahren für das Vermögen der betrachteten Wirtschaftssubjekte äußern.
Auf der Seite der Gesellschaft, auf die der Übernahmeversuch gerichtet ist (sog.
Zielgesellschaft), können mehrere betroffene Personengruppen auftreten, etwa die
Aktionäre, das Management, die sonstigen Angestellten sowie die Gläubiger, Lieferanten und Kunden, und zwar jeweils aktuelle und potenzielle. Je nach Einzelfall und Betrachtungsziel können noch weitere Unterteilungen notwendig sein
oder andere Subjekte hinzutreten. Auf der Seite des Übernehmers können ebenfalls diese oder ähnliche Gruppen von Betroffenen auftreten. Daneben kann sich
eine Übernahme auch auf solche Wirtschaftssubjekte auswirken, die nicht in der
beschriebenen Weise mit der Zielgesellschaft oder dem Übernehmer verbunden
sind, wie z.B. Konkurrenten oder auch der Staat durch hervorgerufene Steuerwirkungen.
Von all diesen potenziell betroffenen Personen steht in der Diskussion um mögliche Gefahren durch einen Übernahmeversuch vor allem die Gruppe der Aktionäre
der Zielgesellschaft im Vordergrund. Insbesondere zu Ihrem Schutz haben einige
Staaten gesetzliche Regulierungen für Übernahmevorgänge erlassen.3 Andere
Länder, allen voran Großbritannien, vertrauen auf eine freiwillige Selbstregulie-
1 Ein Glossar derartiger, oftmals sehr phantasievoller Begriffe bietet RÖHRICH (1992), S. 252 –
253.
2 So ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 4 und 5.
3 So haben z.B. Österreich, Italien, Belgien und Tschechien Übernahmegesetze.
3
4
Kapitel A
Einführung
rung.1 Nachdem auch die Bundesrepublik Deutschland mit dem Übernahmekodex
der Börsensachverständigenkommission zunächst ebenfalls den Weg der freiwilligen Selbstregulierung beschritten hatte, gilt seit dem 1. Januar 2002 das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz. Hierdurch wurden gesetzliche Rahmenbedingungen für Übernahmevorgänge geschaffen und öffentliche Angebote zum Erwerb von Wertpapieren einer umfassenden Regelung unterworfen.
Mit jeder Regulierung wird mehr oder weniger stark in die Handlungsfreiheit der
jeweils Betroffenen eingegriffen. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
legt vor allem demjenigen, der mittels eines öffentlichen Angebotes eine börsennotierte Aktiengesellschaft übernehmen will, umfangreiche Informations- und
Meldepflichten sowie weitreichende Beschränkungen bezüglich der Ausgestaltung des Angebots auf, insbesondere die Pflicht zu einem auf alle Aktien der Gesellschaft gerichteten Vollangebot mit bestimmten Mindestpreisen. Als weitere
elementare Regelung enthält das Gesetz eine Verpflichtung für denjenigen, der
auf anderem Weg als durch ein Übernahmeangebot eine Beteiligung von über
30 % der Stimmrechte an einer Gesellschaft erwirbt, ein öffentliches Angebot
zum Erwerb aller restlichen Aktien abzugeben (sog. Pflichtangebot), wobei dieses
Angebot weitgehend den gleichen Regeln unterliegt wie ein Übernahmeangebot.2
Ein wesentliches Ziel, das mit diesen Regeln verfolgt wird, ist der Schutz der
Minderheitsaktionäre einer Gesellschaft, die sich nach einer Übernahme erstmals
einem kontrollierenden Großaktionär oder – falls es bereits vor der Übernahme
einen solchen gegeben hat – einem neuen Kontrollinhaber gegenüber sehen.3 Das
Schutzbedürfnis resultiert aus dem beherrschenden Einfluss auf die Geschäftspolitik, den eine kontrollierende Beteiligung ihrem Inhaber vermittelt. Dieser ermöglicht es dem Großaktionär u.U., sich auf Kosten der Minderheitsaktionäre
Sondervorteile zu verschaffen. Insbesondere, wenn der Übernehmer noch anderweitig unternehmerisch tätig ist bzw. wenn es sich beim Übernehmer selbst um
ein Unternehmen handelt, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, Werte von einer
übernommenen Gesellschaft direkt an den Übernehmer zu transferieren. Die deutsche Rechtsordnung versuchte bereits vor Inkrafttreten des Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetzes, diesem Problem der Ausbeutung der Minderheitsaktionäre abhängiger Gesellschaften durch ein im Aktienrecht verankertes konzernrechtliches Schutzsystem entgegenzutreten. Nach STÜTZEL ist die Geschichte des
1 Der in Großbritannien gültige „City Code on Takeovers and Mergers“ ist ein Verhaltenskodex
(code of practice), den sich die mit Übernahmeangeboten befassten Finanzdienstleister und
Aufsichtsorgane selbst gegeben haben. Inhaltlich gilt er als Vorbild für viele der europäischen
Regulierungen. Vgl. zum City Code z.B. PRENTICE (1992), KRAUSE (1996a), S. 42 – 92;
DEFRIEZ (1999); HEINRICH (2002).
2 Eine ausführliche Darstellung der Regulierung erfolgt in Kapitel C.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28, 34, 60. Zu den Zielen vgl. näher Abschnitt C 3.
1 Einleitung
5
Aktienwesens die Geschichte immer wieder neuer Versuche einzelner Beteiligter,
irgendwelche der angedeuteten Bereicherungschancen wahrzunehmen, die Geschichte des Aktienrechts aber die Geschichte stets neuer Versuche, die Wahrnehmung solcher Bereicherungschancen zu verhindern.1 Gerade in den letzten
Jahren vor Einführung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes entzündete sich jedoch zunehmend Kritik an diesem Schutzsystem. So hat sich zuletzt
die Auffassung durchgesetzt, dass der konzernrechtliche Schutz nicht vollständig
in der Lage ist, Vermögensverlagerungen von der abhängigen Gesellschaft hin zu
einem kontrollierenden Unternehmen zu verhindern.2 Als ergänzender Schutzmechanismus soll daher die Pflichtangebotsregelung bzw. die Vollangebotspflicht
bei Übernahmeangeboten bereits zum Zeitpunkt der Begründung einer Kontrollstellung eingreifen. Den Aktionären soll dadurch ermöglicht werden, zwischen
dem Verbleiben als Minderheitsaktionäre in der abhängigen Gesellschaft und dem
Ausscheiden gegen eine angemessene Abfindung zu wählen. Um diese Angemessenheit der Gegenleistung zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber bestimmte Mindestpreisregeln aufgestellt.
Aus der beschriebenen Möglichkeit der Ausbeutung von Minderheitsaktionären
resultieren bei Übernahmen weitere Gefahren für die Aktionäre der Zielgesellschaft: Ist nach einer erfolgreichen Übernahme zu erwarten, dass der Übernehmer
die Gesellschaft in der beschriebenen Weise ausbeutet, könnten sich die Aktionäre
der Zielgesellschaft gezwungen sehen, ihre Aktien auch unterhalb ihres Wertes
bei Unabhängigkeit abzugeben, um damit der nachteiligen Position eines Minderheitsaktionärs zu entgehen. Dadurch kann ein Druck auf die Aktionäre entstehen,
bei einem Übernahmeangebot ihre Aktien „zu billig“ abzugeben. Diese Situation
wird in der Literatur oftmals mit dem aus der Spieltheorie bekannten Gefangenendilemma verglichen.3
Die Zielvorstellung, die der Gesetzgeber mit der Regulierung von Übernahmevorgängen verbindet, besteht darin, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft ohne
Druck und auf der Grundlage umfassender Information über ein Übernahmeangebot entscheiden können. Diesem Zweck dienen neben den Vorschriften zur Ausgestaltung des Angebots auch die dem Bieter auferlegten umfangreichen Veröffentlichungs- und Meldepflichten.4 Die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre soll
1 Vgl. STÜTZEL (1960), S. 947.
2 Vgl. z.B. PRANTL (1994), S. 65 – 148; KRAUSE (1996b), S. 897 –898; HOPT (1997), S. 387 –
388; BENNER/HEINACHER (1997), S. 2521; MUNSCHECK (1999), S. 59 – 117; HOUBEN (2000),
S. 1875 – 1876.
3 Vgl. z.B. z.B. COFFEE (1984), S. 1169; ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 11 – 12; RÖHRICH
(1992); S. 84 – 85; PRANTL (1994), S. 160. Hierzu ausführlich Abschnitt D 3.3.3.
4 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28.
5
6
Kapitel A
Einführung
grundsätzlich auch nicht dadurch eingeschränkt werden, dass das Management der
Zielgesellschaft eigenmächtig Handlungen zur Verhinderung des Erfolgs des Übernahmeversuchs einleitet. Aus diesem Grund enthält das Gesetz eine Neutralitätsverpflichtung für die Organe der Zielgesellschaft, die allerdings durch eine
Reihe von Ausnahmen teilweise durchbrochen wird.1
Bereits aus dieser kurzen Benennung einzelner Regelungsbereiche wird deutlich,
dass sich das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz auf der Schnittstelle zwischen Kapitalmarktrecht und Aktienkonzernrecht befindet.2 Der geschaffene
Rechtsrahmen soll ausweislich der Gesetzesbegründung Leitlinien für ein faires
und geordnetes Angebotsverfahren schaffen, ohne Unternehmensübernahmen zu
fördern oder zu verhindern.3 Die gesetzliche Regulierung greift dabei – wie noch
näher darzustellen sein wird – recht umfangreich in die Privatautonomie ein und
beschränkt vor allem den Bieter in seiner Handlungsfreiheit. Gerechtfertigt wird
dieser Eingriff vor allem mit dem Schutzbedürfnis der Aktionäre der Zielgesellschaft. Dies stellt das Spannungsfeld dar, das durch diese Arbeit näher beleuchtet
werden soll.
1 Vgl. dazu Abschnitt C 7.
2 Vgl. BERDING (2002), S. 1149 – 1150; STEINMEYER /HÄGER (2002), S. 77.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28.
2 Zielsetzung und Abgrenzung
2
7
Zielsetzung und Abgrenzung
Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der Wirkungen der Regulierung von Übernahmevorgängen durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz auf die ökonomische Betroffenheit des Übernehmers und der Zielgesellschaftsaktionäre bei
Übernahmen börsennotierter Aktiengesellschaften. Sonstige Betroffene werden
nicht betrachtet. Einen besonderen Schwerpunkt der Untersuchung stellt dabei der
Schutz der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft dar. Die Analyse erfolgt auf
einzelwirtschaftlicher Betrachtungsebene, gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeitsüberlegungen werden nicht vorgenommen. Es wird nicht der Anspruch erhoben, die Wirkungen des gesamten Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes
auf die genannten Personen vollständig zu behandeln. Angesichts der Vielfalt der
in dem Gesetz enthaltenen Vorschriften würde dies den für diese Arbeit vorgesehenen Rahmen bei Weitem sprengen. Insofern erfolgt eine Begrenzung auf den
Teilbereich der Regulierung, der sich auf die Ausgestaltung von Übernahmeangeboten und auf Pflichtangebote bezieht.
Zu diesem Zweck soll ein in sich geschlossenes Modell entwickelt werden, welches die Untersuchung des Übernahmeprozesses ermöglicht. Anhand dieses Modells sollen die Kalküle der betrachteten Personen analysiert und der Einfluss der
gesetzlichen Regulierung auf diese Kalküle aufzeigt werden. Trotz dieser Elemente präskriptiver Theorie ist das Erkenntnisziel der Modellierung eher deskriptiver Art. Aus dem Zusammenwirken der jeweiligen Optimalkalküle sollen die
Wirkungen auf das Vermögen der einzelnen Wirtschaftssubjekte hergeleitet werden.
Es sollen lediglich die bestehenden Regelungen untersucht werden. Dies beinhaltet auch eine wertende Stellungnahme zu den Ergebnissen der modelltheoretischen Analyse. Damit sollen auch Schwächen der derzeitigen Regulierung aufgezeigt werden. Kein ausdrückliches Ziel der Untersuchung ist jedoch die Erarbeitung eines Alternativvorschlags zur bestehenden gesetzlichen Regelung. Aus den
erkannten Schwächen werden allerdings zumindest einige Ansatzpunkte zur Verbesserung abgeleitet, die einen Anstoß für die weitere Diskussion um die mögliche Fortentwicklung des Gesetzes geben können.
Die Arbeit ist dem Gebiet der ökonomischen Analyse des Rechts zuzuordnen. Zu
diesem Zweck ist es zwar unerlässlich, die zu analysierenden gesetzlichen Regelungen zunächst darzustellen; eine ausführliche Diskussion von primär juristischen Streitfragen soll dabei jedoch nicht erfolgen.
7
Kapitel A
8
3
Einführung
Gang der Arbeit
Im nachfolgenden Kapitel B werden die Grundlagen für die weitere Analyse gelegt. Es werden wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten definiert und systematisiert. Der Schwerpunkt
des Kapitels liegt in der Erarbeitung von Gestaltungsfeldern für öffentliche Angebote. Dabei wird in diesem Kapitel zunächst noch von dem durch die Regulierung
gegebenen institutionellen Rahmen abstrahiert. Den Gestaltungsfeldern werden
Ausgestaltungsmöglichkeiten zugeordnet, die sich ergeben, wenn keine Regulierung existiert. Die Kenntnis dieser Gestaltungsparameter stellt eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis der gesetzlichen Einschränkungen dar. Außerdem
wird ein knapper Überblick über die in der Literatur geführte Diskussion um die
Regulierung von Übernahmevorgängen gegeben.
Im Kapitel C wird dann die gesetzliche Regulierung dargestellt. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, dass die Konzeption des Gesetzes und die Stellung
der Regeln zu öffentlichen Angeboten innerhalb dieser Konzeption deutlich werden. Der Schwerpunkt liegt auch in diesem Kapitel auf dem Komplex der Ausgestaltung von Angeboten. Aufbauend auf der in Kapitel B erarbeiteten Systematik von Gestaltungsfeldern wird aufgezeigt, welche der ohne Regulierung denkbaren Ausgestaltungsmöglichkeiten nun durch die gesetzliche Regulierung nicht
mehr erlaubt sind. Daneben wird aber auch der übrige materielle Regelungsgehalt
des Gesetzes zumindest im Überblick vorgestellt. Erst dies ermöglicht die Einordnung des Ausschnitts, der anschließend der modelltheoretischen Analyse unterzogen wird.
Die modelltheoretische Analyse beginnt in Kapitel D mit der Entwicklung eines
allgemeinen Modellrahmens zur Untersuchung des Übernahmeprozesses. Ausgehend von den Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle der Beteiligten wird ein
einfaches Grundmodell entwickelt, das der weiteren Untersuchung zu Grunde
gelegt wird.
In diesem Modell wird anschließend in Kapitel E die eigentliche modelltheoretische Analyse vorgenommen. Zunächst werden die zu untersuchenden Szenarien
und die Vergleichssituationen ohne und mit Regulierung definiert. Dabei muss
sich die in der Modellierung abzubildende Regulierung zwangsläufig auf eine
Auswahl der vielfältigen Vorschriften beschränken. Es wird jedoch versucht, den
Kern der gesetzlichen Regelungen abzubilden. Als solcher werden die Pflichtangebotsregelung, die Ausgestaltung eines Übernahmeangebots als Vollangebot
sowie die Mindestpreisregeln für diese beiden Angebotsarten angesehen. Anschließend werden die ökonomischen Betroffenheiten der betrachteten Akteure in
den jeweiligen Vergleichssituationen hergeleitet und dann einander gegenübergestellt, um daraus die Wirkung der Regulierung zu ermitteln.
3 Gang der Arbeit
9
Das entwickelte Grundmodell wurde bewusst so allgemein formuliert, dass es
leicht modifiziert werden kann, um es mit weniger strengen Annahmen weiter der
Realität anzunähern oder weitere Elemente der Regulierung in die Untersuchung
mit einzubeziehen. Dies wird in Kapitel F zum Abschluss der Analyse exemplarisch gezeigt. Es wird aus dem Grundmodell eine Variation abgeleitet, die die
verlängerte Annahmefrist (sog. Zaunkönigregelung) in die Untersuchung mit einbezieht. Die Analyse baut auf den Ergebnissen des Grundmodells auf und kann
daher in verkürzter Form erfolgen.
Bereits die Kapitel E und F enden jeweils mit einer Wertung der ermittelten Modellergebnisse. In Kapitel G werden abschließend einige Überlegungen dazu angestellt, welche Ansatzpunkte zur Verbesserung der gesetzlichen Regelung daraus
abgeleitet werden können.
9
10
Kapitel A
Einführung
B
Grundlagen zu
Unternehmensübernahmen und
öffentlichen Angeboten
12
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
1 Vorbemerkung
1
13
Vorbemerkung
In diesem Kapitel B sollen einige wichtige Grundlagen für die weitere Analyse
gelegt werden.
Zunächst wird definitorisch geklärt, was unter der Übernahme einer börsennotierten Aktiengesellschaft zu verstehen ist. Dazu wird in einem ersten Schritt von
einer allgemeinen Definition von Unternehmensübernahmen ausgegangen, die
dann im zweiten Schritt zu der im weiteren Verlauf der Arbeit zu Grunde gelegten
Definition spezifiziert wird.
Des Weiteren soll in den Abschnitten 3 und 4 der Versuch unternommen werden,
die in der Literatur vielfach recht unsortiert beschriebenen Erscheinungsformen
von Übernahmen und öffentlichen Angeboten in eine geordnete Systematik einzubetten, um damit dem Leser die institutionellen Grundlagen für das Verständnis
der nachfolgenden Untersuchung zu vermitteln. Der Schwerpunkt des Kapitels B
liegt entsprechend der Themenstellung dieser Arbeit bei der Beschreibung der
Ausgestaltungsmöglichkeiten von Übernahmeangeboten. Dabei wird in diesem
Kapitel noch von dem durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vorgegebenen gesetzlichen Rahmen abstrahiert. Damit soll aufgezeigt werden, welche Gestaltungsfelder und Wahlparameter ein Übernehmer bei der Abgabe eines
öffentlichen Angebots hat, wenn er nicht durch eine Regulierung eingeschränkt
wird. Dies ermöglicht erst die Beurteilung der später noch darzustellenden gesetzlichen Beschränkungen durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz.
Schließlich wird ein kurzer Überblick über die Diskussion um die Regulierung
von Übernahmevorgängen in der Literatur gegeben. Dies soll das Verständnis für
die beabsichtigten Wirkungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes
fördern und die Einordnung der im weiteren Verlauf der Arbeit hergeleiteten Analyseergebnisse erleichtern.
13
14
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
2
Definitionen
2.1
Allgemeine Definition: Unternehmensübernahme
Eine Unternehmensübernahme soll definiert werden als das Erlangen von Kontrolle über ein Unternehmen. Damit ist freilich der Begriff noch nicht hinreichend
geklärt, das Definitionsproblem ist zunächst nur auf eine andere Ebene verlagert.
Sowohl der Begriff des Unternehmens wie auch der der Kontrolle bedürfen der
näheren Präzisierung.
Objekt einer Übernahme ist ein Unternehmen. In Anlehnung an die klassische
Begriffsauffassung nach GUTENBERG soll unter einem Unternehmen oder einer
Unternehmung1 die marktwirtschaftliche Ausprägung eines Betriebes verstanden
werden.2 Als Betrieb wird eine Wirtschaftseinheit bezeichnet, die
•
durch Kombination der Elementarfaktoren
•
unter Leitung des dispositiven Faktors in planmäßig organisierter Weise
•
regelmäßig
•
unter Beachtung des ökonomischen Prinzips,
•
über den Eigenbedarf hinaus
•
die Gewinnung, Erstellung, Bereitstellung oder Verteilung von Gütern oder
Dienstleistungen betreibt.3
Diese Merkmale werden von GUTENBERG auch als systemindifferente Tatbestände
bezeichnet, da sie vom jeweils gegebenen Wirtschaftssystem unabhängig sind.
Daneben wird der Betrieb jedoch noch durch solche Tatbestände beeinflusst, die
sich aus einem empirisch gegebenen Wirtschaftssystem ergeben, den sog. systembezogenen Tatbeständen.4
Als solche sind in einem marktwirtschaftlichen System in Anlehnung an BITZ
insbesondere zu nennen:5
1 Beide Begriffe werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet.
2 Vgl. GUTENBERG (1975), S. 192; WÖHE (2002); S. 6; KÜBLER (1996), S. 6; BITZ (2003a),
S. 15.
3 Vgl. BITZ (2003a), S. 10.
4 Vgl. GUTENBERG (1975), S. 189 – 190.
5 Vgl. BITZ (2003a), S. 11 – 14.
2 Definitionen
15
•
Autonomie: Der Betrieb ist frei in der Festlegung seiner Ziele und der zu
verfolgenden Geschäftspolitik (Interne Autonomie). Daneben erfolgt der
finanzielle und leistungsmäßige Verkehr mit anderen Wirtschaftseinheiten
grundsätzlich nach dem Prinzip der freien Vereinbarung von Leistung und
Gegenleistung (Externe Autonomie).
•
Privateigentum: Die Verfügungsgewalt über den Betrieb steht den privaten
Eigentümern zu. Diese können sie entweder unmittelbar selbst ausüben oder
sich hierzu angestellter Geschäftsführer bedienen.
•
Finanzielles Gleichgewicht:1 Als Minimalvoraussetzung für das eigene
Weiterbestehen muss der Betrieb jederzeit in der Lage sein, seine fälligen
Auszahlungsverpflichtungen zu erfüllen (Finanzielles Gleichgewicht im engeren Sinne). Langfristig muss der Betrieb daneben in der Lage sein, ohne
Gefährdung der zukünftigen Zahlungsfähigkeit weitere zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit notwendige Auszahlungsverpflichtungen einzugehen (Finanzielles Gleichgewicht im weiteren Sinne).
Als weiteres Merkmal wird im Schrifttum vielfach das erwerbswirtschaftliche
Prinzip genannt. Hierunter wird üblicherweise das Bestreben verstanden, die
Leistungserstellung und -verwertung so auszugestalten, dass der Gewinn maximiert wird (Prinzip der Gewinnmaximierung).2 Da die autonome Festlegung der
Zielgröße oben als konstitutives Merkmal eines marktwirtschaftlichen Betriebes
definiert wurde, soll hier allgemeiner vom Prinzip der Zielgrößenoptimierung
ausgegangen werden, wobei die Festlegung der konkreten Zielgröße(n) individuell
erfolgen kann. Zu beachten sind allerdings ggf. Nebenbedingungen, die sich etwa
aus der Rechtsordnung oder dem Prinzip des finanziellen Gleichgewichts ergeben.
Ein Unternehmen ist demnach ein autonomer, in Privatbesitz befindlicher Betrieb,
der unter Bestreben der Einhaltung des finanziellen Gleichgewichts und ggf. anderer Bedingungen eine autonom festgelegte Zielgröße optimiert.
Ein Unternehmen wird übernommen, wenn jemand die Kontrolle darüber erlangt.
Hierunter soll die Befugnis zur Festlegung der Ziele und Bestimmung der Geschäftspolitik verstanden werden. Aus den Prinzipien der Autonomie und des Pri-
1 Das finanzielle Gleichgewicht wird in der Literatur verbreitet auch den systemindifferenten
Tatbeständen zugeordnet, so auch bei GUTENBERG selbst, vgl GUTENBERG (1975), S. 189; ihm
folgend z.B. WÖHE (2002), S. 5. Eine Diskussion über die Zweckmäßigkeit der Zuordnung soll
hier unterbleiben, da die Einordnung als systembezogen oder systemindifferent für diese Untersuchung unerheblich ist. Vgl. zur Frage der Zuordnung BITZ (2003a), S. 13 – 14.
2 Vgl. z.B. WÖHE (2002), S. 6; KÜBLER (1996), S. 6; zum erwerbswirtschaftlichen Prinzip
grundlegend GUTENBERG (1976), S. 464 – 471.
15
16
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
vateigentums ergibt sich, dass die Kontrolle den Eigentümern zusteht. Zwar können sich die Eigentümer angestellter Geschäftsführer bedienen, die unter Umständen sehr frei über die Unternehmensressourcen bestimmen können, dennoch ist
die Kontrolle, die von diesen Personen ausgeübt wird, nur derivativer Natur. Es
wird hier insofern auf die originäre Kontrolle, die durch das Eigentum am Unternehmen vermittelt wird, abgestellt.
Für den Erwerb des Eigentums an einem Unternehmen sind grundsätzlich zwei
juristische Wege gangbar. Zum einen kann der Eigentumsübergang durch Einzelübertragung aller Vermögensgegenstände und Schulden erfolgen.1 Diese Möglichkeit des Erwerbs wird in der Literatur auch als asset-deal bezeichnet.2
Daneben besteht die Möglichkeit, Beteiligungsrechte an dem Rechtsträger des
Unternehmens zu erwerben. Das Unternehmen ist im deutschen Rechtssystem
nicht selbstständig rechtsfähig, kann also nicht selbst Träger von Rechten und
Pflichten sein. Es bedarf hierfür eines Rechtsträgers, der Inhaber aller Vermögensgegenstände und Träger aller im Unternehmen begründeten Verpflichtungen
ist. Rechtsträger können insbesondere Kapitalgesellschaften, aber auch Personengesellschaften sein. Für diese Form der Übertragung hat sich der Begriff sharedeal eingebürgert.3 Im Gegensatz zum asset-deal, bei dem das Eigentum an den
einzelnen Vermögensgegenständen wechselt, bleibt der Eigentümer an diesen
Gegenständen beim share-deal also unverändert, nämlich beim Unternehmensträger. Lediglich die Eigentumsverhältnisse bezüglich des Unternehmensträgers ändern sich.
Damit eine Übernahme vorliegt, müssen die mit der Beteiligung am Träger verbundenen Rechte allerdings ausreichen, um sich bei Interessendivergenzen gegen
die anderen Miteigentümer durchzusetzen.
1 Vgl. PETERSEN (1994), S. 17; FREI (1996), S. 7 – 8.
2 Vgl. z.Β. KÜBLER (1996), S. 10 – 12; STRASSER (2000), S. 5, LUCKS/MECKL (2002),S. 27 – 28;
WIESBROCK (2002), S. 2311.
3 Vgl. PICOT (1998), S. 27; LUCKS/MECKL (2002), S.- 27 – 28; WIESBROCK (2002), S. 2312.
2 Definitionen
2.2
17
Spezielle Definition: Übernahme einer börsennotierten
Aktiengesellschaft
Diese Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung von Übernahmen börsennotierter Aktiengesellschaften. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft stellt einen
besonderen juristischen Regelungsrahmen dar, in dem eine Unternehmung betrieben werden kann. Dieser zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, dass für ihre Verbindlichkeiten
nur das Gesellschaftsvermögen haftet und sich die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter aus ihrem Anteil an dem in Aktien zerlegten Grundkapital ergeben.1
Die Aktiengesellschaft ist als juristische Person Eigentümerin des Gesellschaftsvermögens und Subjekt der sie betreffenden Rechte und Pflichten.2 Börsennotiert
ist sie dann, wenn ihre Aktien an einem organisierten Markt gehandelt werden.
Als organisierte Märkte sollen in Deutschland in Übereinstimmung mit der Begriffsabgrenzung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes der amtliche
Handel und der geregelte Markt inkl. der Märkte bezeichnet werden, bei denen die
Zulassung im geregelten Markt erfolgt, der Handel jedoch im Freiverkehr im Sinne des § 78 Börsengesetz stattfindet.3
Grundsätzlich kann auch ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Unternehmen mittels Einzelübertragung der Vermögensgegenstände übernommen werden. Da diese Arbeit sich mit der Analyse des Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetzes beschäftigt und hierin ausschließlich die Übernahme
mittels Beteiligungserwerb behandelt wird,4 soll die Übernahme mittels sog. asset-deal jedoch ausdrücklich aus der Betrachtung ausgeschlossen werden.
Bei einer Übernahme einer Aktiengesellschaft mittels Beteiligungserwerb5 stellt
sich die Frage, wie hoch die quotale Beteiligung sein muss, damit ihr Inhaber die
Kontrolle über die Gesellschaft erlangt. Da mit verschieden hohen Beteiligungsquoten ein jeweils unterschiedlicher Umfang von Einflussmöglichkeiten einhergeht, sind grundsätzlich verschiedene Abstufungen denkbar. In der Literatur werden als Kontrollquoten etwa
1 Vgl. § 1 AktG.
2 Vgl. SCHMIDT (1997), S. 765; EISENHARDT (1999), S. 267.
3 Vgl. § 2 Abs. 7 WpÜG sowie BUNDESREGIERUNG (2001), S. 34. Vgl. hierzu auch Teil C 4.2.
4 Vgl. § 1 WpÜG.
5 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird entsprechend der vorgenommenen Eingrenzung nur noch
von Übernahme gesprochen.
17
Kapitel B
18
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
•
die hundertprozentige Beteiligung,
•
die Eingliederungsbeteiligung (³ 95 %),
•
die Dreiviertelmehrheit (³ 75 %),
•
die Mehrheitsbeteiligung (> 50 %) oder
•
die Sperrminorität (> 25 %)
genannt.1
Die genannten Quoten stellen aktienrechtlich fixierte Grenzen dar, die für bestimmte wesentliche Entscheidungen der Hauptversammlung mindestens notwendig sind. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es für eine Reihe von Entscheidungen bereits genügt, wenn der genannte Prozentsatz am bei der Beschlussfassung vertretenen Kapital erreicht wird, sodass im Einzelfall auch schon ein geringerer Anteil am gesamten Grundkapital ausreicht, um eine geplante Maßnahme
durchzusetzen. So eröffnet z.B. eine Mehrheit von ¾ des bei der Beschlussfassung
vertretenen Kapitals die Möglichkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages, mit dem die Aktiengesellschaft einem anderen Unternehmen weisungsgebunden unterstellt wird.2 Die einfache Mehrheit in der Hauptversammlung ermöglicht
u.a. die Besetzung des Aufsichtsrates,3 welcher wiederum den Vorstand bestellt.4
Daneben ist zu berücksichtigen, dass für zahlreiche Hauptversammlungsentscheidungen in der Satzung abweichende Kapitalmehrheiten bestimmt werden können.
Das Vorliegen von Kontrolle stellt im betrachteten Fall also keinen binären Zustand dar, sondern ein Kontinuum an mehr oder minder starken Einflussmöglichkeiten des Kontrollinhabers.
Insofern ergeben sich zwei gedanklich zu trennende Problembereiche:
•
Zunächst ist die Kontrollintensität festzulegen, die mindestens vorliegen
muss. Hierunter soll der Umfang oder Grad der Beeinflussungsmöglichkeiten verstanden werden, bei deren Vorliegen von Kontrolle gesprochen werden soll. Die Kontrollintensität konkretisiert sich in einem Anteil an dem in
einer Hauptversammlung vertretenen Kapital.
1 Vgl. EISENHOFER (1970), S. 12; KÜTING (1979), S. 1120; SCHUBERT/KÜTING (1981) (1981),
S. 245 – 247; LUCKS/MECKL (2002), S. 26 – 27.
2 Vgl. § 293 Abs. 1 AktG.
3 Vgl. §§ 101 Abs. 1 i.V.m. § 133 AktG. Es besteht allerdings die Möglichkeit, in der Satzung
einen höheren Prozentsatz festzulegen.
4 Vgl. § 84 Abs. 1 AktG.
2 Definitionen
•
19
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, bei welchem Anteil am Grundkapital davon ausgegangen werden kann, dass der Stimmenanteil in der Hauptversammlung groß genug ist, um die gewählte Kontrollintensität zu erreichen.
Die Lösung für beide Problembereiche ist vom Zweck der Betrachtung abhängig.
Bezüglich der Kontrollintensität können zwei grundsätzliche Sichtweisen unterschieden werden:
•
Die Kontrollintensität kann einerseits an den Zielen des Übernehmers ausgerichtet sein. Diese Betrachtungsweise stellt allein auf die individuellen
Absichten des Übernehmers ab.1
•
Andererseits wird vielfach versucht, eine allgemeingültige Intensität festzulegen, bei der Kontrolle in allen denkbaren Fällen vorliegen soll. Als solche
wird häufig die Kontrollintensität angesehen, die durch eine Hauptversammlungsmehrheit vermittelt wird.2 Dies ist insofern nahe liegend, da diese Beteiligungshöhe insbesondere durch eine Neubesetzung des Vorstands
die Bestimmung der laufenden Geschäftsführung ermöglicht. Selbst wenn
(zunächst) keine personelle Neubesetzung erfolgt, dürfte das allein mit der
Möglichkeit verbundene Drohpotential in vielen Fällen bereits ausreichen,
um auch den bestehenden Vorstand entsprechend beeinflussen zu können.
Die Festlegung der Quote am Grundkapital ergibt sich im zweiten Schritt bei festgelegter Kontrollintensität als Ergebnis einer Prognose über die Präsenz kommender Hauptversammlungen. Eine solche Prognose kann immer nur subjektiv vorgenommen werden.3 Dennoch können auch hier zwei unterschiedliche Herangehensweisen unterschieden werden:
•
Die Prognose kann für einen konkreten Einzelfall vorgenommen werden
und dessen individuelle Gegebenheiten berücksichtigen.
•
Alternativ dazu kann versucht werden, eine für alle Fälle gültige Quote am
Grundkapital zu finden, bei der typischerweise die festgelegte Kontrollintensität erreicht wird.
1 So z.B. KLUG (2001), S. 39.
2 Vgl. z.B. WATTER (1990), S. 29; STRASSER (2000), S. 5.
3 Im Rahmen dieser Arbeit soll allerdings auf die prinzipiell weiterhin denkbare Unterscheidung
nach unterschiedlichen Einschätzungen künftiger Hauptversammlungspräsenzen aus der Sicht
verschiedener Bewerter verzichtet werden.
19
20
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Aus der Kombination der beiden grundsätzlichen Ausprägungen der Lösungsansätze für die dargestellten beiden Problembereiche ergeben sich vier idealtypische
Möglichkeiten zur Bestimmung der Kontrollquote. Welche Vorgehensweise sinnvoll ist, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern ist vom Zweck
der Untersuchung abhängig.
Im Rahmen dieser Arbeit werden u.a. Bewertungskalküle sowohl aus der Sicht
des Übernehmers als auch aus der Perspektive der Aktionäre der Zielgesellschaft
eine wesentliche Rolle spielen.1 Die Bewertung ist dabei abhängig vom Erreichen
des Mindeststimmrechtsanteils, welcher die Einleitung vom Übernehmer geplanter Maßnahmen ermöglicht. Daher soll im Rahmen dieser Untersuchung für beide
Problembereiche eine individuelle Betrachtungsweise zu Grunde gelegt und wie
folgt definiert werden:
Als Übernahme einer börsennotierten Aktiengesellschaft wird der Erwerb
eines von den Zielen des Erwerbers abhängigen Mindeststimmrechtsanteils
am Grundkapital eines Unternehmens (Zielstimmrechtsquote) bezeichnet,
dessen Aktien an einem organisierten Markt gehandelt werden.
Es sei an dieser Stelle schon vorab darauf hingewiesen, dass das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Kontrolle abweichend von der obigen in doppeltem
Sinne individuellen Bestimmung einer Zielstimmrechtsquote allgemeingültig als
das Halten von 30 % am Grundkapital definiert.2 Begründet wird dies u.a. damit,
dass bei dieser Beteiligungsquote unter Berücksichtigung der üblichen Hauptversammlungspräsenzen börsennotierter deutscher Unternehmen in den meisten Fällen eine Hauptversammlungsmehrheit bestehe.3 Als ausschlaggebende Kontrollintensität wird also offenbar für alle denkbaren Fälle diejenige angesehen, die
durch eine Hauptversammlungsmehrheit vermittelt wird, und auch die Umsetzung
der Kontrollintensität in eine Quote am Grundkapital erfolgt durch eine Pauschalbetrachtung.4
Die im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung individuell definierte Zielstimmrechtsquote des Übernehmers kann (zufällig) mit dem gesetzlich bestimmten Anteil von 30 % übereinstimmen, muss es jedoch keinesfalls. Dies macht eine
begriffliche Differenzierung notwendig. Wenn im Rahmen dieser Arbeit daher
von Kontrolle oder Übernahme im Sinne des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes die Rede sein soll, so wird dies ausdrücklich hervorgehoben, andernfalls wird auf die individuelle Mindestquote aus Erwerbersicht abgestellt.
1 Vgl. Teile D und E.
2 Vgl. § 29 Abs. 2 WpÜG.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 53.
4 Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt C 4.3.
3 Erscheinungsformen von Übernahmen
3
Erscheinungsformen von Übernahmen
3.1
Überblick
21
In der Literatur finden sich zahlreiche Systematisierungen verschiedener Arten
von Übernahmen.1 Diese Darstellungen sind jedoch häufig relativ unbefriedigend,
da in der Regel nicht hinreichend klar wird, nach welchen Kriterien die Unterscheidung erfolgt. Zudem werden vielfach Ausprägungen einander gegenübergestellt, die sich auf völlig unterschiedliche Klassifikationskriterien beziehen.
Zur begrifflichen Erschließung des Phänomens der Übernahme börsennotierter
Aktiengesellschaften, und um dem Leser die Einordnung der im weiteren Verlauf
der Arbeit getroffenen Aussagen zu erleichtern, soll daher an dieser Stelle eine
Systematisierung nach ausgewählten Kriterien erfolgen. Die beschriebenen
Merkmalsausprägungen stellen dabei oftmals keine einander ausschließenden Alternativen dar, sondern idealtypische Erscheinungsformen, zwischen denen ein
Kontinuum aus Zwischen- oder Mischerscheinungen besteht, die in der Realität
vorkommen können.
Die Auswahl der Klassifikationskriterien erfolgte im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit und den weiteren Gang der Untersuchung. Sie könnte leicht um weitere
Merkmale verlängert werden und ist keinesfalls als abschließende Aufzählung zu
verstehen.
Es wird im Einzelnen systematisiert nach
•
der Technik des Beteiligungserwerbs,
•
der Art der Gegenleistung,
•
der Art der Finanzierung und
•
der Einstellung des Managements der Zielgesellschaft.
In diese Systematik werden zugleich verschiedene in der Literatur beschriebene
Arten von Übernahmen eingeordnet.
1 Vgl. z.B. HOFFMANN/RAMKE (1992), S. 20 – 30; SCHMUSCH (1998), S. 9 – 15; JANSEN (2000),
S. 35 – 60; LUCKS/MECKL (2002), S. 23 – 29.
21
22
3.2
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Technik des Beteiligungserwerbs
Hinsichtlich der Technik des Beteiligungserwerbs an einer börsennotierten Aktiengesellschaft kann zunächst danach differenziert werden, ob die Aktien an der
Börse oder außerbörslich erworben werden. Für den Fall des außerbörslichen Erwerbs wird zwischen individuell ausgehandelten Käufen und öffentlichen (Übernahme-)Angeboten unterschieden.1
Beteiligungserwerb
an der Börse
Individualvereinbarung
außerbörslich
Öffentliches
Angebot
Abb. B 1 Systematisierung von Formen des Beteiligungserwerbs (Quelle: HÖRNIG (1985), S. 31)
•
Der Beteiligungserwerb im Rahmen des Börsenhandels setzt ein entsprechendes Angebot von Aktien an den Wertpapierbörsen voraus.2 Da die im
üblichen Verkehr börsentäglich umgesetzten Aktien nur einen geringen
Bruchteil des gesamten Aktienbestandes ausmachen, wird man davon ausgehen können, dass der Aufbau einer größeren Beteiligung nur über einen
längeren Zeitraum möglich ist.3 Dies wird insbesondere dann der Fall sein,
wenn der Erwerb stillschweigend erfolgen soll.4 So wird in der möglichen
Geheimhaltung der Erwerbsabsicht bei gleichzeitigem sukzessiven Erwerb
häufig ein Mittel zur Bewältigung von möglichen Widerständen gegen die
1 Vgl. SCHIERENBECK (1975), S. 357 – 361; KÜTING (1979), S. 1121; HÖRNIG (1985), S. 31.
2 Vgl. KÜTING (1981), S. 251.
3 Vgl. SCHIERENBECK (1975), S. 358 – 359; KÜTING (1981), S. 251 – 254; HÖRNIG (1985),
S. 31.
4 Vgl. SCHIERENBECK (1975), S. 364; MICHALSKI (1997), S. S. 153; SCHUSTER/R UDOLF (1999),
S. 47.
3 Erscheinungsformen von Übernahmen
23
geplante Übernahme gesehen (sog. creeping-takeover).1 Denkbar ist jedoch
auch die öffentliche Mitteilung eines Erwerbsplanes.2
Neben der zeitlichen Unsicherheitskomponente, Börsenkursschwankungen
für im Vorhinein unbestimmte Zeiträume abschätzen zu müssen, besteht für
den Erwerber auch die Gefahr der Beeinflussung des Börsenkurses durch
die Käufe.3 Schon allein die durch die Erwerbe des Übernehmers erhöhte
Nachfrage dürfte c.p. zu höheren Kursen führen.4 Daneben können sich bei
Bekanntwerden der Übernahmeabsicht weitere Beeinflussungen der Kurse
durch Spekulationen sonstiger Anleger ergeben.5 Denkbar ist allerdings
auch eine Erhöhung des Angebots bzw. Senkung des Börsenkurses, etwa
weil Aktionäre mit einem Gelingen der Übernahme rechnen und die Aktien
für den Fall einer geglückten Übernahme geringer bewerten als bei Unabhängigkeit.
•
Ein zweiter grundsätzlicher Weg für den Beteiligungserwerb besteht in Individualvereinbarungen mit den derzeitigen Aktionären. Wegen der damit
verbundenen Informations- und Verhandlungskosten erscheint dieser Weg
nur dann sinnvoll, wenn hierdurch größere Beteiligungen von einzelnen
Großaktionären oder Aktionärsgruppen erworben werden können (Paketkauf).6 Dabei sind mitunter deutlich über dem aktuellen Börsenwert liegende Preise zu zahlen.7 Die Differenz zum Börsenwert wird in der Literatur
vielfach als Paketzuschlag oder Kontrollprämie bezeichnet.8 Sofern das zu
erwerbende Paket groß genug ist, kann allein durch den Paketkauf die Kontrolle erworben werden.
•
Als dritte elementare Möglichkeit des Beteiligungserwerbs ist ein öffentliches Angebot zu sehen. Hierunter soll die öffentliche Offerte eines Bieters
an die Aktionäre des zu übernehmenden Unternehmens verstanden werden,
1 Vgl. SCHIERENBECK (1975), S. 364; KLEIN (1997), S. 2085.
2 Vgl. ESCHER-WEINGART/KÜBLER (1998), S. 546.
3 Vgl. SCHIERENBECK (1975), S. 359; DIETRICH (1975), S. 53; HÖRNIG (1981), S. 32; KAISER
(1994), S. 39 – 40; FLASSAK (1995), S.151 – 152.
4 Vgl. FRANK (1993); S. 81 – 85; BUSCH (1996), S. 49.
5 Vgl. ASSMANN /BOZENHARDT (1990), S. 10 – 11; DIETRICH (1975), S. 53.
6 Vgl. SCHIERENBECK (1975), S. 361; BECKER (1990), S. 218; FLASSAK (1995), S. 152 – 153;
KLEIN (1997), S. 2085; MICHALSKI (1997), S. 153.
7 Vgl. BUSCH (1996), S. 50; FLASSAK (1995), S. 153; BOHRER (1997), S. 8 – 9.
8 Vgl. z.B. BUSCH (1995), S. 50; SCHUSTER /R UDOLF (1999), S. 47; mit konkreten Vorschlägen
zur Bemessung: BURKART/GROMB/PANUNZI (1998), S. 1 – 34.
23
24
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
deren Aktien zu festgelegten Konditionen außerhalb des Börsenhandels innerhalb einer gewissen Frist zu erwerben.1 Als öffentlich ist das Angebot
anzusehen, wenn es sich an eine Vielzahl von potenziellen Verkäufern wendet. Wenn die angestrebte Beteiligung zum Kontrollerwerb ausreicht, soll
auch von Übernahmeangebot gesprochen werden. Auch bei Übernahmeangeboten ist davon auszugehen, dass ein über dem aktuellen Aktienkurs
liegender Preis geboten bzw. bezahlt werden muss.2 Die Differenz kann
wiederum als Kontrollprämie interpretiert werden.3 4 Eine genauere
Beschreibung der grundsätzlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote erfolgt im nächsten Abschnitt.
Die drei beschriebenen Formen des Aktienerwerbs können auch in vielfacher
Weise miteinander kombiniert werden. So ist z.B. denkbar, dass ein Übernehmer
zunächst anonym Käufe an der Börse tätigt und erst nach Erreichen einer kleineren Beteiligung oder wenn die Übernahmeabsicht ruchbar wird, ein öffentliches
Übernahmeangebot macht. Parallel dazu könnten – sofern vorhanden – Pakete von
einzelnen Großaktionären außerhalb der Börse gekauft werden.5
3.3
Art der Gegenleistung
Als Gegenleistung kommen grundsätzlich sämtliche Vermögenswerte in Frage,
insbesondere aber Barmittel oder Wertpapiere.6 Abb. B 2 liefert eine Übersicht
über mögliche Gegenleistungen.
1 Vgl. (mit im Detail teilweise unterschiedlichen Definitionen): MEIER-SCHATZ (1987), S. 19;
ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 8; IMMENGA/NOLL (1990), S. 18 – 19; KUHR (1992), S. 12;
HAUSCHKA/ROTH (1992), S. 182.
2 Vgl. HIRT (1989), S. 54; BECKER (1990), S. 218..
3 Vgl. COHEN (1998), S. 580 – 581.
4 Eine empirische Untersuchung von BRADLEY kam zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche
Prämie in den betrachteten 161 erfolgreichen Übernahmefällen 49 % (bezogen auf den Börsenkurs zwei Monate vor der Bekanntgabe des öffentlichen Angebots als Referenzbasis) betrug.
Vgl. BRADLEY (1980).
5 Vgl. KÜTING (1978), S. 1753; KLUG (2001), S. 43.
6 Vgl. PELTZER (1986), S. 292; KLUG (2001), S. 43. Zum Auswahlproblem vgl. RAPPAPORT/
SIROWER (1999), LANGNER (1999),
3 Erscheinungsformen von Übernahmen
25
Gegenleistung
Wertpapiere
Abb. B 2
Sonstige
Vermögensgegenstände
Sonstige WP
Aktien
des Bieters
Bargeld
einer
anderen
AG
des Bieters
eines anderen Emittenten
Mögliche Arten der Gegenleistung bei Übernahmen
Bei Wertpapieren kann danach unterschieden werden, ob es sich um Aktien oder
andere Wertpapiere handelt. Sofern es sich beim Übernehmer seinerseits um eine
Aktiengesellschaft handelt, kann er eigene Aktien als Gegenleistung anbieten.
Diese können entweder aus einem gehaltenen Eigenbestand oder aus einer zu diesem Zweck vorgenommenen Kapitalerhöhung stammen. In diesem Fall tauscht
der Verkäufer seine Aktionärsstellung in der Zielgesellschaft gegen die Mitgliedschaft in der Übernehmergesellschaft. Ebenso können aber auch Aktien anderer
Unternehmen hergegeben werden. Dies können Tochterunternehmen des Bieters
oder auch sonstige Unternehmen sein.1
Als sonstige Wertpapiere kommen insbesondere Anleihen in Betracht. In diesem
Fall hat der Übernehmer die Möglichkeit, eigens zu diesem Zweck Schuldverschreibungen zu emittieren, mit denen er die erworbenen Aktien bezahlen kann.
Damit kann er die Anteile sozusagen im Rahmen des Kreditkaufs von den bisherigen Aktionären erwerben. Werden Wertpapiere anderer Emittenten gehalten,
können auch diese als Gegenleistung angeboten werden.2
Die hier genannten Arten von Gegenleistungen können allein oder nebeneinander
angeboten werden, sodass die Aktionäre ein Wahlrecht haben.3
1 Vgl. näher zu Aktien als Akquisitionswährung: SCHMITZ (1999).
2 Vgl. hierzu näher Abschnitt C. 3.3.
3 Vgl. KÜTING (1978), S. 1753.
25
26
3.4
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Art der Finanzierung
Vielfach finden sich in der Literatur Unterscheidungen hinsichtlich der Art der
Finanzierung von Übernahmen, wobei zumeist nur – in der Regel ohne nähere
Erläuterung, was hierunter im Einzelnen verstanden wird – zwischen Eigen- und
Fremdfinanzierung unterschieden wird.1 2 Diese zweigeteilte Systematisierung
bildet jedoch nur einen unvollständigen Ausschnitt der Finanzierungsmöglichkeiten ab. Bevor hierauf eingegangen wird, soll allerdings zunächst der – im Schrifttum teilweise recht unterschiedlich verwendete – Begriff der Finanzierung, welcher den nachfolgenden Ausführungen zu Grunde liegen soll, definiert werden.3
Unter Finanzierung einer Übernahme wird die Gesamtheit aller Maßnahmen
verstanden, die dazu dienen, die Mittel verfügbar zu machen, die als Gegenleistung für die zu erwerbenden Aktien der Zielgesellschaft hingegeben werden.4
1 Vgl. z.B. BOZENHARDT (1990), S. 88 – 94.
2 Übernahmen, die in hohem Umfang fremdfinanziert werden, werden dabei in Anlehnung an
den bekannten Leverage-Effekt vielfach als sog. Leveraged-Buy-Outs bezeichnet. Häufig werden zusätzliche Merkmale der Art genannt, dass die Rückführung des Kredites vollständig aus
der Ertragskraft des übernommenen Unternehmens erfolgen soll oder dass die Vermögenswerte
und der Cash-Flow der Zielgesellschaft zur Begleichung oder Besicherung der Kredite verwendet werden. Vgl. z.B. LERBINGER (1986), S. 133; WERNER (1989), S. 9; BRESSMER/
MOSER/SERTL (1989), S. 77; BEHRENS/MERKEL (1990), S. 57 – 59; BOZENHARDT (1990),
S. 88, HOFFMANN/RAMKE (1992), S. 22 – 24; RÖHRICH (1992), S. 24 – 25, BERGER (1993),
S. 16 –19; KESSEL (1995), S. 17 – 18; RENSINGHOFF/BÖHMERT (2001), S. 509 – 515. Dabei
bleibt jedoch im Einzelnen häufig unklar, was genau gemeint ist. Eine denkbare Interpretation
ist, dass die Autoren davon ausgehen, dass die zunächst vom Übernehmer aufgenommene Verbindlichkeit nach erfolgter Übernahme in irgendeiner Form auf das übernommene Unternehmen übertragen wird. Dies setzt nach deutschem Recht jedoch das Einverständnis des Gläubigers voraus. Daneben wäre die Schuldübernahme im Verhältnis zwischen Übernehmer und
Zielgesellschaft als Ausschüttung anzusehen. Daher ergeben sich einerseits Ausschüttungsbegrenzungen und andererseits werden ggf. bestimmte konzernrechtliche Minderheitsschutzvorschriften aktiviert. Ähnliches gilt für die bloße Stellung von Sicherheiten zugunsten des Kreditgebers des Übernehmers, die unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls wie eine Ausschüttung zu behandeln ist. Vgl. zu dieser Problematik SCHMID (1994), S. 152 – 155. Ohne in
dieser Arbeit näher auf diesen Aspekt einzugehen, ist insofern dennoch festzuhalten, dass die
undifferenzierte Übertragung dieses im amerikanischen Rechtsraum geprägten Begriffs und der
in diesem Rechtssystem damit verknüpften Probleme und Gefahren auf die Verhältnisse in der
Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Weiteres möglich erscheint. Zu Leveraged-Buy-Outs
in der amerikanischen Praxis: KESTER/L UEHRMAN (1995).
3 Vgl. zu verschiedenen Auffassungen des Begriffs Finanzierung: BITZ (1994), S. 189 – 191.
4 Diese Definition mag auf den ersten Blick etwas eigenwillig erscheinen. Üblicherweise wird
unter dem Begriff Finanzierung im Rahmen einer aktionsbezogenen Definition die Gesamtheit
der Maßnahmen zur Beschaffung von Zahlungsmitteln für die Leistung bestimmter betriebli-
3 Erscheinungsformen von Übernahmen
27
Damit ist die Unterscheidung nach der Art der Finanzierung eng verknüpft mit der
Frage nach der Art der Gegenleistung. Als solche sollen hier nur die beiden wohl
bedeutendsten Formen Barmittel und Wertpapiere betrachtet werden. Während bei
Käufen an der Börse nur Barmittel als Gegenleistung in Frage kommen, sind bei
außerbörslichen Käufen sowohl Barmittel als auch Wertpapiere möglich.1 Insofern soll hier die Beschaffung der als Gegenleistung für die Übernahme vorgesehenen Wertpapiere ebenfalls als Finanzierung der Übernahme angesehen werden.
Betrachtet man zunächst nur Barmittel, so kommen zur Beschaffung grundsätzlich
drei Finanzierungsquellen in Betracht:
•
die Auflösung von Liquiditätsreserven (Kassenbeständen),
•
Innenfinanzierung und
•
Außenfinanzierung.2
Letztere Finanzierungsform lässt sich anhand verschiedener Merkmale in Eigenund Fremdfinanzierung einteilen, wobei als wichtigstes Abgrenzungskriterium die
Rechtsstellung in der Insolvenz zu nennen ist.3 Danach werden alle Finanzierungsinstrumente,
•
bei denen der Geldgeber in der Insolvenz eine Gläubigerstellung einnimmt,
als Fremdfinanzierung bezeichnet und solche,
•
bei denen der Geldgeber keine Gläubigerstellung hat, zur Eigenfinanzierung
gezählt.4
Neben diesen beiden in der Literatur hervorgehobenen Arten der Außenfinanzierung ist die Beschaffung der Geldmittel jedoch – wie bei jeder Investition – ebenso aus der Innenfinanzierung, also dem Saldo von Einzahlungen aus Umsatzerlösen und den zur Umsatzerzielung laufend anfallenden Auszahlungen, sowie aus
der Auflösung vorhandener Liquiditätsreserven möglich.5 Daneben sind beliebige
cher Auszahlungen oder zum Aufbau von Liquiditätsreserven verstanden. Vgl. BITZ (2003b),
S. 2. Hiervon weicht die vorgelegte Definition jedoch nicht grundsätzlich ab, es wird allerdings
in diesem Zusammenhang ein weites Verständnis von Zahlungsmitteln zu Grunde gelegt.
1 Vgl. PELTZER (1986), S. 292; KLUG (2001), S. 43.
2 Vgl. zur näheren Beschreibung der Finanzierungsquellen: BITZ (2002), S. 6 – 9; BITZ (2003b),
S. 7 – 12.
3 Vgl. zu dieser Unterscheidung BITZ (2002), S. 10 – 14; BITZ (2003b), S. 13 – 16.
4 Vgl. BITZ (2002), S. 11.
5 Dabei soll allerdings nicht übersehen werden, dass die Auflösung vorhandener Liquiditätsreserven insofern eine Sonderstellung einnimmt, als entsprechende Bestände vorher durch Maß-
27
28
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Mischungen der Finanzierungsarten denkbar. Die Zuordnung einer Übernahme zu
einer bestimmten Art der Finanzierung kann sich in solchen Fällen also allenfalls
nach dem Schwerpunkt der Maßnahmen bzw. nach dem Volumen richten.1
Werden Wertpapiere als Gegenleistung hingegeben, so ist zunächst danach zu
unterscheiden,
•
ob diese eigens zum Zwecke der Übernahme ausgegeben werden (Emissionsfinanzierung) oder
•
ob keine Emission erfolgt, also die Wertpapiere zunächst angekauft werden
müssen bzw. sich bereits im Bestand befinden.
Im Fall der Emissionsfinanzierung sind die Ausgabe von Aktien und von Anleihen als besonders bedeutsame Grundformen anzusehen. Die jeweiligen Wirkungen sind ähnlich wie in dem Fall, dass Aktien oder Anleihen zunächst gegen Barmittel emittiert werden, welche dann als Zahlungsmittel verwendet werden. Bei
dieser Vorgehensweise wird jedoch ein Arbeitsschritt, nämlich die Hereinnahme
von Barmitteln, „eingespart“. Der Kreis der potenziellen Finanziers verengt sich
allerdings auf den Kreis der Aktionäre der Zielgesellschaft. Werden Aktien emittiert, um diese als Gegenleistung für Aktien der Zielgesellschaft anzubieten, so ist
hierfür eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechtes der Altaktionäre
notwendig, wobei die Aktien der Zielgesellschaft als Sacheinlage anzusehen sind.
Aktionäre, die das Angebot des Übernehmers annehmen, tauschen ihre Beteiligung an der Zielgesellschaft gegen eine Beteiligung an der Übernehmergesellschaft. Sie werden damit sozusagen selbst Eigenfinanziers der Übernahme ihrer
Gesellschaft. Analog verhält es sich bei der Ausgabe von Anleihen. Aktionäre der
Zielgesellschaft, die diese im Austausch gegen ihre Aktien akzeptieren, werden zu
Fremdfinanziers der Übernahme.
nahmen der Innen- oder Außenfinanzierung gebildet worden sein müssen. Umgekehrt stellen
der Auf- und Abbau von Zahlungsmittelbeständen notwendige Zwischenschritte bei der innenoder außenfinanzierten Übernahme mit Bargeld als Gegenleistung dar. Dennoch soll die Auflösung derartiger Reserven dann als eigenständige Finanzierungsquelle interpretiert werden,
wenn die Zahlungsmittelbestände nicht gezielt für die Übernahme gebildet wurden, sondern
wenn es sich um „allgemeine“ Kassenbestände handelt, die für im Vorhinein nicht näher bestimmte Zwecke gehalten werden.
1 Grundsätzlich ist schon die Zuordnung einzelner Finanzierungsmaßnahmen zu einer bestimmten Auszahlung als problematisch anzusehen. Letztlich steht den gesamten Auszahlungen im
Rahmen der Mittelverwendung, der auch die Auszahlungen für einen Unternehmenskauf zuzurechnen sind, die Gesamtheit der Netto-Einzahlungen aus den beschriebenen Finanzierungsquellen (Mittelherkunft) gegenüber. Ein gewisser Zusammenhang lässt sich jedoch dann konstatieren, wenn eine der genannten Finanzierungsmaßnahmen explizit durchgeführt wird, um
den zusätzlichen Finanzbedarf für eine Übernahme zu decken.
3 Erscheinungsformen von Übernahmen
29
Werden keine Wertpapiere emittiert, so müssen diese entweder aus einem vorhandenen Bestand entnommen oder zum Zwecke des Umtauschs eigens beschafft
werden. Emittent der angebotenen Wertpapiere kann entweder der Erwerber selbst
oder auch ein anderer sein. Ein bedeutsamer Unterfall dieser Finanzierungsform
dürfte das Angebot von im Bestand gehaltenen Aktien einer Tochtergesellschaft
des Erwerbers als „Akquisitionswährung“ sein. Müssen angebotene Wertpapiere
erst beschafft werden, so müssen diese entsprechend den obigen Ausführungen
durch Nutzung der beschriebenen Quellen finanziert werden.
Abb. B 3 fasst die beschriebenen Möglichkeiten der Finanzierung zusammen.
Möglichkeiten der Finanzierung
Gegenleistung
Bar
Auflösung
von Liquiditätsreserven
Innenfinanzierung
Wertpapiere
Außenfinanzierung
Eigenfinanzierung
Abb. B 3
Emissionsfinanzierung
keine
Emission
Fremdfinanzierung
aus
Bestand
Möglichkeiten der Finanzierung einer Übernahme
Beschaffung
29
30
3.5
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Einstellung des Managements der Zielgesellschaft
Häufig werden Übernahmen danach unterschieden, ob sie „freundlich“ oder
„feindlich“ durchgeführt werden. Unter einer „feindlichen Übernahme“ (auch
„unfriendly-Takeover“, „hostile Takeover“) versteht man eine solche, die nicht im
Einvernehmen mit dem Management der Zielgesellschaft verwirklicht wird, entweder weil eine Verständigung nicht erreicht werden konnte oder weil dies gar
nicht erst versucht wurde.1 Als „freundlich“ wird eine Übernahme demgegenüber
bezeichnet, wenn sie in Abstimmung mit dem Management der zu übernehmenden Gesellschaft, ggf. sogar mit dessen Hilfe, durchgeführt wird.
Diese gängige Begriffsverwendung ist als ausgesprochen problematisch zu bezeichnen. Die im allgemeinen Sprachgebrauch negative Belegung des Begriffes
„feindlich“ ordnet eine Übernahme ohne Beteiligung oder gegen den Willen des
Vorstandes der Zielgesellschaft von vornherein als etwas Unerwünschtes oder
Schädliches ein. Dabei ist es insbesondere fraglich, ob die Interessen des Managements für eine derartige Einordnung ausschlaggebend sein können.2 Für eine
ablehnende Haltung dieser Personengruppe können vielerlei eigene Interessen
ausschlaggebend sein, insbesondere wohl die Angst vor dem Verlust der eigenen
Position. Dass eine derartige nicht mit dem Management konsentierte Übernahme
gegenüber den Aktionären, also den Unternehmenseignern, als „feindlich“ einzustufen ist, kann jedenfalls nicht pauschal gesagt werden. Aus diesem Grund sprechen Teile der Literatur in diesem Zusammenhang auch statt von „feindlicher“
von einer „unkoordinierten“ Übernahme.3 Ob dieser Begriff wesentlich glücklicher gewählt ist, sei dahingestellt, immerhin vermeidet er die angesprochene
Problematik.
1 Vgl. HAUSCHKA /ROTH (1988), S. 182; WERNER (1989), S. 5; BECKER (1990), S. 218; NOLTE/
LEBER (1990), S. 573 – 574; HUEMER (1991), S. 143; RÖHRICH (1992), S. 16; BÄSTLEIN
(1997), S. 34 – 36; KLUG (2001), S. 39 – 40.
2 Vgl. hierzu ausführlich: BÄSTLEIN (1997), S. 34 – 36.
3 Vgl. EBENROTH/DAUM (1991), S. 1106. Ähnlich BASUALDA, die aus den gleichen Gründen
zwischen „umstrittenen“ („contested“) und „einverständlichen“ („agreed“) Übernahmen unterscheidet. Vgl. BASUALDA (1990), S. 160.
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
4
Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
4.1
Überblick
31
Öffentliche Angebote wurden oben als eine von mehreren denkbaren Arten des
Beteiligungserwerbs an einer Aktiengesellschaft beschrieben.1 Die zulässigen
Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote werden durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz erheblich eingeschränkt. Daher soll an dieser
Stelle zunächst eine Systematisierung und Beschreibung der prinzipiell möglichen
Gestaltungsalternativen vorgenommen werden. Es wird also von dem durch das
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vorgegebenen gesetzlichen Rahmen
zunächst noch abstrahiert. In die entwickelte Systematik werden auch verschiedene in der Literatur beschriebene Erscheinungsformen eingeordnet. Auf diesen
Ausführungen aufbauend wird im folgenden Teil C untersucht, inwieweit die aufgezeigten Alternativen nach den Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes rechtlich erlaubt sind. Als wesentliche Gestaltungsfelder für öffentliche Übernahmeangebote sind zu nennen:
•
Rechtliche Bindungswirkung,
•
Art der Gegenleistung,
•
Preisregeln,
•
Art der nachgefragten Wertpapiere,
•
Mengenregeln,
•
Zuteilungsregeln,
•
Annahmefrist,
•
Zusammenarbeit mit Finanzintermediären sowie
•
Wiederholung und Änderung des Angebots.
Die einzelnen Felder mit ihren Wahlmöglichkeiten werden im Nachfolgenden
genauer beschrieben. Im Anschluss daran wird die entwickelte Systematik abschließend noch einmal anhand eines realen Beispiels für ein Übernahmeangebot
verdeutlicht.
1 Vgl. Abschnitt B 3.2.
31
32
4.2
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Rechtliche Bindungswirkung
Hinsichtlich der rechtlichen Bindungswirkung kann grundsätzlich danach unterschieden werden, ob die Offerte als rechtlich verbindliches Angebot oder als Aufforderung an die Aktionäre, ihre Aktien anzubieten, formuliert ist.1
Das Angebot ist rechtlich verbindlich, wenn es die Vertragsbedingungen in einer
Weise vollständig zusammenfasst, dass der Aktionär durch bloße Annahmeerklärung den Kaufvertrag wirksam entstehen lassen kann, und wenn es den Rechtsfolgewillen erkennen lässt.2
Die Aufforderung, ein Angebot abzugeben (invitatio ad offerendum), stellt
demgegenüber keine rechtlich verbindliche Willenserklärung dar, da ihm der
Rechtsfolgewille fehlt.3 Sie ermöglicht die Entscheidung über die Annahme der
einzelnen Angebote in Kenntnis der gesamten abgegebenen Gebote vonseiten der
Aktionäre. Insofern stellt diese Form des öffentlichen Angebots nichts anderes dar
als ein Zeichnungsverfahren, wie man es von der Emission von Wertpapieren
kennt. Der grundsätzliche Unterschied besteht allein darin, dass bei der Emission
Wertpapiere angeboten und beim öffentlichen (Übernahme-)Angebot nachgefragt
werden. Insofern lassen sich eine Reihe von Erkenntnissen, die in Bezug auf Emissionsverfahren gewonnen wurden, auch auf öffentliche Angebote übertragen.
Das Angebot kann weiterhin mit verschiedenen aufschiebenden oder auflösenden
Bedingungen oder Rücktrittsvorbehalten ausgestattet sein, die die Rechtsverbindlichkeit des Angebots einschränken.4 Ein Interesse des Bieters an solchen
Bedingungen kann sich insbesondere aus der Gefahr der Änderung wesentlicher
Rahmendaten im Laufe des Angebotsverfahrens ergeben. Unter Umständen müssen auch noch bestimmte kartellrechtliche oder sonstige Erlaubnisse eingeholt
werden. Von besonderem Interesse für den Bieter dürfte die mögliche Bedingung
sein, dass das öffentliche Angebot nur gilt, wenn eine bestimmte Mindestbeteiligung erreicht werden kann.5 Auf diese Weise kann der Bieter sicherstellen, dass
er bei Nichterreichen der Zielstimmrechtsquote nicht gezwungen ist, eine Beteili-
1 Vgl. WERNER (1989), S. 10; ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 83; RIEMER/SCHRÖDER
(2001), S. 4.
2 Vgl. LARENZ/WOLF (1997), S. 575 – 576; HEINRICHS (2003), § 145 Rn. 1 – 2.
3 Vgl. LARENZ/WOLF (1997), S. 576; HEINRICHS (2003), § 145 Rn. 2.
4 Vgl. KÜTING (1981), S. 257; ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 88, 93.
5 Vgl. OTTO (1988), S. 4; SCHMID (1999), S. 405.
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
33
gung zu erwerben, die ohne den gewünschten Stimmrechtsanteil unter Umständen
für ihn von deutlich geringerem Wert ist.1 2
Umgekehrt kann der Bieter aber auch dem Aktionär für den Zeitraum nach der
Erklärung der Annahme bis zum Ablauf der Annahmefrist ein Rücktrittsrecht einräumen. Für die Aktionäre der Zielgesellschaft kann dies vor allem dann von
Vorteil sein, wenn sich innerhalb dieser Frist andere, bessere Verkaufsgelegenheiten ergeben, etwa weil ein konkurrierendes Angebot zu günstigeren Konditionen durch einen anderen Bieter erfolgt.3 Für den Bieter sind mit der Einräumung
eines Rücktrittsrechts sowohl Vorteile wie auch Nachteile verbunden. Einerseits
besteht zwar die Gefahr, dass Aktionäre die das Angebot bereits angenommen
haben, hiervon zurücktreten, andererseits kann aber die Nichtgewährung eines
Rücktrittsrechts dazu führen, dass die Zielgesellschaftsaktionäre in Erwartung
besserer Verkaufsgelegenheiten ihre Annahmeerklärung verzögern.4
4.3
Art der Gegenleistung
Als Gegenleistung für einen Aktienkauf im Rahmen eines öffentlichen Angebots
kommen grundsätzlich alle in Abschnitt 3 bereits beschriebenen denkbaren Gegenleistungen in Frage. Praktische Relevanz dürften jedoch nur Bargeld und
Wertpapiere haben. Zur weiteren Differenzierung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 5
1 Vgl. KÜTING (1978), S. 1753.
2 Vgl. zum Bewertungskalkül des Übernehmers Teil E.
3 Vgl. RIEHMER /SCHRÖDER (2001), S. 13.
4 Vgl. RIEHMER /SCHRÖDER (2001), S. 6 – 7.
5 Vgl. Abschnitt 3.3.
33
34
4.4
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Preisregeln
Das Ergebnis des Übernahmeprozesses mittels öffentlichen Angebots ist im Kern
dadurch bestimmt, zu welchem Preis wie viele Aktien von wem erworben wurden.
Zentrales Gestaltungsfeld für dieses Ergebnis sind die Regeln zur Preisfestlegung,
Mengenfestlegung und Repartierung, welche eng miteinander verzahnt und interdependent sind.1
Preisregeln können grundlegend danach unterschieden werden, ob der Preis angebotsorientiert festgelegt wird oder nicht.2
Preisregeln
Festpreisverfahren
absolute
Festpreise
Abb. B 4
Reaktionspreisverfahren
relative
Festpreise
Grundtypen von Preisregeln
Die nicht angebotsorientierte Festlegung soll auch als Festpreisverfahren bezeichnet werden.3 Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der Preis einseitig vom
Bieter unabhängig von konkreten Angeboten festgelegt wird. Das bedeutet nicht,
dass hierbei nicht etwa auch die erwartete Angebotslage bei der Preisfestlegung
berücksichtigt würde, das Angebot wird nur nicht explizit erhoben. Der Preis kann
im einfachsten Fall eindeutig nummerisch fixiert sein (absoluter Festpreis). Er
kann jedoch auch nur durch eine im Vorhinein festgelegte Rechenregel an eine
andere (orderunabhängige) Größe gekoppelt sein und erst am Ende der Angebotslaufzeit nummerisch konkretisiert werden (relativer Festpreis).4 Als Bezugs-
1 Die nachfolgende Darstellung von Preis-, Mengen- und Repartierungsregeln ist orientiert an
zwei im Kern ähnlichen Systematisierungen entsprechender Regeln bei Emissionsverfahren
von BITZ und TERSTEGE, die hier mit einigen Modifikationen auf öffentliche Angebote zum
Aktienerwerb übertragen werden. Vgl. TERSTEGE (2002), S. 7 – 13; BITZ (2003c), S. 74 – 95.
2 Ähnlich KÜTING (1978), S. 1753.
3 Vgl. ESCHER-WEINGART/KÜBLER (1998), S. 546.
4 Vgl. RIEMER /SCHRÖDER (2001), S. 5; BITZ (2003c), S. 80 – 81 (für Emissionen).
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
35
größe kommen theoretisch alle beobachtbaren Größen bis hin zu lotterieähnlichen
Preisauslosungen in Betracht, vor allem aber wohl bestimmte Aktienindizes, der
Kurs der Aktien der Zielgesellschaft zu einem bestimmten Stichtag oder auch,
wenn es sich beim Übernehmer selbst um eine börsennotierte Aktiengesellschaft
handelt, der Kurs deren Aktien.
Als Reaktionspreisverfahren sollen dagegen alle Verfahren bezeichnet werden,
in denen der Preis, zu dem die Aktien gekauft werden sollen, erst am Ende der
Laufzeit des Übernahmeangebots angebotsabhängig festgelegt wird. Die Orders
der Aktionäre müssen dafür – anders als beim Festpreisverfahren – nicht nur
mengenmäßig bestimmt sein, sondern auch unter Angabe des Mindestpreises abgegeben werden, zu dem die Aktionäre zum Verkauf bereit sind. Die Festlegung
des Preises erfolgt dann nach einer formalisierten Regel oder nach Ermessen des
Bieters. Gekauft werden nur Aktien, die zu einem Limit nicht oberhalb des festgesetzten Preises angeboten wurden. Bei genau auf den festgelegten Preis limitierten
Angeboten besteht u.U. die Notwendigkeit der Repartierung.
Bei sämtlichen dargestellten Verfahren besteht ein weiterer Gestaltungsparameter
in der Möglichkeit der Preisdifferenzierung. Diese kann insbesondere an persönlichen Merkmalen der Aktionäre oder an Merkmalen ihrer Orders anknüpfen.
Besondere empirische Relevanz scheinen dabei eine Preisdifferenzierung nach
dem zeitlichen Ordereingang und nach dem Limit zu haben.1 So finden sich in der
Literatur Hinweise auf in den Vereinigten Staaten durchgeführte sog. Two-TierOffers. Darunter wird ein Angebot verstanden, bei dem die Laufzeit in zwei Zeiträume eingeteilt ist. Schließen die Aktionäre im ersten Zeitabschnitt ab, so erhalten sie einen höheren Preis.2 Wird den Aktionären bei Reaktionspreisverfahren
genau der von ihnen geforderte Preis gezahlt, so spricht man auch von einem sog.
amerikanischen Tender.3 Werden dagegen alle Aktien zu einem Einheitskurs erworben, wird dies als holländischer Tender bezeichnet.4
1 Vgl. ASSMANN /BOZENHARDT (1990), S. 85, mit empirischen Belegen.
2 Vgl. BROWN (1992), S. 649.
3 Vgl. KLUG (2001), S. 27
4 Vgl. BROWN (1992), S. 650; ESCHER-WEINGART/KÜBLER (1998), S. 546; KLUG (2001), S. 27.
35
Kapitel B
36
4.5
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Art der nachgefragten Wertpapiere
Grundsätzlich kann ein öffentliches Angebot auf den Erwerb von beliebigen
Wertpapieren gerichtet sein. Im hier interessierenden Zusammenhang sollen jedoch nur solche Wertpapiere betrachtet werden, die eine (Mit-)Eigentümerstellung
begründen können. Dies sind in erster Linie Aktien der Zielgesellschaft.
Aktien können hinsichtlich verschiedener Merkmale unterschiedlich ausgestaltet
sein. Die Gattung einer Aktie bestimmt sich aus der Kombination der Ausprägungen dieser Merkmale. Unterscheidet man die Merkmalsausprägungen
–
Nennwert- oder Stückaktien,
–
Inhaber- oder Namensaktien,1
–
Stamm-, Vorzugs- oder kumulative Vorzugsaktien,
–
stimmberechtigte oder stimmrechtslose Aktien sowie
–
voll eingezahlte oder nicht voll eingezahlte Aktien,
so ergeben sich rein kombinatorisch 48 denkbare Aktiengattungen, von denen als
Folge einschränkender gesetzlicher Vorschriften in Deutschland jedoch nur 24
erlaubt sind.2 Tabelle B 1 verdeutlicht die zulässigen Varianten:
Inhaberaktie
voll eingezahlt
Namensaktie
voll eingezahlt
ausstehende
Einlagen
Nennwert
Stück
Nennwert
Stück
Nennwert
Stück
Stammaktie
mit
Stimmrecht
1
2
3
4
5
6
Vorzugsaktie
mit
Stimmrecht
7
8
9
10
11
12
mit
Stimmrecht
13
14
15
16
17
18
ohne
Stimmrecht
19
20
21
22
23
24
Kumulative
Vorzugsaktie
Tab. B 1
Zulässige Aktiengattungen (Quelle: BITZ (2003c), S. 50)
1 Auf eine weitere Unterscheidung in vinkulierte und nicht vinkulierte Namensaktien wird hier
verzichtet.
2 Vgl. zur näheren Beschreibung der Merkmalsausprägungen: BITZ (2003c), S. 29 – 50.
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
37
Dabei kann ein Unternehmen durchaus mehrere dieser zulässigen Aktiengattungen zur gleichen Zeit im Umlauf haben. Allerdings dürfen nicht alle Gattungen
uneingeschränkt nebeneinander existieren. Eine Gesellschaft darf nicht gleichzeitig Nennwert- und Stückaktien emittiert haben.1 Damit verbleiben theoretisch
immerhin noch bis zu 12 Aktiengattungen, die von einem Unternehmen gleichzeitig im Umlauf sein können.
In diesem Fall kann das öffentliche Angebot von vornherein nur auf eine bestimmte Gattung von Aktien beschränkt sein.2 Von besonderer Bedeutung dürfte
die Unterscheidung zwischen stimmberechtigten und stimmrechtslosen Aktien
sein, die in Deutschland nur als kumulative Vorzugsaktien zulässig sind.3 Bei
einem Übernahmeangebot will der Bieter die Kontrolle an der Zielgesellschaft
erwerben, die sich in einem Zielstimmrechtsanteil manifestiert. Insofern stellt sich
für ihn die Frage, ob er auch nicht stimmberechtigte Aktien erwirbt.
Neben Aktien kann der Erwerber auch solche Wertpapiere nachfragen, die zwar
selbst keine Aktien darstellen, aber zum Bezug von Aktien berechtigen. Dabei ist
in erster Linie an Wandelanleihen, Optionsanleihen und ähnliche Papiere zu denken.
4.6
Mengenregeln
Ist die Gattung der nachgefragten Wertpapiere bestimmt, so ist noch festzulegen,
wie hoch die Menge ist, auf die sich das öffentliche Erwerbsangebot erstrecken
soll. Üblicherweise wird bei der Beschreibung von Möglichkeiten für die Ausgestaltung von Übernahmeangeboten – zumindest implizit – von einer von vornherein festgelegten (maximalen) nachgefragten Menge ausgegangen.4 Ähnlich
wie bei der Preisfestlegung ist jedoch auch die Festlegung der Menge nach Einholung und Auswertung von Verkaufsorders der aktuellen Aktionäre in Abhängigkeit vom sich ergebenden Angebot möglich. Abb. B 5 gibt einen Überblick
über die grundlegenden Ausgestaltungsmöglichkeiten von Mengenregeln.
1 Vgl. § 8 Abs. 1 AktG; HEIDER (2000), § 8 AktG, Rn. 62 – 63.
2 Vgl. zu verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten für Aktien BITZ (2003c), S. 29 – 50.
3 Vgl. § § 139 Abs. 1 AktG.
4 Vgl. z.B. KÜTING (1978), S. 1751 – 1755; ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 88 – 89; BROWN
(1992), S. 649 – 650; COHEN (1998), S. 580 – 581.
37
Kapitel B
38
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Mengenregeln
angebotsunabhängig
Vollangebot
Abb. B 5
angebotsabhängig
Teilangebot
Grundtypen von Mengenregeln
Die nachgefragte Menge kann von vornherein angebotsunabhängig eindeutig
fixiert sein. In diesem Fall ist die Unterscheidung danach, ob das Angebot auf alle
Aktien (Vollangebot) oder nur auf das Erreichen einer bestimmten Höchstquote
(Teilangebot) gerichtet ist, von Bedeutung.1 Daneben kann die Menge auch analog zu den zur Preisbestimmung dargestellten Regeln erst nach Ende der Laufzeit
in Abhängigkeit von der Orderlage festgelegt werden.
4.7
Repartierungsregeln
Sind – unabhängig davon, ob von vornherein fixiert oder erst nach Angebotsauswertung – Preis und Menge festgelegt, kann die Situation auftreten, dass die zum
festgesetzten Preis nachgefragte Menge kleiner ist als die zu diesem Preis angebotene.2 In dieser Situation besteht die Notwendigkeit festzulegen, von wem Aktien in welchem Umfang gekauft werden sollen (Repartierung). Abb. B 6 gibt
einen Überblick über mögliche Ansätze zur Repartierung, die entweder einzeln
oder auch in Kombination angewendet werden können.3
1 Vgl. ASSMANN /BOZENHARDT (1990), S. 8, 88 – 89; FREI (1998), S. 20 – 21.
2 Vgl. FREI (1998), S. 20 – 21.
3 Vgl. TERSTEGE (2002), S. 12 – 13.
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
39
Repartierungsregeln
Sonstige
Kriterien
pro rata
Ordermerkmale
Auslosung
Verkäufermerkmale
Abb. B 6
Grundtypen von Repartierungsregeln
Bei der Repartierung pro rata wird von allen zum Verkauf eingereichten Aktien
der Bruchteil gekauft, der sich als Quotient der Nachfrage und der gesamten angebotenen Menge ergibt.
Ordermerkmale, an denen die Repartierung anknüpfen kann, sind z.B. der Zeitpunkt der Einreichung der Aktien oder bei Reaktionspreisverfahren die geforderten Preise. Werden diese Kriterien im öffentlichen Angebot bekannt gemacht,
kann dadurch ggf. das Verhalten der Aktionäre beeinflusst werden. So können
z.B. die berücksichtigungsfähigen Orders in der Reihenfolge des Eingangs erfüllt
werden, um einen Anreiz zur frühzeitigen Einreichung zu geben. Eine Bevorzugung niedrigerer Limite kann u.U. dazu führen, dass Aktien insgesamt preiswerter
angeboten werden.
Denkbar ist auch eine Ausrichtung an persönlichen Verkäufermerkmalen. Hierbei sind zwei Gesichtpunkte relevant. Zum einen kann es im Interesse des Käufers
liegen, bestimmte Verkäufergruppen aus den unterschiedlichsten Gründen bevorzugt zu behandeln. Zum anderen kommt vor allem der Möglichkeit besondere
Bedeutung zu, durch die Auswahl der Verkäufer den Kreis der verbleibenden
Minderheitsaktionäre mitzubestimmen. Um die Kontrollausübung über die Zielgesellschaft zu erleichtern, ist es aus Sicht des Übernehmers von Vorteil, einen
Kreis von Minderheitsaktionären zu behalten, der nach seiner Einschätzung an der
Mitwirkung an der Geschäftsführung wenig oder kein Interesse hat.
Eine Repartierung kann auch durch Auslosung erfolgen. Dabei sind die unterschiedlichsten Zufallsverfahren zur Bestimmung der zu erfüllenden Verkaufsorders möglich. Neben vielen Varianten können zwei grundsätzliche Verfahren unterschieden werden: Eine Vorgehensweise könnte etwa darin bestehen, dass so
lange Orders nach dem Zufallsprinzip ausgelost werden, bis die nachgefragte
Menge erreicht wird, wobei der letzte „gezogene“ Auftrag nur noch in dem Um-
39
40
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
fang erfüllt wird, dass die Nachfrage genau abgedeckt wird. Bei diesem Verfahren
wird – bis auf die zuletzt ausgeloste – jede Verkaufsorder, wenn sie erfüllt wird,
auch vollständig erfüllt. Daneben wäre ebenso denkbar, dass jede einzelne zu kaufende Aktie aus allen angebotenen ausgelost wird. Hierdurch würden die einzelnen Aufträge der Aktionäre nur im Ausnahmefall vollständig ausgeführt, dafür
könnten aber mehr Orders zumindest teilweise berücksichtigt werden.
Darüber hinaus ist eine Vielzahl von sonstigen Kriterien zur Repartierung vorstellbar. Beispielsweise können Mindest- oder Höchstmengen für die einzelnen
Anbieter festgelegt werden. Mindestmengen können etwa dazu beitragen, Transaktionskosten orderfixer Art zu verringern. Höchstmengen erlauben es, eine größere Anzahl von Anbietern bedienen zu können.
Die Möglichkeiten der Kombination verschiedener Repartierungsregeln eröffnen
eine nahezu unbegrenzte Vielfalt an konkret ausführbaren Repartierungsverfahren. Vielfach wird in der Literatur aus – wie auch immer im Einzelnen begründeten – Gerechtigkeitsüberlegungen die Zuteilung pro rata als vorziehenswert gegenüber anderen Verfahren angesehen.1 Ohne diesen Aspekt näher zu vertiefen
sei hier nur darauf hingewiesen, dass andere Gestaltungen je nach Betrachtungsweise und Begriffsverständnis als mindestens genauso „gerecht“ angesehen werden können, etwa eine Verlosung, bei der für alle Chancengleichheit besteht.
4.8
Annahmefrist
Der Bieter muss eine Frist festlegen, innerhalb deren die Annahme eines verbindlichen Angebots bzw. bei einer invitatio ad offerendum ein Angebot vonseiten der
Aktionäre abgegeben werden kann. Dabei wird in der Literatur vielfach betont,
eine kurze Frist setze die Aktionäre unter erhöhten Verkaufsdruck.2 Daneben
kann eine tendenziell kurze Annahmefrist die Gefahr von Abwehrmaßnahmen des
Vorstands der Zielgesellschaft sowie die Abgabe konkurrierender Angebote möglicher Mitbewerber verringern.3 Schließlich dürfte der Bieter ein Interesse daran
haben, das Übernahmeverfahren nicht durch eine lange Annahmefrist unnötig in
die Länge zu ziehen. Auf der anderen Seite kann es jedoch sein, dass einzelne
Aktionäre erst nach einiger Zeit von dem Angebot Kenntnis erhalten oder auf das
Angebot reagieren. Daher kann eine längere Annahmefrist auch mit einer höheren
Annahmequote einher gehen.
1 Vgl. z.B. ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 89.
2 Vgl. z.B. OTTO (1988), S. 4; BACHMANN (1992), S. 124.
3 Vgl. KÜTING (1978), S. 1753; SCHUBERT/KÜTING (1981), S. 257.
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
4.9
41
Zusammenarbeit mit Finanzintermediären
Als weiteres großes Gestaltungsfeld eröffnet sich für den Bieter die Zusammenarbeit mit Finanzintermediären.1 Zunächst steht er vor der grundsätzlichen Entscheidung, ob er das Angebotsverfahren vollständig selbst durchführen will
(Selbstabwicklung) oder ob er in mehr oder weniger starkem Umfang die Hilfe
von Finanzintermediären in Anspruch nehmen will (Fremdabwicklung). Die
Tätigkeiten des Finanzintermediärs können sehr vielfältig sein und von reinen
Beratungsleistungen für Einzelprobleme bis zur gesamten Abwicklung über einen
Intermediär oder ein Konsortium gehen, welches die Aktien zunächst aufkauft und
erst in einem zweiten Schritt an den Übernehmer abtritt.2 Auf eine nähere Analyse
denkbarer Funktionen von Intermediären im Übernahmeprozess soll im Rahmen
dieser Arbeit allerdings verzichtet werden.
4.10
Wiederholung und Änderung des Angebots
Ist der Bieter nicht durch gesetzliche Regulierungen des Angebotsverfahrens gehindert, könnte er zunächst ein Angebot abgeben und die Reaktion der Aktionäre
der Zielgesellschaft darauf beobachten. In Abhängigkeit von der Reaktion könnte
er dann die Konditionen des laufenden Angebots abändern.
Denkbar ist z.B. eine Erhöhung des gebotenen Preises, wenn die Anzahl der eingereichten Aktien zum ursprünglichen Preis hinter den Erwartungen bzw. Wünschen des Bieters zurückbleibt (sog. Staffelangebot).3 In diesem Fall ergibt sich
als weiterer Parameter die damit zusammenhängende Frage, wie die Aktionäre zu
behandeln sind, die bereits auf das ursprüngliche Angebot reagiert haben. Der
Bieter könnte diesen Aktionären u.U. nur den ursprünglichen Preis zahlen, zu dem
diese ja bereits akzeptiert haben, oder ebenfalls den höheren neuen Preis.4 Eine
Nachbesserung auch für diesen Personenkreis bedeutet c.p. zwar einen höheren
Preis für deren Aktien, kann aber mit anderen Vorteilen einher gehen, die insgesamt preismindernd wirken. So sieht z.B. KÜTING in einer publizierten Nachbesserungsverpflichtung innerhalb des Angebots eine Möglichkeit, der Hinauszöge-
1 Zur Rolle von Finanzintermediären am Markt für Unternehmenskontrolle vgl. KAISER (1994);
PETERS (1999).
2 Vgl. KÜTING (1978), S. 1753 – 1754.
3 Vgl. ASSMANN /BOZENHARDT (1990), S. 91 – 92; RIEHMER/SCHRÖDER (2001), S. 12 – 13.
4 Vgl. zu dieser Problematik bereits MANNE (1967), S. 247 – 248.
41
Kapitel B
42
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
rung der Einreichung von Aktien zu begegnen, wenn die Aktionäre mit einer späteren Verbesserung des Angebots rechnen. 1
Aber auch bezüglich anderer Konditionen sind Änderungen während der Angebotslaufzeit vorstellbar, etwa die Offerierung zusätzlicher Wahlmöglichkeiten
hinsichtlich der Art der Gegenleistung, eine Verlängerung oder vorzeitige Beendigung der Annahmefrist oder der Verzicht auf zunächst gestellte Bedingungen.
Eine ähnliche Wirkung kann der Bieter damit erreichen, dass er nicht die Bedingungen während der Laufzeit ändert, sondern nach Ablauf der Annahmefrist ein
neues Angebot mit anderen Konditionen abgibt.
4.11
Abschließendes Beispiel
Um die entwickelte Klassifikation von Gestaltungsmöglichkeiten bei Übernahmeangeboten noch einmal zu verdeutlichen, soll zum Abschluß dieses Abschnitts ein
reales Übernahmeangebot nach den dargelegten Kriterien kurz beschrieben werden. Hierzu soll das Übernahmeangebot der August Thyssen-Hütte AG an die
Aktionäre der Rheinstahl AG aus dem Jahr 1973 verwendet werden. Das Angebot
wurde trotz des älteren Datums bewusst ausgewählt, weil es eine ganze Reihe von
Gestaltungsformen enthält, die – wie in Teil C noch näher dargelegt wird – nach
dem heute gültigen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz gar nicht mehr
zulässig wären. Daneben mag das gewählte Beispiel vielleicht dem gelegentlich
zumindest unterschwellig vermittelten Eindruck entgegenwirken, öffentliche
Übernahmeangebote seien in Deutschland etwas vollkommen Neues und hätten
erst in den letzten Jahren an – wie auch immer gemessener – Bedeutung gewonnen.
Beispiel B 1:
Angebot an die Aktionäre der Rheinstahl Aktiengesellschaft2
Die August Thyssen-Hütte AG ist daran interessiert, eine Mehrheitsbeteiligung an der Rheinstahl AG zu erwerben. Sie bietet im Einvernehmen mit dem Vorstand und Aufsichtsrat der
Rheinstahl AG den Aktionären der Gesellschaft die Möglichkeit, Aktien der Rheinstahl AG
zum Preise von DM 125,- je Aktie im Nennwert von DM 100,- an ein Bankenkonsortium zu
veräußern. Das unter der Führung der Dresdner Bank AG und der Deutsche Bank AG stehende Bankenkonsortium wird die Rheinstahl-Aktien für die August Thyssen-Hütte AG hereinnehmen.
1 Vgl. KÜTING (1978), S. 1753.
2 Abgedruckt in SCHUBERT/KÜTING (1981), Anhang II 9.
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote
43
Die Vorstände der Rheinstahl AG und der August Thyssen-Hütte AG haben Möglichkeiten der
Kooperation geprüft. Die Prüfungen haben erwiesen, daß ein Zusammengehen dieser beiden
Unternehmen erhebliche Chancen der Kostensenkung in Einkauf, Produktion und Absatz erschließen würde, vor allem auf den Gebieten Edelstähle, Grob- und Mittelbleche, Werften,
Stahlbau und Gießerei. Die Vorstände beider Unternehmen sind davon überzeugt, daß die
Verwirklichung dieser Chancen auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, zumal die jüngste Entwicklung auf dem Währungsgebiet den Ausleseprozeß der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe beschleunigen dürfte. Sie befürworten eine Unterlegung durch eine kapitalmäßige Beteiligung.
Die Aktionäre der Rheinstahl AG, die von der Möglichkeit Aktien anzubieten Gebrauch machen wollen, werden gebeten, ihre Rheinstahl-Aktien mit Gewinnanteilscheinen Nr. 17 ff. und
Erneuerungsschein – Wertpapier-Kenn-Nummer 703 300 – in der Zeit vom 26. Februar bis 16.
März 1973 bei einer der nachstehenden Banken oder deren Niederlassungen anzumelden und
zur Verfügung zu stellen: (Es folgt die Aufzählung der Banken.)
Mit der Anmeldung erklären sich die Aktionäre der Rheinstahl AG damit einverstanden, daß
ihre Aktien bis zur Entscheidung über den Ankauf zur Verfügung der Anmeldestelle gehalten
werden.
Es bleibt vorbehalten,
a) die Anmeldefrist nach dem 9. März 1973 vorzeitig zu beenden,
b) die Entgegennahme von Rheinstahl-Aktien von einem noch festzulegenden Höchstbetrag
ab zu repartieren,
c)
von dem Angebot zurückzutreten, sofern die zur Verfügung gestellten Rheinstahl-Aktien
einen Nominalbetrag von 51 % des gegenwärtigen Grundkapitals der Rheinstahl AG nicht
erreichen. Sollte von diesem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht werden, so wird dies innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der Angebotsfrist im Bundesanzeiger und in den
Tageszeitungen, in denen das vorstehende Angebot veröffentlicht wurde, bekanntgegeben.
Die Banken werden die Aktionäre über den Ankauf ihrer Aktien so bald wie möglich unterrichten und den Gegenwert für die übernommenen Aktien nach Ablauf der Angebotsfrist gutschreiben.
Der Verkauf der Aktien ist für die Rheinstahl-Aktionäre frei von Provisionen und Spesen jeder
Art sowie von Börsenumsatzsteuer.
Im Februar 1973
August Thyssen-Hütte Aktiengesellschaft Duisburg-Hamborn
Untersucht man dieses Angebot nach den herausgearbeiteten Ausgestaltungsfeldern, so ergibt
sich folgender Befund:
1. Rechtliche Bindungswirkung:
Das Angebot ist ausdrücklich in Form einer Aufforderung, Angebote abzugeben, formuliert. („Aktionäre, die von der Möglichkeit Aktien anzubieten Gebrauch machen wollen,
werden gebeten, ihre Rheinstahl-Aktien [...] bei einer der nachstehenden Banken [...] anzumelden und zur Verfügung zu stellen.“)
Bedingungen und Rücktrittsvorbehalte: Bei Nichterreichen eines Kapitalanteils von 51 %
behält sich die August Thyssen-Hütte AG den Rücktritt vom Angebot vor.
43
44
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
2. Art der Gegenleistung:
Es handelt sich um ein ausschließliches Barangebot in inländischer Währung.
3. Preisregeln
Geboten wird ein Festpreis von 125 DM je Aktie als Einheitspreis für alle Aktionäre.
4.
Art der nachgefragten Wertpapiere
Nachgefragt werden stimmberechtigte, voll eingezahlte Stammaktien mit Nennwert. Andere Gattungen waren zum Zeitpunkt des Angebots nicht im Umlauf.
5.
Mengenregeln
Die Nachfrage erfolgt bis zu einem „noch festzulegenden Höchstbetrag“, ist also mengenmäßig nicht von vornherein eindeutig fixiert.
6.
Zuteilungsregeln
Das Angebot enthält den Vorbehalt der Repartierung ab dem noch festzulegendem
Höchstbetrag ohne nähere Bezeichnung des anzuwendenden Verfahrens
7.
Annahmefrist
Die Annahmefrist beträgt knapp 3 Wochen (26.02. – 16.03.) mit der Möglichkeit, nach
Ablauf von ca. 2 Wochen die Frist vorzeitig zu beenden.
8.
Zusammenarbeit mit Finanzintermediären
Es wird ein Bankenkonsortium unter der Führung der Dresdner Bank und der Deutschen
Bank eingeschaltet, dem die Aktien angeboten werden sollen und welches für die August
Thyssen-Hütte AG die Aktien erwerben soll.
9.
Wiederholung und Änderung des Angebots
Der Bieter behält sich vor, die Annahmefrist vorzeitig zu beenden.
5 Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der Literatur
5
Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in
der Literatur
5.1
Überblick
45
Zum Abschluss des Grundlagenteils sollen einige ausgewählte Argumentationen
zur Regulierung von Übernahmen aus der Literatur grob skizziert werden. Dies
erscheint hilfreich, um verschiedene im weiteren Verlauf der Arbeit angestellte
Überlegungen einordnen zu können.
Während die wissenschaftliche Diskussion um die Regulierung von Übernahmevorgängen in Deutschland erst in den letzten ungefähr 10 Jahren vor der Verabschiedung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes intensiver geführt
wird, findet sich in der US-amerikanischen Literatur bereits sehr viel früher ein
lebhafter Disput um die ökonomischen Vorzüge und Nachteile einer derartigen
Regulierung. Daher werden zunächst einige grundlegende Positionen der amerikanischen Diskussion um die Regulierung von Übernahmen vorgestellt, bevor
anschließend auf das deutsche Schrifttum eingegangen wird.
5.2
Amerikanische Diskussion
Die Diskussion um die Regulierung von Übernahmen ist in den USA durch eine
klare Trennung von zwei Argumentationsschulen gekennzeichnet. Dabei lässt sich
die Zielvorstellung der Befürworter einer Regulierung mit dem Schlagwort „Sole
Owner Standard“ und diejenige der Gegner mit dem Begriff „Market Standard“
kennzeichnen.
Als Hauptverfechter des „Sole Owner Standards“ sind vor allem BEBCHUK und
GILSON anzusehen. Die Zielvorstellung der Befürworter dieses Standards ist, dass
eine Übernahme nur dann stattfinden sollte, wenn auch ein Alleineigentümer verkaufen würde bzw. wenn wenigstens die Mehrheit der Aktionäre den gebotenen
Preis höher als den Wert der Aktien bei unterstellter Unabhängigkeit ansieht.1 Die
Problematik bei einem Übernahmeangebot ergibt sich daraus, dass die Aktionäre
ihr Handeln nicht koordinieren können. Jeder Aktionär trifft seine Entscheidung in
Unkenntnis der Entscheidung der anderen Aktionäre. Hierdurch kann es dazu
kommen, dass eine Übernahme stattfindet, obwohl die Mehrheit der Aktionäre bei
koordiniertem Verhalten nicht verkaufen würde. Der Grund hierfür kann darin
liegen, dass Aktionäre nach einer Übernahme mit einer Verringerung des Wertes
1 Vgl. BEBCHUK (1985), S. 1697 – 1698; BEBCHUK (1988), S. 197 – 198.
45
46
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
ihrer Aktien rechnen. Aus Angst, bei Nichtverkauf in die nachteilige Position eines Minderheitsaktionärs zu geraten, könnten Aktionäre sich gezwungen sehen,
auch zu einem Preis unterhalb ihrer Werteinschätzung der Aktien bei Unabhängigkeit zu verkaufen.1
Um der hierdurch möglichen Schädigung der Aktionäre entgegen zu wirken, diskutiert BEBCHUK verschiedene Regulierungsvorschläge für Übernahmeangebote.
So schlägt er z.B. vor, die Einreichung der Aktien zum Verkauf mit einem zustimmenden oder ablehnenden Votum der Aktionäre zu versehen. Nur wenn der
Bieter die Zustimmung der Mehrheit erreicht, soll er die gewünschte Anzahl Aktien erwerben dürfen, andernfalls höchstens einen nichtkontrollierenden Block.2
Auf dem gleichen Prinzip basiert auch sein alternativer Vorschlag, eine gesonderte Abstimmung herbeizuführen, in der die Aktionäre darüber entscheiden, ob
der Bieter im Rahmen eines Angebots eine Kontrollmehrheit erwerben darf.3 Bei
beiden Vorschlägen können die Aktionäre die Übernahme ablehnen, wenn ihnen
der Preis nicht angemessen erscheint, ohne damit gleichzeitig der Konsequenz
ausgesetzt zu sein, bei Gelingen der Übernahme automatisch Minderheitsaktionär
zu werden. Hierdurch soll der beschriebene Druck von den Aktionären genommen
werden.
Außerdem soll die Regulierung Konkurrenzangebote ermöglichen. Dadurch soll
die Differenz zwischen dem gebotenen Preis und dem Wert der Aktien bei Unabhängigkeit gemindert werden, da der Bieter damit rechnen muss, bei einem zu
niedrigen Preis von einem Konkurrenten überboten zu werden.4
Weiterhin fordert BEBCHUK ein Verbot von Abwehrmaßnahmen durch das Management der Gesellschaft. Einerseits sieht er sie als Verschwendung von Ressourcen an, da sie einen persistenten Bieter kaum stoppen könnten, andererseits befürchtet er, das Management könne seine Macht zu eigenen Zwecken zum Nachteil der Aktionäre missbrauchen.5
Mit diesen Regulierungen von Übernahmeangeboten wollen die Verfechter des
„Sole Owner Standards“ neben der Vermeidung der Schädigung der Zielgesell-
1 Vgl. BEBCHUK (1987), S. 911, 922 – 925.
2 Vgl. BEBCHUK (1985), S. 1747 – 1749; BEBCHUK (1987), S. 931 – 932; BEBCHUK (1988),
S. 222.
3 Vgl. BEBCHUK (1985), S. 1757 – 1759; BEBCHUK (1987), S. 934 – 935; BEBCHUK (1988),
S. 222 – 223. Ebenso BOOTH (1985), S. 657 – 661, BOOTH (1989), S.762 – 764.
4 Vgl. BEBCHUK (1982), S. 1038 – 1040.
5 Vgl. BEBCHUK (1985), S. 1742 – 1744; BEBCHUK (1988), S. 215.
5 Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der Literatur
47
schaftsaktionäre auch die effiziente Verwendung der Unternehmensressourcen
gewährleisten. Dem liegt die Idee zu Grunde, dass der Bieter in der Regel nur
dann in der Lage sei, einen Preis zu bieten, der die Werteinschätzung der Aktien
bei Unabhängigkeit einer Mehrheit der Aktionäre überschreitet, wenn er die Ressourcen produktiver einsetzen könne.1 Auch Bieterwettbewerbe würden dazu führen, dass die Unternehmensressourcen in die Hände desjenigen gelangten, der sie
am effizientesten zu nutzen wisse.2
Die Anhänger des „Market-Standards“ plädieren gegen jede Regulierung von
Übernahmen. Als Hauptverfechter des Standards gelten EASTERBROOK und
FISCHEL. Ihr Leitbild ist das ungestörte Funktionieren des sog. „Marktes für Unternehmenskontrolle“. Dieser Begriff geht auf eine Theorie von MANNE zurück,
der damit bereits Mitte der Sechzigerjahre gegen die amerikanische Anti-TrustGesetzgebung argumentiert hat.3 Die Theorie von MANNE baut ihrerseits auf der
Hypothese von DEWEY auf, nach der Übernahmen letztlich nur eine „zivilisierte
Alternative“ zum Konkurs eines Unternehmens seien, bei dem wie bei einer Übernahme Vermögenswerte eines niedergehenden Unternehmens zu einem aufstrebenden transferiert würden.4
Der „Markt für Unternehmenskontrolle“ beruht auf dem folgenden Prinzip: Es
wird angenommen, dass die Qualität der Unternehmensführung und der Aktienkurs in hohem Maße korrelieren. Wird ein Unternehmen schlecht geführt, so führt
das nach dieser Theorie dazu, dass der Marktpreis im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen bzw. zu dem hypothetischen Marktpreis, der sich bei optimaler Führung ergäbe, sinkt. Übernahmen finden nach MANNE vor allem dann statt, wenn
ein Erwerber glaubt, ein Unternehmen effizienter führen zu können. Der Markt für
Unternehmenskontrolle soll daher zur gesamtwirtschaftlich optimalen Allokation
der Ressourcen beitragen, da ineffizientes Management durch effizientes ersetzt
wird. Zudem werde die Anzahl ressourcenverschwendender Konkurse verringert.5
Aus diesem Mechanismus werden daneben auch indirekte Effekte gefolgert.
MANNE nimmt an, dass das Management, das bei Übernahmen mit einem Verlust
seiner Stellung rechnen muss, verstärkte Anstrengungen unternehmen wird, so
wirtschaftlich zu arbeiten, dass der Börsenkurs relativ zu anderen Unternehmen
1 Vgl. BEBCHUK (1985), S. 1764 – 1766.
2 Vgl. GILSON (1981), S. 872 – 874; GILSON (1982), S. 52; BEBCHUK (1982), S. 1041.
3 Vgl. MANNE (1965).
4 Vgl. DEWEY (1961).
5 Vgl. MANNE (1965), S. 112 – 119.
47
48
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
möglichst hoch ist.1 Die Angst vor Übernahmen führt nach dieser Theorie also zur
Disziplinierung des Managements.
Aus diesen positiven Wirkungen des „Marktes für Unternehmenskontrolle“ leiten
die Anhänger des „Market-Standards“ die Forderung ab, jegliche Regulierung, die
zu einer Abnahme der Übernahmetätigkeit führen würde, zu unterlassen. Als eine
solche wird von EASTERBROOK und FISCHEL vor allem die Pflicht zur Gleichbehandlung von Aktionären angesehen, speziell von Paketaktionären und Kleinaktionären.2 Nach ihrer Auffassung sollte ein Rechtssystem versuchen, die Regeln
nachzuahmen, die Aktionäre vor konkreten Übernahmeversuchen vereinbaren
würden, wenn Verhandlungen und die Durchsetzung der Vereinbarungen kostenlos möglich wären. Sie behaupten, alle Aktionäre zögen ex ante Ungleichbehandlung einer Gleichbehandlungspflicht vor, weil dadurch ihre Chance auf Übernahmegewinne steige. Die Argumentation von EASTERBROOK/FISCHEL kann in drei
Schritte gegliedert werden:
1.
Übernahmen produzieren Gewinne für die Investoren.
2.
Die Existenz oder das Ausmaß der Gewinne kann davon abhängen, dass
diese ungleichmäßig verteilt werden.
3.
Die Aktionäre bevorzugen ex ante ungleichmäßige Verteilung größerer Gewinne gegenüber gleichmäßiger Verteilung kleinerer Gewinne.
Zu diesen Thesen im Einzelnen:
•
Mit der ersten These wird unmittelbar an die Theorie von MANNE angeknüpft. Als primäres Motiv für Übernahmen wird die Steigerung der Effizienz des Unternehmens angesehen. Ein Teil dieser Effizienzgewinne werde
in Form einer Übernahmeprämie über den Marktpreis an die verkaufenden
Aktionäre weitergegeben. Daher sei die Übernahme für alle Beteiligten Gewinn bringend. EASTERBROOK/FISCHEL geben zwar zu, dass es neben Effizienzsteigerungen auch andere Motive für Übernahmen wie etwa „EmpireBuilding“3 oder Ausbeutung geben könne, diese sehen sie jedoch als unbedeutende Ausnahmeerscheinungen an.1
1 Vgl. MANNE (1965), S. 113, 119.
2 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982).
3 Die „Empire-Building“-Hypothese sieht das Motiv für Übernahmen in dem eigennützigen
Wunsch der Manager akquirierender Unternehmen, die Größe ihres Unternehmens zu maximieren, da der persönliche Nutzen einer Managementposition mit der Größe des geleiteten
Unternehmens positiv korreliert ist. Dieser Nutzen kann sich z.B. in einem höheren Gehalt,
größerer Macht oder höherem sozialen Ansehen äußern. Vgl. zu dieser Hypothese REUL
5 Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der Literatur
49
•
Die zweite These basiert auf dem Argument, dass die Weitergabe einer
Kontrollprämie an alle Minderheitsaktionäre dazu führen könne, dass der
Erwerb für den Übernehmer nicht mehr lohnend sei, bzw. dass ein bisheriger Kontrollinhaber nicht verkaufen würde. Durch diese mögliche Blockade
würden Übernahmegewinne verhindert.2
•
Die Begründung für die dritte These beruht auf folgender Argumentation:
Da nach der zweiten These manche Übernahmegewinne nur bei ungleichmäßiger Gewinnverteilung auftreten, sei der Erwartungswert des Gewinns
für jeden Investor größer, wenn Ungleichbehandlung zugelassen werde.
Damit werde auch der Aktienkurs höher liegen. Jeder Aktionär könne entweder seine Aktien zu diesem Kurs verkaufen oder versuchen an der Chance und am Risiko teilzuhaben. Dabei könne das Risiko, bei ungleicher Gewinnverteilung ex post den kleineren Anteil zu erhalten, durch ein breit gestreutes Portfolio wegdiversifiziert werden. Daher würden Aktionäre ex ante
eine Ungleichverteilung von größeren Gewinnen einer Gleichverteilung von
kleineren Gewinnen vorziehen.3
Als Schlussfolgerung aus dieser Argumentationskette lehnen EASTERBROOK und
FISCHEL jede Regulierung ab, die einen Übernehmer zur Gleichbehandlung der
Aktionäre verpflichtet. Wegen der nach ihrer Ansicht zwar seltenen, aber doch
denkbaren Fälle, in denen Übernahmen allein durch Ausbeutung motiviert seien
und keine Gesamtgewinne produzierten, könne allerdings eine Regel, nach der
alle Aktionäre zumindest den Marktwert ihrer Aktien vor der Transaktion erhalten
sollten, als nützliche „rule-of-thumb“ dienen, um wohlfahrtssteigernde von
schädlichen Übernahmen zu trennen. Wenn jeder Aktionär mindestens das erhalte,
was er vor der Übernahme hatte, und einige sogar eine Prämie erhielten, so müsse
die Übernahme Gewinne produzieren.4
Hinsichtlich der Ablehnung der Zulässigkeit von Defensivstrategien durch das
Management der Zielgesellschaft stimmen die Anhänger des „Market-Standards“
weitgehend mit den Vertretern des „Sole-Owner-Standards“ überein. In einem
Punkt gehen sie sogar noch weiter: Während BEBCHUK zumindest solche Maßnahmen zulassen will, die zu einer Auktion um die Unternehmenskontrolle füh-
(1991), S. 192 – 197; RÖHRICH (1992), S. 57 – 59; BUSCH (1996), S. 55 – 56; KRAUSE (1996a),
S. 103 – 105.
1 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982), S. 705 – 708.
2 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982), S. 708 – 711.
3 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982), S. 711 – 714.
4 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982), S. 715.
49
50
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
ren,1 lehnen EASTERBROOK/FISCHEL auch solche Maßnahmen strikt ab. Sie begründen dies mit dem Argument, dass ein erwarteter Bieterwettbewerb Rückwirkungen auf die Suchaktivitäten von Übernehmern habe. Ein durch einen Bieterwettbewerb verursachter höherer Übernahmepreis würde den Gewinn eines Übernehmers schmälern. Zusätzlich erhöhe sich die Gefahr, dass ein anderer Bieter
zum Zuge komme, sodass dann die Suchkosten umsonst aufgewendet wären. Dies
könnte nach EASTERBROOK/FISCHEL dazu führen, dass potenzielle Übernehmer
ihre Suchaktivitäten einstellen oder reduzieren. Hierdurch käme es dann zu einer
Verringerung der Anzahl von Übernahmen, was auf lange Sicht weder im Interesse der Aktionäre noch der Gesellschaft sei.2
5.3
Deutsche Diskussion
In der deutschen Diskussion zur Regulierung von Übernahmeangeboten überwiegen bislang die Stellungnahmen juristischer Autoren, bei denen ökonomische Überlegungen zwar teilweise eingebunden werden, diese aber eher an der Oberfläche bleiben. Nur ganz vereinzelt haben sich bisher wirtschaftswissenschaftliche
Fachvertreter mit der Thematik beschäftigt.3 Innerhalb der Diskussion haben sich
zwei Schwerpunkte herausgebildet, nämlich
•
die Zulässigkeit und Wirkung von Abwehrmaßnahmen und
•
Pflichtangebote und Übernahmeangebote,
wobei sich die überwiegende Anzahl der Veröffentlichungen auf den erstgenannten Themenbereich bezieht.4 Entsprechend der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit
soll hier nur auf einige Argumentationen zum zweitgenannten Themenkomplex
eingegangen werden.
1 Vgl. BEBCHUK (1982), S. 1028 – 1030, 1034 – 1046.
2 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1981), S. 1175 – 1180.
3 Insbesondere sind PRANTL (1994), MUNSCHECK (1999), RAU-BREDOW (1999a), RAU-BREDOW
(1999b) und HOUBEN (2000) zu nennen. Daneben gibt es einige Arbeiten von juristischen
Fachvertretern, die in größerem Umfang ökonomische Überlegungen beinhalten. Diesbezüglich sollen hier vor allem die Monographien von REUL (1992), BUSCH (1995); KRAUSE (1996a)
und E TZBACH (1999) hervorgehoben werden.
4 Vgl. z.B. HAUSCHKA/ROTH (1988); OTTO (1988); ADAMS (1990); EBENROTH /DAUM (1991);
MICHALSKI (1997); KLEIN (1997); WOLF (1998); KIRCHNER (1999); KIRCHNER (2000);
DIMKE/HEISER (2000); KALLMEYER (2000); HIRTE /SCHANDER (2000); ALTMEPPEN (2001);
BAUDISCH/GÖTZ (2001); BECKER (2001); GRUNEWALD (2001); KÖRNER (2001); MAIERREIMER (2001); MERKT (2001); WIESE/DEMISCH (2001); WACKERBARTH (2001); KRAUSE
(2000); KRAUSE (2002); KUHNER/SCHILLING (2002).
5 Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der Literatur
51
Die Pflichtangebotsregelung wird vorrangig unter dem Aspekt des Minderheitenschutzes diskutiert. Dabei beschäftigt sich ein Teil der Literatur mit der Frage, ob
die Regelung überhaupt notwendig ist. Von einzelnen Autoren wird die Meinung
vertreten, das bestehende konzernrechtliche Schutzsystem mache ein Pflichtangebot entbehrlich.1 Das Konzernrecht sei durchaus in der Lage, eine Ausbeutung der
abhängigen Gesellschaft zu verhindern, sodass Minderheitsaktionäre nichts zu
befürchten hätten. Die weit überwiegende Mehrheit der Stimmen geht demgegenüber davon aus, dass der Minderheitenschutz durch das Konzernrecht nicht in
ausreichendem Maße gewährleistet sei, sodass ein Pflichtangebot als Ergänzung
dieses Schutzsystems angezeigt sei.2 Vor allem PRANTL und MUNSCHECK untersuchen in ihren Arbeiten sehr ausführlich die Wirksamkeit der konzernrechtlichen
Schutzvorschriften und kommen beide zu dem Ergebnis, dass der hierdurch gewährte Minderheitenschutz unzureichend sei.3 Aus den Schwächen des konzernrechtlichen Schutzsystems wird gefolgert, dass der Schutz nicht erst bei einem
bestehenden Konzern ansetzen dürfe, sondern bereits auf die Stufe der Konzernbegründung vorverlagert werden müsse (Konzernbildungskontrolle).4 Eine
Pflichtangebotsregelung soll den Minderheitenschutz dadurch verbessern, dass
den Aktionären eine Möglichkeit zum Ausstieg aus der Gesellschaft gegeben
wird, sodass sie von der eigentlichen Schädigung nicht mehr betroffen werden
können.5 Es handelt sich insofern um einen Ex-ante-Schutzmechanismus.
Eng mit diesem Problemkreis verknüpft ist die Frage der Ausgestaltung von
Pflichtangeboten. Damit die Regelung nicht ins Leere läuft, wird zum einen
gefordert, dass sich das Angebot an alle Aktionäre richten muss (Vollangebot).
Damit soll sichergestellt werden, dass jeder, der von potenziellen Ausbeutungen
betroffen sein kann, die Ausstiegsmöglichkeit erhält.6 Zum anderen soll die Vorschrift mit Mindestpreisregeln versehen sein, um zu verhindern, dass ein Bieter
sich der Pflicht durch ein extrem niedriges Angebot faktisch entziehen kann.7
1 Vgl. z.B. ASSMANN (1995), S. 570 – 571; KALLMEYER (1997), S. 436 – 437; ALTMEPPEN
(2001), S. 1082 –1083.
2 Vgl. z.B. KRAUSE (1996b), S. 897 – 898; HOPT (1997), S. 387 – 388; BENNER/HEINACHER
(1997), S. 2521; HOUBEN (2000), S. 1875 – 1876; ETZBACH (2002), S. 78 – 93.
3 Vgl. PRANTL (1994), S. 65 – 148; MUNSCHECK (1999), S. 59 – 117.
4 Vgl. z.B. KRAUSE (1996b), S. 897; REUL (1991), S. 283 – 285; PRANTL (1994), S. 72 – 74, 147
– 148; KRAUSE (1996b), S. 897 – 898; ETZBACH (1999), S. 88 – 90.
5 Teilweise wird sogar noch weitergehend gefordert, das Anbot müsse an alle Inhaber von Wertpapieren mit gewinnabhängigen Ansprüchen gerichtet sein. So HOUBEN (2000), S. 1876.
6 Vgl. HOUBEN (2000), S. 1879; ETZBACH (2002), S. 74 – 75, 138.
7 Vgl. MERTENS (1990), S. 256; ROOS (1996), S. 2184; HOUBEN (2000), S. 1879; ETZBACH
(2002), S. 75, 139.
51
52
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
Die Diskussion um Übernahmeangebote und Pflichtangebote wird in der Literatur
nicht immer klar getrennt. So wird etwa die primär auf Pflichtangebote ausgerichtete Argumentation des Minderheitenschutzes vielfach auch auf Übernahmeangebote ausgeweitet bzw. gar nicht erst unterschieden.1 Dabei wird allerdings
übersehen, dass es sich um verschiedene Angebotssituationen handelt: Während
ein Übernahmeangebot auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet ist, muss ein
Pflichtangebot nach erfolgtem Kontrollerwerb für die restlichen Aktien abgegeben
werden. Offenbar gehen die Autoren implizit davon aus, dass nach einem Übernahmeangebot kein Pflichtangebot mehr abgegeben werden muss. In diesem Fall
ergeben sich die an Pflichtangebote gestellten Anforderungen auch für Übernahmeangebote. Ist jedoch auch nach einem erfolgreichen Übernahmeangebot für die
nicht gekauften Aktien noch ein Pflichtangebot abzugeben, so ist die Übertragung
der Regeln für die Ausgestaltung von Pflichtangeboten auch auf Übernahmeangebote weit weniger selbstverständlich. Hierauf wird im Verlauf der Arbeit noch
einzugehen sein.
Die überwiegende Mehrheit der bisherigen Veröffentlichungen argumentiert auf
rein verbaler Ebene. Modelltheoretische Analysen finden sich nur vereinzelt und
beleuchten jeweils nur bestimmte Ausschnitte der Problematik. So wird insbesondere die mögliche Blockadewirkung von Pflichtangeboten nach einem Paketerwerb von mehreren Autoren anhand eines Modells oder von Beispielrechnungen,
hinter denen eine Modellvorstellung zumindest vermutet werden kann, behandelt.2 Gemeinsame Modellannahmen sind offenbar die Folgenden:
•
Ein Unternehmen hat vor einer Übernahme einen kontrollierenden Paketaktionär und eine Vielzahl von Minderheitsaktionären.
•
Das Unternehmen hat für alle Aktionäre den gleichen Wert.
•
Den Wert einer Aktie bestimmen sie als Anteil dieses Unternehmenswertes.
Dieser Wert stellt zugleich den Börsenkurs dar.
•
Daneben erhält der Kontrollaktionär durch Ausbeutung Sondervorteile.
•
Der gesamtwirtschaftliche Wert des Unternehmens ergibt sich als Summe
des Unternehmenswertes und der Sondervorteile.
•
Ein Übernehmer muss dem bisherigen Kontrollinhaber dessen Grenzpreis,
bestehend aus dem Beteiligungswert und den Sondervorteilen, bezahlen.
1 Vgl. z.B. PRANTL (1994), S. 207 – 208; KRAUSE (1996a), S. 122- 123, BENNER-HEINACHER
(1997), S, 2521; HOUBEN (2000), S. 1883.
2 Vgl. REUL (1991), S. 213 – 222, RAU-BREDOW (1999a), S. 131 – 164; RAU-BREDOW (1999b);
HOUBEN (2000), S. 1881 – 1883.
5 Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der Literatur
53
•
Unter dem neuen Kontrollinhaber können sich sowohl der Unternehmenswert als auch die Höhe der Sondervorteile ändern und damit auch der gesamtwirtschaftliche Wert des Unternehmens.
•
Wird der gesamtwirtschaftliche Wert des Unternehmens durch eine Übernahme gesteigert, so wird die Übernahme als effizient bezeichnet.
Unter diesen recht einfachen Modellannahmen kommen alle Autoren zu dem Ergebnis, dass ohne Pflichtangebotsregelung ineffiziente Übernahmen möglich sind.
Dies ist unter den gegebenen Modellvoraussetzungen einleuchtend: Zu einer im
beschriebenen Sinne ineffizienten Übernahme kommt es immer dann, wenn eine
Steigerung der Sondervorteile größer ist als die Verringerung des anteiligen Unternehmenswertes des Paketes, aber kleiner als die Verringerung des gesamten
Unternehmenswertes. Weiterhin kommen alle zu dem Ergebnis, dass unter bestimmten Voraussetzungen durch Pflichtangebote Übernahmen verhindert werden
können. Unterschiede ergeben sich allerdings in der Bewertung der verhinderten
Transaktionen:
•
REUL fordert in seiner Arbeit vehement eine Gleichbehandlung von Paketaktionären und Minderheitsaktionären. Diese soll dadurch gewährleistet
werden, dass der Erwerber einer Kontrollbeteiligung verpflichtet wird, allen
anderen Aktionären anzubieten, ihre Aktien zum gleichen Preis pro Aktie zu
erwerben (Pflichtangebot mit Gleichpreisregel).1 Er gibt zwar zu, dass eine
solche Pflicht auch effiziente Übernahmen verhindern könne. Nach seiner
Interpretation werden aber nur solche Übernahmen verhindert, die trotz Effizienzsteigerung noch die Ausbeutung der Minderheitsaktionäre erfordern,
um aus Sicht des Übernehmers vorteilhaft zu sein. Diese Auffassung begründet er wie folgt: Ein Verzicht auf Ausbeutung sei nur dann möglich,
wenn die Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Unternehmenswertes so
groß sei, dass sich auch eine Vollakquisition (mit gleichem Preis auch für
Minderheitsaktionäre) aus der Sicht des Bieters rechne. Solche Übernahmen
würden also nicht verhindert. Bei einer geringeren Effizienzsteigerung sei
aber immer noch Ausbeutung notwendig, damit die Transaktion für den Übernehmer gewinnbringend sei. Nur solche Übernahmen würden verhindert.
Hierin sieht er eine positive Selektionswirkung der Regelung.2
REUL versucht mit seinem Modell, der Argumentation von EASTERBROOK/
FISCHEL entgegenzutreten. Seine Beweisführung erscheint jedoch nicht ganz
stimmig. Zunächst bezeichnet er als Ausbeutung den Genuss von Sonder-
1 Vgl. REUL (1991), S. 214.
2 Vgl. REUL (1991), S. 216 – 222.
53
54
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
vorteilen.1 Bei seiner Behauptung, durch den Zwang zur Gleichbehandlung
würden nur solche Übernahmen verhindert, die auf eine weitere Ausbeutung
der Minderheit angewiesen seien, wird aber ein anderes Verständnis zu
Grunde gelegt. Hier meint der Autor mit Ausbeutung, dass den Aktionären
ein Preis gezahlt wird, der unterhalb ihres proportionalen Anteils am gesamtwirtschaftlichen Wert nach vollzogener Übernahme liegt.2 Ein Verzicht
auf Ausbeutung im Sinne von Genuss von Sondervorteilen ist nämlich sehr
wohl auch schon bei einer geringeren Effizienzsteigerung möglich, wenn
Paketinhaber und Minderheitsaktionäre zu ungleichen Preisen abgefunden
werden dürfen.3 Insofern lautet der versteckte Kern der Argumentation von
REUL: Gleichbehandlung verhindert nur Übernahmen, bei denen keine
Gleichbehandlung möglich ist. Sie stellt insofern einen Zirkelschluss dar.
REUL behauptet, eine wesentliche und entscheidende Lücke in der Theorie
von EASTERBROOK/FISCHEL aufgedeckt zu haben, nämlich dass die Transaktionen, die verhindert würden, gerade diejenigen wären, die eine ungleiche Ertragsverteilung erforderten.4 Dies ist jedoch in Wahrheit keine Lücke
in deren Argumentation, sondern eine ihrer wesentlichen Kernaussagen.
EASTERBROOK/ FISCHEL fordern ja gerade die Zulässigkeit von Ungleichbehandlung, um insgesamt eine höhere Anzahl effizienzsteigernder Transaktionen zu ermöglichen.5
•
RAU-BREDOW kommt zu dem Ergebnis, dass bei einem Pflichtangebot mit
Gleichpreisregel alle ineffizienten Übernahmen verhindert werden.6 Dieses
Ergebnis ist bei der gegebenen Definition der Effizienz auch ohne umständlichen Beweis unmittelbar einsichtig. Wenn der Übernehmer nicht nur dem
Paketaktionär Sondervorteile vergüten muss, sondern auch den Minderheitsaktionären, die diese bisher gar nicht hatten, so kann er dies nur, wenn
er den gesamtwirtschaftlichen Unternehmenswert um mindestens diesen an
die Minderheitsaktionäre zu zahlenden Zuschlag erhöhen kann. Er stellt
weiterhin fest, dass bei einem solchen Pflichtangebot auch effiziente Übernahmen verhindert werden können. Dabei geht er davon aus, dass die durch
die Blockade effizienter Übernahmen entgehenden Gewinne im Durch-
1 Vgl. REUL (1991), S. 214.
2 Vgl. REUL (1991), S. 216 – 218.
3 Dies zeigen schon die nachfolgend beschriebenen Überlegungen von HOUBEN. Vgl. HOUBEN
(2000), S. 1882 – 1883.
4 Vgl. REUL (1991), S. 219.
5 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982), S. 698, 708 –710. Vgl. auch die Ausführungen in
Abschnitt B 5.2.
6 Vgl. RAU-BREDOW (1999b), S. 152; RAU-BREDOW (1999b), S. 768.
5 Zur Diskussion um die Regulierung von Übernahmen in der Literatur
55
schnitt mindestens so groß sind, wie die durch die Möglichkeit ineffizienter
Übernahmen ohne Regulierung auftretenden Verluste.1
•
Auch HOUBEN kommt anhand von Beispielrechnungen zu dem Ergebnis,
dass die Gleichpreisregel dazu führt, dass effiziente Übernahmen verhindert
werden können und lehnt die Regel daher ab. Ein durch ein Pflichtangebot
mit Börsenpreisregel sichergestellter Minderheitenschutz sorge dagegen dafür, dass weder effiziente Übernahmen verhindert würden noch ineffiziente
Kontrollwechsel stattfinden könnten.2
Die Unterschiede in den Wertungen insbesondere zwischen REUL und HOUBEN
ergeben sich aus einem unterschiedlichen Verständnis, welcher Preis den Minderheitsaktionären für ihre Aktien „gerechterweise“ zusteht. RAU-BREDOW bezieht
dagegen derartige Gerechtigkeitsüberlegungen gar nicht erst in seine Argumentation ein, sondern betrachtet ausschließlich die Effizienz. HOUBEN sieht es als ausreichend an, dass sich die Minderheitsaktionäre nach der Übernahme nicht
schlechter stehen als vorher. Seine Referenzlinie ist also das Vermögen in der
Ausgangssituation vor der Übernahme. Erhalten die Minderheitsaktionäre mehr
als den Wert ihrer Aktien vor der Übernahme, so wird dies als Gewinn interpretiert. REUL hingegen fordert eine umfassende Gleichbehandlung. Danach dürfen
die Minderheitsaktionäre keinesfalls weniger erhalten als ein Paketaktionär. Die
aus diesem Gleichbehandlungsparadigma gezogene Konsequenz ist ausgesprochen weitreichend. REUL will lieber auf eine Besserstellung der Minderheitsaktionäre gegenüber der Situation vor der Übernahme verzichten, als Ungleichbehandlung zuzulassen, die diese Besserstellung ermöglichen würde.
Neben den genannten Referenzlinien für die Beurteilung eines Systems zum
Schutz der Minderheitsaktionäre sind auch noch andere Bezugsgrößen denkbar.
Solche Werte sind Ausdruck dessen, was der jeweilige Autor im Rahmen einer
ethisch-normativen Festlegung als „gerecht“ ansieht. Auf diese Problematik wird
im Rahmen der Interpretation der eigenen Modellergebnisse noch einmal eingegangen werden.
1 Vgl. RAU-BREDOW (1999a), S. 153 – 154; RAU-BREDOW (1999b), S. 769.
2 Vgl. HOUBEN (2000), S. 1882 – 1883.
55
56
Kapitel B
Grundlagen zu Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten
C
Gesetzliche Regulierung von
Übernahmen und
öffentlichen Angeboten
58
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
1 Vorbemerkung
1
59
Vorbemerkung
Im vorliegenden Kapitel C wird die Regulierung von öffentlichen Angeboten nach
dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz dargestellt, die in den nachfolgenden Kapiteln ökonomisch analysiert werden soll. Dabei soll die Konzeption
des Gesetzes verdeutlicht und ein systematischer Überblick über die vielfältigen
und teilweise komplizierten Regelungen gegeben werden.
Zum besseren Verständnis und zur Einordnung der nachfolgenden Abschnitte
wird zunächst kurz auf die historische Entwicklung des Gesetzes eingegangen.
Sodann werden die Ziele, die der Gesetzgeber mit der Regulierung verfolgt, näher
beleuchtet. Es folgt die Erläuterung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen im Gesetz beschriebenen Angebotsarten sowie der allgemeinen Grundsätze
bei öffentlichen Angeboten. Der Schwerpunkt der Ausführungen in Kapitel C
liegt bei der Beschreibung der Pflichten des Bieters bezogen auf die Ausgestaltung des öffentlichen Angebots. Anknüpfend an Abschnitt B 4 wird aufgezeigt,
welche der dort beschriebenen grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach
Verabschiedung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes dem Bieter
nicht mehr offen stehen und welche weiterhin zulässig sind. Dabei wird die dort
entwickelte Systematisierung der Gestaltungsfelder den Ausführungen zu Grunde
gelegt. Daneben werden auch die umfangreichen Veröffentlichungs- und Meldepflichten überblicksartig dargestellt. Danach wird noch kurz auf die Pflichten des
Managements der Zielgesellschaft eingegangen. Zuletzt werden die Sanktionen
bei Verstößen gegen Vorschriften des Gesetzes dargelegt.
Trotz der in Teilbereichen ausführlichen Darstellung wird nicht der Anspruch
erhoben, dass die Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes in
Gänze und im Detail dargestellt werden. Auch wird nicht umfassend auf alle juristischen Einzelaspekte und die dazu in der Literatur geführten Diskussionen eingegangen. Dies kann auch nicht Zweck einer ökonomischen Arbeit sein. Hierzu
sei auf die zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz erschienenen Kommentierungen verwiesen.1 Vielmehr ist die Ausführlichkeit der Darstellung am
Ziel dieser Arbeit, der ökonomischen Analyse der Regulierung, orientiert. Daher
werden insbesondere die Pflichten des Bieters, die ihn in der Freiheit einschränken, das Angebot auszugestalten, ausführlich behandelt, während die anderen
Teilbereiche knapper dargestellt werden. Dennoch soll der Leser zumindest einen
Überblick über den gesamten materiellen Regelungsinhalt des Gesetzes erlangen.
Erst dies ermöglicht eine Einordnung des Ausschnitts der Regulierung, der im
weiteren Verlauf der Arbeit der modelltheoretischen Analyse unterzogen wird.
Auf die im Gesetz enthaltenen formellen Regelungen wird hingegen nicht eingegangen.
1 Vgl. GEIBEL /SÜßMANN (2002); STEINMEYER/HÄGER (2002).
59
60
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
2
Historische Entwicklung des Übernahmegesetzes
2.1
EU-Ebene
Die Entstehung des deutschen Übernahmegesetzes ist in engem Zusammenhang
mit den Beratungen über eine (bis heute nicht erlassene) EU-Übernahmerichtlinie
zu sehen.1 Den Ausgangspunkt für die Entwicklung bildet ein 1974 im Auftrag
der europäischen Kommission erstellter Bericht des Briten PENNINGTON über
„Übernahmeangebote und andere Angebote“.2 Dieser Vorschlag, der inhaltlich
eng am bereits seit 1968 in Großbritannien gültigen „City Code on Takeovers
and Mergers“ orientiert war,3 konnte allerdings schon innerhalb der Kommission
keine Mehrheit auf sich vereinen, sodass dieser erste Versuch zur Erarbeitung
eines Richtlinienvorschlags bereits im frühen Stadium scheiterte.4
In den Jahren 1987 bis 1990 wurden mehrere Vorschläge für eine 13. EURichtlinie betreffend Übernahmen erarbeitet, über die jedoch im Rat keine Einigkeit erzielt werden konnte, sodass die Verhandlungen im Juni 1991 ausgesetzt
wurden.5 Auch die Bundesrepublik Deutschland lehnte damals die Richtlinie
insbesondere wegen der in den Vorschlägen enthaltenen Pflichtangebotsregelung
ab.6
Um den Widerstand dieses wichtigen Mitgliedsstaates zu beseitigen, wurde in den
neuerlichen Vorschlägen von 1996 und 1997 zugelassen, dass die einzelnen Staaten bei der Umsetzung der nunmehr nur noch als Rahmenrichtlinie vorgesehenen
Norm von einer Pflichtangebotsregelung absehen könnten, wenn „andere mindestens gleichwertige Vorkehrungen“ den Minderheitenschutz im nationalen
Recht sicher stellten.7 Diese auf das deutsche Konzernrecht zugeschnittene Aus-
1 Zur historischen Entwicklung auf EU-Ebene vgl. auch: PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 4 – 5;
SCHÜPPEN (2001), S. 959; ZINSER (2002), S. 15.
2 Sog. PENNINGTON-Entwurf, EG-KOMMISSION (1974). Vgl. hierzu BEHRENS (1975); BESS
(1976); BECKMANN (1995).
3 Zum City Code vgl. PRENTICE (1992), KRAUSE (1996a), S. 42 – 92; DEFRIEZ (1999); HEINRICH
(2002).
4 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 4; ROßKOPF (2000), S. 267, ZEHETMEIER-MÜLLER (2002),
S. 42.
5 Vgl. ROßKOPF (2000), S. 270, ZEHETMEIER-MÜLLER (2002), S. 42 – 43. Eine Gegenüberstellung des PENNINGTON-Entwurfs von 1974, des Vorentwurfs von 1987 und des Entwurfs von
1989 findet sich bei PELTZER (1990).
6 Vgl. HOPT (1997), S, 373; NEYE (2000), S. 292; CAHN/SENGER (2002), S. 277.
7 Zu den Vorschlägen im einzelnen vgl. KRAUSE (1996c); NEYE (1996); HABERSACK/MAYER
(1997); PELTZER (1997); MONTI (1999); MERKT (2001), S. 230 – 232.
2 Historische Entwicklung des Übernahmegesetzes
61
nahme stieß bei den meisten Mitgliedsstaaten – zum völligen Unverständnis der
deutschen Abgesandten – auf breite Ablehnung. So führt etwa NEYE, der damalige
Leiter der deutschen Delegation, als Grund für die Ablehnung den Umstand an,
dass in den anderen Mitgliedsstaaten (bis auf Portugal) das „in Europa einzigartige deutsche konzernrechtliche Schutzsystem in den §§ 304 ff. AktG, das die
Kommission im Auge hatte, weitgehend unbekannt war und leider auch trotz wiederholter Erläuterung in den Einzelheiten nicht verstanden wurde.“1 Um einer
europaweiten Regelung nicht weiter im Wege zu stehen, aber auch weil in
Deutschland die Stimmen zugenommen hatten, die eine Gleichwertigkeit der
deutschen Schutzvorschriften mit dem Pflichtangebot zumindest für den Fall des
sog. faktischen Konzerns in Frage stellten,2 beharrte Deutschland schließlich nicht
länger auf seiner Position und trieb das Verfahren unter eigener Ratspräsidentschaft voran.3 So konnte im Juni 2000 ein gemeinsamer Standpunkt des Rates zur
13. Richtlinie verabschiedet werden.4 Im Dezember 2000 beschloss das europäische Parlament nochmals verschiedene Änderungen an dem gemeinsamen Standpunkt. Im nachfolgenden Vermittlungsverfahren, an dem Rat, Parlament und
Kommission teilnahmen, konnte im Juni 2001 ein gemeinsamer Entwurf beschlossen werden, der jedoch im Juli 2001 vom europäischen Parlament mit
denkbar knappstem Ergebnis (Stimmengleichheit) abgelehnt wurde.5 Die Verabschiedung einer europarechtlichen Regelung ist damit (vorerst) als gescheitert
anzusehen.
1 NEYE (2000), S. 293.
2 Vgl. z.B. PRANTL (1994), S. 65 – 148; KRAUSE (1996b), S. 897 –898; HOPT (1997), S. 387 –
388; BENNER-HEINACHER (1997), S. 2521; MUNSCHECK (1999), S. 59 – 117; HOUBEN (2000),
S. 1875 – 1876.
3 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 5.
4 Vgl. EU-Kommission (2000). Dazu vgl. NEYE (2000).
5 Vgl. MÖLLER /PÖTZSCH (2001), S. 1257. Zu den unterschiedlichen Diskussionspunkten im
Vermittlungsverfahren LEHNE (2002), S. 34 – 43.
61
Kapitel C
62
2.2
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Nationale Ebene
In der Bundesrepublik Deutschland wurden bereits 1979 Leitsätze für Unternehmensübernahmen von der Börsensachverständigenkommission beim Bundesfinanzministerium1 als Wohlverhaltensregeln herausgegeben, blieben jedoch
in der Praxis weitgehend unbeachtet.2
Diese Leitsätze wurden durch den 1995 erlassenen und 1998 überarbeiteten Übernahmekodex abgelöst.3 Dabei handelt es sich nach dem Vorbild des britischen City Code um eine freiwillige Selbstregulierung.4 Er enthielt im Gegensatz
zu den Leitsätzen von 1979 als Zeichen des in Deutschland sich langsam vollziehenden Sinneswandels bereits eine Pflichtangebotsregelung, welche allerdings
noch Ausnahmen von der Angebotspflicht vorsah, wenn bestimmte konzernrechtliche Schutzmechanismen aktiviert werden sollten.5 Es wird zwar vielfach betont,
der Kodex hätte sich „in seiner praktischen Anwendung bewährt“ 6 (wenn auch
ohne nähere Spezifizierung, worin die „Bewährung“ bestehen soll); es ist jedoch
weithin unbestritten, dass er keine flächendeckende Anerkennung gefunden hat
und damit nicht in gleichem Maße zur Kapitalmarktusance geworden ist wie etwa
der britische City Code. So hatten im April 2001 von den 1016 inländischen börsennotierten Unternehmen (ohne Freiverkehr) gerade einmal 755 Gesellschaften
den Kodex anerkannt, darunter 86 Unternehmen des DAX 100.7 Vor diesem
Hintergrund hat sogar die Börsensachverständigenkommission selbst der Bundesregierung im Februar 1999 empfohlen, ein Übernahmegesetz zu erarbeiten.8
Parallel dazu regte im Winter 1999/ 2000 die medienwirksame Übernahme der
Mannesmann AG durch die britische Vodafone plc. eine breite Diskussion in der
Öffentlichkeit über die Regulierung von Übernahmen an. Dieser Umstand mag
1 Abgedruckt bei BAUMBACH/HOPT (1995), S. 1399 – 1401.
2 PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 13; BUNDESREGIERUNG (2001), S. 27; HIRTE (2002b), S. 1 – 2.
3 Vgl.
BÖRSENSACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION
(1998).
(1995);
BÖRSENSACHVERSTÄNDIGENKOM-
MISSION
4 Vgl. zum rechtlichen Status und den resultierenden Konsequenzen ASSMANN (1995), S. 564
– 565.
5 Zum Übernahmekodex vgl. ASSMANN (1995); NEYE (1995); THOMA (1996); KALLMEYER
(1996); KALLMEYER (1997a); KALLMEYER (1997b); KIRCHNER/EHRICKE (1998); SCHANDER
(1998a); SCHANDER (1998b); LOEHR (1999); ETZBACH (2002), S. 163 – 222.
6 PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 13; ebenso B UNDESREGIERUNG (2001), S. 27.
7 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 27.
8 BÖRSENSACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION (1999), S. 9.
2 Historische Entwicklung des Übernahmegesetzes
63
möglicherweise zu einer Beschleunigung des Verfahrens beigetragen haben.1 Im
Frühjahr 2000 jedenfalls berief die Regierung eine Expertenkommission unter
Federführung des Bundesministeriums der Finanzen ein, um Vorschläge für eine
künftige gesetzliche Regelung zu erarbeiten.2 Schon im Mai 2000 veröffentlichte
dieses Gremium 10 Eckpunkte für ein Übernahmegesetz, die dem Bundestag als
Grundlage für ein künftiges Verfahren empfohlen wurden.3 Im Juni 2000 wurde
ein Diskussionsentwurf, im März 2001 ein Referentenentwurf und im Juli 2001
ein Regierungsentwurf für ein Übernahmegesetz vorgelegt. Trotz des zwischenzeitlichen Scheiterns der 13. EU-Richtlinie hielt die Bundesregierung an den Plänen für ein deutsches Übernahmegesetz nun auch ohne europarechtliche Vorgabe
weiter fest. Im September 2001 wurde das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz schließlich vom Bundestag beschlossen, im Dezember vom Bundesrat
verabschiedet und es trat zum 01. Januar 2002 in Kraft.
1 Vgl. LAND/HASSELBACH (2000), S. 1747; ARCHNER (2001), S. 999; ZSCHOCKE (2002), S. 79.
2 Es sei nur am Rande erwähnt, dass der offizielle Prüfauftrag lautete, „die Notwendigkeit einer
gesetzlichen Regelung in Deutschland zu untersuchen und Vorschläge für eine künftige gesetzliche Regelung zu erarbeiten.“ BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28. In wie weit die Kommission bei dieser Auftragsformulierung bei der Ergebnisfindung für den ersten Prüfungsteil (Prüfung der Notwendigkeit) frei war, mag der Leser selbst beurteilen.
3 Vgl. EXPERTENKOMMISSION (2000); BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28.
63
64
3
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Ziele des Gesetzgebers bei der Regulierung von
öffentlichen Angeboten
Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs ist es das übergeordnete
Ziel des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, „Rahmenbedingungen bei
Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Angeboten zum Erwerb von
Wertpapieren in Deutschland zu schaffen, die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen, und hierdurch den
Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Wettbewerb weiter zu stärken.“1 Darüber, was nach Auffassung des Gesetzgebers genau die „Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte“ sind, kann
allerdings nur spekuliert werden. Insbesondere scheinen hiermit jedenfalls die in
der Begründung hervorgehobenen Einzelziele gemeint zu sein. Dies sind:
•
Schaffung von Leitlinien für ein faires und geordnetes Verfahren, welches
Unternehmensübernahmen weder fördert noch verhindert,
•
Verbesserung von Information und Transparenz für Wertpapierinhaber und
Arbeitnehmer,
•
Stärkung der rechtlichen Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen und
•
Orientierung an international üblichen Standards.2
Gemäß der gewählten Schwerpunktsetzung dieser Arbeit steht das dritte der genannten Einzelziele im Vordergrund des Interesses. Es bestehen jedoch intensive
Interdependenzen mit den ersten beiden Zielen, da die Stellung der Minderheitsaktionäre und ihre ökonomische Betroffenheit maßgeblich mitbestimmt wird von
den Leitlinien für das Verfahren und den ihm zur Verfügung stehenden Informationen. Auf das vierte Einzelziel soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden, zumal bezweifelt werden kann, dass derartige Standards überhaupt existieren. Schon die scheinbare Unmöglichkeit, sich innerhalb der EU auf
eine noch mit vielen Spielräumen für nationale Individualregelungen ausgestattete
Rahmenrichtlinie zu einigen, sprechen für diese Einschätzung.3 Beachtet man
weiter, dass eine große Anzahl von Staaten, darunter auch die USA als einer der
1 BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28; dazu ZEHETMEIER-MÜLLER (2002), S. 47 – 50.
3 Vgl. Abschnitt C 2.1.
3 Ziele des Gesetzgebers bei der Regulierung von öffentlichen Angeboten
65
wichtigsten Finanzplätze der Welt, keine vergleichbaren Regulierungen besitzen,1
so kann wohl von „international üblichen Standards“ keine Rede sein.
Die Notwendigkeit der Stärkung der rechtlichen Stellung der Minderheitsaktionäre ergibt sich nach dem Gesetzgeber aus dem besonderen Schutzbedürfnis dieser
Aktionäre beim erstmaligen Entstehen einer Kontrollstellung oder einem Kontrollwechsel.2 Im Kern geht es darum, dass es einem kontrollierenden Aktionär
u.U. möglich ist, sich Sondervorteile aus der von ihm beherrschten Gesellschaft
auf Kosten der verbliebenen Minderheitsaktionäre zu verschaffen (Ausbeutung
der Minderheitsaktionäre). Den hieraus resultierenden Gefahren will das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz insbesondere durch die Pflichtangebotsregelung begegnen. Dem Minderheitsaktionär soll im Falle einer gelungenen Übernahme die Möglichkeit gegeben werden, seine Beteiligung an dem Unternehmen
zu einem angemessenen Preis veräußern zu können.
Daneben drohen durch die Möglichkeit der späteren Ausbeutung der verbleibenden Minderheitsaktionäre aber auch schon bei der Abgabe eines Übernahmeangebotes indirekte Gefahren. Durch die Antizipation der zu erwartenden Wertminderung der Aktien durch ausbeuterische Maßnahmen im Falle des Gelingens der
Übernahme könnten die Aktionäre unter Druck geraten, ihre Aktien „zu billig“ zu
verkaufen, um der Gefahr zu entgehen, als Minderheitsaktionäre in der Gesellschaft zu verbleiben und damit u.U. noch höhere Vermögenseinbußen zu erleiden.
Auch dieser Gefahr will das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz durch
verschiedenen Regelungen entgegenwirken.3
Mit den Regelungen des Wertpapierwerbs- und Übernahmegesetzes wird in den
deutschen Rechtskreis erstmalig ein Präventivschutz der Aktionäre gegen die aus
der Konzernierung ihrer Gesellschaft resultierenden Gefahren eingeführt. Insofern
ist das Gesetz auf der Schnittstelle zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht
einzuordnen.4 Die Notwendigkeit eines derartigen Präventivschutzes setzt das
Versagen der konzernrechtlichen Vorkehrungen zum Schutz der Minderheitsge-
1 Zum Übernahmerecht in den USA vgl. BOZENHARDT (1990), S. 25 – 28; BUXBAUM (1992);
RÖHRICH (1992), S. 114 – 158; HUTTER/LAWRENCE (1999).
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 34, S. 60.
3 Vgl. ZEHETMEIER-MÜLLER (2002), S. 49 – 50. Auf diese Gefahr hat bereits BEBCHUK hingewiesen. Vgl. BEBCHUK (1987), S. 911, 922 – 925. Vgl. dazu auch Abschnitt B 5.2.
4 Vgl. KRAUSE (1996b), S. 846; allgemein für die Regulierung von Übernahmeangeboten.
Speziell für das WpÜG vgl. BERDING (2002), S. 1149 – 1150; STEINMEYER/HÄGER (2002),
S. 77 – 78, die das WpÜG wegen der darin enthaltenen Ermächtigungen für die Wertpapieraufsicht daneben auch noch dem Aufsichtsrecht zuordnen. Zum Verhältnis des Übernahmerechts
zum Umwandlungsrecht vgl. WEBER -REY/SCHÜTZ (2001).
65
66
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
sellschafter voraus, die auf einem System des Ausgleichs zugefügter Nachteile
beruhen. Andernfalls wären entsprechende Regulierungen unter dem Aspekt des
Minderheitenschutzes zumindest überflüssig. Eine Rechtfertigung der noch darzustellenden weitreichenden Eingriffe in die Privatautonomie könnte dann jedenfalls
nicht auf dieses Argument gestützt werden.1 Eine Untersuchung der Wirksamkeit
konzernrechtlicher Regelungen ist jedoch nicht Thema dieser Arbeit. Hierzu muss
auf das einschlägige Schrifttum verwiesen werden, in welchem im Ergebnis Konsens herrscht, dass der konzernrechtliche Minderheitenschutz zumindest lückenhaft ist, sodass trotz der Existenz dieses Schutzsystems noch vielfältige Möglichkeiten für einen Kontrollaktionär bestehen, sich Vorteile auf Kosten der Minderheitsaktionäre zu verschaffen.2
1 So deutet MÜLBERT die Pflichtangebotsregelung als „eine Art gesetzgeberisches Misstrauensvotum“ gegenüber den konzernrechtlichen Schutzvorschriften. MÜLBERT (2001), S. 1227.
2 Vgl. zum konzernrechtlichen Minderheitenschutz PRANTL (1994), S. 65 – 148; KRAUSE
(1996b), S. 897 – 898; HOPT (1997), S. 387 – 388; BENNER-HEINACHER (1997), S. 2521;
MUNSCHECK (1999), S. 59 – 117; HOUBEN (2000), S. 1875 – 1876.
4 Arten von Angeboten
67
4
Arten von Angeboten
4.1
Überblick
Der Anwendungsbereich des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes erstreckt sich auf sämtliche Angebote zum Erwerb von (bestimmten) Wertpapieren,
die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.1 Im Gesetz werden drei verschiedene Angebote unterschieden, nämlich
•
Angebote zum Erwerb von Wertpapieren,
•
Übernahmeangebote und
•
Pflichtangebote.
Jeder dieser Angebotsarten ist ein Abschnitt des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes gewidmet. Abb. C 1 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen
den genannten Ausdrücken.2
Angebote zum Erwerb von
Wertpapieren
Angebote zum
Erwerb einer
nichtkontrollierenden Beteiligung
Übernahmeangebote
zum Erwerb
einer kontrollierenden Beteiligung
Angebote zur
Aufstockung
einer kontrollierenden Beteiligung
Pflichtangebote
nach Erwerb
einer kontrollierenden Beteiligung
freiwillige Angebote
Abb. C 1
Arten von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren
1 Vgl. § 1 WpÜG.
2 Zum Zusammenhang der verschiedenen im Gesetz genannten Angebotsarten vgl. ANGERER
(2002), § 1, Rn. 6 – 12.
67
68
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Das Angebot zum Erwerb von Wertpapieren ist als Oberbegriff für alle öffentlichen Erwerbsangebote zu verstehen.1 Übernahmeangebote und Pflichtangebote
sind demnach als spezielle Ausprägungen solcher Angebote zu verstehen. Wann
ein Angebot als öffentlich anzusehen ist, wird gesetzlich nicht definiert. Der Gesetzgeber hat absichtlich von einer Legaldefinition abgesehen, um angesichts der
Vielgestaltigkeit der möglichen Sachverhalte Umgehungsmöglichkeiten zu vermeiden.2 Bei der Beurteilung, ob es sich um ein öffentliches Angebot handelt, ist
ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere darauf abzustellen, ob es sich
nicht nur an einen begrenzten Personenkreis, sondern an eine Vielzahl von Wertpapierinhabern richtet. Daneben wird als erheblich angesehen, ob es sich nicht um
ein individuell ausgehandeltes, sondern um ein einseitig formuliertes Angebot
handelt. Auch können bestimmte typische Vertragselemente wie etwa Mindestquoten für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots sprechen.3 4
Übernahmeangebote sind solche Angebote, die auf den Erwerb einer kontrollierenden Beteiligung von (mindestens) 30 % gerichtet sind.5 Daneben kann ein Angebot auch abgegeben werden, um eine kleinere nichtkontrollierende Beteiligung
zu erwerben oder um eine bestehende kontrollierende Beteiligung auszubauen.
Diesen drei Arten von Angeboten ist gemeinsam, dass sie freiwillig abgegeben
werden.6 Hiervon zu unterscheiden ist das Pflichtangebot. Ein solches muss
grundsätzlich nach einem Kontrollerwerb unterbreitet werden.7
1 Vgl. hierzu näher Abschnitt C 4.2.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 33; STEINMEYER /HÄGER (2002), § 1 Rn. 7. Hierzu kritisch:
THAETER/BARTH (2001), S. 546 – 547.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 33. Zu der Abgrenzung näher vgl. FLEISCHER (2001),
S. 1658 – 1660; STEINMEYER/HÄGER (2002), § 1 Rn. 4 – 15; ANGERER (2002), § 1 Rn. 13 –
23; BAUM (2003).
4 Im Einzelfall kann sogar ein über die Börse abgegebenes Kaufangebot dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen. Dies kann dann der Fall sein, wenn begleitend auf geeignete
Weise der Allgemeinheit kolportiert wird, dass jemand dazu bereit ist, Aktien zu bestimmten
Konditionen auf diesem Wege zu erwerben. Vgl. STEINMEYER/HÄGER (2002), § 1, Rn. 10.
Dieser Sonderfall wird jedoch in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet.,
5 Vgl. § 29 WpÜG. Vgl. zu Übernahmeangeboten näher Abschnitt C 4.3.
6 Die Freiwilligkeit bezieht sich darauf, dass keine Verpflichtung nach dem WpÜG vorliegt. Ein
freiwilliges Angebot in diesem Sinne liegt also auch dann vor, wenn ein öffentliches Angebot
abgegeben wird, um einer gesetzlichen Pflicht außerhalb des WpÜG zu genügen, etwa im
Rahmen einer Abfindung gem. § 305 Abs. 1 AktG nach Abschluss eines Unternehmensvertrages. Vgl. STEINMEYER/HÄGER (2002), § 2 Rn. 2- 4, mit weiteren Beispielen.
7 Vgl. § 35 WpÜG. Vgl. zu Pflichtangeboten näher Abschnitt C 4.4.
4 Arten von Angeboten
69
Entsprechend diesem Zusammenhang haben die im Abschnitt 3 des Gesetzes (§§
10 – 28) niedergelegten Vorschriften grundsätzlich für alle Angebote zum Erwerb
von Wertpapieren Gültigkeit, also auch für Übernahmeangebote und Pflichtangebote. Während für die beiden anderen Formen der freiwilligen Angebote die Vorschriften des Abschnitts 3 allein ausschlaggebend sind, gelten für Übernahmeangebote zusätzlich die strengeren Vorschriften des Abschnitts 4 (§§ 29 – 34).1 Sofern sich hieraus Abweichungen zu den (allgemeinen) Vorschriften für alle Angebote ergeben, gehen diese speziellen Reglungen vor. Begründet werden die für
Übernahmeangebote strengeren Vorschriften mit dem bereits erwähnten besonderen Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre beim erstmaligen Entstehen einer
Kontrollstellung bzw. bei einem Kontrollwechsel.2 Obwohl es sich bei einem
Pflichtangebot nicht um ein Übernahmeangebot, sondern um ein Angebot nach im
Sinne des Gesetzes erfolgter Übernahme handelt, gelten für diese ebenfalls zusätzlich zu den Vorschriften des Abschnitts 3 diejenigen des Abschnitts 4 sowie
diejenigen des Abschnitts 5 (§§ 35 – 39).3 Insofern ergibt sich eine „pyramidenförmige“ Regelungstechnik in Bezug auf die materiellrechtlichen Bestimmungen
zur Regulierung des Angebotsverfahrens.4
4.2
Angebot zum Erwerb von Wertpapieren
Unter einem Angebot zum Erwerb von Wertpapieren sind sämtliche freiwilligen
oder aufgrund einer gesetzlichen Angebotspflicht erfolgenden öffentlichen Kaufoder Tauschangebote zum Erwerb der Wertpapiere zu verstehen.5 Obgleich der
Begriff des Wertpapiers bereits in anderen Gesetzen verwendet wird (z.B. WpHG,
BörsG, VerkProspG), definiert der Gesetzgeber den Begriff im Sinne des WpÜG
enger als in diesen anderen Gesetzen.6 Wertpapiere im Sinne des WpÜG sind
•
Aktien,
•
mit diesen vergleichbare Wertpapiere und
•
Zertifikate, die Aktien vertreten.7
1 Vgl. § 34 WpÜG.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG, S. 34, S. 60.
3 Vgl. § 39 WpÜG.
4 Vgl. ASSMANN (2002a), S. 114. Von ANGERER als „Baukastenprinzip“ bezeichnet, vgl.
ANGERER (2002), § 1 Rn. 26.
5 Vgl. § 2 Abs. 1 WpÜG.
6 Vgl. STEINMEYER/HÄGER (2002), § 1, Rn. 16 – 17.
7 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpÜG.
69
70
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Weiterhin sind andere Wertpapiere erfasst, die den Erwerb der oben genannten
Papiere zum Gegenstand haben.1
Der Begriff der Aktie umfasst unabhängig von deren Ausstattung sämtliche Arten,
also neben stimmberechtigten Aktien auch stimmrechtslose Vorzugsaktien.2 3 Als
mit Aktien vergleichbare Wertpapiere sind z.B. sog. „Zwischenscheine“ anzusehen, die in vorläufiger Weise die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft verkörpern.4
Als Zertifikate, die Aktien vertreten, werden beispielsweise sog. „Depositary Receipts“genannt.5 6
Unter die Alternative der anderen Wertpapiere, die den Erwerb von Aktien oder
der beschriebenen aktienähnlichen Wertpapiere zum Gegenstand haben, fallen
insbesondere Optionsanleihen und Wandelschuldverschreibungen, aber auch Optionsscheine, sofern sie zum tatsächlichen Bezug von Aktien berechtigen. Eine
urkundliche Verbriefung der Wertpapiere ist nicht erforderlich.7
Als Zielgesellschaften kommen sämtliche Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz im Inland in Betracht.8 Die Wertpapiere müssen an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sein. Hiervon werden
im Inland der amtliche Handel, der geregelte Markt sowie bestimmte Themenmärkte erfasst, bei denen die Zulassung im geregelten Markt erfolgt.9 Daneben
werden bestimmte Märkte im europäischen Wirtschaftsraum als organisierter
Markt angesehen, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 1 Nr. 13 der EGWertpapierdienstleistungsrichtlinie erfüllen.10 1
1 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpÜG.
2 Vgl. ANGERER (2002), § 1, Rn. 29; STEINMEYER /HÄGER (2002), § 2, Rn. 6.
3 Zur Klassifizierung von Ausstattungsmerkmalen von Aktien vgl. BITZ (2003c), S. 29 – 50.
Vgl. dazu auch Abschnitt B 4.5.
4 Vgl. § 8 Abs. 6 AktG.
5 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 34; SCHÜPPEN (2001), S. 960 – 961.
6 American Depositary Receipts (ADR) sind Urkunden, welche Aktien einer deutschen Gesellschaft vertreten und an einer US-amerikanischen Börse gehandelt werden. Näher zu ADR vgl.
ASSMANN (1982); WIENECKE (2001).
7 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 34.
8 Vgl. § 2 Abs. 3 WpÜG. Kritisch zu dieser Begrenzung des Anwendungsbereichs: SCHÜPPEN
(2001), S. 960.
9 Mit letzterem war bei Verabschiedung des Gesetzes insbesondere an den Handel im sog.
„Neuen Markt“ gedacht, der jedoch Anfang 2003 eingestellt wurde.
10 Vgl. § 2 Abs. 7 WpÜG; BUNDESREGIERUNG (2001), S. 35.
4 Arten von Angeboten
4.3
71
Übernahmeangebote
Übernahmeangebote sind solche Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle über
die Zielgesellschaft gerichtet sind.2 Das ist dann der Fall, wenn bei Annahme des
Angebots durch alle angesprochenen Aktionäre der Bieter unter Berücksichtigung
seiner ihm bereits zustehenden Stimmrechte die Kontrolle erlangt. Bei der Ermittlung der dem Bieter zustehenden Stimmrechte sind gem. § 30 WpÜG bestimmte Zurechnungstatbestände für Aktien zu berücksichtigen, die sich nicht in
seinem Eigentum befinden, sondern etwa von Tochtergesellschaften des Bieters
oder sonstigen Dritten für dessen Rechnung gehalten werden.3
Kontrolle ist in § 29 Abs. 2 WpÜG definiert als das Halten von mindestens 30 %
der Stimmrechte.4 Für die Berechnung dieses Prozentsatzes ist auf die absolute
Zahl der Stimmrechte und nicht auf etwaige Hauptversammlungspräsenzen der
jeweiligen Gesellschaft abzustellen. Bei der Ermittlung der Gesamtzahl der
Stimmrechte sind auch Aktien zu berücksichtigen, bei denen Hindernisse bei der
Ausübung der Rechte bestehen, insbesondere also auch eigene Aktien der Gesellschaft.5
Die Wahl der pauschalen Grenze von 30 % wird zum einen mit Regelungen in
anderen europäischen Staaten begründet, die ähnlich hohe Grenzwerte festlegen.
Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass die Präsenzen in den Hauptversammlungen börsennotierter deutscher Unternehmen so niedrig seien, dass mit
einer Stimmrechtsquote von 30 % in der Regel eine Hauptversammlungsmehrheit
bestehe.6
1 Zu den erfassten Märkten im Einzelnen ausführlich: ANGERER (2002), § 1, Rn. 45 – 97.
2 Vgl. § 29 Abs. 1 WpÜG.
3 Die Zurechnungsvorschrift orientiert sich an den vorher schon in § 22 WpHG enthaltenen
Zurechnungstatbeständen, die gleichzeitig mit dem Erlaß des WpÜG überarbeitet wurden, sodass beide Vorschriften nunmehr inhaltlich übereinstimmen. Vgl. hierzu im Einzelnen:
BUNDESREGIERUNG (2001), S. 53 – 54; PÖTZSCH/MÖLLER (2001), S. 17 – 19; ASSMANN
(2002a), S. 124 – 125.
4 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt B 2.2. Es sei daran erinnert, dass für die ökonomische Betrachtung von einem von dieser gesetzlichen Definiton abweichenden Kontrollbegriff ausgegangen wird. Im Gegensatz zum juristischen Kontrollbegriff stellt dieser ökonomische Kontrollbegriff nicht auf eine für alle Unternehmen pauschale Quote ab, sondern bestimmt die notwendige Quote individuell nach der Zielsetzung des Erwerbers.
5 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 53. Anderer Auffassung: CAHN/SENGER (2002), S. 285.
6 Vg. B UNDESREGIERUNG (2001), S. 53. Zur Diskussion um den pauschalen Schwellenwert vgl.
ARCHNER (2001), S. 1000; MÜLBERT (2001), S. 1225; SÜßMANN (2002), § 29, Rn. 13 – 16.
71
72
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Wie die meisten pauschalen Festlegungen ist auch diese nicht ganz unproblematisch. Hierauf soll abschließend noch kurz eingegangen werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Auswahl der ausschlaggebenden Kontrollintensität und
der Bestimmung der dazu gehörenden Quote:
•
Hinsichtlich der Kontrollintensität wurde ausweislich der Begründung auf
den Einfluss abgestellt, welchen eine Hauptversammlungsmehrheit vermittelt. Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzes, da hierdurch besonders
einschneidende Einflussmöglichkeiten eröffnet werden. Eine differenzierende Betrachtung unter Einbeziehung der individuellen Ziele des Übernehmers, wie sie im Rahmen der Analyse der Bewertungskalküle der beteiligten
Personen vorgenommen wird, verbietet sich für eine solche gesetzliche Regelung aus der Natur der Sache. Andernfalls würde es von der Zielquote des
Erwerbers abhängen, ob ein Angebot als Übernahmeangebot anzusehen ist
bzw. ob nach einem Erwerb auf andere Weise ein Pflichtangebot erforderlich wird.
•
Problematischer ist die pauschale Annahme, dass dieser Grad der Kontrolle
bei einer Stimmrechtsquote von 30 % des gezeichneten Kapitals erreicht sei.
Schon die Begründung, dass mit dieser Quote „in der Regel“ eine Hauptversammlungsmehrheit bestehe, gibt implizit zu, dass es auch eine Reihe von
Fällen gibt, in denen dies nicht der Fall ist. Besonders zweifelhaft dürften
solche Fälle sein, in denen schon eine größere Beteiligung eines anderen
Aktionärs existiert. Niemand wird wohl bei Erreichen einer Quote von 30 %
bereits von einer Übernahme sprechen, wenn ein anderer Aktionär eine
Quote von über 50 % hält. Mögliche unbillige Folgen der rein quotenmäßigen Definition können teilweise durch Ausnahmegenehmigungen vermieden werden. So kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in
derartigen Fällen auf Antrag eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots aussprechen.1 Derartige Befreiungen sind aber
nicht für die bei Übernahmeangeboten zu beachtenden Regeln vorgesehen.
Umgekehrt sind ebenso Fälle denkbar, in denen bereits eine geringere Quote
für eine stabile Mehrheit ausreichend ist. In diesen Fällen greifen die Regeln
für Übernahmeangebote dann jedoch nicht, obwohl u.U. eine beherrschende
Stellung erworben wird. Wegen der Unmöglichkeit, in der Zukunft liegende
Hauptversammlungspräsenzen exakt voraussehen zu können, wird man allerdings diesen Nachteil einer festen Quote hinnehmen müssen.2
1 Vgl. § 37 WpÜG i.V.m. § 9 WpÜG-VO.
2 MÜLBERT hingegen plädiert für eine Beibehaltung der Regelung nach dem Übernahmekodex,
nach dem die Kontrollquote nach der Hauptversammlungsmehrheit nach den Präsenzen der
letzten drei Hauptversammlungen bemessen wurde. Vgl. MÜLBERT (2001), S. 1225.
4 Arten von Angeboten
4.4
73
Pflichtangebote
Die Pflichtangebotsregelung stellt einen wesentlichen Kernpunkt der Regulierung
von Übernahmen börsennotierter Unternehmen dar. Danach hat derjenige, der die
Kontrolle im Sinne des Gesetzes über die Zielgesellschaft erlangt hat, den anderen
Aktionären ein Angebot zum Erwerb ihrer Aktien zu machen.1 Das Angebot hat
sich grundsätzlich auf alle Aktien der Gesellschaft zu erstrecken.2 Ausgenommen
sind allerdings eigene Aktien der Zielgesellschaft und solche, deren Eigentümer
ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen der Zielgesellschaft ist, sowie solche, die von einem Dritten für Rechnung eines der vorgenannten Unternehmen gehalten werden.3
Die Pflichtangebotsregelung wurde nach der Gesetzesbegründung eingeführt, „um
einem Minderheitsaktionär im Falle einer Unternehmensübernahme, der kein öffentliches Übernahmeangebot vorausgegangen ist, auch die Möglichkeit zu geben,
seine Beteiligung an dem Unternehmen zu einem angemessenen Preis zu verkaufen.“4 Was der Gesetzgeber als den angemessenen Preis ansieht, konkretisiert er
in § 31 WpÜG und einer hierzu erlassenen Rechtsverordnung. Ohne an dieser
Stelle hierauf bereits ausführlich einzugehen, sei nur kurz erwähnt, dass der Gesetzgeber sich als Ausdruck seines Verständnisses von Gleichbehandlung dabei
sowohl an Börsenkursen als auch an für gleiche Aktien außerbörslich vom Übernehmer gezahlten Preisen orientiert.5 Als Mittel des Minderheitenschutzes wird
dem Aktionär also eine „Ausstiegsoption“ nach erfolgter Übernahme eingeräumt,
bei der ihm die Teilhabe an einem evtl. gezahlten Paketzuschlag gesetzlich garantiert wird.
Eine Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots besteht nicht, wenn die Kontrolle
auf Grund eines Übernahmeangebotes entsprechend den Vorgaben des Gesetzes
erworben wurde.6 Mit dieser Ausnahme soll verhindert werden, dass jemand, der
eine Kontrollmehrheit auf Grund eines freiwilligen Übernahmeangebots erworben
hat, verpflichtet wäre, nunmehr ein weiteres Angebot, diesmal als Pflichtangebot,
abzugeben. Eine solche Befreiungswirkung eines Übernahmegesetzes wird ermöglicht durch das dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zu Grunde
liegende Konzept, nach dem für Übernahmeangebote und Pflichtangebote grund-
1 Vgl. § 35 Abs. 2 WpÜG.
2 Vgl. § 32 i.V.m. § 39 WpÜG
3 Vgl. § 35 Abs. 2 S. 2 WpÜG.
4 BUNDESREGIERUNG (2001), S. 30.
5 Vgl. §§ 3 – 6 WpÜG-VO.
6 Vgl. § 35 Abs. 3 WpÜG.
73
74
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
sätzlich die gleichen Vorschriften gelten.1 2 Diese Vorgehensweise ist jedoch
nicht unproblematisch. Fraglich ist, ob bei beiden Angeboten das gleiche Schutzbedürfnis besteht. Wegen des Verzichts auf ein Pflichtangebot auch nach einem
Übernahmeangebot müssen z.B. die Mindestpreisregeln bereits auf Übernahmeangebote ausgedehnt werden. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass ansonsten Umgehungsmöglichkeiten bestünden.3 Diese ergeben sich jedoch erst aus
der Tatsache, dass für diesen Fall kein Erfordernis für ein nachfolgendes Pflichtangebot mehr besteht. Ein originäres Bedürfnis für Mindestpreisregeln bei Übernahmeangeboten ist damit noch nicht begründet. Zusätzlich hat die Gewissheit,
nach einem erfolgreichen Übernahmeangebot noch die Möglichkeit zu haben, im
Rahmen eines nachfolgenden Pflichtangebotes seine Aktien zu verkaufen, unmittelbare Auswirkung auf den Kalkül der Aktionäre, die sich einem Übernahmeangebot gegenüber sehen. Gerade diese zweite Verkaufsrunde ermöglicht es nämlich
u.U. dem Aktionär erst, seine Verkaufsentscheidung im Rahmen des Übernahmeangebots ohne Druck zu treffen. Auf diese Aspekte wird im Rahmen der modelltheoretischen Analyse noch ausführlich eingegangen werden.4
Neben dieser Ausnahmeregelung hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht5 weiterhin die Möglichkeit, auf Antrag des Bieters unter bestimmten
Voraussetzungen Befreiungen von der Verpflichtung auszusprechen oder Stimmrechte bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt zu lassen.6
1 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 20; BUNDESREGIERUNG (2001), S. 30, S. 60.
2 Vgl. zu dieser Konzeption Abschnitt C 6.1.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 30.
4 Vgl. Kapitel F.
5 Im Folgenden wird verkürzend auch einfach von Bundesanstalt gesprochen.
6
Vgl. §§ 36, 37 WpÜG i.V.m. §§ 8 – 12 WpÜG-VO.
5 Allgemeine Grundsätze bei öffentlichen Angeboten
5
75
Allgemeine Grundsätze bei öffentlichen Angeboten
Für alle Angebote gelten verschiedene allgemeine Grundsätze, welche grundlegende Wertungen des Gesetzgebers wiedergeben, die auch bei der Auslegung der
besonderen Vorschriften herangezogen werden sollen.1
•
Gleichbehandlungsgrundsatz: Inhaber der gleichen Gattung von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind gleich zu behandeln.2 3 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sind mit diesem Grundsatz insbesondere solche Angebote unvereinbar, die die Höhe der vom Bieter angebotenen Gegenleistung vom Zeitpunkt der Annahmeerklärung abhängig machen, „um
ein «Windhundrennen» herbeizuführen, da innerhalb der Angebotsfrist alle
Aktionäre die Möglichkeit haben sollen, das Angebot zu gleichen Bedingungen anzunehmen.“4 Aus der Begründung lässt sich schließen, dass nicht
nur eine zeitliche Staffelung der Höhe der Gegenleistung, sondern jegliche
Form der Preisdifferenzierung von dem Verbot erfasst ist. Ebenso unzulässig ist das Versprechen an einzelne – etwa institutionelle – Aktionäre, das
Angebot nachzubessern sowie die Gewährung eines höheren Preises für
Aktionäre, die ihre Aktien über einen bestimmten Vertriebsweg dem Bieter
andienen.5 Damit ergeben sich direkt aus diesem Grundsatz konkrete Einschränkungen der Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote.
Gesetzliche Ausprägungen des Grundsatzes, die sich in weiteren Einschränkungen niederschlagen, finden sich an mehreren Stellen des Gesetzes, z.B.
in §§ 19, 31 und 32.6
•
Grundsatz ausreichender Zeit und Information: Die Wertpapierinhaber
müssen über genügend Zeit und die notwendigen Informationen für ihre
Entscheidung über die Annahme des Angebots verfügen.7 Dieser Grundsatz
findet seinen Niederschlag vor allem in den Mindestangaben, die eine An-
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 35.
2 Vgl. § 3 Abs.1 WpÜG.
3 Zu den einzelnen Gattungen von Wertpapieren sei auf die Ausführungen in Abschnitt B 4.5
verwiesen.
4 BUNDESREGIERUNG (2001), S. 35. Vgl. auch
(2002a), S. 116.
5 SCHWENNICKE (2002), § 3, Rn. 8.
6 Vgl. hierzu Abschnitt C 6.
7 Vgl. § 3 Abs. 2 WpÜG.
PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 15; ASSMANN
75
76
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
gebotsunterlage enthalten muss, weitreichenden Veröffentlichungspflichten
und in der Mindestlaufzeit der Annahmefrist von 4 Wochen.1
•
Grundsatz der Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft auf das Gesellschaftsinteresse: Mit diesem Grundsatz wird
klargestellt, dass die genannten Gesellschaftsorgane auch während eines
Angebotsverfahrens weiterhin im Interesse der Gesellschaft handeln müssen.2 Damit sind nach der Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern auch diejenigen
der Arbeitnehmer sowie der „Gesellschaft insgesamt“ gemeint.3 Welcher
Personenkreis im Einzelnen erfasst ist und wie bei unterschiedlichen Interessen abzuwägen ist, ist allerdings in der juristischen Literatur heftig umstritten.4 Es scheint sich jedoch als herrschende Meinung durchzusetzen,
dass der Schutz von Gläubigern und Arbeitnehmern nicht primär durch
Aktienrecht und WpÜG, sondern durch das allgemeine Zivilrecht
einschließlich Insolvenzrecht sowie durch das Arbeitsrecht gewährleistet
werden soll, woraus sich der Schluß ziehen lässt, dass vorrangig Aktionärsinteressen zu berücksichtigen sind.5 6
•
Grundsatz der raschen Durchführung des Angebotsverfahrens: Sowohl
der Bieter als auch die Zielgesellschaft sollen das Verfahren zügig durchführen.7 Angebotsverfahren stellen häufig eine erhebliche Belastung für die
Ressourcen der Zielgesellschaft dar, was durch das Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetz sogar noch verstärkt wird, da für die Organe der Zielgesellschaft bestimmte Pflichten ausgelöst werden. Der Gesetzgeber sah daher
die Gefahr, dass öffentliche Angebote auch als Mittel der Wettbewerbsbe-
1 Vgl. hierzu Abschnitt C 6.
2 Vgl. § 3 Abs. 3. Hierzu PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 15; ASSMANN (2002a), S. 116.
3 BUNDESREGIERUNG (2001), S. 35.
4 Vgl. für eine weitreichende Einbeziehung von Arbeitnehmer- und Drittinteressen HOPT (1993),
S. 551 – 552; MÜLBERT (1999); MÜLBERT/BIRKE (2001); MERKT (2001). Für eine nachrangige
Berücksichtigung dieser Interessen vgl. HORN (2000); KIRCHNER (2000), S. 1824; KORT
(2000), S.1435.
5 Vgl. HORN (2000), S. 481; KIRCHNER (2000), S. 1822, WIESE/DEMISCH (2001), S. 851,
SCHWENNICKE (2002), § 3 Rn. 25.
6 Daneben wird vielfach ein „Eigeninteresse“ der Gesellschaft bejaht. Auf die Diskussion, ob
eine Gesellschaft als juristische Person eigene Interessen haben kann, soll jedoch in dieser
Arbeit nicht eingegangen werden. Vgl. dazu BRINKMANN (1983); JÜRGENMEYER (1984);
MÜLBERT (1997). Zu einem Eigeninteresse der Gesellschaft kritisch: Vgl. ADAMS (1989),
S. 337 – 338.
7 Vgl. § 3 Abs. 4 WpÜG.
5 Allgemeine Grundsätze bei öffentlichen Angeboten
77
hinderung eingesetzt werden können.1 Aus diesem Grund soll die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinweg in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden.2 Der Grundsatz schlägt sich vor allem in
den Bestimmungen der Fristen für die Erfüllung der einzelnen Pflichten von
Bieter und Organen der Zielgesellschaft nieder.3 4
•
Vermeidung von Marktverzerrungen: Durch den Handel mit Wertpapieren der Zielgesellschaft dürfen keine Markverzerrungen geschaffen werden.5 Durch dieses Verbot soll verhindert werden, dass unrichtige oder unvollständige Informationen und Gerüchte sowie „in spekulativer Absicht
bewirkte Kursschwankungen“ die Wertpapierinhaber zu sachlich nicht gerechtfertigten Entscheidungen verleiten, wodurch diese geschädigt werden
können.6 Als marktverzerrend werden beispielsweise Verkäufe von Wertpapieren durch den Bieter in der Absicht, den Börsenkurs vor Abgabe eines
Angebots zu senken, angesehen.7 Der Grundsatz richtet sich nicht nur an
den Bieter, sondern auch an mit ihm gemeinsam handelnde Personen, an die
Organe der Zielgesellschaft und sonstige Dritte und ist in engem Zusammenhang mit den Verboten der §§ 14, 38 WpHG (Verbot des Insiderhandels) sowie § 20 a WpHG (Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation)
zu sehen.8
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 35.
2 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 15; LIEBSCHER (2001), S. 859; STEINMEYER/HÄGER (2002),
§ 3 Rn. 14.
3 Vgl. SCHWENNICKE (2002), § 3 Rn. 40 – 41.
4 Vgl. zu diesen Vorschriften Abschnitt C 6.
5 Vgl. § 3 Abs. 5 WpÜG.
6 Vgl. STEINMEYER/HÄGER (2002), § 3 Rn. 16.
7 Vgl. ASSMANN (2002a), S. 116.
8 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 35; ASSMANN (2002a), S. 116; SCHWENNICKE (2002), § 3
Rn. 42. Die Gesetzesbegründung bezieht sich noch auf den § 88 BörsG, der in der Zwischenzeit aufgehoben und durch § 20 a WpHG ersetzt wurde. Zur Insiderproblematik bei Übernahmeangeboten vgl. HOPT (1991), S. 32 – 33; ASSMANN (1994), S. 252 – 253; CAHN (1998),
S. 18; WITTICH (1999).
77
78
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
6
Pflichten des Bieters
6.1
Überblick
Durch die dem Bieter durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz auferlegten Pflichten wird dieser erheblich in seiner Handlungsfreiheit bei der Durchführung einer Übernahme mittels öffentlichem Angebot eingeschränkt. Damit
wird beträchtlich in die Privatautonomie eingegriffen. Die Beschränkungen lassen
sich grob in drei Klassen einteilen, nämlich
•
Pflichten, die sich auf die Ausgestaltung des Angebots beziehen,
•
Veröffentlichungs- und Meldepflichten und
•
sonstige Pflichten und Verbote.
Entsprechend der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit soll hier nur auf die erste
Gruppe dieser Pflichten ausführlich eingegangen werden. Die Einschränkung der
Ausgestaltungsmöglichkeiten für öffentliche Angebote hat bestimmenden Einfluss
auf die Stellung der Aktionäre der Zielgesellschaft. Bei den Pflichten, die sich auf
die Ausgestaltung des Angebots beziehen, wird als weiteres Gliederungskriterium
die in Teil B entwickelte Systematik herangezogen. Hinsichtlich dieser Kriterien
kann weiterhin danach unterschieden werden, welche Verpflichtungen für alle
Angebote zum Erwerb von Wertpapieren gelten und welche zusätzlich oder abweichend bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten zu erfüllen sind. Dieser
Einteilung folgt die nachfolgende Darstellung.
Aber auch die Veröffentlichungs- und Meldepflichten wirken sich auf die Betroffenheit der potentiellen Verkäufer aus, da es ihnen hierdurch ermöglicht wird, ihre
Entscheidung über den Verkauf auf der Grundlage der veröffentlichten Informationen zu treffen. Daher erfolgt auch eine knappe Übersicht der wesentlichen Vorschriften der zweiten Gruppe. Für nähere Informationen muss auf das einschlägige
Schrifttum verwiesen werden.1 Auf sonstige Pflichten und Verbote, die sich keiner der beiden zuerst genannten eindeutig zuordnen lassen, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.2
1 Vgl. z.B. WITT (2000); ASSMANN (2002a); GEIBEL/GROBYS (2002), § 10, § 11; THUN (2002),
§ 23.
2 Als Pflichten, die sich dieser Gruppe zuordnen lassen sind z.B. Vorschriften zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung des Bieters (§ 25 WpÜG) oder zum Bereich der Werbung
(§ 28 WpÜG) zu nennen. Vgl. dazu z.B. BURGARD (2000), S. 611 – 612; KRAUSE (2000b);
RIEHMER/SCHRÖDER (2000); LIEBSCHER (2001), S. 859 – 860.
6 Pflichten des Bieters
6.2
Ausgestaltung des Angebots
6.2.1
Rechtliche Bindungswirkung
79
Hinsichtlich der rechtlichen Bindungswirkung wurden in Teil B die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten unterschieden, ein verbindliches Angebot oder eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatatio ad offerendum) zu formulieren1. Letztere Möglichkeit ist nach § 17 WpÜG ausdrücklich untersagt. Begründet
wird dies damit, dass ein Angebot in der Regel gravierende Folgen für das Zielunternehmen, dessen Management und die Wertpapierinhaber auslöse. Behinderungen der Zielgesellschaft durch Angebote, an die der Bieter nicht gebunden sei,
seien deshalb zu vermeiden. Aus diesem Grund sei es sachgerecht, den Bieter zur
Abgabe eines verbindlichen Angebots zu verpflichten.2
Die Folgen dieses Verbots sind ausgesprochen weitreichend, denn hierdurch wird
zugleich jegliche Form der angebotsorientierten Preis- oder Mengenfestsetzung
vereitelt, welche die Ausgestaltung als invitatio ad offerendum notwendig voraussetzen.3 Insofern ist zu fragen, ob eine Vermeidung des Missbrauchs von Angeboten zur Behinderung der Zielgesellschaft nicht auf andere Weise ohne diese
gravierenden Folgen erreicht werden könnte.
Die Gesetzesbegründung stellt zwar – freilich ohne empirischen Beleg – fest, dass
schon vor dem WpÜG Angebote mehrheitlich als rechtlich bindende Angebote
ausgestaltet worden seien, womit vermutlich suggeriert werden soll, dass die Einschränkung insofern unbedeutend sei.4 Doch selbst wenn dieser Befund zutreffend
sein sollte, muss es wohl wenigstens eine Minderheit geben, die eine Ausgestaltung als invitatio ad offerendum in der Vergangenheit vorgezogen hat. Gründe
hierfür könnten z.B. in der damit verbundenen Möglichkeit der angebotsorientierten Mengen- und Preisfestsetzung liegen. Um diese Möglichkeiten abzuschneiden, bedarf es nach Auffassung des Verfassers einer überzeugenderen Begründung, zumal weder der Gesetzgeber noch einer der vielen ihm in dieser Frage
kritiklos folgenden Autoren5 auch nur einen einzigen Fall in der Vergangenheit
anführen können, in dem ein als invitatio ad offerendum ausgestaltetes Angebot
missbräuchlich eingesetzt wurde. Aufgrund der vielfältigen vom Bieter bei einem
1 Vgl. Abschnitt B 4.2.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 47.
3 Vgl. Abschnitt B 4.4 und 4.5. Auf Einschränkungen bei Preis- und Mengenregeln wird weiter
unten noch vertiefend eingegangen.
4 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 47.
5 Z.B. PÖTZSCH/MÖLLER ( 2000), S. 21 – 22; LAND/HASSELBACH (2000), S. 1750 – 1751;
BUSCH (2002), S. 145, GEIBEL (2002), § 17 Rn. 3 -6.
79
80
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Angebot zu erfüllenden Pflichten, welche mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sind, und unter Einbeziehung möglicher Rückwirkungen auf die Reputation des Bieters kann grundsätzlich bezweifelt werden, dass ein solches nicht ernst
gemeintes Angebot besonders geeignet ist, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
In gleichem Zusammenhang ist auch das Verbot zu sehen, ein Angebot unter dem
Vorbehalt des Widerrufs oder des Rücktritts abzugeben.1 Weiterhin sind Bedingungen unzulässig, deren Eintritt der Bieter bzw. mit ihm gemeinsam oder für ihn
handelnde Personen ausschließlich selbst herbeiführen können.2 Mit diesen Regelungen soll ebenfalls erreicht werden, dass der Bieter grundsätzlich an sein Angebot gebunden sein soll.3
Immerhin sind Bedingungen bei Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren nicht
grundsätzlich ausgeschlossen. Durch die verpflichtende Bindungswirkung seines
Angebots in Verbindung mit dem zeitlichen Rahmen, der den Aktionären zur Annahme des Angebots zur Verfügung steht, ergibt sich für den Bieter die Gefahr,
dass sich nach Abgabe des Angebots wesentliche Rahmendaten ändern. Daneben
kann es erforderlich sein, bestimmte Erlaubnisse oder Zustimmungen einzuholen,
sei es von der eigenen Hauptversammlung, seien es behördliche Genehmigungen.4 Schließlich ist die Bewertung des Unternehmens für den Bieter häufig vom
Erreichen eines bestimmten Mindeststimmrechtsanteils abhängig.5 Diese und andere Gründe können aus der Sicht des Bieters zur Notwendigkeit von Bedingungen im Angebot führen.
Diesem Bedürfnis trägt das Gesetz Rechnung, indem solche Bedingungen zulässig
sind, soweit ihr Eintritt nicht vom Bieter allein ausgelöst werden kann.6 Ausweislich der Gesetzesbegründung sind beispielsweise Bedingungen zulässig, die die
Wirksamkeit des Angebots von noch ausstehenden kartellrechtlichen oder sonstigen behördlichen Entscheidungen abhängig machen oder an das Erreichen einer
bestimmten Mindestquote knüpfen. Gleiches gilt für ein Angebot unter der Bedingung der Zustimmung der Hauptversammlung des Bieters, der in diesem Fall
allerdings verpflichtet ist, einen entsprechenden Beschluss noch innerhalb der
1 Vgl. § 18 Abs. 2 WpÜG.
2 Vgl. § 18 Abs. 1 WpÜG.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 47; GEIBEL (2002), § 18 Rn. 1; STEINMEYER /HÄGER
(2002), § 18 Rn. 1.
4 Vgl. BUSCH (2002); S. 145.
5 Vgl. zu derartigen Bewertungskalkülen Teil D.
6 Vgl. § 18 Abs. 1 WpÜG.
6 Pflichten des Bieters
81
Annahmefrist herbeizuführen.1 2 Auch wird die Bedingung, dass während der
Angebotsfrist keine Abwehrmaßnahmen wie etwa der Verkauf wesentlicher Betriebsteile vorgenommen werden, als zulässig angesehen, sofern sie hinreichend
bestimmt formuliert sind.3
Für Übernahmeangebote ergeben sich demgegenüber keine weiteren Einschränkungen, wohl aber für Pflichtangebote. Die Pflicht, ein Angebot abzugeben, wird
ihrer Natur nach als generell bedingungsfeindlich angesehen, da sich der Bieter
sonst durch Setzung einer kaum oder gar nicht erfüllbaren Bedingung seiner Verpflichtung entziehen könnte.4 Daher sind für Pflichtangebote jegliche Bedingungen grundsätzlich ausgeschlossen.5
6.2.2
Art der Gegenleistung
Aus dem für alle Angebote geltenden dritten Abschnitt des Wertpapererwerbsund Übernahmegesetzes ergeben sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Art
der Gegenleistung.
Anders verhält es sich jedoch für Übernahmeangebote und Pflichtangebote. Bei
diesen Angeboten ist der Bieter verpflichtet, den Aktionären der Zielgesellschaft
entweder eine Geldleistung in Euro oder liquide Aktien anzubieten, die zum Handel an einer Börse im Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind.6 Neben
mindestens einer dieser beiden Alternativen kann der Bieter beliebige weitere
Gegenleistungen offerieren.7 Auch Kombinationsangebote bestehend aus einem
Umtausch gegen liquide Aktien plus Barzahlung in Euro werden als zulässig an-
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 48.
2 Bislang ungeklärt ist die Frage der Zulässigkeit sog. „Force-Majeure-Klauseln“, auch „Material-Adverse-Change-Klauseln“ genannt, welche bei wesentlichen nachteiligen Ereignissen unvorhersehbarer Art greifen. Hier ergibt sich das besondere Problem der objektiven und rechtssicheren Feststellbarkeit derartiger Klauseln. § 18 (1) WpÜG schließt derartige Klauseln nicht
explizit aus, ihre Zulässigkeit wird jedoch im Einzelfall nach ihrer genauen Formulierung zu
prüfen sein. Vgl. BUSCH (2002), S. 150 –151.
3 Vgl. RIEHMER /SCHRÖDER (2001), S. 7; STEINMEYER/HÄGER (2002), § 18 Rn. 9.
4 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 62; STEINMEYER /HÄGER (2002), § 18 Rn. 3, 10. Einschränkend GEIBEL, der zumindest in bestimmen Fällen, in denen ansonsten eine Kollision mit
anderen gesetzlichen Vorschriften auftreten würde, Bedingungen auch in Pflichtangeboten für
zulässig hält. Vgl. GEIBEL (2002), § 18 Rn. 38.
5 Vgl. § 39 i.V.m. § 18 Abs. 1 WpÜG.
6 Vgl. § 31 Abs. 2 S. 1 WpÜG.
7 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 55; THUN (2002), § 31 Rn. 21 – 22.
81
82
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
gesehen.1 Werden den Inhabern stimmberechtigter Aktien andere Aktien angeboten, so müssen diese ebenso stimmberechtigt sein.2 Hinsichtlich des Emittenten
ergeben sich keine Restriktionen, insbesondere ist der Bieter also nicht auf eigene
Aktien beschränkt, sondern kann Aktien beliebiger anderer Unternehmen anbieten, sofern diese den beschriebenen Anforderungen genügen.
Jedoch ist der Bieter verpflichtet, den Aktionären der Zielgesellschaft dann zumindest wahlweise eine Gegenleistung in Euro anzubieten, wenn er oder ihm zuzurechnende Personen3
•
in den letzten drei Monaten vor Veröffentlichung des Angebots mindestens
fünf Prozent der Aktien oder Stimmrechte der Zielgesellschaft (Vorerwerbe) oder
•
während der Annahmefrist insgesamt mindestens ein Prozent der Aktien
oder Stimmrechte (Parallelerwerbe)
gegen Zahlung einer Geldleistung erworben hat.4 5 Auch diese Bestimmung wird
auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt.6
1 Vgl. THAETER/BARTH (2001), S. 547; THUN (2002), § 31 Rn. 24 – 25.
2 Vgl. § 31 Abs. 2 S. 2 WpÜG.
3 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die ausdrückliche Nennung der
dem Bieter zuzurechnenden Personen verzichtet. Immer wenn von Erwerben durch den Bieter
gesprochen wird, soll dieser Personenkreis mit erfasst sein, sofern er nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird.
4 Vgl. § 31 Abs. 3 WpÜG. Die ursprüngliche Fassung im Regierungsentwurf lautete noch
„… vor Ablauf der Annahmefrist Aktien der Zielgesellschaft gegen Zahlung einer Geldleistung
erworben haben.“ Wäre diese Formulierung in das Gesetz übernommen worden, hätte auch der
Erwerb nur einer einzigen Aktie gegen Geldleistung während des Angebotsverfahrens dazu geführt, dass der Bieter sämtlichen Aktionären gegenüber zu einem Barangebot verpflichtet gewesen wäre. Durch die Änderung wurde eine Bagatellgrenze eingeführt, die unbillige Härten
vermeiden soll. Vgl. FINANZAUSSCHUSS (2001), S. 68.
5 Ein Erwerb im Sinne der Vorschrift liegt erst dann vor, wenn die entsprechenden Aktien dinglich übereignet sind. Um Umgehungen durch ein abweichendes Übereignungsdatum zu verhindern, sieht § 31 Abs. 6 WpÜG die Gleichstellung sonstiger Vereinbarungen vor, aufgrund derer die Übereignung verlangt werden kann (sog. erwerbsgleiche Vereinbarungen). Hierunter
fallen z.B. Optionsverträge oder der Erwerb von Bezugsrechten. Vgl. dazu THUN (2002), § 31
Rn. 65 – 73.
6 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 55; PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 23; THUN (2002), § 31
Rn. 27.
6 Pflichten des Bieters
6.2.3
83
Preisregeln
Durch das bereits beschriebene Verbot, das Angebot als invitatio ad offerendum
auszugestalten, ergibt sich die Unmöglichkeit der angebotsorientierten Preisfestsetzung, da eine solche begriffsnotwendig die Einholung von Verkaufsangeboten
voraussetzt.1 Daneben ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz2 ein Verbot jeglicher Preisdifferenzierung.3 Darüber hinaus gibt es keine für alle Angebote
geltenden Preisregeln.
Für Übernahmeangebote und Pflichtangebote hingegen schreibt das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vor, dass der Bieter eine „angemessene“ Gegenleistung anzubieten habe. Bei der Bestimmung der im Sinne der Vorschrift angemessenen Gegenleistung sind grundsätzlich der durchschnittliche Börsenkurs der
Aktien im Vorfeld des Angebots sowie Erwerbe von Aktien durch den Bieter zu
berücksichtigen.4 Von einer gesetzlichen Regelung der Höhe der Gegenleistung
wurde abgesehen. Die nähere Bestimmung erfolgt stattdessen in einer vom Bundesministerium der Finanzen erlassenen Rechtsverordnung.5 Die dort geregelten
Preisbindungen lassen sich auf zwei Mindestgrenzen verdichten. Danach muss die
Gegenleistung
1.
mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter innerhalb der letzten drei
Monate vor Veröffentlichung eines öffentlichen Angebots gewährten oder
vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb6 von Aktien der Zielgesellschaft7 (sog. Gleichpreisregel) 8 und
2.
mindestens dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate vor
der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots entsprechen9 (sog. Börsenpreisregel)10. Dabei ist der Durchschnittskurs bei zum
Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Aktien als nach Umsätzen
1 Vgl. Abschnitt B 4.4.
2 Vgl. § 3 Abs. 1 WpÜG.
3 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt C 5.
4 Vgl. § 31 Abs. 5 WpÜG, für Pflichtangebote § 31 Abs. 5 i.V.m. § 39 WpÜG.
5 Vgl. § 31 Abs. 7 WpÜG i.V.m. §§ 3 – 7 WpÜG-VO
6 Dem Erwerb gleichgestellt sind gem. § 31 Abs. 6 WpÜG Vereinbarungen, auf Grund derer die
Übereignung verlangt werden kann.
7 Vgl. § 4 WpÜG-VO.
8 Vgl. HOUBEN (2000), S. 1880; THUN (2002), § 31 Rn. 80.
9 Vgl. § 5 Abs. 1 WpÜG-VO und § 6 Abs. 1 WpÜG-VO.
10 Vgl. HOUBEN (2000), S. 1880; THUN (2002), § 31 Rn. 88.
83
84
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
gewichteter Durchschnitt zu berechnen.1 Bei Aktien, die ausschließlich an
einem organisierten Markt in einem anderen Staat des europäischen Wirtschaftsraums zugelassen sind, ist die Börse mit den höchsten Umsätzen in
diesem Zeitraum maßgeblich.2 Der Durchschnitt soll dann anhand der täglichen Schlussauktion ermittelt werden. Wird eine solche nicht durchgeführt,
kann ein anderes geeignetes Verfahren, dessen Grundlage täglich festgestellte Kurse sind, verwendet werden.3 4
Der Beobachtungszeitraum für Vorerwerbe und der Erhebungszeitraum für die
Feststellung des durchschnittlichen Börsenkurses sind zwar gleich lang, fallen
aber wegen der unterschiedlichen Endzeitpunkte teils auseinander. Während für
den Beobachtungszeitraum das Ende durch die Veröffentlichung des Angebotes
markiert wird, endet der Erhebungszeitraum für die Börsenkurse bereits mit der
Veröffentlichung der Entscheidung, ein Angebot abzugeben. Zwischen diesen
beiden Zeitpunkten können bis zu acht Wochen liegen, sodass sich die beiden
Zeiträume entsprechend überlappen.5
Die Gleichpreisregel folgt nach Ansicht des Gesetzgebers aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.6 Offenbar will der Gesetzgeber nicht nur die Aktionäre
gleich behandeln, die im Rahmen des Angebotes verkaufen, sondern möchte den
Gleichbehandlungsgrundsatz auf alle Aktionäre (mit gleicher Aktiengattung)
erstrecken. Legt man dieses weite Verständnis von Gleichbehandlung zu Grunde,
so ist der Grundsatz jedoch durch diese Regel gerade nicht verwirklicht, denn die
Wirkungsrichtung ist nur einseitig: Zwar können Aktionäre, die im Rahmen des
Angebots verkaufen, nicht weniger erhalten als solche Aktionäre, die im Rahmen
von Vorerwerben verkaufen, umgekehrt können aber diese vorher verkaufenden
Aktionäre nicht an einem eventuell höheren Angebotspreis partizipieren.7
Es ist allerdings bereits fraglich, ob überhaupt eine Gleichbehandlung zwischen
Aktionären, die im Rahmen eines Angebots verkaufen und solchen, die vorher
verkaufen, sachlich gerechtfertigt ist. Eine Unterscheidung könnte vor allem dann
angezeigt sein, wenn im Rahmen von Vorerwerben größere Pakete gekauft werden. So sahen sowohl der Diskussionsentwurf als auch der Referentenentwurf vor,
