UFOPLAN-Vorhaben FKZ 371295303 THEMENBLOCK A: UMWELTBEZOGENE ANALYSE UND BEWERTUNGSMETHODEN EINDIMENSIONALE METHODEN CARBON FOOTPRINT, WATER FOOTPRINT UND KUMULIERTER ENERGIEAUFWAND (KEA) Impressum Lehrmaterial für die Lehrmodule Ecodesign Erstellt im Auftrag des Umweltbundesamtes im Rahmen des UFOPLAN-Vorhabens FKZ 371295303 Autoren/innen: Dirk Jepsen, Susanne Volz, Antonia Reihlen, Dr. Olaf Wirth, Dr. Annette Vollmer & Laura Spengler ÖKOPOL Institut für Ökologie und Politik GmbH Nernstweg 32–34 D – 22765 Hamburg www.oekopol.de +49-(0)40-39 100 2 0 Dr. Ulrike Eberle sustainability workx c/o Anke Butscher Consult Burchardstraße 19 20095 Hamburg www.sustainability-workx.de +49-(0)40-398084-76 Prof. Dr. Norbert Reintjes Fachhochschule Lübeck Projekt GmbH Mönkhofer Weg 239 23562 Lübeck www.fhl-projekt-gmbh.de +49-(0)451 300 5241 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG ............................................................................................................. 4 2 PRODUCT CARBON FOOTPRINT (PCF)................................................................. 5 3 WATER FOOTPRINT ................................................................................................ 7 3.1 Wasserknappheitsindikatoren ...................................................................... 8 3.2 Einige Water Footprint-Methoden................................................................. 9 3.2.1 Water Footprint nach Hoekstra et al. (2011) .................................................... 9 3.2.2 Freshwater Ecosystem Impact und Freshwater Depletion nach Milà i Canals et al. (2009) ...................................................................................................... 9 3.2.3 Water Deprivation nach Pfister et al. (2009) .................................................. 10 3.3 Zusammenfassung ...................................................................................... 11 4 DER KUMULIERTE ENERGIEVERBRAUCH (KEA) .............................................. 12 4.1 Die Definition des KEA ................................................................................ 12 4.2 Die Berechnung des KEA ............................................................................ 12 4.3 Der Nutzen des KEA .................................................................................... 13 LITERATUR.................................................................................................................... 15 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Google Earth mit von Pfister et al entwickeltem Layer zur Darstellung globaler Wasserknappheitsverhältnisse 11 3 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. 1 EINLEITUNG Anders als bei der Analyse mit mehrdimensionalen Bewertungsinstrumenten, wie zum Beispiel der Ökobilanz (s. Themenpapier A2 Ökobilanz), wird mithilfe der eindimensionalen Bewertungskennzahlen – wie der Name schon sagt – die Umweltwirkung eines Produktes lediglich anhand einer einzelnen Kennzahl in nur einem Umweltwirkungsbereich analysiert. Ebenso wie die mehrdimensionale Betrachtung ihre Vorzüge und Einsatzfelder hat, kann auch die eindimensionale Bewertung wertvolle Ergebnisse liefern. Darüber hinaus eignen sich manche der eindimensionalen Bewertungsmethoden gut zur Positionierung des Produktes im Markt. In diesem Dokument wird der in der Zwischenzeit auch in der öffentlichen Wahrnehmung recht bekannte Product Carbon Footprint (PCF), der noch nicht ganz so bekannte, deswegen jedoch nicht weniger wichtige Water Footprint (WF) sowie der vor allem für das interne Controlling verwendete Kumulierte Energieaufwand (KEA) dargestellt. Bei allen drei Kategorien