Band 9 / Heft 11 www.springer.at/wmw-skriptum ISSN Print 1613-3803 P. b. b. Verlagspostamt 1201 Wien / Plus.Zeitung 07Z037513P 11/12 SpringerMedizin.at/schwerpunkt/oedg-2012 SpringerMedizin.at/schwerpunkt/hno-2012 skriptum Kongressjournal wmw Wiener Medizinische Wochenschrift ge e Vorträ Aktuell er d in PP oche -A Ä rz teW e Woch Ärzte he c o W eg Der Weform Ärzte der R ung für he Zeit rreichisc Medizin, Politik und Prax is Seit 1987 Die öste g 25. Jahrgan * indd 1 über 56 gre % günstiger Fachkurzinformation der schrif Datum einmal Program Filmtab . chtig. 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November 2012, Salzburg Seit 1987 itsre ndhe Weg Gesu ne : Eine lage einig sich eingesch sind . Der . K rten fällig DRUC sein ZUM Die Exper als über falsche GUT ist meh aber der : te en Datum könn kfarb 287C Druc Blue 192C ONE PANT ONE Red PANT 90 x B.: Ch. bis: Verw. eichis Die österr 56 ronate 90 Jahrgang n. tenem 2011, 25. schrit usalen Fraue g, 1. September von fortge enopa Nr. 35, Donnersta dlung bei postm * inom st ge Zur Behan ** günstiger akarz u o ggü er , 0 Euro 247,10 Mamm % günstig über und Praxis in, Politik g für Mediz che Zeitun 4 Stück geer ggü st u o günstig , 0 Euro 247,10 Rised toff: poros Wirks Osteo Bei ber 2011, 1. Septem einm Donne 35nmg DA ette tabl at STA Film ronhen tlich Rised m al wöc Natriu Nr. 35, rstag, W 4-6. Telefon GZ02Z032811 Sachsenplatz 1201 Wien, 2120 Wolkersdorf mt Wien. Redaktion: ag GmbH, t 1200 Wien, Aufgabeposta Springer-Verl Ärzte Woche, P.b.b. Verlagspostam ISSN 1862-7137, 8/29/2011 11:58:45 AM ® 8/29/2011 11:58:45 AM inhalt 11/12 Inhalt 40. Jahrestagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft brief des herausgebers 4Editorial H. Drexel und C. H. Säly, Feldkirch beiträge 6 Zellverkapselung in der Diabetologie E. M. Brandtner, A. Mündlein, B. Salmons und H. Drexel, Feldkirch – Singapore 15. – 17. November 2012, Salzburg Congress Center 8 Neurokognitive Entwicklung bei Kindern mit Diabetes S. Hofer, Innsbruck 9Possible Mechanisms underlying the increased risk of diabetes mellitus associated with statin treatment A. v. Eckardstein, Zürich 12 Diabetes und Koronare Herzkrankheit C. H. Säly und H. Drexel, Feldkirch 13 Hypertonierisiko bei Diabetes M. Lechleitner, Hochzirl © Photographer Luigi Caputo 14 Aktuelle Therapieschemata 2012 M. Clodi, Wien 15 Diabetesrisiko bei Frauen und Männern H. Brath, Wien 16 Sport bei Diabetes mellitus Typ 1 J. Niebauer, Salzburg 11Impressum wmw skriptum © Springer-Verlag 11/2012 3 brief des herausgebers Willkommen in Salzburg! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte KongressteilnehmerInnen, Die Diabetologie entwickelt sich in raschem Tempo, vor allem in Epidemiologie und Therapie. Die neuesten Entwicklungen werden im Rahmen der Jahrestagung der ÖDG besprochen. Wir haben daher das übergreifende Thema „Langzeitperspektiven in der Diabetologie“ gewählt. Prim. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Drexel Präsident der ÖDG In der Epidemiologie sehen wir wesentliche neue Erkenntnisse für kardiovaskuläre Erkrankungen. Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist längst nicht mehr so groß wie dies vor 15 Jahren geschätzt wurde. Es gibt also gute Nachrichten für Menschen mit Diabetes. Allerdings müssen die modernen Therapiemöglichkeiten herangezogen werden. Hier ist besonders wichtig, dass wir das glukozentrische Weltbild verlassen und nicht nur den Glukosestoffwechsel, sondern auch die Hypertonie und den Lipidstoffwechsel effizient behandeln. Die österreichische Diabetes Gesellschaft gibt im Rahmen des Kongresses neu überarbeitete Richtlinien zur Bekämpfung dieser Risiken aus. Diabetes ist keine einzelne distinkte Erkrankung, sowohl Typ-1, aber besonders Typ-2 Diabetes sind heterogen. Daher ist gut verständlich, dass eine maßgeschneiderte Therapie von großem Wert ist. Obwohl die „personalised medicine“ noch nicht bewiesen hat, dass sie für den Patienten eine beweisbare Besserung ergibt, können wir heute Patienten mit unterschiedlichen Wirkmechanismen behandeln. Daher wird beim Kongress auch ein Schwerpunkt auf GLP-1-Analoga und DPP-4Hemmer gelegt. Priv.-Doz. Dr. Christoph H. Säly Erster Sekretär der ÖDG Die Österreichische Diabetes Gesellschaft hat international einen ausgezeichneten Ruf. Es war daher möglich, internationale Experten für Key Note Lectures zu gewinnen. Amerikanische und europäische Spitzenforscher werden die Phalanx der österreichischen Experten bereichern. Viele interessante Aspekte aus der österreichischen Forschung konnten aus Abstracts ausgewählt werden und werden sowohl in Sitzungen mit freien Vorträgen als auch in Postersitzungen präsentiert. Was in der österreichischen Diabetologie derzeit fehlt, ist ein nationales Diabetesregister. Außerdem entwickeln sich in der Erstattung von Medikamenten deutliche Nachteile für Österreich. Neue Medikamente, die in fast allen europäischen Ländern erstattet werden, werden in Österreich vorent­ halten. Auch diese Problemkreise werden im Kongress angesprochen und müssen über die nächsten Jahre aktiv angegangen werden. Nunmehr hoffen wir auf einen reibungslosen Ablauf des interessanten Kongressprogrammes. Prim. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Drexel Präsident der ÖDG Priv.-Doz. Dr. Christoph H. Säly Erster Sekretär der ÖDG 4 11/2012 © Springer-Verlag wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Eva Maria Brandtner1*, Axel Mündlein1, Brian Salmons2, Heinz Drexel1 Zellverkapselung in der Diabetologie Inselzellen vor dem Immunangriff schützen Über 18 Millionen Menschen leiden an Typ1-Diabetes (T1D) und sind auf regelmäßige Insulininjektionen angewiesen, um zu überleben. Selbst trotz genauer Befolgung aller Dosierungsrichtlinien sind T1D Patienten ständig in Gefahr, lebensbedrohliche Attacken von Unterzucker zu erleiden und langfristig Organschäden zu entwickeln. Das T1D zugrundeliegende Absterben der Betazellen ist irreversibel. Die derzeit einzige Chance für T1D Patienten, zu einem beschwerdefreien und unbeschwerten Lebensalltag zurückzukehren, ist eine Pankreas- oder Betazelltransplantation. Aber wie mit allen Organtransplantationen erfordert auch eine Pankreas- oder Betazelltransplantation die Anwendung von Immunsuppressiva, die aufgrund ihrer schwerwiegenden Nebenwirkungen den Preis für ein solches Transplantat sehr hoch erscheinen lassen. Schutz vor Immunzellen Deshalb gibt es intensive Bestrebungen, die transplantierten Betazellen auf mechanischem Wege vor einem Immunangriff zu schützen und so die Risiko/Nutzen Rechnung zu Gunsten der Betazelltransplantation zu beeinflussen. Dies kann durch eine Verkapselung von Betazellen mit semipermeablen Membranen erzielt werden. Deren Poren sind zwar groß genug, um Nährstoffe, Sauerstoff und Glukose zu den Zellen vordringen zu lassen und Insulin sowie Stoffwechselprodukte auszuschleusen, aber doch klein genug, um Zellen des Immunsystems den Zugang zu verwehren (Abb. 1A). Es gibt verschiedene Konzepte von sogenannten bioarti­ fiziellen Pankreaten. Je nach Form und Größe unterscheidet man intra- und extra­ vaskuläre Systeme, und letztere unterteilen sich in Mikro- und Makrokapseln. Nach ursprünglichen Erfolgen im Tiermodell [1, 2] stellte sich heraus, dass intra­ vaskuläre Systeme gravierende Sicherheitsmängel aufweisen, die sie für den ­klinischen Gebrauch ungeeignet machen. Extravaskuläre Makrokapseln gibt es als röhrenförmige und flache Diffusionskammern, die den Vorteil haben, dass sie leicht wiederauffindbar sind. Röhrenförmige Dif­ fu­sionskammern zeichnen sich durch gute Biokompatibilität und Langlebigkeit der Transplantate aus [3]. Allerdings sind sie ­fragil und benötigen große Mengen von Beta- bzw. Inselzellen [4]. Flache Diffusionskammern sind stabiler, rufen aber starke Fremdkörperreaktionen hervor, die ein Absterben des Transplantates zur Folge haben [5]. Eine Technologie namens TheraCyteTM zeigte vielversprechende Ergebnisse in Tierstudien [6], wird sich aber in klinischen Versuchen erst beweisen müssen. Die meist beforschte und wohl vielversprechendste Strategie zur Immunprotektion von Betazelltransplantaten sind Mikrokapseln (Abb. 1B, C). Die Gründe dafür liegen unter anderem in ihrer mechanischen Stabilität, ihrem vorteilhaften Verhältnis von Oberfläche zu Masse, der relativ unkomplizierten Herstellung und in der Tatsache, dass sie ohne großen operativen Eingriff in den Körper implantiert werden können. Zur Person Dr. Eva Maria Brandtner Vorarlberg Institute for Vascular Investigation and Treatment (VIVIT) Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch Carinagasse 47 6807 Feldkirch [email protected] Erste Schlagzeilen 1994 Mikroverkapselte Inselzellen haben 1994 erstmals Schlagzeilen gemacht, als der erste T1D Patient für 9 Monate nach der Transplantation Insulin unabhängig blieb [7]. Dieser Patient hatte zuvor eine Spenderniere erhalten und war deshalb unter Immunsuppression. 