Psychosoziales Gesundheitsmanagement im Betrieb

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Schneider et al.
Psychosoziales Gesundheitsmanagement
im Betrieb
Verlag Hans Huber
Programmbereich Gesundheit
Wissenschaftlicher Beirat:
Ansgar Gerhardus, Bremen
Felix Gutzwiller, Zürich
Klaus Hurrelmann, Berlin
Petra Kolip, Bielefeld
Doris Schaeffer, Bielefeld
© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.
Aus: Wolfgang Schneider, Uwe Gerecke, Michael Kastner, Jens Parpart, Michael Peschke; Psychosoziales Gesundheitsmanagement im Betrieb. 1. Auflage.
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Aus: Wolfgang Schneider, Uwe Gerecke, Michael Kastner, Jens Parpart, Michael Peschke; Psychosoziales Gesundheitsmanagement im Betrieb. 1. Auflage.
Wolfgang Schneider
Uwe Gerecke
Michael Kastner
Jens Parpart
Michael Peschke
Psychosoziales
Gesundheitsmanagement
im Betrieb
Ein Praxisbuch für Betriebsmediziner
und Personalmanagement
Verlag Hans Huber
© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
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Aus: Wolfgang Schneider, Uwe Gerecke, Michael Kastner, Jens Parpart, Michael Peschke; Psychosoziales Gesundheitsmanagement im Betrieb. 1. Auflage.
Lektorat: Dr. Klaus Reinhardt
Herstellung: Daniel Berger
Bearbeitung: Melanie Stasch, Heidelberg
Umschlaggestaltung: Claude Borer, Basel
Druckvorstufe: Claudia Wild, Konstanz
Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Anregungen und Zuschriften bitte an:
Verlag Hans Huber
Lektorat Medizin/Gesundheit
Länggass-Strasse 76
CH-3000 Bern 9
Tel: 0041 (0)31 300 4500
[email protected]
www.verlag-hanshuber.com
1. Auflage 2013
© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-456-95275-8)
ISBN 978-3-456-85275-1
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Aus: Wolfgang Schneider, Uwe Gerecke, Michael Kastner, Jens Parpart, Michael Peschke; Psychosoziales Gesundheitsmanagement im Betrieb. 1. Auflage.
5
Inhalt
Vorwort 7
Teil I: Theorie des psychosozialen Gesundheitsmanagements 11
1.
1.1
1.2
1.3
1.4
Die Rahmenbedingungen Arbeit und psychische Gesundheit (W. Schneider) Psychosoziale Belastungen im Arbeitsprozess (M. Peschke, J. Parpart, U. Gerecke) Führung, Leistung und Gesundheit (M. Kastner) Die Zukunft der Arbeit (M. Kastner) 13
13
24
32
40
2. Organisationsbezogene Handlungsansätze des psychosozialen
53
Gesundheitsmanagements 2.1 Psychosoziales Gesundheitsmanagement als vernetztes und interdisziplinäres Handeln
(M. Kastner und W. Schneider) 53
2.2 Der Betriebsarzt als Berater für Führungskräfte!? (J. Parpart, M. Peschke, U. Gerecke) 58
2.3 Professionalisierung der Betriebsärzte zu Experten für das psychosoziale
Gesundheits­management (W. Schneider, U. Gerecke) 68
Teil II: Arbeitsmaterialien 3. Psychische Erkrankungen (W. Schneider) 3.1 Entstehung und Verlauf psychischer und psychosomatischer Erkrankungen 3.2 Erkennen von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen –
Indikationsstellung zur vertiefenden fachspezifischen Diagnostik und Behandlung 75
75
86
4. Ausgewählte Erkrankungen und Problemfelder (W. Schneider) 4.1Depressionen 4.2Angsterkrankungen 4.3 Somatisierung und somatoforme Schmerzstörung 4.4 Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörungen 4.5 Suchtmittelmissbrauch und Alkoholabhängigkeit 4.6 Psychosen und hirnorganische Krankheiten 4.7Burn-out 4.8 Die posttraumatische Belastungsstörung 4.9 Mobbingprozesse und ihre Folgen 95
95
100
105
111
118
120
124
129
133
73
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6 Inhalt
4.10 Psychosoziale Aspekte (chronischer) körperlicher Erkrankungen
(W. Schneider, J. Parpart) 5.
