S. Schmidt-Hofner: Das klassische Griechenland - H-Net

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Sebastian Schmidt-Hofner. Das klassische Griechenland: Der Krieg und die Freiheit.
München: C.H. Beck Verlag, 2016. 368 S. (broschiert), ISBN 978-3-406-67915-5.
Reviewed by Maria Osmers
Published on H-Soz-u-Kult (February, 2017)
S. Schmidt-Hofner: Das klassische Griechenland
lierten Ausführungen nicht, da Hinweise auf die Besonderheiten der Polisstruktur oder die Verhältnisse in Hellas weitgehend fehlen. Neben der Wiedergabe der Ereignisse in Kleinasien sowie der Schlachtverläufe im griechischen Mutterland betont Schmidt-Hofner die retrospektive Deutung der Kriege durch die Griechen und arbeitet so deren Bedeutung für die Zeitgenossen sowie deren
Auswirkungen auf Hellas heraus. Besonders eindrücklich
demonstriert er dies an der Entwicklung des Gegensatzes
zwischen Ost und West, der noch heute das Orientbild“
”
prägt. Abschließend gelingt es Schmidt-Hofner durch einen Blick auf Sizilien, die Omnipräsenz des Motivs der
Freiheitskriege aufzuzeigen und neben athenischen Deutungsmustern alternative Erzählungen vorzustellen.
Das vorliegende Werk zum klassischen Griechenland von Sebastian Schmidt-Hofner komplettiert die von
C.H. Beck herausgegebene sechsbändige Geschichte der
Antike. Ziel der Reihe ist es, einem breiten Publikum
einen Überblick über die verschiedenen Epochen der
griechisch-römischen Antike zu vermitteln und bedeutende Entwicklungen und Wesensmerkmale der jeweiligen Zeit herauszuarbeiten. In seinem Band zur klassischen Epoche präsentiert Schmidt-Hofner die wichtigsten Ereignisse und Strukturen in Hellas von den Perserkriegen bis zum Tode Alexanders des Großen und integriert dabei auch jüngere Forschungsergebnisse in seine
Darstellung.
Dies zeigt sich in der Einleitung, in der SchmidtHofner ausgehend von Lysias‘ Gefallenenrede prägende
Elemente der klassischen Zeit identifiziert: So nennt er
einerseits – wie auch im Untertitel deutlich wird – Krieg
und Freiheit als Charakteristika dieser Epoche. Andererseits betont Schmidt-Hofner im Sinne der jüngeren Forschung, dass Geschichte in den antiken Gemeinschaften
immer als Argument fungierte und die Bilder der Vergangenheit hinterfragt werden müssen. Des Weiteren möchte er die athenozentrische Perspektive nach Möglichkeit
durchbrechen und auch Akteure jenseits von Athen und
”
Sparta“ in den Blick nehmen.
Im zweiten Kapitel zeichnet Schmidt-Hofner strukturelle Entwicklungen in Hellas im 5. Jahrhundert nach.
Überzeugend zeigt der Autor, wie der Seebund gegründet und schließlich zu einem Machtinstrument Athens
umgewandelt wurde, und demonstriert zugleich, welche
Strategien die Athener anwandten, um ihren Führungsanspruch zu legitimieren. Daneben verweist er auf die
enormen Auswirkungen auf Athen und leitet so zum
nächsten Abschnitt über, in dem er sich mit der Demokratie beschäftigt. Schmidt-Hofner hält seine einführende Beschreibung dabei sehr allgemein, so dass die Spezifika der Volksherrschaft schemenhaft bleiben. GelunDas erste Kapitel widmet sich den Perserkriegen.
gen sind jedoch die Ausführungen zur athenischen VerAuffällig ist der Umfang, in dem Schmidt-Hofner die
fassung: Hier schafft es Schmidt-Hofner, EntwicklungsliStrukturen und die Entstehungsgeschichte des Perserrei- nien und Besonderheiten der attischen Demokratie aufches beschreibt. Sicher kommt die persische Sicht auf die zuzeigen und mit dem Selbstbild der Athener und ZeugEreignisse in Einführungen häufig zu kurz und es stellt nissen der Zeit ins Verhältnis zu setzen. In einem kurzen
eine Stärke des Kapitels dar, dass das griechische Narrativ Abschnitt widmet er sich anschließend Sparta, wobei er
durch einen Perspektivwechsel immer wieder korrigiert
die Rückwärtsgewandtheit und den dazugehörigen Bewird. Allerdings erschließt sich die Relevanz der detailzug auf Lykurg gerade im 5. Jahrhundert v.Chr. betont.