handelt es sich (trotz deren wohlklingender Bezeichnungen) um wenig anderes als nackte Controlling-Kennzahlen, die zur Bewertung eines Produktes in der entsprechenden Kategorie herangezogen werden können. Beim Product Carbon Footprint zum Beispiel handelt es sich um nichts anderes als um die Kategorie Global Warming Potential (GWP) bzw. „Klimawirkung“ eines Produktes aus der weniger populären Ökobilanz.1 Die bildhafte Bezeichnung als Product Carbon Footprint in Verbindung mit der eingängigen Abkürzung PCF ist allerdings eine Steilvorlage für jeden Graphikdesigner – wodurch eine langweilige Kennzahl zu einem geeigneten Kommunikationsmittel wird. Über die Eignung als Marketingtool darf jedoch nicht der Informationsgehalt dieser Kennzahlen übersehen werden. Sowohl beim Product Carbon Footprint (PCF), beim Product Water Footprint (PWF) als auch beim Kumulierten Energieaufwand (KEA) handelt es sich daher um Kennzahlen, die in vielen Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit zu den so genannten Key Performance Indicators (KPI), also den wesentlichen Indikatoren, gehören. 1 Die Berechnungsmethodik des Product Carbon Footprint bzw. des Global Warming Potential wird im Themenpapier A2 Ökobilanz eingehend erläutert und daher an dieser Stelle nicht wiederholt. 4 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. 2 PRODUCT CARBON FOOTPRINT (PCF) Der Product Carbon Footprint (PCF) ist ein Indikator, der die anthropogen verursachten Treibhausgasemissionen eines Produktes über dessen gesamten Lebensweg aufsummiert und dadurch die Klimawirkung dieses Produktes quantifiziert. Zu den Treibhausgasen zählen u.a. Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) sowie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) oder Schwefelhexaflourid (SF6) (s. Themenpapier A1 Klimawandel). Die einzelnen Treibhausgase entfalten in der Atmosphäre unterschiedliche Schadwirkung. Zur Vereinfachung werden daher die Effekte der Gase in der Atmosphäre bezüglich der Klimawirkung auf die Bezugsgröße Kohlendioxid umgerechnet und in CO2Äquivalenten ausgedrückt.2 Eine Tonne Methan hat im Zeitraum von 100 Jahren die Umweltauswirkung von rund 25 Tonnen Kohlendioxid. Die Wirkungen werden für die Wirkungskategorie addiert: Eine Tonne Kohlendioxid plus eine Tonne Methan entfalten zusammen die Umweltauswirkung von 26 Tonnen CO2-Äquivalenten. Der PCF drückt die Wirkung eines Produktes in der Wirkungskategorie Klimawandel aus. Da der Klimawandel zweifellos eines der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit ist (s. Themenpapier A1 Klimawandel), ist die (unternehmensinterne) Transparenz über die Emission produktbezogener Treibhausgase eine wertvolle Information. Durch die Reduzierung auf diese Wirkungskategorie kann jedoch die Verschiebung der Problematik in einen anderen Umweltwirkungsbereich nicht überblickt werden. So könnte beispielsweise eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch eine erhöhte euthrophierende Wirkung „erkauft“ werden. Daher liegt der Nutzen des PCF weniger im ermittelten Ergebnis selbst (kg CO2-Äq. pro Produkt), sondern in der Erfassung und Sichtbarmachung der Einzelbeiträge über den Lebensweg des Produktes. Im Themenpapier A1 Klimawandel wurden die anthropogenen Quellen der Treibhausgasemissionen bereits erläutert: Ursache sind vor allem Verbrennung fossiler Rohstoffe (Energiegewinnung, Transport etc.), Intensivland- und -forstwirtschaft (Übernutzung von Böden, Massentierhaltung, Abholzung) sowie mikrobielle Prozesse unter sauerstoffarmen Bedingungen (Mülldeponien etc.). Es ist davon auszugehen, dass bei einem Großteil der industriell gefertigten Produkte der Energieeinsatz den größten Anteil am Endergebnis haben dürfte, vermutlich gefolgt von Transporten. In diesem Fall hilft ein PCF, Einsparpotenziale aufzudecken. Die Treibhausemissionen können jedoch auch an anderer Stelle verursacht werden, was durch die Berechnung eines PCF offensichtlich würde. Der PCF kann Unternehmen also dabei unterstützen, klimaverträglicher zu produzieren. 