1 Vgl. § 5 Abs. 3 WpÜG-VO.
2 Vgl. § 5 Abs. 1 WpÜG-VO.
3 Vgl. § 5 Abs. 3 WpÜG-VO.
4 Zu Einzelheiten des Berechnungsverfahrens vgl. SCHULZ (2003), S. 116 – 119.
5 Vgl. SCHULZ (2003), S. 116.
6 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. S. 79 – 80.
7 Vgl. auch STEINMEYER /HÄGER (2002), § 31 Rn. 11.
6 Pflichten des Bieters
85
dass bei außerbörslichen Erwerben der Erwerbspreis im Rahmen eines Übernahme- oder Pflichtangebotes um höchstens 15 % unterschritten werden durfte. Dies
wurde damit begründet, dass Paketzuschläge „Ausdruck einer besonderen ökonomischen Leistung“1 seien und nicht sämtlichen (Klein-)Aktionären zugute kommen sollten, da diese nicht die gleiche Leistung erbracht hätten.2 Die Argumentation stellt allerdings ausschließlich auf den Wert ab, den ein Paket für den Übernehmer hat, insbesondere wenn es ihm die Kontrolle vermittelt. Vernachlässigt
wird dagegen die Betrachtung des Wertes für den bisherigen Paketinhaber. Wie in
der modelltheoretischen Analyse in Teil D noch gezeigt werden wird, kann für
Paketinhaber aus Synergien und anderen externen Effekten durchaus ein höherer
Wert der Aktien als für die Minderheitsaktionäre resultieren. Dieser höhere Wert
geht aber nur dem bisherigen Paketinhaber durch den Verkauf verloren. Es besteht
hingegen kein hinreichender Grund, auch den Minderheitsaktionären, die auch vor
dem Verkauf nicht an derartigen externen Effekten partizipieren konnten, ebenfalls diesen zusätzlichen Wert zu entgelten. Diese Gedanken werden im Rahmen
der Auswertung der Ergebnisse der modelltheoretischen Analyse noch einmal
aufgegriffen weren. In der Diskussion um den Gesetzesentwurf hat sich jedoch die
gegenteilige Meinung durchgesetzt, dass eine unterschiedliche Behandlung nicht
gerechtfertigt sei („one share one price“), sodass auch diese begrenzte Möglichkeit der Differenzierung zwischen Käufen im Rahmen des Angebots und (Paket-)
Käufen vor Abgabe des Angebots aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde.3
Anders als im Rahmen der Bestimmung der Art der Gegenleistung gem. § 31 Abs.
3 WpÜG4 ist bei der Gleichpreisregel gem. § 4 WpÜG-VO keine Bagatellgrenze
vorgesehen. Das hat zur Folge, dass bereits der Erwerb einer einzigen Aktie innerhalb des Referenzzeitraums durch den Bieter oder eine der ihm zuzurechnenden Personen die Mindesthöhe der Gegenleistung beeinflusst.5
Eine ausdrückliche Begründung für die Börsenpreisregel gibt der Gesetzgeber
hingegen nicht. Offenbar sieht er es als selbstverständlich an, dass der Börsenpreis
für jeden Aktionär die Wertuntergrenze darstellt. Dahinter steht möglicherweise
die Vorstellung, der Börsenkurs sei so etwas wie der „objektive“ oder „wahre“
Wert einer Aktie oder zumindest ein Indikator hierfür, der nur gewissen Schwankungen um den „wahren“ Wert unterliegt. Hierauf deutet jedenfalls das Abstellen
auf einen gewichteten Durchschnittskurs von drei Monaten hin, wodurch aus-
1 PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 23.
2 Vgl. auch KRAUSE (2000b), S. 909; LIEBSCHER (2001), S. 865.
3 Vgl. THUN (2002), § 31, Rn 86 – 87.
4 Vgl. Abschnitt C 6.2.2.
5 Vgl. STEINMEYER/HÄGER (2002), § 31 Rn 13; THUN (2002), § 32 Rn. 83. Kritisch dazu
LIEBSCHER (2001), S. 861.
85
86
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
weislich der Gesetzesbegründung vermieden werden soll, dass außergewöhnliche
Kursausschläge unverhältnismäßig starke Berücksichtigung finden.1 Dafür spricht
auch, dass in bestimmten Situationen, etwa bei geringem Handelsvolumen, an die
Stelle der Börsenbewertung eine Unternehmensbewertung (durch Sachverständige) treten soll,2 da in derartigen Einzelfällen Börsenkurse nicht aussagekräftig
seien.3
Schon diese Sichtweise ist als verfehlt anzusehen. Wie später bei der Entwicklung
der modellmäßigen Bewertungskalküle noch näher ausgeführt wird, gibt es den
„wahren“ Unternehmenswert nicht.4 Der Wert einer Sache ist stets Ausdruck eines individuellen Bewertungsvorgangs und kann daher nur auf ein bestimmtes
Subjekt, in diesem Fall einen einzelnen Aktionär, bezogen werden und stellt dessen Werteinschätzung des Gegenstandes dar, in diesem Falle der Aktie.5 Sie kann
(zufällig) mit dem Börsenkurs übereinstimmen, muss es jedoch keinesfalls.
Eine Begründung, warum der Börsenkurs dennoch als Untergrenze für den Wert
einer Aktie aus der Sicht der aktuellen Aktionäre angesehen werden kann, könnte
sich allerdings aus dem Argument ergeben, dass der Aktionär andernfalls seine
Aktien zum höheren Börsenkurs verkaufen könnte. Dies setzt allerdings voraus,
dass zu diesem Börsenkurs auch eine Nachfrage in Höhe der vom jeweiligen Aktionär angebotenen Aktienmenge besteht. Selbst wenn man dies zumindest für
Kleinaktionäre wenigstens annähernd unterstellen kann, stellt sich allerdings die
weitere Frage, warum der Gesetzgeber bei Übernahmeangeboten diese Untergrenze festschreiben soll. Naheliegend wäre dann die Annahme, dass eine Übernahme
mit einem Angebotspreis, der unterhalb der durch den Börsenkurs indizierten unteren Grenze der Werteinschätzung aller aktuellen Aktionäre liegt, die Übernahme
sowieso nicht gelingen könnte, da keiner der Zielgesellschaftsaktionäre verkaufen
würde. Zumindest bei Übernahmeangeboten bestünde dann gar kein Schutzbedürfnis. Damit ein solches vorliegen könnte, müsste es einen Mechanismus geben,
der auch eine Übernahme zu Preisen unterhalb dieser Werteinschätzung aller Aktionäre ermöglichen würde. Auf diese Problematik wird im Rahmen der modelltheoretischen Untersuchung noch ausführlich eingegangen.6
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 80.
2 Vgl. § 5 Abs. 4 WpÜG-VO.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 80.
4 Vgl. dazu näher Abschnitt D 2.1.
5 Vgl. zum Wertbegriff grundlegend ENGELS (1962), S. 1 – 44.
6 Vgl. Abschnitt D 3.3.3.
6 Pflichten des Bieters
87
Anders sieht es jedoch bei Pflichtangeboten aus. Liegt ein Pflichtangebot vor, so
hat der Übernehmer die Kontrolle bereits erlangt. Gäbe es keine Mindestgrenze,
so könnte der Übernehmer die Angebotspflicht leer laufen lassen, indem er einen
unakzeptabel niedrigen Angebotspreis (im Extremfall nahe Null) festsetzen würde. Der durchschnittliche Börsenkurs stellt dabei allerdings nur eine von mehreren
denkbaren Untergrenzen dar.
Weiterhin ergibt sich aus dem Gesetz eine Nachbesserungspflicht, wenn der
Bieter
•
während der Annahmefrist Aktien erwirbt (Parallelerwerbe) oder
•
innerhalb eines Jahres außerbörslich Aktien (Nacherwerbe) erwirbt
und hierfür wertmäßig eine höhere als die im Angebot genannte Gegenleistung
gewährt.1 Im ersten Fall erhöht sich die im Rahmen des Angebots zu gewährende
Gegenleistung kraft Gesetzes, ohne dass hierfür eine Veröffentlichung durch den
Bieter erforderlich ist.2 Im zweiten Fall ist der Bieter verpflichtet, den Aktionären,
die das Angebot angenommen haben, eine Geldleistung in Höhe des Unterschiedsbetrages zu zahlen.3 Eine Ausnahme von dieser Pflicht liegt vor, wenn der
Erwerb auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt, also etwa einer Abfindung bei Abschluss eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags.4 Auch
die Nachbesserungspflicht wird als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes
angesehen.5 Bei Nacherwerben sollen zudem Umgehungstatbestände durch die
zeitliche Verlagerung des Erwerbs ausgeschlossen werden.6
1 Vgl. § 31 Abs. 4 und 5 WpÜG.
2 Vgl. THUN (2002), § 31, Rn. 52.
3 Vgl. LAND/HASSELBACH (2000), S. 1752; THUN (2002), § 31, Rn. 60.
4 Vgl. § 31 Abs. 5 WpÜG.
5 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 55; THUN (2002), § 31 Rn. 46.
6 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 56.
87
88
6.2.4
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Art der nachgefragten Wertpapiere
Bei öffentlichen Angeboten, die keine Übernahme- oder Pflichtangebote darstellen, ergeben sich durch das Gesetz keine Einschränkungen hinsichtlich der Art der
nachgefragten Wertpapiere. Das öffentliche Angebot kann sich in diesen Fällen
also auch exklusiv auf einzelne von mehreren emittierten Aktiengattungen einer
Zielgesellschaft erstrecken.1
Bei Übernahme- und Pflichtangeboten gilt hingegen eine umfassende Vollangebotspflicht für Aktien.2 Diese erstreckt sich sowohl auf die Art der Aktien als
auch auf die Menge.3 Eine Beschränkung des Angebots auf einzelne Aktiengattungen ist daher unzulässig. Insbesondere darf der Übernehmer also nicht ggf.
emittierte stimmrechtslose Aktien von dem Angebot ausschließen.4
6.2.5
Mengenregeln
Analog zu den Preisregeln sind auch angebotsorientierte Mengenregeln durch das
Verbot der invitatio ad offerendum ausgeschlossen. Weitere für alle Angebote
geltende Einschränkungen hinsichtlich der Menge liegen nicht vor. Es sind also
Vollangebote wie auch Teilangebote grundsätzlich zulässig.
Zu beachten ist allerdings, dass die Abgabe eines Teilangebots, dessen vollständige Annahme zum Überschreiten der Kontrollschwelle von 30 % führen würde, als
Übernahmeangebot zu klassifizieren wäre, bei denen Teilangebote nicht zulässig
sind.5 Gleiches gilt für Pflichtangebote.6 Diese Angebotsarten haben sich – wie
bereits ausgeführt7 – auf alle von der Zielgesellschaft emittierten Aktien zu richten.
Die Vollangebotspflicht auch für Übernahmeangebote ist in engem Zusammenhang mit der Pflichtangebotsregelung zu sehen. Der Gesetzgeber betont das be-
1 Vgl. zu den möglichen Aktiengattungen Abschnitt B 4.5.
2 Vgl. § 32 WpÜG.
3 Zu den Mengenregeln vgl. Abschnitt C 6.2.5.
4 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 57; LAND (2001), S. 1711.
5 Vgl. § 32 WpÜG.
6 Vgl. § 32 i.V.m.§ 39 WpÜG für Pflichtangebote.
7 Vgl. Abschnitt C 6.2.4.
6 Pflichten des Bieters
89
sondere Schutzbedürfnis von Aktionären beim erstmaligen Entstehen oder beim
Wechsel einer Kontrollstellung.1 Daher sollen bei einem Angebot, bei dessen Erfolg eine derartige Kontrolle entstehen bzw. wechseln würde, alle Aktionäre die
Möglichkeit haben, ihre Aktien an den Übernehmer zu verkaufen.2
Dieses Ziel hätte prinzipiell auch ohne die Ausdehnung der Vollangebotspflicht
auch auf Übernahmeangebote erreicht werden können, wenn man auf die befreiende Wirkung des Übernahmeangebotes von der Verpflichtung zum Pflichtangebot (§ 35 Abs. 3) abgesehen hätte. Dies hätte allerdings bedeutet, dass bei einem
erfolgreichen Übernahmeangebot stets ein Pflichtangebot folgen müsste. Diese
Konsequenz wollte der Gesetzgeber jedoch wegen des erhöhten Aufwandes durch
zwei aufeinander folgende Angebote vermeiden.3
6.2.6
Zuteilungsregeln
Wegen des Ausschlusses angebotsorientierter Mengen- und Preisregeln kann die
Problematik der „Überzeichnung“ des Kaufangebots, also einer Situation in der
die Anzahl der Wertpapiere, die der Bieter erwerben kann, höher ist als die Anzahl der Wertpapiere, die er zu erwerben sich verpflichtet hat, nur bei Teilangeboten auftreten. Teilangebote sind – wie eben ausgeführt – jedoch nur bei Angeboten zulässig, die keine Übernahmeangebote oder Pflichtangebote sind. Das Gesetz schreibt vor, die Annahmeerklärungen grundsätzlich verhältnismäßig (pro
rata) zu berücksichtigen.4 Der größte Teil des breiten Spektrums der denkbaren
Zuteilungsverfahren ist damit unzulässig.5
Begründet wird auch diese Einschränkung mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.6 Eine Zuteilung nach anderen Kriterien ist nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich unzulässig. Ausnahmen vom Grundsatz der verhältnismäßigen Zuteilung sind in engen Grenzen aus Gründen der Praktikabilität zulässig,
etwa eine vollständige Berücksichtigung kleinerer Bestände.7 Daneben sind Re-
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 34, S. 60.
2 Vgl. THUN (2002), § 32, Rn. 1
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 60
4 Vgl. § 19 WpÜG.
5 Vgl. Abschnitt B 4.7.
6 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 60; STEINMEYER/HÄGER (2002), § 19 Rn. 3.
7 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 48.
89
90
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
gelungen zur Erfüllung der Ganzzahligkeitsbedingung erforderlich, da nur der
Erwerb ganzer Aktien möglich ist.1
6.2.7
Annahmefrist
Die Frist für die Annahme eines Angebots darf grundsätzlich nicht weniger als
vier und nicht mehr als zehn Wochen betragen. Sie beginnt mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage.2 Der Gesetzgeber versucht durch diesen Rahmen
sicherzustellen, dass einerseits den Aktionären der Zielgesellschaft genügend Zeit
für die Entscheidungsfindung zu Verfügung steht, andererseits aber das Verfahren
insgesamt zügig abgewickelt wird.3
Trotz der grundsätzlich innerhalb dieser Grenzen beliebigen Bestimmung der Frist
nach dem Ermessen des Bieters, kann dieser die tatsächliche Laufzeit nicht vollständig bestimmen, da eine Reihe von gesetzlich benannten Ereignissen zu einer
Fristverlängerung führt. Wird z.B. im Zusammenhang mit dem Angebot eine
Hauptversammlung der Zielgesellschaft einberufen, so beträgt die Frist unabhängig von dem im Angebot bestimmten Zeitraum automatisch zehn Wochen.4 Im
Falle einer Änderung des Angebots5 durch den Bieter innerhalb der letzten beiden
Wochen der Laufzeit verlängert sich die Frist um zwei Wochen.6 Eine Verlängerung der Annahmefrist erfolgt auch, wenn während ihres Laufes ein anderer Bieter ein konkurrierendes Angebot abgibt, dessen Annahmefrist später abläuft. In
diesem Fall gilt für beide Angebote der spätere Termin für den Fristablauf.7 Da
konkurrierende Angebote theoretisch beliebig oft von beliebig vielen Personen
abgegeben werden können und auch Teilangebote als konkurrierende Angebote
anzusehen sind, ergibt sich für den Bieter eine erhebliche Unsicherheit, zumal
1 Vgl. GEIBEL (2002), § 19 Rn. 9.
2 Vgl. § 16 Abs. 1 WpÜG.
3 Vgl. SCHÜPPEN (2002), S. 964.
4 Vgl. § 16 Abs. 3 S. 1 WpÜG.
5 Vgl. hierzu Abschnitt C 6.2.9.
6 Vgl. § 21 Abs. 5 WpÜG.
7 Vgl. § 22 Abs. 3 WpÜG. Wertpapapierinhaber, die bereits das erste Angebot angenommen
haben erhalten für den Fall eines konkurrierenden Angebots ein Rücktrittsrecht, sodass auch
sie die Möglichkeit haben, dieses Angebot noch anzunehmen. Vgl. § 22 Abs. 3 WpÜG.
6 Pflichten des Bieters
91
sogar rechtswidrige oder durch die Bundesanstalt untersagte Angebote die fristverlängernde Wirkung entfalten.1
Handelt es sich um ein Übernahmeangebot, so haben die Aktionäre der Zielgesellschaft, die das Angebot nicht angenommen haben, nach Ablauf der im Angebot bestimmten Frist noch zwei weitere Wochen Zeit, das Angebot anzunehmen
(verlängerte Annahmefrist). Das gilt nur dann nicht, wenn der Bieter das Angebot vom Erwerb einer Mindestquote abhängig gemacht hat und diese nicht innerhalb der Frist erreicht wurde.2 Diese gelegentlich auch als „Zaunkönigregelung“
bezeichnete Vorschrift3 soll der besonderen Situation Rechnung tragen, in der
sich Minderheitsaktionäre befinden, denen ein koordiniertes Vorgehen faktisch
nicht möglich sei. Den Aktionären, die sich bisher noch gegen einen Verkauf gesperrt haben, soll die Möglichkeit gegeben werden, den Verlauf des Angebotsverfahrens abzuwarten und wenn eine kontrollierende Stellung des Bieters entstanden
ist – nunmehr in Kenntnis dieser für ihn wertbestimmenden neuen Sachlage –
doch noch zu verkaufen.4
6.2.8
Zusammenarbeit mit Finanzintermediären
Die Zusammenarbeit mit Finanzintermediären ist dem Bieter weitgehend freigestellt. Für einen Fall gibt es allerdings eine Pflicht zur Zusammenarbeit: Wenn das
Angebot als Gegenleistung die Zahlung einer Geldleistung vorsieht, ist durch ein
vom Bieter unabhängiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen schriftlich zu
bestätigen, dass der Bieter die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, damit ihm
die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt
der Fälligkeit zur Verfügung stehen.5 Bei den berechtigten Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt es sich um solche im Sinne des § 2 Abs. 4 WpHG.6
Mit Erteilung der Bestätigung haftet der Finanzintermediär auf Schadenersatz,
falls der Bieter seine Verpflichtung auf Grund der Nichtvornahme geeigneter
Maßnahmen nicht erfüllen kann.7
1 Vgl. SCHÜPPEN (2002), S. 965.
2 Vgl. § 16 Abs. 2 WpÜG.
3 Vgl. z.B. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 17; SCHÜPPEN (2002), S. 966.
4 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 17; BUNDESREGIERUNG (2001), S. 46.
5 Vgl. § 13 Abs. 1 WpÜG. Hierzu näher SINGHOF/WEBER (2002).
6 . Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 44.
7 Vgl. § 13 Abs.2 WpÜG.
91
Kapitel C
92
6.2.9
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Wiederholung und Änderung des Angebots
Ein Angebot darf grundsätzlich wiederholt werden. Hat die Aufsichtsbehörde allerdings das vorherige Angebot untersagt oder hat der Bieter ein früheres Angebot
vom Erwerb eines Mindestanteils abhängig gemacht und diesen nicht erreicht, so
tritt eine einjährige Angebotssperre in Kraft.1
Auch Änderungen eines bereits veröffentlichten Angebots sind in begrenztem
Umfang möglich. Bis einen Werktag vor Ablauf der Annahmefrist darf der Bieter
•
die Gegenleistung erhöhen,
•
wahlweise eine andere Gegenleistung anbieten,
•
einen etwaigen Mindeststimmrechtsanteil verringern oder
•
auf Bedingungen verzichten.2
Zulässig sind also nur solche Modifikationen, die aus Sicht der Wertpapierinhaber
zu einer Verbesserung des Angebots führen, ihnen zusätzliche Handlungsmöglichkeiten bieten oder zu einer verstärkten Bindung des Bieters an sein Angebot
führen.3
Eine Änderung des Angebots, also etwa eine Erhöhung des Preises, wirkt nach
dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar auch für diejenigen, die das Angebot bereits (zu schlechteren Konditionen) angenommen haben. Im Falle der Änderung
erhalten diese jedoch das Recht, vom Vertrag zurückzutreten.4
6.2.10
Zusammenfassung
Die Einschränkungen in den Möglichkeiten der Ausgestaltung von Angeboten
sollen abschließend in der Tabelle C 1 zusammengefasst werden. Dabei werden in
der ersten Hauptspalte die Pflichten aufgezählt, die alle Angebote zum Erwerb
von Wertpapieren betreffen, und in der zweiten und dritten zusätzliche oder abweichende Pflichten bei Übernahme- und Pflichtangeboten.
1 Vgl. § 26 Abs. 1 WpÜG.
2 Vgl. § 21 Abs. 1 WpÜG.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 49; THUN (2002), § 21 Rn 3..
4 Kritisch hierzu RIEHMER /SCHRÖDER (2001), S. 12 – 13.
6 Pflichten des Bieters
93
Alle Angebote
zum Erwerb
• keine invitatio ad
1. Rechtliche
offerendum
Bindungswirkung
• Rücktritts- oder Widerrufsvorbehalt ausgeschlossen
Sonderegelungen
Übernahmeangebote
Sonderregelungen
Pflichtangebote
• keine zusätzlichen
Einschränkungen gegenüber allen Angeboten zum Erwerb
• jegliche Bedingungen
unzulässig
• Geldleistung in Euro
oder liquiden Aktien,
daneben beliebige
weitere Gegenleistungen möglich
• wie bei Übernahmeangeboten
• Bedingungen zulässig,
wenn nicht vom Bieter
allein beeinflussbar
2. Art der
Gegenleistung
• keine
Einschränkungen
• falls Aktien als Gegenleistung für
stimmberechtigte Aktien, dann nur ebenfalls stimmberechtigte
• Verpflichtung zum
Barangebot bei bestimmten Vor- oder
Nebenerwerben gegen
bar
3. Preisregeln
• keine angebotsorientierte Preisfestsetzung
möglich
• Mindestpreisregel
• wie bei Übernahmeunter Berücksichtiangeboten
gung von Börsenkursen und Vorerwerben
• keine Preisdifferenzierung zulässig
• Nachbesserungspflicht
bei Erwerben zu
wertmäßig höherer
Gegenleistung binnen
eines Jahres
4. Art der nachgefragten
Wertpapiere
• keine Einschränkung
• Angebot muss sich auf • wie bei Übernahmealle Aktiengattungen
angeboten
beziehen
5. Mengenregeln
• keine angebotsorientierte Mengenfestsetzung möglich
• nur Vollangebote
zulässig
• wie bei Übernahmeangeboten
• keine weiteren
Einschränkungen
• keine weiteren
Einschränkungen
• Voll- und Teilangebote zulässig
6. Zuteilungsre- • grundsätzlich nur
geln
pro rata
93
Kapitel C
94
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Alle Angebote
zum Erwerb
7. Annahmefrist • grundsätzlich 4 bis 10
Wochen im Ermessen
des Bieters
• Verlängerung bei
Einberufung der
Hauptversammlung
der Zielgesellschaft
Sonderegelungen
Übernahmeangebote
Sonderregelungen
Pflichtangebote
• verlängerte Annahme- • keine weiteren Einfrist, sofern nicht Beschränkungen gegendingung von Mindestüber allen Angeboten
quote verfehlt
• Verlängerung
bei Änderung des Angebots
• Verlängerung bei
konkurrierendem Angebot
8. Zusammenarbeit mit
Finanzintermediären
9.
• keine weiteren
• Pflicht zur Bestätigung der Finanzierung
Pflichten
bei Barangeboten
durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen
• Wiederholungen zuWiederholu
lässig, sofern keine
ng und
Sperrfrist
Änderung
• Verbesserungen
des Angebots
zulässig
• keine weiteren
Einschränkungen
• keine weiteren
Pflichten
• keine weiteren
Einschränkungen
• Rücktrittsrecht der
Verkäufer bei Änderung des Angebots
• ggf. Nachbesserungspflicht
Tab. C 1
Zusammenfassung der Pflichten des Bieters bei der Ausgestaltung von Angeboten
Würde man die Pflichten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes auf das
bereits in Abschnitt B 4.10 verwendete Beispiel B 1 des Angebots der AugustThyssen-Hütte an die Aktionäre der Rheinstahl AG anwenden, so ergäbe sich dessen Unzulässigkeit aus mehreren Gründen, wie im Folgenden erläutert wird.
Beispiel C 1:
Angebot der August Thyssen-Hütte an die Aktionäre der Rheinstahl AG
Das Angebot wäre nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz als Übernahmeangebot zu klassifizieren, da es auf den Erwerb einer kontrollierenden Beteiligung gerichtet ist.
Damit ergeben sich hinsichtlich der zu erfüllenden Pflichten folgende Befunde:
6 Pflichten des Bieters
95
1. Rechtliche Bindungswirkung
Das Angebot ist als invitatio ad offerendum formuliert. Dies ist gem. § 17 WpÜG unzulässig.
Weiterhin enthält es einen Rücktrittsvorbehalt bei Nichterreichen von 51 % der Stimmrechte. Ein solcher ist gem. § 18 Abs. 2 WpÜG unzulässig. Es dürfte zwar eine entsprechende Mindestbedingung formuliert werden, damit hätte der Bieter aber im Zeitpunkt des
Abschlusses der Annahmefrist keine Entscheidungsmöglichkeit mehr.
2. Art der Gegenleistung
Es handelt sich um ein ausschließliches Barangebot. Gem. § 31 Abs. 2 WpÜG muss wenigstens eine der angebotenen Gegenleistungen in Euro oder liquiden Aktien bestehen.
Abgesehen von zwischenzeitlichen Währungsumstellung genügt das Angebot also dieser
Vorschrift.
3. Preisregeln
Es liegt ein Festpreisangebot ohne Preisdifferenzierung vor, welches grundsätzlich zulässig ist. Zu beachten sind bei der Preisfestsetzung die Mindestpreisregeln. Ob diese zum
damaligen Zeitpunkt erfüllt gewesen wären, ist nicht bekannt. Zur Beurteilung dieser Frage müsste man die Börsenkurse des Referenzzeitraums sowie eventuell bei Vorerwerben
gezahlte Preise kennen.
4. Art der nachgefragten Wertpapiere
Es werden genau bezeichnete stimmberechtigte Stammaktien nachgefragt. Da zum Zeitpunkt des Angebots keine anderen Aktiengattungen emittiert waren, entspricht es der
Vollangebotspflicht gem. § 32 WpÜG hinsichtlich der Art der nachgefragten Wertpapiere.
5. Mengenregeln
Die angebotsorientierte Mengenfestlegung ist nur durch die unzulässige Formulierung als
invitatio ad offerendum möglich. Bei diesem Übernahmeangebot wäre ohnehin ein Teilangebot gem. § 32WpÜG unzulässig, es dürfte nur ein Vollangebot auf alle Aktien abgegeben werden.
6. Zuteilungsregeln
Zuteilungsprobleme könnten bei gesetzestreuer Formulierung des Angebots gar nicht auftreten, da nur ein Vollangebot zulässig wäre.
7. Annahmefrist
Die Annahmefrist von 3 Wochen ist gem. § 16 Abs. 1WpÜG zu kurz und damit unzulässig.
8. Zusammenarbeit mit Finanzintermediären
Da es sich um ein Barangebot handelt, müsste eine Bestätigung eines Finanzinstitutes über getroffene Maßnahmen zur Finanzierung des Barangebots gem. § 13 Abs. 1 WpÜG
beigefügt sein.
9. Wiederholungen oder Änderungen des Angebots
Die Möglichkeit der Verkürzung der Annahmefrist stellt keine der gem. § 21 WpÜG zulässigen Änderung dar.
Insgesamt würde das Angebot aus dem Jahr 1973 also gegen mehrere der Pflichten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes verstoßen und wäre damit heute unzulässig.
95
96
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
6.3
Veröffentlichungs- und Meldepflichten
6.3.1
Vorbemerkung
Die Veröffentlichungs- und Meldepflichten sind Ausdruck des Ziels, umfassende
Transparenz für die Beteiligten des Angebotsverfahrens, insbesondere die betroffenen Wertpapierinhaber, zu schaffen. Ihnen soll Gelegenheit gegeben werden,
ihre Entscheidung über den Verkauf auf der Grundlage umfassender Informationen zu treffen.1 Daneben soll die Bundesanstalt durch entsprechende Meldungen
in die Lage versetzt werden, ihren Aufsichtspflichten nachzukommen.2
Zur Darstellung der einzelnen Pflichten wird der Prozess des Angebotsverfahrens
in drei Zeitabschnitte eingeteilt: die Vorangebotsphase, die Annahmephase und
die Nachangebotsphase. Als Vorangebotsphase soll der gesamte Zeitraum im
Zusammenhang mit der Übernahme bis zur Veröffentlichung der Angebotsunterlage bezeichnet werden. Die Annahmephase soll den Zeitraum von der Veröffentlichung der Angebotsunterlage bis zum Ablauf der Annahmefrist bezeichnen.
Als Nachangebotsphase wird der Zeitraum nach Ablauf der Annahmefrist benannt. Eine bei Übernahmeangeboten ggf. auftretende verlängerte Annahmefrist3
ist nach dieser Einteilung der Nachangebotsphase zuzuordnen. Die Darstellung
erfolgt entsprechend der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit nur überblicksartig.
Zu Einzelheiten wird auf das einschlägige Schrifttum verwiesen.4
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 29.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 40.
3 Vgl. Abschnitt C 6.2.7.
4 Vgl. z.B. BURGARD (2000); LAND/HASSELBACH (2000), S. 1748 – 1750; PÖTZSCH/MÖLLER
(2000), S. 16 – 17; RIEHMER/SCHRÖDER (2001); LIEBSCHER (2001), S. 861 – 866; ASSMANN
(2002a); HIRTE (2002b).
6 Pflichten des Bieters
6.3.2
97
Vorangebotsphase
Bereits in dieser Phase treffen den Bieter eine Reihe von Veröffentlichungs- und
Meldepflichten. Im Einzelnen sind dies:
•
Die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots ist den betroffenen Börsen
und der Bundesanstalt noch vor der Veröffentlichung mitzuteilen.1
•
Die Entscheidung zur Abgabe eines freiwilligen Angebots ist unverzüglich
zu veröffentlichen.2 Bei Pflichtangeboten ist entsprechend das Erlangen der
Kontrolle unter Angabe der Höhe des Stimmrechtsanteils unverzüglich,
spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen zu veröffentlichen.3
•
Diese Veröffentlichung ist ebenfalls an die betroffenen Börsen und die
Bundesanstalt zu übersenden.4
•
An den Vorstand der Zielgesellschaft ist unverzüglich nach der Veröffentlichung eine Mitteilung über die Entscheidung zu machen.5
•
Die Angebotsunterlage ist binnen vier Wochen nach Veröffentlichung der
Entscheidung an die Bundesanstalt zu übersenden.6
•
Die Angebotsunterlage ist nach Gestattung durch die Bundesanstalt oder
nach Ablauf von 10 Tagen zu veröffentlichen.7 Die Angebotsunterlage hat
eine Reihe von Mindestangaben zu enthalten. Hierzu gehören u.a. Angaben
über die Absichten des Bieters im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft und vorgesehener Maßnahmen.8 Für fehlerhafte
Angebotsunterlagen haftet der Bieter auf Schadenersatz.9
1 Vgl. § 10 Abs. 2 WpÜG.
2 Vgl. § 10 Abs. 1 WpÜG.
3 Vgl. § 35 Abs. 1 WpÜG.
4 Vgl. § 10 Abs. 4 WpÜG.
5 Vgl. § 10 Abs. 5 WpÜG.
6 Vgl. § 14 Abs. 1 WpÜG, für Pflichtangebote § 35 Abs. 2 WpÜG.
7 Vgl. § 14 Abs. 2 WpÜG.
8 Vgl. § 11 Abs. 2 WpÜG. Zu den Mindestangaben im Einzelnen vgl. GEIBEL (2002), § 11 Rn.
10 – 78.
9 Vgl. § 12 Abs. 1 WpÜG. Zur Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage vgl. ASSMANN (2002b); VAUPEL (2002).
97
98
6.3.3
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Annahmephase
Innerhalb dieser Phase hat der Bieter vor allem folgende Veröffentlichungs- und
Meldepflichten zu erfüllen:
•
Unverzüglich nach der Veröffentlichung ist die Angebotsunterlage dem
Vorstand der Zielgesellschaft zu übermitteln.1
•
Die Anzahl sämtlicher dem Bieter zustehender Wertpapiere einschließlich
der eingegangenen Annahmeerklärungen und der sich daraus ergebenden
Quote sind wöchentlich sowie in der letzten Woche der Annahmefrist täglich zu veröffentlichen und der Bundesanstalt mitzuteilen.2
6.3.4
Nachangebotsphase
Innerhalb dieser Phase sind folgende Veröffentlichungs- und Meldepflichten zu
erfüllen:
•
Die Anzahl sämtlicher dem Bieter zustehenden Wertpapiere einschließlich
der eingegangenen Annahmeerklärungen und der sich daraus ergebenden
Quote sind unverzüglich nach Ablauf der Annahmefrist sowie bei Übernahmeangeboten nach Ablauf der verlängerten Annahmefrist zu veröffentlichen und der Bundesanstalt mitzuteilen.3
•
Bei Übernahmeangeboten, bei denen der Bieter die Kontrolle erlangt hat
sowie bei Pflichtangeboten sind alle weiteren Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft binnen eines Jahres nach der Veröffentlichung zum Ablauf der
Annahmefrist zu veröffentlichen und der Bundesanstalt mitzuteilen.4
1 Vgl. § 14 Abs. 4 WpÜG.
2 Vgl. § 23 Abs. 1 WpÜG. Zu diesen auch als „Wasserstandsmeldungen“ bezeichneten Veröffentlichungen vgl. WITT (2000).
3 Vgl. § 23 Abs. 1 WpÜG.
4 Vgl. § 23 Abs. 2 WpÜG.
7 Pflichten des Managements der Zielgesellschaft
7
99
Pflichten des Managements der Zielgesellschaft
Nicht nur der Bieter ist im Rahmen des Angebotsverfahrens bestimmten Beschränkungen unterworfen, sondern auch dem Management der Zielgesellschaft
sind bestimmte Verpflichtungen auferlegt, die hier zur Abrundung der Darstellung
kurz aufgeführt werden sollen. Im Wesentlichen sind dies zwei Pflichten, nämlich
•
die Abgabe einer Stellungnahme zum Angebot1 und
•
die sog. Neutralitätsverpflichtung2 bei Übernahmeangeboten.
Die Pflicht zur Abgabe einer Stellungnahme durch Vorstand und Aufsichtsrat ist
wiederum Ausfluss des Grundsatzes umfassender Transparenz für die Beteiligten
des Angebotsverfahrens. Um den Aktionären eine Entscheidung bei ausreichender
Information über die Sachlage zu ermöglichen, soll diesen auch die Beurteilung
des Angebots durch das Management ihrer Gesellschaft zur Verfügung stehen.3
Besonders heftig wurde im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes die sog.
Neutralitätsverpflichtung (besser: Stillhaltepflicht) des Vorstandes diskutiert.4
Hierunter ist das grundsätzliche Verbot für den Vorstand zu verstehen, nach der
Veröffentlichung der Absicht zur Angebotsabgabe bis zum Ende der Annahmefrist ohne Ermächtigung durch die Hauptversammlung Handlungen vorzunehmen,
die den Erfolg des Angebots verhindern könnten.5 Mit diesem Verbot werden
nach der Gesetzesbegründung die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden
Verhaltenspflichten kodifiziert.6 Die herrschende Meinung im aktienrechtlichen
Schrifttum geht tatsächlich seit geraumer Zeit davon aus, dass der Vorstand keine
Abwehrmaßnahmen vornehmen und damit Einfluss auf die Zusammensetzung des
Aktionärskreises nehmen darf.7
1 Vgl. § 27 WpÜG.
2 Vgl. § 33 WpÜG.
3 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 52.
4 Vgl. dazu z.B. MICHALSKI (1997); WOLF (1998); KIRCHNER (1999); KIRCHNER (2000);
DIMKE/HEISER (2000), KALLMEYER (2000), HIRTE /SCHANDER (2000); ALTMEPPEN (2001);
BAUDISCH/GÖTZ (2001); BECKER (2001); MAIER-REIMER (2001); MERKT (2001); WIESE/
DEMISCH (2001); WACKERBARTH (2001); KUHNER /SCHILLING (2002); SCHNEIDER (2002).
5 Vgl. § 33 Abs. 1 WpÜG.
6 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 57.
7 Vgl. HOPT (1993), S. 534 ff., WIESNER (1999), § 19 Rn. 21; SCHANZ (2000), S. 347; KRAUSE
(2000a), S. 218; abweichender Meinung: MARTENS (1993), S. 543 – 545.
99
100
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Dieser Grundsatz wird jedoch durch mehrere Ausnahmen eingeschränkt. Ausgenommen sind
•
Maßnahmen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist,
vorgenommen hätte,
•
die Suche nach einem konkurrierenden Angebot sowie
•
Handlungen, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat.
Vor allem die letzte Ausnahme ist durchaus kritisch zu beurteilen. Sie war erst
ganz zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens auf Betreiben von Vertretern der
deutschen Wirtschaft und der Gewerkschaften in das Gesetz aufgenommen worden.1 2 Die Vorstandsmitglieder einer Zielgesellschaft befinden sich bei einer
nicht mit ihnen abgestimmten – also nach dem bereits in Teil B kritisierten üblichen Sprachgebrauch „feindlichen“ – Übernahme in einer spezifischen Situation,
müssen sie doch in vielen Fällen bei einer erfolgreichen Übernahme damit rechnen, ihre Stellung zu verlieren. Dies dürfte um so mehr für die Mitglieder des
Aufsichtsrats gelten, denn nach deutschem Aktienrecht ermöglicht die Mehrheit in
der Hauptversammlung zunächst nur die Besetzung des Aufsichtsrates, welcher
den Vorstand wählt. Will ein Übernehmer den Vorstand auswechseln, kann er dies
nicht direkt, sondern nur, indem er die Mitglieder des Aufsichtsrates entweder
entsprechend beeinflusst oder ebenfalls durch eigene Mitarbeiter auswechselt.
Insofern ist es mehr als erstaunlich, dass das Gesetz es diesen von der Übernahme
selbst potentiell negativ betroffenen Gruppen in die Hand gibt, ohne Ermächtigung durch die Anteilsinhaber Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Es besteht die
Gefahr, dass sie unter Vorspiegelung der Wahrung wie auch immer bestimmter
„Interessen der Gesellschaft“ versuchen werden, die Übernahme zu verhindern.
Dass dies den Interessen der Anteilsinhaber zuwiderlaufen kann, liegt auf der
Hand.3
1 Vgl. ZINSER (2002), S. 19.
2 Noch in dem im Juli 2001 vorgelegten Regierungsentwurf war die Ausnahme nicht enthalten.
3 Hiergegen werden auch verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht: Der Aufsichtsrat kann
bis zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzt sein. Gegen die paritätische Mitbestimmung ist nach dem Bundesverfassungsgericht nichts einzuwenden, solange es um gemeinsame
Leitung und Lenkung des Unternehmens geht. Bei Übernahmeangeboten geht es jedoch um die
Frage der Veräußerung von Anteilen der Gesellschaft. Es geht also nicht um die Verwaltung
der Gesellschaft, sondern um das Eigentum an den Anteilen. Damit werden nach Vertretern
dieser Auffassung durch das Gesetz unzulässige Eingriffe in das Grundrecht nach Art 14 GG
durch die Arbeitnehmerseite ermöglicht. Vgl. ZSCHOCKE (2002), S. 82 – 83.
7 Pflichten des Managements der Zielgesellschaft
101
Bevor die soeben diskutierte Möglichkeit für den Vorstand, mit Zustimmung des
Aufsichtsrates Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, in das Gesetz aufgenommen
wurde, standen die sog. Vorratsbeschlüsse im Zentrum der Diskussion. Auch sie
sind Ausdruck der – möglicherweise aufgrund verstärktem Lobbyismus vonseiten
der Gewerkschaften und Vertretern der (Vorstände von) Unternehmen – gewandelten Einstellung der Bundesregierung zu der Frage, inwieweit das deutsche
Recht Abwehrmöglichkeiten vorsehen soll. Hierbei handelt es sich um Beschlüsse, mit denen die Hauptversammlung den Vorstand pauschal ermächtigt wird,
bestimmte Verteidigungsmaßnahmen gegen in Zukunft auftretende Übernahmeversuche vorzunehmen.1 Zwar wird durch diese Vorratsbeschlüsse nicht so stark
in die Rechte der Aktionäre eingegriffen, denn schließlich müssen sie selbst den
Beschluss fassen, ohne Kenntnis vom Erwerber und dessen Bedingungen den
Vorstand zu Abwehrmaßnahmen zu ermächtigen und damit möglicherweise ihren
eigenen späteren Interessen zuwiderzuhandeln. Doch widersprechen Vorratsbeschlüsse in jedem Fall der Zielsetzung des Gesetzes, dem Aktionär auf der
Grundlage vollständiger und ausgewogener Information eine Entscheidung über
ein aktuelles Angebot zu ermöglichen.2
1 Vgl. SCHWENNICKE (2002), § 33 Rn. 74 – 75.
2 Vgl. ZSCHOCKE (2002), S.83.
101
102
8
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Sanktionen
Als eines der größten Probleme des Übernahmekodex wurden die fehlenden
Sanktionsmöglichkeiten angesehen. Nicht zuletzt aus diesem Grund empfahl sogar die Börsensachverständigenkommission selbst der Bundesregierung, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten.1 Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sieht bei Verstößen drei Arten von Sanktionen vor, nämlich
•
Bußgeld,
•
Rechtsverlust und
•
Verzinsung.
Die Bußgeldandrohung richtet sich vor allem gegen Verstöße gegen Veröffentlichungspflichten und den Zwang zur Abgabe eines Pflichtangebotes. Der Bußgeldrahmen reicht je nach Verstoß von 250.000 Euro bis zu 1 Million Euro.2 Mit dem
Höchstbetrag können Verstöße gegen die zentralen Transparenznormen des Gesetzes geahndet werden. Hierunter fallen u.a. die Pflicht zur Veröffentlichung der
Entscheidung ein Angebot abzugeben und die Veröffentlichung der Kontrollerlangung. Ebenfalls mit einem Bußgeld von 1 Million Euro ist das Unterlassen
eines Pflichtangebotes belegt.
Daneben sieht das Gesetz einen Verlust der Mitverwaltungs- und Vermögensrechte bei Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung
oder zur Abgabe eines Pflichtangebotes vor.3 Der Bieter erhält allerdings die
Möglichkeit, den Verlust der Ansprüche auf Dividende und Liquidationserlöse zu
vermeiden, wenn er darlegt und beweist, dass die unterlassene Veröffentlichung
oder Nichtabgabe des Pflichtangebots ohne Vorsatz unterblieben ist und nachgeholt wurde.4 Die Regelung ist an der vergleichbaren Vorschrift des § 28 WpHG
orientiert.5
Weiterhin kann auch die Pflicht zur Verzinsung der im Rahmen eines Pflichtangebots zu erbringenden Gegenleistung als Sanktion angesehen werden, auch wenn
sie systematisch nicht im entsprechenden 8. Abschnitt eingeordnet ist. Sie entsteht, wenn der Bieter die Veröffentlichung der Kontrollerlangung nicht rechtzei-
1 Vgl. BÖRSENSACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION (1999), S. 9.
2 Vgl. § 60 WpÜG.
3 Vgl. § 59 S. 1 WpÜG.
4 Vgl. § 59 S. 2 WpÜG.
5 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 68.
8 Sanktionen
103
tig vornimmt, wenn er kein Pflichtangebot abgibt oder wenn die Bundesanstalt ein
Übernahmeangebot untersagt.1 Der Zeitraum der Verzinsung richtet sich nach der
Dauer des Verstoßes. Die Gegenleistung ist mit fünf Prozent über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu verzinsen. Aufgrund der Höhe der Zinsen und der daraus im Einzelfall resultierenden erheblichen Belastung für den Bieter wird gerade hierin eine
wirksame Sanktion gesehen, die der gesetzlichen Obliegenheit zu einem Pflichtangebot Nachdruck verleiht.2
1 Vgl. § 38 WpÜG.
2 MÖLLER (2002), S. 175.
103
104
9
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Zusammenfassung
Als elementares Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung des Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetzes wird die Verbesserung der Stellung der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft genannt. Dementsprechend wird in der Begründung des
Gesetzes an mehreren Stellen auf das besondere Schutzbedürfnis von Minderheitsaktionären beim erstmaligen Entstehen einer Kontrollstellung bzw. beim
Wechsel eines kontrollierenden Gesellschafters hingewiesen. Als wichtigste Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels sind zum einen die Pflichtangebotsregelung
und zum anderen die Vorschriften zur Ausgestaltung von Angeboten hervorzuheben.
Mit dem Pflichtangebot, welches zwingend auf alle Aktien der Zielgesellschaft
gerichtet sein muss, soll jedem Aktionär der Zielgesellschaft, der sich nach einer
gelungenen Übernahme einem (neuen) kontrollierenden Aktionär gegenüber sieht,
die Möglichkeit gegeben werden, gegen eine „angemessene“ Abfindung aus der
Gesellschaft auszuscheiden. Dem gleichen Zweck dienen die Regelungen zum
Übernahmeangebot, insbesondere die Vorschrift, dass auch Übernahmeangebote
nur als Vollangebot ausgestaltet werden dürfen. Durch diese Regelungen wird in
das deutsche Recht erstmals ein Präventivschutz gegen die aus der Kontrollstellung des Mehrheitsaktionärs resultierenden Gefahren für die Minderheitsaktionäre
geschaffen. Hierdurch wird der schon vor Inkrafttreten des Gesetzes existierende
konzernrechtliche Minderheitenschutz ergänzt.
Was als „angemessen“ anzusehen ist, wird vom Gesetzgeber einer restriktiven
Mindestpreisregel unterworfen. So ist sowohl bei Übernahme- als auch bei
Pflichtangeboten den Aktionären der Zielgesellschaft einerseits mindestens der
gewogene Durchschnittsbörsenkurs eines bestimmten Beobachtungszeitraums und
andererseits mindestens der höchste innerhalb eines gewissen Erhebungszeitraums
gezahlte Preis für die Aktien anzubieten. Damit wird den Aktionären der Zielgesellschaft eine Ausstiegsoption geboten, bei der ihnen die vollständige Teilhabe an
ggf. gezahlten Paketzuschlägen gesetzlich garantiert wird. Diese Regelung ist wie
viele andere Vorschriften des Gesetzes durch ein sehr weites Verständnis des
Gleichbehandlungsgrundsatzes geprägt.
Zusätzlich treffen den Übernehmer und auch das Management der Zielgesellschaft
umfangreiche Informationspflichten, um sicherzustellen, dass die Aktionäre der
Zielgesellschaft ihre Verkaufsentscheidung auf eine breite Informationsbasis gestützt treffen können. Insbesondere sind diesbezüglich die laufenden Meldungen
über die Höhe der erreichten Quote hervorzuheben.
9 Zusammenfassung
105
Die Freiheit des Bieters wird bei der Ausgestaltung des Angebots durch weitere
Vorschriften ausgesprochen weitreichend eingeschränkt. So sind z.B. sämtliche
Formen der angebotsorientierten Preis- oder Mengenfestsetzung ebenso wie jegliche Preisdifferenzierung ausgeschlossen. Rücktrittsvorbehalte sind vollständig
verboten, Bedingungen nur in sehr engen Grenzen und nicht bei Pflichtangeboten
zulässig.
All diese Vorschriften schränken den Bieter erheblich in seinen Möglichkeiten bei
der Gestaltung des Aktienerwerbs mittels öffentlichen Angebots ein. Insofern erscheint es fraglich, ob der Gesetzgeber hier wirklich einen rechtlichen „Rahmen,
der Übernahmen weder erleichtern noch erschweren soll“, schaffen wollte. Dieser
Eindruck wird durch die nunmehr gesetzlich kodifizierten zahlreichen Durchbrechungen des nach h.M. schon vorher geltenden Neutralitätsgrundsatzes für das
Management noch verstärkt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dem Gesetzgeber, möglicherweise auf Drängen interessierter Lobbyisten, eher daran gelegen
war, deutsche Unternehmen durch eine restriktive Regulierung gegen Übernahmeversuche zu schützen. Als Rechtfertigung für diese weitgehenden Eingriffe in
die Privatautonomie wird allerdings nicht der Schutz von Unternehmen vor Übernahmen, sondern vor allem der Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft angeführt.
Daher soll im Folgenden analysiert werden, wie sich die Regulierung von Übernahmeangeboten auf die Beteiligten auswirkt. Es soll einerseits aufgedeckt werden, wie die Einschränkungen den Kalkül des Bieters beeinflussen. Andererseits
gilt es aufzuzeigen, worin die Risiken für die Zielgesellschaftsaktionäre bestehen
und zu untersuchen, ob die Regulierung den Gefahren wirksam begegnet.1 Nur
dann können die weitgehenden Beschränkungen als gerechtfertigt angesehen werden.
1 Vgl. Teile D und E.
105
106
Kapitel C
Gesetzliche Regulierung von Übernahmen und öffentlichen Angeboten
Equation Section 4
D
Entwicklung eines
allgemeinen Modellrahmens
108
Kapitel D
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
1 Vorbemerkung
1
109
Vorbemerkung
In diesem Kapitel D soll ein allgemeiner Modellrahmen für die Untersuchung des
Übernahmeprozesses entwickelt werden. Dieser Modellrahmen wird durch die
Bewertungskalküle der Beteiligten an der Unternehmensübernahme bestimmt.
Aus diesem Grund werden in Abschnitt 2 zunächst die verschiedenen Einflussfaktoren auf die Bewertung der Aktien der Zielgesellschaft identifiziert. Hierauf
baut das Grundmodell auf, das im nachfolgenden Abschnitt 3 entwickelt wird. Es
soll die Grundlage für die modelltheoretische Untersuchung in Kapitel E dieser
Arbeit bilden.
109
110
Kapitel D
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
2
Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
2.1
Wert und Bewertung von Unternehmensanteilen
Eine Übernahme ist für den Erwerber dann vorteilhaft, wenn der Preis der hierfür
gezahlt werden muss, geringer ist als der Wert, den er dem Unternehmen bzw. der
Beteiligung zumisst. Dabei ist es in der Betriebswirtschaftslehre inzwischen unbestritten, dass der Wert einer Sache keine objektive Eigenschaft eines Gutes ist,
sondern von den individuellen Einschätzungen, Präferenzen und Möglichkeiten
des Bewerters abhängt.1 Die potenziellen Verkäufer der Aktien werden jedoch nur
dann zum Verkauf bereit sein, wenn der gezahlte Preis mindestens ihrer Werteinschätzung entspricht. Auch sie ist Ausdruck einer solchen individuellen SubjektObjekt-Beziehung. Notwendige Voraussetzung für das Zustandekommen eines für
beide Seiten akzeptablen Preises ist daher, dass die Werteinschätzung des Käufers
höher liegt als die Werteinschätzung der Verkäufer.
In dieser Betrachtungsweise ist der einzige Grund für eine Übernahme die Absicht
der Vereinnahmung eines Wertzuwachses, der sich durch die Transaktion ergibt.
In der Literatur gibt es zahlreiche Aufzählungen und Darstellungen von Akquisitionsmotiven, die in zum Teil relativ unstrukturierter Form vermeintliche Vorteile
von Unternehmenserwerben behandeln.2 Aus ökonomischer Sicht können diese
jedoch nur dann einen Grund für die Übernahme darstellen, wenn sie dazu führen,
dass die Werteinschätzung des Erwerbers höher ist als die Werteinschätzung der
Verkäufer, sodass sich ein Wertzuwachs durch die Transaktion erzielen lässt. Insofern müssen die Motive für eine Übernahme Unterziele dieser übergeordneten
Zielsetzung sein. In der Literatur genannte Motive wie Erlangung von Marktmacht3 oder Erwerb von spezifischem Know-How4 sind also nicht schon für sich
genommen Gründe für eine Übernahme, sondern nur dann, wenn der erwartete
Nutzen, der dadurch erreicht wird, über dem (voraussichtlichen) Preis liegt, der zu
zahlen sein wird.
In dieser Arbeit soll ausschließlich der finanzielle Nutzen, der aus dem Besitz
eines Unternehmens oder einer Beteiligung daran resultiert, betrachtet werden.
1 Vgl. SCHIERENBECK (1977), S. 651; BALLWIESER/LEUTHIER, S. 546 – 547; MANDL/RABEL
(1997), S. 68, HERING (1999), S. 13- 14; HERING (2000 a), S. 362. Grundlegend zu den Begriffen Wert und Bewertung: ENGELS (1962), S. 1 – 44.
2 Vgl. z.B. BRESSMER/MOSER/SERTL (1989); SAUTTER (1989), S. 130 – 277; SIEBEN/SIELAFF
(1989), S. 5 – 8; WATTER (1990), S. 29 – 45; HUEMER (1991), S. 15 – 33; FRANK (1993),
S. 113 – 136; JUNG (1993), S. 27 – 161; ZOERN (1994), S. 13 – 50; JANSEN (2000), S. 61 – 97.
3 Vgl. z.B. RÖHRICH (1992); S. 58 – 59, FRANK (1993), S. 125.
4 Vgl. z.B. WATTER (1990), S. 35; ZOERN (1994), S. 43.
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
111
Motive wie persönliches Machtstreben des Managements o.ä. werden ausdrücklich nicht in die Betrachtung einbezogen. Bei ausschließlicher Betrachtung des
finanziellen Nutzens ergibt sich der Wert einer Beteiligung für den Erwerber bzw.
die potenziellen Verkäufer aus dem Wert, den sie dem aus dem Besitz resultierenden Zahlungsstrom beimessen.1 Für den Erwerber sind dabei alle Zahlungen relevant, die sich durch den Erwerb der Beteiligung direkt oder indirekt für ihn ergeben würden. Der Verkäufer bewertet die Zahlungsreihe, die für ihn im Falle des
Verkaufs wegfallen würde.2 Ursachen für eine unterschiedliche Werteinschätzung
– und damit letztlich die Motive für eine Übernahme – müssen also in Unterschieden bzgl.
•
des erwarteten Zahlungsstromes und/ oder
•
seiner Bewertung
begründet liegen.
Unterschiede, die an der erwarteten Zahlungsreihe ansetzen, können sich einerseits dadurch ergeben, dass sich die Einschätzungen der künftigen Ergebnisse unterscheiden. Andererseits können individuelle Einflussfaktoren dazu führen, dass
sich systematisch ein anderer relevanter Einkommensstrom für die jeweiligen
Parteien ergibt. Eine unterschiedliche Einschätzung zukünftiger Ergebnisse kann
sich z.B. durch eine unterschiedliche Informationslage oder auch schon durch eine
eher optimistische oder pessimistische Grundeinstellung begründen. Bei diesen
Gründen für Bewertungsunterschiede ist jedoch nicht ersichtlich, warum sie dazu
führen sollten, dass die Werteinschätzung einer Partei grundsätzlich höher liegen
sollte als die der anderen.3 Anders verhält es sich mit individuellen Gegebenheiten
bei einem Bewerter, die Einfluss auf die Zahlungsreihe haben. Solche können z.B.
vorliegen, wenn ein Käufer ein erworbenes Unternehmen in ein ihm gehörendes
eingliedern kann oder wenn der Erwerber beabsichtigt, nach dem Erwerb seine
Kontrolle in der Art auszuüben, dass sich grundlegende Änderungen im Bereich
des operativen Geschäftes ergeben. In diesen Fällen kann sich ein ganz anderer
erwarteter Einkommensstrom ergeben. Insbesondere solche Konstellationen werden in der Literatur häufig als Akquisitionsmotive genannt. Oftmals wird dabei
argumentiert, dass durch die Übernahme die erwarteten Zahlungen aus dem Un-
1 Vgl. MELLEROWICS (1952), S. 548; MÜNSTERMANN (1966), S. 151; MOXTER (1983), S. 79;
BALLWIESER/L EUTHIER (1986), S. 548; IDW (2000), S. 828; HERING (2000 b), S. 435;
DRUKARCZYK (2001), S. 140. Grundlegend zur Zukunftsbezogenheit von Unternehmenswerten, allerdings noch stärker an Periodenerfolgen orientiert, bereits SCHMALENBACH (1912) und
SCHMALENBACH (1917).
2 Vgl. BALLWIESER /LEUTHIER (1986), S. 548.
3 Gleichwohl können sie natürlich ein Akquisitionsmotiv darstellen, wenn die Einschätzung des
Käufers höher liegt als die der potenziellen Verkäufer.
111
Kapitel D
112
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
ternehmen gesteigert werden können, sodass ein Wertzuwachs für den Erwerber
möglich ist.1 Als typisches Beispiel ist hier die Realisierung von sog. Synergieeffekten zu nennen2. Dabei wird implizit unterstellt, dass eine akquisitionsbedingte
Erhöhung der Zahlungen nur dem Erwerber zu Gute kommt. Liegt eine Situation
vor, in der ein einziger potenzieller Veräußerer so viele Aktien hält, dass allein
von der Tatsache, ob er verkauft oder nicht der Erfolg der Übernahme abhängt, so
können derartige Effekte in der Tat einen möglichen Grund darstellen, warum die
Werteinschätzung des Erwerbers über der dieses Verkäufers liegen kann, da die
Werterhöhung nur durch den Verkauf eintreten kann. Anders verhält es sich jedoch in Situationen, in denen der Erwerber einer Vielzahl von potenziellen Verkäufern gegenübersteht, von denen keiner allein einen maßgeblichen Einfluss auf
den Erfolg der Übernahme hat, wie es bei vielen börsennotierten Aktiengesellschaften der Fall sein dürfte. In diesem Fall muss ein Verkäufer die Möglichkeit, dass die Übernahme gelingt, auch ohne dass er seinen Anteil verkauft, in
seinen Kalkül einbeziehen. Sollte es zu einer Übernahme kommen, kann er nämlich möglicherweise von erwarteten Wertsteigerungen durch die Übernahme als
Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft ebenfalls profitieren.
Insofern muss untersucht werden, welche Einflüsse auf den Zahlungsstrom mit
einer tendenziell gleichgerichteten Wirkung auf die Werteinschätzung von Erwerber und potenziellem Verkäufer einhergehen und welche mit einer unterschiedlichen Wirkung. Als Einflussfaktoren, die eine gleichgerichtete Wirkung für den
Übernehmer und die Zielgesellschaftsaktionäre entfalten, werden im Rahmen der
nachfolgend entwickelten Modellierung
•
interne Synergieeffekte3 und
•
Restrukturierungsmaßnahmen4
betrachtet. In dem geschilderten Fall von vielen potenziellen Veräußerern können
Faktoren mit tendenziell gleichgerichteter Wirkung für sich betrachtet nur dann
tatsächlich zu einer Bewertungsdifferenz und damit zu einem Wertpotenzial für
den Erwerber führen, wenn das Ausmaß der Wertsteigerung unterschiedlich eingeschätzt oder bewertet wird. Daneben existieren Einflussfaktoren mit unterschiedlicher Wirkung auf den Bewertungskalkül der Parteien. Als solche werden
insbesondere
1 Vgl. z.B. KÜTING (1981), S. 185 – 186; JUNG (1993), S. 51; MANDL/RABEL (1997), S. 153 –
166; BERENS/MERTES/STRAUCH (1998), S. 39 – 40; IDW (2000), S. 831.
2 Vgl. z.B COENENBERG/SAUTTER (1988), S. 698 – 699; JUNG (1993), S. 51 – 58; BUSSE VON
COLBE (1994), S. 602 – 605; PAPROTTKA (1996), S. 41 – 126
3 Vgl. dazu Abschnitt E 2.2.1.1.
4 Vgl. dazu Abschnitt E 2.2.1.2.
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
113
•
externe Synergieeffekte1 und
•
die Möglichkeit, Werte vom übernommenen Unternehmen in die Vermögenssphäre des Übernehmers zu transferieren,2
identifiziert. Gerade die Möglichkeit, Werte vom erworbenen Unternehmen zum
Erwerber zu transferieren und damit die verbleibenden Minderheitsaktionäre zu
schädigen, wird als ein Grund für die Einführung des Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetzes genannt.3
Aus Effekten mit unterschiedlicher Wirkungsrichtung können Unterschiede in der
Bewertung von Übernehmer und potenziellen Verkäufern resultieren, die sowohl
im Fall eines einzelnen (beherrschenden) Großaktionärs wie auch im Fall vieler
kleinerer Aktionäre zu dem beschriebenen Wertpotenzial führen, und zwar selbst
bei gleicher Einschätzung und Bewertung der durch die Übernahme verursachten
Auswirkungen auf die erwarteten Zahlungen durch die Parteien.
Neben Unterschieden, die sich aus einer unterschiedlichen erwarteten Zahlungsreihe ergeben, ist es weiterhin möglich, dass gleiche erwartete Zahlungsströme
bzw. genauer gesagt erwartete Wahrscheinlichkeitsverteilungen für künftige
Zahlungen von verschiedenen Subjekten unterschiedlich bewertet werden. Gründe
hierfür können z.B. in der individuellen Risikoeinstellung, Zeitpräferenz, in unterschiedlichen alternativen Verwendungsmöglichkeiten der eingesetzten Mittel oder
der Korrelation der erwarteten Rückflüsse zum gesamten Portefeuille des Investors liegen.4
In diesem Abschnitt 2 sollen daher die individuellen Einflussfaktoren auf die relevante Zahlungsreihe und ihre Bewertung einer näheren Betrachtung unterzogen
werden. Aufbauend auf diesen Ausführungen wird im Abschnitt 3 ein einfaches
Modell zur Beurteilung von Übernahmeentscheidungen entwickelt, das die
Grundlage für die Untersuchung des Übernahmeprozesses liefern soll.
1 Vgl. dazu Abschnitt E 2.2.2.1.
2 Vgl. dazu auch Abschnitt E 2.2.2.2.
3 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.
4 Vgl. COENENBERG (1984), S. 499.
113
114
Kapitel D
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
2.2
Einflussfaktoren auf die relevante Zahlungsreihe
2.2.1
Einflussfaktoren mit gleichgerichteter Wirkung bei Übernehmer
und Veräußerer
2.2.1.1
Interne Synergieeffekte
Der Begriff Synergie hat etwa seit Ende der 50-er Jahre in das wirtschaftswissenschaftliche Schrifttum Einzug gehalten.1 Er stammt etymologisch vom griechischen „synergien“ ab, was mit „zusammenarbeiten“ oder „zusammenwirken“ übersetzt werden kann.2 3 Wird ein Unternehmen von einem anderen Unternehmen
übernommen, sodass die beiden Unternehmen nunmehr unter einheitlicher Kontrolle stehen, so ist dem Kontrollinhaber eine Gestaltung der Zusammenarbeit
dieser beiden Unternehmen möglich. Dabei ist es auf Grund hier nicht näher zu
beschreibender Wirkungsmechanismen möglich, dass ein Gesamtergebnis entsteht, welches die Summe der Einzelergebnisse übersteigt.4 Dieses Phänomen
wird in der Literatur als Synergie oder häufig auch als 1 + 1 = 3 oder 2 + 2 = 5
Effekt bezeichnet.5 Diese einprägsamen Bezeichnungen verstellen jedoch ein wenig den Blick darauf, dass sich aus Synergie auch negative Wirkungen ergeben
können.6 Daher soll im Rahmen dieser Arbeit unter Synergie das Zusammenwirken eines übernommenen Unternehmens mit dem Übernehmerunternehmen mit
1 Vgl. z.B. PENROSE (1959); ANSOFF (1965), S. 75 – 102.
2 Vgl. GÄLWEILER (1987), S. 85, KLEMM (1990), S. 45, PAPROTTKA (1996) S. 41, JANSEN
(2000), S. 93.
3 Ursprünglich wurde der Synergiebegriff nur in den Naturwissenschaften angewendet, um das
Phänomen des Zusammenwirkens zweier Substanzen, Organe oder Organsysteme mit überadditiver Wirkung zu beschreiben. Vgl. EHRENSBERGER (1993), S. 15; PAPROTTKA (1996),
S. 41. Mit der Ausdehnung der Begriffsanwendung auch auf andere Lebensbereiche entwickelte sich die interdisziplinäre Forschungsrichtung der „Synergetik“, welche sich mit der Entstehung neuer Strukturen und Funktionsweisen von Systemen, die durch das Zusammenwirken
von Teilen oder Teilsystemen entstehen, beschäftigt. Vgl. KLEMM (1990), S. 45, PAPROTTKA
(1996) S. 41. Zur Lehre der Synergetik vgl. HAKEN, (1981), S. 9 – 21.
4 Vgl. zu Ursachen derartiger positiver Synergieeffekte z.B. STREBEL (1968), S. 238; EVERLING
(1973), S. 411; SIGLOCH (1974), S. 97; ; PLASSMANN (1974), S. 28 – 29; KÜTING (1981),
S. 182; HÖRNIG (1985), S. 56; SIEBEN/SIELAFF (1989), S. 57; SAUTTER (1989), S. 250; KLEMM
(1990), S. 65.
5 Vgl. ANSOFF /WESTON (1962), S. 234; KITCHING (1967), S. 92; JUNG (1993), S. 51, NIEHUES
(1993), S. 2245; PAPROTTKA (1996), S. 42, MANDL/RABEL (1997), S. 164, SCHOLZ (2000),
S. 156.
6 Vgl. zu negativen Synergieeffekten und ihren Ursachen z.B. BÖCKEL (1972), S. 188 – 189;
SCHIERENBECK (1973), S. 62, KÜTING (1981), S. 176; RUHNKE (1991), S. 1890; NIEHUES
(1993), S. 2246; EHRENSBERGER (1993), S. 89; WEINBERGER (1995), S. 161; PAPROTTKA
(1996), S. 42.
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
115
einem von der Summe der Einzelergebnisse abweichenden Gesamtergebnis verstanden werden. Der zahlungsmäßige Niederschlag dieser Synergie auf der jeweiligen Unternehmensebene soll als Synergieeffekt bezeichnet werden.
Sofern das übernommene Unternehmen seine juristische Eigenständigkeit behält,
kann danach, bei welchem Unternehmen der finanzielle Niederschlag der aus
Synergie resultierenden Zahlungsstromänderungen anfällt, zwischen internen und
externen Synergieeffekten unterschieden werden. In der hier verwendeten Terminologie sollen die internen Synergieeffekte diejenigen sein, die sich zahlungsmäßig beim übernommen Unternehmen niederschlagen. Die auf Unternehmensebene
anfallenden Zahlungsstromänderungen wirken sich entsprechend auf das
Ausschüttungspotential bzw. bei Ausschüttung auf den erwarteten Zahlungsstrom
der Aktionäre aus.
Von einer Erhöhung der erwarteten Zahlungen als Folge von interner Synergie
profitieren alle Aktionäre der übernommenen Gesellschaft, also sowohl der Übernehmer als auch verbleibende Altaktionäre. Befindet sich ein Aktionär der Zielgesellschaft demnach in der Situation, dass die Übernahme auch ohne den Verkauf
seiner Aktien gelingen kann, so muss er die Möglichkeit der Wertsteigerung durch
interne Synergieeffekte nach erfolgreicher Übernahme in seinen Bewertungskalkül einbeziehen. Rechnet er dagegen mit negativen Synergieeffekten, so muss er
einen möglichen Wertverlust seiner Aktien berücksichtigen.
Änderungen des erwarteten Zahlungsstromes können sich aus vier Teileffekten
ergeben:
1.
Erhöhung erwarteter Einzahlungen
2.
Verminderung erwarteter Auszahlungen
3.
Verminderung erwarteter Einzahlungen
4.
Erhöhung erwarteter Auszahlungen
Die ersten beiden Änderungen führen zu einer Erhöhung des erwarteten Zahlungssaldos, stellen also positive Synergieeffekte dar. Als Ursachen werden in der
Literatur vor allem die Unterlassung einander neutralisierender Aktivitäten, die
Vermeidung von Doppelaktivitäten, die Verbesserung der Faktorallokation, die
Erhöhung der Marktanteile oder die Übertragung des akquisitorischen Potentials
von einem Unternehmen auf das andere genannt.1 Die Änderungen der dritten und
vierten Kategorie verringern demgegenüber den erwarteten Zahlungssaldo; sie
stellen negative Synergieeffekte dar. Sie können sich insbesondere aus dem Ver-
1 Vgl. KÜTING (1981), S. 181 – 182, PAPROTTKA (1996), S. 44.
115
Kapitel D
116
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
lust von Kundenbeziehungen, höherem Verwaltungsaufwand und Kosten der
Integration ergeben.1 2
2.2.1.2
Restrukturierung
Neben Synergien sind auch Restrukturierungsmaßnahmen, die der Übernehmer
nach Erwerb der Kontrolle durchführen kann, eine mögliche Ursache für Änderungen des erwarteten Zahlungsstroms.3 Unter Restrukturierungsmaßnahmen sollen alle Maßnahmen verstanden werden, die das Management der vorhandenen
Aktiva und Passiva abweichend von der Planung der bisherigen Geschäftsleitung
gestalten.4 Die vorgenommenen Maßnahmen können sich, wie auch schon die
Synergieeffekte, in Erhöhungen oder Verringerungen der Einzahlungen bzw. in
Erhöhungen oder Verringerungen von Auszahlungen niederschlagen. Der Saldo
aus diesen Änderungen ergibt den Gesamteffekt. In Abgrenzung zu den Synergieeffekten sollen jedoch nur solche Zahlungen erfasst werden, die nicht auf dem
Zusammenwirken der beiden Unternehmen beruhen. Sofern erwartete Effekte
positiv sind, stellen sie ein durch das bisherige Management nicht verwirklichtes
Potential dar, da auch dieses grundsätzlich derartige Maßnahmen ergreifen könnte, um eine Erhöhung der erwarteten Zahlungen zu erreichen.5
Die zahlungsmäßigen Konsequenzen der Restrukturierungsmaßnahmen beruhen
insbesondere auf Umsatzerhöhungen, Kostensenkungen oder Einzahlungen aus
dem Verkauf von Aktiva.6 Dadurch ergibt sich ein höheres Ausschüttungspotential bzw. bei tatsächlicher Ausschüttung der resultierenden Zahlungen eine Änderung des von den Aktionären zu erwartenden Einkommensstroms gegenüber der
Situation ohne Übernahme.
1 Vgl. KÜTING (1981), S. 182 – 184; KÜTING (1983), S. 161 – 162.
2 Zu denkbaren Systematisierungen von Synergieffekten vgl. z.B. EVERLING (1963), S. 204 –
208, SAUTTER (1989), S. 241 – 253, PAPROTTKA (1996), S.77 – 89, JUNG (1993), S. 53 – 55.
3 Vgl. COENENBERG/SAUTTER (1988), S. 698; IDW (2000), S. 831.
4 Ähnlich COENENBERG/SAUTTER (1988), S. 698 – 699. Die von diesen Autoren genannte zweite
Möglichkeit von Restrukturierungsmaßnahmen „Überprüfung der Notwendigkeit der vorhandenen Aktiva und Passiva“ soll hier als Spezialfall der Gestaltung des Managements dieser
Positionen aufgefasst werden.
5 Vgl. HUEMER (1991), S. 27 – 28.
6 Vgl. COENENBERG/SAUTTER (1988), S. 699.
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
117
Wie schon bei Zahlungsstromänderungen aus internen Synergien sind bei aus
Restrukturierungsmaßnahmen resultierenden Zahlungsstromänderungen der Übernehmer und evtl. verbleibende Altaktionäre in gleicher Weise betroffen. Daher
muss ein potenzieller Verkäufer, dessen Verkauf keinen bzw. marginalen Einfluss
auf den Erfolg der Übernahme hat, eine mögliche Wertsteigerung (oder -minderung) nach erfolgreicher Übernahme in seinen Bewertungskalkül einbeziehen.
2.2.2
Einflussfaktoren mit unterschiedlicher Wirkung bei Übernehmer
und Veräußerer
2.2.2.1
Externe Synergieeffekte
Wie bereits ausgeführt wurde, kann sich Synergie in dem Fall, dass beide Aktiengesellschaften nach der Übernahme weiter bestehen, zahlungsmäßig sowohl beim
Zielobjekt wie auch beim Erwerberunternehmen niederschlagen. Externe Synergieeffekte resultieren grundsätzlich aus den gleichen Wirkungszusammenhängen
wie interne. Der Unterschied zu den internen Synergieeffekten besteht allein darin, dass sie sich zahlungsmäßig direkt beim Erwerberunternehmen niederschlagen.
Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass u.U. der zahlungsmäßige Niederschlag von Synergie bzw. dessen Aufteilung in gewissem Umfang vom Übernehmer gesteuert werden kann. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zu den
nachfolgend behandelten Werttransfers ist, dass externe Synergieeffekte nicht mit
einer entgegengerichteten Vermögensänderung bei der abhängigen Gesellschaft
einhergehen.
Von einer Werterhöhung durch positive externe Synergieeffekte kann stets nur der
Erwerber profitieren. Es handelt sich insofern um Sondervorteile, die er aus der
Übernahme gewinnen kann. Nur er darf sie daher in seinen Bewertungskalkül
einbeziehen. Evtl. verbleibende Altaktionäre wären von den ausgelösten Zahlungsstromänderungen nicht betroffen. Daher ist in positiven externen Synergieeffekten ein Einflussfaktor zu sehen, der ceteris paribus zu einem systematisch höheren Wert für den Erwerber führt.
117
118
2.2.2.2
Kapitel D
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Werttransfers zwischen Zielgesellschaft und Übernehmer
Auch Werttransfers von der erworbenen Gesellschaft zum Übernehmer stellen
Sondervorteile dar, die der Erwerber aus der Übernahme ziehen kann. Im Gegensatz zu den externen Synergieeffekten handelt es sich allerdings um solche Sondervorteile, die durch wertverlagernde Maßnahmen auf Kosten der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft erlangt werden.1 Als primäre Möglichkeit für derartige Werttransfers sind vor allem Rechtsgeschäfte zwischen dem übernommenen Unternehmen und dem Übernehmer zu nennen, insbesondere wenn es sich bei
diesem, wie im Folgenden unterstellt, selbst um ein Unternehmen handelt. Diese
Rechtsgeschäfte sind juristisch zulässig, da die übernommene Aktiengesellschaft
eine eigene Rechtspersönlichkeit hat und insofern kein sog. „Insichgeschäft“ vorliegt. Da sich das übernommene Unternehmen jedoch in einem Abhängigkeitsverhältnis von dem kontrollierenden neuen Mehrheitsaktionär befindet, könnte dieser
die Geschäftsleitung der übernommenen Gesellschaft veranlassen, zu Preisen zu
kontrahieren, die bei Unabhängigkeit nicht akzeptiert würden. So könnte das abhängige Unternehmen für Lieferungen oder Leistungen des Übernehmers mehr
bezahlen als es bei Fremdbezug bezahlen müsste oder für eigene Lieferungen weniger erhalten als bei Fremdverkauf. Im Extremfall könnten z.B. für wertlose oder
gar nicht erst erbrachte Dienstleistungen Honorare an den Übernehmer gezahlt
werden oder eigene Leistungen kostenlos erbracht werden.2
Liegt ein solches Rechtsgeschäft vor, so wird das Tochterunternehmen in Höhe
der geminderten Einzahlungen bzw. der erhöhten Auszahlungen im Vergleich zu
Fremdgeschäften geschädigt. Ob die direkte Erhöhung des Zahlungssaldos beim
Übernehmer dieser Schädigung der Tochter betragsmäßig entspricht, hängt davon
ab, wie viel das Mutterunternehmen seinerseits für eine Ware oder Dienstleistung
bei Fremdbezug zahlen müsste bzw. bei Fremdverkauf erhalten würde. Zur Vereinfachung der Untersuchung, aber auch zur Isolation der Transfereffekte von
anderen, überlagernden Effekten, soll im Rahmen dieser Untersuchung davon
ausgegangen werden, dass die Verminderung des Zahlungssaldos beim Tochterunternehmen sich direkt in einer gleich großen Erhöhung des Zahlungssaldos
beim Mutterunternehmen niederschlägt. An der Schädigung des abhängigen Unternehmens hat der Mehrheitsaktionär nur entsprechend seiner Beteiligungsquote
Anteil, während er von der Erhöhung seines Zahlungssaldos vollständig profitiert.
Insofern findet ein Nettowerttransfer auf Kosten der Minderheitsaktionäre statt.
1 Als einer der Ersten hat STÜTZEL derartige Sondervorteile umfassend beschrieben. Vgl.
STÜTZEL (1960), S. 941 – 942, 964 – 967. Wenn solche Vermögensverschiebungen als Motiv
für Übernahmen behandelt werden, wird daher in der Literatur auch von „Stützels Sondervorteils-Hypothese“ gesprochen. So. z.B. SCHMIDT/PRIGGE (2002), S. 227.
2 Vgl. STÜTZEL (1960), S. 941 – 942; PRANTL (1994), S. 49 – 50, 65 – 66; SCHMIDT/PRIGGE
(2002), S. 227 – 228.
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
119
Durch den Einbezug von Drittunternehmen lässt sich das Grundschema des Werttransfers durch Rechtsgeschäfte noch vielfach variieren, ohne dass sich wesentlich
andere Wirkungszusammenhänge ergäben. Allerdings dürfte die Aufdeckung
erheblich erschwert werden, sodass es bei entsprechenden Gestaltungen u.U. eher
möglich ist, ansonsten fällige Ausgleichszahlungen zu vermeiden.
Als sonstige Maßnahmen für Werttransfers vom abhängigen Unternehmen zur
Obergesellschaft werden in der Literatur z.B. genannt: Ausgliederung wesentlicher betrieblicher Funktionen auf das herrschende Unternehmen, Bereitstellung
von Vermögensgegenständen als Sicherheit für einen Kredit, den das herrschende
Unternehmen beansprucht, Veranlassung des Tochterunternehmens zur Aufgabe
eines Teilmarktes etc.1 All diesen Maßnahmen liegt das Prinzip zugrunde, dass
vermiedene Auszahlungen oder erhöhte Einzahlungen beim Mutterunternehmen
mit verringerten Einzahlungen oder zusätzlichen Auszahlungen beim Tochterunternehmen einhergehen. Insofern lassen sich die für Rechtsgeschäfte aufgezeigten
Zusammenhänge auch auf sonstige Maßnahmen verallgemeinern. Dabei soll die
durch derartige Maßnahmen verursachte Minderung des Zahlungssaldos auch als
Ausbeutung bezeichnet werden. Denkbar ist natürlich auch ein Werttransfer vom
Übernehmer zum übernommenen Unternehmen auf eine der beschriebenen Arten,
der dementsprechend als Subventionierung zu interpretieren wäre.
Dieser Problematik versuchte die deutsche Rechtsordnung bislang vor allem mit
einem System konzernrechtlicher Minderheitsschutzvorschriften zu begegnen.
Das Konzernrecht stellt zwei im Ansatz verschiedene Regelungskomplexe zum
Schutz der betroffenen Aktionäre bereit:
•
Im sog. Vertragskonzern (einschließlich Eingliederung) darf das herrschende
Unternehmen seinen Einfluss nahezu unbeschränkt für eigene Interessen ausüben. Im Gegenzug haben die sog. außenstehenden Aktionäre jedoch das
Recht zwischen einer regelmäßigen Ausgleichszahlung2 und einem Ausscheiden gegen Abfindung3 zu wählen. Sowohl Ausgleichszahlung als auch Abfindung müssen eine auf Basis einer gutachterlichen Bewertung angemessene
Gegenleistung bei fiktiv unterstellter Unabhängigkeit darstellen und sind gerichtlich überprüfbar.
1 Vgl. HÜFFER (2002), § 311 AktG, Rn. 34, KROPFF (2000b), § 311 AktG, Rn. 180 – 212.
2 Vgl. § 304 AktG.
3 Vgl. § 305 AktG.
119
Kapitel D
120
•
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Im sog. faktischen Konzern1 beruht das Schutzsystem – grob gesprochen –
auf der Konzeption, dass vorgenommene Vermögensverschiebungen für jedes
einzelne Geschäft und für jede einzelne Maßnahme ausgeglichen werden müssen (System des Einzelausgleichs).2 Die Erstellung eines sog. Abhängigkeitsberichts soll alle zugefügten Nachteile und deren Ausgleich dokumentieren und damit überprüfbar machen.3
Eine ausführliche Darstellung dieses konzernrechtlichen Schutzsystems kann im
Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Insofern ist auf das einschlägige juristische
Schrifttum hinzuweisen.4 Es kann jedoch als herrschende Meinung angesehen
werden, dass das Schutzsystem vor allem beim faktischen Konzern zwar Ausbeutungen erschwert, aber nicht gänzlich unmöglich macht.5 Die Hauptschwierigkeiten werden in der tatbestandsmäßigen Erfassung und Bewertung zugefügter
Nachteile sowie in der mangelnden Unabhängigkeit der Kontrollorgane gesehen.
Diese verbleibenden Schutzlücken stellen ein wesentliches Argument für die Einführung des Pflichtangebotes und der Vollangebotspflicht bei Übernahmeangeboten dar,6 die im Rahmen der modelltheoretischen Analyse untersucht werden
sollen.
1 Die Bezeichnung ist insofern ungenau, als dass dieses System auch bereits bei (einfacher)
Abhängigkeit, die noch nicht den aktienrechtlichen Konzerntatbestand erfüllt, einsetzt. Vgl.
KROPFF (2000b), Vor. § 311 Rn. 4. Wegen der allgemeinen Verbreitung der auch auf solche
Beziehungen ausgedehnten Begriffsverwendung soll aber auch im Rahmen dieser Arbeit vom
faktischen Konzern gesprochen werden.
2 Vgl. § 311 AktG.
3 Vgl. § 312 AktG.
4 Vgl. z.B. EMMERICH/SONNENSCHEIN /HABERSACK (2001); HÜFFER (2002), §§ 291 – 318 AktG;
KROPFF/SEMMLER (2000b), §§ 291 – 318 AktG; EMMERICH/HABERSACK (2003).
5 Vgl. z.B. BÄLZ (1992); S. 283 – 284; PRANTL (1994), S. 65 – 148; KRAUSE (1996b), S. 897 –
898; HOPT (1997), S. 387 – 388; BENNER/HEINACHER (1997), S. 2521; MUNSCHECK (1999),
S. 59 – 117; HOUBEN (2000), S. 1875 – 1876.
6 Vgl. Abschnitt C 3 sowie C 4.2 – 4.3.
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
2.3
121
Einflussfaktoren auf die Bewertung der erwarteten Zahlungsreihe
Der Wert einer Zahlungsreihe ist der heutige Betrag, der von dem betrachteten
Wirtschaftssubjekt als äquivalent zu der Zahlungsreihe eingeschätzt wird. Selbst
wenn man zunächst von einer sicheren Zahlungsreihe ausgeht, gibt es eine Reihe
von Ursachen, warum verschiedene Bewerter die gleiche Zahlungsreihe unterschiedlich bewerten können. Anders als die zuvor aufgezeigten Unterschiede in
der Zahlungsreihe, die sich zwischen dem Übernehmer und den Aktionären der
Zielgesellschaft ergeben, können diese Ursachen auch innerhalb der Gruppe der
Aktionäre zu unterschiedlichen Bewertungen führen.
Besteht die Möglichkeit, Geldbeträge aufzunehmen oder anzulegen, so ist es
möglich, die durch den Kauf zu erlangende bzw. durch den Verkauf entgehende
Zahlungsreihe nachzubilden. Derartige Anlage- und Aufnahmemöglichkeiten
werden auch als finanzwirtschaftliche Komplementärmaßnahmen bezeichnet.1
Der individuelle Wert der Zahlungsreihe entspricht dem heutigen Betrag, der es
dem Wirtschaftssubjekt ermöglicht, die Zahlungsreihe durch entsprechende Komplementärmaßnahmen zu duplizieren. Bietet man einem potenziellen Verkäufer
mehr als diesen Betrag, so ist der Verkauf für ihn vorteilhaft, denn er kann damit
die entgehende Zahlungsreihe generieren und behält einen positiven Rest übrig,
den er wiederum mittels Komplementärmaßnahmen auf einen beliebigen Zeitpunkt transferieren kann. Entsprechendes gilt für den potenziellen Käufer, wenn
er weniger als diesen Betrag bezahlen muss. Wie hoch dieser Wert ist, hängt dabei
maßgeblich von den dem Investor möglichen Komplementärmaßnahmen ab.
Auf diesem Prinzip beruhen die „klassischen“ investitionstheoretischen Ansätze,
die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Zahlungsreihe mit Hilfe von Auf- und
Abzinsungen zu einer einzigen Kennzahl verdichtet werden und auf der Grundlage dieser Kennzahl die Vorteilhaftigkeit beurteilt wird. Der verwendete Kalkulationszinsfuß hat dabei die Funktion, die Wirkungen der Komplementärmaßnahmen indirekt zu erfassen.2 Häufig wird dabei der theoretische Idealfall des
vollkommenen Finanzmarktes unterstellt. Dieser ist in seiner strengsten Form dadurch gekennzeichnet, dass der Entscheider in jedem künftigen Zeitpunkt die
Möglichkeit hat, Finanzmittel in beliebigem Umfang zu einem einheitlichen und
im Zeitablauf konstanten Zinssatz anzulegen oder aufzunehmen.3
Unter der Annahme des vollkommenen Finanzmarktes gilt für alle Wirtschaftsubjekte der gleiche Kalkulationszins. Eine gegebene Zahlungsreihe hat daher für
1 Vgl. BITZ/EWERT/TERSTEGE (2002), S. 22 – 24.
2 Vgl. BITZ/EWERT/TERSTEGE (2002), S. 28 – 29.
3 Vgl. HERING (1995), S. 13; BITZ/EWERT/TERSTEGE (2002), S. 28.
121
Kapitel D
122
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
alle den gleichen Wert. Dieser Befund gilt unabhängig von der individuellen Konsumpräferenz1 des Bewerters.2 Er ändert sich auch nicht, wenn man die Annahme
des periodenkonstanten Kredit- und Anlagezinssatzes lockert und stattdessen von
einem vollkommenen Finanzmarkt mit wechselnden Periodenzinsfüßen ausgeht.
Unterschiede in der Bewertung ergeben sich erst durch Abweichungen von diesem theoretischen Idealfall.
Als derartige Abweichungen kommen – lässt man die in der Realität bestehende
Unsicherheit über die künftigen Zahlung zunächst weiterhin außer Betracht – insbesondere die Folgenden in Frage:
•
Soll- und Habenzins müssen nicht übereinstimmen. Wirtschaftssubjekte erhalten i.d.R. für Geldanlagen eine geringere Verzinsung als für Geldaufnahmen.
•
Geldaufnahme ist nicht in beliebigem Umfang möglich. Die Kreditvergabe
wird häufig an die Leistung von Sicherheiten geknüpft, die nicht unbegrenzt
zur Verfügung stehen.
•
Die Zinssätze, zu denen Geld aufgenommen oder angelegt werden kann, können für die einzelnen Wirtschaftssubjekte auf Grund unterschiedlicher persönlicher Gegebenheiten verschieden sein.
•
Ein einzelnes Wirtschaftssubjekt kann ggf. nicht beliebige Mittel zu einheitlichen Konditionen aufnehmen oder anlegen. So fordern Kreditgeber bei steigendem Verschuldungsgrad häufig einen höheren Zinssatz. Bei Anlagemöglichkeiten kommt es vor, dass diese nur limitiert verfügbar sind oder umgekehrt Konditionen erst ab einer bestimmen Anlagesumme gewährt werden.
Insofern ist die Höhe des Kalkulationszinssatzes und damit die Bewertung einer
Zahlungsreihe auch von der finanziellen Situation des Wirtschaftssubjektes im
betrachteten Zeitpunkt abhängig.3 Diese wiederum wird neben der Zahlungsreihe
1 Hierunter soll die unterschiedliche Wertschätzung verschiedener zeitlicher Struktur von Entnahmen zu Konsumzwecken verstanden werden.
2 Vgl. HERING (1995), S. 17, 20.
3 Um den richtigen Kalkulationszinssatz zu finden, müssen daher grundsätzlich sämtliche dem
Wirtschaftssubjekt zur Verfügung stehenden Investitions- und Finanzierungsprojekte simultan
in einem Totalmodell betrachet werden. Der gesuchte Zinssatz kann also nicht als Eingangsgröße verwendet werden, sondern fällt sozusagen als „Nebenprodukt“ der Lösung dieses simultanen Optimierungsproblems an. Liegt die Lösung vor, so wird der Kalkulationszinssatz
allerdings gar nicht mehr benötigt, da dann bereits feststeht, ob das Projekt vorteilhaft ist oder
nicht. Vgl. HAX (1967), S.755 – 756; HERING (1995), S. 69 – 71, Dieses Problem wird auch als
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
123
und den Komplementärmaßnahmen mitbestimmt durch die Konsumpräferenz
bzw. die hierdurch verursachte zeitliche Struktur von Entnahmen. Dabei sind
grundsätzlich die folgenden beiden Ausprägungen von Möglichkeiten zur Operationalisierung der Entnahmezielsetzung denkbar:1
•
Einkommensmaximierung: Unter der Nebenbedingung fest vorgegebener
Ausschüttungen zu bestimmten Zeitpunkten wird die Breite des Entnahmestroms maximiert.
•
Vermögensmaximierung: Unter der Nebenbedingung eines fest vorgegebenen Einkommensstroms wird die gewichtete Summe der Ausschüttungen maximiert. Der Gewichtungsfaktor der jeweiligen Zeitpunkte ergibt sich aus der
subjektiven Wertschätzung einer Ausschüttung in Relation zu den anderen
Zeitpunkten. Als wichtigste Spezialfälle der Vermögensmaximierung sind die
Endwertmaximierung und die Barwertmaximierung anzusehen, bei denen jeweils die Zahlungen eines Zeitpunktes mit eins und alle anderen mit null gewichtet werden.
Weitere Unterschiede in der Bewertung kommen hinzu, wenn man nunmehr die
bisher ausgeklammerte Tatsache, dass die zu beurteilende Zahlungsreihe eine unsichere Größe darstellt, mit einbezieht:
•
Unterschiede können sich bereits aus heterogenen Erwartungen bezüglich der
künftigen Zahlungen, genauer gesagt Erwartungen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zahlungen ergeben.
•
Selbst bei homogenen Erwartungen ergeben sich Unterschiede in der Bewertung einer unsicheren Zahlungsreihe bei unterschiedlicher Risikopräferenz der
verschiedenen Wirtschaftssubjekte. Für eine derartige Verdichtung einer
„Dilemma der Lenkpreistheorie“ in der Literatur behandelt. Vgl. HERING (1995), S. 69 – 71.
Derartige Totalmodelle haben den Vorteil, dass sie sog. „zeitlich-vertikale Interdependenzen“
in den Kalkül mit einbeziehen, welche in den auf Ab- und Aufzinsung beruhenden Partialmodellen vernachlässigt werden. Unter zeitlich-vertikalen Interdependenzen versteht man den
Umstand, dass sich die Durchführung eines Investitionsprojektes auch über die komplementären Finanzmaßnahmen hinaus auf die Durchführung- und Ergebnismöglichkeiten erst später
zur Disposition stehender Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen auswirken kann. Vgl.
BITZ/EWERT/TERSTEGE (2002), S. 24 – 25. Das größte Problem der theoretisch richtigen Totalmodelle besteht in den unerfüllbar hohen Anforderungen an die Informationsbeschaffung
und –verarbeitung. Vgl. HAX (1967), S. 760; HERING (1995), S. 74. Zur simultanen Investionsplanung vgl. z.B. die grundlegenden Arbeiten von MASSE (1959), ALBACH (1962),
WEINGARTNER (1963), HAX (1964), BITZ (1977) sowie HERING (1995).
1 Vgl. HERING (1995), S. 10 – 11; HERING (1999), S. 12 – 13.
123
Kapitel D
124
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Bandbreite von möglichen Ergebnissen auf einen Äquivalenzbetrag gibt es
keine allgemeinverbindlichen Regeln. Sie kann nur subjektiv erfolgen.1
•
2.4
Auch bezüglich des Risikos ist das finanzielle Umfeld des Bewerters zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der unsicheren Zahlungsreihe ist es entscheidend, wie sie sich auf die Risikostruktur sämtlicher finanzieller Aktivitäten des Entscheiders auswirken würde. Insofern müssen auch die stochastischen Abhängigkeiten berücksichtigt werden, die zum übrigen Portefeuille des
Anlegers bestehen.2 Nach der auf MARKOWITZ zurückgehenden Portefeuilletheorie ist es durchaus möglich, durch den Erwerb einer risikobehafteten
Zahlungsreihe das durch eine geeignete Kennzahl gemessene Risiko eines
Portefeuilles sogar zu senken.3 Man spricht in diesem Zusammenhang auch
von Risikodiversifikation. Für einen risikoscheuen Anleger führt eine solche
Risikosenkung zu einer höheren Bewertung der unsicheren Zahlungsreihe.
Zusammenfassung
Es wurde aufgezeigt, dass die einzelnen Beteiligten an einer Unternehmensübernahme den Wert der Aktien der Zielgesellschaft aus verschiedenen Gründen unterschiedlich einschätzen können. Es wurde unterschieden zwischen solchen
Gründen, die direkt an der relevanten Zahlungsreihe ansetzen und solchen, die
sich auf die Bewertung einer gegebenen Zahlungsreihe beziehen.
Dabei zeigte sich, dass es Einflussfaktoren auf die relevante Zahlungsreihe gibt,
durch die ein Übernehmer und die (Klein)Aktionäre der Zielgesellschaft als potenzielle Verkäufer im Falle einer Übernahme gleichgerichtet betroffen sind. Sie
können nicht als Erklärung dafür herangezogen werden, dass ein Übernehmer den
Wert des zu erwerbenden Unternehmens systematisch höher einschätzt als die
Verkäufer. Daneben wurden jedoch mit externen Synergieeffekten und Werttransfers Einflussfaktoren auf die Zahlungsreihe identifiziert, durch die die Parteien
unterschiedlich betroffen sind. Während externe Synergieeffekte nur den Übernehmer betreffen und sich daher auch nur auf seine Zahlungsreihe auswirken, führen Werttransfers sogar zu entgegengerichteten Wirkungen für Übernehmer und
1 So sieht HERING die Aufgabe der Unternehmensbewertung als erfüllt an, wenn eine Bandbreite
von möglichen Unternehmenswerten – ggf. ergänzt um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung –
angegeben wird. Eine mögliche Verdichtung auf einen Entscheidungswert ordnet er nicht mehr
der Unternehmensbewertung zu. Vgl. HERING (1999), S. 8 – 10.
2 Vgl. BITZ/EWERT/TERSTEGE (2002), S. 248.
3 Vgl. grundlegend MARKOWITZ (1952) und (1971).
2 Einflussfaktoren auf die Bewertungskalküle
125
die Aktionäre der Zielgesellschaft. Unter dem Blickwinkel der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit interessiert hier vor allem die Möglichkeit, das übernommene Unternehmen auszubeuten. In derartigen Unterschieden in der relevanten
Zahlungsreihe können in der Tat Gründe dafür liegen, dass ein Übernehmer ein
Unternehmen systematisch höher bewertet als die verkaufenden Kleinaktionäre.
Daneben wurden Ursachen aufgezeigt, warum verschiedene Bewerter eine gegebene Zahlungsreihe unterschiedlich bewerten können. Derartige Ursachen ergeben
sich durch Abweichungen der realen Märkte vom theoretischen Ideal des vollkommenen Finanzmarktes. Diese Ursachen führen nicht nur zu Unterschieden
zwischen den beteiligten Parteien, sondern können auch als Erklärung für unterschiedliche Bewertungen innerhalb der Gruppe der Aktionäre der Zielgesellschaft
herangezogen werden.
Damit wird die bereits eingangs dargestellte Grundaussage untermauert, dass es
„den“ Unternehmenswert nicht geben kann, sondern allenfalls einen für den betrachteten Bewerter in einer konkreten Bewertungssituation individuellen Unternehmenswert. Diese fundamentale Erkenntnis galt im deutschen Schrifttum lange
Zeit als gesichert. In den letzten Jahren scheint diese Einsicht jedoch zunehmend
durch die Idee eines für alle Aktionäre einheitlichen, durch den Marktpreis bestimmten Unternehmenswertes verdrängt zu werden. Unter dem Modebegriff
„Shareholder-Value“ wird damit letztlich eine Konzeption propagiert, die zu dem
vormals bereits überwundenen (Irr)-Glauben an einen „tatsächlichen“ oder „echten“ Unternehmenswert zurückzukehren scheint.1 Zur Bestimmung einer individuellen Bewertung bei einer Kaufs- oder Verkaufsentscheidung ist ein so bestimmter einheitlicher Wert aus den aufgezeigten Gründen jedenfalls unbrauchbar.
Aufbauend auf die in diesem Abschnitt 2 aufgezeigten Einflussgrößen auf die
Bewertung der Aktien durch die Beteiligten wird im folgenden Abschnitt 3 ein
Modell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses entwickelt.
1 Vgl. HERING (1999), S. 4 – 7.
125
Kapitel D
126
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
3
Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
3.1
Grundannahmen
Das nachfolgende Modell basiert auf folgenden grundlegenden Annahmen:
•
Betrachtet werden folgende Arten von Akteuren: der Übernehmer, die bis zum
Zeitpunkt eines Übernahmeversuchs aktuellen Aktionäre der Zielgesellschaft
sowie potenzielle Aktionäre, die derzeit keine Aktien des Unternehmens halten.
–
Bei dem Übernehmer handelt es sich ebenfalls um ein Unternehmen, sodass die Möglichkeit der Realisierung externer Synergieeffekte und auch
der Vornahme von Werttransfers der beschriebenen Art besteht. Der
Einfachheit halber wird unterstellt, dass im Fall der Ausbeutung keine
Ausgleichszahlungen geleistet werden, etwa weil diese verdeckt erfolgt.
Der Übernehmer besitzt vor dem Übernahmeversuch keine Anteile an
der Zielgesellschaft.
–
Bezüglich der Aktionäre der Zielgesellschaft wird zunächst nur der Fall
betrachtet, dass sich alle Aktien im Streubesitz befinden. Diese Situation
ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Aktionär nur genau eine Aktie
der Zielgesellschaft besitzt. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird
jedoch auch der Fall betrachtet, dass ein einzelner Aktionär ein größeres
Paket von Aktien der Zielgesellschaft hält.1 Für die potenziellen Aktionäre, die derzeit keine Aktien des Unternehmens halten, gelten die gleichen Bewertungsannahmen wie für die aktuellen Aktionäre.
•
Die Akteure handeln rational nach dem Ziel der Vermögensmaximierung in
der Ausprägung der risikoadjustierten Kapitalwertmaximierung. Die Bewertung des Besitzes von Aktien durch den Übernehmer und die aktuellen und
potenziellen Aktionäre der Zielgesellschaft erfolgt durch die individuelle Bewertung der zukünftigen aus dem Besitz resultierenden (erwarteten) Zahlungsreihe, die sich aus den erwarteten Ausschüttungen ergibt.
•
Die künftigen Einzahlungsüberschüsse sind unsicher. Es sind jedoch allen
Akteuren die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Einzahlungsüberschüsse
der Zielgesellschaft bei unveränderter Fortführung für alle künftigen Zeitpunkte bekannt. Weiterhin sind allen Akteuren die Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Änderungen dieser Einzahlungsüberschüsse durch mögliche
Restrukturierung, interne Synergieeffekte und mögliche Transferzahlungen
1 Vgl. näher zu den Szenarien Streubesitz und Paket Abschnitt F 2.3.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
127
bekannt, die eintreten, wenn die untersuchte Übernahme gelingt. Alle Akteure
haben also homogene Erwartungen bezüglich der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der künftigen Zahlungen, die aus dem Besitz der Aktien in den verschiedenen Situationen resultieren. Diese Einzahlungen sind vom gesetzlichen
Rahmen für Übernahmen unabhängig.
•
Der Übernehmer kennt zusätzlich die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die
durch eine erfolgreiche Übernahme bei ihm auftretenden externen Synergieeffekte.
•
Die Aktionäre haben unterschiedliche Risikoeinstellungen und unterschiedliche Möglichkeiten für Komplementärmaßnahmen. Daraus ergeben sich trotz
der homogenen Erwartungen Unterschiede in der Bewertung des direkt aus
dem Unternehmen ausgeschütteten Zahlungsstroms bei den einzelnen Akteuren.
•
Weiterhin bewerten die Aktionäre die Zahlungsströme in der Weise homogen,
dass sich auch bei Kenntnis der durch die Übernahme zu erwartenden Änderungen dieser Zahlungsströme die Rangfolge der Bewertungen nicht ändert.
Mit anderen Worten: Ein Aktionär, der in der Ausgangssituation die Aktie höher bewertet als ein anderer, bewertet sie auch dann noch höher, wenn beide
die (homogenen) Erwartungen bezüglich der Änderungen der Zahlungsreihe
einbeziehen.
•
Im Rahmen der Entwicklung der Kalküle der Aktionäre werden mehrere Bewertungsfunktionen aufgestellt, die sich – bei stetiger Betrachtung – durch die
in aufsteigender Reihenfolge sortierten Werteinschätzungen der Bewertungen
durch die einzelnen Aktionäre ergeben. Zur Vereinfachung der Analyse wird
die Annahme getroffen, dass diese Bewertungsfunktionen (zumindest abschnittsweise) einen linearen Verlauf haben.
•
Während des gesamten betrachteten Zeitraums treten außer dem Übernahmeversuch keine sonstigen Ereignisse ein, die die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Rückflüsse und damit die Bewertung der Aktien berühren.
•
Ein Übernahmeversuch wird ausschließlich mittels eines öffentlichen Übernahmeangebots und bzw. oder mittels außerbörslichen Erwerbs eines evtl.
vorhandenen Aktienpaketes durchgeführt. Das Übernahmeangebot erfolgt in
Form eines Festpreisverfahrens mit Einheitspreis. Das bedeutet, dass der Bieter bei der Abgabe des Angebots allen Aktionären einen einheitlichen Preis für
die zu kaufenden Aktien bietet. Die Möglichkeit für den Übernehmer, Aktien
an der Börse zu erwerben, wird aus der Betrachtung ausgeschlossen.
Weitere Modellannahmen werden im Rahmen der Darstellung der Bewertungskalküle eingeführt.
127
Kapitel D
128
3.2
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Zeitlicher Modellablauf
In der hier entwickelten Modellwelt werden explizit sieben Zeitpunkte betrachtet,
die durch die Handlungen bzw. Handlungsmöglichkeiten des Übernehmers und
der Aktionäre der Zielgesellschaft gekennzeichnet sind. Die folgende Abbildung
D 1 gibt einen Überblick:
Übernehmer:
Bekanntgabe
der Übernahmeabsicht, ggf.
Paketkauf
0
BörsenAktionäre: handelsmöglichkeit
Abb. D 1
I
Abgabe
des Übernahmeangebots
II
Börsenhandelsmöglichkeit
III
Kauf im
Rahmen des
Übernahmeangebots
IV
V
Einreichung
der Aktien
VI
t
Börsenhandelsmöglichkeit
Zeitlicher Modellablauf
Im Einzelnen werden folgende Zeitpunkte in die Modellierung einbezogen:
•
t = 0:
Ausgangssituation: Letzte Börsenhandelsmöglichkeit vor Bekanntwerden einer Übernahmeabsicht.
•
t = I:
Zeitpunkt, in dem der Übernehmer seine Absicht bekannt gibt, die
Zielgesellschaft zu übernehmen. Er gibt glaubhaft an, dass er in
t = III ein Übernahmeangebot abgeben wird. Die nähere Ausgestaltung des Angebots, insbesondere die nachgefragte Menge und
der gebotene Preis, wird noch nicht bekannt gegeben. Für den Fall,
dass ein Paket gekauft wird, erfolgt dies ebenfalls zu diesem Zeitpunkt.
•
t = II:
Börsenhandelsmöglichkeit nach Bekanntwerden der Übernahmeabsicht.
•
t = III: Zeitpunkt der Abgabe eines Übernahmeangebots
•
t = IV: Zeitpunkt, in dem die Aktionäre ihre Aktien zum Kauf im Rahmen
des Übernahmeangebots einreichen können.
•
t = V:
•
t = VI: Erste Börsenhandelsmöglichkeit nach Abwicklung des Übernahmeangebots, Endzeitpunkt der Betrachtung.
Zeitpunkt der Abwicklung der Aktienkäufe im Rahmen des Übernahmeangebots und Ergebnisbekanntgabe.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
129
Die Zeitpunkte liegen nicht unbedingt gleich weit voneinander entfernt. Sie können zumindest in bestimmtem Umfang vom Übernehmer frei gewählt werden.
Weiterhin soll angenommen werden, dass die betrachteten Zeitpunkte jedoch so
nah beieinander liegen, dass Zinseffekte zwischen den Zeitpunkten ohne Verfälschung der Ergebnisse vernachlässigt werden können.
Für die Aktionäre ergibt sich in den Zeitpunkten t = 0, II, IV und VI die Notwendigkeit, ihre Aktien zu bewerten. Hierauf soll im folgenden Abschnitt 3.3 eingegangen werden. In Abschnitt 3.4 wird anschließend der Bewertungskalkül des
Übernehmers entwickelt und im Abschnitt 3.5 werden die Kalküle des Übernehmers und der Aktionäre zusammengeführt.
3.3
Bewertungskalkül der Kleinaktionäre der Zielgesellschaft
3.3.1
Situation vor Bekanntwerden der Übernahmeabsicht (t = 0)
Der individuelle Wert Wj0 einer Aktie der Zielgesellschaft bemisst sich aus Sicht
des Aktionärs j in dieser Situation als
(D 1)
Wj0 = E j
mit
Ej
individueller unsicherheitsadjustierter Barwert der aus einer Aktie resultierenden Einzahlungen aus der Sicht des Aktionärs j im Falle unveränderter
Fortführung des Unternehmens.
Es lässt sich bei stetiger Betrachtung eine annahmegemäß lineare Bewertungsfunktion W 0 (a) bilden, die dem a-ten Aktionär in einer nach der Wertschätzung
sortierten Reihe seinen individuellen Barwert zuordnet. Bei umgekehrter Betrachtung kann die Gerade so interpretiert werden, dass einem Preis die Anzahl
der Anleger zugeordnet wird, die den Wert ihrer Aktie nicht höher einschätzen.1
Dieser Zusammenhang wird für ein beliebig gewähltes a ′ in der folgenden Abbildung dargestellt.
1 Ähnlich: KLUG (2000), S. 78 – 79.
129
Kapitel D
130
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
W 0 (a)
W 0 (A)
W 0 (a ′)
C0
a′
Abb. D 2
A
a
Bewertungsfunktion vor Bekanntwerden einer Übernahmeabsicht (t = 0)
Ist der Preis, den ein Aktionär für den Verkauf seiner Aktien an der Börse erhalten
kann, mindestens so hoch wie der Barwert der erwarteten Einzahlungen aus den
Aktien, so ist es unter der Zielsetzung der Kapitalwertmaximierung für ihn vorteilhaft die Aktien zu verkaufen.1 Annahmegemäß ist ein Aktionär in dieser Modellierung auch schon zu seinem zu seinem Grenzpreis, bei dem gerade Indifferenz zwischen Verkauf und Halten besteht, verkaufsbereit. Die Aktien werden
demnach nur von Anlegern gehalten, deren subjektive Werteinschätzung höher ist
als der Börsenkurs C0 . Es gilt für die annahmegemäß lineare Bewertungsfunktion
(D 2)
W 0 (a) = C0 + α ⋅ a ,
wobei α die Steigung der Geraden darstellt und der Abszissenwert durch den
Börsenkurs C0 bestimmt wird.
Es gibt weitere potenzielle Anleger, deren Werteinschätzung der Aktien nicht höher als der Börsenkurs liegt und die deshalb keine Aktien der Zielgesellschaft
halten wollen. Solange keine bewertungsändernden Informationen bekannt werden oder kein zusätzlicher Nachfrager erscheint, liegt eine umsatzfreie Gleichgewichtssituation vor.
1 Als Vergleichsalternative zum Verkauf zieht der Aktionär also das zeitlich unbegrenzte Halten
der Aktie heran.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
3.3.2
Situation nach Bekanntwerden der Übernahmeabsicht (t = II)
3.3.2.1
Vorbemerkung
131
Wird nun die Übernahmeabsicht bekannt, so ist es möglich, dass sich die Bewertung der Anteile durch die Aktionäre ändert, da sich in diesem Fall Änderungen
der Einzahlungen aus dem Unternehmen ergeben können. Die Aktionäre müssen
zwei Szenarien in ihr Kalkül einbeziehen, nämlich das Misslingen und das Gelingen der Übernahme. Ein Gelingen (Misslingen) der Übernahme sei im Rahmen
dieses Modells definiert als das Erreichen (Nichterreichen) einer Anzahl von Aktien a*, bei deren Überschreiten der Erwerber die Kontrolle über die Zielgesellschaft derart ausüben kann, dass er sie nach seinen Wünschen weiterführen kann.
Der potenzielle Veräußerer bildet in der Situation vor dem Übernahmeversuch
zunächst bedingte Erwartungen für den Wert, den seine Beteiligung nach dem
Übernahmeversuch (in t = VI) in Abhängigkeit von dessen Erfolg für ihn hätte,
wenn er nicht verkaufen würde. Daneben muss er die Möglichkeit in seinen Kalkül einbeziehen, die Aktie im Rahmen des erwarteten Übernahmeangebots zu
veräußern. Hieraus leitet er in einem zweiten Schritt seine neue Bewertung im
Zeitpunkt t = II ab. Aus diesen Bewertungen resultiert dann auch die Angebotsfunktion im Börsenhandel.
3.3.2.2
Situation bei Misslingen der Übernahme
In dem Fall, dass die Übernahme misslingt, bleibt das Unternehmen unter der
Führung des bisherigen Managements. Führt dieses die Geschäfte unverändert
fort, wovon hier ausgegangen werden soll, so ändern sich auch die erwarteten
Einzahlungsüberschüsse aus einer Aktie nicht. Es gilt daher:
(D 3)
mit Wj−
Wj− = W j0 = E j
Wert einer Aktie für Aktionär j bei Misslingen der Übernahme.
Mögliche Effekte des misslungenen Übernahmeversuchs auf die Bewertung des
Unternehmens werden also bewusst ausgeklammert. Diese könnten z.B. darin liegen, dass das Management, durch den Übernahmeversuch aufgeschreckt, nunmehr
selbst Restrukturierungsmaßnahmen ergreift oder die Geschäftspolitik ändert.
131
Kapitel D
132
3.3.2.3
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Situation bei Gelingen der Übernahme
Es wird angenommen, dass Änderungen der aus dem Unternehmen erwarteten
Zahlungen gegenüber der Situation vor der Übernahme erst dann möglich werden,
wenn der Übernehmer die von ihm gewünschte Art der Kontrolle ausüben kann,
also bei Überschreiten der von ihm angestrebten Aktienanzahl a*.
Für den Fall des Gelingens der Übernahme sollen folgende drei Kategorien von
möglichen Änderungen der Einzahlungsüberschüsse pro Aktie berücksichtigt
werden:
Rj
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Aktionärs j durch Restrukturierung des Unternehmens
bzw. Änderung der Geschäftspolitik durch das neue Management.1
SYN INT
j
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Aktionärs j durch das Zusammenwirken des übernommenen Unternehmens mit dem übernehmenden (interne Synergieeffekte).2
TRANS j
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Aktionärs j durch den nicht ausgeglichenen Werttransfer
vom übernommenen Unternehmen zum übernehmenden und umgekehrt. Dabei soll ein positives Vorzeichen der Variable einen
Werttransfer vom übernommenen Unternehmen zum Übernehmer
abbilden.3
Jede der Kategorien kann sowohl zu einer Erhöhung als auch zu einer Verminderung der Einzahlungen führen.
Für den Wert einer Aktie aus Sicht des Aktionärs j gilt demnach für den Fall des
Gelingens:
(D 4)
Wj+ = E j + R j + SYN INT
− TRANSj und
j
1 Vgl. Abschnitt D 2.3.2.
2 Vgl. Abschnitt D 2.3.1.
3 Vgl. Abschnitt D 2.4.2.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
133
(D 5)
∆Wj+ = Wj+ − Wj− = R j + SYN INT
− TRANS j mit
j
Wj+
Wert einer Aktie für Aktionär j bei Gelingen der Übernahme und
∆Wj+
Wertunterschied zwischen dem Wert ihrer Aktie bei Gelingen zum Wert
bei Misslingen der Übernahme aus Sicht des Aktionärs j.
Grafisch ergibt sich damit für den hier beispielhaft dargestellten Fall, dass ∆Wj+
bei allen Aktionären positiv ist, etwa weil auftretende positive Synergieeffekte
eventuelle Ausbeutungen übersteigen, folgendes Bild:
W 0 (a)
W + (a)
W − (a)
W + (a ′)
W+
W − (a ′)
C0
W− = W0
a′
Abb. D 3
A
a
Bewertungsfunktionen bei Misslingen und Gelingen der Übernahme
Da die Aktionäre annahmegemäß in der Weise homogen bewerten, dass sich die
Rangfolge ihrer Werteinschätzungen untereinander nicht ändert, kann die Bewertung an jeder beliebigen Stelle a ′ dem gleichen Aktionär zugeordnet werden.
133
Kapitel D
134
3.3.2.4
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Die Bildung neuer Bewertungen
Ein Aktionär kann keinen der beiden bedingten Werte ohne weiteres als seine
neue Bewertung betrachten, da er im Vorhinein nicht wissen kann, ob die Übernahme erfolgreich ist.
Weiterhin muss der Aktionär bei der Bestimmung des Preises, zu dem er bereit
ist, seine Aktie an der Börse zu verkaufen, auch die Überlegung einbeziehen, dass
er sie möglicherweise im Rahmen des Überahmeangebots zum noch unbekannten
Preis P an den Übernehmer verkaufen kann. Er muss also den Wert der durch die
folgende Abbildung verdeutlichten Position ermitteln:
kein Verkauf
an Übernehmer
Übernahme
gelingt
Wj+
Abb. D 4
Verkauf an
Übernehmer
Übernahme
gelingt nicht
Wj−
P
Position der Aktionäre vor Abgabe eines Übernahmeangebots
Auf der oberen Ebene der Abbildung ist die Entscheidungsmöglichkeit des Aktionärs zum Verkauf der Aktie dargestellt, die sich ihm im Zeitpunkt t = IV stellen
wird. Entscheidet er sich, nicht zu verkaufen, so ist der Wert seiner Aktie abhängig vom Erfolg des Übernahmeversuchs, andernfalls erhält er den Preis P. Die
besondere Schwierigkeit bei der Bewertung der Position ergibt sich aus der Tatsache, dass mehrere Parameter im Zeitpunkt t = II noch gar nicht bekannt sind.
Zum einen ist nicht bekannt, welcher Preis im Rahmen eines Übernahmeangebots
für Aktien gezahlt werden soll, zum anderen ist unbekannt, ob die Übernahme
gelingen wird.
Um den Kalkül möglichst einfach zu modellieren, wird davon ausgegangen, dass
jeder Aktionär eine einwertige individuelle Erwartung P% j bezüglich des Preises P
hat, zu dem eine Verkaufsmöglichkeit an den Übernehmer besteht, und dass er in
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
135
der Lage ist, für die beiden bedingten Werte seiner Aktie ein Sicherheitsäquivalent SÄ IIj anzugeben.1
Dann ergibt sich der Mindestpreis, der dem Aktionär j im Rahmen des Börsenhandels für seine Aktie geboten werden muss, als der größere Wert von Pj und
dem Sicherheitsäquivalent der beiden bedingten Werte der Aktie, also
(D 6)
WjII = Max SÄ IIj ; P% j  .
Auch bezüglich des Sicherheitsäquivalents gilt die Annahme, dass sich die Rangfolge der Einzelbewertungen nicht ändert. Das bedeutet, dass ein Aktionär, der
sowohl den oberen als auch den unteren Wert höher bewertet als ein anderer, ebenso ein höheres Sicherheitsäquivalent als dieser bildet.
Hinsichtlich der Erwartungen bezüglich des Preises P% j sollen folgende Annahmen
getroffen werden:
•
Umso höher ein Aktionär den Barwert der Aktie im Übernahmefall Wj+
individuell einschätzt, umso höher schätzt er auch den vom Übernehmer gebotenen Preis ein.
•
Aktionäre, die ihre Aktien in der Ausgangssituation relativ nahe am Börsenkurs bewertet haben, gehen von einem Preis oberhalb ihres Sicherheitsäquivalents aus. Sie bewerten ihre Aktien relativ niedrig und gehen somit davon
aus, dass der Übernehmer einen Preis bieten wird, der ihre persönliche
Wertschätzung übersteigt.
Unter Berücksichtigung dieser Modellannahmen ergibt sich z.B. die in der nachfolgenden Abbildung D 5 verdeutliche Situation. Abgebildet ist diesmal der Fall,
dass die Aktionäre nach einer Übernahme mit Ausbeutung rechnen, sodass
W + (a) unterhalb von W − (a) liegt.
1 Es soll an dieser Stelle genügen, davon auszugehen, dass der Aktionär ein derartiges Sicherheitsäquivalent bilden kann. Welcher Kalkül zur Bildung derartiger Sicherheitsäquivalente
aufgestellt werden muss, wird in Abschnitt 3.3.3.2 noch näher erläutert.
135
Kapitel D
136
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
W−
W II (a)
W − (a)
W + (a)
SÄ IIj +
∆W
W+
P% j
W II (a ′′)
W II (a ′)
CII
C0
a′
Abb. D 5
a′′
A
Bewertungsfunktionen nach Bekanntwerden der Übernahmeabsicht (t = II)
Als Hilfslinien sind die Sicherheitsäquivalente der Aktionäre und ihre Einschätzungen des Preises P eingezeichnet. Jeweils die obere dieser beiden Hilfslinien
stellt die Bewertungsfunktion W II (a) dar (in der Abbildung fett hervorgehoben).
An der Stelle a ′ bemisst sich die Wertschätzung nach dem erwarteten Preis im
Rahmen das Übernahmeangebots. Da sich im angegebenen Beispiel die
Hilfslinien schneiden, bemisst sich der Wert an der Stelle a ′′ nach dem Sicherheitsäquivalent.
Es gibt weiterhin potenzielle Aktionäre, die bislang keine Aktien halten und für
die die gleichen Bewertungsannahmen gelten. Ihre Bewertung kann man sich als
Verlängerung der Funktion W II (a) nach links über die Ordinate hinaus vorstellen.
Da die Funktion die Werte abbildet, zu denen die aktuellen Aktionäre bereit wären, ihre Aktie an der Börse zu verkaufen, bzw. die Verlängerung der Funktion die
Werte, die potenzielle Aktionäre bereit wären zu zahlen, stellt sich am Schnittpunkt der Geraden mit der Ordninate ein neuer Börsenkurs CII ein, allerdings auf
Grund der getroffenen Annahme der homogenen Bewertungsanpassung umsatzfrei.
Man erkennt, dass auf der Basis der getroffenen Annahmen allein die Einschätzung der Aktionäre über den zu erwartenden Preis im Rahmen des öffentlichen
Angebots den neuen Börsenkurs bestimmt. Dem liegt die Vorstellung zugrunde,
dass sowohl aktuelle wie potenzielle Aktionäre, die in der Ausgangssituation den
Wert der Aktie nahe dem Börsenkurs eingeschätzt haben, davon ausgehen werden, dass der Bieter für den Erfolg der Übernahme einen höheren Preis als ihre
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
137
eigene Bewertung bezahlen muss und wird. Diese Anleger spekulieren also auf
eine „Übernahmeprämie“.
In der Abbildung liegt der neue Börsenkurs CII oberhalb des alten Kurses C0 . Das
liegt daran, dass in dem zugrunde liegenden Beispiel die Aktionäre mit einem
Angebotspreis P rechnen, der über dem Börsenkurs in t = 0 liegt. Es kommt daher
unter den hier getroffenen Annahmen bei Ankündigung der Übernahmeabsicht
zunächst zu einer Kurssteigerung, obwohl die Übernahme als solche von allen
Aktionären als wertmindernd eingeschätzt wird, da die Kursbildung durch die
Spekulation auf den Übernahmepreis erfolgt.
Dies soll nachfolgend auch als Normalfall betrachtet werden. Es ist jedoch grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen auch denkbar, dass sich ein neuer
Kurs unterhalb des alten einstellt. Der Grund dafür liegt darin, dass Aktionäre –
wie im späteren Verlauf der Analyse noch gezeigt wird – bei erwarteter Ausbeutung des Unternehmens nach einer Übernahme aus Furcht vor der nachteiligen
Position eines verbleibenden Minderheitsgesellschafters unter Umständen bereit
sind, ihre Aktien zu einem Preis unter ihrer Einschätzung im Nicht-Übernahmefall
und damit ggf. auch unterhalb des Börsenkurses in t = 0 zu verkaufen. Damit ist in
bestimmten Situationen auch ein Preis P unterhalb des ursprünglichen Börsenkurses möglich. Dieser Zusammenhang wird in der Literatur vielfach – allerdings
nicht ganz zutreffend – als „Gefangenen-Dilemma-Situation“ der Aktionäre bezeichnet. Hierauf wird im nächsten Abschnitt bei der Beschreibung des Kalküls
im Zeitpunkt t = IV noch einmal ausführlicher eingegangen werden.1 An dieser
Stelle genügt es festzustellen, dass sich (ausnahmsweise) dann ein neuer Börsenkurs unterhalb des alten einstellen kann, wenn die „kursbildenden“ Aktionäre davon ausgehen, dass eine solche Situation in t = IV vorliegen wird.
3.3.3
Situation bei vorliegendem öffentlichen Angebot (t=IV)
In t = IV müssen sich die Aktionäre entscheiden, ob sie das Angebot des Bieters
zum Erwerb ihrer Aktien annehmen oder nicht. In diesem Modell erfolgt das Angebot als Festpreisverfahren, bei dem allen Aktionären bei der Abgabe des Angebots ein einheitlicher Preis P für ihre Aktien angeboten wird. Etwaige Mindestquotenbedingungen sollen zunächst ausgeschlossen werden. Für den Fall, dass der
gebotene Preis P sowohl den Wert Wj− wie auch Wj+ eines Aktionärs j überschreitet, ist es für ihn in jedem Fall vorteilhaft, die Aktie zu verkaufen. Liegt der
gebotene Preis unter den beiden Werten, so sollte er keinesfalls verkaufen. Beson-
1 Vgl. Abschnitt D 3.3.3.
137
Kapitel D
138
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
ders interessant sind aus spieltheoretischer Sicht die Situationen, in denen der gebotene Preis zwischen den beiden Werteinschätzungen liegt. In diesem Zusammenhang wird für den Fall, dass die Werteinschätzung bei Gelingen unterhalb
der Einschätzung bei Misslingen liegt (Wj+ < Wj− ) , weil mit einem ausbeutungsbedingten Wertverlust gerechnet wird, in der Literatur immer wieder behauptet,
der Aktionär befinde sich in einer sog. „Gefangenen-Dilemma“-Situation, wodurch für ihn ein Druck entstehe, seine Aktie „zu billig“ zu verkaufen.1 Dadurch
könne es zum Gelingen der Übernahme kommen, obwohl der kollektive Nichtverkauf für alle Aktionäre zum höchsten Wert geführt hätte.
Der Begriff „Gefangenen-Dilemma“2 steht für eine Klasse spieltheoretischer Modelle, die sich anhand bestimmter Merkmale von anderen strategischen Spielsituationen unterscheiden.3 Es handelt sich um nicht-kooperative Spiele mit variabler
Summe und unvollkommener Information, bei denen die Spieler die Wahl zwischen zwei Strategien haben und die sich vor allem durch eine charakteristische
Ergebnismatrix auszeichnen.4 Ein nicht-kooperatives Spiel ist dadurch gekenn-
1 Vgl. z.B. COFFEE (1984), S. 1169; ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 11 – 12; RÖHRICH
(1992); S. 84 – 85; PRANTL (1994), S. 160.
2 Nachfolgend wird auf die Verwendung von Anführungszeichen verzichtet.
3 Der Name „Gefangenen-Dilemma“ rührt von der meist verwendeten Einführungsgeschichte
her, die in Lehrbüchern zur Vorstellung von Entscheidungssituationen dieser Art vorgetragen
wird und die betriebswirtschaftlich ausgebildeten Lesern vermutlich ebenso wohl bekannt ist,
wie juristisch vorgebildeten Lesern die berühmte „Trierer Weinauktion“. Da sich diese Arbeit
aber auch an letzteren Personenkreis richtet, soll die Geschichte hier kurz dargestellt werden:
Zwei Verbrecher begehen zusammen einen Raub und werden anschließend gefasst. Der Staatsanwalt lässt die beiden getrennt voneinander einsperren und unterbereitet jedem von ihnen das
folgende Angebot: Die beiden können gestehen oder leugnen. Leugnen beide, so kann der
Raub nicht nachgewiesen werden. Allerdings wird dann eine Strafe von 1 Jahr Gefängnis wegen eines geringen Delikts verhängt, das nachgewiesen werden kann. Gestehen beide, so werden sie zu 8 Jahren verurteilt. Gesteht aber nur einer und belastet damit den anderen, so soll der
Gestehende als Kronzeuge straffrei ausgehen, während der andere dann als Haupttäter zu 12
Jahren Gefängnis verurteilt wird.
Trägt man die Gefängnisstrafen – wegen des für die Betroffenen nachteiligen Charakters mit
negativem Vorzeichen – in eine Tabelle ein, ergibt sich die folgende Ergebnismatrix.
B
Strategie
Leugnen
A
Gestehen
Leugnen
(–1, –1)
(0, –12,)
Gestehen
(–12, 0)
(–8, –8)
Ausführlicher zum „Gefangenen-Dilemma“ z.B. BITZ (1981), S. 250 – 253; GÜTH (1999),
S. 154 – 156; BERNINGHAUS /ERHART/GÜTH (2002), S. 14 – 23; WIESE (2002), S. 122 – 123;
LANGERFELDT (2003).
4 Vgl. LANGERFELDT (2003), S. 226.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
139
zeichnet, dass keine Absprachen zwischen den Spielern stattfinden. Bei Spielen
mit variabler Summe ergeben sich je nach der betrachteten Strategienkombination
unterschiedliche Werte für die Summe der Ergebnisse der Spieler. Eine Strategie
ist in diesem Zusammenhang eine dem Spieler zur Auswahl stehende Handlungsalternative. Ist die Anzahl der Strategien wie hier für alle Spieler endlich, so
spricht man auch von einem endlichen Spiel. Unvollkommene Information liegt
vor, wenn ein oder mehrere Spieler zum Zeitpunkt ihrer Strategiewahl nicht über
alle bisherigen Spielzüge ihrer Mitspieler informiert sind.1 Die charakteristische
Ergebnismatrix der Gefangenen-Dilemma-Situation lässt sich für den 2-PersonenFall wie folgt darstellen:
B
Spieler
Strategie
1
2
1
(ζ, ζ)
(η, ω)
2
(ω, η)
(ϕ, ϕ)
A
mit η < ϕ < ζ < ω. und 2 ⋅ ζ > ω + η. 2
Tab. D 1
Ergebnismatrix beim Gefangenen-Dilemma
Das kennzeichnende Merkmal der beschriebenen Spielsituation besteht darin, dass
für beide Spieler die Strategie 2 (in der Gefangenen-Geschichte: Gestehen) dominant ist. Damit werden beide Spieler die Strategie 2 wählen, obwohl sich beide
besser stünden, würden sie übereinstimmend Strategie 1 (Leugnen) spielen. Das
Dilemma ergibt sich daraus, dass die individuelle Rationalität der einzelnen Spieler im Widerspruch steht zu einer Art kollektiven Rationalität auf der Basis einer
Maximierung der Summe der Einzelergebnisse der Spieler.3 Entgegen mancher
Darstellung ergibt sich dieses Dilemma weniger aus der Tatsache, dass sich die
beiden nicht absprechen können, sondern vielmehr aus der fehlenden Möglichkeit,
bindende Verträge abzuschließen. Denn selbst, wenn die beiden sich auf Strategie
1 verständigen könnten, bestünde für jeden ein Anreiz, von dieser Vereinbarung
abzuweichen und sich damit individuell besser zu stellen.
1 Vgl. zu diesen Begriffsbestimmungen BITZ (1981), S. 217 – 222.
2 Vgl. RIECK (1993), S. 37. Teilweise wird auf die zweite Bedingung verzichtet, so z.B. PFOHL/
BRAUN (1981), S. 309; BAMBERG/COENENBERG (1996), S. 173.
3 Vgl. BITZ (1981), S. 252.
139
Kapitel D
140
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Die Aktionäre, die sich einem Übernahmeangebot gegenüber sehen, befänden sich
– so wird behauptet – sofern der Wert der Aktie bei gelungener Übernahme unter
demjenigen bei Misslingen des Übernahmeversuchs liegt, in einer solchen Gefangenen-Dilemma-Situation.1
Dieser Gedankengang soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Es wird zunächst vereinfachend von einer Situation ausgegangen, in der zwei Aktionäre (A
und B) je eine von insgesamt zwei Aktien halten. Die Übernahme sei erfolgreich,
wenn einer von beiden verkauft. Im Fall ohne Übernahme bewerten beide Aktionäre ihre Aktie übereinstimmend mit WA− = WB− = 10 , im Falle des Gelingens (wegen drohender Ausbeutung) mit WA+ = WB+ = 4 . Der Bieter macht ein Übernahmeangebot zum Preis P = 9. Dann ergibt sich folgende Ergebnismatrix:
B
Aktionär
Strategie
A
Tab. D 2
Kein
Verkauf (V)
Verkauf (K)
Kein
Verkauf (K)
(10,10)
Verkauf (V)
(9, 4)
(4,9)
(9, 9)
Beispiel für die Ergebnismatrix bei einem Übernahmeangebot
Schon an diesem stark vereinfachten Beispiel erkennt man, dass es sich nicht um
eine idealtypische Gefangenen-Dilemma-Situation handelt, da keine der beiden
möglichen Strategien die andere dominiert. Der Ergebniswert für die Strategie V
ist besser, wenn der andere Spieler ebenfalls V spielt, aber schlechter, wenn der
andere K wählt.
Von Teilen der Literatur wird behauptet, in diesem Fall würden rationale Spieler
nach dem sog. Mini-Max-Prinzip entscheiden, also die Strategie wählen, bei der
das minimal mögliche Ergebnis am größten ist.2 Dies würde im Beispiel dazu
1 Vgl. z.B. COFFEE (1984), S. 1169; ASSMANN/BOZENHARDT (1990), S. 11 – 12; RÖHRICH
(1992); S. 84 – 85; PRANTL (1994), S. 160.
2 Vgl. KRAUSE (1996a), S. 110 – 111 unter inhaltlich falscher Berufung auf BAMBERG/
COENENBERG (1991) und PFOHL/BRAUN (1981). KRAUSE bezeichnet das Prinzip mit gleichem
Begriffsverständnis als „Maximin-Prinzip“. In der Literatur finden sich beide Bezeichnungen
für das gleiche Kriterium. Vgl. MEYER (1999), S. 37; LAUX (2003), S. 107. Die Entscheidungs-
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
141
führen, dass beide Aktionäre die Strategie V wählen würden, da hier das minimale
Ergebnis 9 höher ist als das kleinstmögliche Ergebnis 4 bei der Strategie K.
Diese Auffassung vernachlässigt jedoch fundamentale Erkenntnisse der Spieltheorie. Als Lösungskonzept für derartige Spiele ist das sog. Nash-Gleichgewicht in
der spieltheoretischen Literatur allgemein anerkannt. Ein Nash-Gleichgewicht
liegt – vereinfacht gesprochen – vor, wenn es für keinen Spieler bei Kenntnis der
Strategie seiner Mitspieler vorteilhaft wäre, von seiner Strategie abzuweichen.1
Die Spieler spielen gegenseitig beste Antworten. Die obige Matrix enthält genau
zwei solcher Nash-Gleichgewichte (in reinen Strategien), nämlich (K, K) und (V,
V).2 Wüsste beispielsweise Aktionär A, dass B verkaufen will, so wäre es für ihn
optimal, ebenfalls zu verkaufen. Geht er hingegen davon aus, dass B nicht verkaufen wird, so wäre seine beste Antwort, ebenfalls nicht zu verkaufen. Fraglich ist,
ob das Spiel zu einem der beiden Gleichgewichte „hinsteuert“. Könnten sich beide
absprechen, so würden sie sich in jedem Fall darauf einigen, nicht zu verkaufen,
da sie dann beide den höchsten Wert erreichen würden. Wäre eine solche Absprache möglich, gäbe es für keinen von beiden einen Anreiz, von der Vereinbarung
abzuweichen. Anders als in der Gefangenendilemma-Situation liegt das Problem
der beiden also allein in der fehlenden Möglichkeit des koordinierten Vorgehens.
Könnten sie sich hingegen absprechen, wäre das Ergebnis eindeutig determiniert.
Zur Lösung dieses Koordinationsproblems wird in der entscheidungstheoretischen
Literatur eine Reihe von Konzepten zur Verfeinerung des Gleichgewichtskonzeptes und zur Auswahl zwischen verschiedenen Gleichgewichten diskutiert.
Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Arbeiten der Nobelpreisträger HARSANYI und SELTEN erlangt. Sie haben als erste eine umfassende
Theorie zur Gleichgewichtsauswahl aufgestellt.3
Für Probleme der beschriebenen Art benutzen HARSANYI und SELTEN zwei verschiedene Auswahlkriterien: Payoff-Dominanz und Risiko-Dominanz. Diese
Kriterien werden wie folgt definiert:
regel geht zurück auf Arbeiten von NEUMANN (1928) und WALD (1945) sowie WALD (1950)
und wird nach letzterem auch als WALD-Kriterium bezeichnet.
1 Vgl. RIECK (1993), S. 25; BERNINGHAUS/E HRHARDT/GÜTH (2002), S. 25; HOLLER/ILLING
(2003), S. 57. Die Theorie geht zurück auf Arbeiten von JOHN NASH, vgl. NASH (1950) und
NASH (1951).
2 Daneben gibt es noch ein weiteres Gleichgewicht in gemischten Strategien, was hier jedoch
nicht weiter betrachtet werden soll.
3 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988).
141
Kapitel D
142
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
•
Ein Gleichgewicht X ist gegenüber einem Gleichgewicht Y payoffdominant, wenn X für jeden Spieler ein höheres Ergebnis abwirft als Y.1
•
Ein Gleichgewicht X ist gegenüber einem Gleichgewicht Y risiko-dominant,
wenn es weniger riskant ist als Y. Ein niedrigeres Risiko hat nach dieser
Theorie das Gleichgewicht, bei welchem das sog. Nash-Produkt höher ist.2
Das Nash-Produkt wird in zwei Schritten ermittelt:
–
Zunächst wird für jeden Spieler für beide Gleichgewichte berechnet,
wie groß der Verlust wäre, den er erleiden würde, wenn er von der
Gleichgewichtsstrategie abweichen und der andere Spieler die Gleichgewichtsstrategie spielen würde.3
–
Dann werden die Verluste der beiden Spieler für ein Gleichgewicht
miteinander multipliziert. Das Ergebnis stellt das Nash-Produkt des
jeweiligen Gleichgewichts dar.4
In dem vorgestellten Zahlenbeispiel bedeutet dies, dass das payoff-dominante
Gleichgewicht das Gleichgewicht (K, K) ist, denn hier erhalten beide Akteure
einen höheren Wert als im Gleichgewicht (V, V). Das Gleichgewicht (V, V) ist
dagegen risikodominant, da das Nash-Produkt des Gleichgewichts (K, K) kleiner
ist als das des Gleichgewichts (V, V). 5 Während die Payoff-Dominanz in den
beschriebenen Situationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Wert bei
Übernahme geringer eingeschätzt wird als bei Nichtübernahme und der gebotene
Preis zwischen diesen beiden Werteinschätzungen liegt, zwingend beim Gleichgewicht (K, K) liegen muss, muss die Risikodominanz nicht unbedingt im anderen Gleichgewicht liegen. Dies liegt in dem gewählten Beispiel allein an der konkreten Höhe des Angebotspreises P. Läge dieser z.B. statt bei 9 nur bei 6, so wäre
das Gleichgewicht (V, V) sowohl payoff- als auch risiko-dominant.6 In einem
solchen Fall müssten im Sinne dieses Konzeptes rationale Entscheider automatisch die in doppeltem Sinne gleichgewichtige Strategie erkennen und spielen.
Fraglich ist nur, wie in den Fällen zu entscheiden ist, in denen, wie im Ausgangsbeispiel, das payoff-dominante und das risiko-dominante Gleichgewicht nicht
übereinstimmen. HARSANYI und SELTEN beziehen zu dieser Frage eindeutig Stel-
1 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988), S. 81, 356.
2 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988), S. 83.
3 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988), S. 76.
4 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988), S. 83.
5 Es gilt (10 − 9) ⋅ (10 − 9) < (9 − 4) ⋅ (9 − 4) .
6 Es würde dann (10 −6) ⋅ (10 −6) > (6− 4) ⋅ (6− 4) gelten.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
143
lung: In den Fällen, in denen der payoff-dominante und der risiko-dominante
Gleichgewichtspunkt auseinander fallen, sei dem Kriterium der Payoff-Dominanz
der Vorzug zu geben. Dies ergebe sich daraus, dass Risiko-Dominanz nur in den
Fällen entscheidend sei, in denen die Spieler unsicher sein müssen, ob die anderen
Spieler das eine oder das andere Gleichgewicht wählen. Wenn aber ein Gleichgewicht jedem Spieler einen höheren Ergebniswert verspreche, könne jeder sicher
sein, dass die anderen Spieler das payoff-dominante Gleichgewicht wählen, sodass Risiko-Dominanzüberlegungen irrelevant werden.1 So führen die Autoren
aus:
„Other things being equal, if, of two equally admissible equilibrium points, one yields higher payoffs to all players, it will be surely rational for the players to choose this equilibrium point, and it
will be surely irrational for them to choose the other.“ 2
Folgt man dieser Auffassung, könnte man auf den ersten Blick meinen, dass sich
das in der Literatur vielfach beschriebene Dilemma gar nicht einstellen kann:
Wenn in der beschriebenen Modellsituation jeder Akteur weiß, dass die anderen
vollständig rational in Sinne dieses Konzepts handeln, ergibt sich keine Notwendigkeit mehr für vorherige Absprachen, da alle einander vertrauen könnten, dass
sie das payoff-dominante Gleichgewicht erkennen und spielen.3
Gerade die Priorität der Payoff-Dominanz gegenüber der Risiko-Dominanz wird
in der Literatur aber auch infrage gestellt. Die Theorie setze kollektive Rationalität
voraus und vernachlässige die Möglichkeit von Koordinationsproblemen.4 Insofern ist näher zu untersuchen, unter welchen Annahmen sich das beschriebene
Resultat einstellt. Zu dem Ergebnis kommt es dann, wenn die nachfolgend beschriebene sog. Common-Knowledge-Annahme gilt, wie in den vorstehenden
1 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988), S. 356.
2 HARSANYI/SELTEN (1988), S. 357.
3 Vgl. HARSANYI /SELTEN (1988), S. 89.
4 Vgl. HOLLER/ILLING (2003), S. 132 – 134. Die von diesen Autoren weiterhin als Gegenargument zitierten empirischen Studien von HUYCK/BATTALIO /BEIL (1990) und COOPER/DE JONG/
FORSYTHE/ROSS (1990), die belegen sollen, dass eher risiko-dominante als payoff-dominante
Gleichgewichtsstrategien gespielt werden, sind jedoch nicht geeignet, die Theorie zu widerlegen. Zum Einen ist schon fraglich, ob in den Studien tatsächlich alle von HARSANYI und
SELTEN aufgestellten Prämissen richtig abgebildet sind (zu den Voraussetzungen für die
Gültigkeit der Theorie mehr im Haupttext). Selbst wenn das der Fall sein sollte, ist jedoch viel
entscheidender, dass mit empirischen Studien allenfalls in rein deskriptiver Weise festgestellt
werden kann, wie sich reale Spieler in bestimmten Situationen tatsächlich verhalten. Die von
HARSANYI und SELTEN aufgestellte Theorie legt dagegen auf theoretisch-präskriptiver Ebene
fest, wie sich rationale Spieler unter den getroffenen Annahmen verhalten sollten. Insofern geht
dieses Argument von HOLLER/ILLING schon im Ansatz fehl.
143
Kapitel D
144
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Ausführungen zunächst stillschweigend unterstellt wurde. Die Common-Knowledge-Annahme besagt, dass
•
die Regeln des Spiels Common-Knowledge sind, was nicht nur bedeutet,
dass diese Regeln allen Spielern bekannt sind, sondern auch, dass alle wissen, dass alle diese Informationen haben, dass dies wiederum alle wissen
etc. über unendlich viele Wissensstufen hinweg, und
•
das zugrunde liegende Rationalitätskonzept allen bekannt ist, von ihnen beachtet wird und dies auch alle wissen, sowie dass wiederum alle wissen,
dass dies alle wissen usw. ad infinitum.1
Als Regeln des Spiels sollen bezeichnet werden:2
•
die Menge der Spieler,
•
wann welcher von ihnen am Zug ist,
•
die Zugmöglichkeiten eines jeden Spielers,
•
die jeweiligen Ergebnisse für die Spieler,
•
der Informationsstand der Spieler in den Entscheidungszeitpunkten,
•
Zeitpunkt, Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Korrelationen von Zufallszügen.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so erscheint die Schlussfolgerung von
HARSANYI und SELTEN – zumindest für die hier zur Diskussion stehenden Konstellationen – gerechtfertigt.3 4 In diesem Fall bedarf es gar keiner Koordination,
denn jeder kann darauf vertrauen, dass alle im beschriebenen Sinne rationalen
Spieler das für alle auszahlungsoptimale Gleichgewicht erkennen und spielen. Die
Spieler folgen unter diesen Annahmen keiner kollektiven sondern ihrer individuellen Rationalität im Wissen, dass die anderen Spieler ebenfalls ihrer individuellen Rationalität folgen, weil diese wiederum wissen, dass alle anderen sich
ebenso verhalten etc.
1 Vgl. RIECK (1993), S. 99 – 101.
2 Vgl. RIECK (1993), S. 91. Die Definition geht auf NEUMANN/MORGENSTERN (1944) und
SELTEN (1975) zurück.
3 Eine allgemeine Überprüfung der Theorie für alle denkbaren Auswahlprobleme soll und kann
hier nicht vorgenommen werden.
4 So im Ergebnis letztlich auch HOLLER /ILLING (2003), S. 133 – 134.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
145
Von dieser idealtypischen Common-Knowledge Annahme weicht allerdings
selbst die in dieser Arbeit modellierte Übernahmesituation ab (und umso mehr
eine reale Situation), und zwar selbst wenn man die Rationalität im beschriebenen
Sinne unterstellt. In der Modellsituation ist den Aktionären nämlich nicht die vollständige Ergebnismatrix bekannt. Zwar kennen die Aktionäre für alle Strategiekombinationen ihre eigenen Ergebnisse, nicht jedoch die Werte Wj− und Wj+
der anderen Aktionäre. Lässt man indirekte Informationen über vergangene
Börsenkurse zunächst außer Betracht, so wissen die Aktionäre in der hier entwickelten Modellierung nur, welcher von beiden Werten für alle Aktionäre den höheren Wert darstellt. Ob der gebotene Preis bei den verschiedenen anderen Aktionären über, unter oder innerhalb dieses Intervalls liegt, ist nicht bekannt. Der Aktionär kann aber ggf. subjektive Wahrscheinlichkeiten dafür abschätzen, ob bei
den jeweiligen anderen Aktionären der gebotene Preis über ihrem individuellen
Wertintervall liegt, was bedeutet, dass diese in jedem Fall verkaufen werden, oder
unterhalb, sodass diese auf keinen Fall verkaufen werden.
Für den Zwei-Aktionäre-Fall und Wj+ < Wj− für j ∈ {A, B} lässt sich diese Situation aus der Sicht des Aktionärs A wie folgt darstellen:
p1
p2
P > WB−
Fall :
p4 = 1
Spieler B
Spieler A
Erg. V
Abb. D 6
V
V
9
K
V
K
K
9
4
p 2 ⋅ p5
p7 = 1
K
9
4
p1
P < WB+
p6 = 1 − p5
p5
K
Erg. K
Wahrsch.
WB+ ≤ P ≤ WB−
V
V
p3
V
K
9
10
p 2 ⋅ (1 − p5 )
10
p3
Entscheidungssituation in t = IV bei unvollständiger Information
Spieler A muss seine Entscheidung in Unkenntnis der Entscheidung von Spieler B
treffen. Er weiß nicht, an welchem Knoten auf der Ebene der Entscheidung von
145
146
Kapitel D
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Spieler B er sich befindet, hat aber gewisse Vorstellungen von der Wahrscheinlichkeit, mit der P in einen der bezeichneten Wertebereiche bei B fällt. Die Wahrscheinlichkeiten p1 − p3 bezeichnen die von Aktionär A subjektiv geschätzten
Wahrscheinlichkeiten dafür, dass sich der gebotene Preis P oberhalb, innerhalb
oder unterhalb des Intervalls  WB+ , WB−  der Werteinschätzungen des Aktionärs B
befindet. Für den Fall, dass P oberhalb oder unterhalb dieses Intervalls liegt, gibt
es für B eine eindeutig dominante Strategie, sodass die Wahrscheinlichkeit für
seine Entscheidung in diesen Fällen p 4 = p 7 = 1 beträgt. Es ergibt sich für A das
Problem abzuschätzen, wie sich B verhalten wird, wenn P auch bei ihm innerhalb
des Werteintervalls liegt.1 Da A aber weiß, dass B unbekannt ist, welche Ergebnismatrix er (A) hat, kann er nicht darauf vertrauen, dass B die Strategie V spielt,
um zum auszahlungsdominanten Nash-Gleichgewicht zu gelangen. Denn B steht
vor dem gleichen Entscheidungsproblem und muss damit rechnen, dass für A der
gebotene Preis P oberhalb dessen Wertintervalls  WA+ , WA−  liegen kann. Insofern
kann A für diesen Fall lediglich die Wahrscheinlichkeit p5 schätzen, mit der B in
diesem Fall verkaufen wird. Anschließend kann er die zu P gehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung in der letzten Zeile der Abbildung ableiten. Im aufgezeigten Beispiel muss er sich entscheiden, ob er die Verteilung der Werte bei
Strategie K der sicheren Auszahlung von 9 bei Strategie V vorzieht oder nicht.
Hierdurch kann es nun dazu kommen, dass A zum Preis von 9 verkauft, obwohl
seine Werteinschätzung für den Fall bei Unabhängigkeit bei 10 liegt und er auch
weiß, dass der Wert der Aktie für B im Nichtübernahmefall über dem bei Übernahme liegt und möglicherweise auch über dem gebotenen Preis. Wenn B aus
gleichem Grund ebenfalls unter seinem Wert bei Unabhängigkeit verkauft, kommt
es tatsächlich zum gleichen Ergebnis wie beim Gefangenen-Dilemma, aber – wie
aufgezeigt wurde – aus anderen Überlegungen heraus. Der Grund ist nicht, dass es
für die Spieler dominante Strategien gibt, die zu einem für beide Spieler weniger
günstigen Gleichgewicht führen, sondern dass die Common-KnowledgeAnnahme nicht uneingeschränkt gilt.
Zu beachten ist allerdings noch Folgendes: Es wurde hier zunächst unterstellt, die
Aktionäre hätten keinerlei Informationen über die Werte Wj− und Wj+ ihrer Mitspieler. Dies gilt in diesem Modell jedoch nur eingeschränkt. Es ist nämlich allen
Aktionären der Börsenkurs C0 vor Veröffentlichung der Übernahmeabsicht bekannt. Daher wissen alle Mitspieler, dass die Wertschätzung Wj− aller Mitspieler
1 Es sei daran erinnert, dass A diese Überlegungen nur dann anstellt, wenn der gebotene Preis
sich innerhalb seines Wertintervalls
dominante Strategien gäbe.
 WA+ , WA−  befindet, da es für ihn ansonsten eindeutig
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
147
nicht unterhalb von C0 liegt. Wird ein Preis P unterhalb von C0 geboten, so wissen alle Mitspieler, dass für alle Aktionäre P ≤ Wj− gilt. Für den Zwei-AktionäreFall bedeutet das, dass in Abb. D 6 p1 = 0 gilt und damit der linke Ast vollständig
wegfällt. Das führt dazu, dass beide Aktionäre wissen, dass schlechtestenfalls
beim anderen Aktionär P innerhalb des Intervalls  Wj+ , Wj−  liegt, bestenfalls
sogar P unterhalb dieses Intervalls beim Mitspieler liegt, sodass dieser nicht verkauft. Dadurch gilt wieder das für die Auswahl von Nash-Gleichgewichten unter
der Common-Knowledge-Annahme Gesagte: Die rationalen Aktionäre spielen das
payoff-dominante Gleichgewicht (K, K). Für gebotene Preise unterhalb des Börsenkurses in der Ausgangssituation dürfte also, sofern nicht andere Unvollkommenheiten vorliegen, kein Aktionär zum Verkauf bereit sein. Der Börsenkurs C0
stellt daher den Mindestpreis dar, der den Aktionären geboten werden muss.
Überträgt man die vorstehenden Überlegungen, die den Zwei-Aktionäre-Fall behandelt haben, auf eine große Anzahl von Aktionären, so kann man die Abschätzung aller einzelnen Wahrscheinlichkeiten für jeden Aktionär letztlich verdichten
auf eine Schätzung der Wahrscheinlichkeit für das Gelingen oder Misslingen der
Übernahme. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass bei genügend großer
Anzahl Aktien der einzelne Aktionär, der annahmegemäß genau eine Aktie besitzt, die Tatsache ob er verkauft oder nicht als unerheblich für den Erfolg der
Übernahme einschätzt. Insofern stellen für ihn das Gelingen oder Scheitern der
Übernahme exogene Umweltzustände dar. Dann stellt sich für jeden Aktionär
seine individuelle Entscheidungsmatrix wie folgt dar:
Tab. D 3
Übernahme
gelingt nicht
Übernahme
gelingt
kein Verkauf
Wj−
Wj+
Verkauf
P
P
Entscheidungsmatrix im Zeitpunkt t = IV ohne Mindestquote
Im Fall des Verkaufs erhielte der Aktionär j unabhängig vom Ausgang des Übernahmeverfahrens in jedem Fall den Preis P für seine Aktie. Wenn er nicht verkauft, bleibt er Aktionär der Gesellschaft und bewertet seine Aktie in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens mit Wj− oder Wj+ . Liegt der gebotene Preis
unter dem niedrigeren der beiden Werte bei Nichtverkauf, so ist für ihn das Halten
der Aktie eine dominante Strategie. Wird ein Preis oberhalb des höheren der beiden Werte geboten, ist ein Verkauf in jedem Fall für ihn vorteilhaft.
147
Kapitel D
148
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Liegt der Preis zwischen den beiden Werten, lässt sich keine Dominanzbeziehung
finden. Je nach Risikoeinstellung ist bei einem gebotenen Preis der Verkauf individuell vorteilhaft oder nicht. Den Grenzpreis, bei dem ein Aktionär j indifferent
zwischen Verkauf und Halten der Aktien ist, kann man sich als Sicherheitsäquivalent SÄ IV
der Verteilung der bedingten Werte vorstellen. Das Sicherheitsäquij
valent kann unabhängig von der Risikoeinstellung der Aktionäre nur in dem Intervall zwischen den beiden bedingten Werten (jeweils einschließlich) liegen.
Nach den obigen Überlegungen kann das Sicherheitsäquivalent jedoch in dieser
Modellwelt nicht unterhalb des Börsenkurses in der Ausgangssituation liegen. Der
Aktionär, der in der Ausgangssituation die Aktie zum Börsenkurs (bzw. marginal
darüber) bewertet hat, hat im Fall erwarteter Ausbeutung auch keinen Grund sie
höher zu bewerten. Im Ausbeutungsfall muss also der Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion beim Kurs C0 liegen. Im Fall erwarteter Synergie wird er darüber
liegen.
Die Angebotsfunktion, die diese Grenzpreise abbildet, hat daher z.B. folgenden
Verlauf:
W−
W IV (a)
W − (a)
W + (a)
W IV +
∆W
W+
W IV (a ′)
C0 = CIV
C+
a′
Abb. D 7
A
Bewertungsfunktion in t = IV ohne Mindestbedingung
Bezeichnet man den Schnittpunkt der Bewertungsfunktion mit der Ordinate als
CIV und die Steigung mit β , so ergibt sich die folgende Angebotsfunktion im
Zeitpunkt t = IV:
(D 7)
W IV (a) = CIV + β ⋅ a ,
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
149
wobei im Fall erwarteter Ausbeutung gelten muss
CIV = C0 .
(D 8)
Anders verhält es sich jedoch, wenn die Aktionäre davon ausgehen müssen, dass
das Angebot nur für den Fall gilt, dass die Übernahme erfolgreich ist. Der Bieter
kann das erreichen, indem er das Angebot unter der Bedingung des Erreichens
seines Mindest-Zielstimmrechtsanteils abgibt. In diesem Fall ergibt sich für die
Aktionäre folgende Entscheidungsmatrix:
Übernahme
gelingt nicht
Übernahme
gelingt
kein Verkauf (K)
Wj−
Wj+
Verkauf1 (V)
Wj−
P
Tab. D 4
Entscheidungsmatrix im Zeitpunkt t = IV mit Mindestquote
Da das Angebot nur unter der Bedingung des Erfolgs der Übernahme gilt, bleibt
der Aktionär j im Fall des Nichtgelingens in jedem Fall Eigentümer seiner Aktie,
die er dann mit Wj− bewertet. Der Grenzpreis, bei dem der Aktionär indifferent
zwischen Verkauf und Halten ist, liegt bei diesem Verfahren bei Wj+ . Die Angebotsfunktion W IV (a) im Fall eines Festpreisverfahrens mit Mindestquote entspricht daher der Bewertungsfunktion W + (a) .
Es gilt dann also
(D 9)
W IV (a) = W + (a) bzw. gilt in (D 7)
(D 10)
CIV = C+ .
Die Aktionäre verlangen demnach bei diesem Verfahren den Wert ihrer Aktien im
Übernahmefall. Wenn W + (a) wegen erwarteter positiver Synergien oberhalb von
W − (a) liegt, verlangen sie also vom Übernehmer mindestens einen Preis, der die
1 Die Strategie Verkauf (V) ist bei diesem Verfahren als bedingter Verkauf zu verstehen. Auflösende Bedingung für den Verkauf wäre die Tatsache, dass der Bieter in t = V nicht die angegebene Mindestquote erreicht.
149
150
Kapitel D
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
vollständige Werterhöhung beinhaltet, die ihre Aktie durch eine Übernahme erfahren würde. Im umgekehrten Fall, dass W + (a) wegen erwarteter Ausbeutung
unterhalb von W − (a) liegt, sind sie aber bereit, ihre Aktien bereits mit dem vollständigem Wertabschlag zu verkaufen. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass
die Aktionäre in ihrem Kalkül davon ausgehen müssen, dass wenn ihre Aktie gekauft wird, damit gleichzeitig feststeht, dass die Übernahme erfolgreich ist. Im
positiven Synergiefall bedeutet das, dass der Aktionär dann für die Werterhöhung
seiner Aktie entschädigt werden will. Im Ausbeutungsfall verkauft er jedoch bei
dieser Gestaltung eine Aktie, die bei Nichtverkauf zu einer weniger werthaltigen
Minderheits-Aktie würde.
Dadurch sind bei diesem Verfahren u.U. auch Übernahmen zu Preisen unterhalb
des Börsenkurses in der Ausgangssituation C0 möglich. Anders als beim Festpreisverfahren ohne Mindestquote nutzt es dem Aktionär nichts, zu wissen, dass
alle Aktionäre den Wert bei Unabhängigkeit höher einschätzen als das Gebot des
Bieters. Solange der gebotene Preis oberhalb seines individuellen Wertes Wj+
liegt, ist der Verkauf für ihn eine dominante Strategie.
Auch bei dieser Fallgestaltung handelt es sich jedoch nicht um eine idealtypische
Gefangenendilemma-Situation. Unterschiede ergeben sich vor allem in zweierlei
Hinsicht:
•
V ist nur dann eine dominante Strategie für die Aktionäre, wenn jeder seine
eigene Entscheidung tatsächlich als unerheblich für den Erfolg oder Misserfolg der Übernahme ansieht. Das bedeutet, dass ein Aktionär den Fall,
dass gerade er der „Grenzaktionär“ ist, der durch seine Entscheidung die gesamte Übernahme entscheidet, für so unwahrscheinlich hält, dass er ihn aus
seiner Betrachtung ausschließt. Diese hier getroffene Annahme erscheint im
beschriebenen Fall des Kleinaktionärs, der nur eine einzige Aktie hält, bei
entsprechend großer Anzahl ausgegebener Aktien gerechtfertigt.1 Sie ist allerdings für das beschriebene Ergebnis notwendig, da anders als in der Gefangenendilemma-Situation sonst keine dominante Strategie gegeben ist.
•
V stellt für die Aktionäre nur eine schwach dominante Strategie dar, das
heißt, sie ist in jedem Umweltzustand mindestens gleich gut und in mindestens einer Situation besser als Strategie K. Im Gegensatz dazu besteht in der
Gefangenendilemma-Situation eine strenge Dominanz von V, was bedeutet,
1 Zudem wäre ein Nichtverkauf im Vertrauen darauf, genau der Grenzaktionär zu sein, der dadurch die Übernahme verhindert, automatisch mit einem Verlust behaftet, wenn dieser extrem
unwahrscheinliche Fall nicht vorliegt.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
151
die Strategie V ist in allen Umweltzuständen besser als K.1 Dieser Unterschied hat zur Konsequenz, dass es in den Fällen, in denen der gebotene
Preis für alle Aktionäre unterhalb von Wj− liegt, keinen Anreiz für die Aktionäre gäbe, von dieser Strategie abzuweichen, wenn sie sich koordinieren
könnten. Während sich im Gefangenendilemma ein Abweichler besser
stellt, würde er sich in der beschriebenen Situation nur nicht schlechter
stellen, sodass ein Abweichen keine individuellen Vorteile brächte. Sofern
also eine Koordinationsmöglichkeit bestünde, würden im beschriebenen
Sinne rationale Aktionäre dann nicht verkaufen.
Die gleiche Angebotsfunktion ergibt sich auch dann, wenn der Aktionär sicher
davon ausgehen muss, dass die Übernahme gelingt bzw. wenn sie bei Abgabe des
Angebots bereits gelungen ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn bekannt ist, dass
der Übernehmer ein Paket erworben hat oder erwerben kann, welches bereits die
Kontrolle vermittelt.
Es bleibt also festzuhalten, dass sich die Angebotskurve bei sonst gleichen Bedingungen jeweils in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung des Angebotsverfahrens ergibt. Für die modelltheoretische Analyse in Teil E dieser Arbeit wird
eine Situation unterstellt werden, in der der Bieter eine Mindestquotenbedingung
setzt.2 Daher wird sich eine Angebotskurve der zuletzt beschriebenen Art einstellen.
3.3.4
Situation nach Abschluss des Angebotsverfahrens (t = VI)
Im hier vorgestellten Grundmodell ist der Übernahmeversuch nach Abschluss des
Angebotsverfahrens beendet. In dem Zeitpunkt t = VI steht damit fest, ob der Versuch erfolgreich war oder nicht. In Abhängigkeit von diesem Ausgang bewertet
der Aktionär, sofern er seine Aktie im Rahmen des Angebotsverfahrens nicht verkauft hat, entweder mit Wj− oder mit Wj+ . Da sich in diesem Modell sonst keine
bewertungsverändernden Informationen ergeben, stellt sich im Falle des Misslingens der Übernahme der neue Börsenkurs in t = VI wieder umsatzfrei auf der Höhe des Kurses C0 ein. Im Falle des Gelingens der Übernahme sind die Aktien, die
der Übernehmer gekauft hat, „vom Markt“ genommen. Insofern klafft unter den
hier getroffenen Annahmen eine Lücke zwischen der höchsten Werteinschätzung
1 Zur Unterscheidung zwischen strenger und schwacher Dominanz vgl. RIECK (1993), S. 19 –
21.
2 Vgl. dazu näher Abschnitt E 1.2.
151
Kapitel D
152
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
der Nichtaktionäre und der niedrigsten der verbliebenen Minderheitsaktionäre,
sodass sich ein eindeutiger Börsenkurs nicht feststellen lässt. Es kann jedoch jeweils ein eindeutiger Bid- und Ask-Wert angegeben werden.
3.4
Bewertungskalkül des Übernehmers
3.4.1
Vorbemerkung
Der Bewertungskalkül der Kleinaktionäre wurde in seiner chronologischen Entwicklung von t = 0 bis t = VI dargestellt. Dieses Vorgehen wird als sinnvoll erachtet, weil den Aktionären in jedem auf t = 0 folgenden Bewertungs-Zeitpunkt
neue Tatsachen bekannt sind, die Einfluss auf ihre Bewertung und die daran anknüpfenden Entscheidungen haben.1 Für den Kalkül des Übernehmers ergibt sich
jedoch eine etwas andere Problemstellung. Zum einen ist ihm die Übernahmeabsicht von Anfang an bekannt. Zum anderen stellt für ihn die konkrete Ausgestaltung des Angebots keine externe Information dar, sondern es handelt sich aus seiner Sicht dabei vielmehr um sein Aktionsfeld. Die Festlegung dieser Aktionsparameter wiederum determiniert bei gegebener Bewertung durch die Aktionäre der
Zielgesellschaft das Ergebnis des Übernahmeversuchs. Anders als die Kleinaktionäre der Zielgesellschaft kann der Übernehmer sein eigenes Verhalten also nicht
als irrelevant für den Ausgang des Verfahrens ansehen.
Aus diesem Grund soll der Ausgangspunkt für die Darstellung des Kalküls des
Übernehmers nicht die Ausgangs- sondern die (antizipierte) Endsituation sein.
Der Übernehmer fragt sich in einem ersten Schritt, welchen Wert eine Beteiligung
an der Zielgesellschaft in Abhängigkeit von der Anzahl der erworbenen Aktien für
ihn hätte. In weiteren Schritten muss er – unter der Zielsetzung der Barwertmaximierung – von dieser Kenntnis ausgehend versuchen, das Übernahmeverfahren so
zu gestalten, dass der Überschuss des Wertes seiner Beteiligung über den dafür
gezahlten Preis möglichst groß wird. Insofern wird in diesem Abschnitt 3.4 der
Bewertungskalkül für die antizipierte Endsituation dargestellt. Dabei ist zunächst
zu unterscheiden zwischen der Situation bei Misslingen und bei Gelingen der Übernahme. Hieraus wird eine Bewertungsfunktion des Übernehmers in Abhängigkeit von der Anzahl erworbener Aktien hergeleitet. Auf diesem Kalkül wird
die spätere Untersuchung verschiedener Ausgestaltungen des Angebotsverfahren
in Teil E aufbauen.
1 In t = II die Übernahmeabsicht, in t = IV die näheren Konditionen des Angebots und in t = VI
der Ausgang des Übernahmeversuchs.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
3.4.2
153
Situation bei Misslingen der Übernahme
Für den Fall, dass es dem Erwerber nicht gelingen sollte, die angestrebte Zielstimmrechtsquote zu erreichen, geht auch er, wie schon die bisherigen Aktionäre
der Zielgesellschaft, davon aus, dass das alte Management die Geschäfte unverändert weiterführt. Daher beträgt der Wert, den er den einzelnen von ihm erworbenen Aktien im Misslingensfall zuordnet
(D 11)
WÜ (a) = E Ü , für a < a *
mit
EÜ
individueller unsicherheitsadjustierter Barwert der aus einer Aktie resultierenden Einzahlungen aus der Sicht des Übernehmers im Falle unveränderter
Fortführung des Unternehmens
Für den Wert der erworbenen Beteiligung ergibt sich dann:
(D 12)
BÜ (a) = a ⋅ WÜ (a) = a ⋅ E Ü , für a < a * .
3.4.3
Situation bei Gelingen der Übernahme
3.4.3.1
Der innere Wert einer Aktie
Für den Fall, dass es dem Übernehmer gelingt, die Zielstimmrechtsquote zu erreichen oder zu überschreiten, muss er zunächst ähnlich der oben dargestellten
Überlegungen der Aktionäre der Zielgesellschaft Änderungen der Zahlungen aus
Restrukturierungsmaßnahmen, Synergieeffekten und Transferzahlungen bei der
Zielgesellschaft in seinen Kalkül mit einbeziehen. Es ergibt sich die im Folgenden
auch als innerer Wert einer Aktie des Zielobjekts bezeichnete Größe
(D 13)
WÜIn = E Ü + R Ü + SYN INT
− TRANSÜ für a ≥ a *
Ü
mit
RÜ
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Übernehmers durch Restrukturierung des Unternehmens
bzw. Änderung der Geschäftspolitik durch das neue Management.
153
Kapitel D
154
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
SYN INT
Ü
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Übernehmers durch das Zusammenwirken des übernommenen Unternehmens mit dem übernehmenden (interne Synergieeffekte).
TRANSÜ
Änderungen des Wertes einer Aktie der Zielgesellschaft aus der
Sicht des Übernehmers durch den nicht ausgeglichenen Transfer
von Zahlungen vom übernommenen Unternehmen zum übernehmenden und umgekehrt. Dabei soll ein positives Vorzeichen der
Variable einen Werttransfer vom übernommenen Unternehmen
zum Übernehmer abbilden.
Die Summe dieser Veränderungen soll als ∆WÜ+ zusammengefasst werden.
(D 14)
∆WÜ+ = R Ü + SYN INT
− TRANSÜ
Ü
Damit kann (D 13) auch wie folgt geschrieben werden:
(D 15)
WÜIn = E Ü + ∆WÜ+ für a ≥ a * .
3.4.3.2
Der Wert der Beteiligung
Darüber hinaus sind aber noch weitere Änderungen für den Übernehmer bewertungsrelevant. Zum einen ist es möglich, dass neben den Synergieeffekten, die
sich zahlungsmäßig beim Zielobjekt niederschlagen (interne Synergieeffekte),
auch noch solche auftreten, die sich zahlungsmäßig direkt bei dem Erwerberunternehmen realisieren (externe Synergieeffekte). Zum anderen schlagen sich die
Transferzahlungen bei dem Erwerberunternehmen mit umgekehrtem Vorzeichen
nieder.
Unter Einbeziehung dieser Größen bemisst sich der Wert der Beteiligung in Abhängigkeit von der erreichten Beteiligungsquote für den Erwerber gemäß
(D 16)
B Ü (a) = a ⋅ WÜIn + SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ für a ≥ a *
Ü
bzw.
(D 17)
BÜ (a) = a ⋅ (E Ü + R Ü + SYN INT
− TRANSÜ ) + SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ
Ü
Ü
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
155
für a ≥ a *
SYN EXT
Ü
individueller unsicherheitsadjustierter Barwert (aus Sicht des Übernehmers) der gesamten Einzahlungen aus Synergieeffekten, die sich
zahlungsmäßig direkt beim Übernehmer niederschlagen (externe
Synergieeffekte).
Diese externen Synergieffekte können definitionsgemäß beim Erwerberunternehmen selbst realisiert werden, wenn ein Zusammenwirken von Erwerber- und Zielgesellschaft in der angestrebten Art unter einheitlicher Leitung möglich ist, also
bei Erreichen des Zielstimmrechtsanteils. Die aus dem externen Effekt resultierenden Beträge erhöhen sich jedoch nicht mehr, wenn die Beteiligung über die Größe
a * hinaus ausgedehnt wird. Zu beachten ist, dass sich SYN EXT
im Gegensatz zu
Ü
den anderen Zahlungsänderungsgrößen in den Gleichungen (D 16) und (D 17)
nicht auf eine Aktie der Zielgesellschaft bezieht, sondern eine Gesamtgröße darstellt.
Die Transferzahlungen TRANSÜ sind demgegenüber auf eine einzelne Aktie der
Zielgesellschaft bezogen. Daher müssen sie bei der Betrachtung der Zahlungen,
die sich direkt beim Zielunternehmen niederschlagen, mit der Anzahl der insgesamt ausgegebenen Aktien A multipliziert werden.
Die Größen SYN EXT
und A ⋅ TRANSÜ sollen als externe Effekte der Übernahme
Ü
bezeichnet werden. Der Wert der Beteiligung setzt sich also bei Überschreiten der
kritischen Beteiligungsquote zusammen aus den Zahlungen aus den Aktien des
Zielobjektes, die mit steigender Beteiligungsquote linear wachsen, und den externen Effekten, die aus der Übernahme resultieren und sich beim Erwerberunternehmen direkt niederschlagen.
Stellt man die Gleichung ein wenig um, ergibt sich:
BÜ (a) = a ⋅ E Ü
(D 18)
+ a ⋅ (R Ü + SYN ÜINT )
+ SYN EXT
Ü
+ (A − a) ⋅ TRANSÜ
Die einzelnen Summanden dieser Gleichung können wie folgt interpretiert werden.
155
Kapitel D
156
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
•
Der erste Summand stellt den Stand-Alone-Wertbeitrag der Beteiligung dar.
Im Bereich a < a * gibt er, wie im vorherigen Abschnitt dargelegt, den Wert
an, der sich bei Misslingen der Übernahme und der daraus resultierenden
Weiterführung des Unternehmens durch das bisherige Management ergeben
würde. Im Bereich a ≥ a * gibt er den Wert an, der sich bei unveränderter
Weiterführung des Unternehmens ergäbe, unabhängig davon, ob dies unter
Leitung des bisherigen oder eines neuen Managements erfolgen würde. Er
wächst linear mit der erreichten Quote.
•
Der zweite Summand bildet den Wertbeitrag ab, der bei erfolgreicher Übernahme durch Restrukturierungsmaßnahmen und interne Synergieeffekte erlangt werden kann (zusammenfassend: interner Synergiewertbeitrag). Er
nimmt ebenfalls mit steigender Quote linear zu.
Grafisch kann die Wertänderung durch den internen Synergiewertbeitrag bei
solierter Betrachtung wie folgt verdeutlicht werden:
(R Ü + SYN Ü ) > 0
INT
BÜ (a)
EXT
SYN Ü
=0
TRANS Ü = 0
BÜ (a ′)
int. Synergie-WB
Stand-Alone-WB
a*
Abb. D 8
a′
A
a
Interner Übernahmewertbeitrag
Ein positiver interner Synergiewertbeitrag führt für a ≥ a * einerseits zu einer
Erhöhung der Steigung der Funktion, die den Beteiligungswert abbildet, gegenüber der Geraden, die den Stand-Alone-Wertbeitrag abbildet und andererseits zu einem Sprung, der den internen Synergiewertbeitrag der Kontrollbeteiligung abbildet. Umgekehrt führt ein negativer interner Wertbeitrag zu einer
geringeren Steigung.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
•
157
Der dritte Summand spiegelt den Wertbeitrag wider, der durch externe
Synergien direkt beim Erwerberunternehmen entsteht (externer Synergiewertbeitrag). Er ist bei Überschreiten der Zielstimmrechtsanteils von der realisierten Quote unabhängig. Bei wiederum isolierter Betrachtung ergibt sich
die folgende Grafik:
(R Ü + SYN Ü ) = 0
INT
B Ü (a)
EXT
SYN Ü
>0
TRANSÜ = 0
BÜ (a ′)
ext. Synergie-WB
Stand-Alone-WB
a*
Abb. D 9
a′
A
a
Externer Übernahmewertbeitrag
Der im Beispiel positive externe Synergiewertbeitrag erhöht den jeweiligen
Beteiligungswert um einen festen Betrag. Die Funktion des Beteiligungswertes
ergibt sich daher für a ≥ a * als Parallelverschiebung der Funktion, die den
Stand-Alone-Wertbeitrag darstellt.
•
Am vierten Summanden kann man den Netto-Transferwertbeitrag ablesen,
der sich durch Zahlungen zwischen den beiden Unternehmen ergibt. Er setzt
sich aus den beiden gegenläufigen Effekten bei der Zielgesellschaft und beim
Erwerberunternehmen zusammen. Leistet z.B. die Zielgesellschaft Nettozahlungen an den Erwerber (Ausbeutungsfall) so erhöht sich der Beteilgungswert
um den Wert der gesamten Transferzahlungen. Dieser Erhöhungsbetrag vermindert sich jedoch um den auf die vom Erwerber gehaltenen Aktien entfallenden Anteil an diesen Transferzahlungen.
Dies lässt sich isoliert wie folgt grafisch veranschaulichen:
157
Kapitel D
158
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
(R Ü + SYN Ü ) = 0
INT
B Ü (a)
EXT
SYN Ü
=0
TRANSÜ > 0
BÜ (a ′)
Transfer-WB
Stand-Alone-WB
a*
a′
A
a
Abb. D 10 Netto-Transferwertbeitrag (Ausbeutungsfall)
Die Höhe des gesamten grau eingezeichneten Rechtecks stellt den externen
Teil des Transferwertbeitrages dar, also den (positiven) Barwert der von der
Zielgesellschaft geleisteten gesamten Transferzahlungen. Die Höhe der heller schraffierten viereckigen Teilfläche stellt den hiervon abzuziehenden negativen Barwert dar, der auf die vom Erwerber gehaltenen Aktien entfällt.
Der verbleibende Anteil, ablesbar als Höhe des dunkler schraffierten Dreiecks, ist zum Stand-Alone-Wert hinzuzuaddieren. Man erkennt, dass dieser
Anteil, den man in diesem Zusammenhang auch als Ausbeutungsgewinn
bezeichnen könnte, mit zunehmender Größe der Beteiligung immer kleiner
wird und bei vollständigem Erwerb schließlich ganz verschwindet. Man
könnte es so formulieren, dass Ausbeutung bei einer Ausdehnung der Beteiligungsquote über den Zielstimmrechtsanteil hinaus immer weniger lohnend
wird.
Für den umgekehrten Fall, dass der Erwerber Nettozahlungen an die erworbene Gesellschaft leistet (Zuschussfall), ergibt sich folgendes Bild:
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
159
B Ü (a)
(R Ü + SYN Ü ) = 0
INT
EXT
SYN Ü
=0
TRANS Ü
<0
B Ü (a ′)
StandAloneWB
TransWB
(neg.)
a
a*
a′
A
Abb. D 11 Netto-Transferwertbeitrag (Zuschussfall)
Die Höhe des Rechtecks stellt in diesem Fall den (negativen) Barwert der
Zuschüsse dar, die der Erwerber der übernommenen Gesellschaft leistet. Die
Höhe des heller schraffierten Vierecks bildet den positiven Barwert der
Transferzahlungen ab, die auf die eigenen Aktien entfallen. Die Höhe des
dunkel schraffierten Dreiecks gibt dann die Höhe des negativen Transferwertbeitrags an. Man könnte ihn in diesem Fall auch als Zuschussverlust bezeichnen. Man erkennt, dass der Verlust bei einer Ausdehnung der Beteiligungsquote immer kleiner wird. Der jeweilige Beteiligungswert ergibt sich,
indem dieser Zuschussverlust vom Stand-Alone-Wertbeitrag abgezogen
wird.
Unter der Zielsetzung der Vermögensmaximierung kann die Bezuschussung
nur dann sinnvoll sein, wenn die Zahlungen notwendig sind, um andere positive Effekte zu erzielen, die den Nachteil überwiegen. Solange es sich aber
um Mittel handelt, die ansonsten an die Aktionäre der Zielgesellschaft ausgeschüttet würden, ist es – so weit dies durch den gesetzlichen Rahmen
möglich ist – für den Übernehmer stets vorteilhaft, die Mittel an das Erwerberunternehmen zu transferieren (Ausbeutung der Zielgesellschaft), und
zwar stets im maximal möglichen Umfang.
Aus der Kombination der verschiedenen möglichen Einzelwertbeiträge ergibt sich
je nach den konkreten Gegebenheiten der Übernahme der gesamte Beteiligungswert.
159
Kapitel D
160
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Fasst man die grafischen Darstellungen zusammen, so ergibt sich beispielsweise
für den Fall, dass alle Wertbeiträge positiv sind (das impliziert u.a. den Ausbeutungsfall) die folgende Darstellung:
(R Ü + SYN Ü ) > 0
INT
BÜ (a)
EXT
SYN Ü
>0
TRANS Ü > 0
BÜ (a ′)
int. Synergie-WB
Netto-Transfer-WB
ext. Synergie-WB
Stand-Alone-WB
a*
a′
A
a
Abb. D 12 Zusammenfassende Darstellung der Wertbeiträge
Die fett durchgezogene Linie bildet den Beteiligungswert ab. An den eingezeichneten Hilfslinien kann man die Zusammensetzung aus den einzelnen Wertbeiträgen ablesen.
3.4.3.3
Der Wert der einzelnen Aktien der Beteiligung
Die hergeleiteten Ergebnisse sollen nun in einer veränderten Betrachtungsweise
dargestellt werden, die für die spätere Zusammenführung der Kalküle vorteilhaft
ist.
Es soll der (durchschnittliche) Wert einer einzelnen Aktie der Beteiligung (unter
Einschluss der externen Effekte) betrachtet werden. Zu diesem Zweck wird die
Gleichung (D 18) durch die Anzahl der gehaltenen Aktien a dividiert. Es ergibt
sich:
(D 19)
WÜ (a) =
BÜ (a)
1
A
= E Ü + R Ü + SYN ÜINT + SYN ÜEXT + ( − 1) ⋅ TRANSÜ .
a
a
a
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
161
Grafisch lässt sich diese Gleichung – wie schon in Abb. D 12 für den Beispielfall,
dass alle Wertbeiträge positiv sind – wie folgt veranschaulichen:
WÜ (a)
W
WÜ (a ′)
Transfer-WB
ext. Übernahme-WB
int. Übernahme-WB
Stand-Alone-WB
a*
a′
A
1
a
Abb. D 13 Wert der einzelnen Aktien einer Beteiligung
Die durchgezogene Linie gibt den (durchschnittlichen) Wert einer Aktie des Unternehmens unter Einschluss der externen Effekte für den Erwerber in Abhängigkeit von seiner Beteiligungsquote an. Der Wert einer Beteiligung von a ′ Aktien
und damit der maximale Kaufpreis, bei der ein entsprechender Beteiligungserwerb
aus Sicht des Käufers gerade noch vorteilhaft ist, ergibt sich als Produkt aus der
Quote a ′ und dem dazugehörigen Funktionswert. Der Wert dieser Beteiligung
entspricht dem Flächeninhalt des gesamten schraffierten Rechtecks. Der Wert
lässt sich zerlegen in seine einzelnen Wertbeiträge, in der Grafik durch unterschiedliche Graustufen dargestellt.
Man erkennt, dass im dargestellten Fall der Wert einer einzelnen Aktie bei zunehmender Beteiligungsquote immer weiter sinkt. Ausschlaggebend sind dafür
zwei Faktoren. Zum einen verteilt sich der in seiner Größe fixe externe Übernahmewertbeitrag bei einer größeren Beteiligung auf mehr Aktien. Diese Verteilung
auf eine größere Aktienzahl gilt auch für den Netto-Tranferwertbeitrag (hier:
Ausbeutungsgewinn). Dieser Ausbeutungsgewinn ist im Gegensatz zum externen
Übernahmewertbeitrag jedoch nicht in seiner Größe fix, sondern nimmt auch noch
– wie oben gezeigt – bei zunehmender Beteiligungsquote immer weiter ab. Durch
diese Effekte ergibt sich für das gewählte Beispiel der fallende Verlauf der Funktion.
161
Kapitel D
162
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
Wegen
(D 20)
∂ WÜ (a)
1
= − 2 ( A ⋅ TRANSÜ + SYN ÜEXT )
∂a
a
sind in Abhängigkeit davon, ob der Klammerausdruck größer oder kleiner als null
bzw. gleich null ist, prinzipiell drei Verläufe der WÜ (a) -Kurve denkbar:
WÜ (a)
Verlauf I
Verlauf II
Verlauf III
a*
A
a
Abb. D 14 Alternative Verläufe der Bewertungskurve
Der fallende Verlauf I ergibt sich in allen Fällen, in denen die externen
Synergieeffekte positiv und die Transferzahlungen ebenfalls positiv (also vom
Zielobjekt zum Erwerberunternehmen gerichtet) sind; darüber hinaus, wenn
positive Synergieeffekte negative Transfers (= Zuschußzahlungen an die
Zielgesellschaft) überwiegen. Weiterhin ergibt sich der fallende Verlauf, wenn
negative externe Synergieeffekte durch Ausbeutung überkompensiert werden.
Der waagerechte Verlauf II ergibt sich in den Fällen, in denen Synergieeffekte
und Transferzahlungen ein unterschiedliches Vorzeichen haben und betragsmäßig
gleich groß sind oder wenn beide Größen gleich null sind.
Der steigende Verlauf III ergibt sich immer, wenn die Synergieeffekte negativ
sind und Zuschusszahlungen an die Zielgesellschaft geleistet werden, darüber
hinaus, wenn zu leistende Zuschusszahlungen positive Synergieeffekte überwiegen; außerdem, wenn negative Synergieeffekte eine durchzuführende Ausbeutung überkompensieren.
3 Grundmodell zur Untersuchung des Übernahmeprozesses
163
Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird unterstellt, dass die Summe der externen
Effekte positiv ist und dass die Transferzahlungen nicht negativ sind. Letzteres
bedeutet, dass wenn Werttransfers vorgenommen werden sollen, diese von der
Zielgesellschaft an das dann herrschende Unternehmen fließen (Ausbeutung).
Unter diesen Annahmen hat die Bewertungskurve stets den fallenden Verlauf I.
3.5
Zusammenführung der Kalküle
In den zu untersuchenden Situationen gibt der Bieter in t = III ein Angebot zum
Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft ab. Dabei hat er die Möglichkeit, die
Konditionen des Angebots selbst festzulegen. Als Zielsetzung des Übernehmers
wurde die Maximierung seines Vermögens angenommen. Das ist gleichbedeutend
mit der Maximierung des Überschusses des Wertes einer erworbenen Beteiligung
BÜ (a) über den hierfür gezahlten Gesamtpreis GP(a). Diese Differenz soll als
Übernahmegewinn ÜG(a) bezeichnet werden. Formal ergibt er sich als
(D 21)
ÜG(a) = BÜ (a) − GP(a) .
Bevor in Teil E analysiert wird, wie ein Übernehmer in verschiedenen Modellsituationen die Konditionen im Sinne seiner Zielsetzung optimal setzen wird, soll
im Rahmen der hier vorgenommen Darstellung der modelltheoretischen Grundlagen abschließend noch gezeigt werden, wie dieser Übernahmegewinn aus der
Zusammenführung der Bewertungskalküle von Kleinaktionären und Übernehmer
grafisch ermittelt werden kann.
Trägt man die Angebotsfunktion in t = IV und die Bewertungsfunktion des Übernehmers in ein Diagramm ein, so kann man für jede denkbare Anzahl vom Bieter
erworbener Aktien den Übernahmegewinn wie im folgenden Beispiel bestimmen.
163
Kapitel D
164
Entwicklung eines allgemeinen Modellrahmens
W IV (a)
W Ü (a)
W Ü (a ′)
W IV
WÜ
P = W IV (a ′)
CIV
a*
a′
A
a
Abb. D 15 Ermittlung des Übernahmegewinns bei Einheitspreis
Beispielsweise bei der Anzahl a ′ entspricht der Wert der Beteiligung aus der
Sicht des Übernehmers dem gesamten grau markierten Rechteck. Der bei einem
Einheitspreis für diese Beteiligung zu zahlende Preis P entspricht der heller
schraffierten, unteren Teilfläche. Der Übernahmegewinn ergibt sich als Differenz
der beiden Flächen, hier durch die dunkler markierte Teilfläche dargestellt.
Equation Section 5
E
Modelltheoretische
Untersuchung der Regulierung
166
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
1 Untersuchungsablauf
1
Untersuchungsablauf
1.1
Überblick
167
Im vorliegenden Teil E werden anhand des im vorangegangenen Teil D entwickelten allgemeinen Modellrahmens die Wirkungen der Regulierung von Übernahmeangeboten aus einzelwirtschaftlicher Sicht analysiert. Das besondere Augenmerk ist dabei auf den Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft vor Vermögensverlusten gerichtet.
Um die Wirkungen der Regulierung von Übernahmeangeboten auf die Vermögenssituation dieser Aktionäre zu untersuchen, ist es notwendig, auch die Wirkungen auf das Verhalten des Bieters aufzudecken, denn er bestimmt durch die
Ausgestaltung des Angebots die Wirkung auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
zumindest wesentlich mit. Durch die in Teil C beschriebenen Vorschriften des
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes wird der Bieter in seiner Gestaltungsfreiheit für das öffentliche Angebot erheblich eingeschränkt. Daher werden
die aus Sicht des Übernehmers optimalen Ausgestaltungsformen jeweils ohne und
mit Regulierung im Modell hergeleitet und die daraus resultierenden Wirkungen
für die Aktionäre der Zielgesellschaft abgeleitet und verglichen. Eine Präzisierung
der Vergleichsszenarien mit und ohne Regulierung erfolgt in Abschnitt 2.
Die Analyse erfolgt unter einer idealisierten Informationsannahme, die hier als
einseitige Sicherheit des Bieters bezeichnet werden soll. Darunter soll – grob gesprochen – eine Situation verstanden werden, in der der Bieter bei der Entscheidung über den Kauf von Aktien vollständig über das Angebot seitens der potenziellen Verkäufer informiert ist, bevor er die Konditionen festlegt. Abweichungen
von der für den Bieter optimalen Strategie, die aus seiner Unsicherheit über die
Angebotsfunktion resultieren, werden damit ausgeschlossen. Eine nähere Präzisierung der Informationsannahmen erfolgt im Abschnitt 1.2. Dieses Informationsszenario der einseitigen Sicherheit ermöglicht die Ableitung einer eindeutigen, im
Sinne der Zielsetzung Vermögensmaximierung optimalen Strategie, bei der die zu
wählende Handlungsalternative allein von bestimmten durch das Angebot determinierten Parameterkonstellationen abhängt. In Abhängigkeit von der vorliegenden Konstellation lässt sich dann die Wirkung auf die Aktionäre der Zielgesellschaft bestimmen.
Der Vergleich wird jeweils durchgeführt für eine Situation mit vollständigem
Streubesitz und bei Vorhandensein eines Pakets. Diese verschiedenen Allokationsszenarien werden in Abschnitt 1.3 genauer definiert. Hinsichtlich der Betroffenheit der Aktionäre wird unterschieden zwischen dem Ausbeutungsfall und dem
Synergiefall. Was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist, wird in Abschnitt 1.4
näher erläutert.
Kapitel E
168
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
In der Untersuchung werden also unter der Informationsannahme der einseitigen
Sicherheit jeweils die Wirkungen mit und ohne Regulierung verglichen, und zwar
für die Ausgangssituationen Streubesitz und Paket für den Ausbeutungs- und den
Synergiefall.
1.2
Informationsszenario
Die Untersuchung erfolgt unter einer Informationsannahme, die als einseitige Sicherheit bezeichnet werden soll. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bieter
die Angebotsfunktion, die sich bei Abgabe eines Angebots ergeben würde, bereits
im Vorhinein kennt bzw. richtig antizipiert. Die Sicherheit bezieht sich also nur
auf die Angebotsfunktion und nicht auf zukünftige erwartete Rückflüsse. Diesbezüglich gilt weiterhin, dass nur die Wahrscheinlichkeitsverteilung künftiger Rückflüsse dem Bieter bekannt ist und er sie in seinem Bewertungskalkül auf einen
Wert unsicherheitsadjustiert verdichtet.1 Mit der Informationsannahme der einseitigen Sicherheit sollen alle Abweichungen von der Optimalstrategie des Bieters,
die daraus resultieren, dass er die Entscheidung über die Durchführung des Übernahmeversuchs und die Festlegung der Konditionen in Unkenntnis der Angebotsfunktion treffen muss, aus der Modellierung eliminiert werden.
Die Annahme, dass der Bieter die Annahmefunktion bereits vor Abgabe des öffentlichen Angebots kennt, ermöglicht ihm in dieser Modellierung
•
bei Abgabe eines Angebots die Festlegung der aus seiner Sicht optimalen
durch den jeweiligen Regulierungsrahmen zugelassenen Preis-MengenKombination und
•
andererseits den Verzicht auf die Übernahme, falls ein Übernahmegewinn
von vornherein ausgeschlossen wäre.
Es handelt sich um eine einseitige Sicherheit, weil die Aktionäre der Zielgesellschaft weder die Angebotsfunktion noch die Zahlungsbereitschaft des Bieters
kennen. Es ist ihnen auch nicht bekannt, dass der Bieter die oben beschriebene
Kenntnis über die Angebotsfunktion hat. Ihnen ist aber die Wahrscheinlichkeitsverteilung künftiger Rückflüsse sowohl für den Nichtübernahme- als auch für den
Übernahmefall bekannt, die sie in ihrer individuellen Bewertung auf einen Wert
aggregieren.2
1 Vgl. zu den Annahmen des Grundmodells Abschnitt D 3.1.
2 Vgl. Abschnittt D 3.1.
1 Untersuchungsablauf
1.3
Allokationsszenarien
1.3.1
Streubesitz
169
Die hier als Streubesitz bezeichnete Situation zeichnet sich nach den im Teil D
dargestellten grundlegenden Modellannahmen dadurch aus, dass jeder Aktionär
der Zielgesellschaft genau eine Aktie hält.
1.3.2
Paket
In dem im Rahmen der Modellierung verkürzt als „Paket“ oder „Paketkauf“ bezeichneten Szenario halten alle Aktionäre der Zielgesellschaft bis auf einen einzigen genau eine Aktie. Dieser eine Aktionär, der Paketinhaber, ist in Besitz einer
Beteiligung, welche annahmegemäß so groß ist, dass der Übernehmer in seinem
Kalkül davon ausgeht, dass ihr Erwerb eine notwendige Voraussetzung für den
Erfolg der Übernahme darstellt.
Es wird im Rahmen der Untersuchung unterschieden zwischen einem beherrschenden und einem nichtbeherrschenden Paket. Ein beherrschendes Paket zeichnet sich dadurch aus, dass sein Erwerb allein bereits ausreicht, um dem Übernehmer (mindestens) seine angestrebte Zielstimmrechtsquote zu vermitteln. Ein
nichtbeherrschendes Paket verkörpert dementsprechend einen geringeren Anteil
am Grundkapital der Zielgesellschaft, sodass für eine erfolgreiche Übernahme
noch der Erwerb zusätzlicher Aktien im Rahmen des Angebots notwendig ist.
Auch wenn das Paket allein noch keine kontrollierende Beteiligung begründet,
muss der Bieter bei Durchführung einer Übernahme jedoch nach der oben getroffenen Annahme in jedem Fall das Paket kaufen, etwa weil ansonsten ein für seine
Pläne zu mächtiger Großaktionär verbleiben würde.
1.4
Wirkungsszenarien
1.4.1
Ausbeutungsfall
Der sog. Ausbeutungsfall ist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl aus Sicht des
Bieters als auch aus Sicht der Aktionäre der Zielgesellschaft für den Fall des Gelingens der Übernahme die Transfereffekte von der Zielgesellschaft zum Übernehmer betragsmäßig den positiven Wert der internen Synergieeffekte und Restrukturierungseffekte übersteigt.
Kapitel E
170
1.4.2
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Synergiefall
Der Synergiefall ist umgekehrt dadurch bestimmt, dass im Übernahmefall interne
Synergieeffekte und Restrukturierungseffekte eventuelle Ausbeutungen durch den
Übernehmer wertmäßig übersteigen.
2 Vergleichssituationen
2
Vergleichssituationen
2.1
Situation ohne Regulierung
171
In der Situation ohne Regulierung kann der Bieter den Preis und die nachgefragte
Menge im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots frei festlegen. Er wählt
die aus seiner Sicht optimale Preis-Mengen-Kombination nach dem in den folgenden Abschnitten hergeleiteten Kalkül. Eine mögliche Preisdifferenzierung
wird nicht betrachtet, d.h. es wird auch in der unregulierten Situation für alle im
Rahmen des Übernahmeangebots erworbenen Aktien ein Einheitspreis gezahlt.
Das Angebot erfolgt unter der Bedingung, dass die Zielstimmrechtsquote erreicht
wird.
2.2
Situation mit Regulierung
Auch in der Situation mit Regulierung kann der Bieter seine optimale PreisMengen-Kombination wählen, muss dabei aber als Nebenbedingung die einschränkenden gesetzlichen Vorschriften beachten. Das Angebot soll wie in der
unregulierten Situation mit einer Mindestquotenbedingung versehen werden. Die
Regulierung ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
•
Vollangebotsregel: Übernahmeangebote haben zwingend als Vollangebote zu
erfolgen. Das bedeutet, dass der Bieter alle Aktien kaufen muss, die ihm zum
gebotenen Einheitspreis angedient werden.
•
Börsenpreisregel: Als Preis im Rahmen eines Übernahmeangebots muss
mindestens der durchschnittliche Börsenkurs eines Referenzzeitraumes vor der
Bekanntgabe der Übernahmeabsicht in t = I geboten werden. Je nachdem, wie
sich die Börsenkurse vor diesem Zeitpunkt entwickelt haben, ist der durchschnittliche Börsenkurs C∅ höher oder niedriger als der letzte Börsenkurs vor
Bekanntwerden der Übernahmeabsicht C0 .1
1 Es wurde in Abschnitt D 3.1 die Annahme getroffen, dass alle Akteure die Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Rückflüsse kennen. Trotzdem kann es vor dem Betrachtungszeitraum zu Börsenkursveränderungen allein durch die Tatsache kommen, dass sich einzelne Ausprägungen dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung im Zeitablauf verwirklichen. Dies wurde nur
für den Betrachtungszeitraum t = 0 bis t = 6 ausdrücklich ausgeschlossen. In diesem Zeitraum
treten annahmegemäß außer dem Übernahmeversuch keine sonstigen Ereignisse auf, die die
Bewertung der Aktien beeinflussen.
Kapitel E
172
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
•
Gleichpreisregel: Weiterhin muss im Rahmen eines Übernahmeangebots
mindestens der Preis gezahlt werden, der innerhalb des Betrachtungszeitraums
vom Übernehmer für Aktien der Zielgesellschaft gezahlt oder versprochen
wurde. Im Rahmen dieses Modells kann diese Regel nur in dem Fall greifen,
in dem in t = I ein Paketkauf erfolgt. Weiterhin wird angenommen, dass die
Gleichpreisregel stets die strengere Regel darstellt, dass also der gezahlte Paketpreis pro Aktie stets oberhalb des durchschnittlichen Börsenkurses liegt.
•
Pflichtangebotsregel: Wenn der Bieter mindestens 30 % der Aktien der Zielgesellschaft und damit die Kontrolle im Sinne des WpÜG erwirbt, muss er ein
Pflichtangebot abgeben, welches ebenfalls den oben beschriebenen Regeln für
Übernahmeangebote entsprechen muss. Das bedeutet, dass wenn in t = I ein
Paket von mindestens 30 % erworben wird, in t = III ein Angebot nach den obigen Regeln abgegeben werden muss. Dieses Angebot hat dann zwingend als
Vollangebot mit den oben erläuterten Mindestpreisen zu erfolgen. Sofern ein
beherrschendes Paket1 erworben wird, wird davon ausgegangen, dass dieses
mehr als 30 % der Stimmrechte vermittelt, sodass die Angebotspflicht greift.2
Durch diese Regeln ist der Kern der Regulierung von öffentlichen Angeboten bei
der Übernahme börsennotierter Aktiengesellschaften nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz in idealisierter Form abgebildet.
1 Vgl. Abschnitt E 1.3.2.
2 Umgekehrt muss aber ein Stimmrechtsanteil von 30 % aus der Sicht des Bieters noch nicht die
notwendige Kontrolle vermitteln, d.h. die Zielstimmrechtsquote kann auch höher als 30 % sein.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
3
Analyse des Übernahmeprozesses
3.1
Situation ohne Regulierung
3.1.1
Strategie des Bieters
3.1.1.1
Streubesitz
173
Die im Kapitel D hergeleitete Gleichung zur Ermittlung des Übernahmegewinns
(D 21)
ÜG(a) = BÜ (a) − GP(a)
lässt sich für den Fall, dass sich alle Aktien im Streubesitz befinden, wie folgt
konkretisieren:
(E 1) ÜG(a) = B Ü (a) − a ⋅ W IV (a) bzw.
(E 2) ÜG(a) = a ⋅ ( WÜ (a) − W IV (a) ) .
Ein Übernahmegewinn entsteht nur dann, wenn der Wert einer erworbenen Beteiligung größer ist als der hierfür zu zahlende Preis. Das ist gleichbedeutend mit der
Bedingung, dass der (durchschnittliche) Wert einer Aktie aus Übernehmersicht im
Übernahmefall größer ist als der Einheitspreis pro Aktie, also
(E 3) WÜ (a) > W IV (a)
Der Übernehmer kauft annahmegemäß nur dann Aktien, wenn er mit dem Kauf
die Kontrolle erreichen kann ( a ≥ a * ). Setzt man (D 7) und (D 19) in (E 3) ein
ergibt sich:
1
A
(E 4) E Ü + R Ü + SYN ÜINT + ⋅ SYN EXT
+ ( − 1) ⋅ TRANSÜ > CIV + a ⋅β
Ü
a
a
für a * ≤ a ≤ A .
Unter Beachtung von (D 13) ergibt sich nach einigen Umformungen die Bedingung für die Vorteilhaftigkeit einer Übernahme bei einer Anzahl a:
SYNEXT
+ A ⋅ TRANSÜ
Ü
+ WÜIn − CIV
a
(E 5) β <
.
a
Kapitel E
174
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Die Bedingung kann wie folgt anschaulich interpretiert werden:
•
EXT
Der Ausdruck
SYN Ü
+ A ⋅ TRANSÜ
gibt die externen Effekte pro Aktie an,
a
also den externen Übernahmewertbeitrag zuzüglich des externen Transferwertbeitrags bezogen auf eine Aktie.
•
Der Term (WÜIn − C IV ) gibt die Differenz zwischen dem inneren Wert der
Aktie im Übernahmefall und dem Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion
an.
•
Der gesamte Zähler gibt damit die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Wert einer Aktie bei einer Beteiligung von a Aktien und dem Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion an.
•
Bezieht man diese Differenz auf die Zahl der gekauften Aktien, so ergibt
sich die kritische Steigung der Preisfunktion, bei der der Übernahmegewinn
null wird.
Dieser Zusammenhang lässt sich wie folgt grafisch darstellen:
W IV (a)
W Ü (a)
W IV
WÜ (a ′)
WÜIn
CIV
2)
γ
a′
a*
SYN Ü + A ⋅ TRANSÜ
WÜ
1)
A
EXT
1)
a
Abb. E 1
2)
(W − C )
In
Ü
IV
Bedingung für die Vorteilhaftigkeit des Erwerbs bei Streubesitz
a
3 Analyse des Übernahmeprozesses
175
Der Tangens des Winkels γ stellt die maximale Steigung der Angebotsfunktion
dar, bei der bei gegebenen Wertbeiträgen bei einem Kauf von a ′ Aktien gerade
kein Verlust entsteht. Nur wenn die tatsächliche Steigung β kleiner ist bzw. wenn
die Wertbeiträge bei gegebener Steigung der Angebotsfunktion höher sind, ergibt
sich ein Gewinn.
Löst man die Ungleichung (E 5) nach a auf, ergibt sich
2
(E 6) a <
 W In − CIV  SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ
WÜIn − CIV
+  Ü
für a * ≤ a ≤ A 1
 +
2 ⋅β
2
⋅β
β


