Im Fokus: Sonnensystem

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Nadja Podbregar
Dieter Lohmann
Im Fokus:
Sonnensystem
Eine Reise durch
unsere kosmische Heimat
Naturwissenschaften im Fokus
Reihenherausgeber
Harald Frater
Nadja Podbregar Dieter Lohmann
Im Fokus: Sonnensystem
Eine Reise durch unsere kosmische
Heimat
Autoren
Nadja Podbregar
MMCD NEW MEDIA GmbH
Film- und Medienproduktion
Düsseldorf, Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-41894-5
DOI 10.1007/978-3-642-41895-2
Dieter Lohmann
MMCD NEW MEDIA GmbH
Film- und Medienproduktion
Düsseldorf, Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-41895-2 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
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Planung und Lektorat: Frank Wigger, Meike Barth
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www.springer-spektrum.de
Inhaltsverzeichnis
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Geboren aus Feuer und Staub –
Zeitreise zum Anfang des Sonnensystems . . . . . .
Nadja Podbregar
Turbulenzen in der Urwolke . . . . . . . . . . . . . . .
Kohlenmonoxid-Schnee, Wassereis und Sonnenwind
Wüsten, Lücken und ein Unruhestifter . . . . . . . . .
Glutball Erde – die Anfänge unseres Planeten . . . .
Von der Todesfalle zur Wiege des Lebens . . . . . . .
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Sturm von der Sonne – Höllenfeuer im Lichtgestirn .
Nadja Podbregar
Ein ganz normaler Zwergstern . . . . . . . . . . . . . . . .
Rätselhafte Hitze – die Atmosphäre der Sonne . . . . . .
Der Super-Flare – Die Entdeckung der Sonnenstürme .
Reißende Gummibänder – Was passiert
bei einem solaren Ausbruch? . . . . . . . . . . . . . . . . .
Polarlichter und Stromausfall – die Folgen . . . . . . . .
Chaos im Orbit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weltraumwetterbericht als Frühwarnung . . . . . . . . . .
Das solare Maximum und der Sonnenzyklus . . . . . . .
Merkur – Dem innersten Planeten auf der Spur
Nadja Podbregar
Geheimnisvoller Sonnennachbar . . . . . . . . . . . .
Das erste Rätsel: die Topografie . . . . . . . . . . . .
Alte Vulkane und frische Löcher . . . . . . . . . . .
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Das zweite Rätsel: die Zusammensetzung . . . .
Das dritte Rätsel: das Magnetfeld . . . . . . . . .
Das vierte Rätsel: Der Kern des Merkur . . . . .
Das fünfte Rätsel: Die Atmosphäre . . . . . . . .
Das sechste Rätsel: Helle Flecken an den Polen
Was sind die dunklen Stellen? . . . . . . . . . . .
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Mond: Treuer Begleiter der Erde . . . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
„Luna“ gegen „Apollo“ – Kalter Krieg im All . . . . . . . . .
„Faszinierende Einöde“ – Die ersten Schritte auf dem Mond
Das wissenschaftliche Erbe der Apollo-Missionen . . . . . . .
Bebenwellen verraten das Innenleben . . . . . . . . . . . . . .
Wasser – sogar auf dem Mond . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eis im Krater – oder doch nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Planetare Katastrophe: Wie entstand der Mond? . . . . . . . .
Theorie mit vielen offenen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein Magma-Ozean und das Große Bombardement . . . . . . .
Rätselhafte Krater-Asymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rückkehr zum Mond – wird es wieder
bemannte Mondmissionen geben? . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Venus – höllische Schwester der Erde . . . . . . .
Nadja Podbregar
Das Rätsel der Phasen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein dunkler Fleck vor der Sonne: Venustransit . . .
Venusjagd: Der Transit als Messhilfe
für die astronomische Einheit . . . . . . . . . . . . .
Ziel Venus: Besuch beim ersten fremden Planeten .
Riesensturm am Venus-Südpol . . . . . . . . . . . . .
Auf der Suche nach dem verschwundenen Wasser .
Tödlicher Treibhauseffekt . . . . . . . . . . . . . . . .
Bergketten, Kontinente und rätselhafte Ringgräben
Treibhauseffekt als Motor der Venus-Tektonik? . .
Feuerberge und Lavaströme . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Sonderfall Erde? Das Geheimnis der Habitabilität
Nadja Podbregar
Eine Frage der Lage – und der Atmosphäre . . . . . . .
Eine Frage der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eine Frage der Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eine Frage der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auf der Suche nach Erdzwillingen . . . . . . . . . . . .
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Mars – der kalte Bruder der Erde . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Marslandschaft: Extreme auf kleinem Raum . . . . . . . . .
Atmosphäre: Sauerstoff statt Kohlendioxid . . . . . . . . . .
Das Rätsel der wandernden Dünen . . . . . . . . . . . . . . .
Vulkanriesen und Supervulkane . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wasser: Flüsse und Seen auf dem Roten Planeten . . . . . .
Katastrophale Sturzfluten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein urzeitliches Marsmeer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Regen, Schnee und Wasserdampf . . . . . . . . . . . . . . . .
Flüssiges Wasser noch heute? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rinne und Kanäle am Hang – Indizien für Wassererosion?
Marsgestein: Grau und mild statt rot und aggressiv? . . . . .
Bemannte Reise zum Mars: Achtung Strahlung . . . . . . .
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Asteroidengürtel: Rush-Hour zwischen Mars und Jupiter
Nadja Podbregar
Trümmer aus der Frühzeit des Sonnensystems . . . . . . . . .
Folgenreiche Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fahndung nach dem Ursprung des „Dino-Killers“ . . . . . . .
Erdnahe Asteroiden: Wilde Mischung . . . . . . . . . . . . . .
Getrennt und doch gemeinsam:
das Rätsel der Asteroidenpaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein Kometen-Friedhof im Asteroidengürtel? . . . . . . . . . .
Vesta: vernarbtes Relikt eines Protoplaneten . . . . . . . . . .
Ceres: der größte unter den Kleinen . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII
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Inhaltsverzeichnis
Jupiter: Gasriese mit Geheimnissen . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
„Mord“ unter Hochdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Rätsel des verlorenen Streifens . . . . . . . . . . . . . . . .
Supersturm: Der „Rote Riese“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Innere: Wasserstoffmetall und Heliumregen . . . . . . . .
Das Magnetfeld: „Beep-Beep“ aus dem All . . . . . . . . . . .
Entstehung ungeklärt – die rätselhafte Vergangenheit
des Riesenplaneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Januskopf: Warum der Gasriese zugleich schützt und bedroht
Impaktfolgen: Eine seltsame Aschenwolke . . . . . . . . . . . .
