ifo dresden studien 33 Standortbedingungen in Polen, Tschechien und Ungarn und die Position Sachsens im Standortwettbewerb ifo dresden studien von Wolfgang Gerstenberger, Joachim Jungfer, Heinz Schmalholz ifo Institut 33 für Wirtschaftsforschung Niederlassung Dresden ifo dresden studien 33 Standortbedingungen in Polen, Tschechien und Ungarn und die Position Sachsens im Standortwettbewerb Gutachten im Auftrag der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH von Wolfgang Gerstenberger Joachim Jungfer Heinz Schmalholz ifo Institut für Wirtschaftsforschung Niederlassung Dresden, 2002 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gerstenberger, Wolfgang: Standortbedingungen in Polen, Tschechien und Ungarn und die Position Sachsens im Standortwettbewerb / von Wolfgang Gerstenberger; Joachim Jungfer; Heinz Schmalholz. ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Niederlassung Dresden. München: ifo Inst. für Wirtschaftsforschung, 2002. (ifo Dresden-Studien; 33) ISBN 3-88512-407-6 ISBN 3-88512-407-6 ISSN 0946-7920 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfältigen. by ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2002. Druck: ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München I Vorwort Welche unterschiedlichen Vorteile genießen Unternehmen, wenn sie in Sachsen, Tschechien, Polen oder Ungarn investieren? Welcher Standort ist der profitabelste? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Jedes der vier Länder bemüht sich, mit zahlreichen Anreizen die anderen zu übertreffen, wenn es darum geht, inländisches oder ausländisches Kapital anzuziehen. Ein Vergleich ist in Anbetracht der zum Teil völlig unterschiedlichen Fördermaßnahmen auch relativ mühsam. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Höhe der Förderung sich vielfach nach bestimmten Kriterien der Rückständigkeit einer Region richtet, wie z. B. einer fehlenden Transportinfrastruktur oder hoher Arbeitslosigkeit. Der Investor, der kostengünstiger produzieren möchte oder neue Märkte erschließen will, steht vor einer schier unüberblickbaren Zahl von Einzelinformationen. Zum einen muss er unterschiedliche monetär erfassbare Größen vergleichen, wie Lohnhöhe, Investitionszuschüsse, Investitionsbeihilfen, Steuernachlässe, Steuerbefreiungen oder -erleichterungen, Abschreibungsvergünstigungen, und das alles unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeitsproduktivität und potenziellen Anlaufverluste zu Beginn der Produktion. Zu den investitionsrelevanten Sachverhalten gehört aber noch weit mehr, z. B. unternehmerische Dienstleistungen, die Transportinfrastruktur, das Telefonnetz, die Existenz von Zulieferern, die Nutzungsmöglichkeiten von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen sowie die Qualität des Humankapitals, Managementkenntnisse, welche eine moderne Marktwirtschaft erfordert oder die berufliche Ausbildung der Arbeitnehmer. Außerdem möchte der Investor wissen: Wie hoch ist die Bereitschaft Überstunden, Wochenendarbeit oder Schichtdienst zu leisten? Welche Regulierungen gibt es am Arbeitsmarkt? Wie groß ist die Macht der Gewerkschaften? Auch die Bedeutung der Behörden darf nicht übersehen werden. Sie können entweder hilfsbereit sein oder Unternehmen stark behindern. Sie können die Zusage von Fördermaßnahmen einhalten, verweigern oder Anträge mit einem für Unternehmen unzumutbaren Tempo bearbeiten. Die Autoren der Studie drücken sich dabei auch nicht vor dem Thema Korruption. Wo, wann und in welchem Ausmaß ist Korruption unausweichlich? Kann man sich auf Gerichte verlassen und berechtigte Forderungen durchsetzen? Welche Rolle spielt der II künftige EU-Beitritt bei der Reform des Rechtsystems? Wie werden EUVorschriften akzeptiert und durchgesetzt? Ebenso wichtig ist auch das persönliche Wohlergehen und die Lebensqualität für die an ausländischen Standorten tätigen Mitarbeiter, insbesondere die Freizeitmöglichkeiten, das kulturelle Angebot und das Gesundheitswesen. Alle diese Fragen werden in der vorliegenden Untersuchung systematisch behandelt. Die Studie wurde von der Wirtschaftsförderung Sachsen beim ifoInstitut Dresden in Auftrag gegeben und auch von der Zukunftsagentur Brandenburg bei der Durchführung unterstützt. Erarbeitet wurde sie von Wolfgang Gerstenberger, Joachim Jungfer und Heinz Schmalholz. Die drei Wissenschaftler haben sich mit ähnlichen Fragestellungen schon häufig beschäftigt, sodass es ihnen gelang, Schritt für Schritt die investitionsrelevanten Determinanten herauszuarbeiten und Ordnung in das Puzzle zu bringen, um interessierten Investoren ihre Entscheidungen bei der Standortwahl zu erleichtern. München, im August 2002 Prof. Dr. Dr. H.C. Hans-Werner Sinn Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung III INHALTSVERZEICHNIS TABELLENVERZEICHNIS ABBILDUNGSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS VI VII VIII I. ZIELE DER STUDIE 1 II. NEUE ERKENNTNISSE DER TRANSFORMATIONSTHEORIE UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE BEURTEILUNG DER STANDORTATTRAKTIVITÄT 3 III. STANDORTFAKTOREN IN DER ÖKONOMISCHEN THEORIE 7 1. 1.1 1.2 2. 3. Traditionelle Standorttheorien Volkswirtschaftslehre Betriebswirtschaftslehre Neuere Standorttheorien Fazit: Untersuchungsrelevante Faktoren 7 7 8 10 14 IV. STANDORTPOSITION DER LÄNDER IM SPIEGEL DER LITERATURAUSWERTUNG 17 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 Arbeitskosten, Arbeitsproduktivität und Lohnstückkosten Niveau und Entwicklung der Durchschnittslöhne Lohndifferenzierung nach Branchen und Qualifikationen Lohnnebenkosten Lohnniveaus für ausländische Unternehmen dargestellt am Beispiel Tschechiens und Ungarns Arbeitsproduktivität Entwicklung der Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe im Vergleich Arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen Rolle der Gewerkschaften Mobilität der Arbeitskräfte Sonstige Rahmenbedingungen Steuern Qualität der Infrastruktur Unternehmensbezogene Infrastruktur Bildungsinfrastruktur Infrastruktur für Forschung, Entwicklung und Innovation Netzwerke Qualität staatlicher Institutionen Korruption Staatliche Fördermaßnahmen Lebensqualität 17 18 20 21 1.5. 1.6 2. 2.1 2.2 2.3 3. 4. 5. 5.1 5.2 5.3 6. 7. 8. 9. 22 25 27 31 32 36 38 44 51 56 56 60 66 67 72 78 86 IV 10. 10.1 10.2 10.3. 11. Besonders wichtige makroökonomische Indikatoren Privatisierung und Direktinvestitionen Wechselkurse Länderrisikoindikatoren Folgerungen aus der Literaturanalyse für die Attraktivität der MOE-Länder als Investitionsstandort 88 88 90 96 99 V. ERGEBNISSE DER UMFRAGE ZU AUSGEWÄHLTEN STANDORTBEDINGUNGEN 103 1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.4 2. Informationsgewinnung Schriftliche Befragung Charakteristika der erfassten Unternehmen Unternehmensgröße Branchenzugehörigkeit Investiertes Kapital Status der Unternehmen Absatzorientierung Unternehmensinterviews Darstellung der Ergebnisse Rahmenbedingungen deutscher Investoren in Polen, Tschechien und Ungarn im Vergleich zur Situation in Sachsen Arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen Motivation und Engagement der Beschäftigten Abwesenheitsrate Betriebsrat Betriebsklima Qualifikation und Verfügbarkeit von Mitarbeitern Anlernzeiten Industrielle Infrastruktur Vorleistungsbezug Qualität der inländischen Zulieferer Nutzung des inländischen FuE-Potenzials Qualität der Infrastrukturausstattung Qualität der öffentlichen Dienste und der Verwaltung Image von Behörden Einhaltung von Zusagen Fristen für Behördenvorgänge Einflussnahme auf Verwaltungsvorgänge Gerichtswesen Staatliche Fördermaßnahmen Bewilligungsdauer von Fördermaßnahmen Einhaltung von Zusagen Lebensqualität Beurteilung der Standortwahl Zusammenfassung 103 103 104 104 104 107 109 109 110 111 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6 2.7 2.8 111 111 111 113 114 115 118 121 123 123 124 126 128 130 130 131 132 133 134 136 136 137 138 140 143 V VI. 1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 2. 2.1 2.2 MODELLRECHNUNG ZUR FÖRDERPOLITIK: STEUERVERGÜNSTIGUNGEN VERSUS INVESTITIONSZUSCHÜSSE UND -ZULAGEN 145 145 146 147 148 148 149 150 151 153 153 2.3 2.4 2.5 3. Zum Untersuchungsansatz Zum Konzept des Gegenwartswertes einer Investition Grundstruktur des Modells Erfassung von Produktionsbedingungen und des ökonomischen Rahmens Anbindung des Fördersystems Einbeziehung der übrigen Einflussgrößen auf den Gegenwartswert Verdichtung der Vielzahl von Fördermaßnahmen zu Förderstufen Möglichkeiten und Grenzen des Systems Ergebnisse der Anwendung des Systems Einfluss der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Gegenwartswert Einfluss der Anpassung des Faktoreinsatzverhältnisses an die abweichenden Faktorpreisrelationen Einfluss der speziellen Investitionsfördermaßnahmen Einfluss niedrigerer Gewinne in den ersten Betriebsjahren Einfluss der Größe des Investitionsobjekts Zusammenfassung VII. ZUSAMMENFASSUNG DER UNTERSUCHUNG 165 VIII. ARGUMENTE FÜR DEN STANDORT SACHSEN IM VERGLEICH ZU POLEN, TSCHECHIEN UND UNGARN 171 1. 2. 3. 4. 5. Löhne Infrastruktur Rechtssicherheit sowie politische und administrative Risiken Förderpolitik Lebensqualität LITERATURVERZEICHNIS 156 158 160 161 163 171 172 174 176 177 177 VI TABELLENVERZEICHNIS Seite Tabelle IV.1 Tabelle IV.2 Tabelle IV.3 Tabelle IV.4 Tabelle IV.5 Tabelle IV.6 Tabelle IV.7 Tabelle IV.8 Tabelle IV.9 Tabelle IV.10 Tabelle IV.11 Tabelle IV.12 Tabelle IV.13 Tabelle IV.14 Tabelle IV.15 Tabelle IV.16 Tabelle IV.17 Tabelle IV.18 Tabelle IV.19 Tabelle IV.20 Tabelle IV.21 Tabelle IV.22 Tabelle IV.23 Tabelle IV.24 Tabelle IV.25 Tabelle IV.26 Tabelle V.1 Tabelle V.2 Tabelle V.3 Tabelle V.4 Tabelle V.5 Tabelle V.6 Tabelle V.7 Euro Referenzkurse der Europäischen Zentralbank Veränderung des Konsumentenpreisindex Höhe und Veränderung der Arbeitskosten im Vergleich Bruttolohnkosten pro Monat nach ausgewählten Branchen im Vergleich Gewicht der Lohnnebenkosten für die Arbeitskosten Verdienste bei ausländischen Tochterunternehmen und bei lokalen Firmen in Ungarn Arbeitskosten 2000 in Sachsen und Tschechien im Vergleich Arbeitsproduktivität im Unternehmenssektor im Jahr 2000 Entwicklung der Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe nach Ländern Gewerkschaften und Lohnverhandlungen Unternehmen mit Tarifbindung oder Tariforientierung Streiks und Aussperrungen in Polen, Ungarn, Deutschland und Großbritannien im Vergleich Arbeitsmobilität in Ungarn und in Polen Gesetzliche Regelungen bezüglich Löhnen, Arbeitszeit u. ä. Steuersätze in Mittel- und Osteuropa im Vergleich zu Deutschland Infrastrukturausstattung Ressourcen für Forschung und Entwicklung 1992 - 1999 Ergebnis einer Befragung der Weltbank von Managern über Unzufriedenheit mit bestimmten institutionellen Faktoren (1997) Umfang und Durchsetzung von Wirtschaftsgesetzen und Gesetzen zur Regulierung des Finanzwesens Korruptions-Index 2000 von Transparency International Anteil der durch State Capture geschädigten Firmen Anteil des Jahresumsatzes zur Bestechung von Verwaltungsbeamten und Relation der staatlich besoldeten Richter zu privaten Anwälten Investitionsbedingungen in den drei MOE-Ländern Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt in Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn (1997) Stand der Privatisierung Direktinvestitionen in Polen, Tschechien und Ungarn Wechselkursregime und Geldpolitik Internationale Länder-Bonitätsrangliste des Institutional Investor’s Befragungsstatistik Branchenstruktur der antwortenden Unternehmen Am Standort investiertes Kapital Unternehmensstatus Absatzmarkt Beurteilung der Mitarbeiter Abwesenheitsrate X X 19 20 22 23 24 25 29 32 33 35 37 44 51 52 62 68 69 74 75 77 85 87 88 89 92 98 103 105 108 109 110 112 113 VII Tabelle V.8 Tabelle V.9 Tabelle V.10 Tabelle V.11 Tabelle V.12 Tabelle V.13 Tabelle V.14 Tabelle V.15 Tabelle V.16 Tabelle V.17 Tabelle V.18 Tabelle V.19 Tabelle V.20 Tabelle V.21 Tabelle VI.1 Tabelle VI.2 Tabelle VI.3 Veränderung der Abwesenheitsrate gegenüber den Vorjahren Beurteilung der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Qualifikation Beurteilung der Beschaffungsprobleme qualifizierter Mitarbeiter Umfang der Anlernzeiten neuer Mitarbeiter Bedeutung und Quellen der bezogenen Vorleistungen Maßnahmen zur Erhöhung des Qualitätsniveaus von Zulieferern Nutzungsintensität inländischer FuE-Einrichtungen Beurteilung der Reaktionsweise von Behörden auf betriebliche Anliegen Beurteilung der im Verkehr mit Behörden in Kauf zu nehmenden Fristen Mitteleinsatz zur Beschleunigung von Verwaltungsvorgängen Nutzung von Gerichten zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen Beurteilung verschiedener Faktoren der Lebensqualität Beurteilung der Standortwahl Gründe für eine Wiederholung der Standortwahl Bündelung der Investitionsfördermaßnahmen und wichtiger steuerlicher Rahmenbedingungen zu Förderstufen Einfluss von Anlaufkosten auf das Vergleichsergebnis Vergleich der Förderwirkung bei Investitionsobjekten unterschiedlicher Größe 113 119 120 122 124 126 127 130 132 133 135 139 140 141 152 160 163 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung II.1 Abbildung IV.1 Abbildung IV.2 Abbildung IV.3 Abbildung V.1 Abbildung V.2 Abbildung V.3 Abbildung V.4 Abbildung V.5 Abbildung V.6 Abbildung V.7 Abbildung V.8 Abbildung V.9 Abbildung VI.1 Abbildung VI.2 Abbildung VI.3 Abbildung VI.4 Direktinvestitionen pro Kopf und kumulierte Privatisierungserlöse pro Kopf 6 Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Zentraleuropa seit 1995 27 Entwicklung der Preiswettbewerbsposition von Industrieunternehmen aus Polen, Tschechien, Ungarn und Sachsen auf dem deutschen Markt 1995 - 2001 30 Wechselkursstabilität 92 Anteil der Unternehmen mit Betriebsrat 115 Beurteilung der Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft 116 Unternehmen mit deutscher Unternehmensleitung 117 Beurteilung der Qualifikation inländischer Zulieferer 125 Beurteilung der für die Logistik relevanten Verkehrsverhältnisse 128 Beurteilung der Qualität der Telekommunikationsinfrastruktur 129 Beurteilung der Einhaltung von behördlichen Zusagen 131 Beurteilung der Bewilligungsdauer von Fördermaßnahmen 136 Beurteilung der Einhaltung der Förderzusagen 137 Einfluss von Annahmen über die ökonomischen Rahmenbedingungen auf das Vergleichsergebnis 155 Einfluss der Möglichkeit, in den MOE-Ländern arbeitsintensivere Produktionsverfahren anzuwenden, auf das Vergleichsergebnis 157 Vergleich unter Einbeziehung aller Stufen der Investitionsförderung 159 Gegenwartswerte bei einem größeren Investitionsobjekt 162 VIII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AfA Abschreibungen für Anlagen bfai Bundesstelle für Außenhandelsinformation (jetzt: Bundesagentur für Außenwirtschaft) BMF Bundesministerium der Finanzen BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BSP Bruttosozialprodukt CBS Currency-Board-System CIA Central Intelligence Agency (Geheimdienst der USA) Ck Tschechische Krone COMECON Council for Mutual Economic Assistance (=Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) DBA Doppelbesteuerungsabkommen DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DIHT Deutscher Industrie- und Handelstag DM Deutsche Mark DPIHK Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer DTIHK Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer DUIHK Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer EBRD The European Bank for Reconstruction and Development ECOSTAT Institute for Economic Analysis and Informatic, Budapest ERP European Recovery Program (Europäisches Wiederaufbauprogramm) EU Europäische Union EUROSTAT Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften EWS Europäisches Währungssystem EZB Europäische Zentralbank Ft Ungarischer Forint FuE Forschung und Entwicklung FUP-Modell Modell zur Analyse der Anreizwirkungen (FUP = Fördersysteme bei Unterschieden in den Produktionsbedingungen GA Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" GUS Polnisches Statistikamt (Glowny Urzad Statystyczny) G&V Gewinn- und Verlustrechnung IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg IEA Internationale Energie-Agentur IFS International Financial Statistics ILO International Labour Organisation IMF International Monetary Fund IMoe Informationsagentur Mittel- und Osteuropa ITDH Hungarian Investment and Trade Development Agency KBN Staatskomitee für wissenschaftliche Forschung IX KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KMU Klein- und mittelständische Unternehmen KSH Ungarisches Zentrales Statistikamt (Központi Statistztikai Hivatal) MNU Multinationale Unternehmen MOE Mittel- und Osteuropa MOEL Mittel- und osteuropäische Länder NACE Nomenclature des Activité économique dans les Communauté Européennes ND Nutzungsdauer NfA Nachrichten für Außenhandel OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OWC Ost-West-Contact PHARE Poland and Hungary: Assistance for the Reconstruction of the Economy RGW Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe SMWA Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit TACIS Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States UNCTAD United Nations Converence Trade and Development USD U.S.-Dollar VIK Vereinigung Industrieller Kraftwirtschaft WIFO Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung WHO World Health Organisation WSI Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung WTO World Trade Organisation Zl Polnischer Zloty X Euro Referenzkurse der Europäischen Zentralbank Jahresdurchschnittliche Devisenkursea) sowie Höchst- und Tiefstkurse der tschechischen, polnischen und ungarischen Währung - Preis eines Euros/Ecus in ausländischer Währung Jahr Tschech. Krone Hoch/Tief Ungar. Forint Hoch/Tief Poln. Zloty Hoch/ 1996 33,99 34,83 / 33,08 187,20 200,99 / 174,32 3,38 3,60 / 3,13 1997 35,86 39,40 / 32,48 211,12 226,22 / 199,99 3,71 4,07 / 3,48 1998 36,17 39,04 / 33,99 241,02 261,37 / 223,54 3,93 4,35 / 3,71 1999 36,90 38,59 / 34,88 252,88 260,40 / 244,13 4,23 4,51 / 3,96 2000 35,65 37,11 / 34,23 260,76 276,21 / 254,55 4,02 4,33 / 3,82 2001 34,09 35,57 / 21,01 256,84 268,90 / 241,17 3,68 3,94 / 3,36 31,78 32,65 / 30,91 244,32 246,10 / 240,87 3,62 3,72 / 3,50 2002 b) a) Berechnet als Durchschnitt aller Tageskurse eines ganzen Jahres nach www.oanda.com. - b) Bis März. Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (2001), Berechnungen des ifo Instituts als Durchschnitt aller Tageskurse eines Jahres nach www.oanda.com. Bei der Umrechnung in € wurde von den Verfassern der Studie der Jahresdurchschnittswert des jeweiligen Wechselkurses verwendet. Veränderung des Konsumentenpreisindex - gegenüber dem Vorjahr in % Jahr EuroWährungsraum- Deutschland Tschechien Ungarn Polen 1996 2,2 1,4 8,6 19,8 18,5 1997 1,6 1,9 10,0 18,4 13,2 1998 1,1 1,0 6,8 10,3 8,6 1999 1,1 0,6 2,5 11,2 9,8 2000 2,3 1,9 4,0 10.0 8,5 2001 2,5 -0,5 5,0 8,0 6,3 Quelle: EBRD (2001) und EUROPÄISCHE ZENTRALBANK (1998 und 2002), STATISTISCHES BUNDESAMT (2001). 1 I. Ziele der Studie Bei der unternehmerischen Standortentscheidung war früher der Entscheidungshorizont in der Regel sehr eng gezogen. Er hatte regionale, bestenfalls noch nationale Dimensionen. Doch in den letzten beiden Jahrzehnten hat die Standortfrage aus der Sicht der Unternehmen einen neuen Stellenwert bekommen. Es geht verstärkt um einen Wettbewerb struktureller Unterschiede zwischen nationalen Systemen bzw. der Rahmenbedingungen für Standortentscheidungen und Investitionen. Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass sich die Unternehmensstrategien allenthalben globalisiert haben. Das Ergebnis dieser Globalisierung ist ein weltweiter Standortwettbewerb. Wo Deutschland in diesem Wettbewerb steht, zeigt die Bilanz seiner Direktinvestitionen: seit Jahren exportiert es wesentlich mehr Investivkapital als es importiert. Im Durchschnitt der Neunziger Jahre machte die Defizitquote knapp 60 % aus. Dies wird in der öffentlichen Diskussion als unübersehbarer Hinweis darauf gewertet, dass die Qualität des Investitionsstandorts Deutschland Defizite aufweist. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es neue Konkurrenten im internationalen Standortwettbewerb, nämlich die Länder Mittel- und Osteuropas (MOE). Vor allem die am weitesten fortgeschrittenen Länder Polen, Tschechien und Ungarn, die auf dem Sprung in die Europäische Union (EU) sind, entwickelten sich zu Hauptkonkurrenten für Investitionen an Standorten in den neuen Bundesländern. In dieser Studie wird versucht, die Standortqualität der drei genannten Länder zu messen und ihre Stärken und Schwächen in Relation zum Wirtschaftsstandort Ostdeutschland - und hier insbesondere zum Freistaat Sachsen - herauszuarbeiten, soweit dies mit den Mitteln einer Literatur- und Dokumentenauswertung möglich ist. Danach soll auch offengelegt werden, wo noch Informationsdefizite bestehen, deren Beseitigung die Erhebung von Primärdaten (in schriftlicher oder mündlicher Form) vor Ort erforderlich machen würde. 2 3 II. Neue Erkenntnisse der Transformationstheorie und ihre Bedeutung für die Beurteilung der Standortattraktivität Zu Beginn des Transformationsprozesses erschien den meisten Experten der Liberalisierungsfortschritt primär von folgenden Faktoren abhängig (vgl. WELTBANK 1995, S. 20 ff.): 1. Inflationärer Druck (Ausmaß der zurückgestauten Inflation), 2. Abhängigkeit vom RGW-System, 3. Historische Tradition mit der Marktwirtschaft, 4. Eignung des Landes als Standort zum Aufbau neuer Handelsbeziehungen, 5. Höhe des Entwicklungsniveaus, gemessen am Humankapital und BSP/Kopf, 6. Grad der Industrialisierung, 7. Notwendigkeit des Aufbaus einer Eigenstaatlichkeit. Zehn Jahre nach dem Beginn der Reformen zeigte sich jedoch, dass sich die Liberalisierung auch bei Ländern mit ganz ähnlichen Ausgangsbedingungen völlig unterschiedlich vollzog (vgl. FISHER/SAHAY 2000, HAVRYLYSHYN/MCGETTIGAN 1999). Behinderungen und Verzögerungen bei Investitionen der Weltbank und anderer internationaler Organisationen warfen zahlreiche neue Fragen auf und führten zu einer fast unüberschaubaren Flut wissenschaftlicher Untersuchungen. Die wichtigste Erkenntnis war, dass das "institutionelle Erbe" der Planwirtschaft eine weit größere Rolle spielte, als zunächst angenommen: in der totalitären Gesellschaft des Sozialismus verschwand de facto die Bedeutung von eigenständigen und freien Organisationen, wie Gewerkschaften oder Berufsverbänden. Sie existierten zwar weiter, wurden aber in die Partei zwangsintegriert und waren deshalb kein Forum für unabhängige Diskussionen. Sobald unabhängige Bewegungen entstanden, wie z. B. die CHARTA 77 in Tschechien, wurden sie von der Partei als Bedrohung empfunden. Um dem vorzubeugen, wurden alle Organisationen streng überwacht und unbequeme Personen wurden vom Geheimdienst diskreditiert. Dadurch entstand die sog. "Nomenklatur", ein Netzwerk mit wechselseitiger Überwachung, das auch alle Entscheidungsträger integrierte, die Umgang mit Geld hatten, sowie Freunde und Familie mit einbezog. Funktionäre waren deshalb nur an der Planerfüllung interessiert, und kannten nicht die besonderen Probleme einzelner Unternehmen. 