18 Jahre und zahlreiche klinische Studien später gibt es bis heute keine Berichte von Langzeit-Insulinabhängigkeit in nichtimmunsupprimierten Patienten. Klinische Studien von verschiedenen Forschungsgruppen führten zu ähnlichen Ergeb­ nissen [8 – 10]: In den ersten Tagen nach Transplantation von Alginat-verkapselten Insel­zellen konnte C-Peptid nachgewiesen werden, aber die Verbesserung des ­Patientenzustandes war bescheiden, und die Insulintherapie musste fortgesetzt werden. Die Tatsache, dass derselbe Ansatz, der bei immunsupprimierten Patienten so ausgezeichnet funktioniert hatte, in immunkompetenten Patienten versagte, war ein erster Hinweis, dass die Alginatverkapselten Inselzellen eine Immunreaktion hervorrufen. Alginat-verkapselte Inselzellen Trotzdem wurde und wird auch heute noch für die überwiegende Zahl von Studien Alginat als Material für Betazell­ verkapselung benutzt, weil es gut etabliert, leicht zugänglich und nicht als solches durch ein weitreichendes Patent geschützt ist. Die mangelnde Biokompatibilität von Alginat führt zu heftigen Fremdkörper­ reaktion und dem Überwachsen der Kapseln mit Bindegewebe (pericapsular fibrotic overgrowth) [11]. Diese Bindegewebsablagerungen sind arm an Blutgefäßen und führen zu einem Absterben der verkapselten Zellen. Trotz vieler Bemühungen, die Zusammensetzung und Reinheit von Alginat und dadurch seine Bio- 1 Vorarlberg Institute for Vascular Investigation and Treatment (VIVIT), LKH Feldkirch Singapore 2Austrianova 6 11/2012 © Springer-Verlag wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Abb. 1: (A) Schematische Darstellung von verkapselten Zellen und dem Transit von Molekülen durch die Kapselmembran. (B) Elektronenmikroskopische Aufnahme von der Oberfläche einer Cellulose Sulphat Kapsel. (C) Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kapselquerschnittes mit einzelnen Zel­len (roter Pfeil); Referenzbalken = 100 µm kompatibilität zu verbessern [12 – 15], bleibt das Problem bis heute bestehen [16, 17]. Klinische Studien mit Alginat-verkapselten porcinen Inselzellen zeigten, dass zwar eine Reduktion der Insulindosis sowie eine Verringerung der Häufigkeit von Unterzucker-Attacken erreicht werden konnte, nicht aber die Möglichkeit, auf Insulininjektionen gänzlich zu verzichten [18]. Einkapselung in Zellulose Sulphat Die Anzeichen häufen sich, dass das Feld zu voreilig war, sich auf Alginat als Verkap- selungsmaterial festzulegen. Eine interessante Alternative stellt die Verwendung von Zellulose Sulphat für die Verkapselung von Betazellen dar [19]. Zellulose Sulphat wurde als Material zur Zellverkapselung bereits in klinischen Studien an Krebspatienten erprobt und hat neben hervorragenden Therapieerfolgen auch ausgezeichnete Biokompatibilität und Unbedenklichkeit bewiesen [20, 21]. Weiters wurde gezeigt, das die GLP-Produktion von in Zellulose Sulphat verkapselten Zellen durchführbar ist [22] und dass die so verkapselten Zellen im gefrorenen Zustand gelagert und transpor- tiert werden können, was für die Entwicklung eines klinischen Produktes einen wesent­ lichen Vorteil gegenüber Alginat darstellt [22]. In Kombination mit einem geeigneten Typ von Insulin produzierenden Zellen stellt die Zellulose Sulphat Verkapselung eine vielversprechende Strategie dar, um das bioartifizielle Pankreas einen wesentlichen Schritt näher zur lang erwarteten klinischen Anwendung zu bringen. ■ cuso F, and Brunetti P (2006) Microencapsulated pancreatic islet allografts into nonimmunosuppressed patients with type 1 diabetes: first two cases. Diabetes Care 29:137-138. 9BastaG, Montanucci P, Luca G, Boselli C, Noya G, Barbaro B, Qi M, Kinzer KP, Oberholzer J, and Calafiore R (2011) Long-term metabolic and immunological follow-up of nonimmunosuppressed patients with type 1 diabetes treated with microencapsulated islet allografts: four cases. Diabetes Care 34:2406-2409. 10 Tuch, BE, Hughes TC, and Evans MD. (2011) Encapsulated pancreatic progenitors derived from human embryonic stem cells as a therapy for insulin-dependent diabetes. ­Diabetes Metab Res. Rev. 27:928-932. 11 Tuch, BE, Keogh, GW, Williams LJ, Wu W, Foster JL, Vaithilingam V, and Philips R (2009) Safety and viability of micro­ encapsulated human islets transplanted into ­diabetic h ­ umans. Diabetes Care 32:1887-1889. 12 de Vos, P, De Haan B, and van Schilfgaarde R (1997) Effect of the alginate composition on the biocompatibility of alginate-polylysine m ­ icrocapsules. Biomaterials 18:273-278. 13Otterlei, M, Ostgaard K, Skjak-Braek G, Smidsrod O, Soon-Shiong P, and Espevik, T (1991) Induction of cytokine production from ­human monocytes stimulated with alginate. J. Immunother. 10:286-291. 14 Menard, M, Dusseault J, Langlois G, Baille WE, Tam SK, Yahia L, Zhu XX, and Halle JP (2010) Role of protein contaminants in the immunogenicity of alginates. J. Biomed. ­Mater. Res. B Appl. Biomater. 93:333-340. 15Liu, XY, Nothias JM, Scavone A, Garfinkel M, and Millis JM (2010) Biocompatibility investigation of polyethylene glycol and ­alginate-poly-L-lysine for islet encapsulation. ASAIO J. 56:241-245. 16 Tam SK, Dusseault J, Bilodeau S, Langlois G, Halle JP, and Yahia L (2011) Factors influencing alginate gel biocompatibility. J. Biomed. Mater. Res. A 98:40-52. 17 de Vos P, Spasojevic M, de Haan BJ, and Faas MM (2012) The association between in vivo physicochemical changes and inflamma­tory responses against alginate based ­microcapsules. Biomaterials 33:5552-5559. 18 Elliot RB Microencapsulated Neonatal Porcine Islet Implants Alleviate Unaware ­Hypoglycaemia without Immune Suppression. IPITA World Congress. 6-6-2011. Abstract 19 Schaffellner S, Stadlbauer V, Stiegler P, Hauser O, Halwachs G, Lackner C, Iberer F, and Tscheliessnigg KH (2005) Porcine islet cells microencapsulated in sodium cellulose ­sulfate. Transplant. Proc. 37:248-252. 20Lohr M, Hoffmeyer A, Kroger J, Freund M, Hain J, Holle A, Karle P, Knofel WT, Liebe S, Muller P, Nizze H, Renner M, Saller RM, ­Wagner T, Hauenstein K, Gunzburg WH, and Salmons B (2001) Microencapsulated cell-­ mediated treatment of ­inoperable pancreatic carcinoma. Lancet 357:1591-1592. 21Lohr M, Kroger, J, Hoffmeyer A, Freund M, Hain J, Holle, A, Karle, P, K ­ nofel WT, Liebe S, Muller P, Nizze H, Renner M, Saller RM, Müller P, Wagner T, Hauenstein K, Salmons B and Günzburg WH (2003) Safety, feasibility and clinical benefit of ­localized chemotherapy using microencap­sulated cells for inoperable pancreatic carcinoma in a phase I/II trial. Cancer Therapy 1:121-131. 22 Salmons, B, Hauser O, Günzburg WH and Tabotta W (2007) GMP Production of an Encapsulated Cell Therapy Product: Issues and Considerations. Bioprocessing Journal 6:37-44. Literatur 1Sun AM, Parisius W, Healy GM, Vacek I, and Macmorine HG. (1977). The use, in diabetic rats and monkeys, of artificial capillary units containing cultured islets of Langerhans (artificial endocrine pancreas). Diabetes 26:1136-1139. 2Maki T, Lodge JP, Carretta M, Ohzato H, Borland KM, Sullivan SJ, Staruk J, Muller TE, Solomon BA , Chick WL (1993) Treatment of severe diabetes mellitus for more than one year using a vascularized hybrid artificial pancreas. Transplantation 55:713-717. 3Scharp, DW, Swanson CJ, Olack BJ, Latta PP, Hegre OD, Doherty EJ, Gentile FT, Flavin KS, Ansara MF, and Lacy PE (1994) Protection of encapsulated human islets implanted without immunosuppression in patients with type I or type II diabetes and in nondiabetic control subjects. Diabetes 43:1167-1170. 4Colton CK (1995) Implantable biohybrid ­artificial organs. Cell Transplant. 