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25.05.2011
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
25.05.2011
Geschäftszahl
2008/13/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte
Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers
Dr. Unger, über die Beschwerde des S, Rechtsanwalt in W, vertreten durch Dr. Martin Hahn und Dr. Christian
Stocker, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Herzog-Leopold-Straße 26, gegen den Bescheid des
unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 17. Dezember 2007, Zl. RV/3350-W/07, betreffend
Einkommensteuer für das Jahr 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 6. Juli 2007 zur Einkommensteuer 2006 veranlagt, brachte
gegen diesen Bescheid Berufung ein und führte aus, dass er neben Einkünften aus selbständiger Arbeit auch
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Vizebürgermeister erziele. Für die Jahre 2001 bis 2004 habe die
bezugsauszahlende Stelle die Sozialversicherungsbeiträge (Pensionsbeiträge) nicht von der jeweiligen
Höchstbemessungsgrundlage, sondern vom Bruttobezug berechnet. Nach Feststellung dieses Irrtums im Jänner
2006 seien durch den Arbeitgeber die zu viel einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von
17.387,31 EUR gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 abgerechnet und der gesamte Nachzahlungsbetrag sei nach dem
Tarif versteuert worden.
Wörtlich führte der Beschwerdeführer in seiner Berufung aus:
"Die nachgezahlten Sozialversicherungsbeiträge betreffen sowohl laufende Bezüge als auch Bezüge gemäß § 67
(1) EStG 1988 (13. und 14. Bezug). Da es sich hiebei um eine Nachzahlung für abgelaufene Kalenderjahre
neben dem laufenden Bezug handelt, ist u. E. bei der Abrechnung § 67 (8) lit. c EStG 1988 anzuwenden, da
keine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes vorliegt. In diesem Fall muss vor Anwendung des
Tarifes u.a. 1/5 des Nachzahlungsbetrages steuerfrei belassen werden."
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, woraufhin der Beschwerdeführer die
Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.
Im Vorlageantrag wies er erneut darauf hin, dass in Bezug auf die gegenständliche Nachzahlung keine
willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes vorliege und die Nachzahlung nicht nur laufende
Bezüge, sondern auch sonstige Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 betreffe. Bei einer korrekten Abrechnung
der Bezüge in den Jahren 2001 bis 2004 wäre der Beschwerdeführer besser gestellt gewesen als bei der im Jahr
2006 erfolgten Abrechnung. Allein für das Jahr 2004 ergebe sich eine "Verschlechterung" von 237,70 EUR. Der
Nachzahlungsbetrag betreffe die Jahre 2001 bis 2004, weshalb die finanzielle Einbuße des Beschwerdeführers
wesentlich höher sei. Es wäre eine unbillige Härte, wenn der Beschwerdeführer "aufgrund der Nachversteuerung
der irrtümlichen Fehlberechnung durch die bezugsauszahlende Stelle schlechter gestellt würde, als bei einer
korrekten Lohnabrechnung."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und begründete dies
wie folgt:
Es stehe fest, dass die Bezüge des Beschwerdeführers für die Tätigkeit als Vizebürgermeister dem
niederösterreichischen Landes- und Gemeindebezügegesetz unterlägen, welches normiere, dass für jeden
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Verwaltungsgerichtshof
25.05.2011
Kalendermonat, in dem die entsprechende Funktion ausgeübt werde, Pensionsbeiträge in Höhe von 11,75% des
Bezuges, einschließlich der Sonderzahlungen, bis zum Erreichen der Höchstbeitragsgrundlage des ASVG zu
entrichten seien. Fest stehe auch, "dass seitens der bezugsauszahlenden Stelle in den Jahren 2001 bis 2004 diese
Höchstbeitragsgrundlage irrtümlich nicht berücksichtigt wurde, sodass die Pensionsbeiträge zur
Pflichtversicherung vom tatsächlichen Bruttobezug in Abzug gebracht wurden". Nach Feststellung dieses
"Irrtums" im Jahr 2006 seien die zu viel einbehaltenen Pensionsbeiträge an den Beschwerdeführer ausbezahlt
worden.
Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die auf keiner willkürlichen Verschiebung des
Auszahlungszeitpunktes beruhten, seien Bezüge, deren rechtzeitige Auszahlung aus Gründen unterblieben sei,
die nicht im Belieben des Arbeitgebers stünden. Es müssten zwingende wirtschaftliche Gründe die rechtzeitige
Auszahlung verhindern. Im Schrifttum würden z.B. Nachzahlungen, die auf arbeitsgerichtlichen Entscheidungen
beruhten, Nachzahlungen auf Grund der im Arbeitszeitgesetz bzw. Arbeitsruhegesetz vorgesehenen Regelungen
über die Normalarbeitszeit und Nachzahlungen auf Grund von Liquiditätsengpässen des Arbeitgebers genannt.
