Geht an: Kirchgemeindepräsidien Amtsträgerinnen

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Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Freiburg
Eglise evangelique reformee du canton de Fribourg
Geht an:
Kirchgemeindepräsidien
Amtsträgerinnen
Kirchgemeindesekretariate
Präsidium des Konvents
Synodebüro
Murten, 04.09.2017
Unsere Referenz: 01.33.00.00
Kirchenasyl: Seelsorgerliche Aufgabe und Appell an den Rechtsstaat
Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Kolleg/innen
Das Thema ,,Kirchenasyl" ist im Kirchengebiet der Reformierten Kirchen Bern-JuraSolothurn im Spätherbst 2016 (wieder) aktuell geworden, nachdem einzelne
Kirchgemeinden schutzsuchenden Menschen für kurze Zeit Kirchenasyl gewährt
hatten. Auch in Kantonen Waadt, Basel-Stadt und vor Jahren Freiburg haben
Asylsuchende während einer gewissen Zeit Schutz und Unterkunft in Kirchlichen
Räumlichkeiten gefunden. Das Thema ,,Kirchenasyl" bedeutet eine grosse
Herausforderung für alle Involvierten und zwingt zu vorausschauender Reflexion, um
nicht unter Umständen in kurzer Zeit und unreflektiert schwerwiegende Entscheide
treffen zu müssen.
Der Synodalrat der Berner Kirche nahm die neuesten Vorfälle zum Anlass, eine
Standortbestimmung zu verfassen und eine Checkliste zuhanden der Berner
Kirchgemeinden zu erstellen.
Der Synodalrat der Evang.-Ref. Kirche des Kantons Freiburg hat diese
Stellungnahme diskutiert und hat sich den Standpunkt der Berner Kirche zu
Eigen gemacht.
Prehlstrasse 11 / Beaulieu, 3280 Murten/Morat, Tel. 026 670 45 40, Internet: www.ref-fr.ch, E-Mail: [email protected]
In Rücksprache mit unseren Berner Kolleg/innen können wir Ihnen die entsprechenden
Dokumente dazu zukommen lassen. Sie mögen Ihnen in zweifacher Hinsicht nützlich
sein:
Vorerst geht es sicher darum, die eigene, Kirchgemeinde-interne Debatte in
Kirchgemeinderat und mit Amtsträger/innen zu führen: Was ist UNSER Standpunkt
dazu?
In zweiter Linie können Ihnen die Dokumente hilfreich sein, um im Bedarfsfall
nicht unvorbereitet und unreflektiert einen sehr bedeutungsvollen Entscheid treffen zu
müssen.
Sie können die Original-Dokumente auch auf der Homepage der Berner Kirche unter
http://www.refbejuso.ch/standpunkte/kirchenasyl/ abrufen.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Angaben und Dokumenten eine hilfreiche Unterstützung
anbieten zu können. Zögern Sie nicht, sich für Rückfragen an den
ressortverantwortlichen Synodalrat, Pfr. Andreas Hess oder an unsere Geschäftsstelle
zu wenden.
Wir wünschen Ihnen einen guten Wiedereinstieg in die Kirchgemeindeaktivitäten nach
der Sommerpause.
Freundliche Grüsse
Im Namen des Synodalrats
Der Präsident
Der Kirchenschreiber
~
Pierre-Philippe Blaser
Peter A. Schneider
Prehlstrasse 11 / Beaulieu, 3280 Murten/Morat, Tel. 026 670 45 40, Internet: www.ref-fr.ch, E-Mail: [email protected]
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Freiburg
Eglise evangelique reformee du canton de Fribourg
Kirchenasyl: Seelsorgerliche Aufgabe und Appell an den
Rechtsstaat
Standpunkt des Synodalrats - in Anlehnung an die Stellungnahme des Synodalrates der
Evang.-Ref. Kirche des Kantons Bern
Die Fragen rund um das Thema Kirchenasyl sind heute vor dem Hintergrund zu betrachten,
dass die Schweiz ein Rechtsstaat ist. Christinnen und Christen stehen zu ihm und bejahen ihn
als rechtliches Konstrukt, um die Menschenwürde aller zu schützen. Die EvangelischReformierte Kirche des Kantons Freiburg (ERKF) erinnert daran, dass es in einem modernen
Rechtsstaat kein Kirchenasyl mehr gibt, wie es bis ins Mittelalter bekannt war. Kirchliche
Räume können keine «rechtsfreien Orte» sein. Kirchenasyl ist heute nicht als «Widerstand
gegen den Staat» zu verstehen, sondern vielmehr als «Widerstand im Rechtsstaat» im Sinne
eines Appells, der an die Unvollkommenheit jeder rechtlichen Ordnung erinnert und damit der
Weiterentwicklung des Recht und der Vollzugspraxis dient.