4:415-436. 5Brauker J, Martinson LA, Young SK and Johnson RC (1996) Local inflammatory response around diffusion chambers containing ­xenografts. Nonspecific destruction of tissues and decreased local vascularization. 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Die aktuelle Inzidenz für Österreich liegt bei 17,5/100.000, dies bedeutet einen Anstieg von DM1 in Österreich um ca. 5 – 6 %/Jahr. Bemerkenswerter Weise nimmt das Manifestationsalter ab, die Anzahl der unter 5-jährigen mit DM1 steigt rapide. Die zerebrale Entwicklung gerade in dieser Altersgruppe unterliegt einer regen Dynamik, die konstante und regelmäßige Bereitstellung von Glukose als Energiequelle ist für das menschliche Gehirn unerlässlich. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass bei Kindern mit DM1 funktionelle und strukturelle zerebrale Veränderungen beobachtet und beschrieben werden. Je jünger desto höher das Risiko Einen wesentlichen Risikofaktor für die Entwicklung kognitiver Defizite stellt das Manifestationsalter dar. Je jünger die Pa­ tienten bei Erstmanifestation und je unreifer das Gehirn bei Diagnosestellung, desto höher das Risiko für kognitive Dysfunktionen. Erklärt wird dieses Risiko durch die Unreife des kindlichen Gehirns einerseits mit der Notwendigkeit der Ausbildung weiterer Synapsen sowie voranschreitender Myelinisierungsvorgänge, welche durch chronische Hyperglykämie gestört werden können. Andererseits liegt eine größere Vulnerabilität des noch unreifen Gehirns vor, sodass insbesondere bei schweren oder prolongierten Hypoglykämien mit Krampfanfall strukturelle Hirnschädi­ gungen auftreten bzw. provoziert werden können. ­ esamtperformanz, dies wurde in mehreG ren Studien unterschiedlichen Designs gefunden. Nachteile im Bereich Lernfähigkeit/-kapazität Exekutive Funktionen Milde Defizite der kognitiven Scores sind bei Kindern mit Diabetes hinsichtlich aller kognitiven Funktionen beschreiben. Kinder mit jungem Manifestationsalter unter 4 Jahren zeigten negative Beeinflussung insbesondere hinsichtlich Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und exekutiven Funktionen. In einer rezenten Metaanalyse weisen Autoren aus Italien daraufhin, dass Kinder mit schweren Hypoglykämien im Vergleich zu Kindern mit Diabetes ohne Hypoglykämien vor allem hinsichtlich Merk- und Lernfähigkeit/-kapazität Unterschiede zeigten. Schlechtere Performance nach 6 Jahren Nach einer Beobachtungsdauer von 6 Jahren zeigten Kinder mit Diabetes (trotz initialer Vergleichbarkeit ihrer kognitiven Leistungen mit der gesunden Kontrollgruppe) eine schlechtere Performanz hinsichtlich Intelligenz, Langzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und exekutiven Funktionen. Wobei Kinder mit früher Diabetesmanifestation vor dem 4. Lebensjahr besonders für die 3 letztgenannten Parameter Defizite zeigten. Verbaler IQ scheint stärker durch ­Diabetes beeinträchtigt zu sein, als die Zur Person Priv.-Doz. Dr. Sabine Hofer Department Kinder- und Jugendheilkunde Universitätsklinik für Pädiatrie I Medizinische Universität Innsbruck Anichstraße 35 6020 Innsbruck Fax: ++43/512/504-25450 E-Mail: [email protected] 8 11/2012 © Springer-Verlag Insbesondere exekutive Funktionen spielen bei Diabetes mellitus Typ 1 eine ­wichtige Rolle. Die effektive Erfüllung der täglichen therapeutischen Arbeit (Blut­ zuckermessung, Insulinberechnung und -injek­tion, Dokumentation der Diabetes­ parameter, Planung der Dosis für sport­ liche Aktivitäten etc.) sind einige kognitive Fähigkeiten notwendig. Darunter fallen die Organisationsfähigkeit, Problemlösung, Planung sowie Aspekte des Arbeitsgedächtnisses und der Inhibitionskontrolle – zusammenfassend als exekutive Funk­ tionen bezeichnet. Diese exekutiven Funktionen können bei der Bewertung des klinischen Diabetesmanagements hilfreich sein. Höhere Werte bei Prüfung der exekutiven Funktionen und bessere metabolische Kontrolle im Sinne niedriger HbA1c Werte gehen mit einer besseren Compliance einher. Exekutive Funktionen können also die Einhaltung von Behandlungsschemata positiv beeinflussen. Vermeidung von Hypoglykämien Ob die genannten Veränderungen und Defizite auf schwere Hypoglykämien mit Krampfanfällen zurückzuführen sind oder die mit Diabetes assoziierte chronische Hyperglykämie verantwortlich zeichnet, ist schwierig zu differenzieren, aus der bisher vorliegenden Studienlage schwer abzuleiten. Beiden, sowohl der chronischen Hyper­ glykämie als auch akuten Hypoglykämie, sind Kinder im Laufe ihrer Diabeteserkrankung ausgesetzt, wobei die Vermeidung von Hypoglykämien – prolongierte, nächtliche, unbemerkte, ohne und mit Krampfanfällen – als oberstes Therapieziel der pädiatrischen Diabetologie gilt. Die chronische Hyperglykämie dürfte in den Phasen der aktiven Hirnreifung die Mye­ linisierung und Regulation der Neurotransmitter beeinflussen und über diese wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Mechanismen zu Störungen der Hirnentwicklung und der neurokognitiven Entwicklung führen, sodass eine strikte meta­ bolische Kontrolle mit niedrigen HbA1c Werten (kleiner 7,0 %) auch in jungen ­Altersgruppen anzustreben ist. Zusammenfassend Eine frühe Diabetesmanifestation in jungen Lebensjahren scheint per se – unab- hängig vom Auftreten hypoglykämer Krampfanfälle – ein Risikofaktor für neuro­ psychologische Komplikationen zu sein. Diese Erkenntnis, gepaart mit dem Wissen um die Gefahr schwerer Hypoglykämien und chronischer Hyperglykämien, ist in der Therapie von Klein- und Schulkindern mit Diabetes wichtig. Das Therapieziel für diese Altersgruppe definiert sich im Er­ reichen der niedrigst möglichen HbA1cWerte unter Vermeidung schwerer Hypo- glykämien – eine Gratwanderung, welche im klinisch therapeutischen Alltag pädiatrische Diabetologen und Eltern gleichermaßen fordert. ■ Literatur 1 Northam et al. (2001) Diabetes Care 2 Gaudieri et al. (2008) Diabetes Care 3 Mc Nally et al. (2010) Diabetes Care 4 Blasetti et al. (2011) J Child Neurol 5 Kaufmann et al. (2012) J Ped Neuroradiology 6 Schober E et al. (2009) J Pediatrics Arnold von Eckardstein, Zürich Possible mechanisms underlying the increased risk of diabetes mellitus associated with statin treatment The pathogenic role of dyslipidemias in DM Epidemiological, pathophysiological and clinical evidence suggest that dyslipidemias play an important pathogenic role in the development of both atherosclerosis and diabetes mellitus type 2 (T2DM). LDL-cholesterol lowering by the use of statins has become one of the most successful developments in preventive medicine since they help to reduce coronary heart disease (CHD) event rates by up to 50 % in the highest dosage [1]. However as the flip-side of the coin, at least 50 % of CHD events are not prevented despite state of the art treatment. Moreover, patients receiving statins show a significant increase in the incidence of T2DM [2]. The diabetogenic effect of statins is dose-­ dependent [3] and most strongly exerted in pre-diabetic patients with components of metabolic syndrome, that is overweight or obesity, glucose intolerance, elevated blood pressure, hypertriglyceridemia and low high density lipoprotein cholesterol (HDL-C) [4]. Despite these findings opinion leaders continue advocating current guidelines to lower LDL-C as much as possible in patients with MetS or T2DM [5] primarily because the benefit of CHD reduction outweighs the risk of T2DM development, but also because of lacking therapeutic alternatives. Nevertheless it is important to understand the mechanisms by which statins increase the risk of T2DM, also because novel strongly LDL-C lowering drugs such as PCSK9 inhibitors are in clinical development. In principle, statins may increase the risk of diabetes mellitus either by inhibiting cholesterol synthesis Correspondence Arnold von Eckardstein, MD University Hospital Zurich Institute of Clinical Chemistry Raemistrasse 100 8091 Zurich Switzerland E-mail: [email protected] wmw skriptum © Springer-Verlag or by increasing LDL uptake into betacells. Probably both mechanisms are operative. LDL and beta cell function In isolated human and murine islets LDL decreased maximal glucose-stimulated insulin secretion (GSIS) already in the normocholesterolemic range. LDL