2 Zur Methodik s. Themenpapier A2 Ökobilanz. 5 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Gleichzeitig jedoch sehen sich die Nutzer und Verfechter des PCF einer intensiv geführten Debatte gegenüber: Mit Hilfe des Indikators PCF können positive oder negative Abweichungen durch Reduktionsmaßnahmen bezogen auf die Klimawirkung eines Produktes kenntlich gemacht werden – nicht ersichtlich werden jedoch Verlagerungen in andere Umweltbereiche. Durch die verbesserte Reinigungskraft moderner Waschmittel kann Wäsche bei reduzierter Temperatur gewaschen werden. Dadurch wird Energie gespart, was sich eindeutig in einer Verbesserung des PCF niederschlägt. Eine Hochrechnung der Einsparung an Treibhausgasen bezogen auf alle Haushalte in Deutschland in einem Jahr kann diesen positiven Effekt nur bestätigen. Nicht berücksichtigt wird dabei der Effekt auf andere Umweltbereiche, wie Ressourcen. Bezogen auf den Verbrauch fossiler Energien kann (auch ohne konkrete Berechnung) davon ausgegangen werden, dass auch hier eine Einsparung und damit ein positiver Effekt eintritt. Unklar ist jedoch bei ausschließlicher Betrachtung des PCF die Auswirkung z.B. auf Gewässer oder Lebewesen. Werden im Waschmittel bestimmte Chemikalien nun einfach in einer höheren Konzentration verwendet? Wurden zunächst harmlose Inhaltsstoffe unerkannt durch gefährliche Stoffe ersetzt? Auch wenn die Bekämpfung des Klimawandels eine wichtige Aufgabe ist, darf sie doch nicht auf Kosten anderer Ressourcen geführt werden. Die Nichtberücksichtigung der Verlagerung in andere Umweltwirkungsbereiche ist daher ein ernstzunehmender Einwand gegen die ausschließliche Betrachtung des PCF. Dies ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn unterschiedliche Systeme miteinander verglichen werden sollen. Bei der Frage, ob HDPE oder LLDPE der aus Umweltsicht zu bevorzugende Kunststoff ist, kann der PCF durchaus als Leitindikator dienen. Sowohl die Rohstoffe als auch die Herstellungsverfahren beider Materialien sind in den wesentlichen Faktoren weitestgehend identisch. Unterschiede entstehen vor allem in der benötigten Energiemenge und vernachlässigbaren Differenzen in den Zusatzstoffen. Bei der Abwägung zwischen Glas, Metall oder Kunststoff als Werkstoff werden völlig unterschiedliche Systeme verglichen. Rohstoff, Rohstoffgewinnung, Verarbeitung, Zusatzstoffe, Entsorgung etc. sind so unterschiedlich, dass es fährlässig wäre, die Frage des bevorzugten Werkstoffes ausschließlich an dessen Klimawirkung festzumachen. Häufig kann bei einem Produkt vorhergesehen werden, ob der Product Carbon Footprint als sogenannter Leitindikator gelten kann oder nicht. Das bedeutet, dass sich andere Wirkungskategorien gleich dem PCF ebenfalls positiv oder negativ verändern. Kann es nicht gleich zu Beginn abgeschätzt werden, kann ggf. eine Screening LCA (s. Themenpapier A2 Ökobilanz) Aufschluss darüber geben. Insgesamt gilt: der PCF ist ein wertvolles Instrument zur Ermittlung der Klimawirkung – Achtung: nicht Umweltwirkung! – eines Produktes. Aussagekräftig und Basis für Handlungsempfehlungen sind vor allem die 6 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Analyseergebnisse der Einzelbeiträge im Verlauf des Produktlebenszyklus. Wirklich interessant ist das Endergebnis des PCF erst im Vergleich. 