4 Obwohl viele dieser Instrumente staatlicher Intervention zu Reformbeginn offiziell abgeschafft wurden, wirkten sie inoffiziell weiter. Die Entscheidungsträger in den Betrieben und Banken reagierten instinktiv auf Anweisungen von Regierungsbeamten, auch wenn letztere dafür gar nicht mehr kompetent waren. Jene Funktionäre, die den größten Machtverlust befürchteten, leisteten den größten Widerstand gegen Reformen und nutzten hierzu alle Machtmittel, einschließlich Korruption (zur Bedeutung von Korruption und Kriminalität in der Planwirtschaft vgl. OLSON 1995, S. 437 ff., ders. 2000). So ist es nicht erstaunlich, dass statistische Untersuchungen einen engen Zusammenhang zwischen Zurückdrängung der Korruption, Liberalisierung der Wirtschaft, Einführung demokratischer Grundrechte und freien Wahlen sowie der Qualität staatlicher Institutionen zeigen (vgl. KAUFMANN ET AL. 1999, S. 2 ff., HELLMAN ET AL. 2000a). Zur Frage der wichtigsten Bedingungen einer erfolgreichen Transformation besteht zwar nach wie vor keine völlige Einigkeit (vgl. ROLAND 2000, KOLODKO 2000, STIGLITZ 1999, KORNAI 2000), aber die überwiegende Zahl der Transformationstheoretiker hält folgende Faktoren für ausschlaggebend: 1. Je geringer die geographische Entfernung zur EU ist, desto rascher vollzog sich die Liberalisierung. Diese Länder hatten in der Regel mehr Kontakt zum Westen, deshalb wirkte die EU wie ein "externer Anker" (IMF 2000, S. 113 ff., EBRD 2000, S. 3 ff.). Dies gilt noch stärker für die Länder, die die Mitgliedschaft in der EU oder Nato beantragten, denn sie unterlagen dem stärksten Reformdruck. 2. Je größer die Erinnerung an die Marktwirtschaft war, desto größer war auch der Reformwille. Beispielsweise gab es in Polen noch viele Menschen, die sich an die Regeln und Institutionen des Marktsystems erinnerten. 3. Je größer die Außenhandelsabhängigkeit vom RGW war, desto weniger war die Produktion an komparativen Kostenrelationen orientiert, und desto schwieriger gestaltete sich die Umstrukturierung der Wirtschaft. 4. Je stärker makroökonomische Ungleichgewichte (z. B. Preisverzerrungen und Subventionen, Spezialisierung auf Rüstungsproduktion) ausgeprägt waren, desto mehr wurden die Wettbewerbsnachteile verschleiert, was zu starken Anpassungsproblemen führte. 5 5. Je größer die Ausstattung des Landes mit natürlichen Ressourcen ist, desto einseitiger war die gesamte Wirtschaft wegen der sozialistischen Arbeitsteilung auf diese Sektoren ausgerichtet. Diese fünf Ausgangsbedingungen, die zum Teil miteinander zusammenhängen, erklären statistisch zu etwas mehr als 50 % den Liberalisierungserfolg bei der Transformation.1 In diesem Zusammenhang ist es nicht erstaunlich, dass die EU-Beitrittsländer Ungarn und Tschechien sowie die baltischen Staaten die raschesten Fortschritte erzielten. Polen war das erste Land, welches das BSP/Kopf vor Reformbeginn übertraf (1999 bereits 28 %). Im Jahr 2000 folgten andere Staaten, darunter auch Ungarn und Tschechien. Eine weitere interessante Entdeckung, die für die vorliegende Untersuchung wichtig ist, war die Tatsache, dass die Art der Privatisierung von entscheidender Bedeutung für den Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen in der Periode 1989-1999 war. Je größer das Ausmaß der sog. strategischen Privatisierung im Vergleich zur Privatisierung mit Koupons war, desto mehr wurden Betriebe an ausländische Unternehmen verkauft, um dadurch westliches Kapital und Knowhow in das Land zu holen. Die Privatisierungserlöse waren um so größer, je mehr nach strategischen Gesichtspunkten privatisiert wurde. Den engen statistischen Zusammenhang zwischen der Höhe der Privatisierungserlöse, die auch wesentlich vom Tempo der Privatisierung beeinflusst werden und ausländischen Direktinvestitionen pro Kopf (r2 = 0,84), der zu 84 % den Zufluss ausländischer Direktinvestitionen erklärt, zeigt die folgende Abbildung II.1. Auch Schwankungen beim Zufluss ausländischer Direktinvestitionen, insbesondere nach Ungarn und Tschechien, sind nach Studien der EUROPEAN BANK FOR RECONSTRUCTION AND DEVELOPMENT (EBRD) primär auf die jeweils verfolgten unterschiedlichen Privatisierungsstrategien zurückzuführen. Nach dem Ende der Privatisierung wird der Zufluss von Direktinvestitionen zunehmend von anderen Variablen abhängen. Allerdings kann jetzt schon, ohne 1 Mit Hilfe der Faktorenanalyse konstruierte die EBRD (2000, S. 19 f.) auf der Basis dieser fünf Faktoren einen Index der Ausgangsbedingungen, der - gewichtet mit der Anzahl der Jahre mit umfassender Liberalisierung - einen Korrelationskoeffizienten von r = 0,75 (r2 = 0,56) aufweist. Berücksichtigt wurde auch die Anzahl der Jahre, in welchem ein Land nach dem Start der Reformen bei der Preisliberalisierung relativ weit fortgeschritten war und fast vollständige Währungskonvertibilität erreicht hatte. Die so definierten "Ausgangsbedingungen" korrelieren ähnlich hoch mit dem Anteil der Jahre, in welchen freie Wahlen durchgeführt wurden. 6 den folgenden Ausführungen vorauszugreifen, gesagt werden, dass die Bedeutung der strategischen Privatisierung noch einige Jahre nachwirken wird. Abbildung II.1 Direktinvestitionen pro Kopf und kumulierte Privatisierungserlöse pro Kopf - 1989 bis 1999, in USD - Quelle: EBRD (2000, S. 84). 7 III. Standortfaktoren in der ökonomischen Theorie 1. Traditionelle Standorttheorien 1.1 Volkswirtschaftslehre Standorttheorie und Standortpolitik werden in den Lehrbüchern und Lexika der Volkswirtschaftslehre selten explizit abgehandelt. Dies erklärt BRÖSSE (1996, S. 288) unter anderem damit, dass nach Meinung vieler Ökonomen die Standortwahl ausschließlich das Ergebnis von Marktkräften sein soll. In der volkswirtschaftlichen Raumwirtschaftslehre sind insbesondere zwei Namen für diese Untersuchung von Bedeutung, WEBER (1909) für den sekundären Sektor und CHRISTALLER (1933) für den tertiären. Im Zentrum der Weberschen Theorie stehen die Transportkosten und die Produktionsfaktoren, wobei er den Ort des Absatzes als gegeben annimmt. Dabei werden zunächst Lohn- und Kapitalkosten als konstant angenommen. Den kostengünstigsten Standort erhält man, wenn man die Transportkosten zwischen dem Produktionsort, den Rohstofflagern und dem Absatzort minimiert. Christallers Theorie ist eigentlich eine Theorie zur Erklärung der Standorte von Dienstleistungen. Er wollte wissen, ob es Gesetzmäßigkeiten gibt, welche die Entwicklung von Orten mit zentraler Funktion bestimmen und untersuchte deshalb die Entstehung von städtischen Siedlungen. Er bezeichnete Güter, die eine zentrale Funktion im Gemeinschaftsleben der Menschen erfüllen, als sog. "zentrale Güter" (z. B. Schuhe) und "zentrale Dienstleistungen" (z. B. Theater). Zentrale Güter und Dienstleistungen werden an einigen wenigen zentralen Orten produziert bzw. angeboten und werden an vielen zerstreuten Orten konsumiert. Die "Zentralität" eines Ortes ergibt sich aus dem "Bedeutungsüberschuss" seiner zentralen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Universitäten, Gymnasien, Theater und alle speziellen Dienstleistungsgewerbe. Nach CHRISTALLER bildet sich so ein System von zentralen Orten höherer und niedrigerer Reichweite. Christallers Theorie ist für die Erklärung des sekundären Sektors zwar irrelevant, macht aber deutlich, dass eine Stadt mit einem hohen "Bedeutungsüberschuss" zentraler Infrastruktureinrichtungen an Attraktivität als Standort gewinnt. Unternehmen, die sich zwischen ähnlichen Standorten entscheiden müssen, werden denjenigen mit dem besseren Dienstleistungsangebot vorziehen. 8 1.2 Betriebswirtschaftslehre Die Standorttheorie hat in der deutschen Betriebswirtschaftslehre eine lange Tradition. Ihre theoretischen Grundlagen waren gegen Ende der 70er Jahre mit der Erforschung der Managementprobleme multinationaler Unternehmen (MNU) weitestgehend abgeschlossen. Die Gründung ausländischer Niederlassungen folgt häufig einem bestimmten Muster, nach dem zunehmend mehr Kapital und Management verlagert werden. Nach diesem Stufenmodell unterscheidet man folgende Phasen: 1. Export, 2. Lizenzvergabe, 3. Franchising, 4. Joint-Venture, 5. Auslandsniederlassung, 6. Gründung eines Betriebs oder einer Tochtergesellschaft. Entscheidend bei einer Standortwahl ist immer die Zielsetzung des Unternehmens. Für die Analyse des Standortwahlproblems wurde in der Literatur eine Reihe von Katalogen mit entscheidungsrelevanten Merkmalen entwickelt. Diese werden gewichtet und anschließend die verschiedenen Standorte hinsichtlich ihrer Qualität verglichen. Die Erfahrung zeigt, dass europäische, amerikanische, japanische und chinesische Unternehmen bei der Gewichtung unterschiedliche Präferenzen haben. Hohe Wertschätzung genießen bei den US-Unternehmen traditionell die Sicherheit der Eigentumsrechte, relativ "gewerkschaftsfreie" Unternehmen, das Arbeitsrecht des Gastlandes, die Einstellung zur Arbeit sowie die Aufgeschlossenheit der lokalen Bevölkerung gegenüber Amerikanern. Unabhängig von der Nationalität der Investoren werden in der deutschen Betriebswirtschaftslehre folgende länderspezifischen Faktoren als die wichtigsten bezeichnet: Marktvolumen des Gastlandes, Wachstumsrate des Marktes, Beschränkungen des Gewinns, Verhalten der Regierung des Gastlandes gegenüber ausländischen Investoren, Gefahr der Verstaatlichung, Währungsstabilität, Verfügbarkeit, Kosten und zuverlässige Existenz von Betriebsmitteln, Beschränkungen des Kapitalrückflusses, Investitionsanreize und Verfügbarkeit von Bauland. Eine typische Liste länderspezifischer Faktoren hat SCHÖLLHAMMER (1989, S. 1962) nach einer statistischen Analyse der Standortwahl deutscher, britischer, französischer und amerikanischer MNU erstellt (vgl. Übersicht III.1). Spätere amerikanische Untersuchungen kamen praktisch zu den gleichen Ergebnissen. 9 Übersicht III.1 USUnternehmen Relative Bedeutung länderspezifischer Faktoren der Standortwahl aus der Sicht amerikanischer und europäischer Unternehmen Europäische Unternehmen 1 Risikofaktoren Kartellbestimmungen Gesetze, die den Schutz des Eigentums garantieren Aufgeschlossenheit der ausländischen Regierung gegenüber privaten Investitionen Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren - Vorhandensein von Energie und Wasser - Zuverlässigkeit von Betriebsmitteln - Vorhandensein von finanziellen Anreizen durch die Regierung - Vorhandensein geeigneten Baulands - Vorhandensein lokaler Rohstoffe - Vorhandensein geeigneter Arbeitskräfte - Vorliegen freier Währungskonvertibilität Marktpotenzial - Wirtschaftliche Wachstumsrate - Gesetzliche Einschränkung an einer 100 %-Beteiligung - Existenz örtlicher Zulieferer - Wachstumsrate des Marktes - Größe des Marktes - Gegenwärtige oder zukünftige Mitgliedschaft in gemeinsamen Märkten oder Freihandelszonen - Bevölkerungsgröße - Nähe zu Exportmärkten Kostenfaktoren - Steueranreize für Investitionen - Arbeitsproduktivität - Transferierbarkeit des Steueraufwands - Lohn- und Gehaltshöhe - Gewinnaufteilung ist üblich oder vorgeschrieben - Baulandpreise - Verfügbarkeit und Kosten von Exportfinanzierungen - Lokale Kreditkosten Wettbewerbsdruck - Schutzzölle gegen ausländische Konkurrenten - Bevorzugung von staatlichen Unternehmungen - Patentfähigkeit der Produkte - Konzentration von Konkurrenten - Verhalten lokaler Konkurrenten gegenüber Auslandsinvestoren Infrastruktur - Ex- und Importmöglichkeiten - Nähe zu Anbietern - Effizienz der lokalen Transportsysteme - Nähe zu Rohstoffquellen Allgemeine Faktoren - Arbeitsdisziplin - Vorhandensein militanter oder kommunistisch beeinflusster Gewerkschaften - Freiheit zu „Hire and Fire“ - de facto ausgeübte öffentliche Kontrolle - Notwendigkeit spezieller Genehmigungen und Konzessionen - Zölle und andere Importrestriktionen - Intensität der Mitbestimmung auf Unternehmensebene Politische Bedingungen Angebotsbedingungen Arbeitsbedingungen Steuerhöhe und steuerliche Bedingungen Wirtschaftliche Lage Markt- und Wettbewerbsbedingungen Gesetzliche Bedingungen und Beschränkungen Finanzierungsbedingungen Geographische Bedingungen (Kundennähe, Anbieternähe, Transportmöglichkeiten, Verfügbarkeit und Kosten von geeigneten Grundstücken) 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Quelle: SCHÖLLHAMMER (1989, S. 1962). 2 5 4 6 3 7 3 1 5 2 7 8 6 9 4 10 2. Neuere Standorttheorien Die im folgenden Punkt dargestellten Standortmerkmale beziehen sich in erster Linie auf Untersuchungen internationaler Organisationen. Die wichtigste Quelle ist hier der von der UNCTAD jährlich herausgegebene Worldinvestment Report. In der Ausgabe von 1998 wurde unter Mitarbeit vieler namhafter Forscher die umfassendste Zusammenstellung aller theoretischen und empirischen Untersuchungen zum Thema Direktinvestitionen der letzten Jahrzehnte erarbeitet. Dieser Untersuchung widmen auch IMF und Weltbank breiten Raum (vgl. MALLAMPALLY ET AL. 1998, S. 89 ff.). Weitere Analysen findet man auch in den von der Weltbank herausgegebenen World Development Reports der letzten Jahre. Nach Angaben der UNCTAD-Studie sind trotz Globalisierung und High-TechIndustrie nach wie vor die klassischen Standortfaktoren von Bedeutung. Die Zahl der relevanten Merkmale erweitert sich jedoch ständig. In der folgenden Übersicht III.2 werden die wichtigsten Aspekte in einer synoptischen Übersicht zusammengestellt. Die linke Seite des Schaubilds zeigt die politischen Determinanten des Gastlandes sowie in einer zweiten Gruppe von Faktoren, wie das Gastland ausländische Investitionen anregen kann. Auf der rechten Seite stehen die drei wichtigsten unternehmerischen Strategien, die entweder markt-, ressourcen- oder effizienzorientiert sind. Bei der Diskussion der Ergebnisse sollen jedoch nur die Zusammenhänge dargestellt werden, die für das Untersuchungsziel möglicherweise relevant sind. 1. Wichtigste Investitionsdeterminante ist nach wie vor die politische Stabilität. Sogar bevorstehende Wahlen mit ungewissem Ausgang führen zur Zurückhaltung der Investoren. Deshalb finden auch nur 1 % aller Direktinvestitionen in Afrika statt, obwohl einige Länder äußerst lukrative Anreize bieten. 2. Ganz entscheidend ist das Investitionsklima. Es lässt sich durch Beobachtung der politischen Diskussionen über Direktinvestitionen leicht erforschen. Einigkeit über den Nutzen ausländischer Investitionen gilt als guter Indikator. Das Gegenteil trifft zu, wenn Gesetze zur Investitionsförderung erst nach längeren Debatten erlassen werden. Auch die Zufriedenheit der einheimi- 11 Übersicht III.2 Host country determinants of foreign direct investment (FDI) Host country determinants Type of FDI classified by motives of firms Principal economic determinants in host countries Policy framework for FDI Market-seeking Market size and per capita income Economic, political, and social stability Market growth Rules regarding entry and operations Access to regional and global markets Standards of treatment of foreign affiliates Country-specific consumer preferences Policies on functioning and structure of markets (especially competition and policies governing mergers and acquisitions) Structure of markets International agreements on FDI Privatisation policy Trade policy (tariffs and nontariff barriers (and coherence of FDI and trade policies Tax Policy Economic determinants Resource/asset-seeking Raw materials Low-cost unskilled labor Skilled labor Technological, innovative, and other created assets (for example, brand names, including as embodied in individuals, firms, and clusters) Physical infrastructure (ports, roads, power, telecommunications) Business facilitation Investment promotion (including image-building and investmentgenerating activities and investment-facilitation services) Investment incentives Hassle costs (related to corruption and administrative efficiency) Social amenities (for example, bilingual schools, quality of life) After-investment services Quelle: MALLAMPALLY ET AL. (1998). Efficiency seeking Cost of resources and assets listed above, adjusted for productivity Other input costs, such as transport and communication costs to/from and within host economy and other intermediate products Membership of a regional integration agreement conducive to the establishment of regional corporate networks 12 schen Unternehmer mit der kommunalen Wirtschaftsförderung gilt als positiver Indikator. 3. Das Verhalten der Investoren unterliegt einem gewissen Herdentrieb. Deshalb werden politische Risiken häufig zu spät erkannt. 4. War ein Land eine gewisse Zeit gegenüber ausländischen Direktinvestoren sehr zurückhaltend, dauert es in der Regel mehrere Jahre, um aller Welt glaubhaft zu machen, dass jetzt ein neues Investitionsklima herrscht. Die Erfahrungen Irlands, Kanadas und Brasiliens haben gezeigt, dass dies nur mit mehrjährigen teuren Werbekampagnen gelingt. 5. Die meisten Unternehmen müssen aus Angst vor feindlichen Übernahmen expandieren. Deshalb wird die Geschwindigkeit, mit der Gastländer potenzielle Direktinvestoren über Investitionsmöglichkeiten informieren, immer wichtiger (vgl. RICUPERO 2000, S. 1 ff.). 6. Der Direkterwerb einer Unternehmung ist die schnellste Möglichkeit, um in einem fremden Markt sofort präsent zu sein. Andererseits sind die Gewinne der Unternehmen bei einem Direkterwerb am niedrigsten, bei JointVentures erheblich größer und bei Neugründungen am größten. 7. Als günstig hat sich nach PORTER (1990, 1998) die Schaffung von sog. "industrial clusters" (einem Netzwerk von verwandten und unterstützenden Industrien mit hoher informeller Kommunikation) erwiesen. Sie können durch gezielte Anreize und die Gründung unternehmensorientierter Forschungsinstitutionen gefördert werden. Als Musterbeispiel gilt hier Irland, wo inzwischen ca. die Hälfte der Arbeitnehmer in ausländischen Unternehmen arbeitet und wo die Wachstumsraten des BSP/Kopf in den letzten 15 Jahren mehr als doppelt so hoch waren wie in Großbritannien (vgl. SAXENIAN 1994, SENGENBERGER/PYKE 1992, SCHMITZ 1989). 8. Primär die Sprache und kulturelle Einrichtungen, wie Sportanlagen, Tanzlokale, Diskotheken, Nachtclubs usw., haben großen Einfluss auf die Bereitschaft der Mitarbeiter ausländischer Unternehmen sowie ihrer Familien, in eine fremde Stadt zu ziehen. Häufig können solche Probleme gemildert werden, z. B. durch die Einführung zweisprachiger Schulen. 13 9. Investment Promotion Agencies, die ausschließlich zur Anwerbung von Investoren gegründet werden und sich auch mit konkurrierenden Ländern befassen, erweisen sich als sehr förderlich. So meinte der Leiter der CZECHINVEST im Jahr 1998: "Bis jetzt stand die Tschechische Republik zu ihrem Nachteil ständig mit Polen, Ungarn oder westeuropäischen Staaten im Wettbewerb. Dieses Anreizpaket wird Tschechien befähigen, sich unter gleichen Bedingungen am Wettbewerb für mobile Direktinvestitionen zu beteiligen, die hochqualifizierte aber gering bezahlte Arbeitskräfte erfordern." (MALLAMPALLY ET AL. 1998, S. 131, übersetzt v. Verf.). Effiziente Standortwerbung erfordert jedoch viel Zeit, hohes professionelles Können und ist deshalb sehr teuer. Die meisten Transformationsländer verfügen allerdings nicht über die erforderlichen finanziellen Ressourcen. 10. Die Geschichte der Nachkriegszeit zeigt eindeutig, dass offene, exportorientierte Länder den größten Zufluss an Direktinvestitionen erhielten. 11. Finanzielle Investitionsanreize spielten bei den meisten Investitionsentscheidungen keine ausschlaggebende Rolle. Bei ansonsten weitgehend identischen Standortbedingungen, die vor allem dann vorliegen, wenn ein bestimmter Markt beliefert werden soll, beeinflussen sie allerdings stark die Standortwahl (z. B. Nordfrankreich versus Südengland). 12. Je ähnlicher die Standortbedingungen in einem Land sind, desto bedeutender werden regionale Aspekte. Deshalb sollte die Regierung regulierend eingreifen, wenn verschiedene Orte in einen ineffizienten "Beggar-my-neighbour-Wettbewerb" treten (vgl. WELTBANK 2000, S. 100). 13. Etwas widersprüchlich sind die Ergebnisse hinsichtlich der Löhne. Alle ökonometrischen Untersuchungen, bis zurück in die 60er Jahre, zeigen keinen signifikanten Einfluss produktivitätsadjustierter Löhne. Auch Untersuchungen von 1997 über die Direktinvestitionen von 14 Ländern in 45 Gastländern ergaben keinen Zusammenhang (vgl. MALLAMPALLY ET AL. 1998, S. 131). Löhne gelten als ein Faktor unter vielen, der dann ausschlaggebend ist, wenn alle anderen Faktoren gleich sind. In Anbetracht des hohen Humankapitalbestandes der EU-Beitrittskandidaten besteht vermutlich diese Bedingung. So geben nach einer Befragung der EBRD (2000, S. 16), die aber nicht näher nach Ländern aufgeschlüsselt ist, von den Unternehmen, die in Osteuropa investieren, ca. 45 % "billige Arbeitskräfte" als Investitionsmotiv 14 an, das ebenso wichtig ist wie "Steuern und Regulierungen". Allerdings nennen 60 % der Befragten die „Nähe zum Absatzmarkt“ als wichtigstes Motiv. 14. Besonders bemerkenswert ist, dass alle größeren ökonometrischen Analysen der UNCTAD, die ca. 140 Direktinvestitionen erfassen und seit 1980 alle fünf Jahre durchgeführt werden, ergaben, dass die Marktgröße (gemessen an der Höhe des BSP) die signifikanteste Variable ist und das BSP/Kopf meist auch signifikant ist. Beide Variablen erklären ca. 60-70 % der Höhe der Direktinvestitionen. Gelegentlich ist auch das Marktwachstum, gemessen an der durchschnittlichen Wachstumsrate des BSP der letzten fünf Jahre, von signifikanter Bedeutung. Aufgrund der hier genannten Erkenntnisse lassen sich in Anbetracht der großen Bedeutung der Privatisierungsstrategie noch keine profunden Schlüsse ziehen. Dies bedarf weiterer Analysen, vor allem über institutionelle Fragen. 3. Fazit: Untersuchungsrelevante Faktoren Aus den bereits dargelegten Überlegungen hat sich heraus kristallisiert, dass die in die nachfolgende tiefergehende Betrachtung einbezogenen Standortfaktoren im Falle Sachsens nicht auf solche Bezug nehmen wird, die für Investoren in der Grundstoff- oder Schwerindustrie relevant wären. Realistischerweise wird sich der Standortwettbewerb mit den östlichen Nachbarn schwerpunktmäßig auf die verarbeitende Industrie beziehen. Unter diesem Aspekt spielen sicherlich eine Reihe quantitativer Größen (z. B. Arbeitskosten, Arbeitszeit, Steuern etc.) eine gewisse Rolle, entscheidender für eine Standortwahl dieser Zielgruppe dürfte jedoch der Einfluss zahlreicher qualitativer Faktoren (z. B. Ausbildung und Mobilität der Arbeitskräfte, staatliche Regulierungen, Infrastruktur, Effizienz der Verwaltung, Bildungs- und Forschungssystem) sein. In zahlreichen empirischen Untersuchungen zur Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen im Ausland, insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Ländern, findet man die oben genannten Faktoren - für einzelne Wirtschaftszweige unterschiedlich ausgeprägt - immer wieder (vgl. hierzu entsprechende Übersichten in: KAUFMANN/MENKE 1997, S. 80 ff., STANKOVSKY 1998; S. 139 ff., BELITZ/ROULSTONE 1999, S. 55 ff.). 15 Nachfolgend werden die einzelnen Standortfaktoren in ihren Ausprägungen für Polen, Tschechien und Ungarn im Vergleich zur Situation in Sachsen dargestellt. Wenn die Informationslage eine Aussage für Sachsen nicht zulässt, wird auf Ostdeutschland oder auch Deutschland insgesamt Bezug genommen. 