appe­ ared to affect the secretory machinery rather than the production of insulin [6]. Moreover and interestingly maximal GSIS from islets of LDL-receptor (LDLR) knockout mice was not impaired so that the LDL receptor appears to play a central role in mediating the adverse effects of LDL on insulin secretion [6]. These ex vivo observations were confirmed and extended by in vivo studies of Kruit and colleagues [7]: They induced or aggravated hypercholesterolemia in wild type-, apoE- or LDLRknock-out mice by feeding a cholesterolrich Western type. ApoE-/- mice but not LDLR-/- mice showed increased cholesterol content in β-cells, reduced GSIS and the occurrence of hyperglycemia. In agreement with an important role of the LDLR for mediating the deleterious effects of LDL on β-cell function, patients with heterozygous familial hypercholesterolemia were reported to be at reduced risk for developing diabetes mellitus 11/2012 9 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft [8, 9]. Statins may enhance increase risk of diabetes by increasing the uptake of LDL into beta-cells via the LDL receptor. The resulting changes in cellular cholesterol homeostasis may impair the secretion of insulin. In addition to its anti-secretory effects, LDL decreased the proliferation of β-cells [6, 10, 11] in an LDL-receptor independent way. High concentrations but not normal concentrations of LDL were also found to induce apoptosis of β-cells. [6, 11]. Possibly it is also oxidized rather than native LDL induces apoptosis of β-cells [10]. Effects of cholesterol homeostasis on insulin secretion Several interferences with the cholesterol metabolism of β-cells were found to modulate the formation, intracellular trafficking and exocytosis of insulin secreting granules (ISGs) [12 – 14]. However, the underlying mechanisms are as yet little understood, also because several interventions in the cholesterol homeostasis of β-cells produced at first sight controversial results, so that the functionality of β-cells in insulin secretion does not simply depend on too little or too much of cholesterol: On the one hand over-expression of SREBP2, which increases both cholesterol biosynthesis and LDL-receptor mediated uptake of cholesterol, caused a diabetic phenotype by compromising the development of β-cells and inhibiting both basal and glucose induced insulin secretion [15]. Likewise, islets of apoE-/- mice, which are exposed to high cholesterol levels, secrete less insulin than islets of wild type mice [16]. Also in agreement with an inhibitory effect of cholesterol, insulin secretion is impaired by the knock-out of ABCA1 or ABCG1 from β-cells which interferes with cholesterol efflux from the plasma membrane [7, 17 – 19]. On the other hand, however, both basal insulin secretion and GSIS were improved by the ad­ dition of cholesterol biosynthesis inter­ mediates to β-cells [20] but impaired by interference with cholesterol biosynthesis with inhibitors of HMG CoA reductase or squalene epoxidase [20, 21]. These at first sight controversial findings on the regulatory role of cholesterol in β-cells may be explained by different proor anti-secretory effects depending on their subcellular localization. In fact β-cells distinguish themselves from other cells by a relatively high intracellular concentration of unesterified cholesterol 10 11/2012 since the large number of about 9’000 granules in a single β-cell generates a surface area which is 4 to 5 times larger than that of its plasma membrane [19]. Finely tuned cholesterol concentrations in both the membranes of ISGs and the plasma membrane appear to be crucial for regular insulin secretion. In general a relatively high concentration of cholesterol appears to be needed in the ISGs so that they are regularly formed and transported from the Golgi apparatus to the plasma membrane [22]. Also the docking of the ISGs to the plasma membrane requires the presence of cholesterol [23]. However, the final events preceeding the exocytosis of ISG’s, appear to be facilitated by low concen­ trations of cholesterol in the plasma ­membrane, such as the occurrence of ­glucokinase, which is the key sensor of glucose levels in β-cells and hence major regulator of insulin secretion, glucose-induced F-actin reorganisation, and membrane depolarization are inhibited in the presence of increased cholesterol levels in the plasma membrane [22]. Interpretation Initially, in the WOSCOP study treatment of severely hypercholesterolemic patients with pravastatin was found to reduce the incidence of diabetes mellitus [24]. Later statin trials, most of which included patients with either moderate hypercholesterolemia or even normocholesterolemia did not prove this anti-diabetic effect of statins but rather found a moderately increased incidence of diabetes mellitus­ [2 – 4]. One explanation for these partially controversial findings may be different uptake of the various statins by β-cells. The hydrophilic pravastatin may be little efficiently taken up by β-cells and hence exert little effect on cholesterol biosynthesis in β-cells, whereas lipophilic statins are internalized and inhibit HMG-CoA reductase [21]. In the latter case, the decreased availability of biosynthetic cholesterol may interfere with the formation and trafficking of ISGs. It may also up-regulate LDL receptor expression and hence uptake of exogenous cholesterol which interferes with the exocytosis of maturated ISGs located at the plasma membrane. This pro-diabetic effect of lipophilic statins may become especially relevant in the treatment of normocholesterolemic patients for example enrolled into the JUPITER trial [25]. In this situation the extracellular lowering of the antiproliferative or even pro-apoptotic LDL © Springer-Verlag has little anti-diabetic effect compared to the anti-secretory and hence pro-diabetic effect of inhibited cholesterol biosynthesis and enhanced LDL uptake. By contrast, in the severely hypercholesterolemic WOSCOP population [24] the lowering of anti-proliferative and perhaps also pro-apoptotic LDL may have been of bigger importance, also because the hydrophilic pravastatin is little or not taken up by β-cells. Outlook: anti-diabetogenicity of HDL Several epidemiological studies have shown that low plasma concentrations of HDL-C are associated with increased risk of T2DM [26]. Traditionally, the low HDLC level in pre-diabetic patients has been interpreted to be the result of insulin resistance and hence an innocent bystander of T2DM. However, several more recent clinical studies as well as in vitro and in vivo experiments suggest that HDL is important for maintaining glucose homeostasis via both insulin-dependent and -independent pathways in type 2 diabetes mellitus [12, 13]. The infusion of artificially reconstituted HDL was found to improve glycaemia in patients with T2DM [27]. In a post hoc analysis of data from diabetic participants in the ILLUMINATE trial, the addition of the CETP inhibitor torcetrapib to atorvastatin was found to increase HDL-C and to improve glycemic control [28]. Moreover, several studies suggest that HDL is important for maintaining glucose homeostasis via both insulin-dependent and -independent pathways in type 2 diabetes mellitus [12, 13]. It is known that HDL enhances glucose-stimulated-in­ sulin secretion [12, 13, 29], reverses the detrimental effects of oxidized LDL- on beta cells, and inhibits LDL- as well as ­IL1beta- or tapsigargin-stimulated beta cell apoptosis [6, 30]. In addition, HDL and apoA-I are known to promote glucose ­uptake and activate AMPK in primary ­human skeletal muscle cells and differentiated adipocytes by an insulin-independent way [27, 31, 32]. In addition, oxidative metabolism is increased through phosphorylation of acyl-CoA-carboxylase skeletal muscle following the treatment of HDL [27]. These observations make HDL an interesting ­target not only for prevention of cardiovascular disease in diabetic patients but also for prevention of diabetes manifestation in pre-diabetic patients with increased risk of diabetes, that is ­metabolic syndrome. ■ wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Literatur 1Baigent C, Blackwell L, Emberson J, ­Holland LE, Reith C, Bhala N, Peto R, et al. (2010) E ­ fficacy and safety of more intensive ­lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170,000 participants in 26 randomised trials. 