bzw.
2
(E 7) a krit =
 W In − CIV  SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ
WÜIn − CIV
+ 
 +
2 ⋅β
β
 2 ⋅β 
für a * ≤ a ≤ A .
Gleichung (E 7) bestimmt die kritische Anzahl Aktien a krit , bei der bei gegebener
Steigung der Angebotsfunktionen kein Gewinn mehr bzw. bei deren Überschreiten ein Verlust aus der Übernahme resultiert.
Die Bedingung (E 5) für die Vorteilhaftigkeit des Erwerbs einer bestimmten Anzahl Aktien gilt auch an der Stelle a * . Dort ist ein ggf. bestehender Überschuss
des Wertes einer einzelnen Aktie aus Erwerbersicht über den zugehörigen Angebotspreis am größten. Ist die Bedingung nicht einmal an dieser Stelle erfüllt, dann
gibt es überhaupt keine Anzahl Aktien, bei der ein positiver Übernahmegewinn
entstünde. Dies ist gleichbedeutend damit, dass ein nach (E 7) berechneter kritischer Wert außerhalb des Definitionsbereichs liegt.
Als Bedingung dafür, dass eine Übernahme überhaupt für den Bieter vorteilhaft
sein kann, ergibt sich daher
(E 8) WÜ (a * ) > W IV (a * ) bzw.
2
In
IV
In
IV
EXT
1 Die zweite rechnerische Lösung a > WÜ − C −  WÜ − C  + SYN Ü + A ⋅ TRANSÜ
2 ⋅β
β
 2⋅β 
bringt keine weitere Eingrenzung, da der Term auf der rechten Seite nicht größer als null werden kann.
Kapitel E
176
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
SYNEXT
+ A ⋅ TRANSÜ
Ü
+ WÜIn − CIV
*
a
(E 9) β <
a*
Gilt hingegen
WÜ (a * ) ≤ W IV (a * ) bzw.
(E 10)
+ A ⋅ TRANSÜ
SYNEXT
Ü
+ WÜIn − CIV
*
a
β≥
,
a*
(E 11)
so sind die Wertbeiträge nicht hoch genug, um einen Übernahmegewinn zu ermöglichen, bzw. ist die Steigung der Angebotsfunktion bei gegebenen Wertbeiträgen zu groß. In diesem Fall ergibt sich keine Anzahl zu erwerbender Aktien,
bei der überhaupt noch ein Gewinn auftreten würde. Der Bieter wird daher von
der Übernahme absehen und keine Aktien kaufen.
Beispiel E 1:
Der Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion im Rahmen eines öffentlichen Angebots betrage
C
IV
= 110 GE. Der innere Wert im Übernahmefall aus Sicht des Bieters betrage
WÜ = 115 GE. Daneben könne der Übernehmer externe Synergieeffekte in Höhe von
In
SYN EXT
= 10.000 GE verwirklichen. Die Steigung der Angebotsfunktion betrage ß = 0,001 .
Ü
Die Zielgesellschaft habe 8.000 Aktien emittiert, der Mindest-Zielstimmrechtsanteil, der dem
*
Übernehmer die Kontrolle ermöglicht, liege bei 40 %, was a = 3.200 Aktien entspricht.
Es gilt die Bedingung (E 9)
10.000
0,001 < 3.200
+ (115 − 110)
3.200
= 0,002539 ,
d.h. eine Übernahme mit Gewinn ist grundsätzlich möglich.
Wegen
a
krit
=
115 − 110
2 ⋅ 0, 001
 115 − 110  + 10.000 = 6531,13