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Einen wichtigen Grund für die Ausprägung dieser spezifischen Ordnung sieht Schmidt-Hofner dabei in der Helotenfurcht der Spartaner.
ens und dessen Auswirkungen auf Hellas. Überzeugend
stellt Schmidt-Hofner dar, dass die Expansion Philipps II.
keineswegs lange geplant war, sondern diesem vornehmlich dazu diente, seine Stellung zu sichern, da er hier die
ökonomischen Ressourcen gewinnen und sich als siegreicher Herrscher bewähren konnte. Dass der makedonische König am Ende triumphierte und so die Zeit der
Polis als bestimmender Größe im griechischen Raum endete, führt Schmidt-Hofner auf überlegtes Handeln Philipps und ebenso auf die Zerstrittenheit der Griechen sowie die Schwäche Athens aufgrund des Bundesgenossenkrieges zurück. Thesen der früheren Forschung, welche eine strukturelle und politische Erschöpfung der Poleis als Ursache benannten, widerlegt er. Die milde Behandlung Athens nach Chaironeia führt der Autor darauf
zurück, dass Philipp für seine Feldzüge nach Osten, seinen Freiheitskrieg“, auf die athenische Flotte angewie”
sen war. Daher konnte Athen nach Schmidt-Hofner unter Eubulos und Lykurg eine kulturelle Blüte erleben, bis
schließlich der letzte Freiheitskrieg“ der Griechen gegen
”
die Makedonen 322 in einer Niederlage endete. In einem
abschließenden Epilog verweist Schmidt-Hofner auf die
Schwierigkeiten des Begriffs der Klassik und betont, dass
diese Epoche auch eine andere Seite hatte. Daran schließen sich thematisch gegliederte und kommentierte Literaturhinweise sowie ein Auswahlregister und eine Zeittafel an.
An diese Problematik schließt das folgende Kapitel an. Schmidt-Hofner identifiziert den Helotenaufstand von 462 v.Chr. als Ausgangspunkt des athenischspartanischen Dualismus, der zum Peloponnesischen
Krieg führte. Bei der Darstellung des Kriegsverlaufs folgt
er der thukydideischen Deutung: Er zeichnet zunächst
den Archidamischen Krieg nach, dann die Zeit nach dem
Nikias-Frieden, die er etwas schief als Phase eines Kal”
ten Krieges“ bezeichnet. Anschließend widmet er sich
dem dekeleisch-ionischen Krieg. Ähnlich wie Thukydides unterstreicht Schmidt-Hofner die Größe des Krieges,
deren Auswirkungen durch die Zunahme von Unruhen
und Gewalt in ganz Hellas spürbar waren. An anderen
Stellen bricht Schmidt-Hofner treffend mit thukydideischen Interpretationen, etwa bezüglich der Bedeutung
Korinths für den Kriegsausbruch. Lesenswert sind insbesondere die Passagen, in denen der Autor durch Verweise
auf Dramen oder Vorgänge wie den Hermenfrevel einen
Eindruck von der wechselhaften Stimmung und den Problemen in Athen vermittelt.
Anschließend betrachtet Schmidt-Hofner die Zeit bis
zum Aufstieg Makedoniens. Hier werden trotz der etwas irreführenden Kapitelüberschrift Agon ohne Aus”
weg“ neben den kriegerischen Auseinandersetzungen
und Kämpfen um die Hegemonie auch wichtige Veränderungen und Neuerungen vorgestellt, die zu Beginn des 4.