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Es gilt die Anzeigenpreisliste 2012; Erscheinungsweise: 10x jährlich; Abonnement: WMW-Skriptum ist eine Beilage zur Wiener Medizinischen Wochenschrift (WMW); Bezugspreis pro Jahr: EUR 495, – zuzüglich MwSt. und Versandkosten; Verlagsort: Wien; Herstellungsort: Wien; Erscheinungsort: Wien; Verlagspostamt: 1210 Wien P.b.b.; ISSN Print: 1613-3803: Band 9, Heft 10/2012; Inhalte des „Wiener Medizinischen Wochenschrift Skriptums“ sind ab Oktober 2010 auch über die Zeitungsdatenbank der APA (http://www.defacto.at) abrufbar. Design: Wojtek Grzymala; Druck: Friedrich Vereinigte Druckereien- und Verlags GmbH & Co KG, Linz, Austria. Alle namentlich gekennzeichneten Beiträge spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Diese Beiträge fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Die Redaktion übernimmt keine Haftung für unaufgefordert eingesandte Manuskripte. 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Eigentümer und Copyright-Inhaber: © 2012 Springer-Verlag/Wien. Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. Beilage zur Wiener Medizini­ schen Wochenschrift 21–22/2012. wmw skriptum © Springer-Verlag 11/2012 11 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Christoph H. Säly und Heinz Drexel, Feldkirch Diabetes und Koronare Herzkrankheit Die Größenordnung des Problems Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die häufigste Todesursache in der westlichen Welt. Das Risiko eines heute gesunden 40-jährigen Mannes, im weiteren Verlauf seines Lebens eine KHK zu entwickeln, liegt bei fast 50 %. Diabetes mellitus ist ein Hauptrisikofaktor für KHK; das ohnehin bereits in der Gesamtbevölkerung hohe KHK-Risiko ist bei Patienten mit Diabetes um den Faktor 2-3 erhöht. Zwei Drittel der Patienten mit Diabetes sterben letztlich an einem kardiovaskulären Ereignis. Diabetes: Risikoäquivalent einer koronaren Herzkrankheit? Das hohe kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit Diabetes wird in den aktuellen Leitlinien berücksichtigt. Diabetes mellitus wird hier als Risikoäquivalent einer KHK betrachtet; das heißt, es wird davon ausgegangen, dass ein Patient mit Diabetes, der keine KHK hat, ein gleich hohes Risiko für zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse hat wie ein Patient mit bereits etablierter KHK. In der Tat gibt es epidemiologische Studien (unter anderem eine sehr berühmte, von S. Haffner 1998 im N Engl J Med veröffentlichte Arbeit), die ein ähnlich hohes kardiovaskuläres Risiko für Patienten mit Diabetes ohne etablierte KHK zeigen wie für Patienten mit KHK, die keinen Diabetes ­haben. Die Mehrzahl der veröffentlichten Studien unterstützt das Konzept der Risikoäquivalenz von Diabetes und KHK aber nicht, sondern legt nahe, dass das Risiko bei Diabetes doch nicht so stark erhöht ist wie bei bereits etablierter KHK. Unsere Arbeitsgruppe am VIVIT Ins­ titut am Akademischen Lehrkrankenhaus in Feldkirch konnte dazu eine Beobachtung machen, die helfen kann, die scheinbaren Diskrepanzen in der Literatur zu verstehen. Da Diabetes häufig ein Zustand der sich entwickelnden Atherosklerose ist, gingen wir von der Annahme aus, dass viele der in den epidemiologischen Studien als Diabetes-Patienten ohne KHK eingestuften Patienten in Wirklichkeit bereits eine KHK hatten, die nur noch nicht klinisch evident war. Die prospektive Untersuchung einer großen Kohorte von koronarangiographierten Patienten machte es uns möglich, das Risiko, das eine bereits bestehende KHK und das Diabetes per se bedingt auseinanderhalten. Wir fanden, dass jene Patienten mit Diabetes, die in der Koronarangiographie keine signifikante KHK haben, eine gute Prognose ­haben, die signifikant besser ist jene von Patienten mit KHK, die keinen Diabetes haben. Diabetes war in unserer Studie also nicht Risikoäquivalent einer KHK. Exorbitant hoch war das Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse aber bei Patienten mit der Kombination von Diabetes und KHK zu Studienbeginn. Diese Arbeit zeigt also, dass das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit Diabetes dann hoch ist, wenn bereits eine KHK besteht, dass es aber moderat gehalten werden kann, wenn es nur gelingt, die Entwicklung einer KHK überhaupt erst zu verhindern. Ein strenges kardiovaskuläres Risikomanagement ist also bei Patienten mit Diabetes bereits in der Primärprävention indiziert. Der Grund dafür ist aber nicht, dass Diabetes per se Risikoäquivalent einer KHK ist, sondern dass verhindert werden muss, dass Diabetes-Patienten in die Höchstrisikositua- Zur Person Univ.-Doz. Dr. Christoph H. Säly Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie/VIVIT Institut Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch Carinagasse 47 6800 Feldkirch Fax: + 43/5522/303 7533 E-Mail: [email protected] 12 11/2012 © Springer-Verlag tion der fatalen Kombination von KHK plus Diabetes überhaupt erst gelangen. Was können wir tun? Diabetes wird über die Blutglukosewerte definiert. Eine Senkung der Blutglukose als Maßnahme der kardiovaskulären Prävention erscheint deshalb naheliegend. Leider haben die diesbezüglichen Studien insgesamt eher enttäuschende Ergebnisse gezeigt. Erst über sehr lange Zeiträume scheint sich eine konsequente Glukosesenkung günstig auf das kardiovaskuläre Risiko auszuwirken. Sehr viel größer sind die Erfolge der Lipidtherapie. Eine sehr breite Evidenzbasis aus klinischen Studien zeigt, dass durch eine Senkung des LDL Cholesterins eine Senkung des kardiovaskulären Risikos bei Patienten mit Diabetes sowohl in der Primär- als auch in der ­Sekundärprävention möglich ist. Pro Senkung des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l (also um etwa 40 mg/dl) mit Statinen wird das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse um etwa 20 % gesenkt. Deshalb fordern die aktuellen Leitlinien der Österreichischen Diabetesgesellschaft ein LDL Cholesterin von < 70 mg/dl für alle Patienten mit Typ-2-Diabetes. Leider kann auch eine konsequente Senkung des LDL Cholesterins mit Statinen einen großen Teil der kardiovaskulären Ereignisse nicht verhindern. Auch unter Behandlung mit hochpotenten Statinen bleibt das Risiko bei Diabetes hoch. Das typische Dyslipidämiemuster bei Typ-2-Diabetes sind hohe Trigyzeride, niedriges HDL Cholesterin und kleine, dichte LDL Partikel. Arbeiten unserer Arbeitsgruppe zeigen, ­ dass dieses Dyslipidämiemuster bei Patienten mit Diabetes ein viel stärkerer Prädiktor für vaskuläre Ereignisse ist als das LDL Cholesterin, im Besonderen bei Diabetes-Patienten, die bereits ein Statin einnehmen. Mit der Nikotinsäure ist ein Medikament verfügbar, welches diese Dyslipidämie effizient behandeln kann. Die große laufende HPS2-THRIVE Studie untersucht, ob durch die zusätzliche Gabe von Nikotinsäure zu einer Statintherapie eine weitere Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erreicht werden kann. ■ wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Monika Lechleitner, Hochzirl Hypertonierisiko bei Diabetes Organoprotektive Therapie bevorzugt Diabetiker weisen häufiger als Nicht-Diabetiker hypertone Blutdruckwerte auf. Die Prävalenz der Hypertonie bei Typ-2-Diabetes beträgt bis zu 60 % und zeigt eine Korrelation zum kardiovaskulären Risiko und zur Entwicklung mikrovaskulärer Spätkomplikationen [1]. Subanalysen der Framingham Studie belegen, dass das Vorliegen einer Hypertonie bei Diabe­ tikern mit einer Zunahme des kardiovaskulären Risikos um 57 % und der Gesamtmortalität um 72 % assoziiert ist. Als pathophysiologische Mechanismen, die zum Hypertonierisiko bei Typ-2-Dia­ betes beitragen, werden die Insulinresistenz, die Hyperinsulinämie, der erhöhte Sympathikotonus, eine Stimulation des intrarenalen Renin-Angiotensin Systems ­ und die h ­ ämodynamischen Veränderungen bei Adi­positas angeführt. Männer (n = 4.265) 44 Frauen (n = 4.549) 44 43 40 34 n = 8,814, Angaben in % 33 24 20 15 12 8 6 20 – 29 30 – 39 40 – 49 50 – 59 60 – 69 ≥ 70 Ford et al., JAMA 2002; 287:356-359 Abb. 1: Metabolisches Syndrom, Alter und