 2 ⋅ 0,001  0, 001
2
+
dürfen jedoch höchstens 6531 Aktien gekauft werden, damit noch ein Gewinn entsteht.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
177
Ist eine Übernahme mit Gewinn möglich, so wird der Übernehmer ein Angebot
abgeben. Allerdings ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, wie groß die aus
der Sicht des Bieters gewinnoptimale Aktienmenge ist, die dieser nachfragen
wird.
Als Bedingung für ein Gewinnmaximum ergibt sich durch Ableitung der Übernahmegewinnfunktion
(E 12)
ÜG(a) = a ⋅ ( WÜIn − W IV (a) ) + SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ
= a ⋅ (WÜIn − CIV − β ⋅ a) + SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ
nach a die folgende Bedingung für ein Gewinnextremum:
(E 13)
∂ÜG(a)
= WÜIn − CIV − 2 ⋅β⋅ a = 0
∂a
für a * ≤ a ≤ A .
Die zweite Ableitung
(E 14)
∂ 2 ÜG(a)
= −2 ⋅ β < 0
∂a 2
zeigt, dass es sich um ein Gewinnmaximum handelt.
Die Auflösung von (E 13) nach der Anzahl der Aktien ergibt die optimale Anzahl
zu erwerbender Aktien bei diesem Verfahren
(E 15)
a=
WÜIn − CIV
2 ⋅β
für a * ≤ a ≤ A .
Da das in (E 15) abgeleitete Ergebnis nur für Werte von a größer oder gleich der
die Kontrolle vermittelnden Anzahl a * und kleiner oder gleich der Gesamtzahl A
gilt, müssen drei Fälle unterschieden werden:
•
Fall S1
(E 16)
WÜIn − CIV
>A
2 ⋅β
•
Fall S2
(E 17)
a* ≤
•
Fall S3
(E 18)
WÜIn − CIV
< a*
2 ⋅β
WÜIn − CIV
≤A
2 ⋅β
Kapitel E
178
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Es soll zunächst der Fall S2 betrachtet werden, da nur bei diesem das lokale Maximum der Übernahmegewinnfunktion im Definitionsbereich liegt. Anschließend
sollen die beiden anderen Fälle betrachtet werden, in denen dieses Maximum oberhalb bzw. unterhalb des Definitionsbereichs liegt.
(1) Fall S2
In diesem Fall liegt der errechnete Ausdruck innerhalb des Definitionsbereichs der
Übernahmegewinnfunktion. Es gilt für die optimale Anzahl zu kaufender Aktien
a opt
oR =
(E 19)
WÜIn − CIV 1
.
2 ⋅β
Der dazugehörige optimale Preis beträgt
opt
opt
opt
PoR
= W IV (a oR
) = CIV + β ⋅ a oR
=
(E 20)
CIV + WÜIn
.
2
Der Optimalpreis in dieser Konstellation ergibt sich also als arithmetisches Mittel
aus dem inneren Wert der Aktie aus der Sicht des Bieters und dem Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion .
Grafisch stellt sich die Konstellation wie folgt dar:
W IV (a)
W Ü (a)
WÜ (a opt
oR )
W IV
WÜ
In
Ü
opt
oR
IV
W
P
C
a*
Abb. E 2
a opt
oR
Maximaler Übernahmegewinn ohne Regulierung, Fall S2
1 Der Index oR weist auf die Situation ohne Regulierung hin.
A
a
3 Analyse des Übernahmeprozesses
179
Die schraffierte Fläche markiert den maximalen Übernahmegewinn bei diesem
Verfahren. Der Übernehmer wird in dieser Konstellation stets einen Preis bieten,
der unterhalb des inneren Wertes der Aktie im Übernahmefall liegt, bei dem im
Modell linearen Verlauf der Angebotskurve genau den Durchschnittspreis aus
dem Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion und dem inneren Wert.
Die Bedingung (E 17) kann zum besseren Vergleich auch analog zur Darstellung
der Bedingung für die Vorteilhaftigkeit einer Übernahme (E 9) modifiziert werden. Die Ungleichung kann zu
(E 21)
β≤
WÜIn − CIV
und
2 ⋅ a*
(E 22)
β≥
WÜIn − CIV
2⋅A
umgeformt werden. Die Steigung β der Angebotsfunktion kann definitionsgemäß
nicht negativ sein, da sie sich aus der nach den Limiten in aufsteigender Reihenfolge sortierten einzelnen Angeboten ergibt. Für den Bereich positiver β ist Ungleichung (E 21) stets gegenüber Ungleichung (E 9) die strengere Bedingung, d.h.
wenn (E 21) erfüllt ist, ist auch (E 9) erfüllt.
(2) Fall S3
Im Fall S3 liegt die in der folgenden Abbildung E 3 verdeutlichte Konstellation
vor.
W IV (a)
W Ü (a)
W IV
opt
PoR
WÜ
WÜIn
CIV
a*
Abb. E 3
Maximaler Übernahmegewinn ohne Regulierung, Fall S3
A
a
Kapitel E
180
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
In diesem Fall ist a * zugleich die optimale zu erwerbende Anzahl. Bei jeder höheren Anzahl erworbener Aktien würde sich der Übernahmegewinn reduzieren. Der
zugehörige optimale Preis
(E 23)
opt
PoR
= W IV (a * ) = C IV + β ⋅ a *
liegt in jedem Fall über dem optimalen Preis in dem vorherigen Fall, er kann auch
oberhalb des inneren Wertes WÜIn liegen. Der erzielbare maximale Gewinn ist
schraffiert eingezeichnet. In dem dargestellten Beispielfall ist die Übernahme nur
durch die auftretenden externen Effekte überhaupt lohnend für den Erwerber, da
der zu zahlende Preis über dem inneren Wert der Aktien liegt.
Damit der Fall S3 vorliegt, muss neben (E 9) zusätzlich
(E 24)
β>
WÜIn − CIV
2 ⋅ a*
gelten, was sich durch Umformung der Bedingung (E 18) ergibt. Die Steigung
muss also größer sein als im Fall S2, aber noch klein genug, dass sich an der
Stelle a * noch ein Übernahmegewinn ergibt.
(3)
Fall S1
Zuletzt sei noch auf den durch Bedingung (E 16) vorgegebene Fall S1 eingegangen, in dem das Ergebnis der Maximierung gem. Gleichung (E 15) größer ist als
die Anzahl der ausgegebenen Aktien und damit nicht im Definitionsbereich liegt.
In diesem Fall ist A die optimale Anzahl, d.h. der Übernehmer sollte alle Aktien
kaufen. Der zugehörige optimale Preis
opt
(E 25) PoR
= W IV (A) = C IV + β ⋅ A
liegt in jedem Fall unter dem Durchschnitt aus innerem Wert und Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion.
Ungleichung (E 16) kann zu
(E 26)
β<
WÜIn − CIV
2⋅A
umgeformt werden. Auch Bedingung (E 26) ist strenger als (E 9), d.h., ist (E 26)
erfüllt, so ist in jedem Fall eine Übernahme mit Gewinn möglich.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(4)
181
Zusammenfassung
Tabelle E 1 fasst die optimalen Preis-Mengenkombinationen in den verschiedenen
Konstellationen zusammen. Der Fall, dass eine Übernahme nicht vorteilhaft ist, ist
als Fall S4 zusätzlich aufgenommen.
Fall
Bedingungen
S1
β<
WÜIn − CIV
2⋅A
W In − CIV
WÜIn − CIV
≤ β≤ Ü *
2⋅ A
2⋅a
S2
Optimale Menge Optimaler Preis
opt
a opt
PoR
oR
A
CIV + β ⋅ A
WÜIn − CIV
2 ⋅β
CIV + WÜIn
2
a*
CIV + β ⋅ a*
kein Kauf
kein Kauf
WÜIn − CIV
<β
2 ⋅ a*
S3
S4
SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ
Ü
+ WÜIn − C IV
a*
<
a*
SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ
Ü
+ WÜIn − CIV
a*
β≥
a*
Tab. E 1
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Streubesitz ohne Regulierung
Diese Zusammenhänge sollen noch einmal anhand eines Beispiels verdeutlicht
werden:
Beispiel E 2
Es wird von den Daten des vorangegangenen Beispiels ausgegangen. ( C IV = 110 GE,
WÜIn = 115 GE, ß = 0,001 , a = 3.200 , SYN EXT
= 10.000 GE)
Ü
*
Es liegt der Fall S3 vor, denn es gilt:
β = 0, 001 >
WÜIn − C IV 115 − 110
=
= 0,00078 .
2 ⋅ a*
2 ⋅ 3.200
(Der zweite Teil der Bedingung für das Vorliegen von Fall S3, welcher anzeigt, ob überhaupt
eine Übernahme mit Gewinn möglich ist, wurde bereits in Beispiel E 1 bestätigt.)
Kapitel E
182
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Daher stellt a * = 3.200 zugleich die optimale Anzahl zu kaufender Aktien dar. Der zugehörige Preis beträgt
opt
PoR
= C IV + β ⋅ a * = 110 + 0, 001 ⋅ 3.200 = 113, 2 GE ,
der maximale Gewinn beläuft sich auf
ÜG(3.200) = 10.000 + 3.200 ⋅ (115 − 113,2) = 15.760 GE .
Würde die Steigung der Angebotsfunktion alternativ nur β = 0,0005 betragen, so läge wegen
WÜIn − C IV
W In − C IV
= 0, 0031 ≤ β = 0, 005 ≤ Ü * = 0, 00078
2⋅A
2⋅a
der Fall S2 vor.
Dann ergäbe sich die aus der Sicht des Übernehmers gewinnmaximale Preis-MengenKombination
a opt
oR =
WÜIn − C IV 115 − 110
=
= 5.000 Aktien und
2⋅β
2 ⋅ 0,0005
opt
PoR
=
C IV + WÜIn 110 + 115
=
= 112,5 GE.
2
2
Der Übernahmegewinn betrüge dann
ÜG(5.000) = 10.000 + 5.000 ⋅ (115 − 112,5) = 22.500 GE .
Aus Sicht des Übernehmers wäre es also in dieser Beispielsituation sinnvoll, nicht nur die angestrebte Mindest-Kontrollquote von 40 %, sondern einen Anteil von 62,5 % der Aktien zum
Preis von 112,5 GE pro Aktie zu erwerben. Der Optimalpreis entspricht dem arithmetischen
Mittel zwischen innerem Wert aus Sicht des Bieters und Börsenkurs.
3.1.1.2
Paket
Als nächstes soll der Erwerb eines vorhandenen Pakets von Aktien der Zielgesellschaft in den Kalkül einbezogen werden. Kauft der Übernehmer zunächst ein Paket von a P Aktien zum Preis PP pro Aktie, um dann anschließend ggf. noch ein
Übernahmeangebot abzugeben, so lässt sich der für a Aktien gezahlt Gesamtpreis
wie folgt ermitteln:
(E 27)
GP(a) = aP ⋅ P P + (a − a P ) ⋅ W IV (a − a P ) für a ≥ a P .
Der Term (a − a P ) bezeichnet dabei die Anzahl Aktien, die bei einem Gesamterwerb von a Aktien im Rahmen eines öffentlichen Angebots gekauft werden. Mit
3 Analyse des Übernahmeprozesses
183
Gleichung (E 27) lässt sich der Übernahmegewinn in Abhängigkeit von der Anzahl der insgesamt gekauften Aktien a gem. Gleichung
(D 21)
ÜG(a) = BÜ (a) − GP(a)
konkretisieren als
(E 28)
ÜG(a) = BÜ (a) −  a P ⋅ P P + (a − a P ) ⋅ W IV (a − a P )  für a ≥ a P .1
Eine Übernahme führt in diesem Fall also zu einem Gewinn, wenn gilt
(E 29)
BÜ (a) > a P ⋅ P P + (a − a P ) ⋅ W IV (a − a P ) ,
was durch Einsetzen der Gleichungen (D 12), (D 15) und (D 7) nach einigen elementaren Umformungen zu den folgenden Bedingungen für einen Gewinn bei
einer Übernahme durch Erwerb von a ≥ a * Aktien führt:
(E 30)
SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (P P − WÜIn )
Ü
+ WÜIn − CIV
P
−
a
a
β<
a − aP
für a > a P und a ≥ a * sowie
(E 31)
SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (P P − WÜIn ) > 0
Ü
für a = a P ≥ a *
Die Ungleichung (E 30) kann als Verallgemeinerung der Formel (E 5) angesehen
werden. Setzt man a P = 0 ein, so erhält man diese Bedingung für die Situation bei
Streubesitz. Insofern kann auch hinsichtlich der Interpretation an die obigen Ausführungen angeknüpft werden.
•
Der Ausdruck SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ gibt wiederum den Wert der externen
Effekte an. Hiervon wird der Term a P ⋅ (P P − WÜIn ) abgezogen. Dieser kann
bei positivem Wert der Klammer als über den inneren Wert des Pakets im
Übernahmefall hinaus gezahlter Zuschlag interpretiert werden.2 Dieser Zuschlag vermindert einen durch die externen Effekte auftretenden positiven
Effekt auf den Übernahmegewinn. Ist schon der interne Wert der Aktien im
1 Eine Übernahme ohne den Erwerb eines Pakets ist gem. den oben getroffenen Annahmen ausgeschlossen. Da das Paket nur ungeteilt verkauft wird, ist eine positive Anzahl von a < a
betrachteten Fall nicht möglich.
P
im
2 Es soll hier nicht von Paketzuschlag gesprochen werden, da dieser typischerweise als Zuschlag
auf den Börsenkurs verstanden wird, nicht auf den inneren Wert aus Sicht des Übernehmers.
Kapitel E
184
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Übernahmefall höher als der Paketpreis, so erhöht der Term den Übernahmegewinn sogar noch. Der gesamte Ausdruck stellt somit den Fixanteil des
Übernahmegewinns dar, der unabhängig von der Anzahl der im Rahmen des
öffentlichen Angebots gekauften Aktien im Übernahmefall auftritt. Um die
vorzunehmende Untersuchung auf eine überschaubare Anzahl von Fallunterscheidungen zu begrenzen, werden im Folgenden nur noch solche Fälle
betrachtet, in denen dieser Fixanteil positiv ist. Der Fixanteil am Übernahmegewinn wird auf die Anzahl (a − a P ) der Aktien bezogen, welche im
Rahmen des öffentlichen Angebots noch gekauft werden.
•
Die Summe (WÜIn − C IV ) entspricht wie in der Situation bei Streubesitz der
Differenz zwischen dem Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion und dem
inneren Wert im Übernahmefall aus Erwerbersicht.
•
Zusammen ergeben die Terme des Zählers von Ungleichung (E 30) die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Wert (einschließlich des gesamten
Fixanteils des Übernahmegewinns) nach Paketerwerb zusätzlich noch erworbener Aktien und dem Ordinatenabschnitt der Angebotsfunktion.
•
Bezieht man diese Differenz auf die Anzahl der zusätzlichen Aktien
(a − a P ) , so ergibt sich die kritische Steigung der Preisfunktion, bei der bei
den gegebenen Ausgangsdaten der Übernahmegewinn gerade null wird.
Diese Interpretationen lassen sich auch grafisch anschaulich verdeutlichen. Trägt
man das erworbene Paket vor den Ursprung der Angebotskurve in das Diagramm
mit den Bewertungskalkülen ein, so ergibt sich beispielsweise die folgende Situation:
W IV (a)
W Ü (a)
WÜ (a ′)
PP
WÜIn
P(a ′)
CIV
W IV
WÜ
aP
Abb. E 4
a* a′
Übernahmegewinn bei Paketkauf und Übernahmeangebot I
A
a
3 Analyse des Übernahmeprozesses
185
Die grau schraffierte Fläche markiert den Übernahmegewinn in dieser Situation.
Er ergibt sich hier als Wert der Beteiligung abzüglich der für das Paket und den
Erwerb aus dem Angebot gezahlten Gesamtpreise. Man erkennt in dem Beispiel,
dass der für das Paket gezahlte Preis über dem bei dem Übernahmeangebot gezahlten Preis liegt. Er liegt hier zudem über dem inneren Wert der Aktien im Übernahmefall. Daher stellt das sich ergebende unschraffierte Rechteck oberhalb
von W In den Zuschlag (bezogen auf den inneren Wert) dar, der den Fixanteil am
Übernahmegewinn reduziert.
Bezieht man wie in Ungleichung (E 30) den Fixanteil nicht auf die Gesamtzahl
der erworbenen Aktien a, sondern allein auf die im Rahmen des Angebots erworbenen (a − a P ) Aktien, so ergibt sich eine neue Bewertungskurve WÜ (a) , welche
den Maximalpreis angibt, die im Rahmen des Angebots bei einem Gesamterwerb
von a Aktien gerade noch gezahlt werden darf, damit kein Verlust entsteht. Der
Maximalpreis setzt sich aus dem inneren Wert der Aktie und dem auf (a − a P )
Aktien bezogenen Fixanteil zusammen. Er ergibt sich formal als
(E 32)
WÜ (a) = WÜIn +
SYN EXT + A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (P P − WÜIn )
a − aP
für a > a P , a > a * .
Diese veränderte Darstellung der in Abb. E 4 aufgezeigten Situation zeigt Abb.
E 5:
W IV (a)
WÜ (a)
ŴÜ (a)
1)
WÜ (a ′)
WÜ (a ′)
2)
WÜIn
P(a ′)
WÜ
WÜ
γ′
CIV
aP
EXT
P
P
In
1) SYN Ü + A ⋅ TRANSÜ − a ⋅ (P − WÜ )
a − aP
Abb. E 5
W IV
a* a′
A
2) WÜIn − CIV
Übernahmegewinn bei Paketkauf und Übernahmeangebot II
a
186
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Die Differenz zwischen den Bewertungskurven WÜ (a) und WÜ (a) ergibt sich aus
zwei Effekten:
•
Zum einen beziehen sich die externen Effekte nunmehr auf die geringere
Anzahl (a − a P ) Aktien. Isoliert betrachtet führt das dazu, dass die Kurve
WÜ (a) gegenüber WÜ (a) höher liegt, wobei die Differenz zwischen den
Kurven mit zunehmender Anzahl a abnimmt.
•
Daneben ist in die Kurve allerdings auch der im zugrunde liegenden Fallbeispiel gezahlte Zuschlag über den internen Wert eingearbeitet, der den Fixanteil am Gewinn reduziert und damit die Kurve WÜ (a) tendenziell nach
unten verlagert. Dieser Effekt kann den oben beschriebenen durchaus übersteigen, sodass die Kurve WÜ (a) im Endeffekt auch unterhalb von WÜ (a)
liegen kann.1 Sofern der gezahlte Paketpreis, anders als in dem dargestellten
Beispiel, geringer ist als der innere Wert, also kein Paketzuschlag gezahlt
werden muss, so liegt die Kurve WÜ (a) eindeutig höher als WÜ (a) .
Der Gewinn ist wiederum als schraffierte Fläche dargestellt. Er wird in dieser
Darstellungsform ausschließlich oberhalb der im Rahmen des öffentlichen Angebots erworbenen Aktien abgelesen. Die Größe der Fläche entspricht rechnerisch
genau derjenigen in der ursprünglichen Darstellungsform.
Der Tangens des Winkels γ ′ stellt die maximale Steigung dar, die die Angebotsfunktion beim Kauf einer Gesamtbeteiligung von a Aktien – also (a − a P ) Aktien
im Rahmen des öffentlichen Angebots – haben dürfte, damit gerade kein Verlust
entsteht.
Die kritische Anzahl Aktien, bei deren Überschreiten ein Verlust auftritt, ergibt
sich analog zu (E 7) als
1 Im Extremfall, wenn der über den inneren Wert im Übernahmefall hinausgehende Zuschlag
den Wert der externen Effekte übersteigt, ergibt sich sogar ein negativer Fixanteil, der dazu
führen würde, dass der fallende Verlauf der Funktion umschlagen würde in einen steigenden
Verlauf. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt D 3.4.3.3. Um eine Ausuferung der Anzahl
zu betrachtender Fälle zu vermeiden, wurde die Untersuchung auf solche Fälle beschränkt, in
denen ein positiver Fixanteil am Übernahmegewinn verbleibt, sodass neben der Kurve WÜ (a)
auch die Kurve WÜ (a) stets einen fallenden Verlauf aufweist.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(E 33)
a krit = a P +
187
WÜIn − C IV
2 ⋅β
2
 W In − CIV  SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (P P − WÜIn )
+  Ü
.
 +
β
 2 ⋅β 
Für die Betrachtung der Vorteilhaftigkeit eines Kaufs sollen zwei Fälle hinsichtlich der Größe des Pakets unterschieden werden, nämlich das Vorliegen eines
nicht beherrschenden Pakets (a P < a * ) bzw. eines beherrschenden Pakets
(a P ≥ a * ) .
(1)
Nicht beherrschendes Paket
Für den Fall, dass (a P < a * ) gilt, ist der Abstand zwischen der Maximalpreiskurve
WÜ (a) und der Angebotsfunktion W IV (a) an der Stelle a = a * am größten. Wenn
also an dieser Stelle keine positive Differenz verbleibt, dann auch an keiner anderen Stelle. Daraus ergibt sich die Bedingung für die Vorteilhaftigkeit im Fall mit
Paket als
(E 34)
SYN EXT
+ A ⋅ TRANS Ü − a P ⋅ (P P − CIV )
Ü
+ WÜIn − CIV
*
P
a
−
a
β<
a* − a P
für a P < a * .
Steht fest, dass eine Übernahme durchgeführt wird, ist die optimale PreisMengenkombination zu suchen. Für den Fall, dass a P < a * gilt, lassen sich analog
zur Untersuchung der Situation bei Streubesitz wiederum drei Fälle unterscheiden.
Auf eine ausführliche Herleitung wird daher verzichtet. Die Ergebnisse sind in der
folgenden Tabelle festgehalten.
Kapitel E
188
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Optimale
Menge
Bedingungen
Fall
a opt
oR
Optimaler Preis
opt
PoR
a P < a*
A
CIV + β ⋅ (A − a P )
WÜIn − CIV
+ aP
2 ⋅β
CIV + WÜIn
2
a*
CIV + β ⋅ (a* − a P )
kein Kauf
kein Kauf
W In − CIV
β< Ü
2 ⋅ (A − a P )
P1
a P < a*
W −C
W −C
≤ β≤
;
2 ⋅ (A − a P )
2 ⋅ (a * − a P )
P2
In
Ü
IV
In
Ü
IV
a P < a*
P3
WÜIn − C IV
<β
2 ⋅ (a * − a P )
SYN
<
EXT
Ü
+ A ⋅ TRANSÜ − a ⋅ (P − W )
+ (WÜIn − C IV )
a* − a P
*
P
a −a
P
P
In
Ü
a P < a*
P4
SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (PP − WÜIn )
+ (WÜIn − CIV )
a* − a P
ß≥
*
P
a −a
Tab. E 2
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines nichtkontrollierenden Pakets
ohne Regulierung
Die Zusammenhänge sollen mit dem folgenden Beispiel noch einmal verdeutlicht
werden.
Beispiel E 3
= 10.000 GE,
Es gelten die bekannten Ausgangsdaten C IV = 110 GE, WÜIn = 115 GE, SYN EXT
Ü
ß = 0,001 , A = 8.000 Aktien, a * = 3.200 Aktien.
Es gebe allerdings einen Aktionär, der ein Paket von 25 %, also a P = 2000 hält und hierfür
einen Preis von P P = 119 GE pro Aktie verlangt. Eine Übernahme ohne den Erwerb des Pakets ist annahmegemäß ausgeschlossen.
Da wegen
10.000 − 2000 ⋅ (119 − 115)
+ 115 − 110
3.200 − 2000
β = 0, 001 <
= 0, 005
3.200 − 2000
die Bedingung (E 34) erfüllt ist, ist eine Übernahme mit Gewinn möglich.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
189
Die kritische Anzahl Aktien, bei deren Überschreiten ein Verlust auftreten würde, beträgt gemäß (E 33)
2
a krit = 2000 +
115 − 110
 115 − 110  10.0000 − 2000 ⋅ (119 − 115)
+ 
= 7.372, 28 .
 +
2 ⋅ 0, 001
β
 2 ⋅ 0,001 
Es dürften also insgesamt höchstens 7.372 Aktien gekauft werden, d.h. 2.000 als Paket und
5.372 im Rahmen des öffentlichen Angebots.
Wegen
115 − 110
115 − 110
= 0, 000416 < 0,001 = β ≤
= 0, 00208
2 ⋅ (8.000 − 2.000)
2 ⋅ (3.200 − 2.000)
liegt der Fall P2 vor.
Daher ergibt sich die optimale Preis-Mengen-Kombination als
a opt
oR =
WÜIn − C IV
115 − 110
+ aP =
+ 2.000 = 4.500
2⋅β
2 ⋅ 0,001
und
opt
PoR
= 110 + 2.500 ⋅ 0,001 = 112,5 .
Im Gewinnoptimum werden also 4.500 Aktien gekauft. Neben dem Paket werden 2.500 Aktien im Rahmen des öffentlichen Angebots zum Preis von 112,5 GE pro Aktie gekauft.
Der zugehörige maximale Übernahmegewinn beträgt
ÜG(4.500) = 10.000 + 4.500 ⋅ 115 − 2.000 ⋅119 − 2.500 ⋅112, 5 = 8.250 GE
(2)
Beherrschendes Paket
Im Fall (a P ≥ a * ) ist durch die Beschränkung der Untersuchung auf Fälle mit positivem Fixbeitrag gewährleistet, dass der Paketkauf für sich genommen bereits
vorteilhaft ist. Damit ist Ungleichung (E 31) in allen betrachteten Fällen erfüllt.
Insofern werden in diesem Fall mindestens a = a P Aktien gekauft. Die auch nach
Abzug des Paketzuschlags noch positiven externen Effekte können allein durch
den Paketkauf realisiert werden. Unter Umständen ist es jedoch sinnvoll, darüber
hinaus noch weitere Aktien zu kaufen, und zwar dann, wenn durch den zusätzlichen Kauf der Übernahmegewinn noch gesteigert werden kann. Das ist dann der
Fall, wenn Aktien unter ihrem inneren Wert gekauft werden können. Als Bedingung für die Vorteilhaftigkeit des zusätzlichen Kaufs mindestens einer Aktie ergibt sich demnach:
(E 35)
WÜIn > W IV (1) ,
was nach Einsetzen von (D 12) die Ungleichung
Kapitel E
190
(E 36)
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
β < WÜIn − CIV
ergibt. Eine Verpflichtung zum Kauf weiterer Aktien gibt es jedoch in der Vergleichssituation ohne Regulierung nicht.
Falls (E 36) erfüllt ist, ergibt sich die optimale zu kaufende Menge analog zu den
obigen Überlegungen als
(E 37) a opt
oR = A für
(E 38)
opt
a oR
=
WÜIn − CIV
+ aP > A
2 ⋅β
(Fall P5) und
W In − CIV
WÜIn − C IV
+ a P für Ü
+ aP ≤ A
2 ⋅β
2 ⋅β
(Fall P6).
Die Bedingung
(E 39)
WÜIn − CIV
+ aP > A
2 ⋅β
kann umgeformt werden zu
(E 40)
β<
WÜIn − CIV
,
2 ⋅ (A − a P )
was gegenüber (E 36) die strengere Bedingung darstellt.
Damit ergeben sich für den Fall des Kaufs eines beherrschenden Pakets folgende
drei Fälle.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
Fall
Bedingungen
191
Optimale
Menge
a opt
oR
Optimaler Preis
opt
PoR
A
CIV + β ⋅ (A − a P )
WÜIn − CIV
+ aP
2 ⋅β
CIV + WÜIn
2
aP
kein Kauf im
Rahmen des
Angebots
a P ≥ a*
P5
β<
WÜIn − CIV
2 ⋅ (A − a P )
a P ≥ a*
WÜIn − CIV
≤ β < W In − CIV
2 ⋅ (A − a P )
P6
a P ≥ a*
P7
β ≥ W In − CIV
Tab. E 3
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines kontrollierenden Pakets ohne
Regulierung
Auch zu dieser Konstellation sei abschließend ein kurzes Beispiel vorgestellt:
Beispiel E 4
= 10.000 GE,
Es gelten wiederum die Ausgangsdaten C IV = 110 GE, WÜIn = 115 GE, SYN EXT
Ü
ß = 0,001 , A = 8.000 Aktien, a * = 3.200 Aktien.
Es gebe ein beherrschendes Paket von 45 %, also a P = 3.600 , für das dessen Besitzer einen
Preis von P P = 117,5 GE pro Aktie verlangt.
Wegen
β = 0,0001 < 115 − 110 ist ein zusätzlicher Erwerb von Aktien im Rahmen des öffentlichen
Angebots sinnvoll.
Da zugleich die Beziehung
115 − 110
= 0, 000568 < 0, 001 = β
2 ⋅ (8000 − 3.600)
gilt, liegt Fall P6 vor.
Die optimale Preis-Mengen-Kombination ergibt sich als
a opt
oR =
115 − 110
opt
+ 3.600 = 6.100 und PoR
= 110 + 2.500 ⋅ 0,001 = 112,5 GE.
2 ⋅ 0, 001
Neben dem Paket werden wiederum 2.500 Aktien im Rahmen des öffentlichen Angebots zum
Preis von 112,5 GE pro Aktie gekauft.
Der Übernahmegewinn beläuft sich auf
ÜG(6.100) = 10.000 + 6.100 ⋅115 − 3.600 ⋅117,5 − 2.500 ⋅112,5 = 7.250GE .
Kapitel E
192
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
3.1.2
Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
3.1.2.1
Vorbemerkung
Bei der Analyse der Wirkungen einer Übernahme auf die Aktionäre wird untersucht, wie sich die Vermögenssituation der Aktionäre der Zielgesellschaft durch
den Übernahmeprozess verändert. Dazu wird die Vermögenssituation im Zeitpunkt t = 0, die sich als individuelle Bewertung der gehaltenen Aktien mit Wj0
ergibt, mit der Situation nach dem Übernahmeversuch in t = VI verglichen. Dabei
wird davon ausgegangen, dass sich der Bieter im Sinne der im vorigen Abschnitt
herausgearbeiteten Strategie optimal verhält. Die Betroffenheit der Aktionäre wird
getrennt für den sog. Ausbeutungsfall und den Synergiefall untersucht.
3.1.2.2
Streubesitz
3.1.2.2.1 Ausbeutungsfall
Die Auswirkungen der Durchführung einer Übernahme mittels öffentlichen Angebots auf die Vermögenssituation der Aktionäre der Zielgesellschaft lässt sich im
Ausbeutungsfall grafisch wie folgt darstellen:
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
w
W0 = W−
W IV = W +
v
WÜIn
opt
PoR
u
CIV = C+
aA
A
Abb. E 6
a*
B
a opt
oR
A
a
C
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz ohne Regulierung
3 Analyse des Übernahmeprozesses
193
Da das Übernahmeangebot mit einer Mindestquote abgegeben wird, gilt, wie in
Teil D hergeleitet wurde,
(D 9)
W IV (a) = W + (a) .1
In der Ausbeutungssituation verläuft die Funktion W + (a) vollständig unterhalb
der Bewertungsfunktion W 0 (a) in der Ausgangssituation. Der Bieter wählt auf
Grund der ihm bekannten Angebotsfunktion die optimale Menge a opt
oR und den
opt
optimalen Preis PoR
.
Dadurch können bis zu drei unterschiedlich betroffene Gruppen von Altaktionären
der Zielgesellschaft entstehen:
•
opt
nicht unterhalb von C0 + α ⋅1 liegt, gibt es eine GrupSofern der Preis PoR
pe A von Aktionären, die durch die Übernahme einen Gewinn macht. Sie
können ihre Aktien zu einem Preis in mindestens der Höhe ihres individuellen Wertes in der Ausgangssituation verkaufen.2 Sofern die Gruppe A besetzt ist, also sofern gilt
opt
(E 41) PoR
≥ C0 + α ,
A
– zu diesem Zeitpunkt ehemalige – Aktionäre mit
umfasst sie a oR
A
(E 42) a oR
=
opt
PoR
− C0
.
α
Wenn die Gruppe nicht besetzt ist, also bei
opt
(E 43) PoR
< C0 + α ,
gilt
(E 44) a AoR = 0 .
1 Vgl. Abschnitt D 3.3.3.
2 Ein Aktionär, der den gezahlten Preis als äquivalent zu seinem Aktienwert in der Ausgangssituation einschätzt, wird also definitorisch der Gruppe A zugeordnet.
Kapitel E
194
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Der Gewinn eines jeden Einzelnen beträgt
A
opt
(E 45) ∆VoR,j
= PoR
− Wj0 > 0 .
Der Gewinn der gesamten Gruppe ist in der Zeichnung als schraffiertes
Dreieck mit der Bezeichnung u abgebildet. Rechnerisch ergibt er sich als
1 A
A
opt
(E 46) ∆VoR
= ⋅ a oR
⋅ (PoR
− C0 ) .
2
•
Weiterhin gibt es in jedem Fall eine Gruppe B, deren Angehörige ihre Aktien ebenfalls verkauft haben, die jedoch nur einen Preis unterhalb des individuellen Wertes der Aktie in der Ausgangssituation erhalten und dadurch einen Verlust erlitten haben. Ihre Anzahl beträgt
B
A
(E 47) a oR
= a opt
oR − a oR .
Die Vermögensänderung jedes Einzelnen beläuft sich auf
B
opt
(E 48) ∆VoR,j
= PoR
− Wj0 < 0 .
Der Verlust der Gruppe wird in der Abbildung durch das schraffierte Dreieck mit der Bezeichnung v verdeutlicht. Die Vermögensänderung beträgt
1 B
B
opt
opt
(E 49) ∆VoR
= ⋅ a oR
⋅ ( PoR
− W 0 (a oR
)) .
2
•
Werden nicht alle Aktien der Zielgesellschaft gekauft, so gibt es zudem eine
Gruppe C, deren Angehörige nunmehr in die Position von Minderheitsaktionären geraten sind. Ihre Anzahl beträgt
(E 50) a CoR = A − a opt
oR .
Jeder Angehörige der Gruppe erleidet einen Verlust von
C
(E 51) ∆VoR,j
= Wj+ − Wj0 < 0 ,
der sich als Minderung des individuellen Wertes seiner Aktie darstellt.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
195
Der Verlust der gesamten Gruppe kann in der Abbildung als die schraffierte
Fläche w zwischen den Bewertungsfunktionen abgelesen werden und beträgt
C
(E 52) ∆VoR
= a CoR ⋅
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
) + W IV (A) − W 0 (A)
.
2
Beispiel E 5
Die Zielgesellschaft habe insgesamt A = 10.000 Aktien ausgegeben, der Börsenkurs in der
Ausgangssituation sei C 0 = 200 und α = 0,0025. Das bedeutet, dass alle Aktionäre ihre Aktien mit Werten zwischen 200 und 225 GE bewerten. Der Übernehmer benötige mindestens 30
% der Aktien, also a * = 3.000, um die Kontrolle zu erlangen. Der Übernehmer rechnet mit einem
SYN
inneren
Ext
Ü
Wert
WÜIn = 220
und
mit
externen
Effekten
im
Umfang
von
+ A ⋅ TRANS = 80.000 GE.
Ü
Es liege der Ausbeutungsfall vor, d.h. alle Aktionäre rechnen mit Ausbeutung und bewerten
deshalb den Wert einer Aktie nach erfolgreicher Übernahme niedriger als bei Unabhängigkeit.
Der Börsenkurs in t = II kann auf Grund von Spekulation auf eine Übernahmeprämie dennoch
steigen, was jedoch keinen weiteren Einfluss auf den Übernahmeprozess mehr hat. Die Angebotsfunktion ergebe sich als W IV (a) = W + (a) = 196 + 0,002 ⋅ a .
Damit ist das Ergebnis des Übernahmeprozesses determiniert: Wegen
WÜIn − C IV 220 − 200
W In − C IV 220 − 200
=
≤ β = 0,002 ≤ Ü * =
2⋅A
2 ⋅10.000
2 ⋅a
2 ⋅ 3.000
liegt der Fall S2 vor.
Der Bieter wird daher
a opt
oR =
WÜIn − C IV 220 − 196
=
= 6.000 Aktien zum Preis von
2⋅β
2 ⋅ 0, 002
opt
PoR
=
WÜIn + C IV 220 + 196
=
= 208 GE erwerben.
2
2
Sein Gewinn beträgt
ÜG(6.000) = 6.000 ⋅ (220 − 208) + 80.000 = 152.000 GE.
Die Größen der drei Aktionärsgruppen ergeben sich als
A
a oR
=
opt
PoR
− C 0 208 − 200
=
= 3.200
α
0, 0025
B
opt
a oR
= a oR
− a AoR = 6.000 − 3.200 = 2.800
opt
a CoR = A − a oR
= 10.000 − 6.000 = 4.000
Kapitel E
196
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Damit ergeben sich die Vermögensänderungen der jeweiligen Aktionärsgruppen als
A
∆VoR
=
1 A
1
opt
⋅ a oR ⋅ (PoR
− C0 ) = ⋅ 3.200 ⋅ (208 − 200) = +12.800 GE,
2
2
B
∆VoR
=
1 B
1
opt
opt
⋅ a oR ⋅ ( PoR
− W 0 (a oR
) ) = ⋅ 2.800 ⋅ (208 − 215) = −9.800 GE und
2
2
opt
opt
− W 0 (a oR
PoR
) + W IV (A) − W 0 (A)
2
(208 − 215) + (216 − 225)
= 4.000 ⋅
= −32.000GE.
2
C
∆VoR
= a CoR ⋅
Es gibt in dem Beispiel also eine Gruppe von 3.200 Anlegern, die einen Gewinn durch den
Verkauf an den Übernehmer macht, sowie 6.800 Anleger, die einen Verlust erleiden. Davon
verkaufen 2.800 Aktionäre ihre Aktie an den Übernehmer und 4.000 Aktionäre geraten in die
Position von Minderheitsaktionären.
Es konnte somit gezeigt werden, dass den Aktionären der Zielgesellschaft durch
die Übernahme im Ausbeutungsfall Minderungen ihres Vermögens drohen. Es
gibt stets eine Gruppe, die ihre Aktien mit Verlust verkauft. Ggf. verbleibende
Minderheitsaktionäre erleiden ebenfalls stets einen Verlust. Die Verluste sowohl
der einen wie auch der anderen Gruppe resultieren aus der drohenden Ausbeutung
der Zielgesellschaft. Hieraus ergibt sich das Schutzbedürfnis für diese Aktionäre.
Es ist allerdings keineswegs so, dass alle Aktionäre negativ betroffen sind. Es
konnten Bedingungen dafür gezeigt werden, dass es eine Gruppe von Aktionären
gibt, die selbst im betrachteten Ausbeutungsfall noch Gewinne durch die Übernahme erzielt. Diese Gewinne können im Einzelfall sogar die Verluste der beiden
anderen Gruppen übersteigen.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
197
3.1.2.2.2 Synergiefall
Für den Fall, dass aus Sicht der Beteiligten die internen Synergieeffekte etwaige
Ausbeutungen überwiegen, ergibt sich folgendes Bild:
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
W IV = W +
W0 = W−
W In
P opt
C+
C0
a*
a opt
oR
D
Abb. E 7
A
a
E
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei
Streubesitz ohne Regulierung
Im Synergiefall gibt es unter den Aktionären keine Gruppe, die einen Verlust erleidet. Es können jedoch zwei Gruppen von Gewinnern unterschieden werden:
•
Gruppe D umfasst diejenigen Aktionäre, die ihre Aktien an den Übernehmer
verkaufen. Ihre Anzahl beträgt
(E 53)
D
opt
a oR
= a oR
.
Der Gewinn eines jeden Einzelnen beträgt
(E 54)
D
opt
∆VoR,j
= PoR
− Wj0 .
Der Gesamtgewinn der Gruppe D beträgt
(E 55)
opt
 opt C0 + W 0 (a oR
)
D
∆VoR
= a opt
oR ⋅  PoR −
.
2


