Krebs im Mund- und Rachenraum Ein Diagnoseratgeber für Mediziner und Patienten Herausgeber: Aktionskreis Fanconi-Anämie e.V. www. fanconi.info KREBS IM MUND- UND RACHENRAUM - Ein Diagnoseratgeber für Mediziner und Patienten - ------------------------------------------------(in Anlehnung an die Empfehlung „Detecting Oral Cancer“ des U.S. DEPARTEMENT OF HEALTH AND HUMAN SERVICES, Bethesda, USA) Bearbeitung und Fotos: Dr. med. Wolfram Ebell, Charité, Berlin Mitarbeit: Werner Maier, München Satz und Layout: Cornelia Thron, Kronach Druck: setale. werbung. beratung. design. - www.setale.de Herausgeber: Aktionskreis Fanconi-Anämie e.V. www.fanconi.info Diese Broschüre wurde mit freundlicher Unterstützung von „Gemeinsam gegen Krebs e.V.“ - www.ggkev.de - erstellt. Die Broschüre kann unter folgender Adresse bezogen werden: Aktionskreis Fanconi-Anämie e. V., Siechenangerstr. 12, 96317 Kronach oder unter den regionalen Vereinsadressen (siehe „Über den Herausgeber“). Eine Online-Version dieser Broschüre finden Sie im Internet unter http://www.fanconi.info Kronach, November 2005 Vorkommen und Überlebensrate Ungefähr 5 Prozent aller Karzinome entfallen auf die Mundhöhle. Der Krebs der Mundhöhle steht weltweit an 6. Stelle der am stärksten verbreiteten, bösartigen Erkrankungen. Im Durchschnitt überlebt nur die Hälfte der von dieser Krankheit betroffenen Personen länger als fünf Jahre. Bei Fanconi-Anämie-Patienten ist das Risiko, Krebs im Mundbereich zu bekommen, um das 700fache erhöht. In der nicht von Fanconi-Anämie (FA) betroffenen Bevölkerung tritt diese Krebsform üblicherweise bei über 60jährigen auf, die Tabak oder Alkohol konsumiert haben, FA-Patienten können diese Krebsform bereits in einem Alter von durchschnittlich 28 Jahren bekommen, und zwar ohne, dass diese geraucht oder Alkohol getrunken haben. Die Wichtigkeit der Früherkennung Früherkennung rettet Leben Mit einer frühzeitigen Erkennung und einer rechtzeitigen Behandlung könnten die durch Krebs im Mundbereich verursachten Todesfälle dramatisch verringert werden. Die FünfJahres-Überlebens-Rate liegt bei den Patienten mit einem örtlich begrenzten Tumor zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei 76 % im Vergleich zu nur 19 % bei den Patienten, bei denen der Tumor bereits andere Körperbereiche befallen hat. Die Früherkennung von Mundkrebs ist oft möglich. Gewebeveränderungen im Mund als möglicher Hinweis für die beginnende Entwicklung eines Tumors (Präkanzerose) sind häufig leicht sicht- und fühlbar. Warnzeichen Läsionen, die auf die mögliche Entwicklung einer Krebserkrankung im Mundraum hinweisen können Es gibt zwei Läsionen, die Tumorvorstufen darstellen können, nämlich die sog. Leukoplakie (weiße Läsion) und Erythroplakie (rote Läsion). Obwohl seltener als die Leukoplakie, haben die Erythroplakie und Läsionen mit Bestandteilen einer Erythroplakie ein größeres Potential zur Entwicklung eines Tumors. Jede weiße oder rote Läsion, die nicht von selbst innerhalb von zwei Wochen abheilt, sollte nochmals untersucht und für eine Biopsie in Betracht gezogen werden, um eine endgültige Diagnose zu erhalten. Andere mögliche Anzeichen/Symptome von Mundkrebs Weitere mögliche Anzeichen/Symptome von Mundkrebs, über die Patienten berichten könnten, sind: ein Knoten oder eine Verdickung in den Weichteilen des Mundes Schmerzen oder ein Gefühl, dass etwas im Hals steckt Schwierigkeiten beim Kauen oder Schlucken Ohrenschmerzen Probleme, den Kiefer oder die Zunge zu bewegen Heiserkeit Taubheit der Zunge oder anderer Bereiche des Mundes eine Schwellung des Kiefers, die schlecht sitzende oder unangenehm werdende Zahnprothesen verursacht Wenn die oben aufgeführten Probleme länger als zwei Wochen anhalten, sollten eine gründliche klinische Untersuchung und die notwendigen Labortests durchgeführt werden, um eine endgültige Diagnose zu erhalten. Sollte es