16 17 IV. Standortposition der Länder im Spiegel der Literaturauswertung 1. Arbeitskosten, Arbeitsproduktivität und Lohnstückkosten Als Investitionsmotiv stehen die niedrigen Arbeitskosten2 in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOE-Länder) bei Befragungen ausländischer Investoren immer noch an prominenter Stelle. Eine Frage ist, was genau unter Arbeitskosten zu verstehen ist. Bei der Diskussion um die Messung der wahren Bruttolohnkosten, kam ein Team von Wissenschaftlern der Weltbank (vgl. GARNETT ET AL. 2000, S. 4) zu der Ansicht, dass man Lohnkosten nach kontrakt-bestimmten, freiwilligen und intangiblen Komponenten zerlegen müsse. Zu den durch Vertrag vereinbarten Leistungen gehören neben dem Gehalt auch Zuschüsse zu den Fahrtkosten oder den Lebenshaltungskosten. Zu den freiwilligen Leistungen gehören z. B. häufig Gesundheitsfürsorge (Krankenversicherung), Mahlzeiten und zu den intangiblen die Sicherheit des Arbeitsplatzes, das Prestige der Firma und gesellschaftliche Privilegien. Außerdem kann man noch nach gegenwärtig „erwarteten“ (zukünftigen) Aspekten, wie Pensionsansprüchen differenzieren. Da man nicht alle Komponenten in Geld ausdrücken kann, erschwert dies stark Lohnvergleiche. Am meisten macht sich dies bei den Sozialleistungen bemerkbar. Im Folgenden wird von dem in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und den darauf aufbauenden internationalen Statistiken verwendeten Begriff der Arbeitskosten ausgegangen. Danach umfassen die Arbeitskosten die Bruttolöhne und -gehälter der beschäftigten Arbeitnehmer und die gesetzlichen und freiwilligen Sozialbeiträge der Arbeitgeber. Die Bruttolöhne und -gehälter beinhalten die Entlohnung - vor Abzug der Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und der Lohnsteuer -, die den Arbeitern, Angestellten, Auszubildenden, Volontären und ähnlichen Arbeitnehmergruppen aus dem Arbeitsverhältnis zugeflossen sind. Einbezogen sind Akkord-, Bandarbeits- und Prämienzuschläge, Leistungs-, Schmutz- und Lästigkeitszulagen, Montagezuschläge, Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit, sonstige tariflich oder frei vereinbarte Vergütungen und Zulagen, wie Familien- und Kinderzuschläge sowie Wohnungszuschüsse, Essensgeld und Fahrtkostenzuschüsse. Weiter sind enthalten Naturalvergütungen, Vergütungen für die durch Fest- und Feiertage, Urlaub, Krank2 Der Terminus Arbeitskosten wird hier synonym mit dem Ausdruck Bruttolöhne plus Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und sonstigen Nebenkosten verwandt. 18 heit usw. ausgefallene Arbeitszeit (Lohnfortzahlung), gesetzliche Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld, Jahressonderzuwendungen wie 13. Monatsgehalt, zusätzliches Urlaubsgeld, Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen, Erfolgs- und Treueprämien, Leistungen der Arbeitgeber nach den Vermögensbildungsgesetzen, Abfindungen beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis und ähnliche Leistungen. Auch Einkommen geringfügiger abhängiger Tätigkeit sind einbezogen. Zunächst wird auf die durchschnittliche Höhe der so abgegrenzten Arbeitskosten pro Beschäftigten und damit auf die Lohnhöhe in den Vergleichsländern eingegangen. Betrachtet werden die in der privaten Wirtschaft (Unternehmenssektor) bezahlten Löhne, der Staatssektor bleibt ausgeklammert. Dargestellt wird die Lohnhöhe und ihre Entwicklung seit 1995 in nationaler Währung und in einheitlicher Währung. Als gemeinsame Währung wird aus naheliegenden Gründen der Euro verwendet. Um die Lasten der Unternehmen aus der Sicherung des sozialen Netzes in den verschiedenen Ländern deutlich zu machen, wird auch der Einfluss der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung auf die Lohnhöhe dargestellt. Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit der Lohndifferenzierung nach Branchen und Qualifikationen und mit der Frage, welche Löhne ausländische Firmen im Vergleich zu inländischen Unternehmen bezahlen müssen. Der einfache Lohnvergleich vernachlässigt die Bedeutung der Arbeitsproduktivität für die Wettbewerbsfähigkeit bei den Produktionskosten eines Standorts. In der Regel stehen den länderspezifischen Unterschieden in der Lohnhöhe gleichgerichtete Differenzen in der Arbeitsproduktivität gegenüber. In welchem Maße hierdurch die Kostenunterschiede nivelliert werden, kommt in der Höhe und Entwicklung der Lohnstückkosten zum Ausdruck. Da das Ergebnis des internationalen Vergleichs stark von Bewegungen im Außenwert der Währung beeinflusst sein kann, werden die Lohnstückkosten ebenfalls in nationaler Währung und in einheitlicher Währung betrachtet. 1.1 Niveau und Entwicklung der Durchschnittslöhne Die von der OECD zusammengestellte und vergleichbar gemachte Datenbasis erlaubt einen Vergleich der Arbeitskosten pro Beschäftigten im Durchschnitt des Unternehmenssektors. Dieses heterogene Aggregat umfasst Aktivitäten der 19 Land- und Forstwirtschaft, des Bergbaus, der Industrie, des Baugewerbes, des Handels- und Gastgewerbes, des Transportgewerbes, der Finanzdienstleister, der unternehmensorientierten und der sozialen Dienste. Wie Tabelle IV.1 zeigt, existierten im Jahr 2000 noch erhebliche Unterschiede in den Arbeitskosten gemessen an den Jahresverdiensten im Unternehmenssektor. Die Kosten liegen bei einem Fünftel bis zu einem Viertel der Arbeitskosten in Deutschland. Auch in Sachsen bewegen sich die Jahresverdienste (einschließlich Arbeitgeberbeiträge für Sozialversicherung) noch bei 80 % der entsprechenden Werte im gesamtdeutschen Durchschnitt. Im Vergleich zu Sachsen liegen damit die Löhne (brutto) in Polen, Tschechien und Ungarn im Durchschnitt des Unternehmensbereichs bei einem Viertel bis zu einem Drittel des sächsischen Niveaus. Tabelle IV.1 Höhe und Veränderung der Arbeitskosten im Vergleich Jahresverdienste 2000 im Unternehmenssektor Euro (D=100) jahresdurchschnittliche Veränderungsrate 1995/2000 in % in Euro in nationaler Währung Polen 6.667 22 12,5 17,6 Tschechien 5.851 19 8,1 8,4 Ungarn 7.772 25 7,1 17,2 Deutschland 30.538 100 0,3 1,0 Sachsen 24.288 80 0,8 1,5 Quelle: OECD ( 2002), Berechnungen des ifo Instituts. Deutlich wird aus Tabelle IV.1, dass in den MOE-Ländern eine Aufholtendenz bei den Löhnen besteht. In nationaler Währung stiegen die Arbeitskosten zwischen 8 und 18 % pro Jahr im Zeitraum 1995 bis 2000. In Deutschland und Sachsen ist dagegen nur ein Anstieg von 1 - 2 % zu beobachten.3 Der kräftige Lohnanstieg in Polen, Tschechien und Ungarn wurde durch Abwertungen der Landeswährungen nur zu einem Teil kompensiert. Bei Lohnsteigerungen in Eu3 Da die Arbeitskosten als Quotient aus den Bruttoarbeitseinkommen (einschließlich Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) und der Zahl der abhängig Beschäftigten errechnet worden sind, wird die Veränderungsrate im Jahresdurchschnitt auch durch Verschiebungen im Verhältnis Teilzeit- zu Vollzeitkräften beeinflusst. In allen Ländern hat die Teilzeitbeschäftigung zugenommen. Die Veränderungsrate der Arbeitskosten wird hierdurch im Vergleich zur effektiven Brutto-Lohnentwicklung etwas gedrückt. 20 ro in der Größenordnung von 12 % pro Jahr, wie sie in den letzten Jahren in Polen zu beobachten waren, würde es bei anhaltender gedämpfter Lohnentwicklung in Sachsen nur bis 2014 dauern, bis die polnischen die sächsischen Arbeitskosten eingeholt hätten. Bei den Wachstumsraten in Tschechien und Ungarn würde 2020 das sächsische Lohnniveau annähernd erreicht. Die Daten in Tabelle IV.1 beziehen sich, wie erwähnt, auf einen sehr heterogenen Bereich. Die Relationen zwischen den Ländern bleiben jedoch ähnlich ausgeprägt, wenn man die Ebene der Wirtschaftszweige betrachtet (vgl. Tabelle IV.2). Tabelle IV.2 Bruttolohnkosten pro Monat nach ausgewählten Branchen im Vergleich Bruttolohnkosten im Jahr 2000; in €/Monat Sachsena) Branche Polen Tschechien Ungarn Industrie 1.976 423 336 293 Textilindustrie 1.378 326 250 208 Chemische Industrie 2.220 576 - 473 Metallerzeugung und –bearbeitung 2.156 518 395 371 Maschinenbau 2.267 427 358 300 Herstellung von Kraftwagen und –teilen 2.324 479 - 384 a) Geschätzt auf der Basis von Daten für 1999. Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (2001a), STATISTISCHES LANDESAMT SACHSEN (2001), Berechnungen des ifo Instituts. 1.2 Lohndifferenzierung nach Branchen und Qualifikationen DES FREISTAATES In den drei MOE-Ländern unterscheiden sich die branchenüblichen Gehälter z. T. erheblich (vgl. Tabelle IV.2). Hinsichtlich der Rangfolge der Branchen, die mehr oder weniger Löhne bezahlen, besteht jedoch Ähnlichkeit. In der kapitalintensiven chemischen Industrie wird besser entlohnt als in den Sparten der Metall- und Elektroindustrie. Diese bietet wiederum bessere Verdienstmöglichkeiten als die Textilindustrie. In Sachsen zählt die chemische Industrie zwar auch zu den Industriezweigen, die überdurchschnittlich hohe Verdienste ermöglicht. Sie bleibt jedoch in der Lohnhierarchie hinter dem Fahrzeugbau und dem Maschinenbau zurück. 21 Die Bezahlung in der Textilindustrie kann als Indikator für die Arbeitskosten im Niedriglohnbereich genommen werden. Wird die branchenmäßige Lohndifferenzierung in den einzelnen Ländern anhand der Abweichung von den Verdienstmöglichkeiten in der Textilindustrie gemessen, so zeigt sich, dass die Lohnspreizung in Sachsen durchaus nicht immer geringer ist als in den betrachteten MOE-Ländern. So bezahlt der sächsische Maschinenbau 58 % besser als die Textilindustrie, während in Ungarn und Tschechien die Bruttoverdienste der Maschinenbauer nur um 44 % und in Polen nur um 23 % über dem Niedriglohnbereich liegen. Insgesamt hat Ungarn vor Sachsen, Polen und Tschechien die ausgeprägteste Lohndifferenzierung nach Wirtschaftszweigen. Je nach Qualifikation und Arbeitgeber variieren die Gehälter erheblich. Generell gilt der Grundsatz, wer gute Leute beschäftigen will, muss sie auch gut bezahlen. Während niedrig qualifizierte Arbeitskräfte, gemessen an westlichen Maßstäben, noch immer relativ niedrige Gehälter oder Löhne beziehen, nähert sich die Vergütung leitender Angestellter zunehmend westeuropäischem Niveau an. So liegen in Ungarn die Gehälter für Personal mit akademischer Bildung in der Industrie statistisch gesehen bei ca. 200 bis 290 % des Durchschnittsniveaus. Bemerkenswert ist, dass nach Angaben der EBRD (2000) mehrere Indikatoren (z. B. Ginikoeffizient oder Gehaltsrelationen zwischen verschiedenen Sektoren) darauf hinweisen, dass die Spreizung der Gehälter während des Transformationsprozesses stark zugenommen hat. Am größten ist gegenwärtig die Einkommensungleichheit in Polen und Ungarn. 1.3 Lohnnebenkosten Die Höhe der Arbeitskosten wird auch durch die Kosten der sozialen Sicherung mitbestimmt. Diese müssen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam getragen werden. Welches Gewicht die Kosten der sozialen Sicherung haben, lässt sich an der Höhe der Lohnnebenkosten ablesen (vgl. Tabelle IV.3). Innerhalb der Personalzusatzkosten sind in den Reformländern die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen der mit Abstand wichtigste Posten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in diesen Ländern die Last der Sozialversicherungsbeiträge überwiegend, ja zum Teil ausschließlich, von den Arbeitgebern getragen werden muss. Dass die Zusatzkosten in den Reformstaaten nicht 22 noch höher sind, liegt an der geringen Bedeutung von Sonderzahlungen und freiwilligen Leistungen, wie beispielsweise Weihnachts- und Urlaubsgeld. Tabelle IV.3 Gewicht der Lohnnebenkosten für die Arbeitskosten Durchschnittliche Bruttostundenlöhne im Jahr 1999 in Euro Kostenart Westdeutschland Ostdtld. / Sachsen Polen Tschechien 25,17 - Direktentgelte - Personalzusatzkosten Ungarn 15,95 2,82 2,62 2,89 13,86 9,57 1,56 1,50 1,57 11,31 6,39 1,26 1,11 1,32 82 67 80 74 84 Arbeitskosten Insgesamt Davon: Zusatzkostenquote Quelle: SCHRÖDER (2000), IMOE-Datenbank, Berechnungen des ifo Instituts. Mit Personalzusatzkosten von 6,40 € liegt Ostdeutschland/Sachsen im internationalen Vergleich im Mittelfeld (vgl. SCHRÖDER 2000, S. 86). Die im Vergleich zu Westdeutschland niedrigeren Zusatzkosten sind vor allem auf die in den neuen Ländern niedrigeren Sonderzahlungen und Urlaubsvergütungen sowie geringeren Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung zurückzuführen. Die Lohnzusatzkostenquote zeigt, dass die Kosten der sozialen Sicherung in Ostdeutschland/Sachsen das geringste Gewicht für die Höhe der gesamten Arbeitskosten hat. 1.4 Lohnniveaus für ausländische Unternehmen dargestellt am Beispiel Tschechiens und Ungarns Entgegen den vor allem in den 60er bis 80er Jahren in der neomarxistischen Literatur verbreiteten Thesen über die Ausbeutung der Entwicklungs- und Schwellenländer durch MNU, bezahlen diese nicht geringere, sondern in der Regel weit höhere Löhne als einheimische Unternehmen. In Südostasien lagen sie häufig bis zu 100 % über denjenigen der einheimischen Unternehmen (vgl. hierzu JUNGFER 1990, S. 364 ff.). Dies hat im Wesentlichen zwei Gründe: Eine höhere Bezahlung, welche ein Unternehmen bei großen Lohnunterschieden zwischen dem Arbeitsmarkt des Gastlandes und des Heimatlandes gut verkraften kann, dient der Imagepflege des ausländischen Unternehmens. Zudem 23 zieht eine höhere Entlohnung eine große Zahl von Arbeitskräften an, sodass sich die ausländischen Firmen die am besten qualifizierten Arbeitnehmer aussuchen können. Wie wenig die Durchschnittsangaben von Lohnkosten zur Orientierung nützen, zeigt ÉKES (2001) in einem Vergleich der Löhne, welche MNU bezahlen, die sich im Wettbewerb mit einheimischen Unternehmen befinden (vgl. Tabelle IV.4). Da nach ÉKES in Ungarn etwa die Hälfte des BSP von ausländischen MNU oder Joint-Ventures erstellt wird, hat die Tätigkeit der MNU wegen der höheren Lohnzahlungen zu einer wachsenden Einkommensungleichheit geführt. Tabelle IV.4 Verdienste bei ausländischen Tochterunternehmen und bei lokalen Firmen in Ungarn - 1999 Verdienste in Tochterunternehmen ausländischer Firmen in Relation zum Verdienst bei lokalen Firmen (lokale Firmen = 100) Monatsverdienste insgesamt Monatslohn Monatsverdienste insgesamt Arbeiter ohne Ausbildung 154,3 132,8 Arbeiter mit Ausbildung 197,2 159,2 Angestellte mit Hochschulabschluss 135,2 126,6 Mittleres Management 285,0 256,2 Top Managers 252,6 238,2 Quelle: ECOSTAT, zusammengestellt von ÉKES (2001). Ähnlich ist die Situation in Tschechien. Die Consultingfirma KIENBAUM hat in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer eine Erhebung bei Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen zur Höhe der Arbeitskosten in Tschechien durchgeführt (vgl. KIENBAUM 2002). Bei der Befragung wurde auch versucht, die Kostenäquivalente für die Produktivitätsdifferenz zwischen dem tschechischen Betrieb und einem vergleichbaren Betrieb in Deutschland zu ermitteln. Dabei wurde nach drei Berufsgruppen differenziert. Da die Angaben zu den Produktivitätsdifferenzen stark schwankten, wurde ein Mittelwert gebildet, der in etwa dem Median entspricht. In Tabelle IV.5 sind die Ergebnisse der Untersuchung von KIENBAUM den nationalen Durchschnittwerten gegenübergestellt, welche CZECHINVEST unter der 24 Überschrift „Cost Driver Analysis“ präsentiert.4. Die größten Unterschiede bestehen zwischen den offiziell angegebenen und tatsächlich gezahlten Grundgehältern (salaries). Sowohl bei den gelernten als auch bei den ungelernten Arbeitnehmern liegt hier die tatsächliche Vergütung bei den ausländischen Tochterunternehmen um 75 % bzw. 72 % höher als die Angaben von CZECHINVEST. Bei den Ingenieuren mit mechanischer Fachrichtung beträgt die Abweichung allerdings nur 9 %. Tabelle IV.5 Arbeitskosten 2000 in Sachsen und Tschechien im Vergleich - Werte in Euro pro Monat Sachsen (SN) Qualifikation Deutsche Tochterunternehmen (DTU) in Tschechien (CZ) Abweichung DTU in CZ Czechinvest Aufschlag- Arbeits- Aufschlag- Arbeits- (SN =100) Arbeitssatz kosten sätze kosten CZ kosten CZ Arbeiter ohne Qualifikation Bruttolohn Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung 1.380 20 % Arbeitskosten 276 456 35 % 1.656 Produktivitätsdifferenz 160 616 20 % Adjustierte Arbeitskosten 260 1.656 123 739 55% Facharbeiter Bruttolohn Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung 1.610 20 % Arbeitskosten 322 745 35 % 1.932 Produktivitätsdifferenz 261 1.006 20 % Adjustierte Arbeitskosten 431 1.932 201 1.207 38% Maschinenbauingenieure Bruttolohn Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung Arbeitskosten 2.636 20 % 527 Quelle: 4 3.163 1.159 406 1.565 20 % CZECHINVEST und KIENBAUM (2002). http://www.czechinvest.org/ 32 % 3.163 Produktivitätsdifferenz Adjustierte Arbeitskosten 1.259 313 1.878 41 % 25 Unter Berücksichtigung der höheren Verdienste bei Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen, der Sozialbeiträge und der Produktivitätsdifferenz schrumpfen die Lohnkostenvorteile Tschechiens gegenüber Sachsen stark zusammen. Bei den Arbeitern betragen die produktivitätsadjustierten Lohnkosten in Tschechien 45 bis 62 % der sächsischen Kosten. Der Unterschied ist zwar immer noch beträchtlich, aber lange nicht so hoch wie die CZECHINVEST-Angaben suggerieren. Erwartungsgemäß sind die Lohnkostenvorteile bei den ungelernten Arbeitern mit 55 % gegenüber Sachsen am größten, gefolgt von den Ingenieuren mit 41 % und den Facharbeitern mit 38 %. 1.5. Arbeitsproduktivität Der einfache Lohnvergleich vernachlässigt die Bedeutung der Produktivität für die Höhe der Produktionskosten. Nach Untersuchungen der INTERNATIONAL LABOUR ORGANIZATION (ILO 2000a) und der OECD (2002) bestehen hier ähnlich ausgeprägte Unterschiede zwischen den Industrieländern und den Transformationsländern wie bei den Löhnen. Die Arbeitsproduktivität wird an der Wertschöpfung pro Beschäftigten gemessen (vgl. Tabelle IV.6). Tabelle IV.6 Arbeitsproduktivität im Unternehmenssektor im Jahr 2000 Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen im Unternehmenssektor im Jahr 2000 Euro USA =100 Sachsen =100 Zum Vergleich: Arbeitskosten a) Sachsen =100 USA 66.294 100 206 190 Deutschland 46.651 70 145 126 Irland 44.599 67 138 115 32.688 49 101 95 32.253 49 100 100 Griechenland 21.497 32 67 63 Portugal 17.337 26 54 50 Tschechien 7.664 12 24 24 Ungarn 6.794 10 21 32 Polen 6.081 9 19 27 Spanien Sachsen b) a) Werte siehe Tabelle IV.1. - b) Werte aus den OECD-Angaben für Deutschland unter Nutzung der Ergebnisse des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“ abgeleitet. Quelle: OECD (2002); ARBEITSKREIS VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG Berechnungen des ifo Instituts. DER LÄNDER, 26 Wie Tabelle IV.6 zeigt, rangieren Polen, Tschechien und Ungarn bei der Arbeitsproduktivität im Durchschnitt des Unternehmenssektors mit deutlichem Abstand am unteren Ende der ausgewiesenen OECD-Länder. Gemessen am produktivitätsstärksten Land, den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), liegt die Arbeitsproduktivität bei Verwendung des Wechselkurses für die Umrechnung in die gemeinsame Währung gerade bei einem Zehntel. Die Unternehmen Sachsens erreichen ein ähnliches Niveau der Arbeitsproduktivität wie die spanischen Unternehmen. Der Vorsprung gegenüber den MOE-Ländern ist beträchtlich: Die Arbeitsproduktivität in Tschechien, Ungarn und Polen liegt nur bei einem Fünftel bis zu einem Viertel des sächsischen Niveaus. Interessant ist, dass der Rückstand bei der Arbeitsproduktivität ausgeprägter ist als der Rückstand bei den Arbeitskosten. Ähnlich wie bei Löhnen und Arbeitskosten stellt sich auch bei der Arbeitsproduktivität die Frage, ob die MOE-Beitrittsländer aufholen und in welchem Tempo sich der Aufholprozess vollzieht. Abbildung IV.1 zeigt die Entwicklung seit Mitte der neunziger Jahre in gemeinsamer Währung (Euro). Zum einen wurde die Arbeitsproduktivität in Euro zu jeweiligen Preisen aus der Wertschöpfung in laufenden Preisen je Erwerbstätigen in heimischer Währung und deren Wechselkurs zum Euro im jeweiligen Jahr berechnet. Die in diesem Teilbild dargestellte Produktivitätsentwicklung reflektiert also auch Veränderungen im Wechselkursgefüge. Zum anderen ist die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Preisen von 1995 dargestellt, umgerechnet in eine einheitliche Währung zu Wechselkursen von 1995. Die Veränderung dieser realen Werte spielt bei Tariflohnverhandlungen ein zentrale Rolle. Nach beiden Messansätzen zeigt sich bisher kein Aufholen der MOE-Länder bei der Arbeitsproduktivität im Durchschnitt des Unternehmenssektors. Auch die Unternehmen Sachsens kommen seit Mitte der neunziger Jahre nur mehr in abgeschwächtem Tempo dem deutschen Durchschnitt näher. Während also Polen, Tschechien und Ungarn bei den Löhnen, welche im Unternehmenssektor bezahlt werden, deutlich gegenüber Sachsen aufgeholt haben, ist eine vergleichbare Entwicklung bei der Produktivität des Faktors Arbeit nicht zu beobachten. Dies impliziert, dass die Lohnstückkosten, also die Ausgaben für den Faktor Arbeit je Einheit Produktion, sich im Durchschnitt des Unternehmenssektors in den MOE-Ländern stärker erhöht haben als in Sachsen und Deutschland insgesamt. 27 Abbildung IV.1 Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Zentraleuropa seit 1995 Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen im Unternehmenssektor zu jeweiligen Preisen und Wechselkursen Deutschland Tschechische Republik Polen Sachsen Ungarn zu Preisen und Wechselkursen von 1995 Deutschland Polen Sachsen 60000 60000 50000 50000 40000 in Euro in Euro 40000 30000 30000 20000 20000 10000 10000 0 0 1995 Quelle: Tschechische Republik Ungarn 1996 1997 1998 1999 2000 2001 1995 1996 1997 1998 1999 OECD (2002); ARBEITSKREIS VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG Berechnungen des ifo Instituts. 2000 DER 2001 LÄNDER, Die Wettbewerbsfähigkeit der MOE-Länder hat sich also von der Kostenseite her in den letzten Jahren verringert. Da die Konstellation bei der Entwicklung der Lohnstückkosten in der Industrie von besonderem Interesse ist, wird zum Abschluss des Abschnitts hierauf eingegangen. 1.6 Entwicklung der Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe im Vergleich Die Lohnstückkosten werden bei gesamtwirtschaftlichen Analysen oder bei Branchenanalysen als Quotient von Arbeitskosten und der Bruttowertschöpfung zu konstanten Preisen definiert. Arbeitskosten (Bruttolöhne, Lohnnebenkosten) und Bruttowertschöpfung werden dabei über die Unternehmen aufsummiert, welche den zu untersuchenden Bereich bilden. Die Bruttowertschöpfung zu 28 konstanten Preisen dient als Proxi-Variable für die eigentlich benötigte mengenmäßige Entwicklung der Produktion. Bei einzelwirtschaftlichen Analysen stehen dagegen in der Regel Daten zur erzeugten Produktionsmenge zur Verfügung. Üblicherweise wird bei makro- und mesoökonomischen Analysen die Lohnstückkostenentwicklung als Index des Wertes zum Basisjahr berechnet. Dieser entspricht der Lohnquote im Basisjahr. Die Entwicklung der Lohnstückkosten kann wiederum in nationaler Währung oder in einheitlicher Währung betrachtet werden. Erstere ist ein Maßstab für den Inflationsdruck von der Kostenseite her in dem betreffenden Land. Die Lohnstückkostenentwicklung in einheitlicher Währung ist dagegen ein Indikator für die Position der Wirtschaft eines Landes im Kosten- und Preiswettbewerb. Sie wird auch maßgeblich von den Veränderungen im Wechselkurs der Landeswährung beeinflusst. Wie Tabelle IV.7 zeigt, waren die Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland, in nationaler Währung (DM) gerechnet, seit 1995 weitgehend stabil. Die Erhöhung von Löhnen und Lohnnebenkosten bewegte sich also im Durchschnitt der deutschen Industrie im Rahmen des Wachstum der Arbeitsproduktivität. Im sächsischen verarbeitenden Gewerbe sind die Lohnstückkosten deutlich gesunken. Bei nur wenig stärkerem Lohnanstieg, ist die Arbeitsproduktivität deutlich schneller gestiegen als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Im verarbeitenden Gewerbe in Polen, Tschechien und Ungarn haben sich dagegen die Lohnstückkosten, in Zloty, Kronen und Forint gerechnet, seit 1995 deutlich erhöht. Am stärksten war dies in Ungarn der Fall. Aber auch in der tschechischen Industrie haben die Lohnstückkosten noch um mehr als ein Viertel zugenommen. Wie die Entwicklung der relativen Lohnstückkosten in einheitlicher Währung zeigt, ist die Erhöhung der Lohnstückkosten im Durchschnitt der Industrieunternehmen Polens, Tschechiens und Ungarns zum Teil durch Abwertungen der Währung kompensiert worden. Nur der Forint, die Währung Ungarns, wurde in der Phase des „Managed Floating“ aber so stark abgewertet, dass der Anstieg der Lohnstückkosten überkompensiert wurde. Der Vorsprung war 2000 am ausgeprägtesten. Mit der Freigabe des Forint im abgelaufenen Jahr ging ein Teil des Kostenvorsprungs verloren. Der relative Lohnstückkostenanstieg in der polnischen Industrie hielt sich in einer Marge von rd. 10 %. Die tschechische Industrie musste dagegen einen kontinuierlichen Anstieg der relativen Lohnstückkosten hinnehmen. 