Dass die gegenständliche Nachzahlung auf solche Gründe zurückzuführen sei, werde vom Beschwerdeführer
nicht dargetan.
Darüber hinaus sei von vornherein kein Anwendungsfall des § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 gegeben, weil die
Bruttobezüge des Beschwerdeführers in den Jahren 2001 bis 2004 in richtiger Höhe angesetzt worden seien. Die
bezugsauszahlende Stelle habe dem Beschwerdeführer nicht unrichtige - weil zu niedrige - Bruttobezüge
gewährt, sondern von den richtigen Bruttobezügen einen zu hohen Pensionsbeitrag einbehalten.
Für sonstige Bezüge, die nicht unter die Begünstigungen des § 67 Abs. 1 bis 8 EStG 1988 fielen, komme
nur die Besteuerung nach § 67 Abs. 10 leg. cit. in Frage. Dass es dadurch zu einer (geringfügig) höheren
Besteuerung komme, werde von der belangten Behörde nicht verkannt. Die Gesetzessystematik des § 67
EStG 1988 und der eindeutige Wortlaut des § 67 Abs. 10 leg. cit. ließen aber für eine abweichende (niedrigere)
Besteuerung der gegenständlichen Zahlungen keinen Raum.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung
einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid zunächst fest, dass die für den Beschwerdeführer
zuständige bezugsauszahlende Stelle in den Jahren 2001 bis 2004 "irrtümlich" zu hohe Pensionsbeiträge zur
Pflichtversicherung einbehalten und die zu viel einbehaltenen Pensionsbeiträge nach Feststellung dieses
"Irrtums" im Jahr 2006 an den Beschwerdeführer ausbezahlt hat. In weiterer Folge vertritt sie die Auffassung,
dass § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 im Streitfall nicht anwendbar sei, weil eine willkürliche Verschiebung des
Auszahlungszeitpunktes vorliege.
In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde die Rechtslage schon aus folgenden Gründen verkannt:
Laut angefochtenem Bescheid unterliegen die Bezüge des Beschwerdeführers aus der Tätigkeit als
Vizebürgermeister dem niederösterreichischen Landes- und Gemeindebezügegesetz, welches im § 22 Abs. 1
iVm § 10 normiert, dass für jeden Kalendermonat, in dem die entsprechende Funktion ausgeübt wird,
Pensionsversicherungsbeiträge in Höhe von 11,75% des Bezuges, einschließlich der Sonderzahlungen, bis zum
Erreichen der Höchstbeitragsgrundlage des ASVG zu entrichten sind. Bei den Pensionsversicherungsbeiträgen,
die von den Bezügen des Beschwerdeführers in den Jahren 2001 bis 2004 in Abzug gebrachten wurden, handelte
es sich demnach um Werbungskosten (Pflichtbeiträge im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. d EStG 1988).
Rückgezahlte Pflichtbeiträge stellen, wenn sie nicht ausschließlich auf Grund von selbständig ausgeübten
Tätigkeiten zu entrichten waren, gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2002,
BGBl. I Nr. 84/2002, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Bei der Auszahlung von Bezügen im Sinne
des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 hat die auszahlende Stelle gemäß § 69 Abs. 5 leg. cit. bis 31. Jänner des
folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84 leg. cit.) zur Berücksichtigung dieser Bezüge im
Veranlagungsverfahren auszustellen und an das Finanzamt zu übermitteln. In diesem Lohnzettel sind ein
Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 auszuweisen. Ein
vorläufiger Lohnsteuerabzug hat zu unterbleiben.
Der Zufluss von Bezügen u.a. gemäß § 69 Abs. 5 EStG 1988 bildet nach § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 einen
Tatbestand für die Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften, bei der ein Siebentel dieser Bezüge als
Bezug gilt, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern ist (§ 41 Abs. 4
letzter Satz EStG 1988).
Der angefochtene Bescheid, der auf diese Rechtslage offenbar nicht Bedacht nahm, erweist sich somit
schon deshalb als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG
aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II
Nr. 455/2008. Die Höhe des Ersatzes des Schriftsatzaufwandes (inklusive Umsatzsteuer) ist in der Verordnung
festgelegt.
Wien, am 25. Mai 2011
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