nicht möglich sein, eine Diagnose zu stellen, ist die Überweisung zu einem geeigneten Facharzt angezeigt. Risikofaktoren Tabak-/Alkoholkonsum Tabak und übermäßiger Alkoholkonsum steigern das Risiko für Krebs im Mund- und Rachenbereich. Tabak und Alkohol stellen zusammen ein viel größeres Risiko dar, als jede Substanz für sich allein. Sonnenlicht Sonnenlicht ist ein Risikofaktor für Lippenkrebs. Alter Mundkrebs ist typischerweise eine Krankheit älterer Menschen, gewöhnlich weil diese den Risikofaktoren länger ausgesetzt sind. Das Auftreten von Mundkrebs steigt beständig mit dem Alter und erreicht seinen Höhepunkt bei Personen zwischen 65 und 74 Jahren. Geschlecht Mundkrebs kommt bei Männern doppelt so oft vor wie bei Frauen. Viren Der Mundkrebs ist ähnlich wie der Speiseröhrenkrebs häufig assoziiert mit dem Humanen Papillom Virus (HPV), dem zusammen mit anderen Faktoren ein bahnender Effekt zukommen mag. WAS KANN DER ARZT TUN? Eine gründliche Untersuchung des Kopf- und Halsbereiches sollte zur Routine bei jeder fachärztlichen Untersuchung des Patienten gehören. Kliniker sollten bei Rauchern oder bei Patienten mit übermäßigem Alkoholkonsum besonders wachsam sein. Daraus ergeben sich die folgenden Grundregeln: ➢ UNTERSUCHUNG des Patienten Untersuchungsbeschreibung unter Verwendung der hier abgedruckten ➢ ERFRAGUNG von Alkohol- und Tabakkonsum des Patienten ➢ INFORMATION des Patienten über die Zusammenhänge zwischen Rauchen, Alkoholkonsum und Mundkrebs ➢ VERFOLGUNG des Patienten bei allen möglichen Anzeichen bzw. Symptomen von Mundkrebs, um eine endgültige Diagnose sicherzustellen Die Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung ist der standardisierten Munduntersuchungs-Methode entnommen, welche von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen wird. Sie erfordert ausreichende Beleuchtung, einen Mundspiegel, wie er für zahnärztliche Untersuchungen verwendet wird, zwei quadratische Mullkompressen (5 x 5 cm) und Handschuhe. Die Untersuchung dürfte nicht länger als 5 Minuten dauern. Untersuchungsüberblick Die Untersuchung wird durchgeführt, während der Patient sitzt. Alle herausnehmbaren Prothesen (Gebisse, Teilprothesen) oder Zahnschienen innerhalb des Mundraums werden entfernt, bevor die Untersuchung begonnen wird. Zuerst werden die Gewebe außerhalb des Mundbereiches (extraoral) und um den Mund herum (perioral) untersucht, dann folgen die Gewebe innerhalb des Mundes (intraoral). I. Die Extraorale Untersuchung Kopf-Halsbereich (Abb. 1): Die Beurteilung des extraoralen Bereichs beinhaltet eine Untersuchung des Gesichts, des Kopfes und des Halses. Das Gesicht, die Ohren und der Hals werden betrachtet und jegliche Asymmetrie oder Veränderungen der Haut wie Krusten, Risse, Geschwülste und/oder Verfärbungen notiert. Die regionalen Lymphknotenbereiche werden beidseitig betastet, um vergrößerte Lymphknoten zu entdecken. Wenn Vergrößerungen wahrgenommen wurden, sind deren Beweglichkeit und Konsistenz festzustellen. Eine empfohlene Untersuchungsreihenfolge der Lymphknoten Bereiche: ➢ vor den Ohren (präaurikulär) ➢ hinter den Ohren (postaurikulär) ➢ unterhalb des Unterkiefers (submandibulär) ➢ vorderer und hinterer Hals (zervikal) Abb. 1: Untersuchung von Gesicht, Lymphknoten und Lippen beinhaltet folgende II. Untersuchung der perioralen und inoralen Weichteile Das Untersuchungsverfahren für die Bereiche um den Mund und innerhalb des Mundes folgt einer siebenstufigen, systematischen Beurteilung ➢ der Lippen ➢ der Lippenschleimhaut ➢ der Mundschleimhaut ➢ des Zahnfleisches und der Zahnfleischtaschen ➢ der Zunge ➢ des Mundbodens ➢ des harten und weichen Gaumens LIPPEN: Beginnen Sie die Untersuchung damit, indem Sie die Lippen des Patienten sowohl in geschlossenem als auch im geöffneten Zustand betrachten. Notieren Sie Farbe, Gewebestruktur und jegliche Anomalie der oberen und unteren