Geschlecht Therapie nach Leitlinien Die antihypertensive Therapie erfolgt entsprechend den Leitlinien der nationalen und internationalen Fachgesellschaften [2]. Als Initialtherapie werden für den Diabe­ tiker im Hinblick auf organoprotektive Effekte Therapieregime, die ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker enthal­ ten, empfohlen [2, 3]. Als Ziel gelten Blutdruckwerte < 140/90 mm Hg, bei Vorliegen einer Albuminurie <130/80 mm Hg. Klinische Studien, wie die ACCORD Studie, und Meta-Analysen zeigten für die intensivere Blutdrucksenkung mit systolischen Werten unter 120 mmHg Vorteile hinsichtlich eines reduzierten Schlaganfallrisikos und einer geringeren Progression der Nephropathie. Die intensivere Blutdrucksenkung war da- bei jedoch mit einer Zunahme kardiovaskulärer Komplikationen und der Gesamtmortalität assoziiert [4]. Oft 2- und 3-fach Kombinationen nötig Für die klinische Praxis stellt häufig die Effektivität der antihypertensiven Therapie eine Herausforderung dar, denn nur rund 50 % der Diabetiker erreichen die empfohlenen Blutdruckzielwerte. Unter Bezugnahme auf die großen Interventionsstudien benötigen Diabetiker meist 2-und 3-fach Kombinationen antihypertensiver Substanzklassen, um eine adäquate Blutdrucksenkung zu erreichen. Zur Person Dir. Prim. Ao.Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner Innere Medizin Landeskrankenhaus Hochzirl Anna-Dengel-Haus 6170 Hochzirl Fax: ++43/5238/501-45054 E-Mail: [email protected] wmw skriptum © Springer-Verlag Bei Frauen bereits Prähypertonie gefährlich Frauen weisen – vor allem aufgrund der vaskulären Östrogeneffekte – niedrigere Blutdruckwerte als Männer auf. Die Manifestation eines Diabetes, die Diabetesdauer, Übergewicht und Adipositas, eine positive Familienanamnese, die Menopause und Rauchen korrelieren bei Frauen mit einem Anstieg der Blutdruckwerte. Aus der Literatur 10Ferrannini E, Cushman WC (2012) Diabetes and hypertension. Lancet 380:601-610 20Schernthaner G, Drexel H, Rosenkranz AR, Schernthaner GH, Watschinger B (2012) Antihypertensive Therapie bei Diabetes mellitus – Leitlinie der österreichischen Diabetesgesellschaft American Diabetes Association. Standards of Medical Care in Diabetes 2012. Diabetes Care 2012,35:S11-163 30Cooper-DeHoff RM, Gong Y, Handberg EM, Bavry AA, Denardo SJ, Bakris GL et al. (2010) Tight blood pressure control and cardiovascular ­outcomes among hypertensive patients with ­diabetes and coronary artery disease. JAMA 304:61-68 40Novak M; Björck L, Welin C, Manhem K, Rosengren A. Gender (2011) differences in the ­prevalence of metabolic syndrome in 50-yearold Swedish men and women with hypertension born in 1953. J Hum Hypertens 5 Fu M (2012) Hypertension in the elderly: Where are we? International J of Cardiol 155:6-8 11/2012 13 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Women’s Health Initiative ist bekannt, dass bereits bei einer Prähypertonie ein erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt, Schlaganfall, und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz, sowie eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität besteht. Entsprechend epidemiologischer Untersuchungen ist das metabolische Syndrom bei Männern häufiger als bei Frauen zu beobachten (Abb. 1). Eine rezente schwedische Studie beschreibt ­ ­unter Einbeziehung von 667 über 50-jäh­ rigen Probanden eine Prävalenz des meta- bolischen Syndroms bei 16 % der Männer und bei 10 % der Frauen. Frauen mit einer systolischen Hypertonie wiesen jedoch ein 7-fach erhöhtes Risiko für ein metabolisches Syndrom auf, Männer hingegen nur eine Zunahme um das 3-Fache [5]. Höhere Werte im Alter mendem Lebensalter an [6]. Im höheren Lebensalter korrelieren die systolischen Blutdruckwerte mit der kardiovaskulären Morbi­dität und Mortalität. Die Bludruckzielwerte erfordern vor ­allem beim älteren Pa­tienten eine Anpassung an die indivi­ duelle Situation und eine Berücksichtigung der potenziellen Nebenwirkungen der antihypertensiven Therapie. ■ Aufgrund der altersassoziierten degene­­ra­ tiven Gefäßveränderungen steigen die ­sys­to­li­­schen Blutdruckwerte mit zuneh- Martin Clodi, Wien Aktuelle Therapieschemata 2012 Breite Individualisierung der Zielwerte Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre war es notwendig, die gültigen Leit­ linien zu überarbeiten und generell eine Individualisierung der Diabetestherapie zu empfehlen. Die große Heterogenität der Erkrankung macht einerseits unterschiedliche Therapieziele, aber auch unterschiedliche therapeutische Ansätze erforderlich. Dieser Tatsache wird durch unterschiedlichste HbA1c-Zielwerte Rechnung getragen. Entsprechend der aktuell verfügbaren Datenlage sollten die HbA1c-Zielwerte möglichst individuell an den jeweiligen Patienten in einem Bereich zwischen 6,5 % – 8,0 % angepasst werden. Bei Patienten mit kurzer Diabetesdauer, langer Lebenserwartung und keiner relevanten kardiovaskulären Komorbidität ist ein HbA1c-Wert zwischen 6,0 % und 6,5 % anzustreben. Kann dieses Therapieziel nicht kompli- kationslos und ohne große Gefahr für Hypoglykämien erreicht werden, so ist auch ein HbA1c-Zielwert von 7 % zumindest für die Reduktion mikrovaskulärer Spätkomplikationen als ausreichend zu betrachten. HbA1c-Werte nötigenfalls bis 9,0 % PatientInnen mit mehreren schweren Hypoglykämien, eingeschränkter Lebenserwartung, multiplen Spätkomplikationen oder anderen Komorbiditäten profitieren entsprechend der verfügbaren Datenlage kaum von einer strikten Blutzuckerkon­ trolle. In diesem Patientenkollektiv sind HbA1c-Zielwerte bis zu 8 % als ausreichend zu bewerten, nötigenfalls bis 9,0 %. Neben dem HbA1c stellen die Nüchtern- und die prandiale Glukose sekundäre Richtgrößen dar. Dementsprechend sollte die Nüchternglukose unter 130 mg/ dl (ideal < 110 mg/dl) liegen bzw. die post- Zur Person Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel Universitätsklinik für Innere Medizin III Medizinische Universität Wien Währinger Gürtel 18 – 20 1090 Wien Fax: ++43/1/40593234-4306 E-Mail: [email protected] 14 11/2012 © Springer-Verlag prandiale Glukose (2 Stunden nach einer Mahlzeit) < 180 mg/dl sein. Nach wie vor stellt die Lebensstilmodifikation im Sinne von körperlicher Bewegung (zumindest 150 min/Woche) und dem Einhalten einer Diät eine der wichtigsten Therapiesäulen dar. Metformin stellt aufgrund der Reduktion makrovaskulärer Komplikationen auch in der überarbeiteten Leitlinie das Mittel der ersten Wahl dar. Verschiedene Kombinationstherapien Sollten innerhalb von 3 Monaten die mit dem Patienten definierten Therapieziele nicht erreicht werden, so ist eine Eskalation der Therapie in Erwägung zu ziehen. Da diese so individuell wie möglich erfolgen muss, werden prinzipiell unterschiedlichste Kombinationsmöglichkeiten empfohlen (Metformin + Sulfonylharnstoff, Met­ formin + Pioglitazon, Metformin + DPP IV Hemmer, Metformin + GLP-1 Agonist, bzw. Metformin + Basalinsulin). Im Sinne der zunehmenden Individualisierung der therapeutischen Ansätze sollten Faktoren wie Alter, Gewicht, Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankungen, Herzinsuffizienz, chronische Niereninsuffizienz, Leberfunktionsstörungen und Hypoglykämien bei der Auswahl der blut­ zuckersenkenden Substanzen unbedingt in Erwägung gezogen werden. wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Bei Versagen einer Kombinationstherapie ist ein Therapieversuch mittels Tripeltherapie zwar möglich, prinzipiell sollte aber auch ab diesem Zeitpunkt an den Beginn einer Insulintherapie gedacht werden. ler Parameter für den erfolgreichen Einsatz von Insulin ist die Verwendung von zielgerichteten Behandlungsalgorithmen. Unabdingbare Basis dafür sind die strukturierte Blutzuckerselbstkontrolle des Patienten sowie Zielvereinbarungen und Schulung. Insulintherapie Substanzabhängig sind einige Wirkstoffe bei Nierenfunktionsstörung anzupassen Generell stellt die Basalinsulintherapie eine einfache und gleichzeitig auch sichere Möglichkeit für den Einstieg in eine Insulintherapie dar. Kann unter dieser Therapie das individuell festgelegte Therapieziel nicht erreicht werden, so sollte je nach Wünschen und Bedürfnissen des Patienten eine Intensivierung der Therapie mit Hilfe eines zusätzlich verabreichten, prandialen