Die Kirchenverfassung der ERKF ,, .. .bezeugt, dass das Wort Gottes für alle Bereiche des
öffentlichen Lebens, für Staat und Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur gilt. Sie (die ERKF)
tritt ein für Gerechtigkeit und die Behebung leiblicher und geistiger Not und ihrer Ursachen."
(Art. 3 KV)
Die Kirchenordnung verdeutlicht die Ralle der Kirche im Verhältnis zum Staat: ,,Oie Kirche
und ihre Mitglieder sind aufgerufen, vom Evangelium her an der Lösung der politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Gegenwart mitzuwirken und das Gespräch
zwischen Gruppen mit gegensätzlichen Interessen und Meinungen in unserer Gesellschaft
zu fördern." (Art. 68 KO)
Die Diakonie ist die konkrete Umsetzung dieses Postulates: ,,Die Diakonie ist konkrete
Umsetzung der Verpflichtung gegenüber dem Evangelium Jesu Christi in Handeln.
. . . Oie Kirchgemeinde tritt besonders für die Bedrängten, Benachteiligten und Not/eidenden
ein, in dem sie gegenüber Einzelnen und auf politischer Ebene handelt." (Art. 72 KO)
Die Aufnahme von schutzsuchenden Menschen in kirchlichen Räumen stellt somit einen Aufruf
an die staatlichen Behörden dar, in einem konkreten Fall ihre Entscheide noch einmal zu
überprüfen. Kirchenasyl ist eine Ultima Ratio. Es bleibt eine Ausnahme und darf nicht durch
leichtfertige Anwendung seiner Wirkung beraubt werden.
Mit dem Kirchenasyl übernimmt die Kirchgemeinde eine grosse Verantwortung, einerseits
gegenüber den schutzsuchenden Personen, anderseits gegenüber den Mitgliedern der
Gemeinde. Eine sorgfältige Planung und Vorbereitung ist wichtig. Die Voraussetzungen sind
mit im Asylrecht erfahrenen Juristinnen und Juristen zu prüfen. Während dem Kirchenasyl sorgt
die Kirchgemeinde für eine gute und transparente Information aller Beteiligten und den Dialog
mit den Behörden.
Prehlstrasse 11/Beaulieu, 3280 Murten/Morat, Tel. 026 670 45 40, Internet: www.ref-fr.ch, E-Mail: [email protected]
Im Alten und im Neuen Testament geniesst der Schutz der Schwachen höchste Priorität. Wo
die Kirche Menschen an Leib und Leben gefährdet sieht und alle legalen Mittel ausgeschöpft
sind, kann das Mittel des Kirchenasyls nicht nur theologisch legitim, sondern auch theologisch
geboten sein.
Murten, September 2017
Prehlstrasse 11/Beaulieu, 3280 Murten/Morat, Tel. 026 670 45 40, Internet: www.ref-fr.ch, E-Mail: [email protected]
Reformierte Kirchen
Bern-Ju ra-Solothurn
Eglises reformees
Berne-Jura-Soleure
Grundsätze zum Kirchenasyl
Standortbestimmung des Synodalrats der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn,
Dezember 2016
«Die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Bern bezeugt, dass das Wort Gottes für alle
Bereiche des öffentlichen Lebens, wie Staat und Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur gilt. Sie
bekämpft daher alles Unrecht sowie jede leibliche und geistige Not und ihre Ursachen.»
Kirchenverfassung, Artikel 2, Absatz 4
«Die Kirche arbeitet zum Wohl der Menschen partnerschaftlich mit dem Staat und seinen
Behörden zusammen. Sie unterstützt den Staat in seiner Aufgabe, für Recht und Frieden zu
sorgen und erinnert ihn an die Grenzen, die ihm, wie jeder menschlichen Ordnung, durch
Gottes Reich und durch das an Gottes Wort gebundene Gewissen gesetzt sind.»