2001 lagen sie um über ein Fünftel höher als 1995. Wird die aus den Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der 29 Länder berechenbare Lohnstückkostenrelation zwischen dem sächsischen und dem deutschen verarbeitenden Gewerbe auf die - von der OECD berechneten deutschen relativen Lohnstückkosten in einheitlicher Währung übertragen,5 so hat die sächsische Industrie von der Kostenseite her seit 1995 im internationalen Vergleich deutlich an Preiswettbewerbsfähigkeit gewonnen. Tabelle IV.7 Entwicklung der Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe nach Ländern Brutto-Arbeitseinkommen je Einheit Bruttowertschöpfung in Preisen von 1995 - Index, 1995=100 Land 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Lohnstückkosten in nationaler Währung Tschechien 110,7 111,9 121,9 126,7 124,3 126,0 Polen 114,5 121,9 132,4 135,0 130,0 132,0 Ungarn 113,5 120,9 122,9 129,1 125,1 137,1 Deutschland 101,8 99,7 100,1 101,9 99,1 100,5 97,8 89,0 83,9 84,0 78,6 76,0 Sachsen relative Lohnstückkosten in einheitlicher Währung Tschechien 107,0 104,8 115,3 117,0 118,1 122,3 Polen 102,7 102,4 108,3 101,5 102,4 111,6 92,2 92,0 85,3 85,4 80,2 87,2 97,3 92,8 95,3 96,0 90,1 89,8 93,4 82,8 79,9 79,1 71,6 68,0 Ungarn Deutschland Sachsen a) a) Näherungswert, errechnet durch Übertragung der Lohnstückkostenrelation Sachsens zu Deutschland in nationaler Währung auf die deutschen relativen Lohnstückkosten in einheitlicher Währung. Quelle: OECD (2002); ARBEITSKREIS VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG Berechnungen des ifo Instituts. DER LÄNDER, Die relativen Lohnstückkosten des verarbeitenden Gewerbes eines Landes in einheitlicher Währung berechnet die OECD gegenüber der Lohnstückkostenentwicklung in allen anderen OECD-Ländern. Dementsprechend gehen in die Berechnung auch die Wechselkursveränderungen gegenüber den Währungen der anderen OECD- Ländern ein. Die relativen Lohnstückkosten eines Landes im Vergleich zu deutschen Anbietern auf dem deutschen Markt können sich hiervon unterscheiden, da es dabei allein auf die Entwicklung der nationalen 5 Dies kann nur ein Näherungswert für die relative Lohnstückkostenentwicklung der sächsischen Industrie gegenüber allen OECD-Ländern (ohne Deutschland) sein, da die Exportstruktur der sächsischen Industrie nach Abnehmerländern nicht exakt der deutschen Exportstruktur entspricht. 30 Lohnstückkosten im Vergleich zur deutschen Industrie und die Währungsveränderungen gegenüber der DM bzw. dem Euro ankommt. Wie Abbildung IV.2 zeigt, ergibt sich jedoch auch bei Fokussierung auf den deutschen Markt eine ähnliche Konstellation wie im internationalen Vergleich. Abbildung IV.2 Entwicklung der Preiswettbewerbsposition von Industrieunternehmen aus Polen, Tschechien, Ungarn und Sachsen auf dem deutschen Markt 1995-2001 Relative Lohnstückkostenentwicklung im Vergleich zum verarbeitenden Gewerbe Deutschlands auf dem deutschen Markt 140 130 Index 1995=100 120 110 Tschechien Ungarn 100 Polen 90 Sachsen 80 70 60 1996 Quelle: 1997 1998 1999 2000 2001 OECD (2002); Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder, Berechnungen des ifo Instituts. Selbst im Vergleich zu Unternehmen aus Ungarn hat die sächsische Industrie von der Lohnstückkostenentwicklung her ihre Preiswettbewerbsfähigkeit auf dem deutschen Markt seit 1995 verbessern können. Gegenüber Anbietern aus Polen und Tschechien war die Entwicklung der Lohnstückkosten erheblich günstiger. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich der Vorteil der MOELänder bei den Arbeitskosten (Bruttolöhne, Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, sonstige Lohnnebenkosten) der Unternehmen zwar seit Mitte der neunziger Jahre vermindert hat, aber auch 2000 gemessen an den nationalen 31 Durchschnittswerten immer noch ausgeprägt war. Das Lohnniveau in Tochterfirmen ausländischer Unternehmen liegt jedoch um mehr als 50 % höher als bei Firmen mit lokalen Eigentümern. Dem Vorteil bei den Löhnen steht jedoch ein ebenso ausgeprägter Rückstand bei der Arbeitsproduktivität im Durchschnitt aller Unternehmen gegenüber. Im Vergleich zum Durchschnitt der Unternehmen Sachsens ist der Vorteil bei den Löhnen kleiner als der Nachteil bei der Arbeitsproduktivität. Die Lohnstückkosten sind die Resultante aus Arbeitskosten und Arbeitsproduktivität. In nationaler Währung gerechnet, sind die Lohnstückkosten der verarbeitenden Industrie in Polen, Tschechien und Ungarn seit 1995 weit stärker gestiegen als in Sachsen. Abwertungen von Zloty, Krone und Forint haben dies nicht ausgleichen können. Auch in einheitlicher Währung gerechnet, hat sich die Preiswettbewerbsfähigkeit der sächsischen Industrie von der Lohnstückkostenentwicklung her gegenüber industriellen Anbietern aus Ungarn, insbesondere aber gegenüber Anbietern aus Polen und Tschechien verbessert. In einheitlicher Währung gerechnet, sind im Zeitraum 1995 bis 2001 die Lohnstückkosten der tschechischen verarbeitenden Industrie pro Jahr um über 9 % stärker gestiegen als die Lohnstückkosten der sächsischen Industrie. 2. Arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen Im ersten Jahrzehnt unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen haben sich in den drei MOE-Ländern die Qualifikationen der Arbeitskräfte sukzessive an die Erfordernisse moderner, im Wettbewerb konkurrierender Unternehmen angepasst. In allen drei Ländern gehen die ausländischen Investoren dazu über, die von ihnen entsandten Führungskräfte durch lokale Mitarbeiter zu ersetzen, wobei der Kostenfaktor eine zentrale Rolle spielt. Dennoch gibt es im Hinblick auf die Verfügbarkeit bestimmter Qualifikationen sowie arbeitsorganisatorischer Rahmenbedingungen länderspezifische Besonderheiten, die nachfolgend dargestellt werden. Von zentraler Bedeutung für Investoren sind hierbei die Rolle der Gewerkschaften, die Mobilität der Arbeitskräfte und in der weiteren Entwicklung der zunehmende Anteil der MNU, welche in Ungarn z. B. ca. 50 % des BIP erzeugen und damit einen sehr großen Einfluss auf das Anforderungsprofil der Lehrlingsausbildung ausüben. Da sich berufsbezogene Lehrinhalte schlecht messen und vergleichen lassen, wird gerne der Indikator Anlernzeit als Ersatzgröße herangezogen. Dieser Indikator ist jedoch sehr problematisch, da die Anforderungen von der Art der Pro- 32 duktion abhängen. Die Anlernzeit einer Näherin und einer Sachbearbeiterin lassen sich kaum miteinander vergleichen. 2.1 Rolle der Gewerkschaften Die Rolle der Gewerkschaften in den Transformationsländern ist nicht vergleichbar mit derjenigen in den OECD-Ländern. Während des kommunistischen Regimes bestand eine Zwangsmitgliedschaft, aber bei Lohnverhandlungen hatten die Gewerkschaften keinerlei Funktion. In den mehr zurückgebliebenen Transformationsländern, die zu den sog. "Spätreformern" zählen, gehören teilweise noch 90 % der Mitarbeiter eines Betriebes der Gewerkschaft an. Da die leitenden Funktionäre in den Gewerkschaften der Transformationsländer nicht ausgewechselt wurden, sind viele Arbeiter aus diesen Organisationen ausgetreten, weil die Gewerkschaften in ihre neuen Aufgaben nach Angaben der EBRD (2000, S. 99) noch immer nicht ganz hineingewachsen sind. Das bekannteste Beispiel ist laut ILO (2000a, S. 3) die polnische Gewerkschaft SOLIDARITÄT, die den Reformbeginn einleitete, aber mit zunehmender Privatisierung völlig bedeutungslos wurde. Vielfach entstanden in den fortgeschritteneren Ländern neue Gewerkschaften, was zu einer gewissen Zersplitterung führte, sodass die Macht der Gewerkschaften - trotz gelegentlicher Streiks - insgesamt als sehr schwach gilt. Über ihre Bedeutung bei den unterschiedlichen Formen der Lohnverhandlungen informiert Tabelle IV.8. Die ausgehandelten Löhne gelten als eine Art von Mindeststandard, der in der Praxis um ca. 5 % übertroffen wird. Tabelle IV.8 Gewerkschaften und Lohnverhandlungen Gewerkschaftsmitglieder Ebene der Lohnverhandlungen - in % - National Tschechien 35 Ungarn 40 Polen Sachsen + 30 a) Laut Auskunft des DGB-Büros Dresden. Quelle: EBRD (2000, S. 99). Betrieb + 61 a) Sektoral Gewerkschaftsmitglieder involviert in Lohnverhandlungen - in % 20 40 + 10 30 33 Nach Auskunft der Pressestelle des DGB-Landesbezirks Sachsens (DGB 2001) beträgt der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeitnehmer in Sachsen ca. 30 %. Bemerkenswert ist, dass nach Angaben des DGB die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in Sachsen seit vielen Jahren einen sinkenden Trend aufweist. Dies liegt zum großen Teil an der Friktionsarbeitslosigkeit. Wer arbeitslos wird, tritt meist aus der Gewerkschaft aus, aber nicht wieder ein, wenn er einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat. So verließen nach vorläufigen Schätzungen des DGB im Jahr 2000 ca. 5 % der Mitglieder die Gewerkschaften Sachsens. Nach einer Stichprobe des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB; vgl. KOHAUT/SCHNABEL 2001) auf der Basis von 14.000 west- und ostdeutschen Betrieben, die im Jahr 2000 über die Tarifbindung in West- und Ostdeutschland erstellt wurde, ergaben sich folgende Werte (vgl. Tabelle IV.9 ): Tabelle IV.9 Unternehmen mit Tarifbindung oder Tariforientierung Neue Bundesländer Branchentarifvertrag Alte Bundesländer 23,2 % 45,4 % Firmentarifvertrag 4,3 % 2,7 % Kein Tarifvertrag 72,5 % 51,9 % 42,8 % 39,1 % Davon orientieren sich an einem Tarifvertrag Quelle: KOHAUT/SCHNABEL (2001). Tabelle IV.9 veranschaulicht deutlich die geringere Bedeutung der Tarifverträge für Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland. Zählt man die Bedeutung der Tarifverträge für diese drei Gruppen zusammen, so binden oder orientieren sich in Ostdeutschland nur 59,0 % der Betriebe an einen Tarifvertrag während es in Westdeutschland 68,4 % sind. Allerdings müssen diese Zahlen für Ostdeutschland mit Vorsicht interpretiert werden, da in den neuen Bundesländern vom Flächentarifvertrag abweichende Regelungen relativ häufig sind. Leider wird der Begriff der Tariforientierung nicht einheitlich verwendet. So spricht ALLEN (2002) von der „Reichweite der Tarifabkommen“, die er für Deutschland, Frankreich, Irland, Niederlande und Griechenland im Jahr 1996 mit 90 % beziffert; im Gegensatz zu Großbritannien, wo sie für das Jahr 1994 mit 25,6 % angegeben wird. 34 Insbesondere auf Seiten der Unternehmerverbände wird vielfach die Ansicht vertreten, die wirkliche Tariforientierung sei sehr hoch, weil sich die meisten Unternehmen bei jeder Tarifrunde an den „Geleitzug“ hängen, weshalb sich das Tarifgefüge kaum ändert. Lohnerhöhungen sollten sich ausschließlich am Wachstum der Gewinne oder der Wertschöpfung orientieren. Unter diesen Bedingungen würde sich die Rangfolge der Entlohnung nach Berufen rasch ändern. (z. B. die Relation Kfz-Mechaniker versus Orgelbauer). Ausgenommen einige Sonderfälle, wie die Bauindustrie, sei dies aber nicht der Fall. Obwohl in einigen EU-Beitrittsländen die Arbeitsgesetzgebung teilweise als restriktiver gilt als der acquis communautaire6, der die Beitrittsvoraussetzungen für die EU definiert, mahnen die EU und die ILO immer wieder die Implementierung und Durchsetzung des sog. "sozialen Dialogs" an. Es sollen einvernehmlich Regelungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern erarbeitet werden, wie sie von der EU im "Weißpapier" (1995), niedergeschrieben wurden. Das Weißbuch enthält die Minimum-Standards, welche die EU festgelegt hat (vgl. EBRD 2001). In ihren Beschreibungen der Situation unterscheiden sich teilweise die einzelnen Analysen. Während die ILO mehrfach an die Regierungen Polens und Ungarns appellierte, Gesetze zur Einhaltung elementarer Rechte der Arbeitnehmer (ILO 2000b) zu erlassen, ist Ungarn nach Analyse der EBRD bei der Umsetzung des acquis hinsichtlich Beschäftigung und sozialer Probleme relativ fortgeschritten. Noch mehr trifft dies gemäß dieser Quelle für Tschechien zu. Laut CZECHINVEST steht es den Arbeitern jederzeit frei, eine Gewerkschaft zu gründen; allerdings interessiert sie das kaum. Polen hinkt dagegen bei den meisten noch zu lösenden Problemen hinterher (z. B. Gleichstellung der Frau bei Löhnen), die hier aus Platzgründen nicht alle aufgeführt werden. In Polen und Ungarn beklagen zudem EU und EBRD die mangelnde Berücksichtigung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (EBRD 2000, S. 110 f.). Insgesamt seien die meisten EU-Beitrittsländer aber so weit fortgeschritten, dass die Umsetzung des acquis für die Unternehmen keine große finanzielle Belastung darstellt. 6 Der acquis communautaire (kurz: acquis) umfasst den gemeinschaftlichen Besitzstand der EU. Er zielt auf die Fähigkeit der Beitrittsländer, die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen (Rechts- und Verwaltungsvorschriften etc.) zu übernehmen und sich die wirtschafts- und währungspolitischen Ziele der EU zu eigen zu machen. 35 In Anbetracht der Klagen internationaler Organisationen über die Bedeutungslosigkeit der Gewerkschaften überrascht indes die Streikhäufigkeit, in einigen MOE-Ländern (vgl. Tabelle IV.10). In Ungarn gab es zwischen 1997 und 1999 mit ca. 244.300 verlorenen Arbeitstagen die größten Produktionseinbußen durch Streiks in den MOE-Ländern. In der Summe sind das 18 Mal mehr verlorene Streiktage als in Deutschland. Nur für Tschechien waren (entweder wegen gar keiner Streiks oder vermutlich wegen einer sehr geringen Zahl) keine Daten angegeben. Obwohl ständig beklagt wird, in Polen seien die Gewerkschaften seit der Wende machtlos, scheint in Polen die Bereitschaft zu streiken zu wachsen. 1997 gingen in Polen durch Streiks und Aussperrungen 27.800 Arbeitstage verloren, 1998 waren es 42.741 und 1999 106.893 Tage. Im gleichen Zeitraum gingen dagegen in ganz Deutschland, das ungefähr über die doppelte Einwohnerzahl verfügt, in den drei gleichen Jahren nur 36.500 Arbeitstage verloren. Tabelle IV.10 Streiks und Aussperrungen in Polen, Ungarn, Deutschland und Großbritannien im Vergleich - 1996-1999 1997 1998 1999 1997-99 (Summe) Polen Anzahl der Fälle 35 37 920 992 Verlorene Arbeitstage 27.800 42.741 106.893 177.434 Beteiligte Arbeitnehmer 14.200 16.907 27.149 58.256 216 166 205 587 1.923 392 241.959 244.274 853 1447 16.685 18.985 ... ... ... Verlorene Arbeitstage 13.472 4.286 18.749 36.507 Beteiligte Arbeitnehmer 13.472 4.286 187.749 205.507 216 166 205 587 234.700 282.400 241.800 767.900 139.00 92.700 140.900 233.739 Ungarn Anzahl der Fälle Verlorene Arbeitstage Beteiligte Arbeitnehmer Deutschland Anzahl der Fälle Zum Vergleich Großbritannien Anzahl der Fälle Verlorene Arbeitstage Beteiligte Arbeitnehmer Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (2001a). 36 In Ostdeutschland gab es nach Auskunft des DGB in dem erwähnten Zeitraum in Sachsen überhaupt keine Streiks. Auch in den anderen neuen Bundesländern gab es – abgesehen von kurzen Warnstreiks – keine durch Streiks verlorenen Arbeitstage. Streiks sind in den neuen Bundesländern unpopulär. Im Gegensatz zu den alten Bundesländern sind hier die Menschen sogar eher bereit, Opfer zu bringen, um die Existenz ihres Unternehmens und ihren eigenen Arbeitsplatzes nicht zu gefährden. Die Tatsache, dass die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft wenig mit den durch Streiks und Aussperrungen verlorenen Arbeitstagen zu tun hat, zeigt das Beispiel Großbritannien, ein Land in dem nur noch ca. 30 % der Löhne einer Tariforientierung unterliegen (vgl. ALLEN 2002). Trotz der relativ geringen Zahl an Gewerkschaftsmitgliedern in den USA erreichten die US-Amerikaner im Jahr 1998 mit mehr als 5,1 Millionen durch Streiks verlorenen Arbeitstagen einen Spitzenwert, selbst wenn man berücksichtigt, dass ihre Einwohnerzahl 280 Millionen beträgt, sodass man das „Phänomen Gewerkschaft“ aus einem ganz anderen Blickwinkel sieht - ein Sachverhalt, der in der betriebswirtschaftlichen Literatur allgemein bekannt ist. 2.2 Mobilität der Arbeitskräfte Insgesamt gelten die Arbeitsmarktstatistiken der Transformationsländer als sehr schlecht und entsprechen nicht dem ILO-Standard. Gelegenheitsarbeiten werden meist den Behörden nicht mitgeteilt, ebenso wenig Kurzarbeit. In den meisten Ländern ist die Arbeitslosenunterstützung so gering, dass die Entlassenen häufig den Gang zur Behörde wegen der langsam arbeitenden Bürokratie meiden. Tendenziell befinden sich unter den Arbeitslosen entweder ganz junge oder relativ alte Arbeitnehmer mit geringer Ausbildung. Die Mobilität der Arbeitskräfte (gemessen am Arbeitsplatzwechsel der beschäftigten Arbeitnehmer) ist in den meisten Transformationsländern sehr hoch. Während in der ökonomischen Theorie hohe Arbeitslosigkeit meist mit Immobilität in Verbindung gebracht wird, trifft in den Transformationsländern das Gegenteil zu. So ist z. B. in Russland die Mobilität der Arbeitskräfte sogar größer als in Polen (EBRD 2000, S. 110). 37 In der folgenden Tabelle IV.11 werden die Arbeitnehmer erfasst, die innerhalb des angegebenen Jahres mindestens einmal den Arbeitsplatz gewechselt haben. Tabelle IV.11 Arbeitsmobilität in Ungarn und in Polen - in % der Beschäftigten Ungarn (1999) Permanent beschäftigt während des Jahres 1. Arbeitsplatzwechsel Beschäftigter 85,8 Polen (1998) 87,1 5,4 4,9 Davon aus dem staatlichen Sektor in % 62,1 78,0 Davon aus dem privaten Sektor in % 16,8 22,0 8,9 8,0 Davon kommen aus dem privaten Sektor 54,1 77,6 Davon kommen aus dem staatlichen Sektor 27,4 22,4 14,3 12,9 2. Beschäftigungszugang aus der Gruppe der Entlassenen oder Inaktiven Wechsel insgesamt (1+2) Quelle: EBRD (2000, S. 105). Die Tabelle indiziert eine hohe Mobilität der Arbeitnehmer in Polen und Ungarn. Für Tschechien fehlen entsprechende Zahlenangaben, jedoch dürfte die Lage dort nicht anders aussehen. Generell ist die Mobilität um so höher, je jünger die Arbeitnehmer sind und je besser ihre Ausbildung ist. Frauen sind erheblich immobiler als Männer, weil sie das mit einem Arbeitsplatzwechsel verbundene Risiko scheuen. Allerdings ist die Mobilität aus dem Umland in die Ballungsräume wegen des Wohnungsmangels in Tschechien und Polen sehr gering. Innerhalb der Städte ist sie dagegen sehr hoch. Bietet sich den Arbeitnehmern die Möglichkeit, zu einem attraktiverer Arbeitsplatz zu wechseln, geschieht dies viel rascher als in Deutschland. Das wichtigste Kriterium für die Wahl eines Arbeitsplatzes ist vor allem bei Frauen, dass er als "sicher" gilt. Eine Studie über die gegenwärtige Arbeitsgesetzgebung zeigt, dass bei Entlassungen meist Vorschriften existieren, die mit den EU-Standards kompatibel sind. Diese werden jedoch häufig umgangen. Mangelnde Bereitschaft, Arbeitnehmer umzuschulen, nennt die EBRD als einen der häufigsten Gründe für "unfaire Entlassung" (EBRD 2000, S. 110). Ebenso werden fehlende Reformen bei Abfindungen genannt. Wer in Polen z. B. nach 20jähriger Tätigkeit in einem Betrieb entlassen wird, hat Anspruch auf eine Ab- 38 findung von 18 Monatsgehältern. Die tatsächlich bezahlten Abfindungen sind aber häufig viel niedriger. 2.3 Sonstige Rahmenbedingungen Generell bietet Polen ausländischen Investoren hoch motivierte Arbeitskräfte. Eine relativ gute Verfügbarkeit besteht bei Arbeitern, technischem Personal und Verwaltungsangestellten. In Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit gibt es häufig eine Vielzahl von Bewerbern, die aber nicht immer den üblichen Anforderungen an Fremdsprachenkenntnissen, Flexibilität und Zuverlässigkeit entsprechen. In der Nähe von Wirtschaftszentren kann es schwierig werden, qualifiziertes Personal zu finden. Mit einem Altersanteil von 42 % unter 40 Jahren ist das Arbeitskräftepotenzial eins der jüngsten in Europa. Die Personalsuche ist aber umso schwieriger, je höher die Anforderungen an den Ausbildungsgrad sind. So gut wie leer gefegt ist praktisch der Arbeitsmarkt für Hochschulabsolventen mit ausreichender Berufserfahrung, dazu mit soliden Kenntnissen der deutschen oder englischen Sprache. Dies gilt besonders für Manager und hochkarätige Spezialisten. Übliche Wege der Personalrekrutierung sind Anzeigen in der Tages- und Fachpresse (auch Internetanzeigen) oder die Werbung in Hoch- und Fachschulen. Generell hoch ist die Fluktuationsrate und entsprechend niedrig die Hemmschwelle zum gegenseitigen Abwerben von Mitarbeitern, sodass Fachkräfte schnell bereit sind, bei entsprechend besserer Bezahlung den Arbeitgeber zu wechseln. Besonders unter jungen Leuten ist "Job-Hopping" sehr verbreitet, um schnell auf der Gehaltsleiter nach oben zu steigen. Nach einer Umfrage der Personalberatung KIENBAUM vom April 2000 unter Führungskräften deutscher Unternehmen in Polen (vgl. BFAI-INFO OSTEUROPA 2000, S. 9 ff.) sollten nach Polen entsandte Fachkräfte über folgende Fähigkeiten und Eigenschaften verfügen: Geduld, Offenheit gegenüber den Menschen und der Mentalität, Einfühlungsvermögen, Anpassungsfähigkeit, gute Kenntnisse des Marktes und der Branche sowie Sprachkenntnisse. In der gleichen Umfrage nannten deutsche Führungskräfte folgende typischen Eigenschaften, die ihnen an ihren polnischen Mitarbeitern auffielen: hohe Motivation, Lernbereitschaft, Kreativität, Höflichkeit, Hierarchiedenken (gleichzeitig 39 aber einen ausgeprägten Individualismus), Emotionalität, Gastfreundschaft und Nationalstolz. Die tägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten (durchschnittlich 42 Stunden pro Woche gerechnet auf drei Monate). Pro Tag sind maximal vier Überstunden zulässig (150 pro Jahr). Als Arbeitstage gelten alle Tage außer Sonn- und Feiertage. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 18 Arbeitstagen nach einem Jahr Beschäftigung, von 20 Arbeitstagen nach sechs Jahren sowie von 26 Arbeitstagen nach zehn Jahren Beschäftigung. Schul- und Ausbildungsjahre werden Beschäftigungszeiten angerechnet. Demnach zählt der Besuch einer Oberschule als vier Beschäftigungsjahre, die berufliche Oberschule als sechs und ein abgeschlossener Hochschulabschluss als acht Beschäftigungsjahre. Ein Urlaubsanspruch verjährt erst nach drei Jahren. Es ist üblich, für familiäre Anlässe, wie Hochzeit, Geburt, Todesfälle etc. zwei weitere Tage bezahlte Freistellung zu gewähren. Der Mutterschaftsurlaub beträgt ab dem Jahr 2001 26 Wochen für ein Kind bzw. 36 Wochen bei Mehrlingsgeburten. Weiterhin kann ein Erziehungsurlaub bis zu drei Jahren beantragt werden. Tarifverhandlungen in der Privatwirtschaft finden fast ausschließlich auf der betrieblichen Ebene statt. Flächentarifverträge sind dagegen äußerst selten. Dafür fehlen oftmals schon rein formale Voraussetzungen wie Tarifpartner mit einem ausreichend großen Verhandlungsmandat. Nicht nur die Gewerkschaften sind zersplittert, auch auf der Arbeitgeberseite gibt es konkurrierende Organisationen. Durch Streiks gingen in Polen im Jahr 1998 rund 42.700 Arbeitstage (1997: 27.800) verloren (vgl. auch Tabelle IV.10). Auch 1999 kam es zu zahlreichen Streiks, insbesondere in der Landwirtschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie im Bergbau. Seit den Mitte 1999 eingeführten scharfen Kontrollen bei krank geschriebenen Arbeitnehmern, der Überprüfung von Attesten der Ärzte, die Krankschreibungen vornehmen, sowie der Verhängung harter Strafen bei Verstößen gegen diesbe- 40 zügliche Vorschriften7 ist der einst traditionell hohe Krankheitsstand in Polen auf elf Tage pro Jahr und Arbeitnehmer gesunken. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall nur für max. 35 Tage jährlich. Die Höhe des Anspruchs ist auf 80 % des Bruttolohns beschränkt (nicht, wenn die Krankheit durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde, bei Berufskrankheiten oder Schwangerschaftsbeschwerden). Die Tschechische Republik verfügt über Arbeitskräfte mit einem guten Grundwissen, insbesondere in naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern. Im Jahre 1995 erzielten 13-jährige Schüler europaweit die besten Testergebnisse in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften (vgl. OECD 2000). Besonders bemerkenswert ist, dass die Tschechische Republik bei der PISAStudie (OECD 2001b) besser abgeschnitten hat als Deutschland. Deutschland liegt zwar vor Ungarn und Polen, aber der Abstand Tschechiens zu Deutschland ist größer als derjenige Deutschlands gegenüber den beiden anderen MOE-Ländern. Vergleicht man den Prozentsatz der in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern verliehenen Grade, liegt Tschechien gemäß einer Untersuchung aus dem Jahr 1998 unter den OECD Ländern mit ca. 34 % vor Deutschland mit ca. 33 %. Bei Ungarn waren es 28 % und bei Polen nur 20 % (OECD 2000). Besonders hoch ist auch der Anteil der Menschen, die englisch oder deutsch sprechen können. Hier übertrifft Tschechien alle MOE-Staaten. Mit zunehmendem Alter nimmt die Fähigkeit, Englisch zu beherrschen, zugunsten der Qualifikation in Deutsch ab. Dieser Sachverhalt ist historisch leicht verständlich. Wenig zufriedenstellend ist die Lehrlingsgausbildung, die immer noch unter staatlicher Regie abläuft. Während der Berufsschulzeit absolvieren die Schüler häufig Praktika in den Betrieben, um eine realitätsbezogene Ausbildung zu bekommen. Durch den starken Einfluss von neuen Technologien wurden die jun7 Da sich viele Polen vor Mitte 1999 krank schreiben ließen, um wochenlang im Ausland, vor allem in Deutschland, schwarz zu arbeiten, erließ die Regierung harte Gesetze, um solche Missbräuche zu verhindern. Vertrauensärzte der Krankenkassen dürfen unangemeldet Arztpraxen überprüfen und Kranke zu Hause besuchen. Ärzten, die Gefälligkeits-Atteste ausstellen, wird die Berechtigung, Patienten krank zu schreiben bis zu einem Jahr entzogen. Schon bei kleineren Mängeln kann dieser Entzug für ein Vierteljahr dauern. Auch den Arbeitnehmern drohen massive Sanktionen (vgl. o. V. 1999). 41 gen Arbeitskräfte und ihre Lehrer mit völlig neuem Wissen konfrontiert. Da das Wissen der Lehrer sehr unterschiedlich ist, sind auch die weiterführenden Berufsschulen nicht miteinander vergleichbar (vgl. EUROPEAN TRAINING FOUNDATION 1999). Die Laufbahnen an der Berufsschule gelten als sehr rigide und werden der Vielfältigkeit der Anforderungen nicht gerecht. Nachdem seit der Wende sieben größere Studien zur Reform des Berufschulwesens erarbeitet wurden, die wenig Einfluss hatten, wurde mit Mitteln der EUFörderprogramme PHARE und TACIS eine umfangreiche Untersuchung unter Mitarbeit von ca. 20 Autoren finanziert, um erst einmal eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Es würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen hierauf näher einzugehen. Hervorgehoben werden sollen nur die wichtigsten Punkte: Die Betriebe verfügen über zu wenig Anreize, unmotivierte Lehrlinge für die Praxis auszubilden, eigene Schulen zu gründen oder gut betreute Praktika anzubieten. Das Schulsystem ist sehr rigide und ermöglicht nicht das Wechseln in ein verwandtes Fach, ohne die investierte Zeit bis zum Abschluss zu 100 % zu verlieren. Deshalb gibt es auch relativ viele „drop-outs“ (Schulversager, welche die Schule verlassen). Trotz Mithilfe ausländischer Experten wird es noch Jahre dauern, bis das Schulsystem den modernen Anforderungen entspricht. Dies ist auch der Grund dafür, dass der Staat Direktinvestoren finanziell fördert, wenn sie Arbeitskräfte anlernen oder schulen. Die Arbeitszeitregelungen sind flexibel. Einmal im Jahr werden ausländische Direktinvestoren und ihre lokalen Zulieferer im Auftrag der tschechischen Investitionsförderagentur CZECHINVEST nach ihren Vorhaben in Tschechien befragt. Im Jahr 1999 meldeten 49 % der ausländischen Unternehmen, dass sie in ihren tschechischen Tochtergesellschaften an jedem Arbeitstag eine Rund-um-dieUhr-Produktion betreiben (vgl. o. V. 2000a). 26 % der Unternehmen arbeiteten sieben, 16 % sechs Tage pro Woche. Die Regel-Wochenarbeitszeit hat das Arbeitsministerium auf 42,5 Stunden festgesetzt. Bei Tarifverhandlungen haben jedoch die Gewerkschaften 40 Stunden als Regelarbeitszeit durchgesetzt (vgl. U.S. Department of State 2000b). Für Arbeit in der Spätschicht werden i. d. R. keine Zuschläge gezahlt. Die Prämie für die Nachtschicht betrug Mitte 2000 4,30 Ck pro Stunde. Die ÜberstundenZusatzvergütung beträgt 25 % des regulären Stundenlohns, die Zusatzvergütung für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen 50 %. 42 Die Mindesturlaubszeit beträgt drei Wochen pro Jahr. Sie erhöht sich auf vier Wochen für Arbeitnehmer, die seit 15 oder mehr Jahren berufstätig sind. In bestimmten Branchen gelten Tarifverträge mit höheren Urlaubsansprüchen. Die Frist für eine ordentliche Kündigung beträgt für den Arbeitnehmer zwei Monate zum Monatsende, für den Arbeitgeber i. d. R. drei Monate. Bei betriebsbedingten Kündigungen muss der Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern leisten. Auch befristete Arbeitsverträge können Arbeitgeber oder Arbeitnehmer durch eine ordentliche Kündigung auflösen. Kündigungsschutzvorschriften gelten u. a. für Fälle kurzfristiger gesundheitlicher Probleme, für die Ableistung des Militärdienstes, für die Ausübung öffentlicher Ämter sowie für Schwangerschaft oder Alleinerziehung eines Kindes unter drei Jahren. Hinsichtlich der Zahl der Arbeitskonflikte lag Tschechien im internationalen Vergleich bis etwa 1997 als ein Land mit hohem Arbeitsfrieden außerordentlich günstig. Seit der letzten Rezession häufen sich indes Streiks und spontane Arbeitsniederlegungen wegen Massenentlassungen, der Nichtzahlung von Löhnen sowie Betriebsschließungen. In Ungarn wird die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte inzwischen von den Unternehmen als entscheidendes Standortproblem angesehen. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle: In den infrastrukturell gut entwickelten Regionen Westungarn und im Großraum Budapest, führt die Dichte der Betriebsansiedlungen zu einer Nachfrage nach qualifiziertem Personal, die in vielen Fällen das Angebot übersteigt. In Ostungarn dagegen entspricht das Ausbildungsniveau nicht den Anforderungen der Unternehmen. Generell scheinen die ungarischen Schulen und Universitäten mit ihrer Ausbildung nicht mehr den modernen Anforderungen von Industrie und Dienstleistungssektor gerecht zu werden. Die größte Personalknappheit wird von den Unternehmen im Bereich der Informationstechnologie und in dem Sektor Marketing, Vertrieb und Verkauf gemeldet. Um diesen Engpass zu beseitigen, investieren die Unternehmen in immer stärkerem Maß in betriebliche Ausbildung und Schulung, teilweise in Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen und Universitäten. Ziel ist die duale praxisnahe Ausbildung. Für die Personalbeschaffung stehen die üblichen Wege wie Zeitungsanzeigen, staatliche Arbeitsvermittlung und private Arbeitsvermittler und Personalberater 43 zur Verfügung. Während im Allgemeinen das Angebot an geschulten Facharbeitern, insbesondere in den technischen Bereichen, recht gut ist, besteht ein erheblicher Mangel an guten Führungskräften, insbesondere was Marketing, Controlling und Datenverarbeitung anbetrifft. Die Gehälter für entsprechende Mitarbeiter liegen daher überdurchschnittlich hoch. Die reguläre Arbeitszeit beträgt acht Stunden täglich, 40 Stunden in der Woche. Für Überstunden wird neben dem normalen Lohn ein Zuschlag in Höhe von 50 % des Gehalts gezahlt oder ein Freizeitausgleich gewährt. Leitende Angestellte haben keinen Anspruch auf Überstundenzuschläge. Für Nachtarbeit werden Zuschläge in Höhe von 15 % der Grundvergütung gewährt. Der Urlaubsanspruch ist altersabhängig. Arbeitnehmer unter 21 Jahren haben einen gesetzlichen Anspruch auf 20 Tage, Arbeitnehmer über 45 Jahre auf 30 Tage. Im Krankheitsfall hat der Arbeitnehmer in den ersten 15 Arbeitstagen Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber in Höhe von 80 % des Bruttoverdienstes. Danach erhält er ein Krankengeld in Höhe von 70 % des Durchschnittsverdienstes im vorangegangenen Jahr. Davon trägt zwei Drittel die Sozialversicherung und ein Drittel der Arbeitgeber. Frauen haben Anspruch auf 24 Wochen unbezahlten Entbindungsurlaub sowie auf Erziehungsurlaub bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Eine Kündigung hat schriftlich zu erfolgen. Die ordentliche Kündigungsfrist seitens des Arbeitgebers beträgt mindestens 30 Tage. Sie erhöht sich in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitsverhältnisses um bis zu 60 Tage bei 20 oder mehr Dienstjahren. Bei befristeten Arbeitsverträgen ist eine ordentliche Kündigung nicht möglich. Das befristete Arbeitsverhältnis kann vorzeitig gelöst werden, wenn der Arbeitgeber für eine nachstehende Zeit (höchstens ein Jahr) im Voraus den Arbeitslohn entrichtet. Bei einer rechtmäßigen Kündigung sind i. d. R. Abfindungen zu zahlen. Sie betragen bei einem Arbeitsverhältnis von drei Jahren mindestens ein Monatsgehalt und erhöhen sich entsprechend der Dauer der Beschäftigung auf sechs Monatsgehälter, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens 25 Jahre betrug. Die Streikbereitschaft nahm in den letzten Jahren vor allem aufgrund steigender Lebenshaltungskosten zu (vgl. auch Tabelle IV.10). Tabelle IV.12 gibt einen synoptischen Überblick hinsichtlich der wichtigsten arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen. 44 Tabelle IV.12 Gesetzliche Regelungen bezüglich Löhnen, Arbeitszeit u. ä. Ostdeutschland/ Sachsen Polen Tschechien Ungarn Vergütung Tarifverträge freie Vereinbarung freie Vereinbarung freie Vereinbarung Mindestlohn Arbeitslosen/Soziallhilfe 700 Zl (174 €) 4.000 Kc (112€) 22.500 Ft (86€) (2000) 40.000 Ft (155€) (2001) 50.000 Ft (205€) (2002) Wochenarbeitszeit 39,2 Stunden 42 Stunden 43 Stunden 40 Stunden Zulässige Überstunden 48 Stunden 150/Jahr k. A. 144/Jahr - max. 4 Std. an vier aufeinander folgenden Tagen Gesetzliche Feiertage 10 Urlaubsanspruch 10 28,3 (mittlerer Tarifurlaub) 18-26 Tage Lohnfortzahlung im Krankheitsfall max. 6 Wochen Probezeit max. 6 Monate Kündigung gesetzliche und rahmentarifvertragliche Fristen Quelle: BFAI 3. Steuern 10 9 15-20 Tage (häufig kommt eine Extrawoche = 5 Tage dazu) 20 Tage (unter 21 Jahre) max. 35 Tage Nein 80 % der BruttoVergütung für max. 15 Tage max. 3 Monate max. 3 Monate max. 3 Monate Frist: Arbeitnehmer 2 Monate, Arbeitgeber: 3 Monate schriftlich; Frist seitens des Arbeitgebers 30 bis 60 Tage je nach Dienstjahren 30 Tage (über 45 Jahre) (2000), WSI-Tarifdatenbank. Das Steuersystem in Polen kennt direkte (Körperschaft-, Einkommen- und Agrarsteuer) und indirekte Steuern (Mehrwert- und Verbrauchsteuer) sowie sonstige Steuern und Abgaben (Erbschaft-, Schenkungsteuer, lokale Steuern u. a.) (vgl. BFAI Datenbank). Eine Gewerbesteuer wird nicht erhoben. Für Kapitalgesellschaften mit ausländischer Beteiligung gibt es keine steuerlichen Sonderregelungen. 45 Mehrwertsteuer Auf den Umsatz aller Waren und Dienstleistungen innerhalb Polens wird eine Mehrwertsteuer erhoben. Steuerpflichtig sind alle natürlichen und juristischen Personen, die eine in Polen zugelassene Wirtschaftstätigkeit ausüben. Die Bemessungsgrundlage schließt Zölle und Verbrauchsteuern ein. Es gibt einen vollen Steuersatz (22 %), einen ermäßigten (7 %, z. B. für verschiedene Lebensmittel, Baumaterialien und -leistungen, Musikinstrumente, Rechtsdienstleistungen; Pharmazeutika) und einen Nullsteuersatz (z. B. Exporte, Bücher). Unbearbeitete Agrarprodukte, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Bildung, Gesundheitsdienstleistungen, Landverkäufe u. a. sind von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Die Angleichung an EU-Standards wird zu einigen Änderungen führen, wie die schrittweise Belastung der Landwirtschaft mit der Mehrwertsteuer und die Angleichung der ermäßigten Sätze an das in der EU übliche Niveau. Körperschaftsteuer Steuersubjekte sind alle juristischen Personen (Ausnahmen: u. a. Kirche und kirchennahe Organisationen, landwirtschaftliche Einrichtungen, gemeinnützige Organisationen) sowie rechtlich unselbständige Organisationen (z. B. Zweigniederlassungen), nicht aber Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Gesellschaften mit Sitz in Polen sind unbeschränkt steuerpflichtig (d. h. der Weltumsatz wird besteuert), Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsführung im Ausland sind nur beschränkt steuerpflichtig (d. h. besteuert wird nur das in Polen erwirtschaftete Einkommen). Joint Ventures und Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen sind unbeschränkt steuerpflichtig. Bemessungsgrundlage sind die Einkünfte abzüglich der abzugsfähigen Betriebsausgaben. Verluste, die in einem Steuerjahr entstehen, können mit dem in fünf darauf folgenden Jahren erzielten Einkommen verrechnet werden. Ein Verlustrücktrag ist nicht möglich. Seit Anfang 1999 müssen Steuerklärungen nur noch alle sechs Monate abgegeben werden (zuvor monatlich). Gemäß dem Körperschaftsteuergesetz wurde der Steuersatz vom 01.01.2001 von 30 % auf 28 % gesenkt. Ein Steuersatz von 20 % gilt für Einkünfte aus Dividenden, Lizenzgebühren, Warenzeichen und Geschmacksmustern und für den Know-how-Transfer. Die Körperschaftsteuer ist auf die Besteuerung der Dividenden anrechenbar. 46 Ausländische Firmenvertretungen oder Niederlassungen in Polen werden besteuert, sofern nicht im deutsch-polnischen Doppelbesteuerungsabkommen andere Regelungen vereinbart wurden. Dieses besagt, dass Unternehmen des einen Vertragsstaates im Staat der anderen Vertragspartei nur dann besteuert werden können, wenn sie dort eine Betriebsstätte unterhalten. In Polen besteuert werden demzufolge deutsche Unternehmen, die in Polen eine feste Geschäftseinrichtung unterhalten, wie z. B. den Ort der Geschäftsführung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikationsstätten, Werkstätten, Stätten zum Rohstoffabbau sowie Bauausführungen/Montagen, die länger als zwölf Monate dauern. Auch ein Handelsvertreter mit der Vollmacht zum Vertragsabschluss gilt als Betriebsstätte, sofern er nicht lediglich im Einkauf für das Unternehmen tätig ist. Keine Betriebsstätten sind z. B. reine Lagereinrichtungen, reine Einkaufs- und Servicebüros, Kommissionäre sowie Einrichtungen zur Informationsbeschaffung oder zur Werbung. Einkommensteuer Die Einkommensteuer wird auf jegliche Einkünfte aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, aus Renten und staatlichen Zuwendungen, Liegenschaften u.ä. erhoben. Ausländische natürliche Personen sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, sofern sie ihren Wohnsitz in Polen haben oder sich mehr als 183 Tage des Steuerjahres in Polen aufhalten. Nur zeitweilig in Polen beschäftigte Personen sind beschränkt steuerpflichtig (d. h. besteuert wird nur das in Polen erzielte Einkommen). Bemessungsgrundlage ist das Einkommen, d. h. die Einkünfte abzüglich der Werbungskosten und sonstiger abzugsfähiger Aufwendungen (z. B. Sozialversicherungsbeiträge). Von der Einkommensteuerpflicht ausgenommen sind Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit sowie Einkünfte, die der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegen. Es gibt eine Reihe von Vergünstigungen und Abzugsmöglichkeiten (z. B. für Wohnung, Bildung, karitative und medizinische Ausgaben). Einnahmen aus Zinsen von Sparkonten und Bankguthaben, die nicht im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit stehen, 47 zählen zu steuerfreien Einnahmen. An Individuen ausgezahlte Dividenden werden pauschal mit einem Satz von 20 % versteuert. Die Steuersätze sind progressiv gestaffelt. Seit dem Jahr 2001 betragen die Staffelsätze 19 bis 40 % vom Jahresdurchschnittsverdienst. Steuerjahr ist das Kalenderjahr, das Wirtschaftsjahr kann aber auch anders gewählt werden, was für den Investor bei der Berechnung der Steuer eine Umrechnung erforderlich macht. Das Steuer- und Abgabensystem der Tschechischen Republik setzt sich in erster Linie aus der Mehrwertsteuer, speziellen Verbrauchssteuern, der Einkommen- und Körperschaftsteuer, der Immobiliensteuer, der Grunderwerbbzw. Immobilientransfersteuer, der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie aus Straßenbenutzungsgebühren zusammen (vgl. BFAI-Datenbank). Mehrwertsteuer Der Regelsatz der Mehrwertsteuer (und zugleich der Einfuhrumsatzsteuer) beträgt 22 %, der ermäßigte Satz für bestimmte Waren und Dienstleistungen 5 %. Mehrwertsteuerpflichtig sind alle diejenigen Unternehmen, die in mindestens drei aufeinanderfolgenden Monaten Umsatzerlöse von 750.000 Ck und mehr erzielt haben (dies entspricht einem Jahresumsatz von 3 Mill. Ck). Mehrwertsteuererklärungen müssen monatlich eingereicht werden bzw. vierteljährlich, wenn der Vorjahresumsatz des Unternehmens oder der für das Geschäftsjahr geplante Umsatz weniger als 10 Mill. Ck beträgt. Einfuhrumsatzsteuer Bei Importen ist die Einfuhrumsatzsteuer auf den Zollwert zzgl. Zollabgaben und aller sonstigen an die Zollbehörde zu entrichtenden Gebühren zu zahlen. Spezielle Verbrauchsteuern Speziellen Verbrauchsteuern unterliegen vor allem Flüssigbrennstoffe, Schmiermittel und andere Erdölderivate, ferner Branntwein, Bier, Wein und andere alkoholische Getränke sowie Tabak und Tabakerzeugnisse. Die Verbrauchsteuern wurden für jede Produktgruppe als fester Betrag je Maßeinheit festgelegt. Besteuerungsgrundsätze Auf dem Gebiet der Tschechischen Republik gegründete und im tschechischen Handelsregister eingetragene Unternehmen werden als Steuerinländer be- 48 trachtet und unterliegen der Besteuerung mit ihrem Weltumsatz. Im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassungen sowie ständige Betriebsstätten ausländischer Personen oder Unternehmen unterliegen ebenfalls der tschechischen Steuer, jedoch nur mit den in Tschechien erzielten Einkünften und dies auch nur dann, wenn sie nicht aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuerpflicht ausgenommen sind. Seit Anfang 2000 sind solche juristischen Personen, deren tatsächliche Geschäftsleitung sich auf dem Gebiet der Tschechischen Republik befindet, unbeschränkt steuerpflichtig. Eine ständige Betriebsstätte ist eine feste Geschäftseinrichtung in der Tschechischen Republik. Das Konzept der ständigen Betriebsstätte ist sehr weit gefasst. Für ausländische Unternehmen, die Dienstleistungen in der Tschechischen Republik über mehr als 183 Tage im Kalenderjahr erbringen, wird eine ständige Betriebsstätte unterstellt. Körperschaftsteuer Der Körperschaftsteuersatz beträgt 35 %. (1999: 35 %). Neben Löhnen und Vormaterialien sind steuerlich abzugsfähig: - Abschreibungen, - Beiträge zur Sozialversicherung, - Ratenzahlungen im Rahmen des sog. operativen Leasing (entspricht etwa dem deutschen Mietkauf), - Unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Zahlungen im Rahmen von Finanzleasing-Vereinbarungen, - Immobiliensteuern, - Bestimmte Aufwendungen für den Arbeits- und Umweltschutz, - Reisespesen, - Forderungen gegenüber Schuldnern, bei denen die Eröffnung von Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wird, - Vertragsstrafen. Verluste können in einem Zeitraum von sieben Jahren vorgetragen werden, um sie mit zu versteuernden Gewinnen zu verrechnen. Das Steuersystem in Ungarn setzt sich aus einer Reihe von direkten und indirekten Steuern zusammen. Zu ersteren gehören die persönliche Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer, die indirekte Besteuerung erfolgt über die Mehrwert- und Verbrauchsteuer sowie verschiedene Sondersteuern (z. B. Um- 49 weltschutzabgaben). Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von recht beträchtlichen lokalen Steuern, wie die Grund- und Gebäudesteuer, die örtliche Gewerbesteuer sowie Kommunalsteuern für Unternehmen und Privatpersonen (vgl. BFAI-Datenbank). Mehrwertsteuer Der allgemeine Mehrwertsteuersatz beträgt 25 %. Für Produkte des Grundbedarfs (das sind die meisten Nahrungsmittel und Bücher sowie einige andere Waren und Dienstleistungen) wird ein reduzierter Satz von 12 % angewendet. Bestimmte medizinische Erzeugnisse und Arzneimittel unterliegen einem Steuersatz von 0 %. Die entsprechenden Steuersätze gelten auch für Importwaren. Für exportierte Waren und Dienstleistungen gilt der Nullsteuersatz. Körperschaftsteuer Die Gesellschaftsteuer (entspricht bei Unternehmen der Körperschaftsteuer) wird - unabhängig von der Organisationsform - von allen Gesellschaften und Unternehmen erhoben. Sie trifft auch gemeinnützige Gesellschaften, Anwaltskanzleien und Versicherungsgesellschaften. Ausländische Organisationen und Unternehmen, die in Ungarn eine Niederlassung betreiben, sind im Inland steuerpflichtig, wenn sie unternehmerische Tätigkeiten ausüben. Bei der Besteuerung von Unternehmen wird ein Körperschaftsgrundsteuersatz von 18 % auf den Gewinn angewendet. Bei der Ausschüttung von Gewinnen an ausländische Gesellschaften und Privatpersonen fällt eine Dividendensteuer von 20 % an. Wenn die Gewinne in Ungarn investiert oder an eine in Ungarn ansässige Gesellschaft überwiesen werden, entfällt diese Steuer. Ausschüttungen an inländische Privatpersonen unterliegen einer gesonderten Regelung. Der Dividendensteuersatz von 20 % wird bei Ausschüttungen an in Deutschland ansässige Anteilseigner durch die Regelungen des deutsch-ungarischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) gemindert. Nach Art. 10 des DBA werden Dividenden im Normalfall mit einem Steuersatz von 5 oder 15 % (bei Minderheitsbeteiligungen unter 25 %) belastet. Einkommensteuer Die Einkommensteuer bezieht sich auf das aus verschiedenen Quellen stammende persönliche Einkommen und ist stufenweise progressiv. Der Steuersatz liegt zwischen 20 und maximal 40 %. Ausländische Staatsbürger sind grundsätzlich nur mit ihrem aus inländischen Quellen stammenden Einkommen in 50 Ungarn steuerpflichtig. Zum Einkommen zählen aber auch Sachbezüge wie Dienstwohnung, Dienstwagen u. ä. Bei Einkommen aus unselbständiger Arbeit sind Ausländer in Ungarn steuerpflichtig, wenn ihr üblicher Aufenthaltsort im Inland liegt, bzw. wenn sie in einem Kalenderjahr mehr als 183 Tage im Land verbringen oder die Vergütungen von einer im Tätigkeitsstaat ansässigen Person, bzw. von einer dort gelegenen Betriebsstätte oder einer anderen festen Einrichtung des Arbeitgebers gezahlt werden. Auch die im Inland geleistete unselbständige Arbeit, die im Ausland bezahlt wird, unterliegt in Ungarn grundsätzlich der Versteuerung, wenn die betroffene Person sich länger als ein halbes Jahr im Land aufhält. Durch die Reform der Unternehmensbesteuerung wurde der Standort Deutschland für Investoren etwas attraktiver. Ab dem Jahr 2001 beträgt nun der Körperschaftsteuersatz einheitlich 25 % (vgl. BMF 2001). Gleichzeitig wurde ein Systemwechsel vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren vollzogen. Der Höchststeuersatz für die Einkommensteuer wird stufenweise von 51 % im Jahre 2001 auf 48,5 % (2001/2002) gesenkt und ab dem Jahr 2005 wird er nur noch 42 % betragen. Der Eingangssteuersatz wurde sukzessive gesenkt und der Grundfreibetrag schrittweise angehoben. Die Gewerbesteuer bleibt jedoch in der bisherigen Form bestehen. In Sachsen betrug der durchschnittliche Hebesatz für Gemeinden ab 50.000 Einwohner 438 % im Jahr 1999 und lag damit knapp über dem Bundesdurchschnitt (428 %), wobei die restlichen vier neuen Bundesländer deutlich unter dem sächsischen Hebesatz liegen. Bei Einzelunternehmen und Gesellschaftern von Personengesellschaften wird die Gewerbesteuer in pauschaler Form auf die Einkommensteuer angerechnet. Außerdem wird die tarifliche Einkommensteuer bei Einkünften aus Gewerbebetrieb ermäßigt. Dadurch wird der Unternehmer in den meisten Fällen in vollem Umfang von der Gewerbesteuer entlastet. Ein Wermutstropfen bei der deutschen Unternehmenssteuerreform ist die zur Gegenfinanzierung erfolgte Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen in Form niedrigerer Sätze und längerer Fristen. So wird seit Beginn 2001 die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter auf maximal 20 % des jeweiligen Buchwertes bzw. das zweifache der linearen Abschreibung begrenzt. In den amtlichen Abschreibungstabellen werden längere Nutzungszeiten 51 für Wirtschaftsgüter ausgewiesen. Von der Wirtschaft wird dies als ein erneutes Investitionshemmnis beklagt. In Tabelle IV.13 werden die wichtigsten in Punkt drei behandelten Steuerarten und Steuersätze synoptisch dargestellt. Tabelle IV.13 Steuersätze in Mittel- und Osteuropa im Vergleich zu Deutschland - Stand: Anfang 2001 Land Mehrwertsteuer Einkommensteuer Körperschaftsteuer Dividendensteuer Polen 22 % progressiv; ge28 % staffelt von 19 bis ermäßigte Sätze: 40 % 7 % und 0 % 20 % Tschechische Republik 22 % 25 % Ungarn Deutschland progressiv; 15 bis 40 % vom Jahresdurchschnittsverdienst 35 % Normalsatz: 25 % Präferenzsätze: 12 % und 0 % drei Stufen: 20 %, 30 %, 40 % 18 % 20 % (Zinsen, Honorare, Lizenzgebühren) (entfällt bei Reinvestition) 16 %; Spitzensteuersatz 48,5 % 25 % (inkl. Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer ca. 38 - 40 %) 25 % ermäßigter Satz: 5% ermäßigter Satz: 7% Eingangssteuersatz 19,9 % Quelle: IMOE-Datenbank. 4. Qualität der Infrastruktur bei Ausschüttungen im Ausland bei Reinvestition in Sachanlagen oder immaterielle Vermögensgegenstände 20 % aus Aktien, Anteilen an GmbH und Genossenschaften Der Ausbau der physischen Infrastruktur ist immer noch ein wesentliches Element des Transformationsprozesses in den MOE-Ländern. Neben dem Nachholbedarf infolge ungenügender Investitionen, Instandhaltung und Erneuerung in früheren Jahren besteht für die Beitrittsländer auch der Zwang, die Anpassung an europäische Normen zu bewerkstelligen (vgl. BEHRING ET AL. 2000). In Tabelle IV.14 ist der derzeitige Stand der Infrastruktur synoptisch dargestellt. 52 Tabelle IV.14 Infrastrukturausstattung Straßennetz Länge insgesamt - km 2 - pro 100 km Eisenbahnnetz Streckenlänge insgesamt km darunter: - mehrgleisig (km) - elektrifiziert (km) Sachsen Polen Tschechien Ungarn 1999 1999 1999 1999 13.722 74 174.221 56 55.432 70 53.267 58 3.170 23.986 9.444 7.711 1.064 971 7.938 11.627 1.929 2.843 n.v. 2.184 430 237 405 315 12,66 96,44 41,03 25,26 4.133 3.207 5.605 3.264 6,0 3,7 4,8 5,5 40,7 31,5 32,2 28,9. Telefonanschlüsse Anschlüsse/1.000 Einwohner Energieversorgung Primärenergieverbrauch (in Mill. t Öleinheiten) Elektrizitätsverbrauch (kWh pro Kopf) Elektrizitätspreise für d. Industriea) (in USCents/kWh) Durchschnittlicher Wirkungsgrad der Stromerzeugung a) Umgerechnet nach jeweiligen Wechselkursen. - Anm.: n. v. = nicht verfügbar Quelle: GUS, KSH, EU (2000a-d), IEA, VIK. Im Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur haben die in Polen ansässigen Unternehmen unter starken Wettbewerbsnachteilen gegenüber ihren westeuropäischen Konkurrenten zu leiden. Das Straßennetz ist im Hinblick auf das steigende Verkehrsaufkommen unterentwickelt. Der Kraftwagenbestand hat sich seit 1990 mit rund 12 Mill. Fahrzeugen mehr als verdoppelt. Insbesondere fehlen Autobahnen zwischen den größeren Städten. Zwar ist für die nächsten 10 bis 15 Jahre ein intensiver Ausbau - mit Priorität von vier Strecken mit insgesamt über 2.600 km - geplant, aber die meisten Projekte sind noch nicht einmal in der Projektierungsphase. Das übrige Straßennetz (davon knapp 210.000 km asphaltiert) ist größtenteils in schlechtem Zustand. Zu den größten Mängeln des polnischen Straßennetzes gehört, dass nur 0,5 % der Nationalstraßen für Lkw mit einer Achslast von 11,5 Tonnen geeignet sind, vor allem vor dem Hintergrund, dass 79 % des Frachtaufkommens auf der Straße transportiert werden. Die Überholung des bestehenden umfangreichen Schienennetzes (ca. 53 24.000 km, davon rund 96 % mit westeuropäischer Schienenbreite, 11.600 km elektrifiziert) wird vorbereitet. Die fünf polnischen Ostseehäfen sind wichtige Handelsknotenpunkte. In den Seehäfen werden jährlich ca. 60 Mill. t verladen, sie sind damit aber erst zu ca. 80 % ausgelastet. Die schiffbaren Wasserstraßen Polens haben eine Gesamtlänge von 3.812 km. Die Binnenschifffahrt ist in Bezug auf das Transportvolumen unbedeutend. Der Ausbau der Oder zu einer wirtschaftlich nutzbaren Wasserstraße ist unter ökologischen und finanziellen Gesichtspunkten ein heiß umstrittenes Thema. Im Luftverkehr spielt der Gütertransport nur eine geringfügige Rolle (0,003 % des Frachtaufkommens). Der Flugverkehr dient überwiegend der Personenbeförderung (1997: rund 2,3 Mill. Passagiere, 4,9 Mrd. Passagierkilometer). Im Zuge der Privatisierung des polnischen Telekommunikationsnetzes wird die Modernisierung vorangetrieben, die aufgrund der teilweise hohen Telefongebühren bei gleichzeitig geringer Qualität des Telefonnetzes dringend erforderlich ist. Zudem sind die Wartezeiten für einen Festnetzanschluss infolge des großen Bedarfs immer noch lang. Ende 2001 belief sich die Zahl der Fernsprechteilnehmer des Festnetzes auf rund 13 Mill., damit hatten etwa 30 von 100 Einwohnern einen Anschluss. Während das internationale Netz inzwischen fast ganz von digitalen Zentralen bedient wird und das inländische Ferngesprächsnetz zu über 90 %, gilt das für das Ortsnetzwerk erst zu einem Drittel. Bislang befindet sich Polen - gemessen an der Anzahl der Mobilfunkteilnehmer - auf Platz acht im internationalen Vergleich. Wird die prognostizierte Marktdurchdringung mit Mobilanschlüssen als Grundlage genommen, muss das Land innerhalb der MOE-Länder lediglich Ungarn den Vortritt lassen. Dort besitzen 20 von 100 Einwohnern ein Handy, in Polen 12 (vgl. UMANN 2000). Der Abstand zu Westeuropa ist dagegen noch beträchtlich. Die noch überwiegend in Staatsbesitz befindlichen Energieversorgungsunternehmen bedürfen einer gründlichen Modernisierung, um über langfristig zuverlässige Energiequellen mit hoher Produktivität und relativ niedrigen Energiepreisen zu verfügen. In Tschechien müssen alle Transportwege (Straße, Schiene, Luft, Wasser) umfassend modernisiert werden. Im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur wurden bei der Anbindung an das transeuropäische Netz einige Fortschritte 54 gemacht, und zwar durch den beschleunigten Bau der Autobahn D 5 (PragNürnberg) um Pilsen und den Bau der Autobahn D 8 (Prag-Dresden-Berlin). Im Schienenverkehr wird der tschechische Teil der Bahnlinie Berlin-Prag-Wien bis zum Jahre 2004 vorrangig zum Hochgeschwindigkeitskorridor ausgebaut. Die wichtigsten Verbindungen des dichten Eisenbahnnetzes befinden sich zur Zeit im Umbau, um die Verkehrsgeschwindigkeit zu erhöhen. Die nutzbaren Binnenwasserstraßen mit Anbindung an das europäische Binnenwasserstraßennetz belaufen sich auf rund 300 km. In deutsch-tschechischer Zusammenarbeit werden die Verkehrsverhältnisse auf der Elbe zwischen Aussig und Magdeburg verbessert. Dabei geht es in erster Linie um die Vertiefung der Fahrrinne, um künftig verstärkt Containertransport zu ermöglichen. Das neue Terminal des Prager Flughafens, auf den 95 % des Passagier- und 85 % des Frachtaufkommens entfallen, soll 2003 durch ein weiteres ergänzt werden. Die Telekommunikationsinfrastruktur Tschechiens wird - insbesondere was das Festnetz und die Mobiltelefondienste betrifft - stark ausgebaut, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Zur Förderung der Sicherheit und Qualität der Energieversorgung hat die Regierung mit Beginn des Jahres 2001 ein neues Energiegesetz in Kraft gesetzt, mit dem eine schrittweise Harmonisierung an die EU-Rechtsnormen erreicht werden soll. Bis zum Jahr 2002 sollen Subventionen bei den Strom- und Gaspreisen für Haushalte völlig entfallen, was zu einer Erhöhung der Strompreise um jährlich rund 15 % bis zum Jahr 2002 führt. Dringend erforderlich ist eine Verbesserung der Energieeffizienz, da die Energieintensität Tschechiens durchschnittlich doppelt so hoch ist wie in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Transportinfrastruktur in Ungarn ist relativ gut entwickelt, verglichen mit anderen MOE-Ländern. Im Straßennetz sind vierspurige Autobahnen nur in einem Teil des Landes vorhanden. Die Regierung hat angekündigt, innerhalb der nächsten sieben Jahre alle größeren Städte an vierspurige Autobahnen anzubinden. Gegenwärtig werden Pläne vorbereitet, die den Bau eines europäischen Korridors von Venedig über Triest nach Kiew via Ungarn vorsehen. Das Schienennetz ist gut ausgebaut und verbindet die großen und mittleren Städte. Ca. 158 Millionen Passagiere und 43 Millionen Tonnen Güter werden jährlich über die rund 7.700 km Schienen (davon 2.184 km elektrifiziert) transportiert. Die meisten Strecken müssen für schnellere Züge modernisiert werden. 55 Ungarns Hauptflughafen befindet sich in Budapest. Der Ausbau der bislang vorhandenen zwei Terminals hat die Abfertigungskapazität verdoppelt. Ein Inlandsflugnetz ist nur rudimentär vorhanden. Einige größere Städte verfügen über Flughäfen für Privatmaschinen. Es ist geplant, frühere sowjetische Militärbasen in Passagier- und Frachtflughäfen umzuwandeln. Das Telekommunikationsnetz ist hochentwickelt und in einigen Regionen schon zu 100 % digitalisiert. Dieses Niveau ist im Vergleich zur Ausgangsbasis des Jahres 1990 beachtlich. Die Anschlussrate im Telefonkabelnetz belief sich im Jahr 2000 auf über 30 Anschlüsse pro 100 Einwohnern. Mit Hilfe von Investitionen ausländischer Gesellschaften wurden jährlich bis zu 300.000 neue Anschlüsse geschaffen und die Wartezeit auf einen Anschluss auf weniger als einen Monat gesenkt. Noch dynamischer als das drahtgebundene Telefonnetz entwickelt sich auch in Ungarn das Mobiltelefonnetz. Im Versorgungsbereich ist die Privatisierung der Gas- und Elektrizitätserzeugung und -verteilung weitgehend abgeschlossen. Die ausländischen Käufergesellschaften modernisieren die Versorgungsinfrastruktur bei gleichzeitiger Kapazitätserweiterung. Rund 43 % der Elektrizitätserzeugung in Ungarn stammt von den staatseigenen PAKS Kernkraftwerken, die bis zum Jahr 2005 die Produktion verdoppeln wollen. Die Preise für Gas und Elektrizität sind stark gestiegen und werden in Kürze in etwa das europäische Niveau erreichen. Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass im Zuge der EUErweiterung am ehesten die Hauptstadtregionen der MOE-Länder ohne Schwierigkeiten im Binnenmarkt bestehen können, da die Agglomerationen über eine relativ gute Ausgangsbasis, was den Wohlstand und die Entwicklungsbedingungen betrifft, verfügen (vgl. ABRAHAM/ESER 1999). Hier vollzieht sich die Transformation wesentlich schneller. Zudem zeichnet sich eine Arbeitsteilung zwischen den mittel- und osteuropäischen Metropolen ab: • Warschau als Tor zum Osten auf der Achse Berlin-Minsk-Moskau, • Budapest als Finanzmetropole der MOEL, • Prag als kulturelles Zentrum Mittel- und Osteuropas, • Bratislava als das räumlich am nächsten zu einer westlichen Großstadt (Wien) gelegene Zentrum Mittel- und Osteuropas. 56 Als sekundäre Wachstumszentren entwickeln sich die Regionen an den wichtigsten Verkehrsachsen und Entwicklungskorridoren aufgrund des leichteren Zugangs zu ausländischem Kapital. Hierzu zählen i. d. R. auch die westlich gelegenen Regionen der MOEL mit ihrer größeren Nähe zu westlichen Märkten. Ein wichtiger Faktor hierbei ist die Lage an den transeuropäischen Netzen (Helsinki-Korridore). 5. Unternehmensbezogene Infrastruktur Die insbesondere für wissensbasierte Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zentralen Standortfaktoren betreffen die Verfügbarkeit und die Qualität von Einrichtungen für Bildung, Forschung und Entwicklung. Diese Institutionen determinieren stark die Entwicklungspotenziale der Unternehmen durch die Hervorbringung entsprechenden Humankapitals und die Bereitstellung von Knowhow. 5.1 Bildungsinfrastruktur Seit dem Jahr 1990 stieg die Zahl der Studierenden in Polen von 394.000 auf rund 1,5 Millionen im Jahr 2000. Der Prozentsatz von Studenten an der Bevölkerung im Alter von 19 bis 24 Jahren stieg damit von 13,1 auf 38,2 %. Da die staatlichen höheren Bildungseinrichtungen den starken Anstieg der Studierenden nicht mehr bewältigen konnten, kam es zur Gründung zahlreicher privater Institutionen, deren Anzahl sich 1999 auf 171 belief. Die Qualität der Ausbildung in diesen Privateinrichtungen ist sehr unterschiedlich und die Anerkennung der dort getätigten Abschlüsse wird seitens des Bildungsministeriums nicht immer erteilt. In einigen Fällen mussten private Hochschulen auf staatliche Anordnung hin wieder geschlossen werden. Von dem erweiterten Bildungsangebot hat vor allem die junge Bevölkerung in Kleinstädten, in denen es keine staatliche Hochschule gab, profitiert. Aber auch in den Großstädten bekamen Schulabgänger damit zusätzliche Möglichkeiten, ein Hochschulstudium zu absolvieren. Die Berufliche Ausbildung befindet sich erst im Aufbau und weist zum Teil ähnliche Probleme auf wie diejenige der Tschechischen Republik. 57 In der Tschechischen Republik gibt es z. Z. annähernd 45.000 Studenten an den sieben Technischen Universitäten. Das "Bakkalaureat" kann nach drei Jahren erworben werden, aber die meisten Studierenden verbleiben an der Universität für weitere zwei Jahre bis zum Diplom. Von den Gesamtabschlüssen entfallen rund 50 % auf die naturwissenschaftlichen und technischen Wissenschaften. Weniger günstig als für die technische Intelligenz sieht der Qualifikationsstandard im kaufmännischen Bereich aus. Zur Aufarbeitung der Qualifikationsdefizite bei Kenntnissen über die Funktionsweise der Marktwirtschaft führen ausländische Investoren im Lande selbst oder in ihren Stammhäusern Management-, Finanz-, Marketing- und andere Kurse durch. Daneben werden On-thejob-Schulungen, Bildungsurlaube im Ausland, Fortbildungsmaßnahmen durch Vertragsfirmen, spezielle Seminare an Hochschulen sowie öffentliche Workshops angeboten. Das tschechische System der beruflichen Bildung einschließlich des Berufsschul- und Industriefachschulwesens hat sich noch nicht den Anforderungen eines modernen Schulwesens angepasst. Auch in Tschechien gibt es eine organisatorische und rechtliche Trennung zwischen allgemeiner und theoretischer Ausbildung einerseits und praktischer Ausbildung - meist mit dem Lernort Betrieb. Es wäre jedoch verkehrt, von einem System zu sprechen, das dem deutschen ähnlich ist, wie man vielfach lesen kann. (vgl. LAUTERBACH 1995ff., S. CZ115). Zunächst litt das System der tschechischen Berufsausbildung unter den Kinderkrankheiten aller Transformationsstaaten und versuchte, die straffe zentralistische staatliche Patronage abzuschaffen (vgl. OKI, 2001, S. 3). Die berufliche Ausbildung gilt aber nach wie vor als unzureichend und mangels Erfolg ist der Einfluss des Staates inzwischen wieder sehr groß geworden. Mit Hilfe der EUROPEAN TRAINING FOUNDATION (1999) wurde aus Mitteln der EUFörderprogramme PHARE und TACIS eine Studie unter Mitarbeit von ca. 20 nationalen und internationalen Institutionen erarbeitet, um erst einmal eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Probleme zu leisten. Im Rahmen dieser Analyse können nur einige wichtige Aspekte dargestellt werden. Das größte Problem Tschechiens ist, dass der theoretische Unterricht völlig an den Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbeizielt. Dies wirkt auf die Schüler demotivie- 58 rend, insbesondere auf jene die arbeitslos sind.8 Überall fehlt es an Anreizen: für die Betriebe, Auszubildende einzustellen; für die Sozialpartner, sich zusammen zu setzen und geeignete Curricula auszuarbeiten und für Berufsschullehrer sich fortzubilden. Ein wachsender Druck zur Modernisierung der beruflichen Ausbildung geht nur von den internationalen Direktinvestoren sowie ihren ausländischen Zulieferern aus. Die Regierung plant inzwischen durch eine bessere Berufsausbildung die zunehmende Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen (vgl. EUROPEAN TRAINING FOUNDATION 1999, S. VII). Trotz dieser kritischen Darstellung soll, jedoch erwähnt werden, dass Tschechien bei der Pisa Studie deutlich besser abgeschnitten hat als Deutschland, und noch weit besser als Ungarn und Polen (vgl. OECD 2001b). Das Ergebnis der Pisa-Studie wurde vielfach falsch interpretiert. Die OECD weist ausdrücklich darauf hin, dass sie überhaupt nichts über die Qualität von Schulabschlüssen aussagt. Dies ist besonders wichtig, da kein Land, das an der Studie teil nahm, so viele Schüler hat wie Deutschland, die wegen einer scharfen Selektion bis zum 15. Lebensjahr eine Klasse wiederholt haben. An den 60 höheren Bildungseinrichtungen (darunter vier Universitäten) Ungarns studieren rund 120.000 Studenten. Knapp 14 % aller Studierenden erhalten eine Ausbildung an privaten Hochschuleinrichtungen. Offen bleibt aber die Frage, ob die Qualität dieser Hochschulen, und damit die Qualität der Absolventen dieser Hochschulen, die oft nur über ein bis zwei Fakultäten verfügen, gegenüber den staatlichen Hochschulen den Anforderungen der Praxis standhalten wird (vgl. PRAHL 1999). Durch Dezentralisierung der Kompetenzen im Bildungswesen und in der beruflichen Bildung wurde eine Umstrukturierung in diesem Bereich durchgeführt, um gut ausgebildete Arbeitskräfte für den veränderten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Die Allgemeine Schule wurde als Pflichtschule von acht auf zehn Jahre verlängert. Danach vermitteln Berufsschulen in den ersten zwei und die Berufsmittelschulen während vier Jahren Allgemeinbildung. Innerhalb des Schulsystems 8 „This negative labour market development has particularly affected those groups struggling with disadvantage, such as school-leavers (especially those leaving basic and secondary schools), low-skilled persons, Romanies, and persons with disabilities....Current discussion about continuing vocational education and training view its inadequate development as being due to the absence of incentives, and propose that state bodies and representatives social partners should jointly prepare and introduce a suitable system of incentives.” (EUROPEAN TRAINING FOUNDATION,1999 S. V ff.). 59 wird durch diese Veränderung die Berufswahl hinausgeschoben (vgl. LAUTERBACH 1995 ff., S. H-119 f.). Auch in Ungarn lässt die Qualität der Berufsausbildung zu wünschen. Während in Deutschland über 85 % einen Beschäftigungsabschluss aufweisen, sind es in Ungarn nur 63 % (vgl. LIST 2002, S. 26). Das duale Ausbildungssystem in Deutschland gilt bei der Ausbildung von Lehrlingen als eines der besten der Welt. Es wurde von zahlreichen anderen Ländern übernommen. Nach der Grundschule oder der mittleren Reife arbeiten die Lehrlinge zwei oder drei Jahre unter Aufsicht eines Meisters in einem Betrieb und werden in gewissen Abständen auf der Berufschule von Fachlehrern, die ein Studium absolviert haben, unterrichtet. Diese Kombination ermöglicht, dass die Lehrlinge das, was sie in der Schule gelernt haben, unmittelbar danach im Betrieb praktisch anwenden können. Die Inhalte der Prüfung bestimmt die Industrie- und Handelskammer. Der Unterricht ist in Module eingeteilt. Einige davon sind obligatorisch, andere richten sich nach dem erstrebten Beruf. Die Lehrinhalte werden in erster Linie durch die Anforderungen des Arbeitsmarktes, der Betriebe und des Lehrpersonals bestimmt. Alle Interessenvertreter diskutieren gemeinsam den zu vermittelnden Stoff, bzw. handeln ihn gemäß ihren Interessen aus. Seit einigen Jahren sind die Berufschulen viel flexibler als früher. Die Schüler haben die Möglichkeit, mehrere Qualifikationen zu erwerben, die ihre Chancen am Markt erhöhen. Auch Abiturienten, die z. B. Automechaniker werden wollen, oder junge Menschen, welche ihren Beruf wechseln wollen, können bis zum 25. Lebensjahr die Berufschule besuchen und eine neue Lehre entsprechend ihren Neigungen beginnen und ein Zertifikat erwerben. Beim Vergleich der Beschäftigungsabschlüsse liegt Deutschland mit 84 % weit über dem Durchschnitt. Nur die USA und Tschechien weisen mit 86 % bzw. mit 85 % geringfügig höhere Werte auf (vgl. LIST 2002, S. 26). Der große Erfolg des dualen Systems zeigt sich an der traditionell geringen Jugendarbeitslosigkeit, die weit unter derjenigen aller anderen Industrieländern liegt, weit vor Japan, Spanien Frankreich und auch den USA. 60 Der Vorteil des dualen überbetrieblichen Ausbildungssystems gegenüber einer rein betrieblichen Ausbildung zeigen die USA, wo die Lehrlinge nur ein „on-thejob-training“ durchlaufen, dessen Inhalte rein firmenspezifisch und nicht zertifiziert sind. Deshalb hat die Lehrlingsausbildung für andere Firmen meist nur einen geringen Wert. Dies macht sich auch deutlich in hohen Einkommensdisparitäten ausgebildeter Lehrlinge mit gleichem Beruf bemerkbar (vgl. BOSCH 1999, S. 2, KORITKO/HERMANN 2000, S. 10). Zu Beginn der Wende gab es in Ostdeutschland zu wenig Betriebe, die in der Lage waren, Lehrlinge auszubilden. Dieser Mangel ist inzwischen noch nicht völlig behoben. Die Angebots-Nachfrage-Relation betrug im Jahr 2000 93,2 %. Aufgrund der angespannten Ausbildungsplatzsituation hilft der Staat, indem er das fehlende Ausbildungsangebot durch eine betriebsnahe Lehrlingsausbildung ergänzt, bei welcher 1990 auf Sachsen 3.780 Stellen entfielen. Außerdem wird in kleineren Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten die Schaffung eines Ausbildungsplatzes mit 3.000 DM gefördert. „Der Zuschuss wurde in ausgewählten gewerblich-technischen Berufen von 4.000 DM auf 8.000 DM und für männliche Auszubildende von 3.000 DM auf 5.000 DM angehoben.