. . . und viel Wasserdampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rätselhafte Rippelmuster im Ring . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Hofstaat des Gasriesen – die Monde des Jupiter . . .
Nadja Podbregar
Galilei und die vier Rätselsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Io: Innenläufer mit brodelndem Innenleben . . . . . . . . . . .
Von Gezeitenkräften durchgewalkt . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein Ozean aus flüssigem Magma . . . . . . . . . . . . . . . . .
Europa: Salzmeer unter der Eiskruste . . . . . . . . . . . . . . .
Das Rätsel der Risse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Isoliert: Ein irdischer See als Modell . . . . . . . . . . . . . . .
Eiskruste: Undurchdringliche Barriere oder nährende Hülle?
Wasserdampf-Fontänen – eine Verbindung
zum subglazialen Meer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aktive Chemie im Eis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ganymed: der zweigesichtige Riese . . . . . . . . . . . . . . . .
Kallisto: der ungleiche Zwilling . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bombardement in der Gefahrenzone . . . . . . . . . . . . . . .
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Saturn: Besuch beim Herrn der Ringe . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Gase, Innenleben und eine stürmische Atmosphäre . .
Der Große Weiße Fleck: Superstürme auf dem Saturn
Rätsel um das polare Sechseck . . . . . . . . . . . . . . .
Polarlichter und ein pulsierender Herzschlag . . . . . .
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IX
Eine magnetische Nabelschnur zwischen Saturn
und Enceladus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Rätsel der Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ringvarianten: Der unsichtbare Riese und die Spiralen
Monde als Materiallieferanten . . . . . . . . . . . . . . .
Schattenspiele: Das Phänomen der Speichen . . . . . .
Regnende Ringe zeichnen Streifen . . . . . . . . . . . .
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Rätsel Titan – Methanwelt
unter orangefarbenem Schleier . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Ein Mond ohne „Gesicht“ . . . . . . . . . . . . . .
Landung auf dem Mond – des Saturn . . . . . . .
Seen und Ozeane – aus Methan . . . . . . . . . .
Wolken, Stürme und ein großer Kreislauf . . . .
Ein Himalaya auf dem Saturnmond . . . . . . . .
Gibt es einen flüssigen Ozean unter der Kruste?
Vulkane mit Lava aus Eis . . . . . . . . . . . . . .
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Uranus und Neptun: Eisige Außenwelten . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Ein seltsamer Komet – die Entdeckung des Uranus . . . . .
Platzwechsel im frühen Planetensystem . . . . . . . . . . . .
Langweilig nur auf den ersten Blick:
Das Wetter auf dem Uranus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Uranus und Neptun: Magnetfeld mit vier Polen . . . . . . .
Ringe, Monde und drei trojanische Begleiter . . . . . . . . .
Neptun: Auf der Suche nach dem Störplanet . . . . . . . . .
Stürmische Winde und ein heißer Südpol . . . . . . . . . . .
Gasige Kometenspuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klumpen und Bögen im Außenring . . . . . . . . . . . . . . .
Ungewöhnlicher Kleinplanet zwischen Uranus und Neptun
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Eisige Außenseiter: Pluto und seine Geschwister . . . . . . 243
Nadja Podbregar
Planet X – die Entdeckung des Pluto . . . . . . . . . . . . . . . 244
Viel zu hell und enttäuschend klein . . . . . . . . . . . . . . . . 245
X
Inhaltsverzeichnis
Dynamisches Duo mit katastrophaler Vergangenheit . . . . .
Exzentrisch – und fremd? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pluto bekommt Geschwister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Acht oder zwölf – die folgenreiche Entscheidung der IAU . .
Plutos Atmosphäre: dünn und rätselhaft warm . . . . . . . . .
Die Oberfläche: starke Kontraste und wechselnde Helligkeit
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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
License: creative commons – Attribution-ShareAlike 3.0
Unported . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Geboren aus Feuer und Staub –
Zeitreise zum Anfang
des Sonnensystems
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Nadja Podbregar
Es begann vor rund 4,6 Milliarden Jahren: In einer gewaltigen Wolke aus
Gas und Staub erwacht ein neuer Stern zum Leben. Bald entstehen um
ihn herum auch junge Welten – das Sonnensystem wird geboren. Und
durch eine glückliche Fügung kreist einer dieser neuen Planeten genau
in der Zone des Lebens – die Erde. Wie aber kam es dazu und wie wurde
unsere kosmische Heimat zu dem, was sie heute ist?
Die genauen Abläufe am Ursprung des Sonnensystems und damit auch der Erde liegen bis heute noch weitgehend im Dunkeln.
Astronomen müssen sich mit ihrem Wissen über physikalische Grundgesetze sowie spärlichen Hinweisen aus Gesteinsproben, den Messdaten
von Raumsonden und Beobachtungen anderer Planetensystem behelfen. Auch Asteroiden – Überbleibsel aus der frühen Jugend unseres
Sonnensystems – liefern wertvolle Informationen. All diese Indizien ermöglichen heute zumindest eine grobe Rekonstruktion der Ereignisse –
auch wenn noch viele Fragen offen bleiben . . .
Turbulenzen in der Urwolke
Am Anfang der Geschichte unseres Planeten steht eine Wolke aus Gas
und Staub. In ihr kreisen vor allem Wasserstoff und Helium, aber auch
Wasserdampf sowie Kohlenstoff- und Siliziumverbindungen in einer riesigen wirbelnden Scheibe. Die Drehung dieser so genannten Akkretionsscheibe wirkt der Schwerkraft entgegen und verhindert – zunächst – ihr
Zusammenfallen. Doch dann geschieht etwas Dramatisches: In der Nähe
explodiert ein Stern. Aus der Messung von Sauerstoff-Isotopen in MeteoN. Podbregar und D. Lohmann, Im Fokus: Sonnensystem,
Naturwissenschaften im Fokus, DOI 10.1007/978-3-642-41895-2_1,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
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Geboren aus Feuer und Staub – Zeitreise zum Anfang des Sonnensystems
riten schätzen Astronomen den Zeitpunkt dieser Supernova auf ungefähr
750.000 Jahre vor Entstehung unseres Sonnensystems.
Die Schockwellen der Explosion treffen die Urwolke und stören kurzzeitig ihre Drehung. Dadurch kann die Zentrifugalkraft die Schwerkraft
der angesammelten Materie nicht mehr ausgleichen und die Wolke kollabiert. Der größte Teil von Gas und Staub stürzt ins Zentrum der Wolke
und ballt sich hier immer dichter zusammen. Der starke Druck heizt die
Materie immer weiter auf. Temperatur und Druck werden so extrem, dass
sogar Atomkerne miteinander verschmelzen. Diese Kernfusion setzt gewaltige Energien frei, die als Strahlung nach außen abgehen – ein Stern
ist entstanden, die junge Sonne. Bis heute liefert die Kernfusion in ihrem
Inneren die Energie, um der Umgebung Licht und Wärme zu spenden.