3 WATER FOOTPRINT Wasser ist eine wertvolle Ressource, die durch Überbeanspruchung und Verunreinigung in vielen Regionen gefährdet ist. Ausführliche Erläuterungen hierzu sind im Themenpapier Entnahme und Nutzung von Wasser zu finden. In vielen Verarbeitungsschritten entlang des Lebensweges eines Produktes wird Wasser benötigt. Dieser Lebensweg umfasst nicht nur die direkten Bearbeitungsschritte am Produkt, sondern auch alle Vorketten der Hilfsmittel. Um diesen Wasserverbrauch entlang des Lebensweges zu analysieren, werden Water Footprints erstellt. Wie schon in den Erläuterungen zu Ökobilanzen (s. Themenpapier A2 Ökobilanz) beschrieben, gehört die Bewertung von Wasserverbräuchen zu den komplexeren Kennzahlen. Bei diesem Umweltindikator sind sowohl die geographischen und klimatischen Bedingungen am Ort der Wasserentnahme als auch die Art des „Verbrauches“ zentral. Bei den meisten anderen Indikatoren wird derzeit3 die emittierte oder verbrauchte Menge eines Stoffes mit einem einzigen Charakterisierungsfaktor multipliziert. Hierbei wird nicht betrachtet, wo der Stoff emittiert wird oder auf welche Weise. Da es viele mögliche Definitionen von „Wasserverbrauch“ und noch mehr unterschiedliche Ansätze gibt, diese verwendeten Wassermengen zu bewerten, gibt es auch eine Vielfalt von Methoden um Wasserkennzahlen zu bestimmen. Diese lassen sich unter dem Begriff Water Footprint zusammenfassen. In den einzelnen Methoden können die Namen abweichen (Freshwater Depletion, Freshwater Ecosystem Impact, Water Deprivation u.a.m.). Was ist der „Verbrauch“ von Wasser? In den meisten Prozessen wird das Wasser nicht wirklich verbraucht (Wasserelektrolyse ist eine Ausnahme). Es wird aus einem Wasserreservoir entnommen (Grundwasser, Fluss, See etc.) und dann erwärmt, verunreinigt, umgeleitet, verdampft oder verdunstet. Das Wasser wird also nur mit ev. veränderten Eigenschaften an anderer Stelle wieder in den Wasserkreislauf zurückgegeben. Neben der unterschiedlichen Definition des „Verbrauches“ von Wasser werden in einigen Fällen auch Regenwasser und Bodenfeuchte (green water) in die Bilanz einbezogen, andere Methoden betrachten nur das Oberflächen- (Flüsse, Seen) und Grundwasser. Diese werden häufig zusammenfassend als blue water bezeichnet. Auch wird bei einigen Ansätzen die Verunreinigung von 3 Auch für viele andere Indikatoren ist der Ort der Emission bze. Entnahme entscheidend. Es gibt bereits Ansätze eine regionalisierte Bewertung auch für andere Indikatoren einzuführen (vgl.z.B. http://www.impactworldplus.org/). In der breiten Masse haben sich derartige Bewertungsmethoden jedoch noch nicht durchgesetzt. 7 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Süßwasser mit eingerechnet. Meerwasser wird in keiner der bekannten Water Footprint-Methoden in die Betrachtung einbezogen. In Fällen, in denen das Meerwasser verschmutzt wird, spiegelt sich diese Verunreinigung in Umweltindikatoren, wie z.B. die marine aquatic ecotoxicity4 der CML-Methode (Methode des Centrum voor Milieukunde in Leiden), wider. Wasser ist ein wertvolles Gut, das je nach Region unterschiedlich knapp ist (s. Themenpapier Entnahme und Nutzung von Wasser). Die Wirkung der Entnahme von einem Kubikmeter Wasser aus unterschiedlichen Reservoiren wirkt sich je nach geographischer und/oder klimatischer Gegebenheit ganz verschieden aus. In vielen Methoden werden zur regional unterschiedlichen Bewertung von verbrauchten Wassermengen Wasserknappheitsindikatoren (vgl. Abschnitt 3.1) eingesetzt. 