Kapitel E
198
•
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Gruppe E ist die Gruppe der verbliebenen Minderheitsaktionäre. Die Gruppe
umfasst
(E 56)
E
opt
a oR
= A − a oR
Mitglieder. Ihr Gewinn liegt in der Wertsteigerung ihrer Aktien:
(E 57)
E
∆VoR,j
= Wj+ − Wj0 .
Der Gesamtgewinn der Gruppe beläuft sich demnach auf
(E 58)
E
∆VoR
= (A − aopt
oR ) ⋅
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
) + W IV (A) − W 0 (A)
.
2
Im Synergiefall ergibt sich also keine Vermögensminderung für die Aktionäre
der Zielgesellschaft. Weder die verkaufenden Aktionäre noch die verbleibenden
Minderheitsaktionäre erleiden eine Verlust, sondern können im Gegenteil aus der
Übernahme einen Gewinn erzielen. Es wird jedoch zu untersuchen sein, wie sich
dieser Gewinn durch die Regulierung von Übernahmeangeboten verändert.
3.1.2.3
Paket
3.1.2.3.1 Ausbeutungsfall
Die für den Fall bei Streubesitz hergeleiteten Ergebnisse gelten grundsätzlich auch
für den Fall mit Paketerwerb. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Einteilung
der drei möglichen Gruppen für den Fall eines nichtbeherrschenden Pakets analog
zur obigen Darstellung.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
199
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
W0 = W−
W IV = W +
In
Ü
W
opt
PoR
C0
C+
a P (a A + a P ) a *
Gruppe
Abb. E 8
A
a opt
oR
B
A
a
C
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall
bei Paketkauf ohne Regulierung
Es ergeben sich wie im Streubesitzfall drei Gruppen von unterschiedlich betroffenen Aktionären. Zur Interpretation kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.1 Analog zu den Überlegungen bei Streubesitz ergeben sich die
Größen der Gruppen als:
opt
PoR
− C0
opt
für PoR
≥ C 0 + α und
α
(E 59)
A
a oR
=
(E 60)
opt
a AoR = 0 für PoR
< C 0 + α sowie
(E 61)
B
P
A
a oR
= a opt
oR − a − a oR und
(E 62)
a CoR = A − a opt
oR .
Die Vermögensänderungen der jeweiligen Aktionäre betragen
(E 63)
A
opt
∆VoR,j
= PoR
− Wj0 > 0 ,
1 Vgl. Abschnitt E 3.1.2.2.1.
Kapitel E
200
(E 64)
B
opt
∆VoR,j
= PoR
− Wj0 < 0 und
(E 65)
C
∆VoR,j
= Wj+ − Wj0 < 0
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
und die der gesamten Gruppen
(E 66)
1 A
A
opt
∆VoR
= ⋅ a oR
⋅ (PoR
− C0 ) ,
2
(E 67)
1 B
B
opt
opt
∆VoR
= ⋅ a oR
⋅ ( PoR
− W 0 (a oR
− a P ) ) und
2
(E 68)
C
∆VoR
= a CoR ⋅
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
.
2
Beispiel E 6
Es seien folgende Ausgangsdaten gegeben: A = 8.000 Aktien, a * = 3.200 Aktien, WÜIn = 440
IV
GE, A ⋅ TRANSÜ + SYN Ext
= 400 GE, β = 0,01 .
Ü = 40.000 GE, C
Für eine erfolgreiche Übernahme muss das beherrschende Paket von a P = 3.200 Aktien zum
Preis von P P = 445 pro Aktie erworben werden.
Die Steigung der Bewertungsfunktion in t = 0 betrage α = 0,0125, der Abszissenabschnitt
C 0 = 410 GE .
1
Strategie des Bieters
Wegen a P ≥ a * und
WÜIn − C IV
≤ β < W In − C IV liegt Fall P6 gemäß Tabelle E 3 vor. Damit
2 ⋅ (A − a P )
gilt für die optimale Preis-Mengen-Kombination
a opt
oR =
WÜIn − C IV
440 − 400
+ aP =
+ 3.200 = 5.200
2 ⋅β
2 ⋅ 0,01
opt
PoR
=
C IV + WÜIn 400 + 440
=
= 420 GE.
2
2
Damit ergibt sich ein Übernahmegewinn von
ÜG(5.200) = 5.200 ⋅ 440 + 40.000 − 3.200 ⋅ 445 − 2.000 ⋅ 420 = 64.000 GE.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
2
201
Wirkung der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
Es ergeben sich gem. der Formeln (E 59), (E 61) und (E 62) folgende Gruppengrößen
A
a oR
=
opt
− C 0 420 − 410
PoR
=
= 800
α
0,0125
B
opt
A
a oR
= a oR
− a P − a oR
= 5.200 − 3.200 − 800 = 1.200 und
opt
a CoR = A − a oR
= 8.000 − 5.200 = 2.800 .
Die Vermögensänderungen der Gruppen betragen
A
∆VoR
=
1 A
1
opt
⋅ a oR ⋅ (PoR
− C0 ) = ⋅ 800 ⋅ (420 − 410) = +4.000 GE,
2
2
B
∆VoR
=
1 B
1
opt
opt
⋅ a oR ⋅ ( PoR
− W 0 (a oR
− a P ) ) = ⋅ 1.200 ⋅ (420 − 435) = −9.000 und
2
2
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
.
420 − 435 + 448 − 470
= 2.800 ⋅
= −51.800GE
2
C
∆VoR
= a CoR ⋅
Der Saldo der Vermögensänderungen aller Aktionäre beträgt damit –56.800 GE.
3.1.2.3.2 Synergiefall
Auch im Synergiefall ergeben sich ohne Regulierung grundsätzlich die gleichen
Wirkungen für die Aktionäre der Zielgesellschaft wie im Streubesitzfall, wie die
nachfolgende Abbildung – diesmal für den Fall eines beherrschenden Pakets –
verdeutlicht. Auch hier gibt es zwei Gruppen von Gewinnern, wovon eine Gruppe
mit Gewinn verkauft und eine Gruppe als verbleibende Minderheitsaktionärsgruppe an der Wertsteigerung durch Synergieeffekte teilhat.
Kapitel E
202
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
WÜIn
C+
W IV = W +
W0 = W−
opt
oR
P
C0
a*
aP
a opt
oR
D
Abb. E 9
A
a
E
Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei
Paketkauf ohne Regulierung
Die Gruppengrößen betragen
(E 69)
D
opt
a oR
= a oR
− a P und
(E 70)
E
opt
a oR
= A − a oR
.
Die Gewinne der einzelnen Gruppenangehörigen betragen
(E 71)
D
opt
∆VoR
= PoR
− Wj0 und
(E 72)
E
∆VoR
= W j+ − Wj0 .
Die jeweiligen Gewinne der beiden Gruppen ergeben sich als
(E 73)
 opt C0 + W 0 (a opt − a P ) 
D
P
∆VoR
= (a opt
oR − a ) ⋅  PoR −