Die Strahlung der Sonne verhindert das weitere Zusammenfallen der
Wolke und stabilisiert sie.
Vor 4,568 Milliarden Jahren klumpen die noch immer kreisenden
Staubteilchen zusammen und bilden größere Brocken, die so genannte
Planetesimale. Allmählich kühlt sich auch das Gas soweit ab, dass es
kondensiert. Im inneren Bereich der protoplanetaren Scheibe entstehen
dadurch vor allem Ansammlungen der schwerflüchtigeren Elemente und
Verbindungen wie Silizium, Eisen oder Nickel. Durch Kollisionen mit
anderen Brocken und Anlagerungen von Staub und kleineren Teilchen
bilden sich hier allmählich die Vorläufer der inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars. Noch allerdings ist ihre Oberfläche nicht
fest, sondern heiß und glutflüssig. Im Außenbereich der Scheibe sind
die schwereren Elemente rar, hier bilden sich daher Protoplaneten aus
Eis, vermischt mit Staub und Gas. Sie sind die Vorläufer der heutigen
Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.
Kohlenmonoxid-Schnee, Wassereis und Sonnenwind
Wo welches Material zur Verfügung steht und wo sich Eisplaneten bilden, bestimmt unter anderem die sogenannte Schneegrenze. Mit zunehmendem Abstand vom Stern friert zunächst Wasser aus und bildet die
erste Schneegrenze. Weiter draußen, bei noch kühleren Temperaturen,
frieren weitere Stoffe aus und werden zu Schnee, wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid (CO2 ), Methan (CH4 ) und Kohlenstoffmonoxid (CO). In
Kohlenmonoxid-Schnee, Wassereis und Sonnenwind
3
Am Anfang stand eine rotierende Wolke aus Gas und Staub um einen jungen, gerade
erst erwachten Stern. © NASA/JPL-Caltech/T. Pyle (SSC)
festem Zustand umgeben diese Stoffe Staubkörner mit einer Art klebriger Hülle. Sie spielen daher eine entscheidende Rolle beim Wachstum
der Staubkörner: Sie verhindern, dass die Staubkörner bei Kollisionen
auseinanderbrechen und ermöglichen ihnen so, zu den Grundbausteinen
von Planeten und Kometen zu werden. Der Schnee vergrößert zusätzlich
den Anteil fester Materie in der Scheibe und könnte dadurch den Prozess
der Planetenentstehung beschleunigt haben.
Jede einzelne dieser Schneegrenzen – für Wasser, Kohlenstoffdioxid,
Methan und Kohlenmonoxid – hängt zudem mit der Entstehung bestimmter Typen von Planeten zusammen. Um einen Stern wie die junge
Sonne liegt die Wasser-Schneegrenze etwa in dem Bereich zwischen den
Umlaufbahnen von Mars und Jupiter, während die KohlenstoffmonoxidSchneegrenze etwa bei der Umlaufbahn des Planeten Neptun liegt. Wie
solche Schneegrenzen in der Akkretionsscheibe um junge Sterne ausse-
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Geboren aus Feuer und Staub – Zeitreise zum Anfang des Sonnensystems
hen, konnten Astronomen lange Zeit nur theoretisch ermitteln. Doch im
Sommer 2013 gelang es einem internationalen Forscherteam erstmals,
mit Hilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA)
einen Blick auf die Schneegrenze eines fremden Planetensystems zu
werfen. Das Teleskop zeigte die Kohlenstoffmonoxid-Schneegrenze um
den jungen Stern TW Hydrae, der 175 Lichtjahre von der Erde entfernt
liegt. Die Astronomen gehen davon aus, dass dieses angehende Planetensystem ähnliche Eigenschaften besitzt wie unser eigenes Sonnensystem,
als erst wenige Millionen Jahre alt war.
„Dank ALMA haben wir jetzt das erste echte Bild der Schneegrenze
um einen jungen Stern. Das verrät uns einiges über die erste Phase der
Geschichte unseres eigenen Sonnensystems“, erklärte Chunhua Qi vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (USA), einer der beiden Studienleiter. „Damit sind wir in der Lage Details über die
eisigen Außenbereiche eines fernen, Sonnensystem-ähnlichen Planetensystems zu erfahren, die uns zuvor verborgen geblieben sind.“ Konkret
verraten die ALMA-Daten, dass die Kohlenmonoxid-Schneegrenze um
TW Hydrae bei etwa 30 Astronomischen Einheiten liegt – dem rund
30-fachen Abstand Erde–Sonne. Dieses Ergebnis passt gut zu den theoretischen Modellen. Die Forscher hoffen nun, auch die anderen Schneegrenzen bald näher bestimmen zu können.
Aber egal, ob diesseits oder jenseits der Schneegrenzen: Im Prinzip
sind alle Planeten aus der gleichen Urwolke entstanden wie die Sonne.
Theoretisch müssten daher auch alle die gleichen, für das Sonnensystem typischen Verhältnisse der Atomsorten, der Isotope, enthalten. Doch
das scheint nicht der Fall zu sein, wie im Sommer 2011 zwei Forscherteams feststellten. Sie hatten Proben des Sonnenwinds ausgewertet, den
die NASA-Raumsonde Genesis im Laufe von fast drei Jahren gesammelt
und in einer Kapsel zur Erde zurückgeschossen hatte. Das Material des
Sonnenwinds stammt aus dem äußeren Bereich der Sonne und gilt als
wichtiges Relikt aus der Vergangenheit, da sich die Zusammensetzung
der äußeren Sonnenhülle seit ihrer Entstehung aus dem Urnebel nicht
nennenswert verändert haben soll.