3.1 Wasserknappheitsindikatoren Ob Wasser ein knappes Gut ist, hängt neben der bloßen Menge des verfügbaren Wassers von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. Wichtige weitere Einflussfaktoren sind: • • • • • die Regenerationsfähigkeit eines Reservoirs, der theoretische menschliche Wasserbedarf in Verbindung mit der Bevölkerungsdichte, der Wasserbedarf der Umwelt, jahreszeitliche Schwankungen, soziale und ökonomische Faktoren. Wenn aus einer Region ausreichend Daten zu den Einflussfaktoren bekannt sind, lässt sich daraus eine Kennzahl für die Wasserknappheit/ Wasserverfügbarkeit dieser Region herleiten: der Wasserknappheitsindikator. Es gibt eine Vielzahl von Wasserknappheitsindikatoren (engl. water scarcity indices). Diese beziehen jeweils eine unterschiedliche Auswahl der oben genannten Einflussfaktoren in die Berechnung mit ein. Viele von diesen Indikatoren wurden nicht für die Berechnung von Water Footprints entwickelt, sondern haben ihren Ursprung in Institutionen und Studien, die sich mit der weltweiten Wasserversorgung im Allgemeinen beschäftigen. Andere wiederum sind speziell im Zusammenhang mit Water Footprint-Methoden entstanden. Einige Wasserknappheitsindikatoren sind unter unterschiedlichen Namen veröffentlicht, auch wenn sie der gleichen Berechnungsvorschrift folgen. Manche scheinbar gleiche Berechnungsvorschriften unterscheiden sich jedoch in leicht zu übersehenden Details. So kann z.B. in einem Fall die aus einem Reservoir entnommene Menge Wasser gemeint sein und in einem anderen die verbrauchte (wobei die Definition von Verbrauch fehlen kann). Bei der Verwendung eines Wasserknappheitsindikators ist es also wichtig, Daten aus einer konsistenten Quelle zu nutzen. Wichtige Wasserknappheitsindikatoren sind der Wasserknappheitsindikator nach Falkenmark und die Critical Ratio. 4 Aquatische Ökotoxizität der Meere. 8 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Diese Wasserknappheitsindikatoren können für unterschiedlich große Regionen berechnet werden. In einigen Übersichten wird ein landesspezifischer Wert angegeben. Viele Länder, so auch Deutschland, haben regional sehr unterschiedliche Verhältnisse bezüglich ihrer Wasserverfügbarkeit. Daher ist es, wenn man die Wahl hat, immer besser einen lokalen Wert zu verwenden. Häufig fehlt jedoch die Datengrundlage für derart genaue Analysen. 3.2 Einige Water Footprint-Methoden Es gibt noch keine harmonisierte Methode für die Berechnung eines Water Footprints. In den bisher veröffentlichen Water Footprint-Studien wurden in einigen Fällen mehrere Methoden verwendet und diese nebeneinander gestellt, in Anderen wurde nur eine Methode verwendet. Einige der derzeit wichtigen Methoden werden in den folgenden Abschnitten kurz erläutert. 3.2.1 Water Footprint nach Hoekstra et al. (2011) Eine Methode, bei der drei einzelne Footprints zu Einem addiert werden. Diese drei sind: • • • der Blue Water Footprint = Grund- und Oberflächenwasser ohne Gewichtung der Green Water Footprint = Regenwasser & Bodenfeuchte ohne Gewichtung und der Grey Water Footprint = Wasservolumen, das gebraucht wird um die eingetragene Schadstoffmenge bis zum natürlichen Hintergrund bzw. bis zu einem gegebenen Grenzwert zu verdünnen. Die Summe ergibt den Water Footprint in Litern. In dieser Methode werden keine Wasserknappheitsindikatoren in den Water Footprint eingerechnet. Diese werden jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse mit einbezogen. 3.2.2 Freshwater Ecosystem Impact und Freshwater Depletion nach Milà i Canals et al. 2009 Die verbrauchte Wassermenge (Grund- und Oberflächenwasser) wird bei dieser Methode mit einem Wasserknappheitsindikator (eigene Wahl!) multipliziert und damit die Kennzahl Freshwater Ecosystem Impact berechnet. Um die Freshwater Depletion zu berechnen wird die verbrauchte Menge an Wasser bewertet, die über die vom System regenerierte Wassermenge hinaus entnommen wird. Eine solche Entnahme führt zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels. Die Freshwater Depletion orientiert sich an dem Ansatz der CML-Methode für den Verbrauch abiotischer Rohstoffe. Hierbei wird die Knappheit des jeweiligen Reservoirs, aus dem das Wasser entnommen wird, mit der weltweiten Knappheit von Antimon (Sb) verglichen. Eine dort entnommene Menge wird mit dem entsprechenden regionalen Faktor multipliziert und dann in kg Sb-Äquivalenten angegeben. 