2


(E 74)
E
∆VoR
= (A − aopt
oR ) ⋅
und
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
.
2
3 Analyse des Übernahmeprozesses
203
Beispiel E 7
Es sollen die gleichen Ausgangsdaten wie in Beispiel E 6 zugrunde gelegt werden ( A = 8.000
IV
Aktien, a * = 3.200 Aktien, WÜIn = 440 GE, A ⋅ TRANSÜ + SYN Ext
= 400
Ü = 40.000 GE, C
GE, β = 0,01, a P = 3.200 Aktien, P P = 445 GE. Für die optimale Preis-Mengen-Kombination
opt
des Bieters gilt dann unverändert a opt
oR = 5.200 und PoR = 420 .
Die Steigung der Bewertungsfunktion in t = 0 betrage wiederum α = 0,0125, der Abszissenabschnitt sei aber C 0 = 380, sodass der Synergiefall vorliegt.
Es ergeben sich die Gruppengrößen
D
opt
a oR
= a oR
− a P = 2000 und
E
opt
a oR
= A − a oR
= 8.000 − 5.200 = 2.800 .
Der Gewinn der beiden Gruppen beträgt
opt
 opt C0 + W 0 (a oR
− aP ) 
380 + 405 

D
P
∆VoR
= (a opt
 = 2000 ⋅  420 −
oR − a ) ⋅  PoR −
 = +55.000GE
2
2




und
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
420 − 405 + 448 − 440
= 2.800 ⋅
= +32.200GE.
2
E
∆VoR
= (A − aopt
oR ) ⋅
Der Summe der Gewinne der beiden Gruppen beträgt demnach 87.200 GE.
3.2
Situation mit Regulierung
3.2.1
Strategie des Bieters
3.2.1.1
Streubesitz
In der Situation ohne Regulierung gibt der Bieter, wie in Abschnitt 3.1.1 hergeleitet, bei gewinnmaximierender Ausgestaltung des Angebots ein Vollangebot ab
und legt hierfür die optimale Preis-Mengen-Kombination fest. Abweichungen von
der für diesen Fall optimalen Strategie sind also nur dann notwendig, wenn eine
der beiden Preisregeln greift. Die Gleichpreisregel ist in der Situation mit Streubesitz irrelevant, da annahmegemäß ein sonstiger Erwerb vor oder neben dem öffentlichen Angebot nur bei Vorliegen eines Aktienpakets erfolgt. Es muss allerdings nach der Börsenpreisregel mindestens der durchschnittliche Börsenkurs
geboten werden. Wenn also der durchschnittliche Börsenpreis größer als der Optimalpreis ohne Regulierung ist, also wenn
(E 75)
opt
C ∅ > PoR
gilt, muss von der optimalen Strategie ohne Regulierung abgewichen werden.
Kapitel E
204
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
opt
Setzt man für PoR
die optimalen Preise gemäß Tabelle E 1 ein, kann die Bedingung (E 75) für die verschiedenen Fälle bei Streubesitz wie folgt konkretisiert
werden:
Fall S1:
(E 76)
C∅ > CIV + β ⋅ A
Fall S2:
(E 77)
C∅ >
Fall S3:
(E 78)
C∅ > CIV + β ⋅ a * .
CIV + WÜIn
2
Falls die jeweilige Bedingung für ein Abweichen von der für den unregulierten
Fall optimalen Strategie erfüllt ist, ergeben sich für den Übernehmer zwei grundsätzliche Handlungsmöglichkeiten:
•
•
Abgabe eines Angebots zum Preis von C∅ 1: Diese Möglichkeit wird der
Übernehmer nur dann ergreifen, wenn die Übernahme trotz des höheren
Preises noch vorteilhaft ist. Je nachdem, ob ein Teilangebot zulässig oder
ein Vollangebot vorgeschrieben ist, können zwei Fälle unterschieden werden:
–
Wenn ein Teilangebot zulässig ist, kann der Bieter die bei diesem
Preis gewinnoptimale Menge nachfragen.
–
Andernfalls muss sich das Angebot auf alle Aktien erstrecken.
Verzicht auf die Übernahme: Kann in der Situation mit Regulierung kein
Übernahmegewinn erzielt werden, so kauft er keine Aktien und verzichtet
damit auf die Übernahme.
Die Regulierung verbietet ein Teilangebot. Um einen besseren Einblick in die
Wirkungen der Regulierung auf die Strategie des Bieters zu gewinnen, wird die
Entscheidungssituation dennoch zunächst bei unterstellter Zulässigkeit eines Teilangebots untersucht. Erst danach wird die zusätzliche Beschränkung auf ein zwingendes Vollangebot in die Betrachtung einbezogen.
1 Das Bieten eines Preises noch oberhalb von C ∅ ist stets suboptimal. Das Gewinnoptimum liegt
opt
bei PoR
.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(1)
205
Teilangebot zulässig
Der erzielbare Übernahmegewinn beträgt bei Eingreifen der Börsenpreisregel,
opt
,
also bei C ∅ > PoR
(E 79)
ÜG(a) = a ⋅ (WÜIn − C∅ ) + SYN ÜEXT + A ⋅ TRANS .
Da annahmegemäß die Summe der externen Effekte positiv ist, ist der Gewinn für
den Fall
(E 80)
WÜIn ≥ C∅
in jedem Fall ebenfalls positiv.
Es gilt
(E 81)
∂ÜG(a)
= WÜIn − C∅ > 0 ,
∂a
d.h., der Übernahmegewinn kann durch Ausdehnung der gekauften Aktien immer
weiter gesteigert werden, und zwar pro Aktie um die Differenz zwischen Durchschnittskurs und innerem Wert. Insofern wird der Übernehmer in diesem Fall alle
zum Preis von C∅ verfügbaren Aktien kaufen. Die Menge der bei Eingreifen der
Börsenpreisregel zum Durchschnittbörsenkurs C∅ zu kaufenden Aktien a BP ergibt
sich als
C∅ − CIV
für C∅ ≤ CIV + β ⋅ A und
β
(E 82)
a BP =
(E 83)
a BP = A für C∅ > CIV + β ⋅ A .
Gleichung (E 82) ergibt sich durch Gleichsetzen des Preises C∅ mit der Angebotsfunktion. Liegt dieser Preis jedoch höher als die höchste Werteinschätzung im
Aktionärskreis, so wäre die nach dieser Formel berechnete Anzahl größer als die
Anzahl ausgegebener Aktien A. Daher ist die Fallunterscheidung notwendig.
Grafisch lassen sich die Wirkungen wie folgt verdeutlichen:
Kapitel E
206
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
W IV (a)
W Ü (a)
w
WÜIn
C∅
opt
PoR
W IV
u
CIV
v
a*
a opt
oR
a BP
A
a
Abb. E 10 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz I
Die Fläche u stellt den Mehrpreis für die ohne Regulierung optimale Menge a opt
oR
dar (Preiseffekt). Um diesen Preiseffekt wird der Übernahmegewinn gegenüber
der Situation ohne Regulierung gemindert. Der Preiseffekt wirkt stets negativ bezogen auf den Übernahmegewinn. Die Fläche v bildet den Preis für die Veränderung der gekauften Menge im Vergleich zur unregulierten Situation ab (Mengeneffekt I), im dargestellten Fall eine Mengenerhöhung. Bei einer Mengenerhöhung
ergibt sich ein negativer Mengeneffekt I (bezogen auf den Übernahmegewinn),
bei einer Verringerung der Menge ein positiver Effekt. Allerdings erhöht sich
auch der Wert der Beteiligung um den Wert der zusätzlich gekauften Aktien
(Mengeneffekt II). Er ergibt sich als ihr innerer Wert, in der Abbildung als
Summe der Flächen v und w dargestellt. Die Fläche w verkörpert daher den zusätzlichen Gewinn, der sich aus dem Kauf dieser Aktien ergibt, und soll als NettoMengeneffekt bezeichnet werden. Er resultiert aus der positiven Differenz zwischen innerem Wert und zu zahlendem Einheitspreis. Wie man aus der Abbildung
sofort ablesen kann, ist es für den betrachteten Fall mit WÜIn ≥ C∅ stets vorteilhaft,
alle zum Preis von C∅ Aktien erhältlichen Aktien zu kaufen. Die gesamte Veränderung des Übernahmegewinns im Vergleich zur unregulierten Situation ergibt
sich als Saldo des hier positiven Netto-Mengeneffekts (Fläche w) und dem (stets)
negativen Preiseffekt (Fläche u). Der Übernahmegewinn ist, wenn die Regulieopt
rung eingreift, also bei C ∅ > PoR
, stets niedriger als in der unregulierten Situation,
der Saldo ist also dann immer negativ.
Ist der innere Wert niedriger als der Durchschnittspreis, also bei
(E 84)
WÜIn < C∅ ,
3 Analyse des Übernahmeprozesses
207
verringert sich der Übernahmegewinn mit jeder weiteren Ausdehnung der Beteiligung. Der Übernehmer wird in diesem Fall maximal a = a * Aktien kaufen, und
zwar genau dann, wenn bei dieser Anzahl noch ein Gewinn entsteht, also wenn
gilt
(E 85)
SYN EXT
+ A ⋅ TRANS > a * ⋅ (C∅ − WÜIn ) bzw.
Ü
(E 86)
C∅ < WÜ (a * ) .
Andernfalls wird er auf die Übernahme verzichten. Dieser Zusammenhang ist in
der folgenden Abbildung abzulesen:
W IV (a)
W Ü (a)
y
C∅
WÜIn
W IV
WÜ
v
u
w
opt
PoR
CIV
x
a*
a opt
oR
A
a
Abb. E 11 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz II
Der Preiseffekt, also der Mehrpreis, der sich für die ohne Regulierung optimale
Menge ergäbe, wird durch die markierten Flächen u, v und w oberhalb des Inter
valls  0,a opt
oR  verdeutlicht. Dieser negative Effekt auf den Übernahmegewinn
würde im dargestellten Beispiel bei unveränderter Menge dazu führen, dass sich
ein Verlust durch den Kauf einstellen würde. Durch Reduzierung der Menge von
*
a opt
oR auf a kann jedoch bei Zulässigkeit des Teilangebots der Übernahmegewinn
gegenüber dieser Situation gesteigert werden. Es ergibt sich durch die geringere
Anzahl von Aktien ein positiver Mengeneffekt I (Flächen v, w und x). Der die
Wertminderung der Beteiligung abbildende negative Mengeneffekt II ist betragsmäßig niedriger (Flächen w und x), sodass sich ein positiver Netto-Mengeneffekt
ergibt, ablesbar als Fläche v. Es ergibt sich noch ein verbleibender Gewinn in Höhe des dunkelgrauen Vierecks y, da der durchschnittliche Börsenkurs niedriger ist
Kapitel E
208
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
als der durchschnittliche Wert von a * Aktien. Der Betrag der gesamten Gewinnminderung durch die Regulierung ergibt sich als Summe der Flächen u und w.1
Die verschiedenen optimalen Handlungsweisen für den Fall mit Regulierung bei
Zulässigkeit von Teilangeboten werden in der folgenden Tabelle E 4 zusammengefasst. Vorab hierzu noch einige Erläuterungen:
In den Fällen S2 und S3 muss dann, wenn alle zum Preis C∅ verfügbaren Aktien
gekauft werden sollen, unterschieden werden, ob die zugehörige Anzahl Aktien
a BP nach Gleichung (E 82) oder (E 83) zu berechnen ist. Im Fall S1 erübrigt sich
diese Unterscheidung, da in diesem Fall schon ohne Regulierung alle Aktien gekauft werden.
Weiterhin ist zu beachten, dass die Erfüllung der Bedingung
C∅ ≥ W Ü (a * )
eine Unterscheidung danach, ob C∅ größer oder kleiner als WÜIn ist, obsolet
macht, da die Funktion W Ü (a) an allen Stellen oberhalb von WÜIn verläuft.
Liegen die Bedingungen von Fall S4 vor, so ist die schon ohne Regulierung nicht
vorteilhafte Übernahme nach dem oben hergeleiteten Ergebnis, dass sich der Übernahmegewinn bei Eingreifen der Regulierung stets nur verringern kann, auch
mit Regulierung unvorteilhaft. Damit ergeben sich insgesamt 15 Fallunterscheidungen für die optimale Strategie des Bieters in diesen Fällen.
1 Zur Verdeutlichung:
Preiseffekt
–u
Mengeneffekt I
Mengeneffekt II
Gesamteffekt
–u
–v
–w
+v
+w
+x
–w
–x
–w
3 Analyse des Übernahmeprozesses
Fall
209
weitere Bedingungen
zu kaufende
Menge
zu zahlender
Preis
C∅ ≤ CIV + β ⋅ A
A
CIV + β ⋅ A
A
C∅
a*
C∅
kein Kauf
kein Kauf
WÜIn − CIV
2 ⋅β
CIV + WÜIn
2
C∅ − CIV
β
C∅
A
C∅
a*
C∅
kein Kauf
kein Kauf
C∅ ≤ CIV + β ⋅ a *
a*
CIV + β ⋅ a *
CIV + β ⋅ A > C∅ > CIV + β ⋅ a *
C∅ ≤ WÜIn
C∅ − CIV
β
C∅
A
C∅
a*
C∅
C∅ ≥ WÜ (a * )
kein Kauf
kein Kauf
–
kein Kauf
kein Kauf
C∅ > CIV + β ⋅ A
C∅ ≤ WÜIn
S1
C∅ > CIV + β ⋅ A
W In < C ∅ < WÜ (a * )
C∅ > CIV + β ⋅ A
C∅ ≥ W Ü (a * )
C∅ ≤
WÜIn + CIV
2
CIV + β ⋅ A > C∅ >
WÜIn + CIV
2
C∅ ≤ WÜIn
S2
W In ≥ C ∅ ≥ CIV + β ⋅ A
C∅ >
WÜIn + C IV
2
∅
W < C < WÜ (a )
In
Ü
C∅ >
*
WÜIn + C IV
2
C∅ ≥ WÜ (a * )
C∅ ≤ WÜIn
S3
C∅ ≥ CIV + β ⋅ A
C∅ > CIV + β ⋅ a *
WÜIn < C ∅ < WÜ (a * )
C∅ > CIV + β ⋅ a *
S4
Tab. E 4
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Streubesitz mit Regulierung bei
Zulässigkeit eines Teilangebots
Kapitel E
210
(2)
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Teilangebot unzulässig
Sofern die Börsenpreisregel greift, hat der Übernehmer bei Unzulässigkeit eines
Teilangebots nur die Wahl zwischen Kauf aller zum durchschnittlichen Börsenkurs angebotenen Aktien oder Verzicht auf die Übernahme. Die Übernahme ist in
diesem Fall dann vorteilhaft, wenn gilt
(E 87)
ÜG(a BP ) = a BP ⋅ (WÜIn − C∅ ) + SYN EXT
+ A ⋅ TRANS > 0 .
Ü
Es sei zunächst der Fall betrachtet, in dem C∅ ≤ CIV + β ⋅ A gilt. Setzt man (E 82)
in (E 87) ein, so ergibt sich nach einigen elementaren Umformungen die folgende
Grenze für den durchschnittlichen Börsenkurs, bei der bei Eingreifen der Preisregel ein Vollangebot nicht mehr vorteilhaft ist:
(E 88)
C∅ <
WÜIn + CIV
(WÜIn − CIV )2
+
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
2
4
für C∅ ≤ CIV + β ⋅ A .1
Man erkennt, dass der kritische durchschnittliche Börsenkurs, wenn es keine externen Effekte gäbe, genau beim inneren Wert der Aktien im Übernahmefall läge.
Bei den in diesem Modell annahmegemäß positiven externen Effekten liegt der
kritische Wert daher stets oberhalb des inneren Werts der Aktien, was unmittelbar
einleuchtet. Die Ungleichung zeigt weiterhin, dass je höher die externen Effekte
sind, umso mehr auch der durchschnittliche Börsenkurs den inneren Wert überschreiten kann, ohne dass die Übernahme nachteilig wird. Dieses Ergebnis ist ebenfalls unmittelbar plausibel.
Der erste Term auf der rechten Seite von Ungleichung (E 88) ist identisch mit
dem optimalen Preis im Fall S2. Daher kann der zweite Term für diesen Fall als
maximaler Zuschlag auf den Optimalpreis interpretiert werden. Im Fall S3 würde
der Term
WÜIn + C IV
2
ebenfalls den optimalen Preis darstellen, wenn nicht der Defi-
nitionsbereich der Übernahmegewinnfunktion beschränkt wäre. Da die zu diesem
Preis angebotene Aktienmenge unterhalb von a* liegt, muss ein Teil des maxi-
1 Die zweite rechnerische Lösung
C∅ >
WÜIn + C IV
(WÜIn − C IV ) 2
−
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
2
4
führt zu keiner weiteren Einschränkung, da der rechte Ausdruck unter den getroffenen Annahmen nicht größer als null sein kann.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
211
malen Zuschlags bereits aufgewendet werden, um die Kontrollschwelle zu überschreiten.1
Das Vorliegen der Bedingung (E 88) ist gleichbedeutend damit, dass bei einem
zwingenden Vollangebot die kritische Anzahl zu erwerbender Aktien überschritten wird. Dies erkennt man auch, wenn man die rechte Seite von (E 88) in (E 82)
einsetzt. Es ergibt sich
2
(E 89)
a BP =
 W In − CIV  SYN ÜEXT + A ⋅ TRANSÜ
WÜIn − C IV
+  Ü
 +
2 ⋅β
β
 2 ⋅β 
Dies entspricht genau der kritischen Menge gemäß Gleichung (E 7).
Eine Situation, in der trotz Vollangebotspflicht eine Übernahme noch lohnend ist,
ist in Abb. E 12 dargestellt:
W IV (a)
W Ü (a)
x
C∅
WÜIn
Popt
W IV
WÜ
v
u
w
CIIT
a * a opt
oR
a BP
A
a
Abb. E 12 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz III
Statt den Preiseffekt durch Reduzierung der Menge teilweise kompensieren zu
können, muss der Bieter stattdessen die zu kaufende Menge sogar ausdehnen. Neben dem Preiseffekt (Fläche u) verteuert sich die Übernahme zusätzlich durch den
Mengeneffekt I (Flächen v und w), der dem Bieter durch die Pflicht zum Vollangebot aufgezwungen wird. Der Wertzuwachs durch die zusätzlichen Aktien wird
durch Fläche w (= Mengeneffekt II) abgebildet, sodass sich ein negativer Netto-
1 Im Fall S1 gilt stets a BP = A , sodass dieser Fall nicht von Ungleichung (E 88) erfasst wäre,
sondern von der nachfolgenden Ungleichung (E 90).
Kapitel E
212
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Mengeneffekt in der Größe der Fläche v ergibt. Da der durchschnittliche Börsenkurs jedoch noch unter der durch Ungleichung (E 88) bestimmten Grenze bleibt,
verbleibt noch ein positiver Gewinn, dargestellt als dunkelgraue Fläche x, sodass
die Übernahme noch vorteilhaft ist.
Für den Fall C∅ > CIV + β ⋅ A ist die Übernahme noch vorteilhaft, wenn der durchschnittliche Börsenkurs unterhalb des durchschnittlichen Wertes von A Aktien
liegt, also bei
(E 90)
C∅ < WÜ (A) .
Ist die Bedingung nicht erfüllt, wird der Bieter auf die Übernahme verzichten. Ein
solcher Fall ergibt sich für die soeben in Abb. E 11 dargestellte Situation, wenn
kein Teilangebot zulässig ist, wie die folgende Abb. E 13 zeigt:
W IV (a)
W Ü (a)
C∅
WÜIn
W IV
WÜ
v
u
opt
PoR
w
C+
a*
a opt
oR
A
a
Abb. E 13 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Streubesitz IV
Wie schon in Abb. E 11 führt der Preiseffekt (Fläche u) im gewählten Beispiel
allein zur Unvorteilhaftigkeit der Übernahme. Bei der dort unterstellten Zulässigkeit eines Teilangebots konnte dieser negative Effekt jedoch durch die Verringerung der Menge auf a * so weit kompensiert werden, dass eine Übernahme noch
vorteilhaft war. Ist jedoch ein Vollangebot zwingend vorgeschrieben, wird der
Übernehmer gezwungen, die Menge sogar noch auszudehnen, im dargestellten
Beispiel sogar auf alle ausgegebenen Aktien. Es wird dem Übernehmer insofern
noch ein den Übernahmegewinn mindernder Netto-Mengeneffekt (Fläche v) aufgezwungen, der im dargestellten Beispiel dazu führt, dass die bei Zulässigkeit
eines Teilangebots noch vorteilhafte Übernahme bei zwingendem Vollangebot
unvorteilhaft ist.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
213
Die optimalen Handlungsmöglichkeiten in den verschiedenen Fällen werden in
der nachstehenden Tabelle E 5 zusammengefasst. Es ergeben sich 14 Fälle für die
Strategie des Bieters.
Fall
Unterfall
1
zu kaufende zu zahlender
Menge
Preis
A
CIV + β ⋅ A
Bedingungen
C∅ ≤ CIV + β ⋅ A
C∅ > CIV + β ⋅ A
2
A
C∅
kein Kauf
kein Kauf
WÜIn − CIV
2 ⋅β
CIV + WÜIn
2
C∅ − CIV
β
C∅
kein Kauf
kein Kauf
A
C∅
kein Kauf
kein Kauf
a*
CIV + β ⋅ a *
C∅ − CIV
β
C∅
kein Kauf
kein Kauf
A
C∅
C∅ ≥ WÜ (A)
kein Kauf
kein Kauf
–
kein Kauf
kein Kauf
C∅ < WÜ (A)
S1
C∅ > CIV + β ⋅ A
3
C∅ ≥ WÜ (A)
C∅ ≤
1
WÜIn + CIV
2
CIV + β ⋅ A > C∅ >
2
WÜIn + CIV
2
W In + CIV
(WÜIn − CIV )2
C < Ü
+
+β⋅ (SYNEXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
2
4
∅
CIV + β ⋅ A > C∅ >
S2
3
C∅ ≥
4
WÜIn + CIV
2
WÜIn + CIV
(WÜIn − CIV )2
+
+β⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
2
4
C∅ ≥ CIV + β ⋅ A
C∅ < WÜ (A)
C∅ ≥ CIV + β ⋅ A
5
C∅ ≥ WÜ (A)
C∅ ≤ CIV + β ⋅ a *
1
∅
C +β⋅A > C > C +β⋅a
IV
2
IV
*
W +C
(WÜIn − CIV )2
C∅ <
+
+β⋅ (SYNEXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
2
4
In
Ü
IV
CIV + β ⋅ A > C∅ > CIV + β ⋅ a *
S3
3
C∅ ≥
4
5
S4
Tab. E 5
WÜIn + CIV
(WÜIn − CIV )2
+
+β⋅ (SYNEXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
2
4
C∅ ≥ CIV + β ⋅ A
C∅ < WÜ (A)
C∅ ≥ CIV + β ⋅ A
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Streubesitz mit Regulierung bei Vollangebotspflicht
Kapitel E
214
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Als wichtiges erstes Ergebnis lässt sich feststellen, dass durch die Einführung der
Regulierung bei Streubesitz von den 13 Fällen, in denen eine Übernahme ohne
Regulierung vorteilhaft ist, in drei Fällen die Optimalkombination unverändert
bleibt, weil die Mindestpreisregel nicht greift, in einem Fall die gleiche Menge zu
einem höheren Preis und in vier Fällen eine größere Menge zu einem höheren
Preis gekauft wird. In fünf dieser 13 Fälle ist die ohne Regulierung vorteilhafte
Übernahme mit Regulierung nicht mehr vorteilhaft, sodass der Übernehmer auf
sie verzichtet.1
Die Wirkungen der Regulierung auf die Strategie des Bieters bei Streubesitz sollen abschließend anhand eines Beispiels verdeutlicht werden.
Beispiel E 8
Es sei bei einer Übernahme C 0 = 200 GE, C∅ = 225 GE, C IV = 210 GE, WÜIn = 215 GE,
β = 0,0005 , A = 8.000 Aktien, a * = 3.200 Aktien. Der Erwerber könne daneben externe
Synergieeffekte in Höhe von SYN EXT
= 36.000 erreichen.
Ü
Wegen
215 − 210
215 − 210
= 0,00031 < β = 0,0005 <
= 0,00078
2 ⋅ 8.000
2 ⋅ 3.200
liegt der Fall S2 vor.
Ohne Regulierung ergäbe sich die optimale Preis-Mengen-Kombination
a opt
oR =
215 − 210
215 + 210
opt
= 5.000 Aktien, PoR
=
= 212,5 GE.
2
2 ⋅ 0, 0005
Der Gewinn betrüge ÜG = 5.000 ⋅ (215 − 212,5) + 36.000 = 48.500 GE.
Der durchschnittliche Börsenkurs beträgt C∅ = 225 GE und liegt damit höher als der ohne
Regulierung optimale Preis, d.h., bei Regulierung greift die Börsenpreisregel.
Wäre ein Teilangebot zulässig, so wäre wegen
WÜIn = 215 < C∅ = 225 < W Ü (a * ) =
36.000
+ 215 = 226,25
3.200
aus Sicht des Bieters der Erwerb von a * = 3.200 Aktien gewinnoptimal.
1 Weiterhin bleibt das Ergebnis in Fall S4 (kein Kauf) natürlich unverändert, da eine schon ohne
Regulierung unvorteilhafte Übernahme mit Regulierung nicht vorteilhaft werden kann und daher ebenso unterbleibt.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
215
Der Gewinn betrüge
ÜG = 3.200 ⋅ (215 − 225) + 36.000 = 4.000 GE.
Ist hingegen ein Vollangebot zwingend vorgeschrieben, so ist eine Übernahme nicht mehr
vorteilhaft, denn es gilt
C ∅ = 225 ≥ 210 + 0, 0005 ⋅ 8.000 = 214 ,
d.h., es müssten alle 8.000 Aktien erworben werden, sowie
C∅ = 225 ≥ W Ü (8.000) =
36.000
+ 215 = 219,5 GE,
8.000
d.h. der zu zahlende Mindestpreis liegt oberhalb des durchschnittlichen Wertes dieser Aktien.
Würde der Übernehmer dennoch alle Aktien zum Preis von C∅ = 225 kaufen, so ergäbe sich
ein Übernahmeverlust von
ÜG = 8.000 ⋅ (215 − 225) + 36.000 = −44.000 GE.
Der Übernehmer wird in dieser Situation demnach auf die Übernahme verzichten.
3.2.1.2
Paket
Die für den Streubesitzfall hergeleiteten Ergebnisse können mit einigen Modifikationen auf den Paketfall übertragen werden. Es wird wie bei der Strategie des
Bieters ohne Regulierung zunächst der Fall eines nichtbeherrschenden Pakets
( a P < a * ) und anschließend des Fall eines beherrschenden Pakets ( a P ≥ a * ) behandelt.
(1)
Nichtbeherrschendes Paket
Im Paketfall greift die Gleichpreisregel immer dann, wenn der Paketpreis über
dem ohne Regulierung optimalen Preis liegt, also bei
(E 91)
opt
P P > PoR
.
Annahmegemäß liegt der Paketpreis in den hier untersuchten Fällen über dem
durchschnittlichen Börsenkurs. Dahinter steht die Vorstellung, dass ein Paketinhaber nur bei Zahlung eines (bedeutsamen) Paketzuschlags zum Verkauf bereit
ist. Dadurch stellt die Gleichpreisregel gegenüber der Börsenpreisregel die strengere Regel dar.
Kapitel E
216
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Der Übernahmegewinn ergibt sich unter Beachtung der Vollangebotspflicht und
der Gleichpreisregel als
(E 92)
ÜG(a GP ) = a GP ⋅ (WÜIn − P P ) + SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ ,
Ü
wobei a GP die Anzahl der bei Eingreifen der Gleichpreisregel insgesamt zu dem
Paketpreis pro Aktie zu kaufenden Aktien darstellt mit
P P − C IV
+ a P für P P ≤ CIV + β ⋅ (A − a P ) und
β
(E 93)
a GP =
(E 94)
a GP = A für P P > CIV + β ⋅ (A − a P ) .
Anhand der folgenden Abbildung E 14 können analog zur Darstellung bei Streubesitz die Effekte der Regulierung auf den Übernahmegewinn erklärt werden.
W IV (a)
W Ü (a)
WÜ (a GP )
x
W IV
WÜ
P
opt
PoR
P
WÜIn
u
v
CIV
w
aP
a * a opt
oR
a GP
A
a
Abb. E 14 Wirkungen der Regulierung auf den Bieter bei Paketkauf
Die Fläche u markiert den Preiseffekt, der sich durch die Verteuerung der ohne
Regulierung optimalen Menge ergibt. Der Mengeneffekt I, der sich aus dem gezahlte Mehrpreis für die zusätzlichen Aktien ergibt, wird durch die Flächen v und
w abgebildet. Der Wert der Beteiligung erhöht sich um den Mengeneffekt II (Fläche w), sodass sich ein Netto-Mengeneffekt in der Größe der Fläche v ergibt. Die
gesamte Gewinnminderung für den Übernehmer ergibt sich also in der Größe der
Flächen u und v, der verbleibende Übernahmegewinn wird durch die Fläche x
abgebildet.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
217
Als Bedingung für die Vorteilhaftigkeit einer Übernahme bei Vollangebotspflicht
unter Beachtung der Gleichpreisregel ergibt sich durch Einsetzen von (E 93) in
(E 92)
2
 WÜIn − (CIV − β ⋅ a P ) 
W In + C IV − β ⋅ a P
(E 95) P < Ü
+ 
+ β ⋅ (SYN ÜEXT + A ⋅ TRANS)
2
4
für P P ≤ CIV + β ⋅ (A − a P ) .
P
Falls P P > CIV + β ⋅ (A − a P ) gilt, müssen alle Aktien erworben werden. Die Übernahme ist dann vorteilhaft, wenn der Preis PP unter dem durchschnittlichen Wert
bei Kauf aller Aktien liegt, also bei
(E 96)
P P < WÜ (A) .
Analog zum Streubesitzfall ergeben sich daher die folgenden optimalen Strategien
für den Bieter bei Vorliegen eines nichtbeherrschenden Pakets:
UnterFall fall
1
P1
2
3
P2
1
P P ≤ C IV + β ⋅ (A − a P )
A
PP
kein Kauf
kein Kauf
P P < WÜ (A)
P P > C IV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
PP ≤
CIV + β ⋅ (A − a P )
A
P P > C IV + β ⋅ (A − a P )
WÜIn − C IV
WÜIn + C IV
2⋅β
2
C IV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
2
optimale Men- optimaler
ge
Preis
opt
a opt
PmR
mR
weitere Bedingungen
+ aP
CIV + WÜIn
2
WÜIn + C IV
2
W In + C IV − β ⋅ a P
PP < Ü
2
P P − C IV
β
+ aP
PP
2
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
4
C IV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
3
WÜIn + C IV
2
W In + C IV − β ⋅ a P
PP ≥ Ü
2
kein Kauf
2
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
4
kein Kauf
Kapitel E
218
UnterFall fall
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
optimale Men- optimaler
ge
Preis
opt
a opt
PmR
mR
weitere Bedingungen
P P > C IV + β ⋅ (A − a P )
4
A
PP
kein Kauf
kein Kauf
P P < WÜ (A)
P2
P P > C IV + β ⋅ (A − a P )
5
P P ≥ WÜ (A)
P P ≤ C IV + β ⋅ (a * − a P )
1
C IV + β ⋅ (a* − a P )
a*
C IV + β ⋅ (A − a P ) > P P > C IV + β ⋅ (a * − a P )
2
PP <
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
2
P P − C IV
2
 W − (C − β ⋅ a ) 
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
4
In
Ü
IV
P
β
+ aP
PP
C + β ⋅ (A − a ) > P > C + β ⋅ (a − a )
IV
P3
3
PP ≥
P
P
IV
*
P
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
2
kein Kauf
kein Kauf
A
PP
kein Kauf
kein Kauf
kein Kauf
kein Kauf
2
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
4
P P > C IV + β ⋅ (A − a P )
4
P P < WÜ (A)
P P > C IV + β ⋅ (A − a P )
5
P P ≥ WÜ (A)
P4
Tab. E 6
(2)
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines nichtkontrollierenden Pakets
mit Regulierung
Beherrschendes Paket
Bei einem beherrschenden Paket ( a P ≥ a * ) ergibt sich in den Fällen P5 und P6 das
Gleiche wie für die Fälle P1 und P2. Für den Fall P7 gilt ohne Regulierung, dass
nur das (beherrschende) Paket gekauft wird und kein Angebot abgegeben wird.
Sofern auf das beherrschende Paket ein Stimmrechtsanteil von mehr als 30 % entfällt, wovon hier annahmegemäß ausgegangen wird, ist hingegen mit Regulierung
ein Pflichtangebot abzugeben. Durch die Vollangebotspflicht in Verbindung mit
der Gleichpreisregel ist ein Kauf nur des Pakets mit Regulierung demnach nur
möglich, wenn zum Paketpreis kein Kleinaktionär verkaufen würde, also bei
(E 97)
P P < CIV + β ⋅1 ,
3 Analyse des Übernahmeprozesses
219
Dieser Fall würde bedeuten, dass der Großaktionär einen Paketpreis pro Aktie
verlangt, der unterhalb des niedrigsten Grenzpreises im Kreis der Kleinaktionäre
liegt. Dies dürfte wohl allenfalls einen theoretischen Randfall darstellen und soll
nur der Vollständigkeit halber mit aufgeführt werden. In allen anderen Unterfällen
von P7 greift dagegen die Regulierung, sodass bei Kauf des Pakets zusätzlich Aktien im Rahmen eines Pflichtangebots gekauft werden müssen.
Im Einzelnen ergeben sich folgende optimale Strategien:
Fall
P5
Unterfall
weitere Bedingungen
Menge
zu zahlender
Preis
1
P P ≤ CIV + β ⋅ (A − a P )
A
CIV + β ⋅ (A − a P )
A
PP
P P ≥ WÜ (A)
kein Kauf
kein Kauf
WÜIn + CIV
2
W In + C IV
CIV + β ⋅ (A − a P ) > P P > Ü
2
WÜIn − CIV
+ aP
2 ⋅β
CIV + WÜIn
2
P P − C IV
+ aP
β
PP
kein Kauf
kein Kauf
4
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
A
PP
5
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
kein Kauf
kein Kauf
aP
kein Kauf im
Rahmen des öffentlichen Angebots, nur
Paketkauf
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
2
P P < WÜ (A)
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
3
PP ≤
1
2
P <
P
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
2
2
+
4
CIV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
P6
P ≥
P
3
P7
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P )
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
1
WÜIn + C IV
2
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
2
2
+
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P )
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
4
P P < CIV + β ⋅1
Kapitel E
220
Fall
Unterfall
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Menge
zu zahlender
Preis
P P − C IV
+ aP
β
PP
kein Kauf
kein Kauf
4
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
A
PP
5
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
kein Kauf
kein Kauf
weitere Bedingungen
CIV + β ⋅1 ≤ P P < CIV + β ⋅ (A − a P )
PP <
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
2
2
2
+
In
IV
P
 WÜ − (C − β ⋅ a ) + β ⋅ (SYN EXT + A ⋅ TRANS)
Ü
4
CIV + β ⋅1 ≤ P P < CIV + β ⋅ (A − a P )
P ≥
P
P7
3
Tab. E 7
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
2
+
2
W − (C − β ⋅ a ) + β ⋅ (SYN EXT + A ⋅ TRANS)
Ü
In
Ü
IV
P
4
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen bei Kauf eines kontrollierenden Pakets mit Regulierung
3 Analyse des Übernahmeprozesses
221
3.2.2
Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
3.2.2.1
Streubesitz
3.2.2.1.1 Ausbeutungsfall
Sofern es auch mit Regulierung noch zu einer Übernahme kommt, lassen sich die
Wirkungen auf die Aktionäre der Zielgesellschaft mit einigen Modifikationen
weitgehend analog zur Vergleichsituation ohne Regulierung herleiten, wie anhand
der folgenden Abbildung verdeutlicht werden soll.
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
opt
PoR
= C∅
w
v
u
W0 = W−
W IV = W +
opt
PoR
C = C+
IV
a*
a AmR
a opt
mR
a
A
B
C
Abb. E 15 Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz mit Regulierung
Man erkennt in der in Abbildung E 15 dargestellten Beispielsituation, dass der
Durchschnittsbörsenkurs C∅ oberhalb des optimalen Preises ohne Regulierung
opt
PoR
liegt, sodass die Börsenpreisregel greift. Es können wie in der Situation ohne
Regulierung bis zu drei Gruppen unterschiedlich betroffener Aktionäre auftreten.
Allerdings ergeben sich bei Eingreifen der Börsenpreisregel c.p. sowohl andere
Gruppengrößen wie auch andere Vermögensveränderungen. Diese sollen in dem
vorliegenden Abschnitt zunächst für die betrachtete Situation mit Regulierung nur
hergeleitet werden. Ein Vergleich der Ergebnisse mit und ohne Regulierung erfolgt dann in einem gesonderten Schritt.1 Im Einzelnen ergeben sich folgende
Gruppen:
1 Vgl. Abschnitt E 3.3.
Kapitel E
222
•
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Gruppe A bezeichnet wiederum die Gruppe von Aktionären, die durch die
Übernahme einen Gewinn macht. Die Größe der Gruppe A beträgt
(E 98) a AmR =
opt
PmR
− C0
α
opt
≥ C0 + α ⋅ A ,
für PmR
opt
(E 99) a AmR = A für C0 + α ⋅ A > PmR
≥ C 0 + α bzw.
(E 100)
opt
a AmR = 0 für PmR
< C0 + α .
opt
Dabei ist für PmR
der optimale Preis gem. Tabelle E 5 einzusetzen.
Der Gewinn der gesamten Gruppe A beträgt bei Eingreifen der Börsenpreisregel
(E 101)
1 A
A
opt
∆VmR
= ⋅ a mR
⋅ (PmR
− C0 ) ,
2
opt
wobei sich PmR
wieder gem. Tabelle E 5 bemisst.
In der Abbildung kann der Gewinn als Fläche des schraffierten Dreiecks mit
der Bezeichnung u abgelesen werden.
•
Es kann daneben eine Gruppe von Aktionären geben, die ihre Aktien mit
Verlust an den Übernehmer verkauft. Sie umfasst
(E 102)
A
a BmR = a opt
mR − a mR
Mitglieder.
Da bei Vorliegen des durch Gleichung (E 99) abgebildeten Falls alle Aktionäre der Zielgesellschaft zu Gruppe A gehören, ist dann die Gruppe B unbesetzt. In diesem Fall ist der gezahlte Durchschnittsbörsenkurs mindestens so
hoch wie die höchste Bewertung im Aktionärskreis in der Ausgangssituation. Es gilt dann
A
(E 103) a opt
mR = a mR = A ,
3 Analyse des Übernahmeprozesses
223
d.h. es werden alle Aktien gekauft und alle verkaufenden Aktionäre machen
einen Gewinn, sodass die übrigen beiden Gruppen nicht besetzt sind.1
Die Vermögensänderung eines Aktionärs, der in der unregulierten Situation
der Gruppe B angehört, beträgt
(E 104)
B
opt
∆VmR,j
= PmR
− Wj0
Die gesamte Vermögensänderung der Gruppe B ergibt sich als
1 B
B
opt
(E 105) ∆VmR
= ⋅ a mR
⋅ ( PmR
− W 0 (a opt
mR ) ) ,
2
opt
wobei für a opt
mR und PmR die optimalen Werte gem. Tabelle E 5 einzusetzen
sind.
In der Abbildung kann der Betrag der Vermögensänderung als Fläche des
schraffierten Dreiecks mit der Bezeichnung v abgelesen werden.
•
Wenn nicht alle Aktien gekauft werden, gibt es darüber hinaus eine Gruppe
C von Aktionären, die nunmehr in die Rolle von Minderheitsgesellschaftern
geraten. Ihre Anzahl beträgt
(E 106)
a CmR = A − a opt
mR .
Der Verlust jedes einzelnen Gruppenangehörigen beläuft sich auf
(E 107)
C
∆VmR,j
= Wj+ − Wj0 .
Der Verlust der gesamten Gruppe, der sich aus der Wertminderung ihrer
Aktien ergibt, berechnet sich als
(E 108)
C
∆VmR
= a CmR ⋅
opt
opt
PmR
− W 0 (a mR
) + W IV (A) − W 0 (A)
,
2
opt
wobei sich a opt
mR und PmR wiederum aus Tabelle E5 ergeben.
Der Betrag der Vermögensänderung kann in der Abbildung als schraffierte
Fläche zwischen den Bewertungsfunktionen abgelesen werden (Fläche w).
1 Da im Ausbeutungsfall die Bewertungsfunktion in der Ausgangssitutation W 0 (a) überall oberhalb der Angebotsfunktion W IV (a) verläuft, kann diese Konstellation allerdings nur in den
Fällen S1/Unterfall 2, S2/Unterfall 4 und S3/Unterfall 4 gemäß Tabelle E 5 vorkommen.
Kapitel E
224
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
3.2.2.1.2 Synergiefall
Auch im Synergiefall lassen sich die Ergebnisse für die Situation ohne Regulierung mit einigen Modifikationen auf die Situation mit Regulierung übertragen,
wie anhand der folgenden Abbildung E 16 verdeutlicht wird.
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
W IV = W +
W0 = W−
C∅
opt
PoR
C+
C0
a*
a opt
mR
D
A
a
E
Abb. E 16 Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei
Streubesitz mit Regulierung
Man erkennt in der Abbildung, dass die Regulierung greift, da der Durchschnittsopt
börsenkurs C∅ oberhalb von PoR
liegt. Bei einer Übernahme in der regulierten
Situation findet man ebenso wie in der unregulierten Situation bis zu zwei Gruppen von Gewinnern durch die Übernahme:
3 Analyse des Übernahmeprozesses
•
225
Es gibt stets eine Gruppe D von Aktionären, die ihre Aktien mit Gewinn
verkauft. Die Größe der Gruppe beträgt
(E 109)
a DmR = a opt
mR ,
der Gewinn jedes einzelnen Gruppenmitglieds beläuft sich auf
(E 110)
D
opt
∆VmR,j
= PmR
− Wj0
und der Gewinn der gesamten Gruppe auf
(E 111)

C0 + W 0 (a opt
D
opt  opt
mR )
∆VmR
= a mR
⋅  PmR −

2


opt
mit PmR
gem. Tabelle E 5.
•
Wenn nicht alle Aktien gekauft werden, gibt es daneben eine Gruppe E von
Minderheitsaktionären, die ebenfalls einen Gewinn machen, welcher in der
Wertsteigerung ihrer Aktien liegt. Die Größe der Gruppe ist
(E 112)
a EmR = A − a opt
mR ,
der Gewinn eines Gruppenmitglieds beträgt
(E 113)
E
∆VmR,j
= Wj+ − Wj0
und der Gewinn der gesamten Gruppe ergibt sich als
(E 114)
E
∆VmR
= (A − a opt
mR ) ⋅
opt
mit PmR
gem. Tabelle E 5.
opt
opt
PmR
− W 0 (a mR
) + W IV (A) − W 0 (A)
2
Kapitel E
226
3.2.2.2
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Paket
3.2.2.2.1 Ausbeutungsfall
Wie schon in der Situation ohne Regulierung, so lassen sich auch mit Regulierung
die für Streubesitz hergeleiteten Ergebnisse analog auf den Fall mit Paketerwerb
übertragen. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Effekte auf die drei möglichen Gruppen:
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
W0 = W−
W IV = W +
PP
opt
PoR
C+
aP
a*
Gruppe
(a A + a P )
A
a opt
mR
B
A
a
C
Abb. E 17 Wirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Paketkauf mit Regulierung
Es ergeben sich wie im Streubesitzfall bis zu drei Gruppen von unterschiedlich
betroffenen Aktionären. Zur Interpretation kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Analog zu den Überlegungen bei Streubesitz ergeben sich
für die Größen der Gruppen und die Vermögensänderungen die folgenden Ergebnisse:
•
Die Größe der Gruppe A beträgt
opt
− C0
PmR
P opt − C 0
opt
> C0 + α ,
für mR
< A und PmR
α
α
(E 115)
a AmR =
(E 116)
a AmR = A für
(E 117)
opt
a AmR = 0 für PmR
≤ C0 + α .
opt
PmR
− C0
opt
> C 0 + α bzw.
≥ A und PmR
α
3 Analyse des Übernahmeprozesses
227
Der Gewinn des Einzelnen beträgt
(E 118)
A
opt
∆VmR,j
= PmR
− Wj0 ,
der Gewinn der gesamten Gruppe A
(E 119)
1 A
A
opt
∆VmR
= ⋅ a mR
⋅ (PmR
− C0 )
2
opt
mit PmR
gem. Tabelle E 5.
•
Die Größe der Gruppe B beträgt
(E 120)
A
P
a BmR = a opt
mR − a mR − a .
Die Vermögensänderung eines Einzelnen ergibt sich als
(E 121)
B
opt
∆VmR,j
= PmR
− Wj0 ,
die Vermögensänderung der ganzen Gruppe als
(E 122)
1 B
B
opt
P
∆VmR
= ⋅ a mR
⋅ ( PmR
− W 0 (a opt
mR − a ) )
2
opt
mit a opt
mR und PmR gem. Tabelle E 5.
•
Schließlich gilt für die Größe der Gruppe C
(E 123)
a CmR = A − a opt
mR .
Der Verlust der Aktionäre durch Wertminderung der Aktien berechnet sich
als
C
∆VmR,j
= Wj+ − Wj0 ,
derjenige der gesamten Gruppe als
(E 124)
C
∆VmR
= a CmR ⋅
opt
opt
PmR
− W 0 (a mR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
opt
mit a opt
mR und PmR gem. Tabelle E 5.
Kapitel E
228
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Beispiel E 9
Es sollen die gleichen Ausgangsdaten wie in Beispiel E 6 zugrunde gelegt werden ( A = 8.000
IV
Aktien, a * = 3.200 Aktien, WÜIn = 440 GE, A ⋅ TRANSÜ + SYN Ext
= 400
Ü = 40.000 GE, C
GE, β = 0,01 , a P = 3.200 Aktien, P P = 445 GE) Die Steigung der Bewertungsfunktion in t =
0 betrage α = 0,0125 , der Abszissenabschnitt sei C 0 = 410 .
1
Strategie des Bieters
Wegen
C IV + β ⋅ (A − a P ) = 400 + 0,01 ⋅ 4.8000 = 448 > PP = 445 >
WÜIn + C IV 440 + 400
=
= 420 und
2
2
2
P P = 445 <
 WÜIn − (CIV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN ÜEXT + A ⋅ TRANS)
2
4
440 + 400 − 0, 01⋅ 3.200
+
2
[ 440 − (400 − 0, 01⋅ 3.200)]
2
4
+ 0,01 ⋅ 40.000 = 445,18
liegt der Unterfall 2 des Falls 6 gem. Tabelle E 7 vor.
Daher ergibt sich die optimale Preis-Mengen-Kombination
a opt
oR =
P P − C IV
445 − 400
+ aP =
+ 3.200 = 7.700
β
0,01
opt
PoR
= P P = 445 GE.
Der Übernahmegewinn beträgt mit Regulierung noch
ÜG(7.700) = 40.000 + 7.700 ⋅ (440 − 445) = 1.500GE .
2
Wirkung der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
Für die Gruppengrößen gilt
A
a oR
=
opt
− C 0 445 − 410
PmR
=
= 2.800
α
0, 0125
B
opt
A
a oR
= a mR
− a P − a mR
= 7.700 − 3.200 − 2.800 = 1.700 und
opt
a CoR = A − a mR
= 8.000 − 7.700 = 300 .
Die Vermögensänderungen der Gruppen betragen
A
∆VoR
=
1 A
1
opt
⋅ a mR ⋅ (PmR
− C0 ) = ⋅ 2.800 ⋅ (445 − 410) = +49.000 GE,
2
2
B
∆VoR
=
1 B
1
opt
P
⋅ a mR ⋅ ( PmR
− W 0 (a opt
⋅ 1.700 ⋅ (445 − 466, 25) = −18.062,50GE und
mR − a ) ) =
2
2
opt
opt
PmR
− W 0 (a mR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
.
445 − 466,25 + 448 − 470
= 300 ⋅
= −6487,50GE
2
C
∆VoR
= a CmR ⋅
Die Summe der Vermögensänderungen beträgt also +24.450 GE.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
229
3.2.2.2.2 Synergiefall
Auch für den Synergiefall können analoge Ergebnisse wie bei Streubesitz hergeleitet werden. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes:
•
Gruppe D von Aktionären, die ihre Aktien mit Gewinn verkaufen:
(E 125)
P
a DmR = a opt
mR − a ,
(E 126)
D
opt
∆VmR,j
= PmR
− Wj0 ,
(E 127)
P
 opt C0 + W 0 (a opt

D
opt
mR − a )
∆VmR
= (a mR
− a P ) ⋅  PmR
−

2


opt
opt
opt
opt
opt
mit PmR
= P P für P P > PoR
und PmR
= PoR
für P P ≤ PoR
.
•
Gruppe E von verbleibenden Minderheitsaktionären, deren Aktien eine
Wertsteigerung erfahren:
(E 128) a EmR = A − a opt
mR ,
E
(E 129) ∆VmR,j
= Wj+ − Wj0
E
(E 130) ∆VmR
= (A − a opt
mR ) ⋅
opt
opt
PmR
− W 0 (a mR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
opt
opt
opt
opt
opt
mit PmR
= P P für P P > PoR
und PmR
= PoR
für P P ≤ PoR
.
Beispiel E 10
Es soll auf die bereits bekannten Ausgangsdaten des letzten Beispiels zurückgegriffen werden
( A = 8.000 Aktien, a * = 3.200 Aktien , WÜIn = 440 GE, A ⋅ TRANSÜ + SYN Ext
Ü = 40.000
GE, C IV = 400 GE, β = 0,01 , a P = 3.200 Aktien, P P = 445 GE). Die optimale Preis-Mengenopt
P
Kombination für den Bieter beträgt dann wieder a opt
oR = 7.700 und PoR = P = 445 GE.
Die Steigung der Bewertungsfunktion in t = 0 betrage α = 0,0125, der Abszissenabschnitt sei
C 0 = 380 , sodass der Synergiefall vorliegt.
Es ergeben sich die Gruppengrößen
opt
a DmR = a mR
− a P = 4.500 und
opt
a EmR = A − a mR
= 8.000 − 7.700 = 300 .
Kapitel E
230
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Der Gewinn der beiden Gruppen beträgt
P
 opt C 0 + W 0 (a opt
D
opt
mR − a ) 
∆VmR
= (a mR
− a P ) ⋅  PmR
−

2


380 + 436, 25 

= 4.500 ⋅  445 −
 = +165.937,50GE
2


und
opt
opt
PmR
− W 0 (a mR
− a P ) + W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
.
445 − 436,25 + 448 − 440
= 2.800 ⋅
= 2.512,50GE
2
E
∆VoR
= (A − a opt
mR ) ⋅
Der Gesamtgewinn der Aktionäre beträgt 168.450 GE.
3.3
Vergleich der Situation ohne und mit Regulierung hinsichtlich
der Wirkungen auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
3.3.1
Vorbemerkung
Im Folgenden werden die Auswirkungen der Regulierung auf die Aktionäre der
Zielgesellschaft analysiert, indem die Wirkungen auf diese Betroffenen in der
Situation ohne Regulierung mit denjenigen in der Situation mit Regulierung verglichen werden. Dazu werden die Differenz der Gruppengrößen
(E 131)
X
X
∆a X = a mR
− a oR
für X ∈ {A, B,C,D,E} ,
die Differenz der individuellen Vermögensänderungen eines Aktionärs j sowie die
Differenz der Vermögensänderungen der gesamten Gruppenangehörigen verglichen. Referenzsituation ist die Situation ohne Regulierung. Wenn von der Differenz der Vermögensveränderung einer Gruppe X gesprochen wird, ist dies so zu
verstehen, dass die Differenz der Vermögensveränderungen in den Vergleichssituationen mit und ohne Regulierung für diejenigen Aktionäre betrachtet wird, die
in der Situation ohne Regulierung der Gruppe X angehören. In der Situation mit
Regulierung müssen diese Personen, wie sich zeigen wird, nicht mehr unbedingt
der gleichen Gruppe angehören.
Hierdurch wird zugleich die Wirkung der Regulierung auf die jeweiligen AktionäX
re beschrieben: Die Größen ∆VoR
bzw. ∆VoXR , j stellen die Differenz zwischen dem
Endvermögen ohne Regulierung und dem Anfangsvermögen dar, entsprechendes
X
X
X
gilt ebenso für ∆VmR
und ∆VmR,j
. Bildet man nun die Differenz zwischen ∆VmR
3 Analyse des Übernahmeprozesses
231
X
X
bzw. zwischen ∆VmR,j
und ∆VoXR , j , so stellt dies wegen des gleichen
und ∆VoR
Anfangsvermögens in den beiden Vergleichssituationen zugleich die Differenz
der Endvermögen mit und ohne Regulierung dar. Dieser Zusammenhang wird in
der nachfolgenden Abbildung E 18 noch einmal verdeutlicht.
Endvermögen mit Regulierung
./. Anfangsvermögen
Vermögensänderung mit Regulierung
X
X
∆VmR,j
bzw. ∆VmR
./. (Endvermögen ohne Regulierung
./. Anfangsvermögen)
./.
Vermögensänderung ohne Regulierung
X
∆VoXR , j bzw. ∆VoR
= Differenz der Vermögensänderungen
∆(∆VjX ) bzw. ∆ (∆V X )
= Differenz der Endvermögen mit und
ohne Regulierung
Abb. E 18 Zusammenhang der Vergleichsgrößen
Diese Endvermögensdifferenz ergibt sich für den einzelnen Aktionär j als
(E 132)
Y
X
∆(∆VjX ) = ∆VmR,j
− ∆VoR,j
für X ∈ {A, B,C,D,E} , Y ∈ {A, B,C,D,E}
und für die gesamte Gruppe als
(E 133)
∆(∆V X ) =
X
a oR
∑
vX
j= a oR
+1
∆( ∆VjX ) für X ∈ {A, B,C,D,E} , V ∈{A,B,D} ,
vX
wobei a oR
die kumulierte Anzahl der Mitglieder der Gruppen ohne Regulierung
darstellt, die auf der Abszisse weiter links als die betrachtetet Gruppe X abgetragen sind.1
1 Z.B. für die Gruppe C (Ausbeutungsfall) wären das die Gruppen A und B, für die Gruppe E
(Synergiefall) wäre es Gruppe D.
Kapitel E
232
3.3.2
Streubesitz
3.3.2.1
Bildung von Fallgruppen
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Für die Analyse der Wirkungen sollen die 13 Unterfälle der Fälle S1 – S3 aus Tabelle E 5, in denen eine Übernahme ohne Regulierung durchgeführt würde, zu
folgenden Fallgruppen zusammengefasst werden.
•
Fallgruppe I: Fälle, in denen die Preisregel nicht greift, weil der Durchschnittsbörsenkurs unter dem optimalen Preis ohne Regulierung liegt. Das sind die Fälle S1/1, S2/1 und S3/1.1
•
Fallgruppe II: Fälle, in denen die Preisregel greift, aber nicht alle Aktien
gekauft werden. Das sind die Fälle S2/2 und S3/2.
•
Fallgruppe III:Fälle, in denen alle Aktien zum Preis von C∅ gekauft werden. Das sind die Fälle S1/2, S2/4 und S3/4.
•
Fallgruppe IV:Fälle, in denen eine Übernahme mit Regulierung nicht mehr
vorteilhaft ist, sodass keine Aktien gekauft werden. Das
sind die Fälle S1/3, S2/3, S2/5, S3/3 und S3/5.
3.3.2.2
Ausbeutungsfall
3.3.2.2.1 Fallgruppe I
Liegt die Fallgruppe I vor, so greift die Preisregel nicht. Es gilt für die Gruppengrößen
(E 134)
X
a XmR = a oR
bzw.
(E 135)
∆a X = 0 für X ∈ {A,B,C} .
Weiterhin gilt für die individuellen Vermögensänderungen
(E 136)
X
∆VoR,j
= ∆VmXR , j bzw.
1 Zur Vereinfachung der Schreibweise wird im Folgenden der Unterfall y des Falls Sx als Sx/y
geschrieben.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(E 137)
233
∆(∆VjX ) = 0 für alle Aktionäre j mit X ∈ {A,B,C}
sowie für die Vermögensänderungen der Gruppengesamtheiten
(E 138)
X
X
∆VoR
= ∆VmR
bzw.
(E 139)
∆ (∆V X ) = 0 für X ∈ {A,B,C} .
Als triviales Ergebnis lässt sich also für die Fallgruppe I konstatieren, dass sich
keine Wirkung der Regulierung auf die vermögensmäßige Betroffenheit der Aktionäre ergibt.
3.3.2.2.2 Fallgruppe II
Die Wirkungen bei Vorliegen der Fallgruppe II sollen anhand der nachfolgenden
Abbildung verdeutlicht werden.
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
y
C∅
opt
PoR
u
v
z
W0 = W−
W IV = W +
x
w
CIV = C+
A
a oR
a*
∆a A
a opt
oR
a AmR
a opt
mR
a
−∆a C
Abb. E 19 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz, Fallgruppe II
Kapitel E
234
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Durch den höheren zu zahlenden Preis erhöht sich auch die Anzahl der Aktionäre,
die mit Gewinn verkauft haben (Gruppe A). Durch Einsetzen der Gleichungen
(E 98) und (E 42) in Gleichung (E 131) ergibt sich für den Fall, dass
opt
≥ C 0 + α 1 für die Differenz der Größe der Gruppe A gilt:
PoR
(E 140)
A
∆a A = a AmR − a oR
=
⇔
(E 141)
∆a A =
opt
C∅ − C0 PoR
− C0
−
opt
für PoR
≥ C0 + α
α
α
opt
C∅ − PoR
opt
für PoR
≥ C0 + α .
α
Dieses Ergebnis lässt sich auch unmittelbar aus Abbildung E 19 ablesen: Die Eropt
höhung des Ordinatenwertes um (C∅ − PoR
) dividiert durch die relevante Steigung α führt zu einer Erhöhung des Abszissenwertes von ∆a A .
opt
Im umgekehrten Fall PoR
< C 0 + α gilt gemäß
(E 44) a AoR = 0 .
Bei C∅ ≥ C0 + α ergibt sich dann
(E 142)
A
∆a A = a AmR − a oR
=
C∅ − C 0
opt
für PoR
< C 0 + α und C∅ ≥ C0 + α .
α
Ist auch C∅ < C0 + α , so gilt die Gleichung
(E 100)
a AmR = 0 ,
sodass sich
(E 143)
∆a A = 0 für C∅ < C0 + α
ergibt.2
1 Da in der Fallgruppe II in allen Konstellationen C∅ > P opt gilt, liegt dann gleichzeitig die ReoR
lation C ∅ ≥ C 0 + α vor.
2 Aus der Bedingung C ∅ < C 0 + α folgt in der Fallgruppe II zugleich Popt < C0 + α .
oR
3 Analyse des Übernahmeprozesses
235
Die Gruppe A von Aktionären, die mit Gewinn verkaufen, ist bei Vorliegen eines
Falls der Fallgruppe II mit Regulierung also nie kleiner als ohne Regulierung.
Sofern sie mit Regulierung überhaupt besetzt ist, ist sie stets um den Betrag nach
Gleichung (E 141) bzw. (E 142) größer als ohne Regulierung.
Ebenso eindeutige Aussagen lassen sich für die Größe der Gruppe C treffen.
Durch Einsetzen von (E 50) und (E 106) in (E 131) ergibt sich
(E 144)
(E 145)
C
C
opt
∆a C = a mR
− a oR
= (A − a opt
mR ) − (A − a oR )
⇔
opt
opt
∆a C = −(a mR
− a oR
)
⇔
∆a C = − ( a BP − a opt
oR ) ,
was für die Fallgruppe II unter Beachtung von Gleichung (E 82) präzisiert werden
kann zu
opt
 C∅ − CIV PoR
− C IV 
∆a C = − 
−

β
β


⇔
(E 146)
∆a C = −
opt
C∅ − PoR
.
β
In den betrachteten Fällen ist ∆a C immer negativ, d.h. die Gruppe der verbleibenden Minderheitsaktionäre ist mit Regulierung stets kleiner als ohne Regulierung.
In den Fällen der Fallgruppe II verbleibt aber immer eine Restgruppe von Minderheitsaktionären, die einen Verlust durch die Wertminderung ihrer Aktien erleiden.
Auch dieses Ergebnis ist unmittelbar in der Abbildung E 19 ablesbar. Die Differenz ergibt sich betragsmäßig einerseits als Abstand der optimalen Mengen mit
und ohne Regulierung wie in Gleichung (E 145) abzulesen. Andererseits erkennt
opt
man, dass die Erhöhung des Kaufpreises um (C∅ − PoR
) dividiert durch die Steigung β der relevanten Funktion W IV (a) betragsmäßig die Differenz ∆a C ergibt,
was dem Ergebnis gemäß Gleichung (E 146) entspricht.
Nicht unmittelbar in der Grafik ablesen lässt sich die Differenz der Größe von
Gruppe B.
Kapitel E
236
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Wegen
(E 147)
A
B
C
A
B
a oR
+ a oR
+ a oR
= a mR
+ a mR
+ a CmR = A
muss gelten
(E 148)
∆a A + ∆a B + ∆a C = 0 bzw.
(E 149)
∆a B = −∆a C − ∆a A .
Ist das stets negative ∆a C betragsmäßig größer als das nicht negative ∆a A , so ist
∆a B größer als Null. Im umgekehrten Fall ist ∆a B kleiner als Null. Wenn ∆a A
und ∆a C betragsmäßig gleich groß sind, so ändert sich die Größe der Gruppe B
überhaupt nicht.
Setzt man (E 141) und (E 146) in (E 149) ein, ergibt sich für den Fall
opt
PoR
≥ C0 + α
(E 150)
∆a B =
opt
opt
C∅ − PoR
C∅ − PoR
−
.
β
α
Daher gilt für die Differenz der Größe von Gruppe B
(E 151)
∆a B > 0 für β < α ,
(E 152)
∆a B < 0 für β > α ,und
(E 153)
∆a B = 0 für β = α .
Wenn also die Steigung β der Funktion W IV (a) kleiner ist als die Steigung α der
Funktion W 0 (a) , dann ist die Verringerung der Größe von Gruppe C betragsmäßig größer als die Erhöhung der Größe von Gruppe A, sodass sich die Größe von
Gruppe B insgesamt erhöht. Im umgekehrten Fall ist Gruppe B mit Regulierung
kleiner, und wenn die Steigung der beiden Bewertungsfunktionen übereinstimmt,
dann ist die Größe von Gruppe B ohne und mit Regulierung gleich.1
1 Zu beachten ist, dass zwar die Steigung der Funktion W IV (a) größer sein kann als die der
Funktion W 0 (a) , dass aber die Angebotsfunktion W IV (a) im hier untersuchten Ausbeutungsfall überall unterhalb von W 0 (a) liegen muss.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
237
opt
< C 0 + α vor, so muss für ∆a A Gleichung (E 142)
Liegt hingegen der Fall PoR
bzw. (E 143) in (E 148) eingesetzt werden. Wenn C∅ > C0 + α ist, ergibt sich
(E 154)
∆a B =
opt
C∅ − PoR
C∅ − C0
opt
−
für PoR
< C 0 + α und C∅ ≥ C0 + α .
β
α
Es gilt dann
(E 155)
∆a B > 0
für β < α ⋅
opt
C∅ − PoR
,
∅
C − C0
(E 156)
∆a B < 0
für β > α ⋅
opt
C∅ − PoR
C∅ − C 0
(E 157)
∆a B = 0
für β = α ⋅
opt
C∅ − PoR
.
∅
C − C0
und
Für den Faktor, mit dem α multipliziert wird, gilt in den betrachteten Fällen typischerweise
(E 158)
opt
C∅ − PoR
≥ 1 .1
C∅ − C0
Wenn also die Steigung β um diesen Faktor größer ist als die Steigung α , dann
ist die Gruppe B in beiden Vergleichssituationen gleich groß. Das liegt daran, dass
opt
sich die Größe der Gruppe A durch den Teilbetrag (C 0 − PoR
) der Preisdifferenz
nicht erhöht, wohl aber eine Verringerung der Gruppe C daraus resultiert. Erst
darüber hinausgehende Preisdifferenzen wirken auch auf die Größe von A. Um
dies auszugleichen muss β entsprechend größer sein als α , damit die Veränderungen betragsmäßig gleich groß sind.
Ist hingegen auch C∅ < C0 + α , so gilt
1 Mit „typischerweise“ ist hier gemeint, dass nicht nur Popt < C0 + α gilt, sondern sogar die
oR
opt
opt
Bedingung PoR
≤ C0 , wovon hier ausgegangen wird. Läge PoR
gerade zwischen C 0 und
C 0 + α , so wäre der Ausdruck rechnerisch kleiner als eins, bei den hier unterstellen kleinen
Bewertungsunterschieden aber sehr nahe eins.
Kapitel E
238
(E 159)
∆a B =
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
opt
C∅ − PoR
für C∅ < C0 + α .
β
Liegt diese Konstellation vor, so ist die Gruppe B mit Regulierung stets größer als
ohne Regulierung.
Betrachtet man die Vermögensänderungen derjenigen Aktionäre, die in der unregulierten Situation den Gruppen A, B oder C angehören, so ergibt sich Folgendes:
•
Alle Aktionäre, die in der unregulierten Situation der Gruppe A angehören,
gehören dieser Gruppe auch in der regulierten Situation an. Das bedeutet sie
verkaufen ihre Aktien ebenso, erhalten allerdings den höheren Preis C∅ .
Die Differenz der Vermögensänderungen eines jeden Aktionärs und damit
die Wirkung der Regulierung auf seine vermögensmäßige Betroffenheit beträgt
(E 160)
opt
∆(∆VjA ) = C∅ − PoR
.
Diese Aktionäre, die schon in der unregulierten Situation einen Gewinn erzielen konnten, erreichen mit Regulierung einen noch höheren Gewinn. Die
Differenz der Vermögensänderung der gesamten Gruppe A in der unregulierten Situation beträgt
(E 161)
A
opt
∆ (∆V A ) = a oR
⋅ (C ∅ − PoR
).
In der Abbildung E 19 kann diese Differenz als Fläche u abgelesen werden.
•
Die Aktionäre, die in der unregulierten Situation der Gruppe B angehören,
also mit Verlust verkaufen, verkaufen auch in der Situation mit Regulierung
und erhalten den höheren Preis C∅ . Dadurch wechselt mindestens ein Teil
von ihnen in die Gruppe A, erzielt also mit Regulierung einen Gewinn.1 Die
Anzahl der Wechsler von Gruppe B in Gruppe A beträgt
(E 162)
B
a BA = ∆a A falls ∆a A ≤ a oR
und
(E 163)
B
B
a BA = a oR
falls ∆a A > a oR
.
Die Differenz der Vermögensänderungen eines jeden Aktionärs beträgt
1 Wenn hier vereinfachend von „Wechseln“ der Gruppe gesprochen wird, so ist damit kein
Wechseln im zeitlichen Ablauf gemeint, sondern der Umstand, dass ein Aktionär mit Regulierung einer anderen Gruppe angehört als ohne.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(E 164)
239
opt
∆(∆VjB ) = C∅ − PoR
,
die Differenz bezogen auf die Vermögensänderungen der gesamten Gruppe
beläuft sich auf
(E 165)
opt
).
∆ (∆V B ) = a BoR ⋅ (C∅ − PoR
In Abbildung E 19 ist diese Differenz als Fläche v abzulesen. In dem durch
B
die Abbildung verdeutlichten Beispiel ist ∆a A > a oR
, sodass alle Aktionäre,
die ohne Regulierung mit Verlust verkaufen, nunmehr mit Regulierung der
Gruppe A angehören und mit Gewinn verkaufen.
•
Von den Aktionären, die ohne Regulierung der Gruppe C der verbleibenden
Minderheitsaktionäre angehören, verkauft in der regulierten Situation ein
Teil seine Aktien. Diese verkaufenden Aktionäre wechseln in die Gruppe B
oder sogar in die Gruppe A. Die Differenz der Vermögensänderungen (=
Endvermögensdifferenz durch die Regulierung) beträgt für diese Aktionäre
(E 166)
∆(∆VjC ) = C∅ − Wj+ .
Die Anzahl der Wechsler von Gruppe C in Gruppe A beträgt
(E 167)
a CA = 0 ,
(E 168)
B
B
a CA = ∆a A − a oR
, falls ∆a A > a oR
.
B
falls ∆a A ≤ a oR
und
Setzt man in Gleichung (E 168) die Gleichungen (E 131) und (E 47) ein,
ergibt sich
(E 169)
(E 170)
A
A
a CA = (a AmR − a oR
) − (a opt
oR − a oR )
⇔
A
opt
B
a CA = a mR
− a oR
für ∆a A > a oR
.
Die Differenz der Vermögensänderungen dieser Teilgruppe ergibt sich als
(E 171)
A

Popt + W IV (a mR
)
∆(∆V CA ) = a CA ⋅  C∅ − oR

2


und ist in der Abbildung E 19 als Fläche w abzulesen. Die Breite der Fläche
A
ergibt sich wie in (E 170) errechnet als Abstand zwischen a opt
oR und a mR .
Die Anzahl der Wechsler in die Gruppe B beträgt
(E 172)
a CB = −∆a C − a CA .
Kapitel E
240
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Die Differenz der Vermögensänderungen für diese Teilgruppe beträgt
(E 173)
∆(∆V CB ) = a CB ⋅
A
C∅ − W IV (a mR
)
2
B
für ∆a A > a oR
und ist in Abbildung E 19 als Fläche x dargestellt. Der für diese Teilgruppe
verbleibende Verlust wird durch die Fläche y abgebildet. Für den Fall, dass
B
a CA = 0 ist , also bei ∆a A ≤ a oR
, gilt
(E 174)
∆(∆V CB ) = a CB ⋅
opt
C∅ − PoR
.
2
In den Fällen der Fallgruppe II verbleiben allerdings noch a CmR Aktionäre als
Minderheitsaktionäre. Ihr persönlicher Verlust resultiert aus dem Wertverlust ihrer Aktien und ist ohne und mit Regulierung gleich groß. Der verbleibende Verlust dieser Teilgruppe ist in Abb. E 19 durch Fläche z abgebildet.
Die Differenz der Vermögensänderungen der gesamten Angehörigen der
Gruppe C ergibt sich demnach als
(E 175)
∆ (∆V C ) = ∆ (∆V CA ) + ∆ ( ∆VCB ) ,
B
B
als auch für ∆a A > a oR
durch einige elementare
was sowohl für ∆a A ≤ a oR
Umformungen zu
(E 176)
∆(∆V C ) = −∆a C ⋅
opt
C∅ − PoR
2
vereinfacht werden kann.
Diese Ergebnis kann auch unmittelbar aus Abbildung E 19 abgelesen werden, wo sich die Differenz der Vermögensänderungen der Gruppe C als Flächeninhalt des aus w und x zusammengesetzten Dreiecks ergibt.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
241
3.3.2.2.3 Fallgruppe III
In den Fällen der Fallgruppe III ergeben sich nur geringfügige Abweichungen von
den für die Fallgruppe II festgestellten Ergebnissen, wie anhand der folgenden
Abbildung E 20 erläutert werden soll.
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
C
y
∅
opt
PoR
u
v
x
w
W0 = W−
W IV = W +
C0
C = C+
IV
A
a oR
a*
a opt
oR
∆a A
a AmR
a opt
mR =A
a
−∆a C
Abb. E 20 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Streubesitz, Fallgruppe III
In der Abbildung wird die gleiche Ausgangssituation wie in Abbildung E 19 dargestellt, allerdings mit einem höheren Durchschnittsbörsenkurs C∅ . Dieser liegt
in dieser Fallgruppe mindestens bei W IV (A), in der beispielhaft verdeutlichten
Situation sogar höher.
Es sei zunächst wieder auf die Veränderung der Gruppengrößen eingegangen.
Bezüglich der Größe von Gruppe A wurden in der Fallgruppe II drei Unterfälle in
Abhängigkeit davon unterschieden, ob in den Situationen mit und ohne Regulierung die Gruppe A besetzt ist. In der Fallgruppe III, in der alle Aktien gekauft
werden, ist in diesem Fall, also bei C∅ ≥ C0 + α , zusätzlich zu unterscheiden, ob
C∅ ≥ C0 + α ⋅ A gilt oder nicht. Danach entscheidet sich nämlich, ob a AmR nach
Gleichung (E 98) oder (E 99) errechnet wird. In letzterem Fall sind alle Aktionäre
mit Regulierung der Gruppe A zuzuordnen, was in der Fallgruppe II ausgeschlossen ist, da nicht alle Aktien verkauft werden. Ist hingegen C∅ < C0 + α , so kann
nie C∅ ≥ C0 + α ⋅ A gelten, sodass dann keine Unterscheidung notwendig ist.
Kapitel E
242
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Aus der Kombination dieser Bedingungen ergeben sich 5 Konstellationen, von
denen die Konstellationen 1, 3 und 5 denen in der Fallgruppe II entsprechen und
die Konstellationen 2 und 4 nur in der Fallgruppe III auftreten können:
•
Konstellation 1:
opt
≥ C 0 + α und C∅ < C0 + α ⋅ A :1
PoR
(E 177)
•
Konstellation 2:
Konstellation 3:
∆a A = A −
(E 179)
Konstellation 4:
Konstellation 5:
C∅ − C 0
α
opt
< C 0 + α und C∅ ≥ C0 + α ⋅ A :
PoR
(E 180)
•
opt
PoR
− C0
α
opt
< C 0 + α und C0 + α ⋅ A > C∅ ≥ C0 + α :
PoR
∆a A =
•
opt
C∅ − PoR
α
opt
≥ C 0 + α und C∅ ≥ C0 + α ⋅ A :
PoR
(E 178)
•
∆a A =
∆a A = A .
C∅ < C0 + α :2
(E 181)
∆a A = 0
Besonders einfach gestaltet sich in der Fallgruppe III die Bestimmung der Differenz der Größe von Gruppe C. Die Gruppe C der Minderheitsaktionäre ist in den
Fällen dieser Fallgruppe nicht besetzt, sodass gilt
opt

PoR
− CIV
C
(E 182) ∆a C = −a oR
= −(A − a opt
oR ) = −  A −
β


.