Kirchenordnung Artikel 158, Absatz 1
Was ist Kirchenasyl
Kirchenasyl findet in Kirchen oder anderen kirchlichen Räumlichkeiten statt. Kirchenasyl ist im
Rechtsstaat immer gewaltfrei und soll dem Wohl und der Würde der Schutz Suchenden
dienen. Kirchenasyl wird von der Kirchgemeinde getragen.
Es hat zwei Funktionen:
1. Es gewährt Menschen, die durch staatliche Entscheidungen und Handlungen in ihren
Grund- und Menschenrechten gefährdet sind, zeitlich befristet Zuflucht und seelsorgerliche
Begleitung.
2. Es ist ein Appell an den Rechtsstaat, in diesem konkreten Fall nicht gegen seine eigenen
Rechtsprinzipien zu verstossen und ermöglicht, den Dialog mit den Behörden noch einmal
zu führen.
Rechtliches zum Kirchenasyl
Im modernen Rechtsstaat gibt es kein Kirchenasyl mehr, so wie es von der Antike bis ins
Mittelalter bekannt war. Räume, die der staatlichen Gewalt entzogen sind, lassen sich mit
dem neuzeitlichen demokratischen Gemeinwesen nicht vereinbaren. Kirchliche Gebäude
können daher keine «rechtsfreien Orte» sein. Eine solche Rechtsfreiheit wird durch das
Kirchenasyl auch nicht beansprucht. Das moderne Kirchenasyl ist nicht als fundamentaler
«Widerstand gegen den Staat» zu verstehen, sondern als «Widerstand im Rechtsstaat» und
als ziviler Ungehorsam. Es erinnert in seiner Appellfunktion an die Unvollkommenheit jeder
rechtlichen Ordnung und dient damit der Weiterentwicklung des Rechts und der Vollzugspraxis. Kirchenasyl will nicht die staatliche Gesetzgebung mit Kirchenrecht ausstechen,
sondern den Rechtsstaat beim Wort nehmen sowie seine Rechtsstaatlichkeit prüfen und
dadurch stärken. Diese kirchliche Meinungsäusserung geniesst den Schutz der Glaubensund Gewissensfreiheit.
Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn I Synodalrat I Altenbergstrasse 66 I Postfach I 3000 Bern 22
Telefon +41 31 340 24 241 Fax +41 3134024 [email protected]
Die Aufnahme abgewiesener Asylsuchenden in Kirchen oder anderen kirchlichen Räumlichkeiten stellt einen Aufruf an die staatlichen Behörden dar, in einem konkreten Fall ihre
Entscheide noch einmal zu überprüfen.
Theologisches zum Kirchenasyl
Christinnen und Christen bejahen den Rechtsstaat als rechtliche Gestalt, die Menschenwürde
aller zu schützen. Auch aus theologischen Gründen richtet sich ein Kirchenasyl deshalb nie
gegen den Rechtsstaat als solchen, sondern will im einzelnen Falle verhindern, dass das
Prinzip der Menschenwürde verletzt wird. Die Kirche versteht in dieser Situation ihr Handeln
als einen Grenzfall ihres Auftrags, «den Staat in seiner Aufgabe, für Recht und Frieden zu
sorgen», zu unterstützen (s.o. Kirchenordnung Art. 158).
Für die Kirche gilt der biblische Satz: «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen»
(Apg. 5,29). Alles menschliche und damit auch alles staatliche Handeln ist für die Kirche
deshalb am Willen Gottes zu messen. Aus diesem Grund kennt man besonders in der
reformierten Tradition von Zwingli und Calvin bis zur Barmer Theologischen Erklärung den
Gedanken, dass der Staat für Christinnen und Christen seine Grenze am Willen Gottes hat.
Im Alten und im Neuen Testament geniesst der Schutz der Schwachen höchste Priorität. Wo
die Kirche Menschen an Leib und Leben gefährdet sieht und alle legalen Mittel ausgeschöpft
sind, kann das Mittel des Kirchenasyls nicht nur theologisch legitim, sondern theologisch
geboten sein.