zinnoberroten Ränder. LIPPENSCHLEIMHAUT (Abb. 2 und 3): Führen Sie die optische Untersuchung der Lippenschleimhaut sowie des Oberkiefervorraums mit Lippenbändchen und des Unterkiefervorraums durch. Achten Sie auf Farbe, Gewebestruktur und jegliche Schwellung oder andere Anomalien der Schleimhaut und des Zahnfleisches in den Kiefervorräumen. Abb. 2: Untersuchung der Lippenschleimhaut oben Abb. 3: Untersuchung der Lippenschleimhaut unten Mundschleimhaut (Abb. 4 und 5): Heben Sie die Mundschleimhaut ab. Untersuchen Sie zuerst die rechte, dann die linke Mundschleimhaut vom Mundwinkel bis hinten zum vorderen Gaumenbogen. Notieren Sie jede Veränderung der Pigmentierung, der Farbe, des Gewebes, der Beweglichkeit und andere Anomalien der Schleimhaut und stellen Sie sicher, dass die Mundwinkel nicht von den Wangenabhaltern während des Zurückziehens der Wange verdeckt werden. Abb. 4: Untersuchung der Mundschleimhaut rechts Abb. 5: Untersuchung der Mundschleimhaut links ZAHNFLEISCH (Abb. 6): Untersuchen Sie zuerst die dem Mund bzw. den Lippen zugewandte Seite des Zahnfleisches und des Alveolarkamms, indem Sie am rechten hinteren Oberkiefer beginnen und dann dem Bogen zum linken hinteren Oberkiefer folgen. Gehen Sie hinunter zum linken hinteren Unterkiefer und folgen Sie dann dem Bogen zum rechten hinteren Unterkiefer. Anschließend untersuchen Sie die dem Gaumen bzw. der Zunge zugewandte Seite in gleicher Weise, wie Sie mit dem mundseitigen Zahnfleisch und Alveolarkamm verfahren sind und zwar von rechts nach links zunächst den Oberkieferbereich und dann von links nach rechts den Unterkieferbereich. Abb. 6: Untersuchung des Zahnfleisches ZUNGE (Abb. 7 – 10): Untersuchen Sie bei ruhig liegender Zunge und teilweise geöffnetem Mund den Zungenrücken auf jegliche Art von Schwellung, Geschwür, Belag oder Veränderung der Größe, Farbe oder Gewebestruktur. Notieren Sie außerdem das Muster der Papillen, welche die Oberfläche der Zunge bedecken, und untersuchen Sie die Zungenspitze. Der Patient sollte dann die Zunge herausstrecken und der Untersuchende sollte jede Anomalie in der Beweglichkeit oder der Position notieren. Untersuchen Sie mit Hilfe von Mundspiegeln den rechten und den linken seitlichen Zungenrand. Das Festhalten der Zungenspitze mit einem Stücke Gaze hilft dabei, die Zunge zur Gänze ausstrecken zu können und ist so für die Untersuchung der weiter hinten liegenden Bereiche der seitlichen Zungenränder hilfreich. Untersuchen Sie dann die Zungenunterfläche. Betasten Sie die Zunge, um Geschwülste entdecken zu können. Abb. 7: Untersuchung des Zungenrückens Abb. 8: Untersuchung der Zungenunterfläche Abb. 9: Untersuchung des rechten Zungenrandes Abb. 10: Untersuchung des linken Zungenrandes MUNDBODEN (Abb. 11 und 12): Untersuchen Sie bei immer Veränderungen in Farbe und Anomalien der Oberfläche. Tasten Sie den Mundboden mit Bereich der Schleimhäute oder abgetastet werden. noch angehobener Zunge den Mundboden nach Gewebestruktur, nach Schwellungen oder anderen beiden Händen nach Anomalien ab. Alle Gewebe im des Gesichts, die auffällig zu sein scheinen, sollten Abb. 10: Untersuchung des Mundbodens Abb. 12: Abtasten des Mundbodens GAUMEN: Drücken Sie bei weit geöffnetem Mund und nach hinten geneigtem Hals des Patienten den Zungenansatz mit einem Mundspatel behutsam herunter. Untersuchen Sie zuerst den harten und dann den weichen Gaumen. Untersuchen Sie sämtliche Gewebe des weichen Gaumens und des Mund- und Rachenraums. Läsionen im Mundraum bei denen der Verdacht auf eine Präkanzerose mit häufiger maligner Entartung besteht. In der Mundhöhle treten Präkanzerosen als nicht abwischbare, weißliche Läsion (Leukoplakie), als rötliche Läsion (Erythroplakie) und als Mischformen (ErythroLeukoplakie) auf. Klinisch werden Leukoplakien in eine homogene und nicht-homogene Leukoplakie unterteilt. Während die homogene Leukoplakie