1 Aus der Bedingung Popt ≥ C0 + α folgt in Fallgruppe III wegen C∅ > P opt
oR
oR
C∅ ≥ C0 + α .
2 Aus der Bedingung C ∅ < C 0 + α folgt in der Fallgruppe III zugleich Popt < C0 + α .
oR
zugleich
3 Analyse des Übernahmeprozesses
243
Damit folgt für die Differenz der Gruppengröße von B in Abhängigkeit von der
Konstellation zur Berechnung von ∆a A durch Einsetzen der Gleichungen (E 177)
bis (E 180) in (E 149):
•
Konstellation 1:
opt
PoR
≥ C 0 + α und C∅ < C0 + α ⋅ A :
(E 183)
∆a B = A −
opt
opt
− C IV C∅ − PoR
PoR
−
β
α
In dieser Konstellation kann die Gruppe B in der Situation mit Regulierung
in Abhängigkeit von den konkreten Parametern sowohl größer als auch
kleiner als in der Situation ohne Regulierung sein.
•
Konstellation 2:
opt
PoR
≥ C 0 + α und C∅ ≥ C0 + α ⋅ A :
(E 184)
∆a B = A −
opt
PoR
− CIV 
Popt − C0 
−  A − oR

α
α


⇔
(E 185)
∆a B =
opt
opt
PoR
− C 0 PoR
− C IV
−
.
α
β
Auch in dieser Situation kann die Gruppe B in der Situation mit Regulierung sowohl größer als auch kleiner sein als ohne Regulierung.
•
Konstellation 3:
opt
PoR
< C 0 + α und C0 + α ⋅ A > C∅ ≥ C0 + α :
(E 186)
∆a B = A −
opt
PoR
− C IV C∅ − C0
−
β
α
Das Vorzeichen der Veränderung ergibt sich wie in den Konstellationen 1
und 2 in Abhängigkeit von den konkreten Parametern.
•
Konstellation 4:
opt
PoR
< C 0 + α und C∅ ≥ C0 + α ⋅ A :
(E 187)
∆a B = A −
opt
PoR
− CIV
−A
β
⇔
(E 188)
∆a B = −
opt
PoR
− CIV
α
Kapitel E
244
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
opt
Da stets PoR
> C IV gelten muss, ist der Ausdruck immer negativ, d.h., dass
die Gruppe B bei Vorliegen dieser Konstellation mit Regulierung stets kleiner ist als ohne.
•
Konstellation 5
C∅ < C0 + α :
(E 189)
∆a B = A −
opt
PoR
− C IV
= A − a opt
oR
β
Bei Vorliegen dieser Konstellation ist die Gruppe B mit Regulierung also
immer größer als ohne.
Betrachtet man die Vermögensänderungen, so ergibt sich Folgendes:
•
Für die Gruppe A ergeben sich die gleichen Ergebnisse wie in Fallgruppe II,
d.h. es gilt
(E 190)
opt
∆(∆VjA ) = C∅ − PoR
und .
(E 191)
A
opt
∆ (∆V A ) = a oR
⋅ (C ∅ − PoR
).
Auch hier können also diejenigen Aktionäre, die schon in der unregulierten
Situation einen Gewinn erzielen können, mit Regulierung einen noch höheren Gewinn erlangen. Die Differenz der Vermögensänderungen ist in Abbildung E 20 als Fläche u eingezeichnet.
•
Auch für die Gruppe B ergeben sich keine Unterschiede zu den Ergebnissen
für Fallgruppe II, d.h., die Vermögensänderungen betragen
(E 192)
opt
∆(∆VjB ) = C∅ − PoR
und
(E 193)
opt
∆ (∆V B ) = a BoR ⋅ (C∅ − PoR
).
In Abbildung E 20 ist diese Differenz als Fläche v abzulesen.
•
In den Fällen der Fallgruppe III ist die Gruppe C nicht besetzt, da alle Aktien gekauft werden. Alle Aktionäre dieser Gruppe verkaufen also zum Preis
C∅ . Ihre jeweilige Endvermögensdifferenz beträgt daher
(E 194)
∆(∆VjC ) = C∅ − Wj+ .
Die Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe C angehören, verteilen
sich in der Situation mit Regulierung auf die Gruppen A und B. Die Anzahl
der Wechsler von Gruppe C in Gruppe A beträgt
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(E 195)
a CA = 0
(E 196)
A
opt
B
a CA = a mR
− a oR
für ∆a A > a oR
.
245
B
falls ∆a A ≤ a oR
und
Die Differenz der Vermögensänderungen dieser Teilgruppe ergibt sich als
(E 197)
A

Popt + W IV (a mR
)
∆(∆V CA ) = a CA ⋅  C∅ − oR

2


und ist in der Abbildung E 20 als Fläche w abzulesen.
Die Anzahl der Wechsler in die Gruppe B beträgt
(E 198)
a CB = −∆a C − a CA .
Die Differenz der Vermögensänderungen für diese Teilgruppe beträgt
(E 199)

W IV (a AmR ) + W IV (A) 
A
B
∆(∆V CB ) = a CB ⋅  C∅ −
 für ∆a > a oR und
2


(E 200)

Popt + W IV (A) 
∆(∆V CB ) = a CB ⋅  C∅ − oR

2


B
für ∆a A ≤ a oR
.
In Abbildung E 20 ist der erste dieser beiden Fälle gegeben. Die Endvermögensdifferenz der Teilgruppe ist als Fläche x dargestellt. Der für diese Teilgruppe verbleibende Verlust wird durch die Fläche y abgebildet.
Die Differenz der Vermögensänderungen der gesamten Angehörigen der
Gruppe C ergibt sich als
(E 201)

Popt + W IV (A) 
∆(∆V C ) = ∆a C ⋅  C∅ − oR
.
2


Kapitel E
246
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
3.3.2.2.4 Fallgruppe IV
In den Fällen der Fallgruppe IV ist eine Übernahme, die ohne Regulierung vorteilhaft ist, in einer Situation mit Regulierung nicht vorteilhaft, sodass der Bieter,
der annahmegemäß unter einseitiger Sicherheit handelt, auf sie verzichtet. Die
Wirkungen, die sich daraus für die Aktionäre ergeben, sollen anhand der Abbildung E 21 erläutert werden.
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
C∅
opt
PoR
C =C
IV
WÜ
W0 = W−
W IV = W +
w
v
u
+
a A a*
A
a krit
mR
B
a opt
A
a
C
Abb. E 21 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall
bei Streubesitz, Fallgruppe IV
Man erkennt, dass der Durchschnittspreis so hoch ist, dass die Übernahme für den
Bieter nicht mehr lohnend ist. Da die Übernahme nicht durchgeführt wird, ändert
sich das Vermögen der Aktionäre mit Regulierung gegenüber der Ausgangssituation nicht. Es gibt demnach auch keine Gruppen A, B und C. Es gilt also
(E 202)
X
∆a X = −a oR
für X ∈ {A,B,C} .
Im Vergleich zur Situation ohne Regulierung ergibt sich die Endvermögensdifferenz demnach als Betrag der Vermögensänderung ohne Regulierung mit umgekehrtem Vorzeichen. Im Einzelnen bedeutet das:
3 Analyse des Übernahmeprozesses
•
247
Die Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe A angehören, machen in
dieser Situation einen Gewinn, der ihnen mit Regulierung nicht entsteht. Sofern die Gruppe A ohne Regulierung besetzt ist, erleidet also jeder einzelne
Gruppenangehörige im Vergleich der Situationen mit und ohne Regulierung
durch die gesetzliche Regelung einen Verlust in Höhe von
(E 203)
opt
∆(∆VjA ) = Wj0 − PoR
.
Der Verlust der gesamten Gruppe beläuft sich auf
(E 204)
1 A
opt
∆(∆VjA ) = ⋅ a oR
⋅ (C0 − PoR
)
2
und ist der Abbildung E 21 als Fläche u eingezeichnet.
•
Die Gruppen B und C der Situation ohne Regulierung stehen sich jedoch
mit Regulierung besser, da ihnen der Verlust, der durch die Übernahme entstünde, erspart bleibt. Ihre Endvermögensdifferenzen im Vergleich mit und
ohne Regulierung betragen daher für die einzelnen Aktionäre
(E 205)
opt
∆(∆VjB ) = Wj0 − PoR
bzw.
(E 206)
∆(∆VjC ) = Wj0 − Wj+
und für die gesamten Gruppen
(E 207)
1 B
opt
∆(∆V B ) = ⋅ a oR
⋅ ( W 0 (a opt
oR ) − PoR ) bzw.
2
(E 208)
∆(∆V C ) = a C ⋅
opt
0
IV
W 0 (a opt
oR ) − PoR + W (A) − W (A)
.
2
Die Endvermögensdifferenz für Gruppe B ist in Abbildung E 21 als Fläche
v eingezeichnet und die entsprechende Differenz für Gruppe C als Fläche w.
Kapitel E
248
3.3.2.3
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Synergiefall
3.3.2.3.1 Fallgruppe I
In den Fällen der Fallgruppe I greift die Regulierung nicht, sodass sich für die
Änderung der Gruppengrößen
∆a X = 0 für X ∈ {D, E}
(E 209)
und für die Vermögensänderungen
(E 210)
∆ (∆V X ) = 0 für X ∈ {D, E} und
(E 211)
∆ (∆V X ) = 0 für X ∈ {D, E}
ergibt.
3.3.2.3.2 Fallgruppe II
Die Wirkungen der Regulierung in Fallgruppe II sollen anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht werden:
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
C∅
opt
PoR
W IV = W +
u
v
W0 = W−
C+
C0
a*
a opt
mR
a opt
oR
A
a
∆a D = −∆a E
Abb. E 22 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei
Streubesitz, Fallgruppe II
3 Analyse des Übernahmeprozesses
249
Zunächst sei wieder auf die Differenz der Gruppengrößen eingegangen. Die Differenz der Größe von Gruppe D ergibt sich durch Einsetzen von (E 53) und (E 109)
in (E 131):
(E 212)
opt
opt
∆a D = a mR
− a oR
,
was für die Fälle der Fallgruppe II wie folgt geschrieben werden kann:
(E 213)
opt
∆a D = a(C∅ ) − a(PoR
)
⇔
∆a D =
opt
− C IV
C∅ − CIV PoR
−
β
β
⇔
(E 214)
∆a D =
opt
C∅ − PoR
.
β
Da im Synergiefall nur maximal zwei Gruppen existieren, folgt aus
(E 215)
D
E
E
a oR
+ a oR
= a DmR + a mR
=A
die Beziehung
(E 216)
∆a D = −∆a E .
Mit (E 214) ergibt das für die Größendifferenz der Gruppe E
(E 217)
∆a E = −
opt
C∅ − PoR
.
β
Dieses Ergebnis lässt sich unmittelbar aus Abbildung E 22 ablesen. Die Differenz
ergibt sich als Abstand der beiden optimalen Mengen mit und ohne Regulierung.
Dieser Abstand ergibt sich durch die Parallelverschiebung der durch den gezahlten Preis markierten Hilfslinie nach oben als Verschiebung des zugehörigen Abszissenwertes.
Von den Aktionären, die ohne Regulierung der Gruppe E angehören, wechselt in
dieser Fallgruppe mit Regulierung ein Teil in die Gruppe D, verkauft also jetzt
Kapitel E
250
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
auch, sodass die Gruppe der Minderheitsaktionäre kleiner ist als ohne Regulierung.
Bezüglich der Vermögensdifferenzen resultiert Folgendes:
•
Alle Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe D angehören, gehören
dieser Gruppe auch mit Regulierung an. Sie verkaufen zum mit Regulierung
in dieser Fallgruppe höheren Preis C∅ , sodass ihr zusätzlicher Gewinn
durch die Regulierung
(E 218)
opt
∆(∆VjD ) = C∅ − PoR
beträgt.
Der zusätzliche Gewinn der gesamten Gruppe beträgt
(E 219)
D
opt
).
∆ (∆V D ) = a oR
⋅ (C∅ − PoR
Der Zusatzgewinn der Gruppe D durch die Regulierung ist in Abb. E 22 als
Fläche u markiert.
•
Von den Aktionären, die ohne Regulierung der Gruppe E angehören, wechselt in dieser Fallgruppe mit Regulierung ein Teil in die Gruppe F, verkauft
also jetzt auch, sodass die Gruppe der Minderheitsaktionäre kleiner ist als
ohne Regulierung. Für die verbleibenden Minderheitsaktionäre ergibt sich
keine Änderung zur unregulierten Situation, d.h., sie erzielen weiterhin den
gleichen Gewinn, der sich durch die synergiebedingte Wertsteigerung ihrer
Aktien ergibt. Die Aktionäre, die jetzt verkaufen, erzielen dagegen eine zusätzlichen Gewinn in Höhe von
(E 220)
∆(∆VjE ) = C∅ − Wj+ .
Der Anteil der Wechsler in Gruppe D beträgt, wie oben festgestellt,
∆a D = −∆a E , sodass sich der gesamte Zusatzgewinn der Gruppe durch die
Regulierung auf
(E 221)
1
opt
∆(∆V E ) = ⋅ ∆a D ⋅ (C∅ − PoR
)
2
beläuft. Er wird in Abbildung E 22 durch die Fläche v dargestellt.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
251
3.3.2.3.3 Fallgruppe III
In den Fällen der Fallgruppe ergibt sich das durch die folgende Abbildung beispielhaft verdeutlichte Bild:
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
C
W IV = W +
∅
u
v
W0 = W−
opt
PoR
C+
C0
a*
a opt
mR = A
a opt
oR
a
∆a D = −∆a E
Abb. E 23 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei
Streubesitz, Fallgruppe III
In den Fällen dieser Fallgruppe gehören mit Regulierung alle Aktionäre der Gruppe D an, deren Angehörige mit Gewinn verkaufen. Für die Änderung der Gruppengrößen gilt daher
(E 222)
E
∆a D = −∆a E = a oR
.
Hinsichtlich der Vermögensänderungen kann Folgendes festgestellt werden:
•
Für die Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe D angehören, ergeben
sich die gleichen Ergebnisse wie in der Fallgruppe II, d.h.
(E 223)
opt
∆(∆VjD ) = C∅ − PoR
(E 224)
D
opt
∆ (∆V E ) = a oR
⋅ (C∅ − PoR
).
und
Der zusätzliche Gewinn der Gruppe D ist in Abbildung E 23 als Fläche u
eingezeichnet.
Kapitel E
252
•
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Alle Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe E angehören, wechseln
mit Regulierung in die Gruppe D. Die jeweiligen Zusatzgewinne betragen
(E 225)
∆(∆VjE ) = C∅ − Wj+
für die einzelnen Aktionäre und
(E 226)

Popt + W IV (A) 
E
∆(∆V E ) = a oR
⋅  C∅ − oR

2


für die gesamte Gruppe.
Dieser Zusatzgewinn entspricht der Fläche v in Abbildung E 23.
3.3.2.3.4 Fallgruppe IV
In den Fällen der Fallgruppe IV ist die ohne Regulierung für alle Beteiligten vorteilhafte Übernahme mit Regulierung für den Bieter nicht mehr vorteilhaft, sodass
sie unterbleibt. Daher kommt es zu den durch Abbildung E 23 verdeutlichten
Wirkungen der Regulierung.
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
WÜ
C
opt
PoR
+
C =C
C0
IV
W IV = W +
∅
v
W0 = W−
u
a*
D
a opt
oR
A
a
E
Abb. E 24 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Synergiefall bei
Streubesitz, Fallgruppe IV
3 Analyse des Übernahmeprozesses
253
Da die Übernahme nicht durchgeführt wird, entgeht den Aktionären der Gewinn,
den sie in der unregulierten Situation erlangt hätten. Im Einzelnen heißt das:
•
Die Differenz der Gruppengrößen beträgt
(E 227)
•
X
∆a X = −a oR
für X ∈ {D, E} .
Die Differenz der Endvermögen mit und ohne Regulierung beträgt für jeden
Aktionär, der ohne Regulierung der Gruppe D angehört,
(E 228)
opt
∆(∆VjD ) = −(PoR
− Wj0 )
und für die gesamte Gruppe
(E 229)
opt
 opt C0 + W 0 (a oR
)
∆V D = −a opt
oR ⋅  PoR −
.
2


Dieser Verlust der Aktionäre durch die Regulierung ist in der Abbildung E
23 als Fläche u dargestellt.
•
Die Vermögenseinbuße der Aktionäre, die ohne Regulierung der Gruppe E
angehören, liegt im Ausbleiben der übernahmebedingten Wertsteigerung
und beträgt
(E 230)
∆(∆VjE ) = −(Wj+ − Wj0 )
für die einzelnen Aktionäre und
(E 231)
∆(∆V E ) = (A − a opt
oR ) ⋅
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
) + W IV (A) − W 0 (A)
2
für die gesamte Gruppe.
Dieser durch die Regulierung entstehende Verlust wird in Abbildung E 24
durch Fläche v verdeutlicht.
Kapitel E
254
3.3.2.4
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Zusammenfassung der Ergebnisse für den Streubesitzfall
In den nachfolgenden Tabellen werden die Wirkungen auf die Aktionäre der Zielgesellschaft noch einmal zusammengefasst.
Fallgruppe
Fall
Bedingungen
β≤
WÜIn − C IV
2⋅ A
C ∅ ≤ C IV + β ⋅ A
S1/1
WÜIn − C IV
I
2⋅A
S2/1
S3/1
2 ⋅ a*
SYN
2 ⋅ a*
W +C
In
Ü
C∅ ≤
WÜIn − C IV
WÜIn − C IV
< β≤
IV
2
EXT
Ü
+ A ⋅ TRANS Ü
a
∅
C ≤ C + β ⋅a
IV
W − C IV
In
Ü
2⋅A
C∅ <
WÜIn + C +
2
II
(WÜIn − C + ) 2
+
4
EXT
W −C
In
Ü
SYN Ü
*
*
2 ⋅ a*
WÜIn + C IV
2
+ A ⋅ TRANS Ü
a
<β <
*
a
∅
WÜIn + C IV
2
+
(WÜIn − C IV )2
4
β≤
IV
*
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
WÜIn − C IV
2⋅ A
C ∅ ≥ C IV + β ⋅ A
WÜIn − C IV
S2/4
In
IV
C ∅ < W Ü (A)
III
+ WÜ − C
C + β ⋅ A > C > C + β ⋅ a*
IV
C∅ <
S1/2
IV
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ )
Ü
IV
2 ⋅ a*
S3/2
In
WÜIn − C IV
< β≤
C IV + β ⋅ A > C ∅ >
S2/2
+ WÜ − C
a*
<β <
< β≤
WÜIn − C IV
2⋅A
2 ⋅ a*
∅
IV
C ≥ C +β⋅A
C∅ < WÜ (A)
3 Analyse des Übernahmeprozesses
Fallgruppe
255
Fall
Bedingungen
EXT
SYN Ü
WÜIn − C IV
+ WÜ − C
In
a*
<β <
2 ⋅ a*
S3/4
III
+ A ⋅ TRANS Ü
a
C ≥ C +β⋅A
∅
IV
*
IV
C ∅ < W Ü (A)
β≤
WÜIn − C IV
2⋅ A
C ∅ > C IV + β ⋅ A
S1/3
C∅ ≥ WÜ (A)
W − C IV
In
Ü
2⋅A
WÜ + C
In
∅
C ≥
IV
In
+
2
(WÜ − C )
IV
2
2
+ β ⋅ (SYN Ü + A ⋅ TRANS Ü )
EXT
4
WÜIn − C IV
2⋅a
WÜIn + CIV
*
CIV + β ⋅ A > C ∅ >
S2/3
WÜIn − C IV
< β≤
2⋅A
2 ⋅ a*
∅
IV
C ≥ C +β⋅A
S2/5
IV
WÜIn − C IV
< β≤
C∅ ≥ WÜ (A)
EXT
W −C
In
Ü
SYN Ü
a
<β <
2 ⋅ a*
S3/3
*
a
∅
+ WÜ − C
In
IV
*
C + β ⋅ A > C > C + β ⋅ a*
IV
WÜ + C
In
∅
C ≥
IV
2
(WÜ − C )
In
+
IV
W −C
2 ⋅ a*
SYN Ü
IV
2
4
EXT
In
Ü
S3/5
+ A ⋅ TRANS Ü
IV
+ β ⋅ (SYN Ü + A ⋅ TRANS Ü )
EXT
+ A ⋅ TRANS Ü
IV
a
<β <
*
a
∅
+ WÜ − C
In
IV
*
C ≥ C +β⋅A
IV
C∅ ≥ WÜ (A)
Tab. E 8
Übersicht über die Fallgruppen und Einzelfälle bei Streubesitz
Entscheidend für die Einteilung in die jeweiligen Fallgruppen sind dabei die folgenden Bedingungen:
•
Für die Einteilung in Fallgruppe I ist jeweils die zuletzt genannte Bedingung
ausschlaggebend. Sie bringt zum Ausdruck, dass der Durchschnittsbörsen-
256
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
kurs unterhalb des optimalen Preises ohne Regulierung liegt, sodass die
Preisregel nicht greift und damit die Regulierung wirkungslos bleibt.
•
Die Einteilung in Fallgruppe II wird durch die jeweiligen letzten beiden
Bedingungen bestimmt. Die jeweils vorletzte Bedingung bringt zum Ausdruck, dass die Regulierung greift, aber noch nicht alle Aktien erworben
werden müssen. Die letzte Bedingung besagt, dass eine Übernahme auch
zum höheren Preis für den Übernehmer noch lohnend ist.
•
Auch die Zuordnung zu Fallgruppe III ergibt sich aus den beiden jeweils
zuletzt genannten Bedingungen. Die jeweils vorletzte Bedingung sagt aus,
dass die Regulierung greift und dass der Durchschnittsbörsenkurs so hoch
ist, dass zu diesem Preis alle Aktien gekauft werden müssen. Die letzte Bedingung sagt wiederum aus, dass eine Übernahme bei Kauf aller Aktien zu
diesem Preis noch vorteilhaft ist.
•
Schließlich ist für die Einteilung in Fallgruppe IV die jeweils letztgenannte
Bedingung entscheidend. Sie besagt, dass die Übernahme mit Regulierung
für den Übernehmer nicht vorteilhaft ist.
Für die jeweiligen Änderungen der Gruppengrößen und Vermögensänderungen
wurden die folgenden Ergebnisse ermittelt:
Tab. E 9
IV
III
II
0
opt
PoR
− C0
α
opt
opt
PoR
− CIV C∅ − PoR
−
β
α
A−
−a BoR
opt
PoR
− C IV
β
opt
PoR
− C IV
β
A−
−
opt
PoR
− C IV C∅ − C0
−
β
α
opt
opt
PoR
− C 0 PoR
− C IV
−
α
β
A−
opt
C∅ − PoR
β
opt
C∅ − PoR
C∅ − C0
−
β
α
opt
C∅ − PoR
β
−a CoR
−(A − a opt
oR )
−
0
∆aC
Übersicht über die Differenzen der Gruppengrößen mit und ohne Regulierung bei Streubesitz
−a AoR
0
C∅ < C0 + α
–
A
C∅ − C0
α
A−
opt
C∅ − PoR
α
0
C∅ ≥ C0 + α ⋅ A
opt
< C0 + α
PoR
C0 + α ≤ C∅ < C0 + α ⋅ A
opt
PoR
< C0 + α
C ≥ C +α⋅A
∅
opt
PoR
≥ C0 + α
C∅ < C0 + α ⋅ A
opt
PoR
≥ C0 + α
C∅ < C0 + α
opt
< C0 + α
PoR
C∅ ≥ C0 + α
C∅ − C0
α
opt
opt
C∅ − PoR
C∅ − PoR
−
β
α
opt
C∅ − PoR
α
opt
PoR
≥ C0 + α
opt
PoR
< C0 + α
0
0
∆a B
–
Ausbeutungsfall
I
∆a A
Konstellation
Fallgruppe
−a DoR
E
a oR
opt
C∅ − PoR
β
0
−
−a EoR
−a EoR
opt
C∅ − PoR
β
0
∆a E
Synergiefall
∆a D
3 Analyse des Übernahmeprozesses
257
258
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Über die Änderung der Gruppengrößen lassen sich folgende Aussagen treffen:
•
Die Größe der Gruppe A bleibt bei Vorliegen der Fallgruppe I unverändert,
steigt in den Fällen der Fallgruppen II und III an und verringert sich (auf
Null), wenn Fallgruppe IV vorliegt.
•
Die Größe der Gruppe B bleibt in Fallgruppe I ebenfalls unverändert. In
Fallgruppe II hängt die Änderung von den Steigungen der Bewertungsfunktionen in t = 0 und der Angebotsfunktion in t = IV ab. Die Gruppengröße
erhöht sich, wenn die Steigung der Angebotsfunktion kleiner ist als die der
Bewertungsfunktion in t = 0. Im umgekehrten Fall vergrößert sich die
Gruppe B. Der Umfang der Gruppe (nicht aber ihre Zusammensetzung)
bleibt hingegen unverändert, wenn die beiden Steigungen gleich groß sind.
Liegt die Fallgruppe III vor, so müssen die in der Tabelle aufgeführten fünf
Konstellationen unterschieden werden. Bei Vorliegen der fünften Konstellation steigt die Größe der Gruppe B an, in der vierten Konstellation verringert sich die Gruppengröße stets. In der ersten bis dritten Konstellation kann
die Gruppengröße steigen, sinken oder unverändert bleiben. Bei Vorliegen
der Fallgruppe IV verringert sich die Gruppengröße wiederum auf null.
•
Die Größe der Gruppe C bleibt in Fallgruppe I unverändert und sinkt in allen anderen Fallgruppen.
•
Die im Synergiefall bei einer Übernahme auftretende Gruppe D bleibt bei
Vorliegen der Fallgruppe I unverändert groß, vergrößert sich in den Fällen
der Fallgruppen II und III und verkleinert sich auf Null, wenn Fallgruppe IV
vorliegt.
•
Die Gruppe E, die ebenfalls dem Synergiefall zuzuordnen ist, bleibt in den
Fällen der Fallgruppe I unverändert und verringert sich in allen anderen
Fallgruppen.
Die Wirkungen auf das Vermögen der Aktionäre der Zielgesellschaft sind in den
folgenden Tabellen zusammengefasst:
Tab. E 10
0
opt
C ∅ − PoR
>0
opt
C ∅ − PoR
>0
opt
Wj0 − PoR
>0
opt
C ∅ − PoR
>0
opt
C ∅ − PoR
>0
opt
Wj0 − PoR
<0
∆(∆V )
B
j
Ausbeutungsfall
0
∆(∆V )
A
j
+
j
0
opt
mR
>0
opt
Wj0 − PoR
>0
C∅ − Wj+
0 für j > a
> 0;
C − W für j ≤ a
∅
∆(∆V )
C
j
opt
mR
<0
opt
Wj0 − PoR
>0
opt
C ∅ − PoR
>0
opt
C ∅ − PoR
0
D
j
∆(∆V )
Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die einzelnen Aktionäre bei Streubesitz
IV
III
II
I
Fallgruppe
+
j
0
<0
opt
Wj0 − PoR
>0
C∅ − Wj+
0 für j > a opt
mR
> 0;
C − W für j ≤ a opt
mR
∅
∆(∆V jE )
Synergiefall
3 Analyse des Übernahmeprozesses
259
0
B
opt
a oR
⋅ (C∅ − PoR
)
>0
B
opt
a oR
⋅ (C∅ − PoR
)
>0
A
opt
a oR
⋅ (C∅ − PoR
)
>0
A
opt
a oR
⋅ (C∅ − PoR
)
>0
∆ (∆V )
B
opt
oR
C −P
2
>0
−∆a C ⋅
∅
0
∆ (∆V )
C
>0
0
opt
oR
0
∆ (∆V E )

Popt + W IV (A) 
E
a oR
⋅  C∅ − oR
> 0
2


>0
1
opt
⋅ ∆a D ⋅ (C∅ − PoR
)
2
Synergiefall
0
(A − aopt
oR ) ⋅
<0
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
)


C
+
W
(a
)
2
opt
−a opt

oR ⋅  PoR −
2


W IV (A) − W 0 (A)
opt
(A − aoR ) ⋅
2
<0
>0
D
opt
a oR
⋅ (C∅ − PoR
)
>0
D
opt
a oR
⋅ (C∅ − PoR
)
0
D
∆ (∆V )
Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die gesamten Aktionärsgruppen bei Streubesitz
∆a C ⋅
opt
W 0 (a opt
oR ) − PoR
2
0
IV
(A)
C W (A) − W
+∆a ⋅
2

Popt + W IV (A) 
∆a C ⋅  C∅ − oR

2


>0
Ausbeutungsfall
0
∆ (∆V )
A
1 B
0
opt
opt
1 A
opt
a oR ⋅ (C0 − PoR
) ⋅ a oR ⋅ ( W (a oR ) − PoR )
2
2⋅
<0
>0
Tab. E 11
IV
III
II
I
Fallgr.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
261
Die jeweiligen Vorzeichen der Vermögensänderungen sind in der Tabelle angegeben. Schon auf den ersten Blick ist erkennbar, dass die Regulierung nicht in allen
Fällen und nicht für alle Aktionäre vorteilhafte Wirkungen entfaltet. Eine ausführliche Interpretation der Ergebnisse erfolgt im Anschluss an die Herleitung der
Ergebnisse für den Paketfall.
3.3.3
Paket
3.3.3.1
Übertragung der Ergebnisse bei Streubesitz auf den Paketfall
Die für den Streubesitzfall hergeleiteten Ergebnisse lassen sich mit einigen Modifikationen auch auf den Paketfall übertragen. Dies soll hier zur Vermeidung von
Wiederholungen nur beispielhaft dargestellt werden. Anschließend werden die
Ergebnisse für den Paketfall in einer vollständigen Übersicht zusammengefasst.
Zunächst werden analog zur Untersuchung bei Streubesitz Fallgruppen gebildet:
•
Fallgruppe I:
Fälle, in denen die Preisregel nicht greift, weil der Paketpreis unter dem optimalen Preis ohne Regulierung liegt.
Das sind die Fälle P1/1, P2/1, P3/1, P5/1, P6/1 und P7/1.1
•
Fallgruppe II:
Fälle, in denen die Preisregel greift, aber nicht alle Aktien
gekauft werden. Das sind die Fälle P2/2, P3/2, P6/2 und
P7/2.
•
Fallgruppe III:
Fälle, in denen alle Aktien zum Preis von PP gekauft werden. Das sind die Fälle P1/2, P2/4, P3/4, P5/2, P6/4 und
P7/4.
•
Fallgruppe IV:
Fälle, in denen eine Übernahme mit Regulierung nicht
mehr vorteilhaft ist, sodass keine Aktien gekauft werden.
Das sind die Fälle P1/3, P2/3, P2/5, P3/3, P3/5, P5/3, P6/3,
P6/5, P7/3 und P7/5.
1 Die Fälle P7/x stellen in gewisser Weise Sonderfälle dar, da in der Situation ohne Regulierung
nur das Paket gekauft wird. Im Rahmen des Angebots werden also ohne Regulierung keine
Aktien gekauft. Insofern gibt es für diese Situation eigentlich keinen optimalen Preis. Die Übernahme ist allerdings trotzdem erfolgreich, da bei den Fällen P7/x ein beherrschendes Paket
gekauft wird. Setzt man jedoch C IV als fiktiven Optimalpreis ohne Regulierung an, also den
höchsten Preis zu dem gerade keine Aktie bei einem Angebot gekauft würde, so lassen sich
auch diese Sonderfälle in das Fallgruppenschema einordnen.
262
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Die Analogie der Herleitung der Ergebnisse soll beispielhaft für einen Fall der
Fallgruppe II anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht werden:
W IV (a)
W Ü (a)
W 0 (a)
y
WÜ
PP
opt
PoR
u
v
w
z
x
CIV = C+
a* a P (a AoR + a P )
A
P
a opt
oR (a mR + a )
∆a A
a opt
mR
a
∆a C
Abb. E 25 Wirkungen der Regulierung auf die Zielgesellschaftsaktionäre im Ausbeutungsfall bei
Paketkauf, Fallgruppe II
Abgebildet ist eine Situation, die dem Fall P6/2 entspricht. Das bedeutet, es wird
ein beherrschendes Paket gekauft. In der Situation ohne Regulierung werden zuopt
gekauft.
sätzlich im Rahmen eines freiwilligen Angebots Aktien zum Preis PoR
Mit Regulierung muss ein Pflichtangebot zum höheren Preis P P abgegeben werden.
Man erkennt, dass sich die gleiche Situation wie im Streubesitzfall ergibt mit dem
einzigen Unterschied, dass der Optimalpreis mit Regulierung nicht durch den
Durchschnittsbörsenkurs bestimmt wird, sondern durch den annahmegemäß höheren Paketpreis PP . Insofern soll hier auf eine explizite rechnerische Herleitung
verzichtet werden.
Einige Ergebnisse lassen sich aber bereits an der Zeichnung direkt ablesen, so
opt
z.B., dass für den hier abgebildeten Fall PoR
> C 0 + α für die Differenz der Größe
der Gruppe A
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(E 232)
∆a A =
263
opt
P P − PoR
α
gilt, was man als Übertragung der Differenz der gezahlten Preise (= Erhöhung des
Ordinatenwertes) auf die Abszisse ablesen kann.
Auch die Veränderung der Größe von Gruppe C lässt sich direkt aus der Abbildung ablesen und beträgt
(E 233)
∆a C = −
opt
P P − PoR
.
β
Für diejenigen Aktionäre, die in der unregulierten Situatsion der Gruppe A angehören, ergibt sich die Differenz der Vermögensänderungen eines jeden Aktionärs
und damit die Wirkung der Regulierung auf seine vermögensmäßige Betroffenheit
als
(E 234)
opt
∆(∆VjA ) = P P − PoR
und für die gesamte Gruppe als
(E 235)
A
opt
∆ (∆V A ) = a oR
⋅ (P P − PoR
).
In der Abbildung E 25 kann diese Wirkung als Fläche u abgelesen werden.
Auf analoge Weise lassen sich die Vermögensänderungen der anderen Gruppe
ablesen:
(E 236)
opt
∆(∆VjB ) = P P − PoR
,
(E 237)
opt
∆ (∆V B ) = a BoR ⋅ (P P − PoR
).
In Abbildung E 25 entspricht diese Differenz der Fläche v.
(E 238)
∆(∆VjC ) = PP − Wj0 für j ≤ a opt
mR und
(E 239)
∆(∆VjC ) = 0 für j > a opt
mR .
264
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Die Unterscheidung drückt aus, ob die Aktionäre mit Regulierung verkaufen und
damit in die Gruppe A oder B wechseln, oder ob sie auch mit Regulierung der
Gruppe C der Minderheitsaktionäre angehören.
Die Wirkung auf die Gesamtheit der Angehörigen von Gruppe C ergibt sich als
(E 240)
∆(∆V C ) = −∆a C ⋅
opt
P P − PoR
.
2
Dies entspricht in Abbildung E 25 den Flächen w und x, wobei die Fläche w die
Wirkung auf die Wechsler in Gruppe A und Fläche x die Wirkung auf die
Wechsler in Gruppe B darstellt.
Wie mithilfe dieser Ausführungen verdeutlicht werden sollte, ergeben sich also
vollkommen analoge Ergebnisse zum Streubesitzfall. Entscheidend für die Wirkung ist in den jeweiligen Fällen lediglich der einzuhaltende Mindestpreis, der
sich im Streubesitzfall als durchschnittlicher Börsenkurs C∅ und im Paketfall als
gezahlter Paketpreis PP ergibt. Ob es sich um ein Übernahmeangebot oder ein
Pflichtangebot handelt, spielt demgegenüber für die Wirkung keine Rolle.
Ebenso lassen sich entsprechende Ergebnisse für alle anderen Fälle herleiten.
Hierauf soll jedoch verzichtet werden, stattdessen sollen nur die Ergebnisse dieser
Herleitungen im folgenden Abschnitt präsentiert werden.
3.3.3.2
Ergebnisse für den Paketfall
Die Ergebnisse für den Paketfall können wie folgt zusammengefasst werden:
Fallgruppe
Fall
Bedingungen
a P < a*
W In − CIV
β≤ Ü
2 ⋅ (A − a P )
P1/1
P P ≤ CIV + β ⋅ (A − a P )
I
a P < a*
W −C
W In − CIV
≤ β≤ Ü*
2 ⋅ (A − a P )
2 ⋅ (a − a P )
In
Ü
P2/1
IV
PP ≤
WÜIn + CIV
2
265
3 Analyse des Übernahmeprozesses
Fallgruppe
Fall
Bedingungen
a P < a*
P3/1
WÜIn − C IV
<β <
2 ⋅ (a * − a P )
SYN
EXT
Ü
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (PP − WÜIn )
+ (WÜIn − CIV )
a* − a P
a* − a P
P P ≤ CIV + β ⋅ (a * − a P )
a P ≥ a*
W In − CIV
β≤ Ü
2 ⋅ (A − a P )
I
P5/1
P P ≤ CIV + β ⋅ (A − a P )
a P ≥ a*
WÜIn − CIV
≤ β < WÜIn − CIV
2 ⋅ (A − a P )
P6/1
WÜIn + CIV
2
a P ≥ a*
β ≥ WÜIn − CIV
PP ≤
P7/1
P P < CIV + β ⋅1
a P < a*
W In − CIV
W −C
≤ β≤ Ü*
2 ⋅ (A − a P )
2 ⋅ (a − a P )
In
Ü
II
P2/2
IV
CIV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
WÜIn + C IV
2
2
PP <
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
2
4
a P < a*
P3/2
WÜIn − C IV
<β <
2 ⋅ (a * − a P )
SYN EXT
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (PP − WÜIn )
Ü
+ (W In − CIV )
a* − a P
a* − a P
C IV + β ⋅ (A − a P ) > P P > C IV + β ⋅ (a * − a P )
2
PP <
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN ÜEXT + A ⋅ TRANS)
2
4
a P ≥ a*
W −C
≤ β < WÜIn − CIV
2 ⋅ (A − a P )
In
Ü
P6/2
IV
CIV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
WÜIn + C IV
2
2
PP <
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN ÜEXT + A ⋅ TRANS)
2
4
266
Kapitel E
Fallgruppe
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Fall
Bedingungen
a P ≥ a*
β ≥ WÜIn − CIV
II
CIV + β ⋅1 ≤ P P < CIV + β ⋅ (A − a P )
P7/2
2
PP <
 WÜIn − (CIV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + CIV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
2
4
a P < a*
W In − CIV
β≤ Ü
2 ⋅ (A − a P )
P1/2
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
a P < a*
W In − CIV
W −C
≤ β≤ Ü*
2 ⋅ (A − a P )
2 ⋅ (a − a P )
In
Ü
P2/4
IV
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
a P < a*
P3/4
WÜIn − C IV
<β <
2 ⋅ (a * − a P )
SYN
EXT
Ü
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (PP − WÜIn )
+ (WÜIn − CIV )
a* − a P
a* − a P
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
III
a P ≥ a*
W In − CIV
β≤ Ü
2 ⋅ (A − a P )
P5/2
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
a P ≥ a*
W −C
≤ β < WÜIn − CIV
2 ⋅ (A − a P )
In
Ü
P6/4
IV
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
P7/4
a P ≥ a*
β ≥ WÜIn − CIV
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P < WÜ (A)
267
3 Analyse des Übernahmeprozesses
Fallgruppe
Fall
Bedingungen
P1/3
a P < a*
W In − CIV
β≤ Ü
2 ⋅ (A − a P )
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
a P < a*
W −C
W In − CIV
≤ β≤ Ü*
2 ⋅ (A − a P )
2 ⋅ (a − a P )
In
Ü
P2/3
IV
CIV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
WÜIn + C IV
2
2
PP ≥
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
2
4
a P < a*
W In − CIV
W −C
≤ β≤ Ü*
2 ⋅ (A − a P )
2 ⋅ (a − a P )
In
Ü
P2/5
IV
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
IV
a P < a*
P3/3
WÜIn − C IV
<β <
2 ⋅ (a * − a P )
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (PP − WÜIn )
SYN EXT
Ü
+ (WÜIn − CIV )
a* − a P
a* − a P
C IV + β ⋅ (A − a P ) > P P > C IV + β ⋅ (a * − a P )
2
PP ≥
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
2
4
a P < a*
P3/5
WÜIn − C IV
<β <
2 ⋅ (a * − a P )
SYN
EXT
Ü
+ A ⋅ TRANSÜ − a P ⋅ (PP − WÜIn )
+ (WÜIn − CIV )
a* − a P
a* − a P
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
P5/3
a P ≥ a*
W In − CIV
β≤ Ü
2 ⋅ (A − a P )
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
268
Kapitel E
Fallgruppe
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Fall
Bedingungen
a P ≥ a*
W −C
≤ β < WÜIn − CIV
2 ⋅ (A − a P )
In
Ü
P6/3
IV
CIV + β ⋅ (A − a P ) > P P >
WÜIn + C IV
2
2
PP ≥
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN EXT
+ A ⋅ TRANS)
Ü
2
4
a P ≥ a*
IV
W −C
≤ β < WÜIn − CIV
2 ⋅ (A − a P )
In
Ü
IV
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P6/5
P P ≥ WÜ (A)
a P ≥ a*
β ≥ WÜIn − CIV
CIV + β ⋅1 ≤ P P < CIV + β ⋅ (A − a P )
P7/3
2
PP ≥
P7/5
 WÜIn − (C IV − β ⋅ a P ) 
WÜIn + C IV − β ⋅ a P
+ 
+ β ⋅ (SYN ÜEXT + A ⋅ TRANS)
2
4
a P ≥ a*
β ≥ WÜIn − CIV
P P > CIV + β ⋅ (A − a P )
P P ≥ WÜ (A)
Tab. E 12
Übersicht über die Fallgruppen und Einzelfälle bei Paketerwerb
Zur Einteilung in die Fallgruppen lässt sich feststellen:
•
Für die Einteilung in Fallgruppe I ist jeweils die zuletzt genannte Bedingung
entscheidend. Sie sagt aus, dass der Durchschnittsbörsenkurs unterhalb des
optimalen Preises ohne Regulierung liegt, sodass die Preisregel nicht greift.
•
Die Einordnung in Fallgruppe II wird durch die jeweiligen letzten beiden
Bedingungen bewirkt. Die jeweils vorletzte Bedingung zeigt an, dass die
Regulierung greift, aber nicht alle Aktien erworben werden müssen. Die
letzte Bedingung besagt, dass eine Übernahme auch mit Regulierung für den
Übernehmer noch vorteilhaft ist.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
269
•
Die Zuordnung zu Fallgruppe III ergibt sich ebenfalls aus den beiden jeweils zuletzt genannten Bedingungen. Die vorletzte Bedingung besagt, dass
die Regulierung greift und dass der Paketpreis so hoch ist, dass zu diesem
Preis alle Aktien gekauft werden müssen. Die letzte Bedingung sagt wiederum aus, dass eine Übernahme bei Kauf aller Aktien auch zu diesem Preis für
den Übernehmer noch lohnend ist.
•
Für die Einteilung in Fallgruppe IV ist die jeweils letztgenannte Bedingung
ausschlaggebend. Sie zeigt an, dass die Übernahme mit Regulierung für den
Übernehmer nicht vorteilhaft ist.
Für die Änderungen der Gruppengrößen und die Veränderungen der Endvermögen ergeben sich die in den folgenden Tabellen zusammengefassten Wirkungen.
Tab. E 13
IV
opt
PoR
< C0 + α
0
P
0
P
opt
PP − PoR
β
−
opt
PoR
− C IV
β
Übersicht über die Differenzen der Gruppengrößen mit und ohne Regulierung bei Paketkauf
–
−a BoR
0
−a AoR
P
∅
−C
C −C
−
β
α
A − a opt
oR
P
IV
0
A−
opt
oR
opt
opt
PoR
− C 0 PoR
− C IV
−
α
β
opt
opt
PoR
− C IV P P − PoR
−
β
α
(A − a P )
−
P −P
α
opt
oR
opt
PP − C0
P P − PoR
−
β
α
−
P
PP < C0 + α
P
PP − C0
α
P opt − C0
− oR
α
(A − a P )
opt
P P − PoR
α
0
PP − C0
α
opt
oR
P −P
β
P
A −a
P
opt
oR
∆a
0
B
Ausbeutungsfall
P ≥ C + α ⋅ (A − a )
opt
PoR
< C0 + α
P
C + α ≤ P < C + α ⋅ (A − a )
0
P
P ≥ C + α ⋅ (A − a )
opt
PoR
≥ C0 + α
P P < C0 + α ⋅ (A − a P )
opt
PoR
≥ C0 + α
PP < C0 + α
opt
< C0 + α
PoR
PP ≥ C0 + α
opt
< C0 + α
PoR
P
P −P
α
∆a
0
A
0
opt
P P − PoR
β
−a CoR
−(A − a opt
oR )
−
0
∆a
C
−a DoR
E
a oR
opt
PP − PoR
β
0
∆a D
−
−a EoR
−a EoR
opt
P P − PoR
β
0
∆a E
Synergiefall
Kapitel E
III
II
-
I
opt
≥ C0 + α
PoR
Konstellationen
Fallgruppe
270
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
0
opt
P P − PoR
>0
opt
P P − PoR
>0
opt
Wj0 − PoR
>0
opt
P P − PoR
>0
opt
P P − PoR
>0
opt
Wj0 − PoR
<0
∆(∆V )
B
j
Ausbeutungsfall
0
∆(∆V )
A
j
+
j
0
opt
mR
>0
<0
opt
Wj0 − PoR
Wj0 − Wj+
opt
P P − PoR
>0
opt
P P − PoR
0
>0
opt
mR
∆(∆V )
D
j
>0
PP − Wj+
0 für j > a
> 0;
P − W für j ≤ a
P
∆(∆V )
C
j
Tab. E 14: Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die einzelnen Aktionäre bei Paketkauf
IV
III
II
I
Fallgruppe
+
j
0
<0
Wj0 − Wj+
>0
PP − Wj+
0 für j > a opt
mR
> 0;
P − W für j ≤ a opt
mR
P
∆(∆V jE )
Synergiefall
3 Analyse des Übernahmeprozesses
271
Tab. E 15/1
IV
>0
1 B
P
opt
⋅ a oR ⋅ ( W 0 (a opt
oR − a ) − PoR )
2
∆a C ⋅
opt
P P − PoR
2
>0
P
opt
0
P
IV
P
W 0 (a opt
oR − a ) − PoR + W (A − a ) − W (A − a )
2
>0

Popt + W IV (A − a P ) 
∆a C ⋅  P P − oR

2


>0
−∆a C ⋅
0
∆ (∆V C )
Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die gesamten Aktionärsgruppen bei Paketkauf im Ausbeutungsfall
1 A
opt
a oR ⋅ (C0 − PoR
)
2⋅
<0
>0
B
opt
a oR
⋅ (P P − PoR
)
A
opt
a oR
⋅ (P P − PoR
)
>0
>0
B
opt
a oR
⋅ (P P − PoR
)
A
opt
a oR
⋅ (P P − PoR
)
>0
0
∆ (∆V B )
0
∆ (∆V A )
Ausbeutungsfall
Kapitel E
III
II
I
Fallgruppe
272
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Tab. E 15/2
IV
III
II
I
Fallgruppe
0
opt
oR
−a )


−a EoR ⋅

P
E
a oR
⋅  PP −

<0
opt
opt
PoR
− W 0 (a oR
− a P ) − W IV (A − a P ) − W 0 (A − a P )
2
>0
+ W IV (A − a P ) 

2

Übersicht über die Wirkungen der Regulierung auf die gesamten Aktionärsgruppen bei Paketkauf im
Synergiefall
<0
0
 opt C + W (a
−a DoR ⋅  PoR
−
2