Grundprinzipien der Gesprächsführung und Beratung
(W. Schneider, J. Parpart) 5.1 Grundsätze einer subjekt- und beziehungsorientierten Gesprächsführung
und Kommunikation 5.2 Ausgewählte Beratungsgespräche in der Betriebsmedizin 139
143
143
150
Diagnostische Ansätze 161
Erstinterview und psychosomatische Anamnese (W. Schneider) 161
Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD) (W. Schneider) 166
Diagnostik psychischer und psychosozialer Belastungen im Arbeitsprozess – Methoden,
­Aussagekraft, Reichweite und Grenzen (M. Peschke, J. Parpart, U. Gerecke) 169
6.4 Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit (W. Schneider) 178
6.
6.1
6.2
6.3
7.
Psychotherapeutische Methoden, Grundprinzipien und Versorgungsmodelle
(W. Schneider) 7.1 Psychotherapie und die psychotherapeutische Versorgung 7.2 Die Psychoanalyse und psychodynamische Ansätze 7.3 Verhaltenstherapeutische Methoden 185
185
193
200
Anhänge Anhang 1: Beurteilungsbogen zur Psychosomatischen Basisdiagnostik Anhang 2: Ratingbogen zur Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit Anhang 3: Ausgewählte Bücher Anhang 4: Ausgewählte Verbände und Organisationen 205
207
209
217
219
Autoren 221
Sachregister 223
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7
Vorwort
Psychosoziale Themen gewinnen in den letzten
Jahrzehnten innerhalb der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung und ihnen kommt öffentlich ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zu. Die
Akzentuierungen dieser Thematik umfassen
die Gesundheits- und Wellnessbewegung, die
das körperliche und psychische Wohlbefinden
betonen und dieses fördern wollen. Diese Zielsetzung liegt ganz auf der Linie der Weltgesundheitsorganisation, die Gesundheit als vollständiges körperliches, psychisches und soziales
Wohlbefinden definiert. Zugleich wird über
die besonderen psychosozialen Belastungen der
postmodernen und globalisierten Gesellschaft
geklagt, und es wird vielfach von einer Zunahme der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen seit spätestens Mitte der
90er Jahre auf nationaler und internationaler
Ebene gesprochen. Dabei weisen epidemiologische Untersuchungen, die auf der Grundlage
des DSM – das diagnostische Manual der USamerikanischen Psychiatrie – erhoben wurden,
eine Jahresprävalenz von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen von 25 bis 30 %
auf. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten für psychische und psychosomatische Erkrankungen sind
in den letzten 15 Jahren deutlich gestiegen, und
die Krankschreibungen umfassen längere Zeiträume, als bei den meisten anderen Erkrankungen. Auch die Psychopharmakaverordnungen
und die Berentungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen haben im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen (Schneider,
in diesem Band).
Jedoch sollten diese Entwicklungen durchaus kritisch gesehen werden, da auf dem Feld
der psychischen Erkrankungen die Schwellen,
ab denen von einer psychischen Erkrankung gesprochen wird, heruntergesetzt werden und immer weniger Symptome/Probleme hinreichen,
um eine Diagnose zu erhalten. Die Anzahl an
Diagnosen, die in den psychiatrischen diagnostischen Systemen aufgeführt sind, hat sich z. B.
im DSM zwischen 1950 und 1990 mehr als verdreifacht. Und auch in der Psychiatrie wird zunehmend die Erfassung von Risikoprofilen angestrebt und hat auf prominenter Seite zu
heftiger Kritik geführt (siehe die Diskussion um
das DSM-V, z. B. Frances, 2013). Dies würde vor
allem zu einer Stigmatisierung und Verunsicherung der so Diagnostizierten führen und die
frühe und nachhaltige Verschreibung von Psychopharmaka sei die Folge. Eine gewisse kritische Einstellung gegenüber der immer wieder
öffentlich geäußerten Zunahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen
und Problemen sollte gerade auch von Akteuren des Gesundheitsmanagements bewahrt
werden, damit diese sich nicht unreflektiert an
sicherlich bestehenden (Psycho-)Pathologisierungs- und Medikalisierungstendenzen beteiligen. Als relevante Verursachungsfaktoren für
die unterstellte Zunahme der psychischen Erkrankungen wird in der Regel ein Zusammenhang zwischen den gestiegenen Anforderungen
an die psychosozialen Kompetenzen der Individuen und den gesellschaftlichen Veränderungen infolge der Globalisierung hergestellt. Dabei wird insbesondere auf die Verdichtung und
Intensivierung von Arbeit sowie die zunehmende Entgrenzung von Arbeit und Privatleben Bezug genommen. Dazu würden Umstrukturierungsprozesse in der Arbeitswelt einen
hohen Anpassungsdruck aufseiten der Arbeitnehmer erzeugen, dies sowohl in Hinblick auf
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8 Vorwort
deren permanente Weiterbildungsbereitschaft
und auch die Bereitschaft und Fähigkeit, neue
Arbeitsverhältnisse einzugehen. Zudem werden
prekäre Arbeitsverhältnisse (Teilzeitarbeit, Niedriglohnarbeit und Zeitarbeit) als ursächlich für
die psychosozialen Beeinträchtigungen vieler
Betroffener betrachtet. Seitens der Arbeitswelt
wird ein hohes Ausmaß an psychosozialen Belastungen berichtet, zu denen insbesondere
auch die «weichen» Faktoren – wie Führung,
(pathologische) Kommunikations- und Interaktionsformen, fehlende Transparenz in Entscheidungsprozessen oder soziale Ungerechtigkeit – zählen.