Voraussetzungen für Kirchenasyl bei drohenden Ausschaffungen
Kirchenasyl ist ultima ratio, die letzte Möglichkeit, wenn alle rechtlichen und weiteren, auch
informellen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Ausschaffung unmittelbar droht. Dies
soll mit im Asylrecht erfahrenen Juristinnen und Juristen überprüft werden.
Kirchenasyl als Mittel des Widerstandes im Rechtsstaat muss sorgfältig abgeklärt werden und
dem angestrebten Ziel dienen: Droht durch die Ausschaffung Gefahr für Leib, Leben und
Freiheit der Betroffenen, oder entsteht eine andere unzumutbare Notsituation und Härte?
Werden Menschenrechte grundlegend verletzt? Sind die Aussagen der oder des Asylsuchenden glaubwürdig? Ist die Gefährdungslage im Herkunftsland oder im DublinErstasylland durch Expertenmeinung bestätigt?
Kirchenasyl ist kein Selbstzweck: Es sucht Lösungen und bemüht sich um Dialog mit den
betroffenen Instanzen. Kirchenasyl will Zeit gewinnen, damit eventuell bestehende
Widersprüche aufgeklärt, neue Tatsachen aufgearbeitet, die konkrete Lage der Betroffenen
wie z.B. die Situation von Familien oder der Gesundheitszustand berücksichtigt werden
können. Die Zusammenarbeit mit Juristinnen und Juristen ist deshalb notwendig.
Kirchenasyl darf nicht zur Regel werden, sondern ist eine Ausnahme. Es ist darauf zu achten,
dass der Gehalt des Kirchenasyls nicht durch leichtfertige und unreflektierte Anwendung
ausgehöhlt wird. Andernfalls verliert das Kirchenasyl seine Wirkung.
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Selbstbestimmung der Schutzsuchenden
Die schutzsuchenden Personen sind wahrheitsgetreu über Aussichten und Risiken sowie die
konkreten Umstände des Kirchenasyls aufzuklären. Insbesondere muss ihnen klar sein, dass
sich die Behörden Zutritt zu kirchlichen Räumen verschaffen können. Wenn nötig ist eine
interkulturelle Übersetzung beizuziehen.
Die Betroffenen müssen selber entscheiden können, ob sie in das Kirchenasyl eintreten
wollen oder nicht.
Weil die Zusammenarbeit und das Zusammenleben mit den Schutzsuchenden ein gegenseitiges Kennen und Vertrauen erfordert, empfiehlt der Synodalrat, Kirchenasyl nur
Menschen zu offerieren, die die Kirchgemeinde bereits seit längerem kennt und begleitet.
Rolle der Kirchgemeinde
Der Entscheid, ob in einer Kirchgemeinde ein Kirchenasyl durchgeführt wird, muss vom
Kirchgemeinderat und dem Team der Mitarbeitenden gemeinsam besprochen und vom
Kirchgemeinderat entschieden werden. Die Gewährung von Kirchenasyl übersteigt den
Aspekt der räumlichen Unterbringung: Es geht nicht zuletzt um die Ausübung des kirchlichen
Wächteramtes. Deshalb ist es wichtig, dass die Kirchgemeinde mit dem Bereich OeMEMigration Kontakt aufnimmt.
Die Kirchgemeinde übernimmt durch ein Kirchenasyl eine grosse Verantwortung gegenüber
den Schutzsuchenden. Sie muss diese unterbringen, begleiten, seelsorgerlich betreuen und
finanziell unterstützen.
Die Schutzwirkung des Kirchenasyls entsteht dabei durch die Gemeinschaft von gut informierten Personen, die Hilfesuchenden Zuflucht geben und Solidarität üben. Es ist deshalb
wichtig, über das Kirchenasyl demokratisch zu entscheiden, umfassend zu informieren und
das Gespräch mit möglichst vielen in und ausserhalb der Kirchgemeinde zu suchen.
Arten des Kirchenasyls
Es gibt verschieden Formen des Kirchenasyls. Besonders bedeutsam ist die Unterscheidung
zwischen stillem und öffentlichem Kirchenasyl. Das stille Kirchenasyl meidet die
Öffentlichkeit, informiert aber die zuständigen Behörden möglichst rasch. Anschliessend wird
in Gesprächen gemeinsam eine Lösung für die Situation gesucht, die dem Wohl und der
Würde der Betroffenen Rechnung trägt.