>0
D
opt
a oR
⋅ (P P − PoR
)
opt
oR
>0
D
opt
a oR
⋅ (P P − PoR
)
>0
0
∆ (∆V E )
1
opt
⋅ ∆a D ⋅ (P P − PoR
)
2
P
Synergiefall
0
∆ (∆V )
D
3 Analyse des Übernahmeprozesses
273
Kapitel E
274
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Die für den Paketfall gefundenen Ergebnisse sollen noch einmal anhand eines
abschließenden Beispiels verdeutlicht werden.
Beispiel E 11
Es soll auf die Daten der Beispiele E 6, E 7, E 9 und E 10 zurückgegriffen werden. Die Ausgangsgrößen sind demnach A = 8.000 Aktien, a * = 3.200 Aktien, WÜIn = 440 GE,
IV
A ⋅ TRANSÜ + SYN Ext
= 400 GE, β = 0,01 , a P = 3.200 , P P = 445 GE.
Ü = 40.000 , C
Die Steigung der Bewertungsfunktion in t = 0 betrage α = 0,0125 , der Abszissenabschnitt
beträgt alternativ C 0 = 410 GE , was den Ausbeutungsfall bedeutet, und C 0 = 380 , was den
Synergiefall repräsentiert.
In den vorgenannten Beispielen wurden folgende Ergebnisse ermittelt:
A
B
D
E
a oR
= 800 , a oR
= 1.200 , a CoR = 2.800 , a oR
= 2.000 , a oR
= 2.800 ,
B
a AmR = 2.800 , a oR
= 1.700 , a CoR = 300 , a DmR = 4.500 , a EmR = 300 ,
B
C
D
E
A
∆VoR
= +4.000 , ∆VoR
= −9.000 , ∆VoR
= −51.800 , ∆VoR
= +55.000 , ∆VoR
= +32.200 ,
A
B
C
D
∆VmR
= +49.000 , ∆VmR
= −18.062,50 , ∆VmR
= −6487,50 , ∆VoR
= +165.937,50 ,
E
∆VoR
= +2.512,50 .
Als Übernahmegewinn wurde in der Situation ohne Regulierung 64.000 GE und in der Situation mit Regulierung 1.500 GE ermittelt.
Der vorliegende Fall P6/2 gehört gem. Tabelle E 12 zur Fallgruppe II.
a)
Ausbeutungsfall
Die Differenzen der Gruppengrößen ergeben sich gem. Tabelle E 13 als
∆a A =
opt
P P − PoR
445 − 420
=
= +2.000 ,
α
0,0125
∆a B =
opt
opt
P P − PoR
P P − PoR
25
25
−
=
−
= +500 und
β
α
0,01 0,0125
∆a C = −
opt
P P − PoR
25
=−
= −2.500 .
β
0,01
Diese Ergebnisse hätten auch direkt als Differenz der ermittelten Gruppengrößen mit und ohne
Regulierung ermittelt werden können.
Die Gruppe A derjenigen Aktionäre, die mit Gewinn verkaufen können, wird um 2000 größer.
Da die Steigung β der Angebotsfunktion kleiner ist als die Steigung α der Bewertungsfunktion in der Ausgangssituation, wird auch die Gruppe B größer, und zwar um 500 Aktionäre.
Die Gruppe C der Minderheitsaktionäre wird dementsprechend um 2.500 kleiner.
Die Wirkung der Regulierung auf die Angehörigen der jeweiligen Gruppen in der Ausgangssituation betragen gem. Tabelle E 15/1
3 Analyse des Übernahmeprozesses
275
A
opt
∆(∆V A ) = a oR
⋅ (P P − PoR
) = 800 ⋅ (445 − 420) = +20.000GE ,
opt
∆(∆V B ) = aBoR ⋅ (P P − PoR
) = 1.200 ⋅ (445 − 420) = +30.000GE und
∆(∆V C ) = −∆a C ⋅
opt
P P − PoR
445 − 420
= 2.500 ⋅
= +31.250GE .
2
2
Alle Aktionäre der Gruppen A und B der Situation ohne Regulierung können durch die Regulierung einen Gewinn gegenüber der unregulierten Situation erzielen. Von der Gruppe C der
Situation ohne Regulierung können 2.500 durch die Regulierung ihr Vermögen erhöhen, für
die restlichen 300 ergibt sich in beiden Situationen die gleiche vermögensmäßige Betroffenheit.
Insgesamt erhalten die Aktionäre durch die Regulierung einen Vermögenszuwachs von 81.250
GE. Dieser Vermögenszuwachs geht mit einer Reduzierung des Übernahmegewinns des Bieters in Höhe von 62.500 GE einher. Dieser Unterschied ist wir folgt zu erklären:
Die Summe der Gewinne der Gruppen A und B entspricht dem Mehrpreis von 50.000 für die
in der Situation ohne Regulierung gekauften Aktien, also aus Sicht des Bieters dem Preiseffekt, der seinen Übernahmegewinn entsprechend mindert. Die restliche Gewinnminderung in
Höhe von 12.500 GE ergibt sich als Netto-Mengeneffekt. Für die 2.500 Aktien, die er mit Regulierung mehr kauft, muss er insgesamt 1.112.500 GE bezahlen (Mengeneffekt I), der innere
Wert der Aktien beträgt aus seiner Sicht aber nur 1.100.000 GE (Mengeneffekt II). Die 2.500
zusätzlich verkaufenden Aktionäre messen den Aktien aber im Durchschnitt den Wert von
432,50 GE zu. Der Wert dieser Aktien beträgt für diese Aktionäre also insgesamt nur
1.081.250. Die Differenz zum inneren Wert aus der Sicht des Bieters in Höhe von 18.750 GE
stellt den Betrag dar, um den der Vermögenszuwachs der Aktionäre die Vermögensminderung
des Bieters übersteigt.
b) Synergiefall
Die Änderungen der Gruppengrößen ergeben sich gem. Tabelle E 13 als
∆a D =
opt
P P − PoR
445 − 420
=
= 2.500 und
0,01
β
∆a E = −
opt
P P − PoR
= −2.500 .
β
Die zusätzlichen Gewinne durch die Regulierung ergeben sich für die Angehörigen der Gruppen der Situation ohne Regulierung gem. Tabelle E 15/2 als
D
opt
∆(∆V D ) = a oR
⋅ (P P − PoR
) = 2.000 ⋅ (445 − 420) = 50.000GE und
∆ (∆V E ) =
1
1
opt
⋅ ∆a D ⋅ (P P − PoR
) = ⋅ 2.500 ⋅ (445 − 420) = 31.250GE
2
2
Der Vermögenszuwachs der Gruppe D entspricht aus der Sicht des Bieters dem Preiseffekt.
Der Zusatzgewinn der Gruppe E beträgt ebenso wie derjenige der Minderheitsaktionärsgruppe
C im vorher betrachteten Ausbeutungsfall 31.250 GE, was sich dadurch ergibt, dass die Fälle
in diesem Beispiel die gleiche Steigung haben.
276
4
Kapitel E
Modelltheoretische Untersuchung der Regulierung
Wertung der Modellergebnisse
Die modelltheoretische Untersuchung hat gezeigt, dass der Übernehmer durch die
Regulierung nie besser gestellt werden kann; sofern aber eine der Preisregeln
greift, verringert sich sein Übernahmegewinn. Die Verringerung des Gewinns
resultiert aus zwei Effekten:
•
dem Preiseffekt, also dem Mehrpreis für die ohne Regulierung optimale
Menge zu kaufender Aktien, und
•
dem Netto-Mengeneffekt, also dem Preis für die zusätzlich zu kaufenden
Aktien abzüglich deren innerem Wert.
Die Verringerung des Übernahmegewinns kann so weit gehen, dass eine ohne
Regulierung aus der Sicht des Bieters vorteilhafte Übernahme mit Regulierung
nicht vorteilhaft ist. Dies führte in der Modellwelt dazu, dass der Bieter die unvorteilhafte Übernahme unterlässt. Das vom Gesetzgeber propagierte Nebenziel,
ein Übernahmerecht zu schaffen, das Unternehmensübernahmen weder fördert
noch verhindert,1 wurde nach den Ergebnissen des Modells also verfehlt. Dies ist
wenig überraschend: Die Regulierung beschneidet den Bieter in der Freiheit der
Ausgestaltung seines Angebots. Im für den Bieter günstigsten Fall ist seine im
unregulierten Fall optimale Strategie durch die Regulierung nicht betroffen. Dann
kann er sie auch in der regulierten Situation wählen. Ist aber seine Optimalstrategie durch die Regulierung verboten, so kann jede Abweichung hiervon nur zu
einer Verschlechterung seiner Situation führen. Fraglich ist insofern, ob die
Schlechterstellung des Bieters durch das Schutzziel des Übernahmegesetzes gerechtfertigt ist und ob dieses Ziel durch die Regulierung in angemessener Weise
erreicht wird.
Als Hauptziel für die Einführung der Pflichtangebotsregelung sowie der Regeln
zur Ausgestaltung von Übernahme- und Pflichtangeboten als Vollangebot mit
bestimmten Mindestpreisregeln hat der Gesetzgeber den Schutz der Aktionäre der
Zielgesellschaft genannt. Diese Aktionäre sollen vor Vermögenseinbußen geschützt werden, die dadurch entstehen können, dass sie Gefahr laufen, erstmals in
die Position von Minderheitsaktionären eines abhängigen Unternehmens zu geraten oder sich einem neuen Mehrheitsaktionär gegenüber zu sehen.2 Von dieser
Gefahr sind nicht nur diejenigen Aktionäre betroffen, die tatsächlich als Minderheitsaktionäre nach der Übernahme in der Gesellschaft verbleiben, sondern auch
1 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 28.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 34, 60.
4 Wertung der Modellergebnisse
277
diejenigen, die, um eine solche Stellung zu vermeiden, ihre Aktien zu einem Preis
verkaufen, der unterhalb ihrer Werteinschätzung ohne Übernahme liegt.
Nach der hier vertretenen Auffassung wird eine gesetzliche Regulierung dem Ziel
des Schutzes vor derartigen Vermögenseinbußen dann gerecht, wenn es gewährleistet, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft nach der Übernahme mindestens
das gleiche Vermögen haben wie vorher. Jeder übernahmebedingte Vermögenszuwachs wird als Gewinn interpretiert, den die Aktionäre erlangen.1
Es wurde herausgearbeitet, dass sich in der unregulierten Situation Konstellationen ergeben können, in denen einzelne Aktionärsgruppen durch die Übernahme
Vermögenseinbußen erleiden. Tabelle E 16 bildet die Vermögensänderungen der
Angehörigen der einzelnen Gruppen durch die Übernahme in einer Situation ohne
Regulierung ab. Ein Pluszeichen ist dabei als Vermögenserhöhung (Gewinn) und
ein Minuszeichen als Vermögenseinbuße (Verlust) zu interpretieren.
Ausbeutungsfall
Synergiefall
∆V
∆V
∆V
∆V
∆VjE
+
−
−
+
+
A
j
Tab. E 16
B
j
C
j
D
j
Vermögensänderungen der Zielgesellschaftsaktionäre ohne Regulierung
Man erkennt leicht, dass sich nicht in allen Fällen ein Schutzbedürfnis ergibt. In
den unter dem Oberbegriff Synergiefall zusammengefassten Konstellationen, die
sich dadurch auszeichnen, dass positive Synergieeffekte eventuelle Ausbeutungen
übertreffen, machen alle Aktionäre der Zielgesellschaft einen Gewinn, entweder
dadurch, dass ihnen ein über ihrem individuellen Wert liegender Preis gezahlt
wird oder dadurch, dass sie als Minderheitsaktionäre in der Gesellschaft verbleiben und an der Wertsteigerung ihrer Aktie durch die Synergieeffekte teilhaben.
Ein Schutzbedürfnis ergibt sich aber in den unter dem Begriff Ausbeutungsfall
subsumierten Konstellationen. Es wurde in der Untersuchung gezeigt, dass es in
diesen Fällen mindestens eine Gruppe von Aktionären gibt, die ihre Aktien mit
Verlust an den Übernehmer verkaufen (Gruppe B). Ihr Verlust resultiert aus der
drohenden Ausbeutung, da sie nur zu diesem Preis an den Übernehmer verkaufen,
damit sie nicht in die individuell noch nachteiligere Position von Minderheitsakti-
1 Als „Nulllinie“ wird also das Vermögen der Aktionäre vor dem Übernahmeversuch angenommen. Die Festlegung dieser Referenzgröße zur Beurteilung der Angemessenheit des Schutzsystems ist im Gegensatz zu den bisher entwickelten Modellergebnissen rein ethischnormativer Natur. Je nach Ausprägung des Verständnisses von „Gerechtigkeit“ sind auch andere Referenzwerte denkbar. Hierauf wird weiter unten noch zurückzukommen sein.
278
Kapitel E
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
onären gelangen. Daneben gibt es in den Fällen, in denen nicht alle Aktien gekauft
werden, eine Gruppe von Minderheitsaktionären (Gruppe C), die nach wie vor
durch die drohende Ausbeutung Vermögenseinbußen erleiden. Es kann jedoch
selbst im Ausbeutungsfall Aktionäre geben, die durch die Übernahme einen Gewinn erzielen (Gruppe A), weil der gebotene Preis ihren individuellen Wert der
Aktie übersteigt. Dieser Gewinn kann im Einzelfall sogar größer sein als die Verluste der beiden anderen Gruppen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass es
Aktionäre gibt, die ausbeutungsbedingte Verluste erleiden, sodass sich das beschriebene Schutzbedürfnis ergibt.
In der Untersuchung wurden weiterhin die Wirkungen der Regulierung auf das
Vermögen der Zielgesellschaftsaktionäre analysiert. Es zeigte sich, dass man keineswegs davon ausgehen kann, dass die beschriebene Gefahr durch die gesetzlichen Regeln in allen Fällen behoben oder zumindest abgemildert wird. Es kann
nicht einmal eine für alle Fälle und Aktionärsgruppen positive Wirkung festgestellt werden. Im Gegenteil konnten Bedingungen für Fälle herausgearbeitet werden, in denen entweder gar keine Wirkung auftritt oder sich sogar die unerwünschte Wirkung ergibt, dass sich einzelne Gruppen von Aktionären oder gar
alle Aktionäre schlechter stellen als ohne Regulierung.
In der folgenden Tabelle E 17 sind die Wirkungen der Regulierung auf das Endvermögen für alle Fälle, in denen ohne Regulierung eine Übernahme stattfinden
würde sowohl für Streubesitz als auch Paketkauf sowie für Ausbeutungs- und
Synergiefall, verdichtet dargestellt. Ein Pluszeichen ist dabei als Erhöhung des
Endvermögens in der regulierten Situation gegenüber der unregulierten Situation
zu interpretieren, entsprechend ein Minuszeichen als Minderung und ein Gleichheitszeichen als Ausweis, dass das Endvermögen der betrachteten Aktionäre in
beiden Situationen gleich groß ist.
4 Wertung der Modellergebnisse
279
Ausbeutungsfall
Fall-gruppe
Fälle
I
S1/1, S2/1,
S3/1, P1/1,
P2/1, P3/1,
P5/1, P6/1,
P7/1
∆(∆V ) ∆(∆V )
A
j
=
B
j
Synergiefall
∆(∆V )
∆(∆VjD )
∆(∆V jE )
=
=
=
C
j
=
+
II
S2/2, S3/2,
P2/2, P3/2,
P6/2, P7/2
für
+
j≤a
+
opt
mR
+
für
;
j ≤ a opt
mR ;
+
=
für
j>a
=
opt
mR
für
j > a opt
mR
III
S1/2, S2/4,
S3/4, P1/2,
P2/4, P3/4,
P5/2, P6/4,
P7/4
+
+
+
+
+
IV
S1/3, S2/3,
S2/5, S3/3,
S3/5, P1/3,
P2/3, P2/5,
P3/3, P3/5,
P5/3, P6/3,
P6/5, P7/3,
P7/5
−
+
+
−
−
Tab. E 17
Zusammenfassung der Wirkungen der Regulierung auf die Aktionäre
der Zielgesellschaft
In allen Fällen der Fallgruppe I ergibt sich keine Vermögensänderung für die
Zielgesellschaftsaktionäre durch die Regulierung. Dies wäre nur dann sachgerecht, wenn sich in diesen Konstellationen das beschriebene Schutzbedürfnis nicht
ergäbe. Dies trifft aber wie oben gezeigt zumindest für den sog. Ausbeutungsfall
nicht zu. Es gibt dann stets eine Gruppe von Aktionären, die einen Verlust erleiden, weil sie ihre Aktien unter ihrem individuellen Wert an den Übernehmer
verkaufen (Gruppe B). Daneben gibt es in den Fällen, in denen nicht alle Aktien
gekauft werden – das sind alle Fälle der Fallgruppe außer S1/1 und P1/1 – eine
Gruppe von Minderheitsaktionären (Gruppe C), die nach wie vor durch die drohende Ausbeutung Vermögenseinbußen erleidet. Im Synergiefall ist das Ergebnis
hingegen als sachgerecht zu bezeichnen, da das Schutzbedürfnis in diesem Fall
gar nicht besteht, weil alle Aktionäre schon ohne Regulierung Vorteile aus der
Übernahme ziehen.
280
Kapitel E
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
Bei der Betrachtung der Ergebnisse für die Fallgruppen II und III könnte man
demgegenüber auf ersten Blick meinen, dass die Regulierung zu einer Verbesserung der Situation führe. Fast alle Aktionäre werden mit Regulierung besser gestellt als ohne Regulierung und kein Aktionär wird schlechter gestellt. Zudem
wurde herausgearbeitet, dass in diesen Fallgruppen die Gruppe A der Aktionäre,
die mit Gewinn verkaufen können, stets größer oder gleich groß ist wie im unregulierten Fall sowie dass die Gruppe C der verbleibenden Minderheitsaktionäre
mit Regulierung stets kleiner oder gleich groß ist. Doch auch hier ist eine differenziertere Betrachtung notwendig. Sieht man sich zunächst den Ausbeutungsfall
an, so ist zum einen festzustellen, dass dann, wenn nicht alle Aktien gekauft werden – also in allen Fällen der Fallgruppe II – eine Gruppe von Minderheitsaktionären verbleibt, die ohne und mit Regulierung die gleichen Vermögensverluste
durch Ausbeutung erleidet. Zum anderen werden die Vermögensverluste bei den
verkaufenden Aktionären nur dann vollständig kompensiert, wenn sie mit Regulierung der Gruppe A angehören, da auch die Aktionäre der Gruppe B einen Verlust beim Verkauf erleiden. Dennoch ist unbestreitbar eine Verbesserung eingetreten.
Bedenken ergeben sich eher aus einem anderen Grund. Die Aktionäre, die ohne
Regulierung der Gruppe A angehören, können selbst bei drohender Ausbeutung
ihre Aktien mit Gewinn verkaufen. Für sie besteht also eigentlich gar kein
Schutzbedürfnis. Dennoch werden sie in der Situation mit Regulierung noch besser gestellt. Mag man dies für den Ausbeutungsfall noch hinnehmen, ist dieses
Ergebnis für den Synergiefall doch mehr als fragwürdig. Wie bereits mehrfach
festgestellt wurde, besteht im Synergiefall für keine der Aktionärsgruppen ein
Schutzbedürfnis. Trotzdem erhalten die Aktionäre durch die Übernahme bei Regulierung in den Fallgruppen II und III einen zusätzlichen Gewinn, der mit einer
Gewinnminderung des Übernehmers einhergeht. Es stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung der Übernehmer hier zu Gunsten der nicht schutzwürdigen, da
nicht ausbeutungsbedrohten, Aktionäre schlechter gestellt werden soll.
Diese Schlechterstellung des Übernehmers führt in den Fällen der Fallgruppe IV
dazu, dass die ohne Regulierung für den Bieter vorteilhafte Übernahme mit Regulierung nicht vorteilhaft ist. In diesem Modell mit einseitiger Sicherheit des Bieters führt das zu dem Ergebnis, dass die Übernahme dann unterbleibt. Dies mag
man für den Ausbeutungsfall als sinnvoll einstufen, da den Aktionären dann die
drohende Ausbeutung erspart bleibt. Zu beachten ist allerdings auch hier, dass den
Aktionären der Gruppe A der ansonsten anfallende Gewinn durch die Übernahme
entgeht.
Ein für alle Beteiligten nachteiliges Ergebnis ergibt sich in den Fällen der Fallgruppe IV bei Synergie, da die sowohl für alle Aktionäre als auch für den Bieter
ohne Regulierung vorteilhafte Übernahme durch die Regulierung verhindert wird.
Die Fallgruppe IV umfasst zahlenmäßig die meisten Fälle, womit natürlich keine
4 Wertung der Modellergebnisse
281
Aussage über die empirische Häufigkeit der einzuordnenden Konstellationen in
der Realität getroffen werden kann. Es ist jedoch anzunehmen, dass es eine nennenswerte Anzahl von Fällen gibt, in denen die Regulierung dazu führt, dass eine
Übernahme unterbleibt.
Dies dürfte insbesondere im Paketfall so sein, in dem einem bisherigen Großaktionär ein Preis, der oftmals deutlich über dem bisherigen Börsenkurs liegt, gezahlt
werden muss. Mit dem höheren Paketpreis müssen nämlich i.d.R. externe Vorteile
des bisherigen Großaktionärs abgegolten werden, die dieser z.B. aus externen
Synergieeffekten bezieht. Den Kleinaktionären, die diesen externen Vorteil bisher
nicht hatten, muss aber mit Regulierung der gleiche Preis gezahlt werden wie dem
Großaktionär. Das ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur nicht sachgerecht, sondern führt in den beschriebenen Fällen auch dazu, dass die Übernahme
unvorteilhaft wird.
Nun wird vereinzelt argumentiert, ein gezahlter Paketzuschlag sei Ausdruck der
Ausbeutung, die ein bisheriger Paktinhaber betreibe, insofern sei es notwendig,
dass der Erwerber auch den Streubesitzaktionären diesen Zuschlag gewähre, um
ihrem Schutzbedürfnis gerecht zu werden.1 Damit wird im Ergebnis eine andere
Referenzgröße für die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung angenommen. Während in dieser Arbeit das Vermögen der Aktionäre vor dem Übernahmeversuch als Referenzgröße dient, scheint bei dieser alternativen Sichtweise
ein fiktives Vermögen als Vergleichsmaßstab herangezogen zu werden, welches
sich ergäbe, wenn die Aktien in der Situation vor der Übernahme nicht ausgebeutet würden.2
Die Festlegung der Referenzgröße ist letztlich Ausdruck dessen, was als „gerecht“
anzusehen ist und damit einer Bewertung in Kategorien wie „richtig“ oder
„falsch“ weitgehend entzogen. Doch selbst wenn man dieser hier nicht zugrunde
gelegten Gerechtigkeitsauffassung folgen würde, ist die Argumentation vor dem
Hintergrund der vorgenommenen modelltheoretischen Untersuchung in mehrfacher Hinsicht als problematisch anzusehen:
•
Die Argumentation unterstellt implizit, dass der gezahlte Paketpreis
zugleich den Grenzpreis des bisherigen Paketaktionärs unter Einschluss von
Sondervorteilen widerspiegelt. Selbst wenn man zunächst davon ausgeht,
dass der Paketinhaber tatsächlich zu diesem Grenzpreis verkauft, lässt sich
1 Vgl. z.B. REUL (1991), S. 214; BUSCH (1996), S. 102 – 103.
2 Wie unten gezeigt wird, schwebt den Anhängern der Gleichbehandlung allerdings tatsächlich
sogar eine noch weiter gehende Referenzgröße vor.
Kapitel E
282
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
aus der Tatsache, dass ein Paketzuschlag gezahlt wird, kein Rückschluss
darauf ziehen, dass ein bisheriger Paketaktionär Ausbeutung betrieben hat:
•
–
Ein über dem Börsenkurs liegender Paketpreis kann zum einen Ausdruck des Umstandes sein, dass der Paketaktionär den inneren Wert
der Aktie höher einschätzt als den Börsenkurs, was in der vorgelegten
Modellierung alle aktuellen Zielgesellschaftsaktionäre tun.
–
Weiterhin vernachlässigt diese Argumentation die Möglichkeit, dass
Sondervorteile eines Paketaktionärs auch auf externen Synergieeffekten beruhen können, also auf solchen Zusatzvorteilen des Beteiligungsbesitzes, die nicht mit einer Ausbeutung der Minderheitsaktionäre einhergehen.
Auch wenn man annimmt, dass der bisherige Paketinhaber Ausbeutung betreibt, es keine externen Synergieeffekte gibt und der Paketinhaber zu seinem Grenzpreis verkauft, sodass sich eine Kontrollprämie tatsächlich allein
als Wert der betriebenen Ausbeutung ergibt, führt die Gewährung des gleichen Preises an alle Aktionäre systematisch zu einem Übertreffen des Wertes einer fiktiv nicht ausgebeuteten Aktie, wie anhand der folgenden Überlegung verdeutlicht werden soll: Zur Isolierung des Effekts sei angenommen, dass alle Aktionäre einschließlich des Paketinhabers sowohl den inneren Wert der Aktien als auch den Betrag der betriebenen Ausbeutung durch
den bisherigen Paketinhaber gleich bewerten und dass es keine Synergieeffekte – weder interne noch externe – gebe. Dann beträgt der Grenzpreis des
Paketinhabers für sein Paket
(E 241)
GrP P = a P ⋅ W In + A ⋅ TRANSP ,
mit
GrP P
Grenzpreis des bisherigen Paketinhabers und
TRANSP Wert der durch den bisherigen Paketinhaber betriebenen Ausbeutung.
Der Paketzuschlag pro Aktie beläuft sich dann auf
A
⋅ TRANSP .
aP
Da a P in allen Fällen, in denen es vor der Übernahme überhaupt Minderheitsaktionäre gibt, kleiner als A sein muss, beträgt der Paketzuschlag pro
Aktie stets ein Vielfaches der vom bisherigen Paketinhaber tatsächlich pro
Aktie durchgeführten Ausbeutung. Daher führt eine Weitergabe des Paketzuschlags an alle Aktionäre insgesamt zu einem Ausgleich, der um den
4 Wertung der Modellergebnisse
283
A
größer ist als die durch den bisherigen Paketaktionär vorgenomaP
mene Ausbeutung. Bei einem Paket von z.B. 40 % muss der Kontrollerwerber den 2,5-fachen Wert der bisher betriebenen Ausbeutung als Zuschlag
auf den bisherigen Wert der Aktien gewähren. Die Aktionäre erhalten dadurch den Wert ihrer fiktiv nicht ausgebeuteten Aktie plus einen Zuschlag in
Höhe des 1,5-fachen der bisherigen Ausbeutung pro Aktie. Selbst bei Anwendung der bei dieser Argumentation angenommenen Referenzgröße des
Wertes einer fiktiv nicht ausgebeuteten Aktie führt die Ausdehnung des Paketzuschlags auf alle Aktionäre bei isolierter Betrachtung also zu einem
systematischen „Überschießen“ des Ausgleichs.
Faktor
•
Schließlich ist schon die implizite Unterstellung der Argumentation, dass
der bisherige Paketinhaber zu seinem Grenzpreis unter Einrechnung der
Sondervorteile verkauft, in Frage zu stellen. Es fragt sich, warum er dies tun
sollte. Denkbar ist wohl auch, dass der Paketaktionär, der sich in einer guten
Verhandlungsposition befindet, versucht, einen Teil des Übernahmegewinns
des Übernehmers zu erlangen.
Selbst bei Zugrundelegung der alternativen Gerechtigkeitsauffassung ist also eine
Ausdehnung von Paketpreisen in voller Höhe auf alle Aktionäre der Zielgesellschaft mit dieser Argumentation nicht haltbar. Sofern in diesem Sinne Gleichbehandlung gefordert wird, lässt sich dies nicht durch die implizit vorgeschlagene
ethisch-normative Grenze des Mindestausgleichs begründen, sondern nur durch
eine hiervon nochmals abweichende Referenzgröße, die den Aktionären der Zielgesellschaft aus wie auch immer gearteten Gerechtigkeitsüberlegungen zusätzlich
einen gewissen Mindestanteil am Übernahmegewinn sichern will.1 Nach hier vertretener Auffassung ist eine derartige Mindest-Gewinnbeteiligung aber nicht mehr
von dem vom Gesetzgeber beschriebenen besonderen Schutzbedürfnis des Minderheitsaktionärs, der sich einem neuen kontrollierenden Aktionär gegenüber
sieht, abgedeckt. Hinzu kommt, dass die beabsichtigte Wirkung ins Gegenteil verkehrt wird, wenn die Mindest-Gewinnbeteiligung der Zielgesellschaftsaktionäre
dazu führt, das der Gewinn des Übernehmers so stark geschmälert wird, dass er
eine sonst durchgeführte für alle Aktionäre vorteilhafte Übernahme unterlässt.
Besonders bedauerlich ist dieses Ergebnis unter dem Blickwinkel des Minderheitenschutzes in den Fällen, in denen ein bisheriger Paketbesitzer die Minderheitsaktionäre in großem Umfang ausgebeutet hat. Ein Übernehmer, der keine Ausbeutung plant, muss den Ausbeutungsvorteil nicht nur an den bisherigen Paketinhaber zahlen, sondern auch an die Aktionäre, die er von der Ausbeutung „befreit“,
1 So ist wohl die Forderung von REUL und anderen Anhängern der Gleichbehandlung zu verstehen.
284
Kapitel E
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
und zwar stets als Vielfaches der tatsächlich betriebenen Ausbeutung pro Aktie.
Führt dies dazu, dass die ansonsten vorteilhafte Übernahme nicht mehr vorteilhaft
ist, wird die „Befreiung“ von der Ausbeutung gerade durch die Regelung, die eigentlich dem Minderheitenschutz dienen soll, verhindert. Konzernverhältnisse, die
auf umfassender Ausbeutung eines abhängigen Unternehmens aufbauen, werden
also durch die Gleichpreisregel bei Übernahme- und Pflichtangeboten geradezu
zementiert.
Die Gleichpreisregel stellt nach Auffassung des Verfassers zwar die insgesamt
problematischere Regelung dar, doch auch die Börsenpreisregel kann in bestimmten Konstellationen zu unbilligen Ergebnissen führen. Es ist den Aktionären
mindestens der gewogene Durchschnittspreis der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Absicht ein Angebot abzugeben bzw. vor der Kontrollerlangung
anzubieten. Die Gründe dafür, warum Kurse innerhalb eines Zeitraums unterschiedlich hoch sind, können jedoch vielfältig sein und müssen nicht mit der Übernahme in Verbindung stehen. In der hier vorgelegten Modellierung ergeben
sich im Zeitablauf schwankende Kurse vor dem Betrachtungszeitraum allein
durch die Realisation einzelner Ausprägungen der Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Rückflüsse. Dadurch sind die Bewertungen aller Aktionäre einem
ständigen Wandel unterworfen, wobei der Börsenkurs sich jeweils aus der niedrigsten Bewertung im zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Aktionärskreis ergibt.
Sinken im Referenzzeitraum die Bewertungen und damit der Börsenkurs aufgrund
der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens im Besonderen oder des
wirtschaftlichen Umfelds im Allgemeinen, so werden dem Aktionär einer Zielgesellschaft derartige Wertverluste bei einer Übernahme zumindest teilweise ausgeglichen. Gerade in Zeiten auf breiter Front fallender Börsenkurse – wie in dem
Zeitraum in dem diese Arbeit entstand – muss ein Übernehmer in der Regel Kurse
deutlich oberhalb der aktuellen Börsenbewertung bieten. Sofern sich dadurch ein
höherer Übernahmepreis als ohne Regulierung ergibt, ist dieser allein dadurch
induziert, dass die historische Bewertung innerhalb des Referenzzeitraums im
Durchschnitt höher war und stellt nicht auf die aktuelle Situation ab. Dennoch
dürfte sich der Umfang der hieraus resultierenden Umverteilung des möglichen
Gewinns aus der Transaktion vom Übernehmer hin zu den Zielgesellschaftsaktionären bei nicht allzu stark schwankenden Börsenkursen in Grenzen halten. Gerade
allerdings in Fällen, in denen ein Unternehmen in existenzbedrohende wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, was in aller Regel mit einem starken Verfall des Börsenkurses einhergeht, wird unter Umständen die „Rettung“ des Unternehmens
durch einen Übernehmer, der die Sanierung der Zielgesellschaft betreiben will,
unnötig erschwert.1
1 Der Gesetzgeber hat zwar die Möglichkeit vorgesehen, dass in Sanierungsfällen eine Befreiung
von der Angebotspflicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ausgespro-
4 Wertung der Modellergebnisse
285
Daneben kann es zu weiteren unbilligen Ergebnissen kommen, wenn die Spekulation auf das Übernahmeangebot in die Kursbildung mit einbezogen wird. Dieser
Gedankengang soll hier ohne nähere modelltheoretische Analyse nur grob skizziert werden. In dieser Modellierung kommt es im Zeitpunkt nach Veröffentlichung der Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots allein durch die Erwartung des Angebots zu einem spekulativen Anstieg des Börsenkurses. Diese mögliche spekulative Erhöhung des Börsenkurses stellt auch den Grund dar, warum der
Beobachtungszeitraum für die Ermittlung des Durchschnittsbörsenkurses mit der
Veröffentlichung der Absicht zur Angebotsabgabe endet.1 Ein solcher Effekt ist
aber auch denkbar, wenn bereits vor der Veröffentlichung Gerüchte über die bevorstehende Übernahme kursieren. Kommt es innerhalb des Referenzzeitraums zu
derartigen spekulativen Kursanstiegen, so erhöht sich dadurch der Durchschnittskurs. Da in der gesetzlichen Regulierung aber der Durchschnittskurs eine Untergrenze des Preises darstellt, der im Rahmen des Angebots gezahlt werden muss,
ergibt sich für die Spekulanten eine gewisse Risikoabsicherung nach unten. Dies
dürfte tendenziell zu höheren Spekulationszuschlägen führen, die wiederum den
Durchschnittskurs noch mehr erhöhen etc. Die Spekulation auf den zu zahlenden
Preis im Rahmen des öffentlichen Angebots ist insofern mit Regulierung selbstverstärkend. Tritt dieser Effekt ein, wird der Preis für eine Übernahme ebenfalls in
sachlich nicht gerechtfertigter Weise in die Höhe getrieben.
chen werden kann, diese Befreiungsmöglichkeit bezieht sich allerdings nicht auf Übernahmeangebote und die dabei zu beachtende Börsenpreisregel, die hier zur Diskussion steht. Vgl. § 9
S. 1 Nr. 3 WpÜG-VO i.V.m. § 37 Abs. 2 WpÜG.
1 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 24; THUN (2002), § 31, Rn. 89.
Kapitel E
286
5
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
Modellkritik
Zum Abschluss dieses Kapitels sollen noch einige kritische Überlegungen dazu
angestellt werden, inwiefern die Ergebnisse des entwickelten Grundmodells auf
die Wirklichkeit übertragen werden können. Grundsätzlich gelten im Rahmen
einer modelltheoretischen Analyse hergeleitete Ergebnisse nur für die in dem Modell verwendeten Annahmen. Diese bilden die Realität entsprechend der Natur
eines Modells nur in vereinfachender, vergröbernder und verallgemeinernder
Form ab. Insofern sind die gewonnenen Erkenntnisse nur mit einer gewissen Vorsicht übertragbar. Während leider in vielen modelltheoretischen Untersuchungen
der Eindruck zu vermitteln versucht wird, man könne anhand des Modells uneingeschränkt die wirkliche Welt erklären, soll in dieser Arbeit auch aufgezeigt werden, welche Schwierigkeiten einer allzu unbekümmerten Übertragung auf reale
Übernahmesituationen entgegenstehen. Daher sollen zumindest einige ausgewählte Modellannahmen einer kritischen Reflektion unterzogen werden. Hierdurch werden zugleich Ansatzpunkte für mögliche Modellerweiterungen und -variationen identifiziert.
Zunächst sei auf die Bewertungsannahmen für die Aktionäre der Zielgesellschaft eingegangen. Die diesbezüglich vielleicht auffälligste vereinfachende Annahme besteht darin, dass sich durch die aufsteigende Sortierung der einzelnen
Werte bei stetiger Betrachtung Bewertungsfunktionen ergeben, die stets linearen
Verlauf haben. Diese Annahme dient allein der rechnerischen Vereinfachung.
Grundsätzlich wäre die in der Arbeit gewählte Vorgehensweise aber auch mit
nichtlinearen Funktionen möglich. Notwendig ist allein die Kenntnis aller Bewertungen, die dann zu einer Bewertungsfunktion aggregiert werden können. Für
die gewonnenen Erkenntnisse hingegen ist die Linearität der Funktion nicht wesentlich.
Bedeutsamer für die gefundenen Ergebnisse ist demgegenüber die Annahme, dass
die Bewertung der Änderungen der künftigen Zahlungsreihen durch eine Übernahme in einer bestimmten Weise homogen erfolgt. Zum einen hat für alle Aktionäre die resultierende Wertänderung das gleiche Vorzeichen. Das bedeutet, dass
alle Aktionäre einheitlich entweder vom Ausbeutungsfall oder vom Synergiefall
ausgehen. Dies muss in der Realität keineswegs so sein. Denkbar ist, dass ein Teil
der Aktionäre von Wertsteigerungen und ein anderer Teil von Wertminderungen
im Falle der Übernahme ausgeht. Die Gründe hierfür sind letztlich die gleichen,
die allgemein dazu führen können, dass unterschiedliche Wirtschaftssubjekte einer
unsicheren künftigen Zahlungsreihe einen unterschiedlichen Wert beimessen.1
Aber damit ist die vorgenommene Vereinfachung noch nicht erschöpft. Die hier
1 Vgl. dazu Abschnitt D 2.
5 Modellkritik
287
getroffene Homogenitätsannahme besagt weiter, dass die resultierende Wertänderung zwar bei allen Aktionären einen unterschiedlichen Betrag haben kann, dass
sich durch die Einbeziehung dieser Faktoren aber die Rangfolge der Werteinschätzungen nicht ändert. Erst durch diese Annahme ist es möglich, die Differenz
der Bewertungsfunktionen an einer bestimmten Stelle als Differenz der jeweiligen
Werte für einen bestimmten Aktionär zu interpretieren. Ohne diese Annahme
könnte es geschehen, dass ein Aktionär – genauer gesagt die Abbildung seiner
Werteinschätzung – beim Übergang von der einen zur anderen Bewertungsfunktion mehr oder weniger weit nach rechts oder links „wandert“. Dadurch wäre eine
Zuordnung zu den einzelnen Aktionärsgruppen nur noch dann problemlos möglich, wenn durch diese „Wanderung“ die Gruppengrenzen nicht überschritten
würden.
Bei aller Einschränkung, die durch diese spezifische Homogenitätsannahme entsteht, sei jedoch auch hervorgehoben, dass die hier getroffene Annahme gegenüber allen anderen Arbeiten, die die Thematik modellmäßig oder mit Beispielrechnungen behandeln, deutlich verallgemeinert ist. Typischerweise wird nämlich
von einer homogenen Bewertung der Art ausgegangen, dass alle Aktionäre den
Aktien den gleichen Wert zuordnen und auch die Wertänderung durch die Übernahme von allen gleich hoch eingeschätzt wird.1 In der hier vorgelegten Modellierung wird immerhin zugelassen, dass sich die Werte unterscheiden, nur die sich
dadurch ergebenden Rangfolgen wurden als gleich angenommen. Zudem sind
auch noch Lockerungen dieser Annahme im Rahmen von Modellerweiterungen
denkbar, sollen allerdings in dieser Arbeit nicht mehr vorgenommen werden.
Noch ein weiteres Problem, das sich aus den Bewertungsannahmen ableitet, wird
in dem Grundmodell ausgeblendet. Es wird hier unterstellt, dass die Bewertung
nur nach dem individuell unsicherheitsadjustiert diskontierten Wert der Ausschüttungserwartungen vorgenommen wird und dass diese von dem institutionellen Rahmen bezüglich der Regulierung der Übernahme unabhängig sind. Nur im
Zeitpunkt t = II wird eine Spekulation auf eine Übernahmeprämie in den Kalkül
mit einbezogen, wobei auch dort dieser „Spekulationswert“ gedanklich von dem
„Fundamentalwert“, der sich aus der Ausschüttungserwartung ergibt, klar getrennt
wird. Solange die Bewertungskalküle tatsächlich so funktionieren und es keinen
Grund gibt, dass die Ausschüttungserwartungen von der Regulierung des Übernahmevorgangs abhängen sollen, ergibt sich die Folge, dass die Bewertungen von
der Art der Regulierung unabhängig sind. An beiden Voraussetzungen können
jedoch auch Zweifel bestehen.
1 Vgl. z.B. REUL (1992), S. 213 – 222; MUNSCHECK (1999), S. 36 – 37; RAU-BREDOW (1999a),
S. 149; R AU-BREDOW (1999b), S. 767; HOUBEN (2000), S. 1882 – 1883
288
Kapitel E
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
•
Die Bewertung der Aktien könnte auch ohne konkrete Übernahmeversuche
durch die Spekulation auf generell mögliche Übernahmen und damit verbundene Übernahmeprämien im Rahmen öffentlicher Anbote mitbestimmt
werden. Wesentlicher Kern der Argumentation von EASTERBROOK/FISCHEL
ist, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Übernahme bei einer den Bieter beschränkenden Regulierung kleiner ist als ohne, da Übernahmen zum Teil
blockiert werden.1 Hieraus den Schluss zu ziehen, dass dann die Bewertungen ohne Regulierung systematisch höher sein müssten, ist allerdings etwas
voreilig. Zwar ist es auch nach den hergeleiteten Modellergebnissen plausibel, dass Übernahmen mit Regulierung weniger wahrscheinlich sind, wenn
sie aber dennoch stattfinden, können die Aktionäre mindestens mit dem
gleichen Preis, in vielen Fällen jedoch mit einem höheren Preis als ohne Regulierung rechnen. Welcher der beiden gegenläufigen Effekte überwiegt,
kann nicht allgemein bestimmt werden.
•
Fraglich ist, ob sich die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten für Übernahmen in den Vergleichssituationen mit und ohne Regulierung u.U. auch
auf die erwarteten Ausschüttungen auswirken. Auch in diese Erwartungen
können Annahmen darüber einfließen, wie wahrscheinlich eine Änderung
der Kontrollverhältnisse und damit möglicherweise der Geschäftspolitik in
der Zukunft ist, womit Änderungen des künftigen Ausschüttungsstroms verbunden wären. Auch bezüglich derartiger Einflüsse auf die Bewertung kann
jedoch nicht festgestellt werden, dass diese systematisch für höhere Bewertungen auf einem unregulierten Markt führen würden. Wie gezeigt wurde,
können Übernahmen sowohl den Ausschüttungsstrom erhöhen als auch
mindern. Welche Wirkungsrichtung wahrscheinlicher ist, kann nicht allgemein gesagt werden.
Weitere Rückwirkungen können sich nach der Managementdisziplinierungshypothese von MANNE ergeben: Wenn eine stärker ausbeutungsbedrohte Unternehmensleitung sich mehr Mühe bei der Leitung der Unternehmung gibt und dadurch bessere Ergebnisse erwirtschaftet als bei geringerer Bedrohung, dann können sich daraus höhere Ausschüttungen ergeben.2 Die Gültigkeit dieser Hypothese wird allerdings in der Literatur vielfach bezweifelt.3 Doch selbst wenn man akzeptiert, dass es zu solchen
Effekten kommen kann, ist nicht gesagt, dass diese eventuelle negative Wirkungen durch die oben beschriebenen Effekte überkompensieren.
1 Vgl. EASTERBROOK /FISCHEL (1982), S.709 – 712. Vgl. dazu auch Abschnitt B 5.2.
2 Vgl. MANNE (1965). Vgl. dazu Abschnitt B 5.2.
3 Vgl. z.B. KRAUSE (1996a), S. 94 – 99.
5 Modellkritik
289
Bei abweichenden Bewertungsannahmen gibt es also mögliche Gründe dafür, dass
bereits die Bewertung der Aktien von der Regulierung des Übernahmevorgangs
abhängig sein kann. Es kann allerdings nicht pauschal gesagt werden, ob dies zu
höheren Bewertungen im Fall mit oder ohne Regulierung führen würde. Die Wirkung müsste nicht einmal für alle Aktionäre die gleiche Wirkungsrichtung haben.
Allerdings sind auch zu diesem Aspekt, der in der vorliegenden Modellierung
durch die Annahmen ausgeklammert ist, Modellvariationen denkbar, die derartige
Wirkungen berücksichtigen.
Auch die Informationsannahme der einseitigen Sicherheit stellt eine starke Vereinfachung der realen Situation dar. Diese Annahme besagt, dass zwar hinsichtlich der künftigen Ausschüttungen Unsicherheit vorliegt, der Bieter aber vor der
Abgabe des Angebots die sich ergebende Angebotsfunktion der Aktionäre voraussieht. In der Realität ist jedoch auch diese Größe unsicher. Aus der Annahme der
einseitigen Sicherheit folgt, dass der Bieter nicht Gefahr läuft, sich über den Verlauf der Angebotsfunktion zu irren und eine nicht gewinnoptimale Preis-MengenKombination festzulegen. Hieraus folgt im vorliegenden Modell auch das Ergebnis, dass der Bieter selbst in der Situation ohne Regulierung stets nur Vollangebote abgibt.
Es ist dennoch fraglich, ob eine Abweichung von dieser vereinfachenden Annahme zu grundsätzlich anderen Ergebnissen führen würde. Ein realer Bieter wird
versuchen, sich eine Vorstellung von der Angebotsfunktion zu machen. Das Ergebnis dieser Überlegungen stellt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung verschiedener denkbarerer Verläufe dar. Nach dieser Vorstellung wird er die Konditionen
des Angebots ausrichten. Eine einfache Modellvariation, die die Unsicherheit berücksichtigt, könnte beispielweise davon ausgehen, dass der Bieter risikoneutral
ist. Dann kann er in ganz ähnlicher Weise wie im hier behandelten Grundmodell
mit einseitiger Sicherheit den Erwartungswert für seinen Übernahmegewinn maximieren und dadurch den Angebotspreis festlegen. Das Problem für den Bieter
liegt darin, dass er nicht sicher weiß, wie viele Aktien ihm für diesen Preis angedient werden. Der tatsächliche Übernahmegewinn, der sich ex post ergibt, kann
also mehr oder weniger stark von dem ex ante erwarteten abweichen. Die Wirkung der Regulierung auf den Bieter ist dann ähnlich wie im Grundmodell. Ist er
durch die Mindestpreisregeln gezwungen, einen höheren Preis zu bieten als den,
welchen er in der unregulierten Situation gewählt hätte, so treten die beschriebenen Mengen- und Preiseffekte auf. Diese können so groß sein, dass die Übernahme einen negativen Erwartungswert hat, sodass der Bieter von dem Übernahmeversuch absieht. Die Ergebnisse aus Sicht des Bieters müssten also in ihrer
Grundtendenz erhalten bleiben. Nichts grundsätzlich anderes wäre zu erwarten,
wenn statt Risikoneutralität andere Risikoeinstellungen unterstellt würden. Dann
wären allerdings zusätzliche Annahmen zur Umsetzung der Risikopräferenz in
einen Entscheidungskalkül notwendig.
290
Kapitel E
Modelltheoretische Analyse der Regulierung
Aus der Sicht der Aktionäre der Zielgesellschaft dürften sich ebenfalls keine gravierenden Änderungen ergeben. Durch die Abgabe des Angebots mit einer Mindestquotenbedingung entspricht ihre Angebotsfunktion der Bewertungsfunktion
bei gelungener Übernahme. Dies ändert sich auch nicht durch eine gelockerte Informationsannahme. Da die Wirkungen auf die Aktionäre durch die tatsächlichen
Bewertungsfunktionen determiniert sind, ergeben sich auch diesbezüglich keine
grundsätzlichen Änderungen zum Grundmodell.
Insofern scheinen die gefundenen Ergebnisse im Wesentlichen auch bei einer Lockerung der Informationsannahmen stabil zu bleiben. Die Modellierung würde
allerdings um ein Vielfaches komplizierter.
Als letzter Aspekt soll noch auf die Vereinfachungen bezüglich der gesetzlichen
Vorschriften im Modell eingegangen werden. In Teil C wurden die materiellgesetzlichen Regelungen vollständig dargelegt. Im Modell wird von diesen Bestimmungen nur ein gewisser Ausschnitt analysiert. Angesichts der Vielzahl der
zu beachtenden Vorschriften wäre etwas anderes im Rahmen einer solchen Arbeit
auch gar nicht möglich. Der analysierte Ausschnitt deckt den Bereich ab, der vom
Verfasser als Kern der Regulierung angesehen wird. Hierdurch können zwar bereits wesentliche Wirkungszusammenhänge aufgedeckt werden, eine vollständige
Analyse der Wirkungen des Gesetzes liegt damit aber noch nicht vor. Das entwickelte Grundmodell ist allerdings so allgemein formuliert, dass sich daraus leicht
Modellvariationen ableiten lassen, die andere Aspekte der Regulierung mit einbeziehen oder isoliert betrachten. Ein Beispiel für eine solche Variation wird in Kapitel F gegeben.
Bereits anhand dieser Ausführungen zu ausgewählten Annahmen wird deutlich,
dass eine Übertragung der anhand des Modells gewonnenen Erkenntnisse auf die
Realität nur mit gewisser Vorsicht möglich ist. Dennoch scheinen grundsätzliche
Ergebnisse auch bei einer Lockerung der einzelnen Annahmen weitgehend stabil
zu bleiben. Genauere Aussagen können mit Erweiterungen und Variationen des
entwickelten Modells gewonnen werden.
Equation Section 6
F
Modellvariation
mit verlängerter Annahmefrist
292
Kapitel F
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
1 Allgemeines
1
293
Allgemeines
In der bisherigen Untersuchung wurden Ergebnisse in dem aufgestellten Grundmodell hergeleitet, die bereits einen guten Einblick in die grundsätzlichen Wirkungen der gesetzlichen Regulierung von Übernahmeangeboten ermöglichen. In
dem Grundmodell wurden jedoch einerseits recht stark abstrahierende Annahmen
getroffen, andererseits wurde die Regulierung durch das Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetz in vereinfachender Form zu Grunde gelegt. Das Modell wurde
jedoch bewusst so allgemein formuliert, dass es leicht modifiziert werden kann,
um es mit weniger strengen Annahmen weiter der realen Situation anzunähern
oder weitere Elemente der gesetzlichen Regulierung einzubeziehen. Letzteres soll
hier zum Abschluss der modelltheoretischen Untersuchung noch gezeigt werden.
Anhand einer Modellvariation soll untersucht werden, wie sich die Einbeziehung
der verlängerten Annahmefrist (sog. Zaunkönigregelung) auf die gefundenen Ergebnisse auswirkt. Nach dieser Regelung ist es den Aktionären möglich, noch
zwei Wochen nach Ablauf der Annahmefrist und damit in Kenntnis des Ergebnisses des Übernahmeversuchs dem Bieter ihre Aktien zu den Konditionen des öffentlichen Angebots anzudienen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Bieter bei
dem Angebot eine Mindestquote festgesetzt hat und diese nicht erreicht wurde.1
Mit der Regelung will der Gesetzgeber der besonderen Situation Rechnung tragen,
in denen sich Minderheitsaktionäre befinden, denen ein koordiniertes Verhalten
bei der Entscheidung über das Übernahmeangebot faktisch nicht möglich ist.2
Gerade die verlängerte Annahmefrist wird in der Literatur einhellig befürwortet,
da sie den auf den Aktionären liegenden Druck, aus Furcht vor der nachteiligen
Situation als Minderheitsaktionär die Aktie zu einem Preis unterhalb der eigenen
Werteinschätzung zu verkaufen, beseitigen soll.3 Es wird allerdings auch die Auffassung vertreten, durch den Verzicht auf die Fristverlängerung bei Erreichen einer gesetzten Mindestquote werde die Befreiung von der Drucksituation wieder
aufgehoben.4 Daher erscheint die Regelung besonders interessant für eine ökonomische Analyse.
Die folgende Untersuchung baut auf den für das Grundmodell gefundenen Ergebnissen auf. Dadurch kann die Analyse in verkürzter Form erfolgen. Es wird lediglich untersucht, inwieweit sich die hergeleiteten Ergebnisse durch die Einbeziehung der verlängerten Annahmefrist ändern. Außerdem soll die Betrachtung auf
den Streubesitzfall beschränkt werden. Die Grundannahmen des Modellrahmens
1 Vgl. dazu die Darstellung in Abschnitt C 6.2.7.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 46.
3 Vgl. PÖTZSCH/MÖLLER (2000), S. 17; LIEBSCHER (2001), S. 865; SCHMIDT/PRIGGE (2002),
S. 235 – 236; STEINMEYER/HÄGER (2002), § 16 Rn. 6.
4 Vgl. GEIBEL (2002), § 16, Rn., 26.
293
294
Kapitel F
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
bleiben bei der Modellvariation vollständig erhalten,1 die sonstigen Annahmen
des Grundmodells werden nur teilweise modifiziert.
Nachfolgend werden zuerst die Abweichungen der Modellvariation gegenüber
dem Grundmodell beschrieben.2 In Rahmen der Untersuchung des Übernahmeprozesses wird zunächst der Kalkül der Aktionäre der Zielgesellschaft analysiert.3
Sodann wird untersucht, wie sich die Regelung auf die optimale Strategie des
Bieters auswirkt.4 Schließlich werden die Wirkungen auf die vermögensmäßige
Betroffenheit der Aktionäre der Zielgesellschaft hergeleitet5 und mit der Situation
ohne Regulierung sowie der Situation mit Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist verglichen.6
1 Vgl. Abschnitt D 3.1.
2 Vgl. Abschnitt F 2.
3 Vgl. Abschnitt F 3.1.
4 Vgl. Abschnitt F 3.2.
5 Vgl. Abschnitt F 3.3.
6 Vgl. Abschnitt F 3.4.
2 Beschreibung der Modellvariation
2
295
Beschreibung der Modellvariation
Durch die verlängerte Annahmefrist haben die Aktionäre, die nicht innerhalb der
regulären Annahmefrist verkauft haben, eine zweite Möglichkeit, dem Bieter ihre
Aktie anzudienen, sofern eine gesetzte Mindestquote erreicht wurde. Dementsprechend ist der zeitliche Modellablauf um diese zweite Verkaufsmöglichkeit zu erweitern. Es ergeben sich statt sechs dann acht Betrachtungszeitpunkte:
Bekanntgabe
der Übernahmeabsicht, ggf.
Paketkauf
0
I
Börsenhandelsmöglichkeit
Abb. F 1
Abgabe
des Übernahmeangebots
(1. Runde)
II
Börsenhandelsmöglichkeit
III
Kauf im
Rahmen des
Übernahmeangebots
IV
Einreichung
der Aktien
(1. Runde)
V
ggf. Kauf im
Rahmen der
Nachfrist
(2. Runde)
VI
ggf. Einreichung
(2. Runde)
VII
VIII t
Börsenhandelsmöglichkeit
Zeitlicher Modellablauf mit verlängerter Annahmefrist
In Zeitpunkt t = VI wird die Anzahl der im Rahmen des Angebotes angedienten
Aktien bekannt gegeben. Damit startet, sofern nicht eine Mindestquote verfehlt
wurde, eine zweite Einkaufsrunde, in der die Aktionäre, die noch nicht verkauft
haben, die Möglichkeit haben, dem Bieter ihre Aktie anzudienen. Der Bieter muss
dann in t = VII alle ihm in der zweiten Runde angedienten Aktien kaufen. Das
Ergebnis dieser zweiten Runde wird in t = VIII bekannt gegeben.
Es wird in dieser Variation nur der Fall untersucht, in dem der Bieter eine Mindestquotenbedingung in Höhe seiner Kontrollquote setzt. Es sei auch allen Aktionären bekannt, dass die Mindestquote mit der Kontrollquote des Bieters übereinstimmt. Zu einer zweiten Einkaufsrunde kommt es also nur dann, wenn die Übernahme im Zeitpunkt t = VI bereits gelungen ist. Dieses Ergebnis ist unter den genannten Voraussetzungen dann allen Aktionären bekannt.
Der Bieter hat auch in der Modellvariation ein überlegenes Wissen in der Art,
dass er den Verlauf der Angebotsfunktionen, die sich ergeben, richtig antizipieren
kann. Wie im Grundmodell soll dies den Aktionären nicht bekannt sein, sodass sie
im Zeitpunkt t = IV noch die Möglichkeit in ihren Kalkül einbeziehen, dass die
Übernahme misslingt.
295
Kapitel F
296
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
3
Analyse des Übernahmeprozesses
3.1
Kalkül der Aktionäre der Zielgesellschaft
Unter den getroffenen Annahmen stellt sich die Entscheidungssituation für die
Aktionäre der Zielgesellschaft wie folgt dar:
t = IV
V
t=V
Übernahme
gelingt
K
Übernahme
gelingt
Übernahme
gelingt nicht
t = VI
V
P
Abb. F 2
Wj−
P
Übernahme
gelingt nicht
K
Wj+
Wj−
Entscheidungssituation für die Zielgesellschaftsaktionäre
Ein Aktionär der Zielgesellschaft muss sich in t = IV entscheiden, ob er seine Aktie zum Verkauf einreicht oder nicht (V oder K). Reicht er die Aktie zum Verkauf
ein, so hängt die Tatsache, ob sie tatsächlich vom Bieter erworben wird, vom Erreichen der gesetzten Mindestquotenbedingung und damit vom Erfolg des Übernahmeversuchs in der ersten Runde ab. Sofern der Versuch erfolgreich ist, erhält
er den Preis P für seine Aktie, andernfalls behält er seine Aktie und der Übernahmeversuch ist beendet. Nur für den Fall, dass der Aktionär in der ersten Runde
nicht verkauft (K), die Übernahme aber insgesamt in der ersten Runde gelingt,
erhält er im Zeitpunkt t = VI in Kenntnis dieser Sachlage die Möglichkeit, sich
erneut für oder gegen den Verkauf zu entscheiden. Entscheidet er sich in diesem
Zeitpunkt, seine Aktie einzureichen, so ist der Bieter verpflichtet, sie zum Preis P
zu erwerben. Verkauft der Aktionär auch in diesem Zeitpunkt nicht, so wählt er
bewusst das Verbleiben in der nunmehr abhängigen Gesellschaft als Minderheitsaktionär. Die für den Aktionär jeweils resultierenden Ergebnisse sind am Ende
eines jeden Astes eingetragen.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
297
Für den Aktionär gibt es nun nicht mehr nur zwei, sondern drei Strategien:
Strategie 1: Verkauf in t = IV
Strategie 2: Kein Verkauf in t = IV, bei gelungener Übernahme Verkauf in t = VI
Strategie 3: Kein Verkauf in t = IV, bei gelungener Übernahme kein Verkauf in
t = VI
Es lassen sich nun schrittweise die Grenzpreise ableiten, die dem Aktionär in den
Zeitpunkten t = IV bzw. t = VI geboten werden müssen, damit er zum Verkauf
bereit ist. Diese können dann zu den jeweiligen Angebotsfunktionen aggregiert
werden. Insofern muss zunächst der Kalkül der einzelnen Aktionäre in den unterschiedlichen Zeitpunkten bestimmt werden.
Besonders einfach ist dies für den Zeitpunkt t = VI. Ist in dieser Situation, in der
der Aktionär weiß, dass die Übernahme erfolgreich ist, der gebotene Preis mindestens so hoch wie die Einschätzung des Werts seiner Aktie bei Abhängigkeit
Wj+ , so ist er zum Verkauf bereit. Die Strategie 3 wird dann von Strategie 2 dominiert.1 Liegt der gebotene Preis dagegen unterhalb dieses Wertes, wird er nicht
verkaufen. Dann wird Strategie 2 von Strategie 3 dominiert. Die Situation in t =
VI entspricht damit aus der Sicht der Aktionäre zumindest im Ergebnis der im
Grundmodell bei Abgabe des öffentlichen Angebotes modellierten Situation.
Etwas diffiziler gestaltet sich hingegen der Kalkül für den Zeitpunkt t = IV. Betrachtet sei zunächst der Synergiefall ( Wj+ > Wj− für alle Aktionäre). Liegt der
gebotene Preis P unterhalb des Wertes Wj− , so ist Strategie 3 die dominante Strategie. Der Aktionär wird zu diesem Preis dann in t = IV nicht verkaufen (und auch
in t = VI nicht). Dies gilt auch noch für den Fall, dass die Relation Wj+ > P ≥ Wj−
gilt. Ist hingegen P ≥ Wj+ so ergäbe sich unter der bisher getroffenen vereinfachenden Annahme, dass der Aktionär den Ausgang der Übernahme als unabhängig von seiner eigenen Entscheidung ansieht, eine Indifferenz zwischen Strategie
1 und Strategie 2. Das wäre bezogen auf den Zeitpunkt t = IV gleichbedeutend mit
einer Indifferenz zwischen Verkauf und Abwarten. Zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt man nur, wenn die besagte Annahme aufgegeben wird. Geht der Aktionär davon aus, dass seine Entscheidung in t = IV zumindest einen marginalen
Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens hat, so wird er bereits in t = IV seine
Aktie zum Verkauf andienen, damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Mindest-
1 Dabei wird hier – wie bisher in dieser Untersuchung auch – davon ausgegangen, dass der Aktionär bei einem gebotenen Preis in Höhe des Grenzpreises, bei dem theoretisch Indifferenz zwischen Verkauf und Nichtverkauf besteht, den Verkauf wählt.
297
298
Kapitel F
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
quote erfüllt wird, zumindest geringfügig steigt. Vor dem Hintergrund, dass er
sich in dieser Situation durch Abwarten keinesfalls besser stellen kann, wird er in
t = IV seine Aktie zum Kauf andienen.
Sieht man sich als Nächstes den Ausbeutungsfall ( Wj− > Wj+ für alle Aktionäre)
an, so ergibt sich Folgendes: So lange P < Wj+ gilt, ist die Strategie 3 dominant.
Ist hingegen Wj− > P ≥ Wj+ , so ergäbe sich unter der ursprünglich getroffenen
Annahme, dass das eigene Verhalten als irrelevant für den Erfolg des Übernahmeversuchs angesehen wird, eine Indifferenz zwischen Strategie 1 und 2. Erst
durch Aufhebung dieser vereinfachenden Annahme kommt es zu dem eindeutigen
Ergebnis, dass Strategie 2 vorgezogen wird, da durch Abwarten in t = IV die
Wahrscheinlichkeit für das in diesem Fall aus Sicht des Aktionärs günstige
Scheitern des Übernahmeversuchs marginal gesteigert werden kann. Damit ergibt
sich für den Zeitpunkt IV, dass der Aktionär bei einem gebotenen Preis unterhalb
von Wj− stets zunächst abwarten wird, da er entweder Strategie 2 oder 3 spielt.
Erst bei einem Preis mindestens in Höhe von Wj− wird er den sofortigen Verkauf
(Strategie 1) vorziehen, allerdings wiederum nur, weil er damit die Wahrscheinlichkeit für das dann aus seiner Sicht günstige Erreichen der Mindestquote marginal erhöhen kann.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass alle Aktionäre im Synergiefall im
Zeitpunkt t = IV ihre Aktie nur zu einem Preis mindestens in Höhe ihrer Wertschätzung Wj+ verkaufen würden. Durch Aggregation ergibt sich die Angebotsfunktion
(F 1) W IV (a) = W + (a) , wenn Wj+ > Wj− für alle Aktionäre.
Im Ausbeutungsfall verkaufen die Aktionäre in t = IV hingegen nur, wenn ihnen
mindestens der Wert Wj− für ihre Aktien geboten wird. Damit ergibt sich für diesen Fall die Angebotsfunktion
(F 2) W IV (a) = W − (a) , wenn Wj− > Wj+ für alle Aktionäre.
In Zeitpunkt t = IV ist also jeweils die höhere der beiden Funktionen W − (a) und
W + (a) die relevante Angebotsfunktion. Daraus ergibt sich auch, dass der Druck
auf die Aktionäre, ihre Aktien im Ausbeutungsfall auch unter ihrer Werteinschätzung zu verkaufen, in der Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist nicht
auftritt. Im Zeitpunkt t = IV verkaufen die Aktionäre selbst bei vorhersehbarer
Ausbeutung nur, wenn ihnen mindestens ihre Werteinschätzung bei Unabhängigkeit geboten wird. Wird weniger geboten, entsteht kein Druck, dennoch aus Angst
3 Analyse des Übernahmeprozesses
299
vor der Minderheitsposition zu verkaufen. Falls die Übernahme gelingt, kann der
Aktionär in t = VI immer noch verkaufen.
In t = VI ergibt sich durch Aggregation der Einzelkalküle die Angebotsfunktion
W VI (a) = W + (a) .1
In der folgenden Abbildung sind die beiden Angebotsfunktionen für den Ausbeutungsfall zusammengefasst.
W IV (a)
W − (a)
W IV (a) = W − (a)
W + (a)
∆W +
W VI (a) = W + (a)
P′
C0 = CIV
a*
Abb. F 3
a′
a ′′
A
Angebotsfunktionen bei Modellvariation, Ausbeutungsfall
−
In der ersten Einkaufsrunde gilt die Angebotsfunktion W IV (a) = W (a) , die den
Werteinschätzungen der Aktionäre bei Unabhängigkeit entspricht. Bietet der Übernehmer beispielweise den Preis P′ , so kann er in der ersten Runde a ′ Aktien
erwerben. Da diese Anzahl größer ist als die Kontrollquote a * , ist die Übernahme
nach der ersten Runde gelungen. Es kommt zu der Verlängerung der Annahmefrist, in der die Aktionäre, die bisher nicht verkauft haben, die erneute Möglichkeit
haben, ihre Aktien anzudienen. Diese Aktionäre wissen nun, dass die Übernahme
bereits gelungen ist. Die Angebotsfunktion W VI (a) entspricht daher den Bewertungen bei Abhängigkeit. In der zweiten Runde werden demnach die Aktionäre,
1 Zu beachten ist, dass das Argument a in dieser Darstellung die Gesamtzahl gekaufter Aktien
darstellt, demnach auch die Aktien enthält, die im Rahmen eines Paketkaufs oder im Rahmen
der ersten Runde im öffentlichen Übernahmeangebot gekauft werden.
299
Kapitel F
300
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
die auf der Angebotsfunktion zwischen a ′ und a ′′ abgebildet sind, ihre Aktien an
den Erwerber verkaufen.
Im Synergiefall kommt es hingegen unter den getroffenen Annahmen nie zu weiteren Käufen in einer zweiten Einkaufsrunde. Bereits in t = IV verlangen die Aktionäre den vollen Ausgleich für die Synergievorteile. Es gilt in t = IV und in t =
VI die gleiche Angebotsfunktion W + (a) , welche im Synergiefall die höhere der
beiden Kurven darstellt. Kann der Bieter mit seinem gebotenen Preis in der ersten
Runde die Kontrollquote erreichen, so verkaufen alle verkaufswilligen Aktionäre.
Alle Aktionäre, die nicht verkaufen, schätzen der Wert der Aktie bei gelungener
Übernahme höher ein als den gebotenen Preis. Daher wird keiner von ihnen mehr
innerhalb der verlängerten Annahmefrist verkaufen.
3.2
Strategie des Bieters
Annahmegemäß kennt der Bieter in diesem Modell die Angebotsfunktionen bereits vor der Abgabe seines Angebotes. Für ihn ist die Gesamtzahl der im gesamten Übernahmeverfahren erworbenen Aktien relevant. Ob diese Aktien in der ersten oder zweiten Einkaufsrunde erworben werden, ist hingegen unerheblich. Die
Anzahl der insgesamt erworbenen Aktien bestimmt sich grundsätzlich nach der
Angebotsfunktion im Zeitpunkt t = VI, die der Angebotsfunktion im Grundmodell
ohne verlängerte Annahmefrist entspricht. Es ergibt sich in der Modellvariation
allerdings die Nebenbedingung, dass der Übernehmer in der ersten Einkaufsrunde
die Kontrollquote erreichen muss. Im Synergiefall hat dies keine Auswirkung auf
den Kalkül des Bieters, da ohnehin nur in der ersten Runde Aktien gekauft werden. Für den Ausbeutungsfall ergeben sich jedoch andere Ergebnisse, da in der
ersten und in der zweiten Runde jeweils eine andere Angebotsfunktion gilt und in
beiden Runden Aktien gekauft werden. Dieser Zusammenhang wird anhand der
folgenden Abbildung verdeutlicht:
3 Analyse des Übernahmeprozesses
301
W IV (a)
W IV (a)
W IV (a) = W − (a)
−
W (a)
W + (a)
W VI (a) = W + (a)
∆W +
opt
opt
PmR
= Pˆ mR
−
W (a * )
C0 = CIV
a*
Abb. F 4
ˆ opt
a eR a opt
mR = a mR
A
Strategie des Bieters I, Ausbeutungsfall
Der Bieter kann zunächst wie im Grundmodell seinen optimalen Preis anhand der
Funktion W + (a) bestimmen. Das Ergebnis dieser Preisermittlung entspricht dem
opt
Ergebnis im Grundmodell und soll daher genauso wie dort mit PmR
bezeichnet
werden. Sofern dieser Wert wie in Abbildung E 29 nicht unterhalb von
W − (a * ) liegt, ergeben sich keine Abweichungen in der Strategie gegenüber dem
Grundmodell. Es gilt für die optimalen Preise und Mengen bei Regulierung mit
opt
verlängerter Annahmefrist ( P̂mR
und â opt
mR ):
opt
opt
opt
(F 3) P̂mR
für PmR
≥ W − (a * ) und
= PmR
opt
opt
−
*
(F 4) â opt
mR = a mR für PmR ≥ W (a ) .
Der einzige Unterschied ist, dass die Aktien in zwei Runden gekauft werden. Im
Rahmen des Angebots werden in der ersten Einkaufsrunde zunächst a eR Aktien
erworben, wobei
(F 5) a eR =
opt
P̂mR
− C0
α
gilt. Innerhalb der verlängerten Annahmefrist werden dann noch zusätzlich
eR
â opt
Aktien gekauft. Wie sich die Käufe auf die beiden Runden aufteilen, ist
mR − a
301
Kapitel F
302
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
unerheblich, solange nur in der ersten Runde mindestens a * Aktien gekauft weropt
den, was durch die Bedingung PmR
≥ W − (a * ) gesichert ist. Insofern kann für diesen Fall auf die für das Grundmodell hergeleiteten Ergebnisse verwiesen werden.1
opt
Gilt hingegen PmR
< W − (a * ) , ergibt sich die in Abbildung F 5 dargestellt Situation.
W IV (a)
W IV (a) = W − (a)
W VI (a)
W − (a)
W + (a)
∆W +
W VI (a) = W + (a)
opt
W − (a * ) = Pˆ mR
opt
PmR
C0 = CIV
a ′ a * = a eR
Abb. F 5
ˆ opt ˆ *
a opt
mR a mR = a
A
Strategie des Bieters II, Ausbeutungsfall
Zu dem optimalen Preis mit Regulierung, aber ohne verlängerte Annahmefrist,
könnte in der beispielhaft verdeutlichten Situation in der ersten Runde nur die
Menge a ′ erworben werden. Damit wäre aber die Kontrollquote, die zugleich die
Mindestquote darstellt, nicht erreicht. Der Übernahmeversuch wäre gescheitert, es
käme erst gar nicht zu einer zweiten Einkaufsrunde. Insofern muss der Übernehmer mindestens den höheren Wert W − (a * ) als Preis bieten. Ist zu diesem Preis
die Übernahme für ihn noch lohnend, so wird dies der optimale Preis mit Regulierung mit verlängerter Annahmefrist. Es werden dann in der ersten Runde a eR = a *
Aktien gekauft. Setzt man den Wert W − (a * ) mit der Angebotsfunktion W VI (a)
gleich, so ergibt sich die zu diesem Preis zugehörige Menge Aktien â * , die insgesamt gekauft werden muss:
1 Vgl. Abschnitt E 3.2.1.1.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
(F 6) â * =
303
C − − C+ + a * ⋅ α
C− − C+ + a * ⋅α
, falls
≤A.
β
β
Übersteigt der Wert des rechten Terms die Anzahl ausgegebener Aktien, so ist die
zugehörige Menge:
(F 7) â * = A , falls
C− − C+ + a * ⋅α
> A.
β
Die Übernahme ist noch vorteilhaft, wenn der zu zahlende Preis W − (a * ) noch
unterhalb des durchschnittlichen Wertes einer Aktie für den Erwerber bei einer
Beteilung von â * Aktien liegt. Die Bedingung für die Vorteilhaftigkeit lautet
demnach
(F 8) W − (a * ) < W Ü (aˆ * ) .
Der optimale Preis mit Regulierung unter Einbeziehung der verlängerten Annahmefrist beträgt dann
opt
(F 9) P̂mR
= W − (a * ) .
In der nachfolgenden Tabelle F 1 sind die optimalen Strategien des Bieters noch
einmal zusammengefasst:
303
Kapitel F
304
Bedingungen
opt
≥ W − (a * )
PmR
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
opt
P̂mR
â opt
mR
opt 1
PmR
2
a opt
mR
W − (a * )
C − − C+ + a * ⋅ α
β
W − (a * )
A
kein Kauf
kein Kauf
opt
< W − (a * )
PmR
C− − C+ + a * ⋅α
≤A
β
W − (a * ) < W Ü (aˆ * )
opt
PmR
< W − (a * )
C− − C+ + a * ⋅α
>A
β
W + ( aˆ * ) < W Ü (A)
opt
< W − (a * )
PmR
W − (a * ) ≥ W Ü (aˆ * )
Tab. F 1
Optimale Preis-Mengen-Kombinationen des Bieters bei Regulierung mit verlängerter
Annahmefrist
3.3
Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft
Es ergeben sich im Ausbeutungsfall wie im Grundmodell bis zu drei Gruppen von
opt
≥ W − (a * ) kommt es sogar zu den exakt gleichen
Aktionären. Für den Fall PmR
Ergebnissen wie in der Situation mit Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist.
Insofern kann auf die obigen Ausführungen zu den Wirkungen bei Regulierung
verwiesen werden.3
opt
In der nachfolgenden Abbildung ist eine Situation mit PmR
< W − (a * ) dargestellt.
1 Vgl. Tabelle E 5 in Abschnitt E 3.2.1.1.
2 Vgl. Tabelle E 5 in Abschnitt E 3.2.1.1.
3 Vgl. Abschnitt E 3.2.2.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
305
W IV (a)
W VI (a)
W − (a)
W + (a)
W − (a)
w
opt
W − (a * ) = Pˆ mR
opt
PmR
W + (a)
v
u
C0 = CIV
a ′ a * = a eR
Abb. F 6
opt
a opt
mR â mR
A
Wirkungen der Übernahme auf die Aktionäre der Zielgesellschaft bei Regulierung mit
verlängerter Annahmefrist
In diesem Fall gilt für die jeweiligen Größen der Aktionärsgruppen A, B und C
â AmR = a * ,
*
aˆ BmR = aˆ opt
mR − a und
opt
−
*
aˆ CmR = A − aˆ opt
mR , jeweils für PmR < W (a ) .
Durch die verlängerte Annahmefrist ergibt sich eine wichtige Besonderheit in der
Modellvariation: Sofern die Übernahme gelingt, ist die Gruppe A der Aktionäre,
die mit Gewinn an den Übernehmer verkaufen, stets besetzt und hat mindestens
die Größe a * . Dies ergibt sich aus der zwingenden Nebenbedingung, dass in der
opt
ersten Runde die Kontrollquote erreicht werden muss, was nur bei P̂mR
≥ W − (a * )
gelingt. Damit ist durch die verlängerte Annahmefrist garantiert, dass mindestens
so viele Aktionäre mit Gewinn verkaufen können, wie es der Kontrollmehrheit
entspricht.
Die Vermögensänderungen der Gruppenangehörigen ergeben sich wie im Fall mit
Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist. Sie sind in Abbildung F 6 grau gekennzeichnet, wobei Teilfläche u den Gewinn der Gruppe A kennzeichnet und die
Teilflächen v und w die jeweiligen Verluste der Gruppen B und C. Auf eine explizite formelmäßige Angabe kann verzichtet werden. Die für den Fall mit Regulie-
305
Kapitel F
306
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
rung ohne verlängerte Annahmefrist hergeleiteten Formeln sind analog anwendbar.1
Im Synergiefall ergeben sich, wie oben nachgewiesen, keine Änderungen im Kalkül des Bieters gegenüber der regulierten Situation ohne verlängerte Annahmefrist. Daher ergeben sich auch keine Änderungen hinsichtlich der vermögensmäßigen Betroffenheit der Aktionäre gegenüber der Situation mit Regulierung ohne
verlängerte Annahmefrist.2
3.4
Wirkungen der Regulierung
Wie bereits herausgearbeitet wurde, ergeben sich sowohl für den Ausbeutungsfall
opt
mit PmR
≥ W − (a * ) als auch für den Synergiefall exakt die gleichen Ergebnisse wie
im Grundmodell ohne verlängerte Annahmefrist.3 Insofern kann die Beschreibung
der Wirkungen der Regulierung unter Einbeziehung der verlängerten Annahmeopt
< W − (a * )
frist auf das Vermögen der Aktionäre auf den Ausbeutungsfall mit PmR
beschränkt werden. Auch für diesen Fall ergeben sich grundsätzlich analoge Ergebnisse. Daher soll statt einer ausführlichen formalen Analyse der hier ebenso
auftretenden vier Fallgruppen nur auf die Besonderheiten bei Einbeziehung der
verlängerten Annahmefrist hingewiesen werden. Diese Besonderheiten lassen sich
anhand der nachfolgenden Abbildung F 7 verdeutlichen.
1 Vgl. für diese Formeln Abschnitt E 3.2.2.1.1.
2 Vgl. hierzu Abschnitt E 3.2.2.1.2.
3 Vgl. zu den Wirkungen in diesen Fällen Abschnitt E 3.3.2.
3 Analyse des Übernahmeprozesses
307
W IV (a)
W VI (a)
W − (a)
W + (a)
W IV (a)
= W − (a)
∆W +
W VI (a)
= W + (a)
opt
W − (a * ) = Pˆ mR
opt
PmR
opt
PoR
C0
C+
a * a opt
oR
a
Abb. F 7
A
oR
a
A
mR
â
opt
a opt
mR â mR
A
A
mR
Wirkungen der Regulierung mit verlängerter Annahmefrist
Abgebildet ist eine Situation, in der der optimale Preis mit Regulierung ohne veropt
unterhalb von W − (a * ) liegt, sodass die Übernahme
längerte Annahmefrist PmR
zu diesem Preis in der ersten Runde scheitern würde. Der Bieter muss mindestens
opt
den Preis P̂mR
= W − (a * ) bieten, damit die Übernahme stattfinden kann.
Man erkennt in der Abbildung zunächst, dass sich die Größe der Gruppe A auf
â AmR = a * erhöht. Wie der Zeichnung ebenfalls zu entnehmen ist, wäre Gruppe A
bei Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist kleiner als a * . In den Fällen mit
opt
PmR
< W − (a * ) , in denen die Gruppe A sonst nicht größer als a * wäre, sorgt die
verlängerte Annahmefrist dafür, dass diese Mindestgröße erreicht wird. In den
opt
Fällen mit PmR
≥ W − (a * ) ist diese Größe ohnehin erreicht oder überschritten. Bei
Regulierung mit verlängerter Annahmefrist ist also gewährleistet, dass mindestens
so viele Aktionäre mit Gewinn an den Übernehmer verkaufen können, wie es der
Kontrollquote entspricht.
Weiterhin kann man an der Abbildung ablesen, dass durch den höheren zu bietenden Preis auch der Umfang, in dem sich die Größe der Gruppe C von Minderheitsaktionären verkleinert, noch größer ist als es bei gleicher Situation mit Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist der Fall wäre.
307
308
Kapitel F
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
Die Vermögensänderung der Aktionäre der Zielgesellschaft im Vergleich zur Situation ohne Regulierung ist in Abbildung F 7 als grau markierte bzw. schraffierte
Fläche eingezeichnet, wobei die ausgefüllte untere Teilfläche der Vermögenserhöhung bei Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist entspricht und der darüber schraffiert eingezeichnete Bereich die zusätzliche Verbesserung durch die
verlängerte Annahmefrist bzw. den dadurch erforderlichen höheren Preis abbildet.
Zur Berechnung der Vermögensänderungen der Gruppenangehörigen können die
im Grundmodell hergeleiteten Formeln analog angewendet werden.1
opt
Durch die im Ausbeutungsfall mit PmR
< W − (a * ) notwendige Preiserhöhung gegenüber der Situation mit Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist kann es
dazu kommen, dass eine in dieser Situation für den Bieter noch lohnende Übernahme mit verlängerter Annahmefrist nicht mehr lohnend ist. Diese zusätzliche
Blockadewirkung kann allerdings nur in den Fällen auftreten, in denen weniger
als a * Aktionäre den gebotenen Preis höher einschätzen als den Wert der Aktie
ohne Übernahme. Es werden also nur solche Übernahmen zusätzlich verhindert,
in denen es ohne verlängerte Annahmefrist nur deswegen zur Übernahme kommt,
weil die Aktionäre im einstufigen Übernahmeverfahren befürchten müssen, bei
Nichtverkauf als Minderheitsaktionäre in der Gesellschaft zu verbleiben. Es werden also gerade diejenigen Übernahmen verhindert, bei denen der durch die drohende Ausbeutung hervorgerufenen Abgabedruck die Übernahme zu diesem Preis
überhaupt erst möglich macht. Im Synergiefall dagegen kann es nicht zu einer
zusätzlichen Blockadewirkung kommen, da dann die verlängerte Annahmefrist
nicht zu höheren Preisen führt.
1 Vgl. die Tabellen E 10 und E 11 in Abschnitt E 3.3.2.4.
4 Wertung der Ergebnisse der Modellvariation
4
309
Wertung der Ergebnisse der Modellvariation
Die Untersuchung im Rahmen der Modellvariation hat gezeigt, dass sich für den
Bieter durch die Regulierung mit verlängerter Annahmefrist grundsätzlich die
gleichen Wirkungen ergeben wie ohne verlängerte Annahmefrist, in einigen Fällen aber in stärkerem Ausmaß. Wie bereits in Teil E herausgearbeitet wurde, ist
die optimale Strategie, die ohne Regulierung gewählt würde, im aus der Sicht des
Bieters günstigsten Fall durch die gesetzlichen Einschränkungen nicht berührt.
Dann ist die Wirkung der Regulierung auf das Vermögen des Bieters neutral. In
allen anderen Fällen wird sein Übernahmegewinn verringert. Dies kann unter Umständen so weit gehen, dass bei der Übernahme für ihn sogar ein Verlust entstünde
bzw. dass er wegen Unvorteilhaftigkeit auf die Übernahme verzichtet. Der Gewinn reduziert sich durch die verlängerte Annahmefrist noch weiter, wenn der
Ausbeutungsfall vorliegt und der ohne verlängerte Annahmefrist optimale Preis
unterhalb des Wertes liegt, den mindestens die Kontrollmehrheit der Aktionäre
höher einschätzt als den Wert ohne Übernahme. Zu diesem Preis würde in dem
hier ausschließlich untersuchten Fall mit Mindestquotenbedingung die Übernahme bereits in der ersten Runde scheitern, da nicht genügend Aktionäre in der regulären Annahmefrist ihre Aktien einreichen würden. Daher muss der Übernehmer einen höheren Preis bieten, um in der ersten Runde die Kontrollmehrheit zu
erreichen. Dadurch ergibt sich in dieser Konstellation eine Verstärkung des in Teil
E beschriebenen Preiseffekts und des Netto-Mengeneffekts, die sich beide mindernd auf den Übernahmegewinn auswirken. Diese zusätzliche Gewinnminderung
kann, wenn sie groß genug ist, dazu führen, dass eine Übernahme, die mit Regulierung ohne verlängerte Annahmefrist noch vorteilhaft wäre, mit verlängerter
Annahmefrist nicht mehr lohnend ist. Durch die verlängerte Annahmefrist kann
der Bieter also allenfalls negativ betroffen sein. Es ist daher wiederum zu fragen,
ob die Schlechterstellung des Bieters durch das Schutzbedürfnis der Aktionäre der
Zielgesellschaft gerechtfertigt ist.
Auch aus der Sicht der Aktionäre der Zielgesellschaft ergeben sich weitgehend
analoge Ergebnisse wie im Grundmodell. Man kann die gleichen vier Fallgruppen
unterscheiden wie im Grundmodell. Insofern sei auf die Wertung der Ergebnisse
des Grundmodells verwiesen.1 Es ergeben sich jedoch aus der Sicht der Zielgesellschaftsaktionäre einige wichtige Besonderheiten, auf die hier hingewiesen
werden soll.
Das wichtigste Charakteristikum der Regulierung mit verlängerter Annahmefrist
ist die Tatsache, dass der Druck von den Aktionären genommen wird, ihre Aktien
bei einem Übernahmeangebot auch zu einem Preis zu verkaufen, der unterhalb
1 Vgl. Abschnitt E 4.
309
310
Kapitel F
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
ihrer Werteinschätzung bei Unabhängigkeit liegt. Im Grundmodell kann es zu
solchen Ergebnissen kommen, weil es in dem einstufigen Übernahmeverfahren
nur einmal die Möglichkeit gibt, die Aktien zum Verkauf einzureichen und zu
diesem Zeitpunkt der Ausgang des Übernahmeverfahrens noch ungewiss ist. Ein
Nichtverkauf ist dann mit der Konsequenz verbunden, bei Gelingen der Übernahme automatisch in die Position eines Minderheitsaktionärs der dann abhängigen
Gesellschaft zu kommen. Wie in Teil D hergeleitet, können Aktionäre dadurch
bereit sein, ihre Aktien auch unterhalb ihrer Werteinschätzung ohne Übernahme
zu verkaufen.1 Hierdurch kann es im Grundmodell vorkommen, dass nur durch
diesen Abgabedruck die Übernahme zu einem derart niedrigen Preis überhaupt
erst gelingt. Daher kann u.U. die Übernahme gelingen, obwohl die Mehrheit der
Aktionäre, im Extremfall vielleicht alle Zielgesellschaftsaktionäre, die Übernahme
zu den gebotenen Konditionen für nicht vorteilhaft hält.
Ein derartiges Ergebnis wird durch das zweistufige Verfahren vermieden, das sich
durch die Einbeziehung der verlängerten Annahmefrist in der hier untersuchten
Form mit Mindestquotenbedingung ergibt. In der ersten Einkaufsrunde entsteht
kein Druck auf die Aktionäre, ihre Aktien auch unterhalb ihrer Werteinschätzung
bei Unabhängigkeit abzugeben, da sie nicht befürchten müssen, bei Nichtverkauf
automatisch in die Position eines Minderheitsaktionärs zu gelangen, falls die Übernahme gelingen sollte. Für diesen Fall verbleibt ihnen nämlich bei einem zweistufigen Verfahren die Möglichkeit, innerhalb der zweiten Runde ihre Aktien –
dann in Kenntnis des Gelingens des Übernahmeversuchs – zu den gleichen Konditionen zu verkaufen. Dadurch können sie in der ersten Runde gefahrlos abwarten, während es zu einer zweiten Runde nur kommt, wenn die Übernahme bereits
in der ersten Runde gelungen ist. Insofern kann es in keiner der beiden Einkaufsrunden zu dem beschrieben Druck auf die Aktionäre kommen.
Dies ist nach hier vertretener Auffassung als ausgesprochen sinnvolle Wirkung
der verlängerten Annahmefrist zu werten. Der Abgabedruck resultiert letztlich aus
der Furcht der Wertpapierinhaber, später als Minderheitsaktionär der Ausbeutung
ausgesetzt zu sein. Die gedankliche Vorwegnahme der Ausbeutung im Kalkül der
Aktionäre führt in diesen Fällen dazu, dass der Übernehmer seinen Gewinn auf
Kosten der Zielgesellschaftsaktionäre steigern kann. Daher kann es nur als sachgerecht angesehen werden, dass dieser Druck von den Aktionären genommen
wird.
Aus der Wegnahme des Abgabedrucks resultieren weiterhin positiv zu beurteilende Folgewirkungen. Eine Übernahme ist nur noch zu Preisen möglich, die von
1 Vgl. Abschnitt D 3.3.3.
4 Wertung der Ergebnisse der Modellvariation
311
mindestens so vielen Aktionären höher als der Wert bei Unabhängigkeit eingeschätzt wird, wie es der Kontrollquote entspricht. Damit wird
•
zum einen gewährleistet, dass die Zahl der Aktionäre, die aus der Transaktion einen Gewinn ziehen können, der Kontrollmehrheit entspricht,
•
zum anderen werden die Übernahmen blockiert, die nur durch den Abgabedruck überhaupt ermöglicht werden.
Die Wegnahme des Abgabedrucks basiert auf der Trennung der (ersten) Verkaufsentscheidung von der im Grundmodell damit verbundenen Konsequenz, im
Falle des Nichtverkaufs bei Gelingen der Übernahme automatisch Minderheitsaktionär zu werden.1 Es ist jedoch zu beachten, dass diese Trennung und die daraus
resultierenden vorteilhaften Ergebnisse in der Modellvariation nur deshalb uneingeschränkt zum Tragen kommt, weil ein Angebot mit Mindestquotenbedingung
zugrunde gelegt wurde. Gibt der Bieter keine Mindestquotenbedingung an, so
kommt es auch dann zu einer zweiten Einkaufsrunde, wenn die Übernahme in der
ersten Runde noch nicht gelungen ist.2 Für die Aktionäre, die in der ersten Runde
noch nicht verkauft haben, kann es dann u.U. in der zweiten Runde zu einem
Druck der beschriebenen Art kommen. Das Gleiche würde gelten, wenn bei einem
Nichterreichen einer gesetzten Mindestquote trotzdem noch eine zweite Einkaufsrunde eingeleitet würde. Die in der juristischen Literatur vertretene Auffassung,
durch die Nichtgewährung der verlängerten Annahmefrist in diesen Fällen würde
die Befreiung von der Drucksituation wieder aufgehoben,3 geht daher eindeutig
fehl. Es gilt genau das Gegenteil: Gerade durch diese Regel wird gewährleistet,
dass es nicht innerhalb der verlängerten Annahmefrist doch noch zu einer solchen
Drucksituation kommen kann.
Es ist darauf hinzuweisen, dass sich ein zweistufiges Verfahren mit den beschriebenen Wirkungen auch schon allein durch die Einführung eines Pflichtangebots
ergeben würde, wenn dieses unabhängig von der Art des Erwerbs der Aktien in
jedem Fall abzugeben wäre. Der Gesetzgeber hat aber auf diese Wirkung ver-
1 Damit liegt ihr ein ähnliches Prinzip zu Grunde wie den von BEBCHUK vorgestellten Regulierungsvorschlägen. Vgl. BEBCHUK (1985), S. 1747 – 1749, ; BEBCHUK (1987), S. 931 – 932;
BEBCHUK (1988), S. 222. Vgl. dazu auch Abschnitt B 5.2.
2 Nach einer Mindermeinung von STEINMEYER/HÄGER soll bei Übernahmeangeboten jedoch die
Angabe einer Mindestquote obligatorisch sein. Vgl. STEINMEYER /HÄGER (2002), § 29, Rn. 13
– 14. Danach könnte dieses Problem gar nicht auftreten. Für diese Auffassung gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte im Gesetzestext oder in der Gesetzesbegründung, sodass hier mit
der ganz h.M. davon ausgegangen wird, dass Übernahmeangebote ohne Mindestquote sehr
wohl zulässig sind.
3 Vgl. GEIBEL (2002), § 16, Rn. 26.
311
Kapitel F
312
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
zichtet, indem er gerade bei Erreichen der Kontrollquote mittels öffentlichen Angebots eine Ausnahme von der Angebotspflicht im Gesetz festschrieb.1 Damit
sollte ausweislich der Gesetzesbegründung verhindert werden, dass ein Bieter
zwei Angebote nacheinander abgeben müsste, wodurch unnötiger Zeit- und Kostenaufwand entstünde.2 Neben der schon beschriebenen Konsequenz, dass wegen
dieser Ausnahme bereits für das Übernahmeangebot die gleichen strengen Regeln
gelten müssen wie für das Pflichtangebot, folgt daraus zunächst auch ein Verzicht
auf das zweistufige Verfahren, welches dann über die verlängerte Annahmefrist
jedoch in ähnlicher Form wieder eingeführt wird. Es ergeben sich allerdings einige gewichtige Unterschiede zwischen einem zweistufigen Verfahren über ein generelles Pflichtangebot und dem Weg des Gesetzgebers mit verlängerter Annahmefrist:
•
Bei einer ausnahmslosen Pflichtangebotsregelung wird die Quote, bei der
die zweite Einkaufsrunde ausgelöst wird, vom Gesetzgeber festgelegt und
gilt in jedem Fall. Falls es im Rahmen der ersten Runde, also beim Übernahmeangebot, nicht zum Kontrollerwerb im Sinne des Gesetzes kommt,
gibt es keine zweite Runde.
•
Bei der beschriebenen Regelung mit verlängerter Annahmefrist wird die
Quote, bei deren Erreichen es zur zweiten Einkaufsrunde kommt, vom Übernehmer festgelegt. Zudem kann der Bieter auch auf eine derartige Mindestquotenbedingung verzichten mit der Folge, dass es in jedem Fall zu einer zweiten Runde kommt.
Dabei lässt sich nicht ohne weiteres pauschal feststellen, welche dieser beiden
Ausprägungen eines zweistufigen Verfahrens vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks sinnvoller ist. Beide Alternativen haben Vor- und Nachteile, die im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht untersucht werden sollen. Der Gesetzgeber jedenfalls hat sich für die Möglichkeit einer Ausnahme von der Pflichtangebotsregelung bei gleichzeitig verlängerter Annahmefrist entschieden. Dass er sich bei
dieser Entscheidung unter Abwägung des skizzierten Entscheidungsproblems bewusst für diese Ausprägung des zweistufigen Verfahrens entschieden hat, kann
jedoch ernsthaft bezweifelt werden. Jedenfalls fehlen jegliche Hinweise auf derartige Überlegungen in der Gesetzesbegründung.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Wirkung des zweistufigen Verfahrens, das
sich durch die verlängerte Annahmefrist ergibt, als ausgesprochen sinnvoll beurteilt wird. Zusätzliche Wirkungen ergeben sich nur im Ausbeutungsfall, also ausschließlich in dem Fall, in dem nach hiesigem Verständnis überhaupt ein Schutz-
1 Vgl. § 35 Abs.3 WpÜG.
2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (2001), S. 60.
4 Wertung der Ergebnisse der Modellvariation
313
bedürfnis besteht. Dann verhindert die Regelung – zumindest wenn, wie hier unterstellt, eine Mindestquote gesetzt wird – die Entstehung von Abgabedruck auf
die Aktionäre der Zielgesellschaft und sorgt dafür, dass nur solche Übernahmen
stattfinden, bei denen mindestens die Kontrollmehrheit von der Übernahme profitiert. Übernahmen, die nur durch den Abgabedruck überhaupt ermöglicht werden,
werden demgegenüber blockiert.
Diese Wirkungen ergeben sich im Übrigen unabhängig von den Mindestpreisregeln der Regulierung, sodass das zweistufige Verfahren bei Übernahmeangeboten
auch ohne diese Regeln einen recht wirkungsvollen Schutz gewährleisten und
deren Nachteile vermeiden würde. Hierauf wird im Rahmen des Schlusskapitels
noch einmal eingegangen.
313
314
Kapitel F
Modellvariation mit verlängerter Annahmefrist
G
Schlussbetrachtung
316
Kapitel G
Schlussbetrachtung
Schlussbetrachtung
317
Schlussbetrachtung
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Analyse von Wirkungen der Regulierung
von Übernahmevorgängen durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
auf die ökonomische Betroffenheit des Übernehmers und der Aktionäre der Zielgesellschaft. Wesentlicher Kern dieser Regulierung sind die Pflichtangebotsregelung sowie die Vorschriften zu Übernahmeangeboten, die dementsprechend im
Mittelpunkt dieser Arbeit standen. Den Schwerpunkt der Betrachtung bildete der
Schutz der Zielgesellschaftsaktionäre vor Vermögensverlusten durch die Übernahme. Die Gewährleistung dieses Schutzes wird vom Gesetzgeber als Hauptgrund für die Einführung der genannten Regeln angegeben.
Zunächst wurde in den Kapiteln B und C herausgearbeitet, welche Einschränkungen der Handlungsmöglichkeiten der betroffenen Personen durch die Regulierung
vorgenommen werden und worin die Motivation des Gesetzgebers für die Verabschiedung dieser Vorschriften zu sehen ist. Es zeigte sich, dass vor allem der Übernehmer durch das Gesetz sehr weitgehend in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt wird. Durch diese einseitige Beschränkung des Übernehmers ist das vom
Gesetzgeber propagierte (Neben-)Ziel, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der
Übernahmen weder erleichtert noch erschwert, schon im Ansatz in Frage gestellt.
Da derartige Beschränkungen der Handlungsfreiheit des Übernehmers für sich
betrachtet nur zu einer Erschwerung von Übernahmen führen können, müssten
dem zur Erreichung des genannten Ziels andere Regelungen entgegenstehen, die
diesen Effekt kompensieren können. Solche Regeln sind jedoch im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz nicht enthalten. Insbesondere das Verbot von Abwehrmaßnahmen durch den Vorstand der Zielgesellschaft kann eine solche Wirkung nicht entfalten, da es nach herrschender Meinung schon vor Inkrafttreten des
Gesetzes bestanden hat und durch die vielfältigen Ausnahmen, die das Gesetz nun
vorsieht, eher noch ausgehöhlt wird. Insofern konnte bereits an dieser Stelle der
Arbeit vermutet werden, dass der Bieter durch die Regulierung tendenziell
schlechter gestellt wird und Übernahmen dadurch erschwert werden. Es stellte
sich daher die Frage, ob diese einseitige Beschränkung des Übernehmers durch
den Schutz der Zielgesellschaftsaktionäre gerechtfertigt ist und diesen erreichen
kann.
Den Schwerpunkt der Untersuchung stellte eine modelltheoretische Analyse des
Übernahmevorgangs dar. Im Rahmen dieser Analyse wurde in Kapitel D zunächst
ein allgemeiner Modellrahmen entwickelt, der auf den Bewertungskalkülen der
handelnden Personen aufbaut. Innerhalb dieses Modells wurde dann in Kapitel E
die Regulierung in idealisierter Form untersucht. In Kapitel F erfolgte im Rahmen
einer Modellvariation eine Erweiterung der Untersuchung um die Wirkungen der
verlängerten Annahmefrist. Die Ergebnisse der Analysen wurden jeweils am Ende
dieser Kapitel zusammengefasst und umfassend gewürdigt. Insofern kann eine
317
318
Kapitel G
Schlussbetrachtung
ausführliche Wiederholung an dieser Stelle unterbleiben. Stattdessen sollen nur
einige Kernergebnisse thesenhaft formuliert werden. Stark verkürzt ergaben sich
im Grundmodell die folgenden Befunde:
•
Der Bieter wird durch die Regulierung grundsätzlich schlechter gestellt.
•
Die Aktionäre der Zielgesellschaft werden in einigen Fällen besser als ohne
Regulierung gestellt und in einigen Fällen schlechter.
•
Die Fälle, in denen die Aktionäre besser gestellt werden, decken sich nicht
genau mit den Fällen, in denen ein Schutzbedürfnis besteht. Einerseits erfolgt nicht immer, wenn ein Schutzbedürfnis besteht, eine Verbesserung,
andererseits erfolgt die Besserstellung (auf Kosten des Bieters) auch in Fällen, in denen gar kein Schutzbedürfnis besteht.
•
Die Gleichpreisregel führt zu einem systematischen „Überschießen“ des
Schutzes der Aktionäre der Zielgesellschaft.
•
Auch die Börsenpreisregel kann eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der Zielgesellschaftsaktionäre auslösen.
•
Beide Preisregeln können dazu führen, dass für alle Beteiligte vorteilhafte
Übernahmen verhindert werden.
Damit erwies sich die gesetzliche Regulierung nach den hergeleiteten Modellergebnissen als äußerst zweischneidiges Schwert.
Eine positivere Beurteilung ergab sich in Kapitel F hinsichtlich der Wirkungen der
verlängerten Annahmefrist:
•
Das durch die verlängerte Annahmefrist herbeigeführte zweistufige Verfahren ist – zumindest in der untersuchten Ausgestaltung mit Mindestquotenbedingung – in der Lage, den Druck von den Aktionären der Zielgesellschaft zu nehmen, ihre Aktien auch zu einem Preis unterhalb ihrer Werteinschätzung bei Unabhängigkeit abzugeben.
•
Dadurch ist gewährleistet, dass mindestens eine Anzahl Aktionäre im Umfang der Kontrollmehrheit aus der Transaktion einen Gewinn erzielen kann.
•
Übernahmen, die nur durch den Abgabedruck überhaupt möglich wären,
werden durch die Regelung blockiert.
•
Die Vorschrift entfaltet ihre Wirkungen nur im Ausbeutungsfall. Im Synergiefall hingegen, in dem gar kein Schutzbedürfnis besteht, entwickelt die
Regelung keine Wirkungen.
Schlussbetrachtung
319
Mit der Herleitung dieser Ergebnisse ist das Ziel dieser Arbeit eigentlich erreicht.
Es sollte lediglich die bestehende gesetzliche Regelung analysiert werden. Die
Erarbeitung eines Alternativvorschlags, der erkannte Schwächen vermeiden kann,
war ausdrücklich nicht Zielsetzung der Arbeit. Dennoch sollen zum Abschluss
aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen einige Ansatzpunkte für mögliche
Verbesserungen der gesetzlichen Regelung aufgezeigt werden. Diese können als
Anstoß für eine weitere wissenschaftliche Diskussion dienen.
Die herausgearbeiteten Schwächen der gesetzlichen Regulierung ergeben sich vor
allem auf Grund der Preisregeln. Wird hier auch die Notwendigkeit von Preisregeln für Pflichtangebote nicht grundsätzlich bestritten, so ist ihre Erforderlichkeit
für Übernahmeangebote dagegen äußerst fraglich. Die Notwendigkeit der Übertragung von Mindestpreisregeln für Pflichtangebote auch auf Übernahmeangebote
ergibt sich nämlich erst aus der gesetzlichen Konzeption, dass nach einem Übernahmeangebot kein Pflichtangebot mehr abgegeben werden muss. Insofern liegt
in der Absicht der Gewährung einer Ausstiegsoption im Rahmen der Konzernbildungskontrolle kein originärer Begründungsansatz. Die Begründung leitet sich
vielmehr daraus ab, dass das Übernahmeangebot zugleich die Aufgaben des
Pflichtangebotes mit übernehmen muss.
Eine originäre Begründung für Mindestpreisregeln bei Übernahmeangeboten
könnte sich allenfalls aus der beschriebenen Gefahr ergeben, dass die Aktionäre
sich auf Grund eines möglichen Abgabedrucks gezwungen sehen könnten, ihre
Aktien ggf. auch unter ihrer Werteinschätzung bei Unabhängigkeit zu verkaufen.
Wie allerdings in Kapitel F gezeigt wurde, würde dieser Druck bei einer generellen Pflichtangebotsregelung, bei der mindestens der gebotene Preis eines vorausgegangenen Übernahmeangebots zu gewähren ist, gar nicht erst entstehen. Auch
nach diesem Begründungsansatz ergibt sich eine Notwendigkeit von Mindestpreisregeln erst durch den Verzicht auf ein Pflichtangebot nach einem Übernahmeangebot. Durch die Befreiung verzichtet der Gesetzgeber zunächst auf die positive Wirkung eines nachgelagerten Pflichtangebots. Er führt sie allerdings
gleichzeitig in ähnlicher Form durch die verlängerte Annahmefrist bei Übernahmeangeboten wieder ein.
Würde man die Befreiung vom Pflichtangebot nach einem Übernahmeangebot
fallen lassen, so könnte man demgegenüber auf Preisregeln bei Übernahmeangeboten verzichten und die in Kapitel F herausgearbeiteten Vorzüge des zweistufigen Verfahrens würden zum Tragen kommen. Eine Übernahme könnte nur zu
einem Preis gelingen, der oberhalb der Werteinschätzung der Aktien bei Unabhängigkeit einer gesetzlich bestimmten Kontrollmehrheit liegt. Dieser Preis wird
nur von den Grenzpreisen der Aktionäre geprägt, wobei ein preismindernder Abgabedruck ausgeschlossen ist. Eine solche Preisbemessung erscheint im Rahmen
von Übernahmeangeboten weit besser geeignet zur Bestimmung der „angemessenen Gegenleistung“ als historische Durchschnittsbörsenkurse oder einzelnen Ak-
319
320
Kapitel G
Schlussbetrachtung
tionären gezahlte Vorerwerbspreise. Die Entscheidung über die Angemessenheit
des Preises läge dann allein in der Hand der Aktionäre. Die gesetzliche Regulierung könnte sich darauf beschränken, dass dem Aktionär die Entscheidung ohne
Druck und unter möglichst vollständiger Information ermöglicht wird.
Auch nach der geltenden Gesetzeslage wäre ein Verzicht auf Preisregeln bei Übernahmeangeboten möglich. Wie bereits mehrfach erwähnt, wird auch durch die
verlängerte Annahmefrist ein zweistufiges Angebotsverfahren eingeführt und damit eine ähnliche Wirkung erzielt wie mit einem generellen Pflichtangebot. Es
müsste allerdings sichergestellt werden, dass es nur dann zu einer zweiten Runde
kommt, wenn die Übernahme in der ersten Runde gelungen ist. Ansonsten könnte
es in der zweiten Runde zum beschriebenen Abgabedruck kommen.
Problematisch an beiden Lösungen ist, dass die Kontrollschwelle mit einer zweifachen Funktion belegt wird. Grundsätzlich dient eine Kontrollquote, egal ob gesetzlich fixiert oder durch eine Mindestquote individuell vom Bieter festgelegt,
nur der Quantifizierung der für eine Übernahme notwendigen Kontrollintensität.
In den obigen Vorschlägen wird ihr aber zusätzlich die Funktion der Bestimmung
des angemessenen Mindestpreises auferlegt. Die Quote bestimmt nämlich in beiden Vorschlägen das Argument der Bewertungsfunktion, die zur Bemessung des
Mindestpreises herangezogen wird. Es ist jedoch fraglich, ob beide Funktionen
mit der gleichen Quote sachgerecht erfüllt werden können. Man könnte argumentieren, dass der Anteil der Aktionäre, für die der gebotene Preis im Ausbeutungsfall ihren Wert bei Unabhängigkeit übersteigt, höher liegen sollte als die Kontrollquote. Bei einer Kontrollquote von 30 % könnten im Extremfall 70 % der Aktionäre den gebotenen Preis für nicht angemessen halten, die Übernahme könnte aber
trotzdem gelingen. Abhilfe bei diesem Problem würde eine obligatorische Mindestquotenbedingung mit gesetzlich festgelegter Höhe schaffen, die vom Übernehmer fakultativ noch angehoben werden kann. Denkbar wäre z.B. eine Mindestquotenbedingung von wenigstens 50 % bei Übernahmeangeboten zwingend
vorzuschreiben. Dadurch wäre in Anlehnung an das im Aktienrecht vorherrschende Mehrheitsprinzip sichergestellt, dass die absolute Mehrheit der Aktionäre den
Preis für angemessen hält und die Übernahme befürwortet. Zudem würde bei der
Lösung durch die verlängerte Annahmefrist gewährleistet, dass es wie oben gefordert nur dann zu einer zweiten Runde kommt, wenn die Übernahme in der ersten Runde gelungen ist. Die Konsequenz dieses Vorschlags wäre allerdings, dass
Übernahmen mittels öffentlichen Angebots dann nicht mehr durch Kauf von weniger als 50 % der Aktien möglich wären. Mag man dies im Ausbeutungsfall
noch für sachgerecht halten, ergäben sich, wenn der Bieter im Synergiefall ohne
diese obligatorische Mindestquotenbedingung eine individuelle Kontrollquote von
weniger als 50 % angestrebt hätte, wieder unerwünschte Mengen- und Preiseffekte, die potentielle Übernahmegewinne vom Bieter zu den in diesem Fall nicht
schutzbedürftigen Aktionären umverteilen würden. Dennoch erscheint dieser
Schlussbetrachtung
321
Nachteil insgesamt eher hinnehmbar als diejenigen, die durch die undifferenzierten gesetzlichen Preisregeln entstehen.
Bei Pflichtangeboten nach einem Kontrollerwerb durch Börsen- oder Paketkäufe
ist dagegen einzusehen, dass eine Mindestpreisregelung grundsätzlich notwendig
ist, um die Vorschrift nicht durch einen beliebig niedrig festgesetzten Preis ins
Leere laufen zu lassen. Wie gezeigt wurde, sind jedoch weder die Gleichpreisregel
noch die Börsenpreisregel in der Lage, diesen Mindestpreis in sachgerechter Weise festzulegen. Insbesondere die Gleichpreisregel ist nach den gewonnenen Erkenntnissen strikt abzulehnen und sollte vollständig aufgegeben werden. Auch
eine Lockerung derart, dass bestimmte prozentuale Abschläge auf gezahlte Paketpreise zugelassen werden, wie noch im Referentenentwurf des Gesetzes vorgesehen, würden die durch die Regelung hervorgerufenen unbilligen Ergebnisse nur
abmildern, aber nicht beseitigen. Auch der durchschnittliche Börsenpreis kann aus
den dargelegten Gründen allenfalls einen groben Anhalt für einen angemessenen
Preis bieten. Mangels eines besseren Kriteriums sollte die Regel jedoch zunächst
beibehalten werden. Es sollten allerdings in begründeten Ausnahmefällen Befreiungen von der Regel durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
ermöglicht werden. Zu untersuchen wäre die Frage, ob in solchen Fällen eine gutachterliche Bewertung, wie sie etwa bei Abfindungen nach konzernrechtlichen
Vorschriften durchgeführt wird, ggf. zu besseren Ergebnissen führen kann.
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Diskussion um die Regulierung
von Übernahmen und öffentlichen Angeboten in Deutschland auch nach Verabschiedung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes keineswegs als abgeschlossen angesehen werden kann.
321
322
Kapitel G
Schlussbetrachtung
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Börsengesetz (BörsG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.7.2002
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Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom
2.1.2002 (BGBl. 2002 I, S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I, S. 738), zuletzt geändert
durch BverfGE – 1 BvR1493/96, 1 BvR 1724/01 vom 9.4.2003 (BGBl 2003 I,
S. 737).
Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.5.1897 (RGBl 1897, S. 219), zuletzt geändert
durch Art. 5 Drittes Gewerberechts-ÄndG vom 24.8.2002 (BGBl 2002 I, S. 3412).
Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung
zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-VO) vom
27.12.2001 (BGBl. 2002 I, S. 4263), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 Erste
FinDAG-BezeichnungsanpassungsVO vom 29.4.2002 (BGBl. 2002 I, S. 1495).
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom
9.9.1998 (BGBl. 1998 I, S. 2708), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom
23.7.2002 (BGBl. 2002 I, S. 2778).
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vom 20.12.2001 (BGBl.
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(BGBl. 2002, S. 2850).
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