Auf diesem Hintergrund haben sich moderne Krankheitskonzepte herausgebildet, die
als Ausdruck einer Folge von überfordernden
Arbeits- und Lebensbedingungen angesehen
werden. Dazu gehören zum einen das Burnout-Syndrom, das verkürzt als direkte Folge von
insbesondere psychosozialen Überforderungen
und einem zu hohen Engagement im Arbeitsprozess angesehen wird und zum anderen
Mobbingprozesse bzw. ihre Auswirkungen auf
die psychische Gesundheit von Individuen, die
ebenfalls als Ausdruck von kritischen bzw. pathologischen Interaktions- und Kommunikationsformen in den Betrieben und Organisationen verstanden werden. Die Sensibilität für
diese Problemstellungen hat sich gesellschaftlich auf unterschiedlichsten Ebenen enorm erhöht. Dies betrifft sowohl die Politik, die Gewerkschaften, das medizinische Versorgungssystem und deren Akteure sowie die Betriebe
und Organisationen aber auch die Individuen.
Psychosoziale Fragestellungen haben sich entsprechend in arbeitsrechtlichen Bestimmungen
und Betriebsvereinbarungen niedergeschlagen.
Um dieser Entwicklung zu begegnen, haben
sich sowohl innerhalb einer Vielzahl von Organisationen und im Bereich der Personalentwicklung als auch im medizinischen Versorgungssystem in den letzten 20 Jahren unterschiedlichste psychosoziale Aktivitäten entwickelt, die zum Einen präventiv über die positive
Veränderung der Arbeitsbedingungen und In-
teraktionsformen ansetzen (Verhältnisprävention) und zum anderen auf die Verbesserung
der Selbstwirksamkeit und des Gesundheitsverhaltens von Individuen (Verhaltensprävention)
abzielen. Bei den unterschiedlichen Aktivitäten
zum Gesundheitsmanagement – und dies gilt
insbesondere für die Beratung einzelner Mitarbeiter – muss jedoch berücksichtigt werden,
dass es in der Regel nicht die Arbeitsbedingungen allein sind, die zu etwaigen psychischen Beeinträchtigungen führen, sondern dass diese
zumeist das Resultat einer Wechselwirkung
zwischen dem Individuum und seiner privaten
wie beruflichen Umwelt darstellen. Diese Sichtweise ist bei der Zielsetzung von Maßnahmen
des Gesundheitsmanagements differenziert zu
berücksichtigen.
Das hier vorliegende Buch zum psychosozialen Gesundheitsmanagement beinhaltet im ersten Teil relevante theoretische und ausgewählte
empirische Befunde zu den psychosozialen
Herausforderungen der Arbeitswelt in einer
globalisierten postmodernen Gesellschaft und
berücksichtigt natürlich auch die besonderen
psychosozialen Bedrohungen, die durch (Langzeit-)Arbeitslosigkeit bzw. drohende Arbeitslosigkeit für die Individuen resultieren. Neben
dem Aspekt der psychosozialen Anforderungen/Belastungen für die Individuen werden
auch die möglichen negativen Folgen von tendenziell überlastenden Arbeitsanforderungen
für die Individuen charakterisiert und kritisch
diskutiert. Im Weiteren werden präventive Ansätze zur Förderung von «gesunden», motivierenden und zufriedenstellenden Arbeitsbedingungen dargelegt, wobei der Fokus insbesondere
auf die Aspekte der Führung sowie einer positiven Kommunikations- und Interaktionsform
im Rahmen einer mitarbeiterorientierten und
sozial bzw. gerecht ausgerichteten Organisa­
tionskultur gelegt wird. Diese Anforderungen
an die Kultur und an die soziale Verantwortung
von Organisationen und Unternehmen sind gerade unter dem Eindruck des Vorliegens eines
«Raubtierkapitalismus», unter dessen Rahmenbedingungen mehr und mehr Menschen in so-
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Vorwort 9
ziale und psychisch prekäre Lebenssituationen
geraten, umzusetzen.