„Diese Ergebnisse zeigen, dass alle Objekte des inneren Sonnensystems, darunter auch die terrestrischen Planeten, Meteoriten und Kometen, anormal sind gemessen an der ursprünglichen Zusammensetzung des
Nebels, aus dem sich das Sonnensystem einst bildete“, erklärt Bernard
Wüsten, Lücken und ein Unruhestifter
5
Marty vom Centre de Recherches Pétrographiques et Géochimiques im
französischen Nancy. So weisen die Erde, der Mond, sowie Meteoriten
vom Mars und andere Asteroidenfragmente eine geringere Konzentration des Sauerstoff-Isotops O-16 auf als die Sonne. Und auch in Bezug auf
das Stickstoff-Isotop N-14 weichen die Werte der inneren Planeten von
denen der Sonne und des Gasplaneten Jupiter ab. Offenbar müssen in
der Frühzeit des Sonnensystems im Urnebel Prozesse abgelaufen sein,
die das Verhältnis von Sauerstoff und Stickstoff-Isotopen im Bereich
der späteren inneren Planeten veränderten. „Das deutet möglicherweise darauf hin, dass wir nicht aus dem gleichen Urnebel-Material gebildet
wurden, das auch die Sonne erzeugte – warum und wie bleibt allerdings
noch zu entdecken“, erklärt Kevin McKeegan von der Universität von
Kalifornien in Los Angeles.
Wüsten, Lücken und ein Unruhestifter
Zunächst wachsen die um die Sonne kreisenden Protoplaneten immer
weiter an. Wie große Staubsauger ziehen sie in ihrer Umgebung und entlang ihrer Umlaufbahn durch ihre Schwerkraft Staub und Teilchen an
sich. Die Schwerkraft beeinflusst teilweise auch die benachbarten Protoplaneten und führt dazu, dass sich jeder von ihnen in einer bestimmten
Bahn „einnischt“. Nach neuesten Erkenntnissen wirkt vor allem der Protojupiter, der größte planetare Körper im jungen Sonnensystem, auf die
anderen ein. Er verhindert vermutlich auch, dass sich in der Lücke zwischen ihm und dem Protomars ein weiterer Protoplanet bildet. Stattdessen bleibt dort bis heute eine Ansammlung von kleineren und größeren
Brocken erhalten – der Asteroidengürtel.
Der Protojupiter ist aber noch in anderer Hinsicht ungewöhnlich, denn
er umrundet die Sonne auf einer Bahn, in der er einer Theorie nach gar
nicht sein dürfte: Gasriesen wie er bevorzugen normalerweise nur bestimmte Umlaufbahnen. „Die Planeten verteilen sich daher nicht gleichmäßig, sondern es entstehen Wüsten ohne Planeten sowie an anderer
Stelle Planetenhaufen“, erklärt Ilaria Pascucci von der University of Arizona. Anfang 2012 fanden er und sein Kollege Richard Alexander von
der University of Leicester heraus, warum: Die hochenergetische Strahlung einer Babysonne verdampft offenbar alles Gas in einer bestimmten
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Geboren aus Feuer und Staub – Zeitreise zum Anfang des Sonnensystems
Entfernung vom Stern, dadurch fehlt dort den Protoplaneten das Baumaterial und es entsteht eine planetenlose Lücke. „Das Material, das
sehr nahe am Stern ist, wird zwar sehr heiß, wird aber durch die starke
Anziehungskraft des Sterns an seinem Platz gehalten“, erklärt Alexander. „Weiter draußen, wo die Gravitation geringer ist, verschwindet das
aufgeheizte Gas ins Weltall.“ Dort entsteht die Lücke. In noch größerer
Entfernung kommt dagegen nicht mehr genug Strahlung an, dort bleibt
die Gasscheibe daher wieder unversehrt.
Seltsamerweise aber bewegt sich der Jupiter genau in dem Bereich
des Sonnensystems, in dem das Modell der beiden Astronomen eine
Planetenlücke vorhersagt. Warum das so ist, wissen sie noch nicht. Möglicherweise driftete der Jupiter erst im Laufe der Zeit in seine heutige
Umlaufbahn – Beobachtungen an Exoplaneten und Modelle deuten darauf hin, dass solche Wanderungen in jungen Planetensystemen durchaus
häufig vorkommen könnten. Noch ist das aber nicht eindeutig belegt.
Eine Antwort auf diese und andere Fragen rund um das frühe Sonnensystem erhoffen sich die Astronomen daher in Zukunft auch durch Erkenntnisse aus fremden Sonnensystemen.
Etwa eine Million Jahre nach dem Abkühlen des planetarischen Nebels und dem Beginn der Planetenbildung setzt dann ein starker Sonnenwind ein. Der Strom von Strahlung und geladenen Teilchen weht
die letzten Reste der ursprünglichen Gaswolke aus dem System hinaus.
Die Gravitation der kleineren, inneren Protoplaneten ist zu gering, um
ihre Gashüllen festzuhalten. Sie werden endgültig zu erdähnlichen Gesteinsplaneten mit höchstens dünnen Uratmosphären. Die großen Protoplaneten im Außenbereich des Sonnensystems schaffen es jedoch, einen
Großteil ihrer Gase zu binden. Sie werden zu Gasplaneten.
Glutball Erde – die Anfänge unseres Planeten
Zurück zur Erde: Vor rund 4,5 Milliarden Jahren ist unser Planet eine
glühende Kugel aus zähflüssigem Magma ohne feste Kontinente, Ozeane
und eine lebensnotwendige Atmosphäre – nicht gerade lebensfreundlich.
Noch immer wird sie zudem ständig von größeren und kleineren Materiebrocken aus dem umgebenden Weltraum bombardiert.
Glutball Erde – die Anfänge unseres Planeten
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Einer dieser Treffer bedeutet fast das Ende des noch jungen Planeten:
Ein nahezu marsgroßes Planetesimal streift die Erde und reißt dabei ein
gewaltiges Stück Material heraus. Die Trümmer dieser Kollision werden
jedoch von der Schwerkraft der Erde festgehalten und in eine Umlaufbahn gebracht. Aus ihnen entsteht innerhalb von wenigen hundert bis
tausend Jahren der Mond – der Trabant der Erde. Möglicherweise bildete
sich dabei sogar noch ein zweiter, kleinerer Trabant, der einige Millionen
Jahre später auf den Mond stürzte und mit diesem verschmolz. Dass das
theoretisch möglich ist, haben Astronomen im August 2011 anhand einer
Simulation belegt. Dieser nachträgliche Absturz könnte erklären, warum
die Kruste der lunaren Hochebenen so besonders dick ist: Sie besteht
zum Teil aus den Resten dieser Kollision.
Auch nach diesen dramatischen Ereignissen hält das anhaltende Bombardement mit Resten der Planetenbildung im inneren Sonnensystem an.
Die anhaltenden Einschläge setzen jedes Mal große Mengen an Energie
in der jungen Erde frei. Gleichzeitig erhöht sich die Masse des Planeten durch den Materieregen allmählich. Je größer er wird, desto höher
steigt auch der Druck auf sein Inneres, der Kern wird immer dichter.