9 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. 3.2.3 Water Deprivation nach Pfister et al. 2009 Pfister definiert zwei Water Footprint-Kennzahlen. Die erste Water Deprivation ist eine einfache Multiplikation der verbrauchten Wassermenge (Grund- und Oberflächenwasser) mit dem Water Stress Index (WSI) nach Pfister. Falls ein Wasserreservoir über die regenerativ verfügbare Menge hinaus beansprucht wird, wird zusätzlich die Freshwater Depletion berechnet. Da die Water Deprivation und der dahinter stehende WSI häufig Verwendung findet, soll er hier kurz erläutert werden. Der Wasserstressindex nach Pfister basiert auf dem withdrawal-to-availabilityQuotienten (WTA), der das Verhältnis von Gesamtwassernutzung zu erneuerbaren Wasservorkommen ausdrückt. Pfister ermittelte zunächst den WTA-Quotienten für mehr als 10.000 Niederschlagsgebiete weltweit und entwickelte „seinen“ WSI auf dieser Basis weiter. Die hydrologische Situation kann über das Jahr wegen der verschiedenen saisonalen Niederschlagsverhältnisse variieren. Diese saisonalen Veränderungen können zu zusätzlicher Wasserknappheit führen, wenn die niederschlagsreichen Zeiten die trockenen Zeiten wegen fehlender Speichermöglichkeiten des Niederschlagsgebiets oder zusätzlicher Evaporation von gespeichertem Wasser nicht ausgleichen können. Durch den Variationsfaktor (VF) können solche Effekte bei der Berechnung berücksichtigt werden. Aus dieser Variation das WTA ergibt sich ein modifizierter WTA*. Um geeignete Charakterisierungsfaktoren zwischen 0,01 und 1 zu erhalten, wird der WSI nach folgender Formel aus dem WTA* berechnet: WSI = 1 1 1 + e −6, 4⋅WTA* ⋅ − 1 0,01 Um die Anwendbarkeit ihrer Methode zu erleichtern, haben Pfister et al. einen Google Earth Layer entwickelt5, mit dessen Hilfe Charakterisierungsfaktoren für mehr als 10.000 Niederschlagsgebiete ermittelt werden können. Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, lassen sich somit standortgenaue WSIs leicht ablesen: 5 Download unter http://www.ifu.ethz.ch/ESD/downloads/EI99plus. 10 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Abbildung 1: Google Earth mit von Pfister et al. entwickeltem Layer zur Darstellung globaler Wasserknappheitsverhältnisse 3.3 Zusammenfassung Die angeführten Methoden erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Weitere Methoden sind die nach Boulay et al. (2011) oder Motoshita et al. (2010). Immer wieder werden neue Methoden entwickelt und die Bestehenden verändert. Die Diskussion über die „richtige“ Methode ist im vollen Gange. Auch die angekündigte ISO-Norm zu Water Footprint (ISO 14046) befindet sich immer noch im Entwurfs-Stadium.6 Wichtig ist es, den Wasserverbrauch des ganzen Lebensweges eines Produktes zu betrachten. Wird ein entscheidender Anteil des verbrauchten Wassers in einer wasserknappen Region benötigt? Gibt es Alternativen? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, sind Water Footprint-Analysen ein hilfreiches Werkzeug. Wichtig ist, bei jeder durchgeführten Analyse die gewählte Methode transparent darzustellen. Hierzu gehört eine Darstellung, welche Wasserentnahmen und Verbräuche mit eingerechnet werden und ob diese Wassermengen durch regionale Wasserknappheitsindikatoren gewichtet wurden. Ebenso wichtig ist die jeweilig verwendete Definition des Begriffs „Wasserverbrauch“. Auch ist die Quelle der verwendeten Daten entscheidend und sollte daher immer mit angegeben werden. Aus den genannten Gründen ist außerdem Vorsicht beim Vergleich verschiedener Water Footprint-Angaben geboten. Vergleichen lassen sich nur Angaben zu Produkten oder Materialien, die aus derselben Quelle stammen, weil nur hier (vermutlich) die jeweils selbe Berechnungsmethode zugrunde liegt. 6 Stand Januar 2014 11 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. 4 DER KUMULIERTE ENERGIEVERBRAUCH (KEA) 4.1 Die Definition des KEA Der Kumulierte Energieaufwand (KEA) ist eine äußerst nützliche aggregierte Größe, wenn es um ökologische Produktanalyse, Umwelt- oder Nachhaltigkeitscontrolling geht. Er gibt einen guten Überblick über den integrierten Primärenergiebedarfes eines Produktes über dessen Lebenszyklen hinweg. Der KEA ist die Summe aller Primärenergieaufwände über den gesamten betrachteten Lebensweg. Ebenso wie beim PCF und in der Ökobilanz dient die Berechnung des KEA weniger zur Erlangung einer einzelnen Zahl als Endergebnis, sondern vielmehr der vergleichenden Untersuchung der Einzelbeiträge über den gesamten Lebensweg des Produktes. Dazu gehören die Phasen der Herstellung, Nutzung und Entsorgung, in denen entsprechend Transporte wie auch die Fertigungs-, Hilfs- und Betriebsmittel zu berücksichtigen sind. Der KEA wird aus verschiedenen Beiträgen errechnet: zum Einen wird der Energieverbrauch im engeren Sinne in die Berechnung einbezogen, also die benötigte Primärenergie für Prozesse, Transporte usw. Zum Anderen wird die in den Produkten enthaltene Bindung von Energieträgern und sonstigen Stoffen mit deren Brennwert (=oberer Heizwert) in den Produkten angerechnet. Für Formelfreunde: KEA = KPA + KNA KPA = kumulierter Prozessenergieaufwand. KNA = kumulierter nichtenergetischer Aufwand KNA = NEV (nichtenergetischer Verbrauch von Energieträgern + SEI (stoffgebundener Energiegehalt von Einsatzstoffen). Der KEA ergibt sich daher als Summierung über alle gewichteten Teilbeträge zur Endenergie und zu den stofflich gebundenen Energieträgern. 4.2 Die Berechnung des KEA Für die Berechnung des KEA ist die Primärenergie relevant, d.h. für die Ermittlung des Prozessenergieaufwandes ist die Verbrauchsmenge auf der Stromrechnung nicht ausreichend. Der Primärverbrauch muss über Wirkungsgrade der Energieerzeugung und Netzverluste zurückgerechnet werden. Der KEA wird, obwohl er per Definitionem nicht als Wirkungskategorie gilt, in der Regel in Ökobilanzen als Bewertungsindikator eingesetzt. Falls also bereits eine Ökobilanz vorliegt, dann sind die relevanten Informationen zur Ermittlung des KEA bereits in der Sachbilanz enthalten. 12 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. Sofern der KEA unabhängig berechnet wird, sind bei der Zusammenstellung der Daten alle Input- und Output-Kategorien zu berücksichtigen und zu berechnen. Der Weg zur Ermittlung des KEA scheint nach obiger Definition zunächst logisch. Allerdings ist die Berechnung bei gewissen Formen der Primärenergie (z.B. Kernenergie, Solarenergie, Windenergie) nicht eindeutig bestimmbar. Vor allem bei der Solarenergie ist fraglich, wie die Primärenergie definiert werden soll – die auf die Erdoberfläche auftreffende Sonnenenergie ist (bisher) nicht bilanziert. Dadurch fällt es schwer, Holz und andere nachwachsende Energieträger primärenergetisch zu bewerten; ähnliches gilt für Wasserkraft oder Windkraft. Die in Kohle oder Öl enthaltene Energiemenge ist jedoch letztlich auch auf die Sonnenenergie zurückzuführen – allein, es lässt sich kaum praxisnah berechnen. Es scheint also alles eine Frage der Definition