Chronischer Mangel an Bewe

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WISSEN
Chronischer Mangel an Bewe
Eine große Übersichtsstudie konnte keine spezifische Wirkung der Homöop
Von Werner
Bartens
D
ie Popularität der Homöopathie
Dosis"
(sprich:
'
",.
folgt paradoxen Regeln: Je mehr
sich die angeblichen Belege für ihre Wirksamkeit verdünnen und verwässern, desto mehr Zustimmung erfährt die
Heilkunde nach dem Gleichheitsprinzip.
Je nach Umfrage stehen 50 bis 80 Prozent
der Deutschen der Homöopathie aufgeschlossen gegenüber. Jetzt hat die AIbeitsgruppe von Matthias Egger vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin
der Universität Bern den Befürwortern
der Globulisierung einen schwer verdaulichen Brocken hingeworfen: In der Fachzeitschrift Lancet kommen die Schweizer Epidemiologen zu dem Ergebnis,
dass die Therapie mit homöopathischen
Kügelchen und Essenzen nicht besser
wirkt als Plazebo - sprich: als ein Stückehen Zucker (Bd. 366, S. 726, 2005).
Seit der 1755 in Meißen geborene
Samuel Hahnemann 1796 die Homöopathie begründet und 1810 im "Organon
der rationellen Heilkunst" dargelegt hatte, ist seine Heilmethode umstritten. Hahnemann hatte postuliert, dass Ähnliches
durch Ähnliches geheilt werde - zur Therapie sollten AIzneistoffe gewählt werden, die ähnliche Symptome hervorriefen wie die Beschwerden der Patienten.
Verdünnt und geschüttelt, so Hahnemann, entfalteten homöopathische Rezepturen erst ihre Wirkung. Die Verflüchtigung des AIzneistoffes bezeichnete er
als Potenzieren und Dynamisieren.
Von Anfang an stand die Homöopathie
in der Kritik. Heinrich Heine legte einem
Brief eine "Salami in homöopathischer
nichts)
bei
- in
der Hoff-
nung, dass der Adressat davon satt werde. Heute ermitteln Kritiker, in welcher
homöopathischen Verdünnung sich rechnerisch kein Molekül mehr befindet und
welche Verdünnung einem Tropfen Wirkstoff im Atlantik entspricht.
Alles nur Hokuspokus? "Das ist sicher
nicht das Ende der Homöopathie", sagt
Matthias Egger über seine Studie. "Wir'
konnten nur keine spezifischen Effekte
dieser Behandlungsform
nachweisen."
Die Daten der Mediziner aus Bern sind
schwer zu widerlegen. Egger und sein
Team haben 110 homöopathische Studien aus der Fachliteratur gesucht 'und mit
110 Studien verglichen, in denen konventionell "schulmedizinisch"
behandelt
wurde. Die Schweizer achteten darauf,
!! dass beide Heilverfahren
auch an Vergleichsgruppen, die Plazebo bekamen, getestet wurden und die Probanden zufällig den jeweiligen Gruppen zugeordnet
wurden. Doch nicht nur dieses als randomisiert und plazebo-kontrolliert bezeichnete Studiendesign war vergleichbar. In
Nach Stoff und Verdünnung sortiert, lagern tausende Fläschchen beim Homöopat
den je 110 Studien der Homöopathen
und Schulmediziner wurden auch ähnliche Krankheitsbilder untersucht, darunter Atemwegsinfektionen
(19 Prozent),
Heuschnupfen (15 Prozent), gynäkologische Beschwerden (13 Prozent) und Magen-Darm-Leiden (11 Prozent).
Das Ergebnis: Homöopathische AIzneistoffe wirken kaum, schulmedizinische hingegen durchaus. In einer Analyse beschränkten sich die Mediziner auf
Studien mit vielen Teilnehmern und guter Qualität. Hier waren die Unterschiede noch größer; es handelte sich dabei
aber nur um acht homöopathische und
sechs konventionelle
Studien.
"Man
kann nicht beweisen, dass etwas überhaupt nicht wirkt", sagt Epidemiologe
Egger. "Aber wir konnten zeigen, dass
die Wirkung in Homöopathie-Studien
dem Plazebo-Effekt vergleichbar ist."
Klaus Linde hält Eggers Analyse zwar
für solide, "aber nicht, wie die Fachzeitschrift die AIbeit präsentiert hat". Linde
arbeitet am Zentrum für naturheilkundliche Forschung der TU München und hat
1997 selbst im Lancet eine Übersichtsar- ]
beit zur Homöopathie veröffentlicht. Seine damalige Schlussfolgerung: Die Wirkung der Homöopathie beruhe auf mehr "
als dem Plazeboeff,ekt. Jetzt sei er zwar .,
skeptischer. Er kritisiert aber, dass die
Herausgeber des Lancet in einem begleitenden Kommentar "das Ende der Homöopathie" beschwören und weitere Forschung zum Vergleich der Behandlungsformen für überflüssig halten (Bd. 366,
S. 690,2005). "Das ist ganz klar politisch
motiviert", so Linde.
Zur Kritik an der Fachzeitschrift gehört für Linde auch, dass die Schweizer
Epidemiologen nicht angeben mussten,
welche acht homöopathischen und sechs
konventionellen Studien sie als groß und
von guter Qualität gewertet haben. "Das
ist intransparent
und entspricht nicht
den Standards solcher Meta-Analysen",
sagt Linde. "Das war in der Tat eine Un-
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sen
hie nachweisen
ca-Markt führer DHU. Foto: Nina Luth
!rlassung" , bestätigt Egger und kündigt
n, die Daten in einer der nächsten Ausaben im Lancet nachzuliefern.
Die meisten Patienten, die von der Holöopathie überzeugt sind, schert der'
treit der Forscher wenig. "Das Ritual
:t heilsam, es liegt wohl an der Interaktin zwischen Arzt und Patient", glaubt
uch Matthias Egger. Schulmedizinern
Jllte hingegen der Komme~tar im Lan~t zu denken geben: Ärzte müssen ehreh gegenüber Patienten sein und ihnen
en fehlenden Nutzen der Homöopathie
icht verschweigen, steht dort. "Die Ärz! müssen aber auch ehrlich zu 'sich
!lbst sein", heißt es weiter, "ehrlich gemüber dem Versagen der modernen Meizin, die Bedürfnisse der Patienten nach
ersönlicher Betreuung zu erfüllen. "
~ der neuen Ausgabe des Magazins
Z Wissen (jetzt am Kiosk) finden Sie eien Bericht über die wissenschaftlichen
!rundlagen der Homöopathie
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