Dies heizt die Erde langsam auf, bis die Temperaturen in ihrem Inneren
auf mehr als 2000 °C angestiegen sind. Vor dieser Erwärmung war das
Innere noch relativ homogen, die chemischen Elemente waren gleichmäßig in ihm verteilt. Mit den steigenden Temperaturen aber beginnen das
Eisen und die Silikatverbindungen des Erdinneren zu schmelzen. Weil
sie nicht gleich schwer sind, setzt dies einen Differenzierungsprozess in
Gang: Das geschmolzene Eisen und ein paar andere Metalle, darunter
vor allem Nickel, sinken langsam in Richtung des Erdmittelpunkts. Sie
bilden später den Erdkern. Die leichteren Elemente, darunter auch die
Gesteinsschmelze aus Silikatverbindungen, werden dagegen nach außen
transportiert, kühlen hier ab und bilden Erdmantel und -kruste.
Die genauen Vorgänge bei diesem Differenzierungsprozess sind
heute noch nicht bekannt – ebenso wenig wie die genaue Zusammensetzung der Erde vor der Entmischung. Das Problem dabei: Solange
nicht bekannt ist, wie die Mineralzusammensetzung zu Beginn der gesamten Entwicklung aussah, ist es sehr schwer, die Entwicklung zum
heutigen Zustand genau zu rekonstruieren. Im Jahr 2009 ist Geowissenschaftlern der University of California in Davis hier immerhin ein
wichtiger Fortschritt gelungen: Sie rekonstruierten mit Hilfe eines Com-
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1
Geboren aus Feuer und Staub – Zeitreise zum Anfang des Sonnensystems
putermodells, wie die verschiedenen Eisenisotope im Erdinneren verteilt
waren, bevor sich die Erdschichten bildeten. Dazu modellierten sie die
Eisenisotop-Zusammensetzung von zwei Mineralen unter unterschiedlichen Druck- und Temperaturbedingungen sowie bei verschiedenen
elektronischen Spinzuständen. Nach einem Monat Rechenzeit „spuckte“ der Computer die Ergebnisse aus: Das Modell belegte, dass sich die
schwereren Isotope, ausgelöst durch den starken Druck, nahe dem Grund
des kristallisierenden Mantels konzentrierten.
Von der Todesfalle zur Wiege des Lebens
Die Zeit: vor 4,2 Milliarden Jahren. Die Erde hat sich inzwischen ein
wenig abgekühlt. Noch immer jedoch ist es auf dem jungen Planeten alles andere als gemütlich. Weil die Erde sich in ihrer Frühzeit schneller
dreht als heute, dauert ein Tag gerade einmal fünf Stunden. Die Sonne hat
jetzt begonnen, mit voller Kraft zu leuchten, ihre tödlichen UV-Strahlen
bombardieren unausgesetzt die Erdoberfläche, ohne durch eine schützende Ozonschicht gefiltert zu werden. Noch immer ist zudem das große
Bombardement nicht vorüber: Noch bis vor rund 3,5 Milliarden Jahren
stürzen Gesteinsbrocken als Meteoriten auf die Erde und bringen dabei
Kohlenstoffverbindungen und Wasserstoff mit.
So ungemütlich diese Treffer den jungen, noch unbesiedelten Planeten
machen, ihnen verdanken wir heute möglicherweise einen Großteil der
Bodenschätze an Gold, Platin und anderen wertvollen Metallen. Denn
normalerweise müssten diese schweren Metalle bereits vor rund 4,5 Milliarden Jahren in das Erdinnere abgesunken sein. Dennoch aber finden
wir Lagerstätten dieser Elemente in der Erdkruste. Im Herbst 2011 stießen britische Forscher auf eine mögliche Erklärung: Die Edelmetalle
gelangten vermutlich erst nach Abschluss der Differenzierung – dem
Absinken der schweren Metalle in das Erdinnere – auf unseren Planeten. Darauf deuten abweichende Isotopensignaturen in Gesteinen aus der
Zeit vor und nach dem großen Bombardement vor etwa 3,8 bis 3,5 Milliarden Jahren hin.
„Die meisten der Edelmetalle, auf denen unsere Wirtschaft und viele
wichtige industrielle Prozesse basieren, kamen daher durch einen glücklichen Zufall auf unseren Planeten – als die Erde von rund 20 Trillio-
Von der Todesfalle zur Wiege des Lebens
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Unser Sonnensystem: Diese Darstellung zeigt, wie sehr die Größen und Abstände der
Planeten variieren. © NASA/JPL
nen Tonnen Asteroidenmaterial getroffen wurde“, sagt Matthias Willbold
von der University of Bristol. Im Laufe der Zeit mischten sich die Metalle mit den Gesteinen der Erdkruste und bildeten die heute bekannten
Vorkommen.
Aber auch im Untergrund gärt und brodelt es, gewaltige Umschichtungen sind im Erdinneren im Gange. Vulkane speien Gase und Wasserdampf und lassen die sogenannte erste Atmosphäre entstehen. Sie besteht
nach neuesten Erkenntnissen wahrscheinlich nicht aus Methan und Ammoniak, sondern vor allem aus Wasser, Kohlendioxid, Stickstoff und
Kohlenmonoxid – den Gasen, die die Feuerberge auch heute noch aus
den Tiefen der Erde ans Tageslicht fördern. Nach und nach beginnt nun
der Wasserdampf der Atmosphäre zu kondensieren und ein 40.000 Jahre andauernder Regen setzt ein. Diese allererste „Sintflut“ füllt langsam
alle Niederungen mit Wasser und lässt die Ozeane entstehen. Ein großer
Teil des Kohlendioxids aus der Gashülle löst sich jetzt in den jungen
Meeren und bildet im Laufe der Zeit gewaltige Karbonat-Ablagerungen.
Gleichzeitig setzt dadurch auch in der Atmosphäre erneut ein Wandel
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Geboren aus Feuer und Staub – Zeitreise zum Anfang des Sonnensystems
ein: Stickstoff wird zum dominierenden Gas, die sinkende Kohlendioxidkonzentration schwächt den Treibhauseffekt ab und trägt zu einer
weiteren Abkühlung der noch immer reichlich warmen Erde bei.
Vor gut 3,4 Milliarden Jahren ist diese Entwicklung abgeschlossen
und die Bühne für den nächsten, den alles entscheidenden Schritt bereitet: das Leben. Die Erde besitzt nun Land und Meer und eine zweite
Atmosphäre aus Stickstoff, Kohlendioxid und geringen Mengen Argon.