Der Gang an die Öffentlichkeit bedeutet einen grossen zusätzlichen Schritt und verursacht
viel Aufwand. Er trägt aber dazu bei, die öffentliche Debatte über Rechtsprinzipien wach zu
halten.
Wenn Kirchenräume durch aussenstehende Gruppen besetzt werden, soll das Gespräch
gesucht werden, um die Anliegen und Hintergründe zu verstehen. Im Anschluss muss die
Kirchgemeinde entscheiden, wie sie damit umgehen will. Eine Besetzungsaktion kann
nachträglich in ein Kirchenasyl umgewandelt werden, sofern die Voraussetzungen nach den
vorliegenden Grundsätzen erfüllt sind.
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Sonderfall Rückführungen nach Italien im Herbst 2016
Im Moment geben vor allem die sogenannten Dublinfälle mit Rückführung nach Italien zu
reden. Die Schweiz schickt viele Asylsuchende nach Italien zurück. Italien zählt zu den EUStaaten und ist demzufolge grundsätzlich ein sicherer, die Menschenrechte beachtender
Staat. Er ist zurzeit jedoch sehr stark gefordert durch die grosse Anzahl an Asylsuchenden,
die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die Solidarität unter den EU-Staaten
funktioniert kaum, viele EU-Staaten übernehmen ihren Anteil an Asylsuchenden nicht von
den Erstaufnahme-Staaten wie Italien. Auch kennt Italien kein dem Schweizer Recht
vergleichbares Hilfssystem für Menschen mit Bleiberecht. Zudem ist Italien durch mehrere
Erdbeben der letzten Zeit, die Zehntausende von Obdachlosen verursachten, sehr gefordert.
Angesichts dieser Tatsachen ist der Synodalrat der Meinung, dass die Schweiz vermehrt ihr
Selbsteintrittsrecht ausüben sollte, das heisst, dass das Asylverfahren für Verletzliche,
Familien mit Kindern etc. trotz Erstregistrierung in Italien in der Schweiz durchgeführt werden
sollte.
Wenn verletzliche Menschen nach Italien zurückgeführt werden, muss verlangt werden, dass
die Unterbringung, die eventuell notwendige medizinische Betreuung etc. von Italien
gegenüber dem Staatssekretariat für Migration schriftlich, wenn nötig über die ersten sechs
Monate hinaus, gewährleistet werden.
Checkliste
Die Kirchgemeinde klärt ihre grundsätzliche Bereitschaft für ein Kirchenasyl sorgfältig ab, am
besten ohne Zeitdruck und unabhängig von einer konkreten Anfrage. Im konkreten Fall muss
unter Umständen schnell entschieden werden, das Kirchenasyl aber trotzdem gut geplant
und durchgeführt werden. Die Checkliste im Anhang soll eine Hilfe sein für diese Überlegungen.
Anhang: Checkliste Kirchenasyl
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Reformierte Kirchen
Bern-J ura-Solothurn
Eglises reformees
Berne-J ura-Soleure
Checkliste Kirchenasyl
Anhang zur Standortbestimmung des Synodalrats,
Dezember 2016
Vorbemerkung
Die grundsätzliche Bereitschaft für ein Kirchenasyl muss sorgfältig abgewogen werden. Es ist
sinnvoll, ohne Zeitdruck und unabhängig von einer konkreten Anfrage erste Diskussionen zu
führen.
Im konkreten Fall muss unter Umständen schnell entschieden werden, das Kirchenasyl aber
trotzdem gut geplant werden.
Diese Checkliste soll dabei helfen.
1.
Allgemeine grundsätzliche Abklärungen im Kirchgemeinderat vor einem
Kirchenasyl
•
Der Kirchgemeinderat klärt gemeinsam mit dem Pfarrteam und den übrigen betroffenen
Mitarbeitenden vor einem konkreten Fall ab, ob die Kirchgemeinde in ihren kirchlichen
Räumen prinzipiell ein Kirchenasyl durchführen will und kann. Es braucht dazu einen
Entscheid des Kirchgemeinderats.
Er entscheidet auch, ob das Kirchenasyl nur Asylsuchenden offeriert wird, die die
Kirchgemeinde bereits seit längerem kennt und begleitet, oder ob er offen ist für weitere
Schutzsuchende. Der Synodalrat empfiehlt, Kirchenasyl Menschen anzubieten, die die
Kirchgemeinde schon kennt und begleitet.