Im zweiten Teil des Buches werden relevante
Informationen zur Verfügung gestellt, die für
präventive, aber auch basale diagnostische, beraterische und rehabilitative Aufgaben durch
unterschiedlichste Akteure in Organisationen
und Unternehmen von Bedeutung sind. Einen
breiten Raum nehmen dabei die psychischen
und psychosomatischen Erkrankungen ein, für
die relevante Symptome sowie charakteristische
Verläufe und Behandlungsansätze akzentuiert
dargelegt werden. Um einen hohen Praxiswert
zu erreichen, werden die Prinzipien und Vorgehensweisen bei der Gesprächsführung vermittelt und beispielhaft verdeutlicht. Gleiches gilt
auch für die Darstellung der relevanten psychosomatischen und psychotherapeutischen diagnostischen Vorgehensweisen. So besteht das
Ziel des Buches darin, für Betriebsmediziner,
aber auch für andere Arztgruppen, die an psychosomatischen Problemstellungen und dem
Erwerb notwendiger Kompetenzen auf den
Ebenen der Diagnostik und Beratung interessiert sind, relevantes Wissen und notwendige
praktische Fähigkeiten zu vermitteln. Das Buch
umfasst so u. a. die Inhalte, Kenntnisse und
Fertigkeiten, die im Rahmen der ärztlichen
Weiterbildung zur Psychosomatischen Grundversorgung aufgeführt werden. Jedoch fehlen
zwangsläufig die praktischen Übungen oder die
Arbeit mit Patienten (Life oder per Videodokumentation), wie wir sie in unseren Seminaren
und Workshops regelhaft integrieren und die
bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine
sehr positive Resonanz erhalten. Um dieses
Manko zumindest zum Teil auszugleichen, haben wir vielfach mit Beispielen und Fallvignetten gearbeitet sowie Orientierungshilfen für das
Vorgehen bei allgemeinen und spezifischen Beratungsansätzen gearbeitet. Mit einem großen
Teil der unterschiedlichen Arbeitshilfen oder
Praxisanleitungen haben wir in unseren Seminaren zur Psychosomatischen Grundversorgung bereits positive Erfahrungen gemacht und
haben dieses Buch unter anderem auch als Ar-
beitsgrundlage für unsere Workshops verfasst.
Es reflektiert und systematisiert unsere Inhalte
und unser methodisches Vorgehen in den entsprechenden Seminaren.
Aufgrund unserer vielfältigen Erfahrung in
der Arbeit mit nicht ärztlichen Akteuren des
Psychosozialen Gesundheitsmanagements sind
wir davon überzeugt, dass viele Aspekte des
vorliegenden Buches auch für Personen, die im
Bereich des Personalmanagements, der Human
Resources oder auch der Organisationsentwicklung tätig sind, von Interesse sind und auch deren Verständnishorizont und praktische Tätigkeit verbessern können.
Die Autoren dieses Buches kommen aus der
Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie, der Arbeitsmedizin, der Allgemeinmedizin,
der Arbeitspsychologie und der Organisationsentwicklung. Allen gemeinsam ist, dass sie sich
seit Langem sowohl wissenschaftlich als auch
praktisch zu psychosozialen Fragen der Betriebs- und Organisationswelt engagieren und
zu einem Teil gemeinsame Seminare zur Psychosomatischen Grundversorgung und Psychotherapie, Workshops für Führungskräfte und
HR-Management aber auch wissenschaftliche
Veranstaltungen zu dieser Thematik durchgeführt haben. Auf dem Hintergrund dieser vielfältigen Erfahrungen und des gemeinsamen
Arbeitens ist dieses Buch entstanden. Wir hoffen, dass sich dies in der Qualität des Buches
niedergeschlagen hat.