Diese ist nicht mehr hoch reduzierend und aggressiv wie noch zu Anfang, sondern wahrscheinlich eher neutral. Gegen die unbarmherzig von
der Sonne einfallenden UV-Strahlen schützt sie allerdings nicht – ebenso
wenig wie vor den weiter andauernden Meteoriteneinschlägen. Trotzdem
entstehen nun auf diesem noch immer alles andere als lebensfreundlichen
Planeten die ersten Lebensformen. Wie sie genau aussahen und ob ihre
Bausteine aus dem Weltraum stammen oder aber von der Erde selbst, ist
bis heute umstritten. Das aber ist eine andere Geschichte . . .
Sturm von der Sonne –
Höllenfeuer im Lichtgestirn
2
Nadja Podbregar
Sie gilt als Symbol des Himmels und des Lichts – und ohne sie gäbe
es weder die Erde noch das Leben auf unserem Planeten. Aber auf der
Sonne selbst herrschen eher höllische Verhältnisse. Temperaturen von
15 Millionen Grad lassen Atome verschmelzen, gewaltige Eruptionen
schleudern Materie kilometerweit ins All und superschnelle Strahlenund Teilchenstürme breiten sich minutenschnell im ganzen Sonnensystem aus. Doch es kommt noch heftiger: Alle elf Jahre steigert sich das
himmlische Höllenfeuerwerk zu einem Höhepunkt – dem solaren Maximum. In dieser mehrere Monate andauernden Zeit nehmen Eruptionen,
Sonnenflecken und Sonnenstürme dramatisch zu. Für die Erde bleibt
dies nicht ohne Folgen: Im Extremfall geraten Satelliten ins Trudeln,
Kommunikationsverbindungen werden gestört und der Sonnensturm legt
ganze Stromnetze lahm . . .
Sonne
Radius (km)
Dichte (kg/m3 )
Erdmassen (–)
Oberflächentemperatur (°C)
Rotationsperiode (Stunden)
695.408
1408
333.000
5500
609,1
N. Podbregar und D. Lohmann, Im Fokus: Sonnensystem,
Naturwissenschaften im Fokus, DOI 10.1007/978-3-642-41895-2_2,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
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2 Sturm von der Sonne – Höllenfeuer im Lichtgestirn
Ein ganz normaler Zwergstern
Tag für Tag wandert die Sonne über den Himmel, ohne dass wir ihr große
Beachtung schenken. Was auf ihrer Oberfläche und in ihrem Inneren für
ein Inferno tobt, merken wir nicht. Dennoch ist sie für uns der dominierende Himmelskörper: Ihr Lauf bestimmt unseren Tagesrhythmus, prägt
unsere Jahreszeiten und Klimazonen. Für die Astronomen ist die Sonne nicht nur das mit Abstand größte Objekt in unserem Sonnensystem.
Sie ist auch eine einmalige Chance, das Wesen und die Eigenschaften
der Sterne quasi vor unserer Haustür zu erforschen. Denn als sogenannter Gelber Zwerg ist die Sonne ein typisches Beispiel für einen relativ
häufigen Sternentyp im Universum. Aus ihrem Aufbau und ihrer Entwicklung können die Forscher daher wertvolle Rückschlüsse auf andere
Sterne ziehen.
Gelb, rund und ziemlich heiß – so ungefähr könnte man das wenige
zusammenfassen, das der Wissenschaft lange Zeit über den Aufbau der
Sonne bekannt war. Erst in neuerer Zeit haben spektroskopische Aufnahmen und helioseismische Untersuchungen enthüllt, dass die Sonne keineswegs homogen aufgebaut ist. Im Gegenteil: Sie besteht aus einer ganzen Reihe höchst unterschiedlicher Schichten. Da der „Feuerball Sonne“ ausschließlich aus heißer gasförmiger Materie besteht, unterscheiden
sich die einzelnen Schichten vor allem durch ihre physikalischen Eigenschaften und die Prozesse, die in ihnen ablaufen. So ist das, was wir als
die sichtbare Oberfläche der Sonne wahrnehmen, in Wirklichkeit nur eine dünne Gasschicht, durch die das Innere hindurchscheint.
Der Kern ist der Fusionsreaktor der Sonne. Bei höllischen 15 Millionen Grad und der zehnfachen Dichte von Blei verschmelzen Wasserstoffatome zu Helium und setzen dabei gewaltige Energiemengen frei.
In jeder Sekunde wandelt die Sonne dadurch fast fünf Millionen Tonnen Materie in Energie um. In Form von Strahlung und hochenergetischen subatomaren Teilchen, den Neutrinos, durchdringt sie die äußeren
Schichten und strahlt ins Weltall hinaus. An der äußeren Grenze des
Kerns, 175.000 Kilometer vom Sonnenmittelpunkt entfernt, stoppt die
Kernreaktion. Mit nur noch halb so hohen Temperaturen und einem Siebtel der Dichte reichen die Bedingungen dort nicht mehr aus, um die
Fusion in Gang zu halten.
Ein ganz normaler Zwergstern
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An der äußeren Kerngrenze der Sonne beginnt die sogenannte Strahlungszone. Sie nimmt fast die Hälfte des Sonneninneren ein. Die Energie
aus dem Sonnenkern passiert die dichte Materie der Strahlenschicht in
Form von Photonen – als Licht. Obwohl die Photonen sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, brauchen sie für ihren Weg durch die Strahlenschicht rund eine Million Jahre, weil sie dabei von einem Partikel zum
nächsten springen und hin und her reflektiert werden. An der äußeren
Grenze der Strahlenschicht entspricht die Dichte des heißen Gases der
Dichte von Wasser, die Temperaturen liegen „nur noch“ bei zwei Millionen Grad.
An die Strahlungszone schließt sich die Konvektionszone an. Sie
reicht von einer Tiefe von 200.000 Kilometern bis zur sichtbaren Sonnenoberfläche. Die an ihrem unteren Rand herrschenden Temperaturen
von zwei Millionen Grad sind „kühl“ genug, um den schwereren Ionen
der Sonnenmaterie einige ihrer Hüllelektronen zu belassen. Dadurch
wird es für die Photonen aus der darunterliegenden Strahlenschicht
schwieriger, diese Hülle zu passieren. Als Folge bilden sich dort Hitzestaus, die Gase der Konvektionsschicht werden instabil und beginnen,
zu „kochen“. Dabei steigen heiße Gasblasen an die Oberfläche, kühlere Bereiche sinken ab – eine Konvektionsströmung entsteht. An der
Sonnenoberfläche werden diese Bewegungen als feine Strukturen, den
Granula oder Supergranula, sichtbar.