Mögliche schwierige Folgen müssen thematisiert und diskutiert werden (zum Beispiel
Publizität, Stress, Anfeindungen, Konflikte in der Gemeinde, Strafandrohungen). Das
Kirchenasyl kann das Leben der Kirchgemeinde aber auch beleben, ihm eine neue
Dimension geben.
•
•
2.
Vorgehen im konkreten Fall
2.1 Überprüfung von Fakten
•
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•
Ist die Situation der Asylsuchenden genügend abgeklärt?
Sind alle rechtlichen und eventuellen weiteren, auch informellen Möglichkeiten
ausgeschöpft?
Sind die schutzsuchenden Personen unmittelbar von einer Ausschaffung bedroht?
Sind sie durch die Ausschaffung an Leib, Leben und Freiheit gefährdet? Besteht die
Gefahr von Menschenrechtsverletzungen oder gibt es andere unzumutbare Härten (zum
Beispiel Trennung von Eltern und Kindern, keine oder ungenügende medizinische
Versorgung bei einer bestehenden Krankheit)?
Sind die Aussagen der oder des Asylsuchenden glaubwürdig und werden die
Informationen und Gefährdungslagen im Zielland durch Fachpersonen bestätigt?
Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn I Synodalrat I Altenbergstrasse 66 I Postfach I 3000 Bern 22
Telefon +41 31 340 24 24 I Fax +41 31 340 24 [email protected]
•
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Welche Perspektiven gibt es für die schutzsuchenden Personen, die ein Kirchenasyl
sinnvoll erscheinen lassen? (Wiedererwägungsgesuch, Ausreise in ein Drittland,
Härtefallregelung, begleitete Rückkehr u.a.). Kirchenasyl ist eine zeitlich befristete
Massnahme.
In Dublinfällen soll im Voraus abgeklärt werden, ob bei einer Aufnahme eines Asylverfahrens in der Schweiz eine Chance auf Anerkennung als Flüchtling oder auf eine vorläufige
Aufnahme besteht.
Geht es um das Wohl und die Würde der Schutzsuchenden, oder werden sie in einer
Notlage für politische Zwecke instrumentalisiert?
Diese Fragen sind in Zusammenarbeit mit im Asylrecht erfahrenen Juristen oder Juristinnen
zu klären.
2.2 Vorabklärungen mit den schutzsuchenden Personen
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•
Es braucht eine gute, verständliche Information der Betroffenen über Chancen und
Risiken eines Kirchenasyls. Wenn nötig ist ein Dolmetscher beizuziehen.
Die Betroffenen müssen die Entscheidung, ob sie in ein Kirchenasyl eintreten wollen,
selber treffen.
Sie müssen mit den eingeschränkten Lebensbedingungen während des Kirchenasyls
einverstanden sein. Dies kann unter anderem bedeuten: Kein Asylsozialhilfe- oder
Nothilfebezug, fehlende Krankenversicherung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, ev.
öffentliche Exponiertheit, Abhängigkeit von der Hilfe anderer (z.B. in der Gestaltung
dieser möglicherweise langen Wartezeit).
Die Vertreter der Kirchgemeinde sollen keine Versprechen abgeben, die sie nicht einhalten
können (betreffend Dauer, Ausgang des Kirchenasyls etc.).
2.3 Vorgehen in der Kirchgemeinde
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Es braucht auch für jeden konkreten Fall eine Diskussion im Pfarrteam und den
Entscheid des Kirchgemeinderats.
Eine Kontaktaufnahme mit dem Bereich OeME-Migration wird empfohlen.
Es braucht einen Entscheid, ob das Kirchenasyl still oder öffentlich ist.
Eine Gruppe zur Betreuung und zur Begleitung der Schutzsuchenden muss
zusammengestellt werden.
Die personellen Ressourcen von Mitarbeitenden müssen geklärt, der Zuzug von weiteren
Engagierten überlegt und organisiert werden.
Rallen, Aufgaben, Entscheidungsbefugnisse und Verantwortlichkeiten müssen geregelt
werden. Bei einem öffentlichen Kirchenasyl muss eine Bezugsperson für die Medien
bestimmt werden. Diese Person sollte möglichst Erfahrung im Umgang mit Medien
haben. Erste Ansprechstellen der Kirchgemeinde wie das Sekretariat, der
Kirchgemeindeschreiber müssen informiert sein. Der Sigrist / die Sigristin ist mit
einzubeziehen.