nur ein geringes Entartungsrisiko aufweist, sind die nicht-homogenen Formen – vor allem mit Erythroplakie oder Lokalisation im Bereich von Mundboden, Zunge und Unterlippe - mit einem höheren Risiko der bösartigen Entartung verbunden. Die Leukoplakie ist zu unterscheiden von Raucherleukokeratose und einem Pilzbefall (Soor). Lichen ruber planus, In folgenden Abbildungen werden Beispiele gezeigt: Leukoplakie der Zunge Leukoplakie der Wangenschleimhaut einer Leukoplakie der Zunge Erythro-Leukoplakie der Wangenschleimhaut Erythroplaktie der Haut Squamöses Zellkarzinom der Zunge Lichen planus Mundsoor Probeentnahme (Biopsie) Bei jeder oben beschriebenen Läsion, die in zwei Wochen nicht abheilt, sollte eine Biopsie und histologische Untersuchung angestrebt werden. Hierzu ist ein erfahrener Kieferchirurg, Hals-Nasen-Ohren Arzt oder Zahnarzt aufzusuchen. Eine Alternative stellt Schleimhautepithels dar. gegebenenfalls ein Bürstenabstrich des verdächtigen Das gewonnene Material sollte mit molekular-genetischen Methoden auf die typischen Merkmale einer Präkanzerose bzw. Krebszelle sowie auf das Vorhandensein eines Humanen Papillom Virus (HPV) untersucht werden. Weitere Informationen finden sich beim „Aktionskreis Fanconi-Anämie e.V.“ unter www.fanconi.info, im „Fanconi Anämie Handbuch“ unter www.fanconi.de oder im internationalen Handbuch „Fanconi Anemia: Standards for Clinical Care“ unter www.fanconi.org. Zusätzliche Hilfe bietet das „Deutsche Fanconi Anämie Register“ in Berlin unter Tel.: 030450 566014, Fax: 030-450 566919, Email: [email protected] oder die Zentrale des „Kompetenznetzwerks für Angeborene Störung der Blutbildung“ in Hannover unter www.bone-marrow-failure-syndromes.de. Ein europäisches Referenzlabor zur Analyse von Präkanzerosen bzw. squamösen Zellkarzinomen bei Fanconi Anämie Patienten existiert in Amsterdam unter folgender Anschrift: Dr. Ruud Brackenhoff, PhD Dept. of Otolaryngology Vrije Universiteit Medical Center Room AB114, P.O. Box 7057 NL-1007 MB Amsterdam NIEDERLANDE Tel.: +31-20-444 0953 Fax: +31-20-444-3688 Email: [email protected] Vorsorgekalender zur Dokumentation der ärztlichen und eigenen Untersuchungen des Mund- und Rachenraums. Datum Status der Kontrolle der Untersuchung Kontrolle durchgeführt von Vorsorgekalender zur Dokumentation der ärztlichen und eigenen Untersuchungen des Mund- und Rachenraums. Datum Status der Kontrolle der Untersuchung Kontrolle durchgeführt von Über den Herausgeber Der Aktionskreis Fanconi-Anämie e. V. Wurde am 11. Dezember 2004 in Kronach gegründet. Hier haben sich Eltern von Kindern mit Fanconi-Anämie (FA) und befreundete Familien zusammengeschlossen, um gemeinsam mit behandelnden Ärzten und der Wissenschaft neue Wege im Umgang mit der Krankheit zu finden. So tragisch diese auch verlaufen kann, so gibt es dich gerade inden letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung: aufgrund intensier Forschung im In- und Ausland, gestützt durch die Arbeit befreundeter Selbsthilfegruppen, sind die Lebenserwartung und die Lebensqualität von FA-Patienten im Verlauf der letzten Jahren deutlich gestiegen. Wenn Sie Informationen über die Erkrankung und dne Verein wünschen, nehmen Sie bitte Kontakt auf. Der Aktionskreis ist dezentral organisiert und hat Ansprechstellen über ganz Deutschland verteilt. Vorstand: Michael Schmidt Walkhof 6, 38533 Vordorf Tel.:05304/930216 Mail: [email protected] Hans-Georg Dahm Katernberger Str. 268 42113 Wuppertal Tel.: 0202/714808 Mail: [email protected] Öffentlichkeitsarbeit und Rechnungsführung: Cornelia Thron Siechenangerstr. 12 96317 Kronach Tel.: 09261/51787 Mail: [email protected] Jugendkontakte und Schriftführung: Heike Weise In der Elb 17 40229 Düsseldorf Tel.: 0211/215157 Mail: [email protected] Familiennetzwerk: Werner Maier Hans-Schweikart-Str. 7 81739 München Mail: [email protected] www.fanconi.info