Die Photosphäre verleiht der Sonne den uns vertrauten Anblick, quasi ihre Oberfläche. Obwohl sie mit 100 Kilometern Dicke nur wie ein
hauchdünner Schleier über dem brodelnden Inferno der Konvektionszone liegt, prägt sie das Aussehen der Sonne. Die wichtigsten teleskopisch
sichtbaren Merkmale der „nur“ 6000 Grad kühlen Sonnenoberfläche, wie
Sonnenflecken, Faculae oder Granula, liegen in ihr. Mithilfe der Sonnenflecken wurde auch erstmals die Rotation der Sonne beobachtet. Diese
Oberfläche der Sonne ist in ständiger Bewegung. Heiße Materie fließt in
einem gleichmäßigen, langsamen Strom vom Äquator zu den Polen, aufsteigende Gasblasen aus der Konvektionszone erzeugen kurzlebige und
kleinräumige Umwälzungen und auch die an Polen und Äquator unterschiedlich schnelle Rotation der Sonne bringt zusätzliche Bewegung in
die brodelnde Masse. Zusammen lassen all diese Prozesse ein komplexes
Strömungsmuster entstehen.
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2 Sturm von der Sonne – Höllenfeuer im Lichtgestirn
Gesamtansicht der Sonne, aufgenommen im extrem ultravioletten Licht vom Solar
Dynamics Observatory der NASA. Die Farben zeigen die verschiedenen Temperaturen an, Blau- und Grüntöne sind heißer als eine Million Kelvin, Rottöne mit rund
60.000 Kelvin relativ kühl. © NASA/Goddard/SDO AIA Team
Rätselhafte Hitze – die Atmosphäre der Sonne
Bei einem Planeten wie der Erde ist es einfach: Ihre Temperatur nimmt
von innen nach außen immer weiter ab. Bei der Sonne aber wird es komplizierter. Zwar liegt auch bei ihr die heißeste Zone im Kern, dort wo die
Kernfusion abläuft. Aber es gibt noch eine zweite Hitzezone – in der äu-
Rätselhafte Hitze – die Atmosphäre der Sonne
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ßeren Sonnenatmosphäre. Seltsamerweise steigen die Temperaturen von
der mit 6000 °C eher kühlen Sonnenoberfläche an, je weiter man sich
von ihr nach außen bewegt. So ist es in der Chromosphäre, der unteren
Atmosphäre, bereits 10.000 bis 20.000 °C heiß, in der sich daran anschließende Korona dann sogar mehrere Millionen Grad. „Auf den ersten
Blick widerspricht ein solcher Temperaturverlauf jedem physikalischen
Verständnis“, sagt Sami K. Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Es ist, als würde es in
einem beheizten Raum mit zunehmendem Abstand von der Heizung wärmer.
„Offenbar ist die Chromosphäre Schauplatz gewaltiger EnergieUmwandlungen“, so Solanki. „Vorgänge, die wir im Einzelnen noch
nicht verstehen, müssen genügend Energie zur Verfügung stellen, um das
Sonnenplasma derartig aufzuheizen.“ Im Jahr 2011 lieferte das Sonnenobservatorium Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA erstmals
Hinweise darauf, wo die rätselhafte Heizung der Sonnenatmosphäre zu
finden sein könnte. Die Aufnahmen der Sonde zeigten spezielle Plasmaschwingungen in der Sonnenatmosphäre, ausgelöst durch Bewegungen
der Magnetfeldlinien. Ähnlich wie eine angeschlagene Gitarrensaite bewegen sich dabei die magnetischen Plasmastränge schnell hin und her.
Diese Seitwärtsschwingung setzt sich entlang der Feldlinie fort. Diese so
genannten Alfvén-Wellen breiten sich mit 200 bis 250 Kilometern pro
Sekunde aus – auf der Erde bräuchten sie nur gut 30 Sekunden, um die
Strecke von Köln nach New York zurück zu legen.
Diese Plasmawellen hatte der schwedische Wissenschaftler Hannes
Alfvén bereits 1942 vorhergesagt. Sie galten aber bisher als zu flach
und energiearm, um die gewaltige Aufheizung der Sonnenatmosphäre
zu erklären. Die neuen Daten des SDO aber zeichnen ein anders Bild:
Die Alfvén-Wellen sind offenbar energiereicher als zuvor angenommen.
„Jetzt wissen wir, dass diese Wellen auf jedem Quadratmeter Sonnenoberfläche das Äquivalent einer 100 bis 200 Watt Glühbirne erzeugen.
Das ist genug, um die Sonnenatmosphäre aufzuheizen und den Sonnenwind anzutreiben“, sagt Scott McIntosh vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado. Noch allerdings sind trotzdem
einige Fragen zur rätselhaften Koronaheizung offen: „Zu wissen, dass es
genügend Energie in den Wellen gibt, ist nur eine Hälfte des Problems.
Die nächste Frage ist nun herauszufinden, welcher Teil dieser Energie in
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2 Sturm von der Sonne – Höllenfeuer im Lichtgestirn
Hitze umgewandelt wird“, erklärt McIntoshs Kollege Vladimir Airapetian vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt. „Es könnte
alles sein oder nur 20 Prozent – diese Details der Konversion müssen wir
nun herausfinden.“
Doch unabhängig davon, wie die Korona ihre enorme Hitze erreicht:
In ihr laufen Prozesse ab, die auch für uns folgenreich sein können. Denn
diese äußere Hülle um unseren Zentralstern ist so heiß, dass die Atome in
ihr fast ihre gesamten Elektronen verlieren. Dabei entstehen energiereiche Teilchen, aber auch sehr kurzwellige Strahlung. Während das sichtbare Licht der Korona normalerweise von der intensiven Strahlung aus
dem Sonneninneren überstrahlt wird, ist es für diese energiereiche Strahlung umgekehrt: Das von der Korona erzeugte Röntgenlicht überstrahlt
das der darunterliegenden kühleren Atmosphärenschichten bei weitem.
Strahlung und Teilchen in diesem Sonnenbereich sind so intensiv, dass
selbst die enorme Schwerkraft des Sterns nicht ausreicht, um sie vollständig an sich zu binden.