Für die Autoren
Wolfgang Schneider, im Juni 2013
Literatur
Frances, A. (2013). Normal: Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen. Köln: Dumont
Schneider, W., Kap. 1.1 in diesem Buch
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11
Teil I:
Theorie des psychosozialen
Gesundheitsmanagements
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13
1. Die Rahmenbedingungen
1.1 Arbeit und psychische
Gesundheit
W. Schneider
Seit dem Jahrtausendwechsel und insbesondere
in den letzten Jahren sind die Themen der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen zunehmend in der öffentlichen und politischen Diskussion. Betont werden ihre epidemiologische, versorgungs- und sozialpolitische
sowie volkswirtschaftliche Bedeutung. Dabei
wird in der Regel ein Zusammenhang zwischen
den gestiegenen Anforderungen und Belastungen der Arbeitswelt und dem Auftreten psychischer Erkrankungen diskutiert und diese Sichtweise hat auf unterschiedlichen politischen und
fachpolitischen Ebenen eine breite Resonanz
gefunden. Für prekäre und unsichere soziale
Lebenslagen, zu denen insbesondere die Arbeitslosigkeit oder die Arbeitsplatzunsicherheit
gehören, wird ein gegenüber den Erwerbstätigen noch höheres Risiko psychisch zu erkranken berichtet.
1.1.1 Epidemiologische, versorgungs- und
sozialpolitische Bedeutung psychischer
und psychosomatischer Erkrankungen
Epidemiologische Schätzungen aus einem Gesundheitssurvey, der 1998 durchgeführt wurde
sowie auf der Basis einer Auswertung europäischer Daten (Jacobi et al., 2004) gehen davon
aus, dass die Jahresprävalenz psychischer und
psychosomatischer Erkrankungen der europäischen Bevölkerung bei ca. 30 % liegt; die
Befunde der im Jahr 2012 veröffentlichten
DEGES-Studie (Wittchen et al., 2012) gehen
von einer Jahresprävalenz psychischer Erkrankungen von 33 % bei Frauen und von 25 % bei
den Männern aus. Führend sind dabei die
Angsterkrankungen mit über 14,5 % und die
Depressionen (ca. 12 %), gefolgt von den Sucht­
erkrankungen sowie den somatoformen Störungen (Jacoby et al., 2004; Jacoby, 2012). Die
Depressionen stellen aufgrund ihrer hohen
Tendenz zur Chronifizierung und einem u. U.
auch ätiologisch zu wertenden Zusammenhang
zu körperlichen Erkrankungen (Haug et al.,
2012) sowohl auf der Versorgungsebene als
auch volkswirtschaftlich die relevanteste psychische Erkrankung dar. In einer jüngst durchgeführten (fragebogenbasierten und mittels eines computergestützten ärztlichen Interviews)
repräsentativen Untersuchung von nahezu 8000
Individuen zwischen 18–79 Jahren (Hapke et
al., 2012) fand sich bei 8,1 % der Teilnehmer
(10,2 % Frauen und 6,1 % Männer) eine aktuelle Depression. Bemerkenswert war, dass die
Jahresprävalenz bei den 18- bis 29-jährigen mit
9,9 % am höchsten und bei den über 65-jährigen Teilnehmern am niedrigsten war. Ebenfalls
von Interesse ist der Befund, dass die Häufigkeit von Depressionen mit dem sozialen Status
der Teilnehmer sinkt. Insgesamt wies in dieser
Studie jede dritte Frau und jeder vierte Mann
eine klinisch relevante psychische Erkrankung
auf, unabhängig davon, ob diese behandelt
wurde oder nicht.
Die Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen psychischer Erkrankungen sind in den letzten
Jahrzehnten kontinuierlich angewachsen (z. B.
Klusen, 2012), wobei die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen von 2006 bis 2011 um
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14 Teil I: Theorie des psychosozialen Gesundheitsmanagements
mehr als 60 % bei der Techniker Krankenkasse
zugenommen haben. Eine ähnliche Entwicklung findet sich auch bei anderen großen gesetzlichen Krankenkassen, wobei sich jedoch
deutliche Unterschiede in Abhängigkeit von der
Versichertenstruktur (Geschlecht, Alter, Sozialstruktur, Branchenstruktur) sowie des Fallmanagements und ggf. unterschiedlicher Prozeduren der Fallaufbereitung und -dokumentation
zeigen. Nach einer zusammenfassenden Auswertung der Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Techniker Krankenkasse TK, der
Deutschen Angestellten Krankenkasse DAK,
der Allgemeinen Orts Krankenkasse AOK
und der Betriebskrankenkassen durch die Bundespsychotherapeutenkammer (2012) sind ca.