Insulins oder mittels Mischinsulin erfolgen. Zentra- Neben der blutzuckersenkenden Therapie wird die hohe Wertigkeit eines multifaktoriellen Therapieansatzes (antihypertensive Therapie + lipostatische Therapie + Hemmung der Thrombozytenfunktion) durch die aktualisierte Leitlinie erneut hervorgehoben. Rezente Beobachtungsdaten bringen die medikamentöse Diabetestherapie in Zusammenhang mit Malignomen. Diese sind mit aller Vorsicht zu betrachten, da sie großteils nicht aus randomisierten, prospektiven Studien stammen. So zeigte sich im Gegensatz zu früheren Beobachtungen in der Origin Studie kein erhöhtes Karzinomrisiko für Insulin Glargin. Theoretische Risiken müssen in jedem Fall gegen den Nutzen einer adäquaten Stoffwechseleinstellung abgewogen werden. Metformin scheint möglicherweise sogar protektiv zu wirken. Die wesentlichste Neuerung der vorliegenden Leitlinie ist eine breite Individualisierung der Zielwerte bzw. der blutzuckersenkenden Therapie. Weiters geht die Leitlinie detailliert auf die immer komplexer werdende Auswahl des richtigen Therapeutikums ein. ■ Helmuth Brath, Wien Diabetesrisiko bei Frauen und Männern Unterschiedliche Gewichtung Zunehmende Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas sowie niedriger kardiovaskulärer Fitness führt bereits bei Kindern zu höheren Raten von Diabetes. Interessant ist, dass es schon in diesem Alter zu Geschlechtsdifferenzen zu kommen scheint: weibliches Geschlecht war in einer Untersuchung an 203 gesunden Kindern (mittleres Alter: 12,3 Jahre) unabhängig mit Insulinresistenz assoziiert [1]. Als spekulative Begründung nennen die Autoren, dass auf dem männlichen Geschlecht der phylogenetische Selektionsdruck e­ iner hohen körperlichen Fitness lag und eine niedrige Fitness entsprechend schlecht toleriert wird. Beim weiblichen Geschlecht wird der Selektionsdruck genannt, auch unter Nahrungsmittelknappheit reproduktiv sein zu können, dies könnte eine besondere Suszeptibilität auf chronische Übernutrition bedingen. Bestätigt wird diese Meinung z. B. durch die Beobachtung, dass Fitness bei übergewichtigen männlichen Schulkindern ein stärkerer Prädiktor von Nüchtern-Insulinspiegeln ist als bei weiblichen [2]. © WGKK Zur Person wmw skriptum Dr. Helmut Brath Interne - Diabetes Gesundheitszentrum Wien Süd Wienerbergstraße 13 1100 Wien Fax: ++43/1/60122-4310 E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag Adaptation in der Schwangerschaft Die physiologische endokrine Situation der Frau hat Einfluss auf den Energiehaushalt, aber auch auf die eventuelle Entstehung eines Diabetes mellitus [3]. Physiologischer Weise steigt in der Schwangerschaft die periphere Insulinresistenz, um die Ernährung des Föten auch bei schlechter Ernährungssituation zu gewährleisten. Diese maternale Insulinresistenz wird durch eine Adaption der Langerhans’schen Inseln, insbesondere der Betazellen, abgefangen. Charakteristisch ist ein Anstieg der Insulinbiosynthese, eine gesteigerte Glukose stimulierte Insulinsekretion und eine Zunahme der Betazellmasse. Bei ­fehlender oder insuffizienter Adaptation kann sich ein Gestationsdiabetes entwickeln [4]. Diese reduzierten Adaptationsmechanismen sind aber auch ein ausgeprägter Risikofaktor für die Entwicklung eines späteren Typ-2-Diabetes. Die Ur­ sache der reduzierten Adaptation ist nicht vollständig geklärt, eine verminderte Reaktion der Betazellen auf Hormone, insbe11/2012 15 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft sondere auf 17beta-Östradiol (E2) könnte aber eine entscheidende Rolle spielen. E2 erhöht in den Betazellen die Insulinbiosynthese, erhöht die Glukose stimulierte Insulinsekretion und spielt im Betazellüberleben eine Rolle [4]. Bei postmenopausalen Frauen kann Hormonersatztherapie die Diabetesinzidenz reduzieren [5]. Wie komplex die Zusammenhänge sind, zeigt anderseits, dass supraphysiologische Östrogendosierung die Glukosehomöostase negativ beeinflusst [6]. Risikofaktor frühe Menarche Weitere interessante Zusammenhänge zeigen z. B., dass eine frühe Menarche ein Risikofaktor für ein Metabolisches Syndrom ist. Dies kann nur teilweise von erhöhtem Body Mass Index (BMI) und schnellerer Gewichtszunahme erklärt werden. Die Anamnese einer frühen Menarche könnte somit helfen, Frauen mit erhöhtem Risiko leichter zu identifizieren [7]. Der Einfluss einer frühen Pubertät auf die Inzidenz des Metabolischen Syndroms ist allerdings auch bei Burschen/Männern nachgewiesen [8]. Die Existenz eines polyzystischen Ovarsyndroms (PCO) sollte unbedingt auch an Diabetes denken lassen [9]. Bei Männern ist niedriges Testosteron ein Risikofaktor Bei Männern zeigt sich ein epidemiolo­ gischer Zusammenhang zwischen nie­dri­ gen Testosteronspiegeln und der Häufig­keit von Typ-2-Diabetes. Niedrige Test­oste­ron­ spiegel haben eine prädiktive Aussagekraft eines Typ-2-Diabetes. Symptome können reduzierte Libido, aber auch reduzierte Knochendichte und v. a. reduzierte Mus­kel­masse sein. Die Sinnhaftigkeit e­iner ­An­drogensubstitution zur Diabe­tes­prä­ven­ tion und Unterstützung der antidiabetischen Therapie wird bei entsprechendem Androgenmangel diskutiert [10]. prädiktiv [11, 12]. Zumindest bezüglich Zigarettenrauchens steht diese Unter­ ­ suchung ­allerdings im Widerspruch zu einer frü­heren Studie in einer japanischen Population, bei der Zigarettenrauchen für Frauen ein stärkerer Risikofaktor war als bei Männern [13]. Fazit Es sind aber nicht nur humorale Faktoren, die das Diabetesrisiko bei Frauen und Männern unterschiedlich werden lassen. In der in Deutschland durchgeführten KORA-Studie waren Alter, Diabetes-Familienanamnese, BMI, Nüchternglukose und Rauchen bei Männern stärkere Prädiktoren des Diabetesrisikos, bei Frauen waren hingegen insbesondere der Zweistundenblutzucker im oralen Glukosetoleranztest und erhöhte Harnsäurewerte Zusammenfassend kann man sagen, dass das Diabetesrisiko bei Frauen und Männern zwar durch dieselben Risikofaktoren getriggert wird, die Gewichtungen aber unterschiedlich sind. Unterschiede sind auch durch die physiologisch differente endokrine Situation zu erklären, wobei Frauen prä- und postmenopausal unterschiedlich reagieren. Die wissenschaft­ liche Literatur zu diesem Thema nimmt zwar deutlich zu, ist aber in manchen Bereichen noch nicht konklusiv und noch weit davon entfernt, in prospektiver Art und Weise in die Gestaltung großer Studien systematisch ein­gebunden zu werden. Gesicherte Daten zum unterschied­ lichen Diabetesrisiko von Frauen und Männern sind bzw. wären für eine ziel­ gerichtete Diabetesprävention sehr wertvoll. ■ progestin on the incidence of diabetes in post­ menopausal women: results from the Women’s Health Initiative Hormone Trial. Diabetologia. 2004 Jul;47(7):1175-87. Epub 6Godsland IF (2005) Oestrogens and insulin secretion. Diabetologia. 2005 Nov;48(11):2213-20. Epub 7Stöckl D, Meisinger C, Peters A, Thorand B, Huth C, Heier M, Rathmann W, Kowall B, Stöckl H, Döring A (2011) Age at menarche and its ­association with the metabolic syndrome and its components: results from the KORA F4 study. PLoS One. 2011;6(10):e26076. Epub 8Widén E, Silventoinen K, Sovio U, Ripatti S, Cousminer DL, Hartikainen AL, Laitinen J, Pouta A, Kaprio J, Järvelin MR, Peltonen L, ­Palotie A (2012) Pubertal timing and growth influences cardiometabolic risk factors in adult males and ­females. Diabetes Care. 2012 Apr;35(4):8506. Epub 9Ehrmann DA. Metabolic dysfunction in pcos: Relationship to obstructive sleep apnea. Steroids. 2012 Mar 10;77(4):290-4. Epub 2011 Dec 8 10Ryan GJ, Jobe LJ (2011) Age-related androgen ­deficiency and typ 2 diabetes. J Pharm Pract. 2011 Jun;24(3):316-22. Epub 11 Meisinger C, Döring A, Stöckl D, Thorand B, Kowall B, Rathmann W. Uric (2012) acid is more strongly associated with impaired glucose regulation in women than in men from the general population: the KORA F4-Study. PLoS One. 2012;7(5):e37180. Epub 12Rathmann W, Strassburger K, Heier M, Holle R, Thorand B, Giani G, Meisinger C (2009) ­Incidence of Type 2 diabetes in the elderly ­German population and the effect of clinical and lifestyle risk factors: KORA S4/F4 cohort study. Diabet Med. 26(12):1212-9 13 Sairenchi T, Iso H, Nishimura A, Hosoda T, Irie F, Saito Y, Murakami A, Fukutomi H (2004) Cigarette smoking and risk of type 2 diabetes mellitus among middle-aged and elderly Japanese men and women. Am J Epidemiol. 