s Firmenberatung aktuell Dezember 2007 Ausgabe 12 | NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Freie Sanierung, Insolvenzplan oder Insolvenz? Der Inhaber einer traditionsreichen Maschinenfabrik war zuerst nicht erstaunt, als der Firmenkundenbetreuer seiner Hausbank ihn mit einem Kollegen bekannt machte, der zukünftig die Federführung in der Betreuung habe. Das Gespräch ergab, dass dieser neue Betreuer auch an einen anderen Vorstand berichtete; und zwar an den Vorstand, der für den marktunabhängigen Bereich verantwortlich war. Recherchen ergaben, dass es sich um einen »Intensivbetreuer« handelte. Sanierungssymptome aus Bankensicht Beim Unternehmen gab es verschiedene Entwicklungen, die zur Intensivbetreuung Veranlassung waren: • Linienüberschreitungen • rückständige Darlehensraten • Antrag auf Tilgungsaussetzung • ertragsmäßige und zeitliche Abweichungen zwischen den in Aussicht gestellten und tatsächlich eingegangenen Zahlungen • keine Ausnutzung von Skonti bei Verlängerung der Zahlungsziele • vermehrte Bankanfragen • verspätete Einreichung der Unterlagen • unbefriedigende Rating-Note Diese Signale hat die Hausbank natürlich aufgenommen und gehandelt. Der Intensivbetreuer beschäftigte sich zuerst mit der Frage, ob exogene Ursachen, die von außen auf das Unternehmen einwirken und nicht von diesem beeinflußt werden können, Veranlassung zu Fehlentwicklungen waren. Themen wie Marktsättigung, Preisverfall, Preissteigerung bei Rohstoffen, Zulieferern und Devisen sowie möglicherweise verändertes Kaufverhalten wurden erörtert. Exogene Krisenursachen lösen stets strategischen Anpassungsdruck für Unternehmen aus. Unternehmenskrisen ergeben sich daraus in der Regel erst dann, wenn Unternehmen nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend reagieren. Dieser Analyse folgte die Untersuchung nach endogenen Ursachen. Gab es Managementfehler oder Führungsschwächen? Fehlte ein aussagefähiges Controlling und ein Frühwarnsystem? Seite 1 © 2007 DSV | Dezember 2007 Ausgabe 12 | NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH s Firmenberatung aktuell Investitionen Intensivere Analysen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragssituation, in den Bereichen Absatz, Produktion und Märkte/Umsatz sowie Kosten, Beschaffung und Logistik führten zu einer Analyse des Gläubigerumfelds. Die unterschiedliche, unausgewogene Sicherheitenstruktur, stark unterschiedliche Kredithöhen und Risk Exposures sowie erkennbare Ziel- und Interessenkonflikte führten in Verbindung mit der bestehenden Lieferantenabhängigkeit zu der Erkenntnis, dass Sanierungsmaßnahmen für die Überlebensfähigkeit des Unternehmens ein zwingendes Erfordernis ist. Sanierung über ein Insolvenzverfahren? Bis zur Einführung der neuen Insolvenzordnung war Kern der Aufgaben der Insolvenzverwalter im Rahmen der Konkurs- bzw. Vergleichsordnung in der überwiegenden Anzahl der Fälle die Zerschlagung der insolventen Unternehmen. Zu diesem Zweck wurde die Hauptaufgabe darin gesehen, verfügbare Vermögenswerte zu veräußern. Nur in wenigen gelungenen Fällen kamen übertragende Sanierungen oder gerichtliche Vergleiche zustande. Mit der neuen Insolvenzordnung sowie deren Orientierung an der US-amerikanischen Sanierungspraxis entsprechend Chapter 11-Handhabung waren Insolvenzverwalter zunehmend fortführungsorientiert tätig. In zunehmendem Umfang ist es gelungen, auch aus Insolvenzen heraus Unternehmen zu verkaufen. Allerdings ist für die bisherigen Unternehmer erkennbar, dass sie in derartigen Situationen ihre Unternehmen in der Regel verlieren. Das Interesse ist darauf gerichtet, • das Überleben des Unternehmens und damit des Lebenswerks zu sichern, • mit einer erfolgreichen Sanierung das öffentliche Ansehen zu wahren, • sich von persönlichen Haftungstatbeständen zu befreien und • sich möglicherweise einen Beitrag zur Altersversorgung zu sichern. Auch wenn die Unternehmen in der Regel verloren sind: Bei der fortführungsorientier-ten Handlungsweise konnten diese Ziele zunehmend erreicht werden. Das liegt auch daran, dass es eine Vielzahl von Interessenten gibt, die an durch Insolvenzen bereinigten Unternehmen interessiert sind. Dazu zählen Marktteilnehmer wie Lieferanten, Kunden, Wettbewerber und Anrainer mit komplementären Produkten, Manager und letztlich auch institutionelle und private Investoren. Die Chancen können überdurchschnittlich gut