Als Folge geht von der Korona eine ständige Flut energiereicher
Strahlung und superschneller Partikeln aus. Mit mehr als 400 Kilometern pro Sekunden rasen diese Partikelströme von der Sonne weg in alle
Richtungen – und erreichen auch die Erde. Das irdische Magnetfeld
wird durch diesen Sonnenwind verformt. Auf der sonnenzugewandten
Seite ist es dadurch flacher, auf der Leeseite läuft es in einem langen
Schweif aus. Unregelmäßigkeiten und Turbulenzen in der Sonnenkorona
können dazu führen, dass sich schnelle und langsamere Strömungen
im Sonnenwind abwechseln. Das irdische Magnetfeld wird dann von
„Sonnenwindböen“ erschüttert. Aber es gibt noch weitaus dramatischere Phänomene, die von der Sonne aus auch unseren Planeten treffen
können.
Der Super-Flare – Die Entdeckung der Sonnenstürme
Wir schreiben den ersten September 1859. Im englischen Surrey steht
der Astronom Richard Carrington wie üblich in seinem privaten Observatorium und richtet sein Teleskop auf die Sonne. Es ist ein wolkenloser
Vormittag – also beste Bedingungen, um seine Studien der Sonnenflecken fortzusetzen. Dass die hell leuchtende Sonnenscheibe immer wieder
Der Super-Flare – Die Entdeckung der Sonnenstürme
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einmal von dunklen Flecken verunziert wird, hatten chinesische Astronomen schon vor fast dreitausend Jahren beobachtet. In der westlichen
Welt allerdings wurde ihre Existenz lange Zeit ignoriert. Die Idee von
einer „befleckten Sonne“ passte einfach nicht in ein Weltbild, in dem der
Himmel eine göttliche Sphäre und daher perfekt sein musste. Doch mit
dem Ende des Mittelalters und durch die Erfindung des Teleskops änderte sich diese Haltung.
Astronomen wie Carrington erforschen nun intensiv das Auftauchen,
die Formen und die Entwicklung der Sonnenflecken. Sie hoffen, daraus
Rückschlüsse über ihre Beschaffenheit und die Mechanismen ihrer Entstehung ziehen zu können. Um die Flecken zu studieren, projiziert der
Forscher das Teleskopbild so auf einen Schirm, dass die Sonnenscheibe 28 Zentimeter groß erscheint – groß genug, um Sonnenflecken gut
erkennen und abzeichnen zu können. An diesem Morgen ist die Ausbeute besonders groß: Eine enorme Gruppe dunkler Flecken verunziert die
helle Sonnenscheibe.
Noch wissen Carrington und seine Zeitgenossen nicht, was diese Flecken verursacht. Heute ist dagegen klar, dass die Sonnenflecken durch
vorübergehende, lokale Störungen im Magnetfeld der Sonne entstehen.
Sie bilden sich dort, wo Magnetfeldlinien aus tieferen Schichten bis in
die Korona aufsteigen und so die dynamischen Umwälzströmungen an
der Oberfläche beeinträchtigen. Erst vor kurzem zeigte eine Studie, dass
die dunklen Kerne der Sonnenflecken aus Säulen von absinkenden Gasen
bestehen, an helleren Stellen sorgt die Konvektion dagegen eher für Auftrieb. Auch die Neigung und Richtung der Magnetfeldlinien verändert
sich in einem Sonnenfleck: Die magnetischen Feldlinien verlaufen in der
dunklen Struktur nahezu horizontal, in der helleren sind sie dagegen um
rund 50 Grad in vertikale Richtung geneigt. Oft treten die Sonnenflecken
nicht einzeln auf, sondern bilden ganze Gruppen – ähnlich wie es auch
Carrington im Jahr 1859 beobachtet.
Doch noch während der Astronom die Sonnenflecken studiert, geschieht etwas Unerwartetes: Zwei gleißend helle Lichtpunkte erscheinen
über den Sonnenflecken und werden immer intensiver. Dann verschmelzen sie zu einem einzigen nierenförmigen Licht. Carrington hat so etwas
noch nie gesehen. „Hastig rannte ich raus, um jemanden zu rufen, der gemeinsam mit mir das Ereignis bezeugen konnte“, berichtet der Astronom
später. „Als ich 60 Sekunden später wiederkehrte, stellte ich zu meiner
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2 Sturm von der Sonne – Höllenfeuer im Lichtgestirn
Enttäuschung fest, dass das Licht bereits völlig verändert und stark abgeschwächt war.“ Was aber war das? Carrington findet darauf zunächst
keine Antwort.
Reißende Gummibänder – Was passiert
bei einem solaren Ausbruch?
Heute weiß man, dass Carrington ein bis heute ungewöhnliches Ereignis
beobachtet hatte: „Was der Astronom damals in seinem Teleskop sah,
war ein gewaltiger Weißlicht-Flare, eine Magnetexplosion auf der Sonne“, erklärt David Hathaway, Solarphysiker am Marshall Space Flight
Center der NASA in Huntsville. Sie ist aber nur eines von verschiedenen
Symptomen eines Sonnensturms. Denn wenn die Sonne aktiv wird, dann
kann dies auf unterschiedliche Weise geschehen. Der Anfang ist allerdings meist ähnlich: Weil sich die Sonne nicht als massive Kugel dreht,
sondern je nach Breitengrad verschieden schnell, werden die Feldlinien ihres Magnetfelds im Laufe der Zeit verdreht und verformt. „Das ist
wie ein verdrehtes Gummiband – mit dem man beispielsweise ein Spielzeugflugzeug durch die Luft katapultieren kann“, erklärt Alex Young,
Astrophysiker am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt.
„Man verdreht das Gummiband, bis es irgendwann anfängt, Knoten zu
bilden.“
Auch die Magnetfeldlinien der Sonne bilden bei zu starkem Verdrillen eine Art Knoten. Sie steigen dann an die Oberfläche und lassen dort
einen Sonnenfleck entstehen – ein Gebiet, in dem die Temperaturen rund
2000 Grad niedriger sind als sonst auf der rund 6000 Grad heißen Sonnenoberfläche. Dadurch sinkt auch die Leuchtkraft an dieser Stelle und
der Fleck erscheint von uns aus gesehen dunkel. Doch ähnlich wie bei einem Gummiband halten auch die Magnetfeldlinien dem Verdrehen nicht
ewig stand. „Das Feld wird irgendwann instabil, rekonfiguriert sich und
setzt dabei Energie frei – das Gummiband reißt“, erklärt Young. Die
Folge eines solchen magnetischen Kurzschlusses ist oft ein sogenannter
Flare – ein Blitz intensiver elektromagnetischer Strahlung von Radiowellen bis hin zu Gammastrahlen. Weil sich dieser kurze, aber starke Blitz
mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, hat er die Erde meist längst erreicht,
wenn die im Weltraum stationierten Sonnenobservatorien ihn registrie-
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