Jahrhunderts aufkamen: So verweist Schmidt-Hofner auf
den Innovationsgehalt der Idee eines allgemeinen Friedens, betont aber, welche Probleme dessen Durchsetzung
mit sich brachte. Ebenso benennt er strukturelle Probleme in Sparta, die er als Grund für das Scheitern als
Führungsmacht identifiziert, und präsentiert neue Akteure im Ringen um die Vorherrschaft. Daneben widmet Schmidt-Hofner sich neuen oder nun gehäuft auftretenden Phänomenen wie den bundesstaatlichen Gebilden, dem Söldnerwesen oder der Tyrannis. Auch Athen
reagierte auf überstandene Krisen mit institutionellen
und ideologischen Anpassungen, die den außenpolitischen Wiederaufstieg sowie gesellschaftliche Veränderungen anstießen. Auf die trotz oder gerade wegen dieser Innovationen voranschreitende politische Destabilisierung in Hellas reagierten nach Schmidt-Hofner Zeitgenossen, indem sie ihrer Gegenwart ideologische Konzepte wie den Panhellenismus oder idealisierte politische
Verfassungsentwürfen entgegensetzten.
Natürlich finden sich in dem vorliegenden Werk wie
in jeder Einführung Punkte, die man mit dem Autor diskutieren oder kürzer oder umfangreicher abgehandelt
haben möchte. Beispielsweise fragt man sich, ob die Angabe von Betonungen bei der ersten Nennung von Namen in Fällen wie Heraklés oder Aristotéles wirklich
sinnvoll ist. Hinzu kommt, dass die Erstnennungen sowohl aufgrund der abweichende Schreibweise teilweise
im Register fehlen. Insgesamt aber bietet das Buch durch
seine quellennahe Darstellung eine inspirierende Lektüre; viele Überlegungen Schmidt-Hofners regen den Leser
zum Weiterdenken an. Gerade mit den athenischen Verhältnissen des 5. Jahrhunderts v.Chr. ist der Autor gut
vertraut, so dass die Passagen zur attischen Geschichte überzeugen und viele innovative Deutungen bieten.
Er präsentiert hier überdies Motive wie die Bezugnahme auf Triptolemos, die bisher nur wenig bekannt waren. Allerdings führt die ausführliche Auseinandersetzung mit der attischen Polis dazu, dass die Geschichte
Athens das Buch dominiert; nur selten wird die athenozentrische Perspektive etwa durch den Blick auf Sizilien durchbrochen, Sparta und die Verhältnisse auf der Peloponnes bleiben unscharf. Durch wiederholte Verweise
Das letzte Kapitel beschreibt den Aufstieg Makedoni-
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auf seine zentralen Motive Krieg“ und Freiheit“ gelingt
”
”
es Schmidt-Hofner, einen roten Faden für sein gesamtes Werk zu schaffen. Jedoch führt die Auswahl dieser
Motive dazu, dass andere Charakteristika der Zeit, beispielsweise friedensstiftende oder verbindende Elemente in der Außenpolitik, weitgehend ausgeklammert werden Olympia etwa taucht nicht einmal im Register auf;
entsprechend der Schwerpunktsetzung fehlen im Literaturverzeichnis auch Hinweise auf Werke zur griechi-
schen Bündnispolitik im 5. Jahrhundert v.Chr., beispielsweise Ernst Baltrusch, Symmachie und Spondai. Untersuchungen zum griechischen Völkerrecht der archaischen
und klassischen Zeit (8.–5. Jahrhundert v.Chr.), Berlin
1994. oder wie Innovationen und strukturelle Neuerungen quer zum Narrativ stehen. Trotz dieser Hinweise ist
es Schmidt-Hofner gelungen, ein gut lesbares und klar
strukturiertes Werk vorzulegen, das eigene Akzente setzt
und neuen Forschungsergebnissen Raum gibt.
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Citation: Maria Osmers. Review of Schmidt-Hofner, Sebastian, Das klassische Griechenland: Der Krieg und die Freiheit.
H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. February, 2017.
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