Schloss Eckartsau: Kaiser Karl auf dem Weg ins Exil

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Schloss Eckartsau:
Kaiser Karl auf dem
Weg ins Exil
Eckartsau war im Winter 1918/19 Schauplatz des
Abgesanges habsburgischer Macht: Das Jagdschloss
beherbergte für drei Monate den entmachteten letzten
österreichischen Kaiser Karl, bevor die kaiserliche
Familie den Weg ins Exil antrat.
Nachdem Karl am 11. November 1918 die Verzichtserklärung
unterzeichnet hatte, verließ er samt seiner Familie Schloss
Schönbrunn. Ein Konvoi von sieben Automobilen setzte sich in
Bewegung, der in der Nacht in Eckartsau eintraf.
Das Jagdschloss Eckartsau, östlich von Wien in den Donauauen
gelegen, war Teil des habsburgischen Privatbesitzkomplexes
im niederösterreichischen Marchfeld. Anders als Schönbrunn,
das als sogenannter hofärarischer Besitz mit dem Ende der
habsburgischen Herrschaft mehr oder weniger automatisch in
den Staatsbesitz der entstehenden Republik wechselte, blieb
das Privatvermögen der Habsburger vorerst noch im Besitz
der Dynastie.
Von gewissem strategischen Vorteil war auch die Nähe zur
ungarischen Grenze: Da Karl zunächst ja nur auf die Mitwirkung
an den Regierungsgeschäften in der österreichischen
Reichshälfte verzichtet hatte, hoffte er immer noch auf eine
Wiederherstellung seiner Herrschaft in Ungarn. Zwei Tage
später, am 13. November, traf jedoch eine ungarische
Delegation in Eckartsau ein und erwirkte von Karl eine
Verzichtserklärung. Eine formelle Abdankung verweigerte Karl
als König von Ungarn ebenso wie als österreichischer Kaiser.
Die Hoffnungen Karls auf eine rasche Restauration
habsburgischer Macht schwanden zunehmend, in Eckartsau
begann man sich auf einen schwierigen Alltag einzurichten. Die
allgemeine Versorgungskrise und Lebensmittelknappheit traf
nun auch die Familie Habsburg mit voller Wucht: Immerhin galt
es neben Karl und seiner Familie noch an die hundert Personen
des Gefolges zu versorgen. Das Jagdschloss war für einen
längeren Aufenthalt nicht gerüstet, die Heizmöglichkeiten waren
unzureichend. Als unter den Schlossbewohnern die Grippe
ausbrach, waren keine Medikamente vorhanden.
Im Jänner 1919 erschien Staatskanzler Renner unangemeldet in
Eckartsau, um Karl zu einer baldigen Ausreise zu bewegen, da
er ansonsten angesichts seiner Weigerung abzudanken mit
einer Internierung zu rechnen hätte. Renner wurde jedoch –
aus „protokollarischen Gründen“, wie es heißt – vom Exkaiser
nicht empfangen.
Ende Februar 1919 traf ein Offizier der britischen Armee im
winterlichen Marchfeldschloss ein: Oberst Edward Lisle Strutt
übermittelte dem österreichischen Exmonarchen eine
Solidaritätsadresse des englischen Königs Georg V., in der Karl
die „moralische Unterstützung“ der britischen Regierung
zugesichert wurde. Außerdem brachte Strutt eine Lieferung
dringend benötigter Lebensmittel und Medikamente mit.
Als schließlich die Schweiz ihre Bereitschaft äußerte, Karl und
seiner Familie Exil zu gewähren, organisierte Oberst Strutt die
Ausreise. Am 23. März war es soweit: Nach der Messe in der
Schlosskapelle wurde ein letztes Mal das „Gott erhalte“
angestimmt, danach fuhr Karl zum Bahnhof ins nahegelegene
Kopfstetten, wo die Zuggarnitur des kaiserlichen Hofzuges
wartete. Karl hatte darauf bestanden, „in allen Ehren“ den Weg
ins Exil anzutreten: Während der Fahrt trug Karl die Uniform
eines Feldmarschalls der ehemaligen k. u. k. Armee, die er erst
kurz vor dem Grenzübertritt gegen zivile Kleidung tauschte.
Am 24. März erreichte der Zug die österreichischschweizerische Grenze bei Feldkirch. Bevor Karl die Grenze
passierte, widerrief er im sogenannten „Feldkircher Manifest“
seine Verzichtserklärung und legte offiziellen Protest gegen
seine Absetzung ein. Danach verließ der letzte Herrscher aus
dem Hause Habsburg das Land.
Autor
Martin Mutschlechner
Literatur
Gordon Brook-Shepherd, Um Krone und Reich. Die Tragödie des
letzten Habsburgerkaisers, Wien 1968.
Peter Broucek, Karl I. (IV.). Der politische Weg des letzten
Herrschers der Donaumonarchie; Wien 1997.
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