“ (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2001, S. 31). Besonderes Ansehen haben sächsische Jugendliche in Deutschland durch ihre Neigung zu naturwissenschaftlichen Fächer erregt. Sachsen ist das einzige Bundesland, in welchem 35 % aller Gymnasiasten Mathematik als Leistungskurs wählen und sächsische Schüler haben schon mehrere Mathematikwettbewerbe mit einem deutlichen Vorsprung vor Bayern und Baden-Württemberg gewonnen (vgl. SCHMALHOLZ 2001). 5.2 Infrastruktur für Forschung, Entwicklung und Innovation Am Ende der neunziger Jahre bestand in Polen die Infrastruktur für Zwecke der Forschung und Entwicklung (FuE) aus etwa 250 staatlichen FuE-Instituten (darunter: Universitäten und Kollegs, die Polnische Akademie der Wissenschaften mit 82 Forschungseinheiten sowie ca. 230 Forschungsinstitute und zentrale Laboratorien, die verschiedenen Ministerien unterstellt sind) mit insgesamt ca. 50.000 Beschäftigten (vgl. SCHMALHOLZ 2000 und die dort angegebene Literatur). Die weitere Existenz dieser Forschungseinheiten in ihrer jetzigen Form ist noch nicht endgültig gesichert. Ihre Finanzierung erfolgt zu 30 % durch das 61 STAATSKOMITEE FÜR WISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG (KBN), dem zentralen Entscheidungsorgan für die Vergabe staatlicher Forschungsgelder. Die übrigen Mittel müssen aus Zuwendungen und Forschungsaufträgen (in erster Linie von KBN, EU-Fonds und Industrie) gewonnen werden. 1998 standen aus dem Regierungshaushalt ca. 2 Mrd. DM für den Wissenschaftsbereich zur Verfügung. Davon entfielen auf die Grundlagenforschung 33 %, die angewandte Forschung 29 % und FuE 38 %. Zweckbezogen verteilten sich die Mittel auf institutionelle und programmatische Förderung öffentlicher FuE-Einrichtungen (52 %), spezifische Forschungsprojekte einzelner Wissenschaftler bzw. Teams (17 %), Bauten und Ausrüstungen für Forschungszwecke (11 %) sowie Subventionen für Forschungsprojekte von besonderer Bedeutung für die Industrie (9 %) und der Rest auf Hilfen für Bibliotheken und einige Sonderprogramme. Mit rund 62 % kommt der Großteil aller von polnischen Einrichtungen getätigten FuE-Ausgaben aus dem Regierungsbudget, 37 % aus anderen inländischen Quellen. Der Anteil der Finanzierung aus dem Ausland beträgt knapp 2 %. Die Finanzierungsstruktur zeigt im Vergleich zu Deutschland und der EU insgesamt einen fast doppelt so hohen staatlichen Anteil. Auch als FuE-durchführender Sektor hat der polnische Staat im Gegensatz zur EU ein deutlich höheres Gewicht wegen der geringen FuE-Stärke des Wirtschaftssektors. Für die jüngere Vergangenheit verzeichnet die offizielle Statistik einen Rückgang des Anteils der FuE-Ausgaben am BIP. Von ca. 2 % Ende der 80er Jahre sank die Quote auf 0,82 % im Jahre 1994 und 0,76 % im Jahr 1997 (vgl. Tabelle IV.15). Im Wirtschaftssektor Polens finden FuE-Aktivitäten außer in größeren Unternehmen mit eigenen FuE-Einheiten auch in branchenspezifischen FuE-Einrichtungen (Institute, Forschungszentren und Laboratorien) statt, die überwiegend von einzelnen Wirtschaftsbranchen finanziert werden. Einer der Schwachpunkte im polnischen Forschungssystem ist offenbar die Schwierigkeit, Forschungsergebnisse dieser Institutionen in kommerziell erfolgreiche Innovationen umzusetzen, d. h. sie forschen an den Unternehmen vorbei. Ein Indiz hierfür könnte die Fokussierung der Forschungsförderung auf „Wissenschaft“ und weniger auf „Technologie“ sein. Eine weitere Tatsache ist, dass die veröffentlichten polnischen Wissenschaftsergebnisse überwiegend aus den Gebieten Chemie und Physik stammen. 62 Tabelle IV.15 Ressourcen für Forschung und Entwicklung 1992-1999 a) Anteil der FuE-Ausgabena) am Bruttoinlandsprodukt - in % Land 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Polen 0,83 0,83 0,77 0,70 0,72 0,72 0,73 0,75 Tschechische Rep. 1,72 1,21 1,10 1,01 1,03 1,16 1,26 1,27 Ungarn 1,05 0,98 0,89 0,73 0,65 0,72 0,68 0,68 Europäische Union 1,90 1,89 1,84 1,84 1,81 1,80 1,81 1,85 Deutschland 2,41 2,35 2,26 2,26 2,26 2,29 2,31 2,38 n.v. 2,05 n.v. 1,94 n.v. 2,12 n.v. 2,38 Sachsen a) Staats-, Hochschul- und Wirtschaftssektor. - Anm.: "-" = kein Wert vorhanden; n.v. = nicht vorhanden wegen fehlender Angaben über den Wirtschaftssektor. b) Anzahl des FuE-Personals - je 1.000 Erwerbspersonen Land Polen Tschechische Rep. 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 - - 4,6 4,9 4,8 4,9 4,9 - 12,0 8,0 7,3 4,4 4,5 4,5 4,4 4,6 Ungarn 5,3 5,2 5,2 4,8 4,9 5,2 5,1 5,2 Europäische Union 9,3 9,3 - 9,5 9,5 9,4 - - Deutschland - - - 11,6 11,5 11,5 11,6 11,6 Sachsen - - - 8,6 n.v. 9,4 n.v. 9,5 a) Staats-, Hochschul- und Wirtschaftssektor. - Anm.: "-" = kein Wert vorhanden; n.v. = nicht vorhanden wegen fehlender Angaben über den Wirtschaftssektor. Quelle: OECD (2001a), Statistisches Bundesamt (2001), BMBF (2001), Statistisches Landesamt Sachsen (2001), Berechnungen des ifo Instituts. Ein gravierendes Problem für die Qualität der FuE-Leistungen aus dem öffentlichen Wissenschaftssektor in Polen stellen die niedrigen Gehälter dar, die der Staat bezahlen kann. Noch Anfang der 90er Jahre war ein erheblicher „externer brain-drain“, d. h. die Abwanderung der Wissenschaftler ins Ausland, zu verzeichnen. Dieser Trend ist zwischenzeitlich zurückgegangen, aber der „interne brain-drain“, d. h. die Abwanderung vom öffentlichen Sektor in die Privatwirtschaft, bereitet weiterhin ernsthafte Sorgen. Die forschungspolitischen Aktivitäten der polnischen Regierung zielen als Folge der EU-Beitrittsverhandlungen verstärkt auf die Harmonisierung der polnischen FuE-Landschaft mit den in den EU-Mitgliedsstaaten anzutreffenden Strukturen ab. Nach nur geringer Beteiligung am 4. Rahmenprogramm der EU wurde die 63 Teilnahme Polens am 5. Rahmenprogramm intensiviert und damit ein weiterer Schritt im Hinblick auf eine stärkere internationale Einbindung seiner Forschungslandschaft realisiert. Seit der Wende hat sich die Zahl der FuE-Mitarbeiter in der Tschechischen Republik drastisch reduziert. Einschließlich der Forscher in den privatisierten Forschungsinstituten und Industriebetrieben betrug ihre Zahl 1993 noch rund 40.000 und wurde 1997 auf etwas mehr als 23.000 geschätzt. Davon sind gegenwärtig rund 50 % in der Industrie, 30 % in staatlichen Forschungseinrichtungen und 20 % an den Hochschulen beschäftigt. Hauptträger der öffentlich finanzierten FuE-Aktivitäten sind derzeit in erster Linie die nunmehr verkleinerte Akademie der Wissenschaften und die Hochschulen. Bei einem Teil der Ministerien, wie z. B. dem Umwelt- oder Landwirtschaftsministerium, sind einzelne Forschungsabteilungen eingerichtet worden, in denen zusammen mit den erstgenannten Institutionen rund 30 % der FuELeistungen erbracht werden. Die neue Einstellung zur Rolle des Staates bei der Förderung von FuE beeinflusste auch ihre Finanzierungsweise aus dem Staatshaushalt. Die Mittel für den Betrieb der Forschungsinstitutionen wurden stufenweise gesenkt und gleichzeitig wurde damit begonnen, die zur Förderung konkreter Projekte bestimmten Mittel (Grants) zu erhöhen, die im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen vergeben wurden. An dieser Entwicklung war der neugeschaffene RAT FÜR FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG bei der Regierung der Tschechischen Republik maßgebend beteiligt. Bemerkenswert ist die starke internationale Zusammenarbeit Tschechiens mit europäischen Forschungsorganisationen und die Beteiligung an bedeutenden Programmen der multilateralen europäischen Zusammenarbeit (COST, EUREKA u. a.), die neues Know-how ins Land bringen. Das Assoziierungsabkommen zwischen der Tschechischen Republik und der Europäischen Kommission ermöglichte bereits die Teilnahme am 4. Rahmenprogramm der EU und findet seine verstärkte Fortsetzung im derzeit laufenden 5. Rahmenprogramm. Der tschechische Wirtschaftssektor ist im Vergleich zu Polen stärker am FuEProzess beteiligt, begünstigt durch eine Vielzahl geschaffener Joint Ventures mit ausländischen Industrieunternehmen, die auch eine entsprechende Nach- 64 frage nach FuE-Leistungen entfalten. Auf dem Territorium von Forschungsinstituten entstanden bislang 30 Technologiezentren, um vor allem kleinen Firmen, wenn auch nicht mit Finanzhilfen, so doch durch die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten zu industrierelevantem Know-how zu unterstützen. Die tschechische Forschungspolitik ist primär auf die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der FuE-Infrastruktur gerichtet, um nach einem EU-Beitritt mit den anderen Mitgliedsstaaten bezüglich FuE-Qualität u. ä. Schritt halten zu können. Die im Zuge des Reformprozesses in Ungarn ergriffenen Maßnahmen zur Umstrukturierung seiner wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen nach westlichem Muster dauern noch an. Die FuE-Infrastruktur umfasst neben 35 Universitäten und Hochschulen 68 akademische FuE-Institute im Bereich der Naturwissenschaften, 178 Forschungseinrichtungen in der gewerblichen Wirtschaft sowie 56 sonstige FuE-Einrichtungen. Insgesamt konnte das vergleichsweise kleine Land trotz einschneidender Sparmaßnahmen in den letzten Jahren sein wissenschaftlich-technisches Niveau halten und sogar in Teilbereichen verbessern. Im Hochschulbereich wurde die Forschung neu belebt, und die in den zurückliegenden Jahren von starken Reduzierungen geprägte Personalstruktur der wissenschaftlichen Einrichtungen beginnt sich zu stabilisieren. Wissenschaftler und Techniker sind teilweise in den sich etablierenden privaten innovativen Unternehmen untergekommen, ein Teil wanderte ins Ausland ab (Brain-drain), und viele Wissenschaftler wurden frühzeitig pensioniert. Das verbliebene Wissenschaftspersonal gilt zumeist als hoch qualifiziert. Durch die Einrichtung spezifischer FuE-Programme konnten innovative Forscherteams unterstützt und die Universitätsforschung neu belebt werden. Große Hoffnungen richten sich auf die Ausweitung der europäischen und internationalen Zusammenarbeit, auf die Zulassung zu internationalen Wettbewerben und auf ausländische Transferleistungen im technologie- und wirtschaftsorientierten Wissenschaftsbereich. Angesichts der anderen gewaltigen Aufgaben der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist seitens der Regierung kurzfristig nicht mit höheren Zuschüssen für Forschung und Entwicklung zu rechnen. Der Staat trug mit über 50 % der FuE-Ausgaben auch 1997 noch den Hauptanteil des ungarischen FuE-Budgets. Forschung und Entwicklung wird in Ungarn aufgrund fehlender 65 privatwirtschaftlicher Impulse noch auf Jahre hinaus der intensiven staatlichen Unterstützung bedürfen. Die Regierung beabsichtigt, verstärkt ökonomische Gesichtspunkte, wie z. B. Kosten-/Erlösfaktoren, Gewinn für die Gesellschaft, langfristige Entwicklungsmöglichkeiten, als Kriterien in das FuE-Fördersystem einzuführen. Damit - so die Überlegungen - können reine Zuschüsse oder die Finanzierung von Betriebskosten entfallen. Andererseits sollen FuE-Bereiche, die wegen ihres Profils, z. B. Ausbildung oder Grundlagenforschung, nicht gewinnorientiert arbeiten können, weiterhin aus dem zentralen Budget finanziert werden. Zur Unterstützung des Technologietransfers wurden bislang drei Institute (BAY ZOLTÁN STIFTUNG) - auf den Gebieten Materialforschung, Biotechnologie und Logistik - gegründet, die ähnliche Aufgaben wahrnehmen wie in Deutschland die FRAUNHOFER-Institute; d. h. sie erbringen Leistungen auf dem Gebiet der angewandten Forschung für kleine und mittlere Unternehmen. Zur Unterstützung des Unternehmenssektors sind von ehemals 20 bis 25 industriellen FuE-Instituten bis zum Jahr 1996 noch acht übrig geblieben, die möglichst alle privatisiert werden sollen. Rezession, Reorganisationsanstrengungen und Rationalisierungsmaßnahmen erlauben es der Industrie nur in sehr beschränktem Umfang, Ausgaben für FuE zu tätigen. Angewandte Forschung und experimentelle Entwicklung ohne staatliche Unterstützung gibt es daher kaum noch, denn als Folge des Verlustes internationaler Märkte, der Marktveränderungen und der Privatisierung haben die meisten Unternehmen ihre direkten FuE-relevanten Aktivitäten eingestellt. Mit etwas mehr als einem Drittel trug der Wirtschaftssektor 1997 zum gesamten ungarischen FuE-Budget bei und lag damit in etwa in der Größenordnung des Beitrags der polnischen Wirtschaft. Ein Ansteigen der FuE- Förderung im Zuge von Joint Ventures sowie durch das Engagement multinationaler Unternehmen wird allerdings erwartet. Ausländische Unternehmen, die das technisch-wissenschaftliche Niveau des Standorts Ungarn bereits für Produktionsstätten nutzen, planen den Aufbau von Forschungs- und Entwicklungszentren vor Ort. Die Maßnahmen der nationalen Forschungspolitik zielen primär darauf ab, durch die Erhöhung der technologischen Leistungsfähigkeit den industriellen Aufbau Ungarns und die Annäherung an die westlichen Industrienationen zu beschleunigen. 66 Insgesamt gesehen, ist zu konstatieren, dass alle Transformationsländer gemeinsame Problemfelder aufweisen: das Ungleichgewicht zwischen der starken Präsenz „akademischer“ Wissenschaft und der (noch) schwachen industriellen FuE, die Zunahme des Anteils von älteren Wissenschaftlern, insbesondere in den Natur- und Technikwissenschaften, sowie die noch nicht abgeschlossene Reform der Forschungsinfrastruktur. Sachsen verfügt mit 14 Hochschulen, rund 50 außeruniversitären FuE-Einrichtungen sowie 40 Industrieforschungseinrichtungen und 42 Technologiezentren über eine differenzierte Hochschul- und Forschungslandschaft. Diese Institutionen stellen als Quellen neuen Wissens die Basis für eine hohe Innovationsneigung der Wirtschaft dar. 5.3 Netzwerke Nicht nur die High-Tech-Industrien sind von einem raschen Wandel der Märkte und Technologien betroffen, sondern in zunehmenden Maße auch die übrigen volkswirtschaftlichen Sektoren. Bei immer kürzer werdenden Produkt- und Technologiezyklen gewinnen Innovationsbereitschaft, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen eine zentrale Bedeutung. Als Antwort darauf haben in der Industrie in den letzten Jahren tiefgreifende Reorganisationsprozesse hin zu mehr disaggregierten, flexiblen Produktionsarrangements, also zu industriellen Netzwerken, stattgefunden. Branchenspezifische Unternehmensnetzwerke existieren in den analysierten Ländern in bestimmten Branchen wie z. B. im Informationstechnologiesektor und in der Automobilindustrie. Es gibt aber auf Seiten der lokalen Hersteller in den drei Ländern noch Probleme, die einer verstärkten Einbeziehung als Zulieferer in Netzwerke entgegenstehen, wie Beispiele aus Polen zeigen, wo von inländischen Produzenten angebotene Materialien und Produkte oftmals teurer sind als in Deutschland, da die polnischen Hersteller, um die Qualitätsanforderungen ausländischer Automobilbauer zu erreichen, Teile aus dem Ausland zukaufen müssen (vgl. STEFANIAK 1999, S. 10 ff.). 67 6. Qualität staatlicher Institutionen Sowohl Auswahl als auch Messung der Qualität von Institutionen, die eine Marktwirtschaft erfordert, ist äußerst problematisch (vgl. RODRIK 1999). Als die Weltbank erkannte, dass das Scheitern ihrer Beratung hauptsächlich an unzureichenden Institutionen lag, konstruierte sie nach mehrjährigen Vorarbeiten (vgl. das Hintergrundpapier von BRUNETTI/KISUNKO/WEDER 1997) einen Index, den sie "Glaubwürdigkeit staatlichen Handelns" nannte (vgl. WELTBANK 1997, S. 38 ff.), ein Terminus, der im Vergleich zu dem englischen ("Institutional obstacles for doing business") etwas unglücklich wirkt, sich aber inzwischen etabliert hat. Er besteht aus folgenden Subindikatoren: "1. Unvorhersehbare Veränderungen der Gesetze oder der Politik, 2. Instabile Regierung, 3. Unsichere Eigentumsrechte, 4. Unzuverlässiges Rechtswesen, 5. Korruption." Dieser Index steht nach einer ökonometrischen Analyse in signifikantem Zusammenhang mit Wachstum und Investitionen (vgl. WELTBANK 1997, S. 42 u. 198 ff.). Die Indexwerte für die einzelnen Länder wurden aus Firmenbefragungen gewonnen. Die Ergebnisse basieren auf der Einschätzung der Verhältnisse durch Investoren in über 3.600 Firmen in 69 Industrie- und Entwicklungsländern. Es handelt sich dabei um die erste Beurteilung dieser Thematik, die nicht auf pauschalen Meinungsäußerungen sondern auf der Basis eines ausgefeilten standardisierten Fragebogens mit 25 Multiple-Choice-Fragen basiert. Der Test wurde auch in mehrere Sprachen übersetzt, insbesondere in diejenigen der MOE-Länder. Die Analyse sollte alle größeren Unternehmen eines Landes abdecken. Falls die Antworten nicht auf postalischem Weg eingingen, erschienen die Mitarbeiter der Weltbank selbst im Betrieb. Eine hohe Antwortquote des Fragebogens konnte nur erreicht werden, wenn völlige Anonymität und das Versprechen, keine detaillierten Angaben über einzelne Länder zu machen, zugesichert wurden. Sehr detaillierte Angaben zur Verteilung der Antworten, Betriebsgröße, Branchen, usw., allerdings nur zu den sieben Ländergruppen, enthält das erwähnte Hintergrundpapier von BRUNETTI ET AL. (1997). Unter den sieben Ländergruppen befanden sich aus den MOE-Ländern (Albanien, Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Makedonien, Polen, Slowakei, Türkei) 771 Fragebögen und aus der Gruppe der 11 OECDLänder mit dem höchsten BSP/Kopf waren es 254. Dies ermöglicht einen Vergleich, der in der Tabelle IV.16 wiedergegeben werden soll. 68 Tabelle IV.16 Ergebnis einer Befragung der Weltbank von Managern über Unzufriedenheit mit bestimmten institutionellen Faktoren (1997) Mittel- und Osteuropa - in % - OECD-Länder mit hohem Einkommen - in % - Unvorhersehbare Änderungen der Gesetze und der Politik 65 32 2,0 Instabile Regierung 35 20 1,8 Unsichere Eigentumsrechte 80 55 1,5 Unzuverlässiges Rechtswesen 70 42 1,7 Korruption 45 15 3,0 Subindikator Quelle: MOE/OECD WELTBANK (1997, S. 40), Berechnungen des ifo Instituts. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist deutlich ausgeprägt, insbesondere bei den Indikatoren "Korruption" sowie "unvorhersehbare Änderungen von Gesetzen und der Politik". Die Tatsache, dass 80 % der Unternehmen in den MOE-Ländern unsichere Eigentumsrechte beklagen, deutet daraufhin, dass in Polen, Ungarn und Tschechien die Werte auch wahrscheinlich relativ hoch sind. Eine völlig andere Untersuchung stammt von der EBRD, die regelmäßig die Veränderungen in allen Transformationsländern, ausgenommen die ostasiatischen (Vietnam, Laos und China), untersucht. Da sich die Rechtssicherheit in den meisten Transformationsländern tendenziell ständig verbessert, publiziert die EBRD halbjährlich die wichtigsten Veränderungen. Sie untersucht, bis zu welchem Ausmaß (extensiveness) die erforderlichen Gesetze zur Regelung des Geschäftslebens (commercial law) nach westlichen Vorstellungen überhaupt existieren. Hierzu zählen neben vertraglichen Vereinbarungen auch Verpfändungen, Konkurse, und das Gesellschaftsrecht. Ein zweiter Indikator misst, wie stark sie durchgesetzt werden. Die Evaluierungen der Indikatoren wurden von den Rechtsanwälten durchgeführt, mit denen die EBRD als einer der größten Investoren dieser Region zusammenarbeitet. Sie betont ausdrücklich, dass es sich um sehr subjektive Einschätzungen handelt. Bei größeren Urteilsdifferenzen wurden jedoch zusätzliche Befragungen durchgeführt. Die Bewertung erstreckt sich auf ein Kontinuum von 1 bis 4+. Dabei bedeutet z. B. eine 1 bei dem Indikator "Ausmaß", dass die Gesetze entweder nur in rudimentärer Form existieren oder äußerst widersprüchlich und unverständlich sind, kein Schutz von Eigentümern der Gesell- 69 schaften besteht und die Regierung bisher nichts unternommen hat, um diesen Zustand zu ändern. Note 4+ dagegen bedeutet praktisch OECD-Niveau. Analog wurde ein zweiter Indikator "Regulierungen des Finanzwesens" konstruiert. Er bezieht sich auf alle Gesetze zur Regulierung des Bank- und Börsenwesens, inklusive der Kontrollorgane zur Aufsicht des Bank- und Kreditwesens sowie der Strafgesetzgebung. Auch bei diesem Indikator wird zwischen Ausmaß und Durchsetzung unterschieden. Zur Orientierung wurde in die Tabelle IV.17 ein Durchschnittswert der übrigen EU-Beitrittskandidaten, die auch zu den Transformationsländern zählen, mit aufgenommen, außerdem Russland sowie das Land mit der schlechtesten Einstufung aller Transformationsländer (Weißrussland). Tabelle IV.17 Umfang und Durchsetzung von Wirtschaftsgesetzen und Gesetzen zur Regulierung des Finanzwesens - Stand: Ende 2000 Land Wirtschaftsgesetze Ausmaß Durchsetzung Finanzgesetze Ausmaß Durchsetzung Tschechien 3 3+ 4 3- Ungarn 4 4- 4 4 Polen 4- 4 4 4 Russland 4- 3 3 3- 1 2+ 2+ 2 3,7 3,5 3,3 2,8 Weißrussland Durchschnittswerte der anderen EU-Beitrittsländer Quelle: EBRD (2000, S. 34 ff.), Berechnungen des ifo Instituts. Wie aus der Tabelle IV.17 deutlich zu erkennen ist, erreichen Ungarn und Polen Spitzenplätze. Interessant ist das relativ schlechtere Abschneiden Tschechiens, das auf Druck der EU mehr als zehnmal das Konkursgesetz geändert hat. Allerdings weist dieses Gesetz immer noch zahlreiche Mängel auf, sodass sich Konkurse ewig in die Länge ziehen. Wegen der mangelhaften Bankenaufsicht wurde die tschechische Regierung zudem mehrfach von der EU gemahnt, die Durchsetzung der Gesetze zu gewährleisten. Bemerkenswert ist, dass sich nach dieser Untersuchung Ungarn und Polen deutlich von Tschechien abheben. 