12,5 % aller betrieblichen Fehltage durch psychische Erkrankungen bedingt; von 2000–2011
hat sich der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage
bei diesen Krankenkassen verdoppelt. Von Bedeutung ist auch, dass die AU-Zeiten bei diesen
Patienten besonders lang andauern (30 Tage im
Schnitt für alle psychische Erkrankungen, für
die Depressionen sogar 39 Tage). Arbeitslose
weisen bei den unterschiedlichen gesetzlichen
Krankenversicherungen nahezu die doppelte
Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen auf als erwerbstätige Versicherte (z. B. BKK 27,2 Tage gegenüber 14,1 Tage bei Erwerbstätigen im Jahr
2010; Tk 24,8 Au-Tage bei den Arbeitslosen gegenüber 13,8 Tagen bei den Erwerbstätigen).
Dabei nehmen die psychischen Erkrankungen
nach den Krankheiten des Muskel-Skelettsystems den 2. Platz bei den AU-Schreibungen
ein. Bei Arbeitslosen entfielen 25,7 % auf die
psychischen Erkrankungen; demgegenüber
waren bei den erwerbstätigen Versicherten nur
12,0 % der Arbeitsunfähigkeitstage durch psychische Erkrankungen begründet. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die
Statistiken der Krankenversicherungen seit der
Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nur noch die Empfänger des Arbeitslosengeldes I berücksichtigen, sodass Langzeitarbeitslose ALG-II-Empfänger in diesen nicht
berücksichtigt sind. Deshalb ist davon auszu-
gehen, dass die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen bei dem Gesamt an Arbeitslosen
noch höher liegen wird.
Die Verschreibung von Psychopharmaka hat
ebenso in relevanter Weise zugenommen; die
Antidepressivaverschreibung hat sich in den
Jahren von 2000 bis 2010 verdoppelt; für Frauen
ist sie sogar um 130 % abgestiegen (TK, 2011).
Auch bei den Erwerbsunfähigkeitsrenten
stellen die psychischen und psychosomatischen Erkrankungen seit 2010 mit einem Anteil von 40 % die größte Krankheitsgruppe
(Irle/Fischer, 2012). Dabei ist weiter bemerkenswert, dass die Berentungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen psychischer und psychosomatischer Erkrankungen
deutlich früher erfolgen als bei anderen Erstdiagnosen (um ca. drei Jahre). Auch bei der
Inanspruchnahme von Privaten Berufsunfähigkeitsrenten nehmen die psychischen und
psychosomatischen Erkrankungen eine führende Position ein (Grundmann, 2012).
Wenn weiter berücksichtigt wird, dass den
psychosozialen Faktoren auch ein großer Einfluss auf die Chronifizierungsprozesse von Organerkrankungen zukommt, lässt sich die Bedeutung psychischer und sozialer Prozesse auf
die Gesundheit leicht ermessen.
Dennoch wird die oftmals in den Medien,
aber auch von der Politik, den Gewerkschaften und zeitweise auch von Fachgesellschaften
verbreitete These von der Zunahme der psychischen Erkrankungen infolge des Anwachsens der psychosozialen Anforderungen und
Belastungen nicht durch die epidemiologischen
Befunde gestützt. Wir finden sicherlich eine
Veränderung der diagnostischen aber auch therapeutischen Vorgehensweisen bei den Ärzten,
die wohl deutlich häufiger als vor etwa 15–
20 Jahren die Diagnose einer psychischen Erkrankung stellen, die Patienten deshalb krankschreiben oder Psychopharmaka (wie im Fall
der Depressionen) verschreiben. Ergänzend
kommt sicherlich seitens der Bevölkerung eine
Problemsicht und -bewertung hinzu, die offener für psychische Themen ist, die die entspre-
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1. Die Rahmenbedingungen 15
chenden diagnostischen Vorgehensweisen der
Ärzte forciert.
