BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/914 21. Wahlperiode 03.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien und Philipp Heißner (CDU) vom 25.06.15 und Betr.: Antwort des Senats Vormundschaften bei Flüchtlingen Amtsvormundschaften für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge (MuFl) werden seit Dezember 2014 von Mitarbeitern der Sozialbehörde (davor: der Bezirksämter) übernommen. Für die MuFl unter 16 Jahren stellt der Vormund einen ausländerrechtlichen Antrag – solange besitzen die jungen Flüchtlinge eine Duldung. Gleiches gilt nach Ablehnung des Asylantrages. Die Bestellung des Vormunds erfolgt, indem der Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) nach der Inobhutnahme das Familiengericht über die Notwendigkeit zur Einrichtung einer Vormundschaft informiert. Das Familiengericht wird danach tätig und bestellt den Vormund.1 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie läuft das Verfahren bei den Familiengerichten genau ab? Das familiengerichtliche Verfahren zur Bestellung eines Vormunds richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 1 fortfolgende) sowie den Vorschriften für Kindschaftsverfahren (§§ 151 fortfolgende) des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Besondere Regelungen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sind nicht vorgesehen. In der Praxis des Amtsgerichts Hamburg werden entsprechende Verfahren aber grundsätzlich als Eilverfahren bearbeitet, selbst wenn es sich nicht um Verfahren im Wege der einstweiligen Anordnung handelt, sondern unmittelbar ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird. Nach Eingang einer Meldung des Fachdienstes Flüchtlinge, die die für ein gerichtliches Verfahren erforderlichen Basisdaten (Name, Alter, Sprache, Angabe zum Aufenthalt des Sorgeberechtigten) des Betroffenen nennt, wird in aller Regel innerhalb einer Woche die erforderliche mündliche Anhörung anberaumt, an deren Ende der richterliche Beschluss über das Ruhen der elterlichen Sorge und die Einrichtung einer Vormundschaft steht. Ladungen und Entscheidungen werden per Fax versandt, um eine maximale Beschleunigung sicherzustellen. Die Akte wird danach unmittelbar an den Rechtspfleger des Gerichts zur Bestallung/Verpflichtung des Vormunds abgegeben. 2. Wie lange dauert ein Verfahren im Durchschnitt beziehungsweise nach Erfahrungswerten? Die Verfahrensdauer wird im Rahmen der Justizstatistik nicht erfasst. Das Verfahren vom Eingang der vollständigen Mitteilung des Fachdienstes Flüchtlinge bis zur Bestallung/Verpflichtung des Vormunds dürfte erfahrungsgemäß circa zwei Wochen in Anspruch nehmen, vorausgesetzt, der Minderjährige erscheint zur anbe- 1 Siehe Drs. 20/14626. Drucksache 21/914 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode raumten Anhörung. In der Praxis können aus unterschiedlichen Gründen weitere zeitliche Verzögerungen entstehen. 3. Wie viele Vormundschaften wurden seit Jahresbeginn übernommen? Wie viele davon wurden von Privatpersonen übernommen? Bis zum Stichtag 23. Juni 2015 sind bei der zuständigen Behörde für 344 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Amtsvormundschaften eingerichtet worden. Für weitere 145 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden Vormünder über Vormundschaftsvereine gewonnen. 71 Mündel werden durch ehrenamtliche Vormünder betreut. Diese ehrenamtlichen Vormünder werden durch einen freien Jugendhilfeträger angeworben, geschult, vermittelt, begleitet und beraten. Zusätzlich können die Familiengerichte in geeigneten Fällen Berufsvormünder und weitere ehrenamtliche Vormünder bestallen. Zur Datenerfassung in diesen Fällen siehe Drs. 20/14626. In der Justizstatistik wird lediglich die Gesamtanzahl der Vormundschaftsverfahren erfasst. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 ergeben sich folgende Verfahrenszahlen: Januar-Mai Neuzugänge (abzüglich Abgänge) 572 Erledigungen (abzüglich Abgänge) 324 Die im Übrigen erfragten Daten werden weder im Rahmen der Justizstatistik noch der Verfahrenssoftware ForumSTAR gesondert statistisch erfasst. Es findet weder eine Unterscheidung zwischen minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen und anderen Mündeln noch eine Unterscheidung zwischen Privatvormündern und sonstigen Vormündern statt. Auch wird ein Verfahren nur einmal statistisch erfasst, selbst wenn in dem Verfahren ein Vormund für mehrere Geschwisterkinder bestellt wird. Die für die Beantwortung der Frage erforderliche händische Auswertung sämtlicher laufender Vormundschaftsverfahren ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Ist es richtig, dass der Richter das Jugendamt als vorläufigen Amtsvormund bestellen kann? Wenn ja, wie oft und jeweils warum ist dies seit Jahresbeginn vorgekommen? Das Jugendamt kann in den durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vorgesehenen Fällen zum Vormund bestellt werden. Eine vorläufige Amtsvormundschaft ist im BGB nicht vorgesehen. 5. Ist es aus Sicht der zuständigen Behörde beziehungsweise des Senats praktikabel, eine vorläufige gesetzliche Amtsvormundschaft des Jugendamtes einzuführen, sodass nach Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge das Jugendamt automatisch vorläufiger Vormund ist? Ein gesonderter richterlicher Beschluss könnte so entfallen, die Asylantragsabwicklung des MuFl würde beschleunigt werden. Wenn nein, warum nicht? Im Fall von unbegleiteten Minderjährigen ist die schnelle Klärung des Aufenthaltsstatus ein besonders wichtiger Aspekt der Personensorge. Der Amtsvormund muss deshalb sicherstellen, dass sein Mündel bezüglich seines Aufenthaltsstatus und gegebenenfalls seines Asylantrags angemessen unterstützt und vertreten wird. Dies setzt eine längerfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Mündel und Amtsvormund voraus. Die Einführung einer vorläufigen gesetzlichen Amtsvormundschaft des Jugendamtes würde nicht zu einer Beschleunigung der Klärung des Aufenthaltsstatus führen. Das Familiengericht muss das Ruhen der elterlichen Sorge feststellen und ordnet zugleich eine Vormundschaft an. Eine zeitliche Verzögerung ist damit in der Regel nicht verbunden. 2