Vorhandene Räumlichkeiten der Kirchgemeinde müssen auf ihre Tauglichkeit überprüft
werden (Wohnen, Kochen, sanitäre Einrichtungen).
Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten von Seiten der Kirchgemeinde und von
Privatpersonen müssen geklärt werden.
Der für die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern zuständige Regierungsrat und
der Migrationsdienst des Kantons müssen möglichst rasch informiert werden. Ihnen ist
unverzüglich die neue Wohnadresse der Betroffenen mitzuteilen. Auch die Asylunterkunft
muss rasch benachrichtigt werden.
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•
•
•
Eine gute und transparente Information ist wichtig. Regelmässiger Austausch der
Betreuenden und weiterer Engagierter, regelmässige Besprechung der aktuellen Lage
und der noch vorhandenen Möglichkeiten mit den Betroffenen müssen geführt werden.
Das Gespräch mit den Behörden ist zu suchen.
Bei einem öffentlichen Kirchenasyl ist die Unterstützung mit Gleichgesinnten in der
Kirchgemeinde zu suchen, um dem Kirchenasyl durch eine breite Solidarität mehr
Gewicht zu geben.
Auch die spirituelle Dimension einer Kirchgemeinde soll bei einem Kirchenasyl zum
Tragen kommen. Gemeinsame Gebete und Gottesdienste können als Quellen der Kraft
dienen.
Das Verstecken oder Hilfe beim Untertauchen wird nicht empfohlen, da es die Lösungssuche
und die Regularisierung erschwert.
Zu beachten:
Kinder: Kinder haben ein Recht darauf, die Schule zu besuchen. Findet das Kirchenasyl am
vorherigen Aufenthaltsort der Betroffenen statt, sollten die Kinder die Schule weiter
besuchen. Sonst ist eine Schule in der Nähe des Kirchenasyls zu suchen.
Medizinische Hilfe: Es gibt Ärzte, die bereit sind, die Menschen kostenlos zu behandeln.
Benötigen die schutzsuchenden Personen regelmässige medizinische Hilfe, ist eine
Krankenversicherung abzuschliessen, und die Prämien sind zu übernehmen.
3.
Beendigung des Kirchenasyls
•
Wird erreicht, dass ein (neues) Asylverfahren in der Schweiz eröffnet werden kann,
gehen die Asylsuchenden in die öffentlichen Unterkünftezurück.
Wird keine Aufhebung der Ausschaffung erzielt, müssen die Schutzsuchenden
entscheiden, wie es für sie weitergehen soll.
Die Kirchgemeinde kann die Betroffenen unterstützen, eine Perspektive im Herkunftsland
oder im Dublin-Erstasylland zu finden.
Die Kirchgemeinde kann mit dem Migrationsdienst vereinbaren, dass eine
Betreuungsperson aus der Kirchgemeinde die Ausschaffung begleitet.
Es kann sinnvoll sein, den Kontakt mit den Betroffenen auch nach der Ausschaffung
aufrecht zu erhalten.
•
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Einige Quellen
«Widerstand? Christen, Kirchen und Asyl», SEK, 1988
«Kirche und Asyl, Legitimer Widerstand im Rechtsstaat?» Hrsg. Muriel Beck Kadima und
Jean-Claude Huot, NZN-Buchverlag/lnstitut für Sozialethik des SEK, 1996
Ueli Friederich «Kirchenasyl - Widerstand gegen die Staatsgewalt?» in: Rene Pahud de
Mortanges, Erwin Tanner (Hrsg.), «Kooperation zwischen Staat und
Religionsgemeinschaften nach schweizerischem Recht», Schulthess Juristische Medien
AG, 2005
«Zufluchtsraum Kirche» Eine Entscheidungshilfe des SEK zur aktuellen Diskussion um
«Kirchenasyl, 15.8.2016
Unterlagen der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche,
www.kirchenasyl.de
Unterlagen der Nationalen Tagung Kirchenasyl vom 5.11.2016, Eine Veranstaltung von
migrationscharta.ch, www.neuemigrationspolitik.ch
Seite 3/3
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