Zunehmend wird jedoch innerhalb der Fachgruppen der Psychiatrie, Psychosomatik und
auch der Klinischen Psychologen kritisiert, dass
die modernen psychiatrischen Diagnosemodelle
(DSM-IV, ICD-10 und das im Mai eingeführte
DSM-5) den Krankheitsbegriff ausweiten und
immer neue psychische Erkrankungen definieren würden und die Schwelle, ab wann wir von
einer psychischen Erkrankung sprechen, heruntergesetzt werden würde (z. B. Francis, 2013;
Stieglitz/Hiller, 2013; Schneider, 2013). Diese
Diagnosesysteme gehen so vor, dass sie für diagnostische Klassen (z. B. einer Depression oder
Angststörung) Kriterien – Symptome oder Verlaufsangaben – formulieren, die erfüllt sein müssen, damit diese Diagnose vergeben werden
kann. «Gemessen» werden diese Symptome entweder klinisch (bei der Exploration), mit Fragebögen oder mit strukturierten Interviews. In
diesem Zusammenhang ist dann von Bedeutung, wie viele Symptome/Kriterien erfüllt sein
müssen, damit eine Diagnose (z. B. Depression)
vergeben werden kann. Ein besonderes Problem
stellt weiter die Frage dar, wie ausgeprägt eine
Befindlichkeitsstörung sein muss, damit wir es
in den Rang eines Symptoms erheben können –
d. h. wie nachhaltig muss ein Gefühl von Niedergeschlagenheit sein, das wohl jeder aus seinem
Alltag kennt, damit wir es als Symptom einer
Depression werten. Setzen wir die Zahl an Symp­
tomen herunter, ab der wir die Diagnose einer
Depression vergeben, sagen beispielsweise, dass
fünf Symptome über einen definierten Zeitraum
vorhanden sein müssen anstelle von sieben, erhöhen wir zwangsläufig die Anzahl von Depressionsdiagnosen, die Sensitivität für das Auffinden von Depressionen wird größer. Erhöhen wir
die Anzahl an Symptomen, sinkt die Sensitivität
der diagnostischen Zuordnung, wir haben jedoch weniger Fehldiagnosen (Spezifität der
Diagnostik). Die operationalisierten psychia­
trischen Diagnosesysteme sind den Weg der Erhöhung der Sensitivität gegangen und dies hat
zu einer rasanten Zunahme von Diagnosen ge-
führt. Frances (2013), der als Chairman entscheidend an der Entwicklung des DSM-IV mitgewirkt hat, kritisiert die Ausweitung der psychiatrischen Diagnosen sowie die Absenkung der
diagnostischen Schwellen bereits für das DSMIV und führt aus, dass mit dem DSM-5 – das
im Mai 2013 offiziell eingeführt worden ist –
dieser Weg rasant weiter verfolgt wird, was zu
einer Pathologisierung weiter Teile der Bevölkerung führen würde.
Auf der Basis eines so beschriebenen diagnostischen Verständnisses weisen m. E. die
«Psychoexperten» wie auch die Ärzte im System
der Primärversorgung, eine starke Tendenz dahingehend auf, ihre Patienten, die sie oftmals
über vielgestaltige diagnostische und therapeutische Prozeduren inklusive intensiver somatischer Verfahren erst zu solchen gemacht haben,
häufig und oftmals zu lange «krank» schreiben
und therapieren, wobei die medikamentöse Behandlung einen großen Stellenwert aufweist.
Dadurch werden tendenziell Pathologisierungsund Chronifizierungsprozesse initiiert und
fortgeschrieben, die für die Individuen viel Leid
mit sich bringen und letztlich zu der großen
Zahl an Berentungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei psychischen und psychosomatischen Patienten führen.
Wenn wir die kritische Perspektive an den
vorherrschenden diagnostischen Systemen ernst
nehmen, müssen die epidemiologischen Befunde natürlich auch kritisch gesehen werden,
da diese auf der Basis dieser diagnostischen Systeme und Methoden erhoben worden sind. Wir
würden auch hier eine Tendenz zur Überdiagnostik annehmen. So formuliert Frances, dass
man wohl davon ausgehen müsse, dass ca.
5–10 % einer Bevölkerung eine psychische Erkrankung aufweisen würden. Diese zu erkennen und angemessen zu behandeln, sei die Aufgabe einer verantwortungsvollen Psychiatrie.
Frances Kritik an der psychiatrischen Praxis
der Überdiagnostik (overdiagnosis) setzt dabei
grundlegend an. «Normales» Empfinden, Erleben und Verhalten werde als krank gewertet
und behandelt; dahinter stehe ein handfestes
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