der Systemgrenzen zu sein. Aufgrund solcher Definitionsschwierigkeiten hat der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) in der KEA-Richtlinie VDI 4600 Vorschläge erarbeitet, wie im Einzelnen vorgegangen werden kann, bis eine internationale Norm erstellt ist. Für Wasserkraft, deren Wirkungsgrad mit rund 85% sehr hoch liegt, wird beispielsweise angenommen, dass es sich dabei um Primärenergie handelt. Es sind jedoch noch die Netzverluste abzuziehen. Für die Kernenergie wird die Primärenergie über den thermischen Wirkungsgrad der Stromerzeugung berechnet. Die Primärenergie ist also als die im spaltbaren Kern gespeicherte Energie definiert. Da die Berechnung des KEA „nur“ Mittel zum Zweck einer nachhaltigeren Produktion ist, ist eine praxisnahe Berechnung (wie der VDI sie vorschlägt) der streng wissenschaftlichen (Bilanzierung der Sonneneinstrahlung), absolut vorzuziehen. In der Praxis wird bei der Darstellung des KEA häufig zwischen KEAfossil und KEAerneuerbar unterschieden. 4.3 Der Nutzen des KEA Der Energieeinsatz zur Produktion von Gütern ist einer der wesentlichen Faktoren einer nachhaltigen Gestaltung industrieller Prozesse. So lange fossile Ressourcen eingesetzt werden müssen, ist ein hoher Energieverbrauch der limitierende Faktor für eine nachhaltige Produktion.7 Die Aufzehrung von Ressourcen, Zerstörung durch die Ressourcenentnahme sowie durch Verbrennungsprozesse entstehende Emissionen tragen erheblich zu Schäden am ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen System bei. Der KEA bietet Unternehmen die Möglichkeit, sehr strukturiert auf die Suche nach Energiesparpotenzialen ihrer Produkte (und Prozesse) zu gehen, und dadurch Einfluss auf eine verbesserte Klimabilanz zu nehmen. Da weniger Energieeinsatz jedoch nicht nur das Klima entlastet, sondern gleichzeitig Ressourcen schützt, ist die Verringerung des KEA im Unternehmen meistens 7 Ob es durch den Einsatz erneuerbarer Energien ebenfalls ein limitierender Faktor ist, bleibt abzuwarten. 13 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. ein anzustrebendes Ziel. Gleichzeitig ist Energie ein enormer Kostenfaktor, dessen Reduktion ebenfalls der ökonomischen Nachhaltigkeit der Unternehmen zu Gute kommt. Allerdings ist eine alleinige Fokussierung auf den KEA als Umweltindikator wie auch beim PCF (siehe oben) und aus denselben Gründen zunächst mit Vorsicht zu genießen: Es sollte ausgeschlossen werden, dass Einsparungen an dieser Stelle mit steigenden Schäden in anderen Umweltkompartimenten kompensiert werden. 14 Themenblock A2: Analyse und Bewertungsmethoden. Eindimensionale Methoden. LITERATUR Boulay, Anne-Marie; Bouchard, Christian; Bulle, Cecile; Deschênes, Louise; Margni, Manuele (2011a): Categorizing water for LCA inventory. In: Int J Life Cycle Assess 16 (7), S. 639–651. Hoekstra, Arjen Y.; Chapaging, Ashok K.; Aldaya, Maite M.; Mekonnen, Mesfin M. (2011): The Water Footprint Assessment Manual. Setting the Global Standard. 1. Aufl. 1 Band. London, Washington: Earthscan Milà i Canals, Llorenç; Chenoweth, Jonathan; Chapaging, Ashok K.; Orr, Stuart; Antón, Assumpció; Clift, Roland (2009): Assessing freshwater use impacts in LCA: Part I—inventory modelling and char-acterisation factors for the main impact pathways. In: Int J Life Cycle Assess 14 (1), S. 28–42. Motoshita, Masaharu; Norihiro, Itsubo; Atsushi, Inaba (2010): Development of impact factors on dam-age to health by infectious diseases caused by domestic water scarcity. In: Int J Life Cycle Assess, S. 65–73. Pfister, Stephan; Koehler, Annette; Hellweg, Stefanie (2009): Assessing the Environmental Impacts of Freshwater Consumption in LCA. In: Environ. Sci. Technol 43 (11), S. 4098–4104. 15