160(2):158-62 KORA-Studie Literatur 1Curtis VA, Carrel AL, Eickhoff JC, Allen DB. Gender (2012) and race influence metabolic benefits of fitness in children: a cross-sectional study. Int J Pediatr Endocrinol. 2012; 2012(1): 4. Published online 15. doi: 10.1186/1687-9856-2012-4 2Allen DB, Nemeth BA, Clark RR, Peterson SE, Eickhoff J, Carrel AL (2006) Fitness is a stronger predictor of fasting insulin levels than fatness in overweight male middle-school children. J Pediatr. 2007;150:383–387. doi: 10.1016/j.jpeds. 12.051 3Kautzky-Willer A. et al. (2009) Wien Klin Wochenschr 121 (Suppl 5):S73-S76 4Nadal A, Alonso-Magdalena P, Soriano S, Ropero AB, Quesada I (2009) The role of oestrogens in the adaptation of islets to insulin resistance. J Physiol. 2009 Nov 1;587(Pt 21):5031-7. Epub 5Margolis KL, Bonds DE, Rodabough RJ, ­Tinker L, Phillips LS, Allen C, Bassford T, Burke G, Torrens J, Howard BV (2004) Women’s Health ­Initiative Investigators. Effect of oestrogen plus 16 11/2012 © Springer-Verlag wmw skriptum 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft Josef Niebauer, Salzburg Sport bei Diabetes mellitus Typ 1 Körperliche Aktivität und/oder strukturiertes Training Körperliche Aktivität und Sport sind Bestandteil eines gesunden und erfüllten Lebensstils. Tatsächlich ist eine gute ­ körper­liche Fitness der beste Schutz vor zahlreichen Erkrankungen und auch der stärkste prognostische Faktor für die Reduktion von Morbidität und Mortalität. Möglichst normale Jugend Gerade für Kinder und Jugendliche ist es wichtig trotz des DMT1 eine möglichst normale Jugend zu haben. So sollte das „Team“, welches aus dem Patient, dessen Eltern und den behandelnden Ärzten besteht, alles daran setzen, dem Kind die Möglichkeit zu geben am Schulsport, gerne aber auch am Vereins- und bei Wunsch auch Wettkampfsport teilzunehmen. Gerade Kinder treiben nicht etwa Sport aus gesundheit­ lichen Gründen, sondern werden motiviert durch Spaß, Spannung, Leistung, Erfolg, Können, Freundschaft, Kameradschaft und auch sportliches Aussehen. Getrübt wird beim Diabetiker die Freude auf den Sport durch einen Alltag, der von einer großen Planung geprägt ist, da die Nahrungszufuhr vor, während und nach dem Sport gut durchdacht und adäquat in Umfang und Zusammensetzung sein muss. Auch muss zu diesen Zeitpunkten mehrfach der Blutzucker kontrolliert werden, damit in Abhängigkeit vom angestrebten Trainingsumfang und der gewählten Intensität die Stoffwechsellage analysiert und darauf rechtzeitig reagiert werden kann. Je inten­siver der Sport wird, desto mehr muss auf einen Ernährungsplan, geeignete Sport­getränke und Snacks, aber auch auf eine intelligente Verabreichung von Insulin geachtet werden. Tabelle 1 Empfehlungen für die körperliche Aktivität • 3 – 7 Tagen pro Woche • 30 – 60 min/Tag • mindestens 2,5 h körperlich • submaximale Intensität (ca. 70 % der in einer maximalen Ergometrie ermittelten maximalen Herzfrequenz) • kontinuierliches Ausdauertraining, gerne aber auch Intervalltraining • Ausdauersport bevorzugen • prinzipiell ist jeder Sport besser als keiner! • Krafttraining 3 x 30 min/Woche Wenngleich es hierzu Studien und Empfehlungen gibt, so wird jeder Sportler auch durch Ausprobieren herausfinden müssen, wie er sich optimal auf das bevorstehende Training bzw. den Wettkampf einstellen kann. Gelingt dies, so steht auch einer Sportkarriere nichts im Wege. Tatsächlich gibt es zahlreiche Weltmeister und Olympiasieger, die einen DMT1 haben. Körperliche Aktivität und/oder Sport Körperliches Training und idealerweise Sport zählen zu den Säulen der nicht-medikamentösen Therapie des Diabetes mellitus Typ 1 (DMT1). Dabei bezeichnet „körperliche Aktivität“ jegliche Form der körperlichen Bewegung, die den Energiegrundumsatz durch einen zusätzlichen Energieverbrauch erhöht. Sport hingegen ist das gezielte, strukturierte Training. Trainingsempfehlungen Die Empfehlungen zum Trainieren (Tab. 1) basieren auf zahlreichen Studien, die wie- Zur Person Prim. Univ.-Prof. MBA DDr. Josef Niebauer Sportmedizin des Olympiazentrums Salzburg-Rif Institut für präventive und rehabilitative Sportmedizin Paracelsus Medizinische Privatuniversität Lindhofstraße 20 5020 Salzburg Fax: ++43/662/4482-4214 E-Mail: [email protected] wmw skriptum © Springer-Verlag derholt und überzeugend gezeigt haben, dass es durch körperliches Training zu einer Verbesserung der Stoffwechsellage, einer Steigerung der Insulinsensitivität, ­ Verringerung von kardiovaskulären Risikofaktoren, sowie geringerer Morbidität und Mortalität kommt. Darüber hinaus ist eine gute körperliche Fitness mit einem bes­ seren Wohlbefinden und einer besseren Lebensqualität assoziiert. Sport-induzierte Komplikationen Patienten mit DMT1 können prinzipiell jedem Sport nachgehen, wobei das Hauptaugenmerk auf einer möglichst hohen Sicherheit für den Patienten gerichtet wird. Wenngleich bei Sportarten wie z. B. Drachenfliegen bzw. Fliegen, Extrem-Klettern, Fallschirmspringen, Tauchen u. a. ein deutlich erhöhtes Risiko besteht, so werden auch diese Sportarten von Patienten mit DMT1 ausgeübt. Da es hier durch Hypo­ glykämien zu einer Eigen- und Fremdgefährdung kommen kann, müssen gerade diese Patienten besonders gut geschult werden und auf mögliche Komplikationen vorbereitet sein. Dabei sollte der Schwerpunkt auf einer Vermeidung von Stoffwechselentgleisungen (Hypoglykämien, Ketoazidosen) liegen. Es muss gelernt werden, dass Hypoglykämien am wirkungsvollsten dadurch vermieden werden können, dass vor dem Sport weniger Insulin als sonst üblich gespritzt wird. Dies setzt jedoch voraus, dass schon im Vorhinein bekannt ist wann und in welchem Umfang trainiert wird. Ist dies nicht möglich, so kann eine Hypoglykämie durch Kohlen­hydratzufuhr ggf. vor, wäh11/2012 17 40. jahrestagung der österreichischen diabetes gesellschaft rend oder nach dem Training vermieden werden. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen sind unerlässlich. Auch darf nicht übersehen werden, dass es auch Stunden nach dem Sport durch eine Umverteilung der zirkulierenden Glukose in die Muskulatur zu Hypoglykämien kommen kann. Auch die nächtliche Hypoglykämie kann durch eine intelligente Zufuhr von geeigneten Kohlenhydraten vermieden werden. Herrscht eine Hyperglykämie mit Glukosespiegeln von >13,9 mmol/l (> 250 mg/ dl) so darf nicht trainiert werden, da es zu einer Ketoazidose kommen kann. Erst wenn durch zusätzliches Insulinspritzen eine deutliche Verbesserung der Glukosespiegel erzielt wurde, kann mit dem Sport begonnen werden. Eine lediglich nach dem Sport auftretende Mikroalbuminurie wird im Wesentlichen als physiologisch angesehen. Diese 18 11/2012 kann selbst bei Gesunden durch einen Marathon bis auf das 8-fache erhöht sein, normalisiert sich aber in den folgenden Tagen. Das Ausmaß der Mikroalbumin­ urie lässt beim DMT1 durchaus auf die Qualität der Diabeteseinstellung rückschließen. Ein Nachweis von Ketonkörpern im Blut oder Urin findet sich bei vermehrter Fettoxidation in Folge eines absoluten Insulinmangels, Hungerzustands und v. a. mehrstündigen Ausdauerbelastungen. Findet sich ein positiver Ketontest nach Ausdauersport, so kann dies auch ein Hinweis auf eine normale Adaptation an die Ausdauerbelastung darstellen. Schlussfolgerung nur Unsicherheiten auf Seite der Lehrer und Trainer, sondern auch bei den Eltern und beim Diabetiker selbst. Durch eine gezielte Diabetikerschulung, die alle Beteiligten mit einschließt, sicher aber die Eltern und den Patienten im Fokus haben muss, wird der Umgang mit und das Vermeiden von Hypo- und Hyperglykämien gelernt. Bleiben in Folge dessen solche Episoden aus bzw. werden diese erfolgreich gemeistert, so führt dies nicht nur zu einer Steigerung des Selbstvertrauens, sondern auch der Selbstständigkeit und Autonomie des Patienten, was ihn in die Nähe eines „normalen“ Lebens bringt und die Lebensqualität bedeutend verbessert. Gesundes und lebenslanges Sporteln leistet hierzu einen bedeutenden Beitrag. ■ Möchte ein motivierter Diabetiker möglichst sportlich bleiben, so findet man nicht © Springer-Verlag wmw skriptum http://www.springer.com/journal/12545