EuGH-Rechtsprechungsübersicht März 2016 1. Taser International Rs. C-175/15 Înalta Curte de Casație și Justiție (Rumänien) 17. März 2016 Gegenstand Der rumänische Beklagte wird in Rumänien von einer Gesellschaft mit Sitz in den USA verklagt, obwohl der zwischen den Parteien bestehende Vertrag eine Gerichtsstandswahl zugunsten von US-amerikanischen Gerichten enthält. Ist dann das mitgliedstaatliche (rumänische) Gericht gem. Art. 23 Abs. 5, 24 Brüssel I-VO zuständig und kann sich nicht für unzuständig erklären, wenn der Beklagte die Zuständigkeit nicht bestreitet? Entscheidung Ja. Kommentar Wichtige Entscheidung für die Wahl eines Gerichtsstands außerhalb der EU (allerdings erging die Entscheidung nach der Brüssel I-VO, nicht nach deren Neufassung, die das Haager Gerichtsstandswahl-Übereinkommen umzusetzen sucht). 2. Ruijssenaars und Jansen Rs. C-145/15 & C-146/15, Raad van State (Niederlande) 17. März 2016 Gegenstand Im Vorabentscheidungsverfahren geht es um einen Streit zwischen Antragsstellern und dem niederländischen Staatssecretaris van Infrastructuur en Milieu, das die beantrage Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegen Fluggesellschaften wegen Flugverspätung aufgrund VO 261/2004 zurückgewiesen hat. Im Kern geht es um die Frage, ob bei einem Antrag bei der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde (Art. 16 VO) ein Anspruch auf Einschreiten besteht, damit die Fluggesellschaft angehalten wird, den antragstellenden Passagier für die Flugverspätung zu entschädigen. Entscheidung Nein, dazu ist die Behörde nicht verpflichtet. Kommentar Interessante Entscheidung bezügliche subjektiver Rechte im öffentlich-rechtlichen Bereich der Fluggastverordnung. (Es bietet sich an, die Besprechung dieser Entscheidung zusammen mit Rs. C-429/14 aus der Februar-Übersicht zu vergeben.) 3. Flight Refund Rs. C‑94/14 Kúria (Ungarn) 10. März 2016 Gegenstand Ein ungarischer Notar, der einen Europäischen Zahlungsbefehl gegen Lufthansa aufgrund der Entschädigung für eine Flugverspätung ausgestellt hat, beantragt beim vorlegenden Höchstgericht die Bestimmung des zuständigen nationalen Gerichts. Kann ein Europäischer Zahlungsbefehl, der nicht in Übereinstimmung mit VO 1896/2006 über das Europäische Mahnverfahren oder der von einer international unzuständigen Stelle erlassen wurde, kraft Amtes überprüft werden? Soll das Höchstgericht bei der Zuständigkeitszuweisung die Überprüfung berücksichtigen? Entscheidung - Prozedurale Fragen der Überprüfung sind lege fori zu beantworten. - Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten muss dafür das zuständige nationale Gericht bestimmt werden; andernfalls muss keine Überprüfung durchgeführt werden. Kommentar Interessant für den Umgang mit inkorrekten Europäischen Zahlungsbefehlen. 4. Safe Interenvios Rs. C-235/14 Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) 10. März 2016 Gegenstand In dem Verfahren geht es um die Entscheidungen von Banken, Konten eines Unternehmens aufgrund von Unregelmäßigkeiten (vorgeblich Geldwäsche) zu schließen. 1. Welche Grenzen setzt die Geldwäsche-RL 2005/60/EG den Banken und welche (bestimmten) Due Diligence-Verfahren dürfen Banken durchführen? 2. Widerspricht es der Datenschutz-RL 95/46/EG, wenn Banken nach mitgliedstaatlichem Recht verpflichtet sind, Kundendaten an Wettbewerber zu geben? Entscheidung 1. Banken müssen sich nach den Vorgaben der Aufsichtsbehörden richten und dürfen sich nicht an ihre Stelle setzen. Sie können trotzdem angemessene Due Diligence-Verfahren durchführen. 2. Das mitgliedstaatliche Recht muss hinsichtlich der europäischen Datenschutzvorgaben insbesondere einen legitimen Zweck verfolgen, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist, weil eine Art unwiderleglicher Generalverdacht besteht. Kommentar Es ist eine interessante Entscheidung für Banken und Bankenaufsicht im Bereich der Geldwäsche und des Datenschutzes, aber es ergeben sich keine grundsätzlichen privatrechtlichen Aspekte, die diskussionswürdig wären. 5. HeidelbergCement AG Rs. C-247/14 P (Rechtsmittelverfahren) 10. März 2016 Gegenstand Die Kommission hat auf Grundlage von Wettbewerbsregeln gem. Art. 18 RL 1/2003 bestimmte Unternehmen befragt, um potentielle Wettbewerbsverstöße in Erfahrung zu bringen. Vier solcher Unternehmen haben sich dagegen vor dem Gericht zu wehren versucht und haben gegen die abweisende Entscheidung das Rechtsmittel eingelegt. Sie tragen vor, dass die Kommission unzutreffende Begründungen für ihre Befragung angab. Entscheidung Die Kommission muss ihrer speziellen Begründungspflicht als ein grundlegendes Erfordernis nachkommen, damit die betroffenen Unternehmen auch angemessen mitwirken und sich verteidigen können. Kommentar Bedeutsame Entscheidung für das Wettbewerbsrecht, aber ohne direkte Auswirkung auf das Unionsprivatrecht.