sein, da es in der Regel gelingt, Substanz deutlich unterhalb des Verkehrswerts zu übernehmen. Für Geschäftswerte müssen in der Regel keine Zahlungen geleistet werden. Neben diesen »Prämien« in Form günstiger Konditionen können Know-how, Marken, Kundenstamm, Vertriebsstrukturen und häufig attraktive Produkte und/oder Produktionen eine Übernahme aus einer Sanierungssituation zu einem attraktiven Investment machen. Insolvenzplan Ob die in jüngster Zeit selbst bei »Großpleiten« nach der Insolvenzordnung möglichen Eigenverwaltungen im Rahmen des Insolvenzplans zukünftig größere Bedeutung haben werden, muss abgewartet werden. Skepsis hinsichtlich des Sanierungserfolges besteht insbesondere dann, wenn das alte Management nicht ausgetauscht wird. Gerade mittelständische Unternehmer finden das Insolvenzplanverfahren kompliziert und bürokratisiert. Bei dieser Negativeinschätzung erscheint es auch nicht erstaunlich zu sein, dass von nahezu 40.000 Unternehmensinsolvenzen lediglich etwa 100 als Insolvenzplanverfahren durchgeführt wurden. Seite 2 © 2007 DSV | Dezember 2007 Ausgabe 12 | NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH s Firmenberatung aktuell Investitionen Freie Sanierung Die freie Sanierung hat aus Sicht der Unternehmen und deren Entscheidungsträger stets Priorität, da damit bei anderen Marktteilnehmern kein Rufschaden verbunden ist. Gerade dieser Rufschaden wird befürchtet, da davon eine nachhaltige Geschäftsschädigung ausgehen kann. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Geschäftsschädigung können deutlich größer sein, als die Vorteile der durch das Insolvenzverfahren erreichten Entschuldung. In dieser Phase kommt den Bankpartnern eine dominierende Rolle zu, da auch bei freien Sanierungen in der Regel Beiträge der Banken unverzichtbar sind. Bevor sich Banken heute zu Beiträgen bei freien Sanierungen entscheiden, prüfen sie häufig vorab den Verkauf der Kredite an Dritte mit entsprechenden Abschlägen. Darüber hinaus wird eine Bank in der Regel eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellen, bevor weitergehende Entscheidungen getroffen werden. Wie hoch ist der Verlust, wenn das Engagement gekündigt und Sicherheiten verwertet werden? Welches Ertragspotential geht verloren, wenn über Sicherheitenverwertung der Kunde und damit das Ertragspotential bei der Unternehmensfortführung verloren geht? Letztlich müssen gerade lokale und regionale Banken auch auf ihr Ansehen achten. In jedem Fall ist es mit Ansehensverlusten verbunden, wenn eine Bank ein Unternehmen »in die Insolvenz treibt«. Deshalb sind Banken nach Prüfung der Sanierungsfähigkeit häufig gern bereit, Sanierungsbeiträge zu leisten. Diese können sehr unterschiedlich sein: • Umschuldungen mit der Zielsetzung, die Zins- und Tilgungsleistungen an die Kapitaldienstfähigkeit anzupassen; • Freigabe von Sicherheiten mit der Zielsetzung, dem Unternehmen andere Möglichkeiten der Liquiditätsschöpfung zu geben; • Verzicht hinsichtlich rückständiger Beträge und künftiger Zinszahlungen; • Umwandlung von Kreditforderungen in Mezzanine- oder Beteiligungskapital; • Verzicht auf Kapitalforderungen mit der Zielsetzung, vertretbare Verschuldungs-grenzen zu erreichen. Häufig werden im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen auch Besserungsscheine vereinbart. Fazit Ziel von Sanierungsmaßnahmen ist es stets, die Ertragsfähigkeit von Unternehmen sicherzustellen. Entschuldungsmaßnahmen sind häufig eine zwingende Voraussetzung für die Erreichung dieses Ziels. Eine Zielerreichung ist durch unterschiedliche Vorgehensweisen möglich. Das Entschuldungsvolumen kann quantifiziert werden – ebenfalls die mit der Sanierung verbundenen Kosten. Nicht quantifizierbar ist jedoch der mögliche Ansehensverlust bei Marktteilnehmern durch ein öffentliches Verfahren. Unternehmer, die ihr Unternehmen für die Familie erhalten wollen, sind gut beraten, wenn sie die Chance der freien Sanierung nutzen. Auch über dieses Verfahren kann die Eigenkapitalbasis von Unternehmen gestärkt werden. Qualifizierte Berater können dabei mitwirken, dass Unternehmerziele erreicht und gleichzeitig Unternehmen zu-kunftsfähig gestaltet werden. Karl A. Niggemann Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Wirtschaftsberater (IfW), Meinerzhagen [email protected] Seite 3 © 2007 DSV | Dezember 2007 Ausgabe 12 | NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH