Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Mitschrift der Vorlesung Author: Date: Aljoscha Steininger 23. Oktober 2011 Version: 3 Inhaltsverzeichnis Seite 2 von 14 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1.1 Permutationen (Anordnungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Variationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 3 4 2 Grundbegriffe 2.1 Laplace- Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 3 Axiomatische Wahrscheinlichkeitstheorie 6 4 Mengen 4.1 De Morgansche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 9 5 Wahrscheinlichkeitsräume 10 5.1 Der Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 6 Bedingte Wahrscheinlichkeiten Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse 13 Aljoscha Steininger 1 Einführung Seite 3 von 14 1 Einführung P= Anzahl günstigster Fälle Gesamtzahl der Fälle (1) 1.1 Permutationen (Anordnungen) Es gibt n verschiedene Kugeln. Auf wie viele Arten lassen sich die Kugeln anordnen? n · (n − 1) · (n − 2) . . . = n! (2) z.B. 3 · 2 · 1 = 6 P 5er im Lotto = # Möglickeiten für 5er # Möglichkeiten überhaupt 6er aus 45: Wie viele möglichen Ereignisse gibt es? z.B. 4 Kugeln, 2 schwarze und 2 rote: 4! 4·3·2 = 2! · 2! 2·2 gesamt: n! n! · n! · n! . . . (3) · n! 1.2 Kombinationen Aus einer Urne mit Kugeln ziehen wir k Stück 1. Mit zurücklegen? Nein 2. Ist die Reihenfolge wichtig? Nein ... S S W S Falls eine Kugel gezogen wird malen wir sie schwarz an. Kugeln die nicht gezogen werden bleiben weiß. Wie viele mögliche Anordnungen von k schwarzen und n−k weißen Kugeln gibt es? Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 1.VO 06.10 1 Einführung Seite 4 von 14 Anzahl der Möglichkeiten: n k | {z } n! = n! · (n − k)! (4) Binominal- Koeffizient binomial coefficient n choose k Exkurs: n (x − y) = n X n k=0 k xn y n−k Kombinationen mit Zurücklegen Anzahl der Möglichkeiten: n+k−1 (n + k − 1)! = k k!(n − 1)! (5) Gegeben sind 12 Glühlampen. Für eine Kontrolle ziehen wir 3. Wie viele Möglichkeiten gibt es? 12 12! = = 220 3 3! · 9! 1.3 Variationen • Urne mit n Kugeln • wir ziehen k heraus • Reihenfolge ist wichtig • ohne Zurücklegen • Möglichkeiten k aus n Kugeln zu ziehen n k = n! k!·(n−k)! • mögliche Reihenfolge der gezogenen Kugeln = k! n n! ⇒ insgesamt · k! = k (n − k)! Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse (6) Aljoscha Steininger 2 Grundbegriffe Seite 5 von 14 Mit Zurücklegen n · |{z} n · |{z} n . . . · |{z} n ⇒ nk Möglichkeiten |{z} 1 2 3 (7) k Bsp.: Es gibt 2 verschiedene Würfel (rot und schwarz). Wie viele mögliche Augenpaare gibt es ? Antwort: 62 = 36 Möglichkeiten 2 Grundbegriffe Beispiel: Wir werfen einen Würfel. Für eine Augenzahl ≥ 5 bekommen wir 100 e. Ergebnismenge: Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6} Die Elemente der Ergebnismenge heißen Elementarereignisse Wir wollen mehr mögliche Ereignisse betrachten z.B. {5,6}. A ist ein System von Teilmengen von Ω. z.B. A = P(Ω) = Menge aller möglichen Teilmengen von Ω (Potenzmenge) P ({1, 2, 3, 4, 5, 6}) = {∅, {1} , {2} . . . {1, 2} . . . {1, 2, 3, 4, 5, 6}} Elemente von A heißen Ereignisse Die Wahrscheinlichkeit P ist eine additive Mengenfunktion. P : A → [0, 1] z.B. P ({1}) = (8) 1 6 P ({2}) = 1 6 50% = 0, 5 P (∅) = 0 100% = 1 P (Ω) = P ({1, 2, 3, 4, 5, 6}) = 1 P ({5, 6}) = P ({5}) + P ({6}) = 1 1 1 + = 6 6 3 Zufallsvariable X : Ω → R z.B. X(1) = 0, X(2) = 0 . . . X(5) = 100, X(6) = 100 Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 3 Axiomatische Wahrscheinlichkeitstheorie Seite 6 von 14 2.1 Laplace- Modell Ω = {ω1 , ω2 , ω3 , . . . ωn } eine endliche Menge A = P (Ω) 1 P (ωi ) = füri = 1, 2, 3 . . . m m 3 2 P ({ω1 , ω2 }) = , P ({ω1 , ω2 ω3 }) = m m Anzahl der günstigen Fälle Für A ∈ A : P (A) = X i:ωi ∈A X 1 R (ωi ) = = m i:ωi ∈A z }| { ρ (A) m | ρ (A) = # {i : ωi inA} z.B Würfeln P ({1, 2, 4, 6}) = 4 2 = 6 3 P ({2, 4, 6}) = 3 1 = 6 2 Nachteile: • Ω ist endlich z.B. ein Problem bei Zufallsereignissen mit reellem Ausgang z.B Gewicht Semmel: 23,346823853 g • Alle Elementarereignisse sind gleich wahrscheinlich 3 Axiomatische Wahrscheinlichkeitstheorie • Ω ist eine Menge • A ist eine sigma- Algebra • P ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß Ω = {Huhn, Pferd, 5, Stein} • A ist eine sigma- Algebra • A enthält Teilmengen von Ω • A enthält ∅ • A enthält Ω • A enthält alle (abzählbar unendlichen) Durchschnitte und Vereinigungen • A enthält alle Komlemente Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 3 Axiomatische Wahrscheinlichkeitstheorie A1 , A2 , A3 . . . Ai ⇒ Seite 7 von 14 ∈A ∩ Ai ∈ A ∪ Ai ∈ A A ∈ A ⇒ A ∈ A wobei A = Ω \ A P ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß P : A → [0, 1] Axiom 1: P (A) ∈ [0, 1] für alle a ∈ A Axiom 2: P (Ω) = 1 Axiom 3: Falls A1 , A2 , A3 . . . Ereignisse sind, P für die gilt: ∩ A := 0, dann gilt: P (A1 ∪ A2 ∪ A3 . . .) P (A) Würfel: Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6} 1 P ({1}) = ; 6 1 P ({2}) = ; 6 P ({1, 2, 3, 4, 5, 6}) = 1; P ({1, 2}) = P ({2, 3, 4}) = 1 1 1 + = 6 6 3 1 2 P ({1, 2} ∪ {2, 3, 4}) 6= P ({1, 2}) + P ({2, 3, 4}) P ({1, 2} ∪ {2, 3, 4}) = P ({1, 2, 3, 4}) = 2 4 = 6 3 Beispiel: Wir haben 30 Pakete und 5 LKW. Wie viele Möglichkeiten gibt es die Pakete auf die LKW zu verteilen? Pakete und LKW unterscheidbar? 1. Pakete unterscheidbar, LKW unterscheidbar ... 5 Mgl. 5 Mgl. → Variation mit Wiederholung → 530 Möglilchkeiten 5 Mgl. Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 2.VO 13.10 4 Mengen Seite 8 von 14 2. Pakete nicht unterscheidbar, LKW unterscheidbar 5 + 30 − 1 Kombination mit Wiederholung Möglichkeiten 5 3. Pakete unterscheidbar, LKW nicht → Anzahl der Möglichkeiten: 5 X S30,k n=1 k 5 X 1 X (−1)k−i = k! i=0 k=1 k 30 j j 4. Pakete nicht unterscheidbar, LKW nicht unterscheidbar ⇒ 5 X k=1 3. und 4. 1. und 2. P30,k = XX ··· ... Extrem kompliziert zu rechnen, kommt nicht in der Prüfung dran WICHTIG 4 Mengen A, B ≤ Ω A B Ω • A∪B • A∩B • A = Ω\A Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 4 Mengen Seite 9 von 14 4.1 De Morgansche Regeln A∪B =A∩B A∩B =A∪B A B Ω A∪B A A ∩ B B Ω Ω A ⇒ B A B Ω A∪B (Ω, A , P) . . . Ω: ...A : . . . P: Ergebnismenge Ereignismenge Wahrscheinlichkeitsmaß Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 5 Wahrscheinlichkeitsräume Seite 10 von 14 • A besteht aus Teilmengen von Ω • P → [0, 1] • P(∅) = 0, P(Ω) = 1, ⇒ A1 , A2 . . . Ereignisse, d.h. ∈ A und paarweise disjunkt paarweise disjunkt heißt: Ai ∩ Aj = ∅ , i 6= j Dann muss gelten: P(A1 ∪ A2 ∪ . . .) = P(A1 ) + P(A2 ) + P(A3 ) . . . 5 Wahrscheinlichkeitsräume Wir unterscheiden 3 Fälle von Wahrscheinlichkeitsräumen • endlich z.B Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6} A = P(Ω) • abzählbar unendliche Räume z.B Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6, . . .} A = P(Ω) • überabzählbar einziges Bsp.: Ω = [0, 1] (alle reellen Zahlen zwischen 0 und 1) A 6= P(Ω) Beobachtung: In endlichen und abzählbar unendlichen Räumen sind die Wahrscheinlichkeiten aller Ereignisse durch die Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse eindeutig festgelegt. z.B. Ω = {1, 2, 3, 4} P = ({1, 2, 4}) = P ({1} ∪ {2} ∪ {4}) {z } | P(1) = 0.2 P(2) = 0.3 P(3) = 0 P(4) = 0.5 paarweise disjunkt = P(1) + P(2) + P(4) Wir werfen eine Münze. Beim wievielten Wurf kommt das 1. Mal Zahl? Ω = {1, 2, 3, 4, 5, . . .} P(1) P(2) P(3) P(4) = = = = .. . 1 2 1 4 1 8 1 16 Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 5 Wahrscheinlichkeitsräume Z 1 P 2 = Seite 11 von 14 M 1 P P = 1 = 4 Z K 2 1 P P = 1 4 = 8 Z M =Münze Z =Zahl K =Kopf K P = 1 8 K a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit spätestens beim 3. Wurf eine Zahl zu werfen? P ({1, 2, 3}) = P ({1} ∪ {2} ∪ {3}) = P ({1}) + P ({2}) + P ({3}) = 1 1 1 + + = 0.875 2 4 8 b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit frühestens beim 4. Wurf Zahl zu werfen? P ({4, 5, 6, . . .}) = P ({4} ∪ {5} ∪ {6} . . .) = P ({4}) + P ({5}) + P ({6}) + . . . 1 = 8 1 7 = Komplementärmenge → = 1 − 8 8 5.1 Der Raum ([0, 1] , B, λ) • [0, 1] {ω ∈ R, 0 ≤ ω ≤ 1} = „Einheitsintervall“ • B =alle Teilintervalle von [0, 1] und alle höchsten abzählbaren Vereinigungen und Durchschnitte solcher Teilintervalle = „Borelmengen“ • P=λ =für Intervall: Länge des Intervalls für endliche oder abzählbar unendliche Vereinigungen von Teilintervallen, die paarweise disjunkt sind: Summe der Längen → „Lebesquemaß“ Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 5 Wahrscheinlichkeitsräume Seite 12 von 14 5.2 Beispiele Ω= 1 0 P ∅ Ω = [0, 1] P(∅) = 0 P ([0, 1]) = 1 [0.2, 0.4] P ([0.2, 0.4]) = 0.2 [0.2, 0.4) P ([0.2, 0.4)) = 0.2 {0.7} [0.7, 0.7) A = [0.1, 0.3] ∪ (0.55, 0.6] B = 1, 12 , 31 , 14 , 15 . . . = {1} ∪ 12 ∪ 31 . . . P ({0.7}) = 0 P(A) = P ([0.1, 0.3]) +P ((0.55, 0.6]) = 0.2 + 0.05 = 0.25 P(B) = 0 Wofür? • Modellierung von Aktienkursen • Modellierung von Molekularbewegungen „Brownsche Bewegung“ Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6} , A = {2, 4, 6} B = {4, 5, 6} 1 P ({i}) = , 6 i = 1, 2, 3, 4, 5, 6 1 2 1 P (B) = 2 P (A) = C = {2, 4, 5, 6} Wenn wir ganz sicher wissen, dass A ganz sicher eintritt, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit von B? Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 6 Bedingte Wahrscheinlichkeiten Seite 13 von 14 6 Bedingte Wahrscheinlichkeiten Definition: P des Eintretens von B, vorausgesetzt, dass A eintritt, heißt bedingte Wahrscheinlichkeit von B unter A → P (B|A) := A = {2, 4, 6} , P (A ∩ B) , P(A) fürP(A) 6= 0 (9) B = {4, 5, 6} 3 6 1 6 P (B|A) = P (A ∩ B) P ({4, 6}) = = P(A) P ({2, 4, 6}) P (A|B) = P (B ∩ A) P ({4, 6}) 2 = = P(B) P ({4, 5, 6}) 3 = 2 3 Multiplikationsgesetz: P (A ∩ B) = P(A) · P (B|A) (10) Unabhängigkeit: P (A ∩ B) = P(A) · P (B) (11) ⇒ A, B heißen unabhängig, falls P(A) ∩ P(B) = P(A) · P (B) ⇒ z.B. Münze werfen Falls A und B unabhängig → P (A|B) = P (A ∩ B) P(A) · P (B) = = P(A) P(B) P(B) • Falls wir etwas aus der „wirklichen Welt“ modellieren wollen, müssen wir W. entsprechend wählen • Falls wir schon einen Wahrscheinlichkeitsraum haben, können wir überprüfen, welche Ereignisse unabhängig sind z.B. Wurf mit 2 Würfeln, Ω = {(i, j)1 ≤ i, j ≤ 6}. Wir definieren P ({i, j}) = Ergebnis des 1. Wurfs von dem des 2. Wurfs unabhängig? 1 36 . Ist das A . . . der 1. Wurf zeigt bestimmt Zahl, z.B. m B . . . der 2. Wurf zeigt bestimmt Kopf, z.B. n A = {(m, 1), (m, 2), . . . , (m, 6)} B = {(1, n), (2, n), . . . , (6, n)} Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger 6 Bedingte Wahrscheinlichkeiten Seite 14 von 14 Sind A|B unabhänig? Gilt P(A|B) = P(A) · P (B)? P(A) = 1 1 P(B) = 6 6 P(A|B) = P ({m, n}) = 1 1 = 36 36 1 36 ⇒ unabhängig 1 ([0, 1] B, λ)A = 0, 2 1 B= ,1 2 3 C = 1, 4, 4 1 2 1 P(B) = 2 1 P(C) = 2 P(A) = • Sind A und B unabhängig? 1 P(A) · P(B) = , P(A ∩ B) = P 4 1 =0 2 ⇒ nicht unabhängig • Sind A und C unabhängig? 1 1 P(A) · P(C) = , P(A ∩ C) = 4 4 ⇒ A und C sind unabhängig Wahrscheinlichkeitsrechnung und stochastische Prozesse Aljoscha Steininger