70 Ein besonderes Kapitel bilden die Gesetze und Vorschriften zum Erwerb von Immobilien, welche sowohl in Polen als auch in Tschechien in den letzten Jahren ständig geändert wurden. Vielfach enthalten sie inkonsistente oder unverständliche Regeln. Außerdem herrschen vom deutschen Gesetz abweichende Vorstellungen darüber, was eine Immobilie ist. Diese Regelungen wirken sich nachteilig für zahlreiche Aspekte aus, welche Finanzierungs- oder Haftungsprobleme betreffen, weil Immobilien stark ihre Funktion als Sicherheit verlieren. Nach gegenwärtigem Stand (Anfang 2000) gelten folgende Regeln: in Polen ist der Erwerb von Immobilien nur polnischen Staatsbürgern oder polnischen juristischen Personen gestattet (vgl. KWASNIK 2000). Als polnische juristische Person gilt auch ein deutsches Unternehmen, wenn es seinen Sitz in Polen hat und mindestens 50 % der Aktienanteile von polnischen natürlichen oder juristischen Personen gehalten werden. Ausgenommen hiervon sind jedoch ausländische Immobiliengesellschaften. Außerdem gibt es für den Bodenerwerb noch mehrere Sonderregelungen für natürliche Personen. Meist müssen letztere eine Genehmigung zum Kauf einer Immobilie beim Innenministerium einholen. Eine ausländische Bank darf aber als Hypothekengläubigerin Immobilien erwerben, allerdings nur dann, wenn sich bei einer Zwangsversteigerung kein polnischer Käufer (den Staat mit eingeschlossen) findet. In Tschechien unterscheidet das Gesetz streng zwischen Eigentum an Boden und an Gebäuden (vgl. HUMLOVÁ-UELTZHÖFFER 2000). Der Erwerb von Boden ist "Devisenausländern" gar nicht oder nur unter komplizierten Bedingungen gestattet. Als Deviseninländer gilt jede natürliche oder juristische Person mit Daueraufenthaltsrecht. Eine ausländische Firma kann über die Gründung einer Gesellschaft tschechischen Rechts Immobilien erwerben. In das Grundbuch dürfen Pfandrechte, Verfügungsbeschränkungen, Dienstbarkeiten und dingliche Vorverkaufsrechte eingetragen werden. Probleme ergeben sich jedoch aus zahlreichen "absurden" Gesetzen. So muss z. B. bei Pfandrechten immer die ursprüngliche Schuld in das Grundbuch eingetragen werden, auch wenn sie schon zu 99 % getilgt ist. Die Eintragung gilt nicht ab Stellung des Antrags sondern ab Eintrag. Da man nie weiß, wann die Eintragung erfolgt, kann man sich mit privaten Spezialversicherungen gegen die Folgen einer verspäteten Eintragung versichern. Das tschechische Recht kennt auch im Konkursfall keine Rangfolge, sondern entscheidend ist die zeitliche Reihenfolge der Eintragung. Viele Grundbuchein- 71 träge sind zwar rechtlich unwirksam, werden aber häufig von Gerichten trotzdem anerkannt. Nach einer Studie von Juristen werden über das tschechische Bodenrecht in deutschen Medien häufig falsche Behauptungen oder unzulässige Verallgemeinerungen einzelner Vorschriften aufgestellt. In Ungarn ist das "Landgesetz" erheblich auslandsfreundlicher. Ausländer dürfen bis zu 6.000 Quadratmeter Land erwerben (vgl. OROSZLÁN 2000). Zudem darf Land bis zu 300.000 ha gepachtet werden. Je nach wirtschaftlicher Bedeutung (z. B. Weinbau, Waldbewirtschaftung, Obstplantagen, Fischteiche) enthält das Gesetz Ausnahmen. Der Kauf von Ackerland ist dagegen Ausländern in der Regel untersagt. Bei der Bewertung der EBRD, die am häufigsten zitiert wird, drängt sich der Eindruck auf, dass zwischen den Einstufungen 3, 4 und 4+ die Bewertung nicht mehr genügend differenziert. Die Note 4+ wurde seinerzeit eingeführt, weil man zu euphemistisch bei der Vergabe der Note 4 war (vgl. CLEMENT/JUNGFER 1998, S. 32). In Anbetracht der Aussagen des EU-Fortschrittsberichts ist bei den Bewertungen der EBRD aber erheblicher Zweifel angebracht. Nach der EU gebührt zweifellos Ungarn der erste Platz, dann folgt mit deutlichem Abstand Polen und danach ebenfalls mit noch größerem Abstand Tschechien. Alle drei Länder leiden an einem Mangel an gut ausgebildeten Richtern. Wegen der unterschiedlichen juristischen Berufe, wie Richter, Notar oder Rechtspfleger, die teilweise unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben, sofern der jeweilige Beruf überhaupt existiert, ist ein Vergleich der Zahl der Richter pro Million Einwohner wenig aussagekräftig. In ihrem abschließenden Gesamturteil meint die EU (2000c, S. 17) zu Ungarn: "Insgesamt ist das Funktionieren der Justiz weiterhin zufriedenstellend. Die Lage am Obersten Gerichtshof ist allerdings besorgniserregend." Der Oberste Gerichtshof ist die höchste Berufungsinstanz. Etwa 80-90 % aller Verfahren werden in erster Instanz innerhalb eines Jahres abgehandelt. Wegen des zunehmenden Arbeitsanfalls gelang es aber nicht, den "Aktenberg" am Obersten Gerichtshof trotz Erhöhung der Zahl der Richter um ca. 20 % im Jahr 2000 abzubauen. Weitere Einstellungen sind geplant. Während jedoch Tschechien und Polen noch längere Zeit auf gut ausgebildete Juristen warten müssen, gilt dies nicht für Ungarn. Das Ansehen eines unabhängigen Juristen ist in Ungarn groß, was dieses Studium bei der Jugend sehr populär macht. 72 Ganz anders sieht es dagegen in Polen aus. So beklagt die EU (2000a, S. 24 u. 99 ff.) vor allem die unzureichende Bekämpfung der "organisierten Kriminalität", die fehlende "Aufsicht über Finanzinstitutionen außerhalb des Bankensektors", zu langwierige Konkursverfahren und mahnt scharf die Mängel des Rechtswesens an, insbesondere bei der Justizreform, "denn in der Beitrittspartnerschaft festgelegte mittelfristige Prioritäten sind noch nicht erfüllt." In der Region um Warschau, welche das größte Wachstumszentrum Polens ist, ist das Justizwesen völlig überlastet, sodass die Dauer relativ einfacher juristischer Entscheidungen unverhältnismäßig lang ist. "Die Durchschnittsdauer eines Strafverfahrens, die landesweit sechs Monate beträgt, erreicht in Warschau 40 Monate. Das Gleiche gilt für Handelssachen und Eintragungen ins Grundbuch. In der Hauptstadt können Grundbuchangelegenheiten bis zu zwei volle Jahre in Anspruch nehmen, verglichen mit einem landesweiten Durchschnitt von 3,7 Monaten..." (EU 2000a, S. 18 f.) Die amerikanische Handelskammer beklagt besonders unklare Vorschriften, bei deren Verletzung "drakonische Strafen für kleinere Irrtümer" (U.S. DEPARTMENT OF STATE 2000a, S. 74) verhängt werden. Bei größeren Disputen meiden U.S.-Investoren polnische Gerichte und wenden sich an internationale Schiedsgerichte, an deren Urteil Polen aufgrund von vier internationalen Abkommen gebunden ist (vgl. U.S. DEPARTMENT OF STATE 2000a, S. 70 f.) Solche Verfahren sind jedoch nicht immer erzwingbar. In Tschechien (vgl. EU 2000b, S. 20 f.) mangelt es den Richtern an ausreichendem Basiswissen, insbesondere an "Kenntnissen über Wirtschaftskriminalität, Korruption und Geldwäsche". Ein wichtiges Gesetz zu einer Generalreform des Justizwesens wurde ständig verschoben, inzwischen bis in das Jahr 2002. Hinzu kommt noch, dass die Gerichte wegen schon länger zurückliegender krimineller Delikte wie "Firmenausplünderung" völlig überlastet sind. Den gegenwärtigen Zustand des Justizwesens bezeichnet die EU "trotz aller Anstrengungen" als "immer noch bei weitem nicht zufriedenstellend". 7. Korruption Korruption wirkt wie eine zusätzliche Steuer, hemmt das Wirtschaftswachstum, verringert die Investitionen und beeinträchtigt stark die Höhe ausländischer Investitionen. Deshalb wurden ihre Ursachen gründlich erforscht. Korruption ist um so weniger ausgeprägt, je weniger staatliche Monopole, insbesondere im Rohstoffsektor oder der Infrastruktur existieren, je transparenter politische Dis- 73 kussionen und Entscheidungen sind, je unabhängiger die Gerichte und die Notenbank sind, je transparenter die Finanzierung der Parteien ist und je geringer die Gehaltsunterschiede der Bediensteten des öffentlichen Sektors im Vergleich zur Privatwirtschaft sind (vgl. WORLDBANK 2000). Die meisten Korruptionsfälle treten im Rahmen der Privatisierung auf. Während größere Unternehmen mit der Korruption leichter fertig werden, ist sie für viele Klein- und Mittelbetriebe ein schwer überwindbares Investitionshindernis. Die bekanntesten und am häufigsten zitierten Untersuchungen zur Korruption, stammen von der in Berlin ansässigen Organisation TRANSPARENCY INTERNATIONAL, die insbesondere mit der Weltbank und der EBRD zusammenarbeitet. TRANSPARENCY erstellt seit einigen Jahren den Corruption Perception Index (CPI) für ca. 90-100 Länder, falls genügend Quellen vorhanden sind, und berechnet aufgrund der unterschiedlichen Einschätzung die Standardabweichung für jedes Land. Das Land mit der geringsten Korruption erhält den höchsten Punktwert, das korrupteste Land dagegen den niedrigsten. Ein Land mit dem Punktwert 10 wird als "äußerst sauber" und ein Land mit 0 "als äußerst korrupt wahrgenommen". Die Spalte N in Tabelle IV.18 informiert über die Zahl der Quellen, bei welchen es sich meist um Länderrisikoanalysen oder Angaben bedeutender Großinvestoren handelt. Der Index 2000 umfasst neun Länder weniger als der von 1999, was Vergleiche erschwert. TRANSPARENCY zieht, soweit möglich, 16 Untersuchungen pro Land heran und ein Land muss mindestens in drei Untersuchungen vorkommen, um aufgenommen zu werden. Da sich die Korruption nicht schlagartig verändert, wird ein Durchschnitt aus drei Jahren gebildet. Am "saubersten" sind die skandinavischen Länder. In der folgenden (stark verkürzten) Tabelle IV.18 liegt Finnland auf Platz 1, weit vor Deutschland, das den 17. Platz einnimmt. Als korruptestes Land wurde Nigeria mit Rangplatz 90 eingeschätzt. Die Unterschiede zwischen Tschechien (4,3) und Polen (4,1) sind in Anbetracht der relativ hohen Standardabweichung unbedeutend. Ungarn, das mit einem CPI-Wert von 5,2 den 31. Platz belegt und damit unter den drei Beitrittsländern den besten Platz einnimmt, folgt aber mit deutlichem, signifikanten, Abstand zu Deutschland ebenso wie Tschechien mit einem Punktwert von 4,3 auf dem 42. Rangplatz. 74 Demnach haben vor allem Tschechien und Polen noch einen großen Reformbedarf. Wegen der großen Unsicherheiten bei der Bewertung empfiehlt TRANSPARENCY große Zurückhaltung bei der Interpretation. Tabelle IV.18 Korruptions-Index 2000 von Transparency International Rang 1 Land Finnland CPI-Punktwert Standardabweichung N* 10,0 0,6 8 10 14 USA 7,8 0,8 17 Deutschland 7,6 0,8 8 31 Ungarn 5,2 1,2 10 42 Tschechien 4,3 0,9 10 43 Polen 4,1 0,8 11 82 Russland 2,1 1,1 10 90 Nigeria 1,2 0,6 4 * N = Zahl der verwendeten Untersuchungen. Quelle: TRANSPARENCY INTERNATIONAL (2000). Nach einer finanziell sehr aufwendigen Untersuchung der Weltbank (vgl. WORLDBANK 2000) über die Formen, Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten der Korruption unter Mitarbeit der EBRD und zahlreicher anderer internationaler und nationaler Institutionen, an der außerdem 37 Autoren und viele bedeutende Persönlichkeiten, wie Justizminister und andere Politiker insbesondere aus Russland, Tschechien und anderen Ländern, teilgenommen haben, wurden 3.000 Manager von Unternehmen und Mitarbeiter von NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) aus 22 Transformationsländern zur Korruption befragt. Der Bericht enthält Anhörungen, empirische Untersuchungen, Querschnittsanalysen und einige sehr detaillierte Berichte über die Korruption in einigen Transformationsländern. Die Untersuchung zeigte, dass Korruption aus zwei (statistisch unabhängigen) Faktoren besteht und zwar State Capture (Bestechung der Regierung bzw. höchster Beamter), und Administrative Capture (Bestechung staatlicher Verwaltungsangestellter). State Capture, bereits 1999 von der EBRD erforscht, bezieht sich auf Handlungen von Einzelnen oder Gruppen, die sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor tätig sind, um die Gesetzgebung zu beeinflussen, Regulierungen, Beschlüsse und andere politische Maßnahmen der Regierungspolitik zum eigenen Vorteil herbeizuführen. Dies geschieht durch illegale 75 und intransparente Zuwendung an Regierungsmitglieder oder hohe Beamte mit weitreichenden Befugnissen (z. B. Vollmacht zur eigenmächtigen Annullierung einer Steuerschuld oder Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Verwendung von Zentralbankgeldern). Typische Fälle von Administrative Capture sind dagegen: illegale Zahlungen zum Erhalt von Lizenzen und Regierungsaufträgen, illegale Zahlungen an Polizisten oder an staatliche Kontrolleure kleinerer Unternehmen, die angebliche Gesetzesverstöße monieren. Häufig müssen solche illegalen "Abgaben" gleich an mehrere Kontrolleure innerhalb kurzer Zeit, teilweise mehrfach bezahlt werden. Wie aus der Tabelle IV.19 über State Capture zu ersehen ist, schneiden Ungarn, Polen und Tschechien im Verhältnis zu den übrigen EU-Beitrittskandidaten sowie gegenüber Russland und Aserbaidschan (dem Land mit dem höchsten Ausmaß an State Capture) wieder am besten ab. Tabelle IV.19 Anteil der durch State Capture geschädigten Firmen - in % Parlament Gesetzgebung Land Erlässe d. Präsidenten Ungarn 12 7 Polen 13 Tschechien 18 Russland Zentralbank Strafgerichte Kaufm. Verträge Parteienfinanzierung State Capture Index 8 5 5 4 7 10 6 12 18 10 12 11 12 9 9 6 11 35 32 47 24 27 24 32 Asserbaidschn. 41 48 39 44 40 45 41 Durchschnitt der anderen EUBeitrittsländer 21 18 17 17 16 24 19 Quelle: WORLDBANK (2000, S. 13), Berechnungen des ifo Instituts. Immerhin fühlen sich noch in Ungarn, dem Land mit der besten Performance aller Transformationsländer, 12 % der Firmen durch Gesetze, die von bestochenen Abgeordneten erlassen wurden, geschädigt, in Tschechien sind es sogar 18 % der befragten Unternehmen. Besonders bemerkenswert ist auch, dass in Polen 18 % der Unternehmen angeben, durch Korruption in Prozessen bei geschäftlichen Angelegenheiten vor den Gerichten (Commercial Courts), benachteiligt zu werden. Gerichtsentscheidungen und der illegale Umgang mit 76 Geld der Zentralbank wurde von den Autoren mit aufgenommen, weil in der Phase des Übergangs zur Marktwirtschaft Gerichte als Institutionen betrachtet werden, deren Aufgabe es ist, Recht zu schaffen. Die Zentralbank gilt in den Augen der Geschäftsleute als die Institution, welche die Aufgabe hat, die neuen Regeln zur Ordnung des Geldwesens einzuführen (vgl. HELLMAN ET AL. 2000a, S. 19 ff.). Wegen der Weigerung des tschechischen Parlaments, der Zentralbank die Unabhängigkeit zu gewähren - eine zentrale Bedingung für einen EU-Beitritt - ist es nicht sehr erstaunlich, dass 12 % der befragten Unternehmen angeben, durch illegale Fehlleitungen von Kapitalströmen aufgrund korrupter Machenschaften der Notenbank, Nachteile zu erleiden. Im Vergleich zu Russland oder Aserbaidschan sehen diese Zahlen freilich noch relativ bescheiden aus. Wettbewerb und Preisliberalisierung sind nach Untersuchungen der Weltbank das wichtigste Mittel zur Bekämpfung von State Capture. Überhöhte Preise gewähren Spielraum für illegale Zahlungen (vgl. WORLDBANK 2000, S. xvi). Die EBRD, die jährlich den Wettbewerb evaluiert, gibt Ungarn, Polen und Tschechien die gleiche Note, und zwar eine 3 (innerhalb des Kontinuums zwischen 1 und 4+). Beim Indikator Preisliberalisierung werden Ungarn und Polen mit je 3+ und Tschechien minimal schlechter mit 3 bewertet (vgl. EBRD 2000, S. 14). Da die EU stark auf Verbesserung des Wettbewerbs und auch der Preisliberalisierung drängt, sind vermutlich bald Verbesserungen bei State Capture zu erwarten. Die Tabelle IV.20 gibt Auskunft über Administrative Capture. Das Ausmaß an Administrative Capture ist in Tschechien am größten. Hier müssen die Unternehmen 2,3 % vom Umsatz abgeben. Etwas überraschend wirkt dagegen der schlechte Platz Ungarns (1,8 %) im Verhältnis zu Polen (1,3 %), der mit den EU-Berichten und denjenigen der US-Handelskammer nicht ganz kompatibel ist. Da Kroatien von allen Transformationsländern den besten Wert (1,2 %) hat, wurde es ebenfalls mit aufgenommen. Die rechte Spalte der Tabelle informiert darüber, was ein staatlich besoldeter Richter des untersten Ranges gemessen am Einkommen eines Anwalts in der Privatwirtschaft mit gleicher Ausbildung verdient. Mehrere statistische Untersuchungen ergaben eine hohe statistische Korrelation zwischen Korruption und Unterbezahlung von Juristen im öffentlichen Dienst (vgl. WELTBANK 1997, S. 10, 77 WORLDBANK 2000). Außerdem hemmt die Unterbezahlung stark ihre Motivation, sich mit den neuen Gesetzen zu beschäftigen und verleitet zur Abwanderung in den Privatsektor. Allerdings ist dies wegen des ungewöhnlich hohen Ansehens des Justizwesens in Ungarn nicht so. Tabelle IV.20 Anteil des Jahresumsatzes zur Bestechung von Verwaltungsbeamten und Relation der staatlich besoldeten Richter zu privaten Anwälten Land Bestechungsanteil in % des Jahresumsatzes Gehaltsrelation Richter/ privater Anwalt in % Kroatien 1,2 54 Ungarn 1,8 37 Polen 1,3 27 Tschechien 2,3 47 Russland 3,8 16 Aserbaidschan 5,8 10 Andere EU-Beitrittsländer 2,1 41 Quelle: Übertragen aus den Schaubildern von WORLDBANK (2000, S. xvii), EBRD (2000, S. 26) sowie Berechnungen des ifo Instituts. Insbesondere für kleine Firmen stellt Administrative Capture eine großes Hindernis da. Da einige Autoren behaupten, MNU förderten den Import marktwirtschaftlicher Institutionen, andere Autoren dagegen meinen, ein hohes Ausmaß an Korruption läge durchweg an den MNU, wurde diese Frage näher untersucht (vgl. HELLMAN ET AL. 2000b). Die Studie zeigte, dass MNU weder eine große Rolle beim Import ausländischer Institutionen spielen, noch fördern sie entscheidend die Korruption. Ein Anreiz zur Beseitigung korrupter Strukturen besteht allerdings indirekt, weil Firmen aus Industrieländern bei Direktinvestitionen korrupte Länder eher meiden. Nach den Fortschrittsberichten der EU, die sich ebenfalls intensiv mit Korruptionsbekämpfung beschäftigen, unternehmen die Länder unterschiedliche Anstrengungen im Kampf gegen die Korruption. Am weitesten scheint Ungarn zu sein, das erkannt hat, dass ohne eine gut funktionierende Verwaltung die Bekämpfung der Korruption nicht möglich ist. Außerdem gibt es in Ungarn demnächst für besonders gefährdete Berufe (z. B. Zöllner und Polizisten) ein Antikorruptionstraining mit psychologischen Schulungskursen gegen typische Bestechungsversuche. 78 Wegen des ineffizienten Rechtswesens bemühen sich in Polen viele Unternehmen, durch Bestechung ihre Angelegenheiten zu beschleunigen (vgl. EU 2000a, S. 19 f.). Unzureichende Kontrollen, fehlende Rechenschaftspflicht, "übermäßige aber schlecht organisierte Bürokratie" nennt die EU als "korruptionsfördernde" Faktoren. Bemängelt wird besonders, dass die von der EU schon lange geforderte Ausarbeitung einer "Gesamtstrategie zur Korruptionsbekämpfung", die "unbedingt mit einer Verwaltungsreform einhergehen muss", um die "Unabhängigkeit des öffentlichen Dienstes" zu fördern, fehlt. Für MNU aus den USA ist es nach Angaben des U.S. DEPARTMENT OF STATE (2000a) nicht schwer, in Polen zu investieren, und Korruption ist bei guter Beratung kein Hindernis. Nach Durchsicht aller Quellen drängt sich aber der Eindruck auf, dass es für ausländische Klein- und Mittelbetriebe zur Zeit noch extrem mühsam und sehr teuer ist, dort zu investieren. Gravierende Probleme scheinen auch in Tschechien zu bestehen. Die EU zitiert hier Meinungsumfragen, nach denen jeder 5. Tscheche den Eindruck hat, dass das Alltagsleben völlig von der Korruption durchdrungen sei, und zwar "am meisten in der Staatsverwaltung, gefolgt von Polizei und Staatsschutz, Gesundheitswesen, dem Bankensektor und den politischen Kreisen" (EU 2000b, S. 21 f.). Gegen mehrere Richter laufen Prozesse wegen vorsätzlicher Verzögerung oder anderer Tatbestände der Korruption. Um das Vertrauen der ausländischen Investoren zurückzugewinnen, verkündete die Regierung seit 1998 propagandistisch die Kampagne "Saubere Hände". 8. Staatliche Fördermaßnahmen Die in den betrachteten MOE-Ländern für Investoren möglichen Fördermaßnahmen sind recht vielfältig, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen. Eine Übersicht über die länderspezifischen Investitionsbedingungen gibt Tabelle IV.21 am Ende dieses Abschnitts. Polen verfügt nur über eine beschränkte Anzahl von Steuerinstrumenten zur Lenkung ausländischer Investitionen. Bedingt durch die Mitgliedschaft des Landes in der OECD, WTO und künftig auch in der EU, wird sich das Instrumentarium staatlicher Eingreifmöglichkeiten noch weiter einengen. Praktisch verblie- 79 ben sind die Möglichkeiten, Privatisierungen vorzunehmen, Steuererleichterungen zu gewähren sowie regionale Entwicklungsprogramme aufzulegen. Steuererleichterungen Das Finanzministerium kann auf Antrag Steuerleichterungen gewähren. Voraussetzung ist, dass das beantragende Unternehmen Gewinne in Höhe von mindestens 8 % der Gesamteinnahmen erzielt. Für Betriebe der Nahrungsmittelerzeugung, Bauwirtschaft, Fischereiwirtschaft und des Tourismus gilt ein ermäßigter Satz von 4 %, in der Abfallverwertung von 2 %. Steuerermäßigungen sind auch bei der Inanspruchnahme von Lizenzrechten, Patenten und Forschungsergebnissen möglich. Investitionserleichterung Im Fall neuer Investitionen in Höhe von mindestens 2 Mill. Euro können innerhalb des ersten Geschäftsjahres die Investitionskosten voll geltend gemacht werden. In den folgenden drei Jahren können jeweils 10 % der Investitionskosten von den Jahreseinnahmen abgezogen werden. Stammen Gewinne über drei Jahre zu mehr als 50 % aus Exporten, sind bis zu 30 % der Investitionskosten abzugsfähig. Zollfreier Import von Sacheinlagen Importierte Sacheinlagen ausländischer Kapitalseigner sind von Zollabgaben befreit. Als Sacheinlagen gelten Gegenstände des Anlagevermögens wie Maschinen, Transportmittel etc. Diese dürfen innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Zollabfertigung nicht veräußert werden, sonst wird die Nachzahlung der Einfuhrabgaben fällig. Sonderwirtschaftszonen Polen verfügt über 15 Sonderwirtschaftszonen und zwei gesonderte Gewerbegebiete, in denen weitere Steuerbefreiungen und Investitionsermäßigungen erteilt werden können. Es sind hauptsächlich die Begünstigungen, Präferenzen und Befreiungen von Einkommen- und Liegenschaftsteuern, die Ermöglichung steuerlicher Anrechenbarkeit von Investitionsausgaben sowie die Möglichkeit der Anwendung höherer Abschreibungssätze auf Anlageinvestitionen, mit denen Investoren 50 bis 75 % ihrer tatsächlichen Aufwendungen zurückerhalten können. Da die Rückflüsse über eine verlängerte Periode von 10 bis 20 Jahren gewährt werden, und das unabhängig von der Höhe des investierten Kapitals, wären Rückflüsse über die Höhe des investierten Kapitals hinaus möglich. 80 Die EU drängt auf eine Rücknahme dieses Instruments der Investitionsförderung mit der Begründung, dass die dort gewährten Steuererleichterungen eine Wettbewerbsverzerrung darstellten. Polens Regierung hält vorerst aus wirtschaftlichen Gründen an den Zonen fest, in denen bislang rund 2 Mrd. USD investiert und ca. 32.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Eine übereilte Abkehr vom Konzept der Sonderwirtschaftszonen würde zudem dem Image Polens als sicherem Investitionsstandort schaden. Die Geschichte der Investitionsförderung in der Tschechischen Republik ist relativ kurz und wurde Anfang 2000 erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Das Gesetz bietet den Investoren folgende Fördermöglichkeiten an: - Einkommen-/Körperschaft-Steuerermäßigungen, - Zuwendungen an Gemeinden für technische Einrichtungen auf dem Gebiet, in dem die Produktion stattfinden wird, sowie die Übertragung von staatlichen Grundstücken an Gemeinden für Bauten, - finanzielle Unterstützung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, - finanzielle Unterstützung für Maßnahmen im Rahmen der Mitarbeiterumschulung. Der Antragsteller muss folgende gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen: - Aufbau eines neuen Produktionsbetriebes oder Erweiterung bzw. Modernisierung eines bestehenden Produktionsbetriebes zwecks Einführung einer neuen Produktion, Erweiterung bzw. Modernisierung der bestehenden Produktion, - Aufwendungen in der verarbeitenden Industrie in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Verkehrsmittel und Anlagen, Computer, Informationstechnologie, Elektronik, Radiokommunikation, Telekommunikation, Pharmazeutik, - in weiteren Bereichen der verarbeitenden Industrie unter der Bedingung, dass ein Teil der Fertigungsstraße Bestandteil einer Maschineneinrichtung ist und die Anschaffungskosten dieses Teiles der Fertigungsstraße mindestens 50 % der gesamten Anschaffungskosten der Fertigungsstraße betragen, - Anschaffung von Maschineneinrichtung zu einem Wert von mindestens 40 % des Gesamtwertes der angeschafften Vermögensgegenstände, - die Produktion muss umweltfreundlich sein, die Investition für die Anschaffung der Vermögensgegenstände muss mindestens 350 Mill. Ck betragen, wobei hiervon mindestens 145 Mill. Ck durch Eigenkapital gedeckt sein müssen. 81 Sollte die Investition in einem Landkreis realisiert werden, in dem zur Zeit der Antragstellung die Arbeitslosenquote um mindestens 25 % höher ist als die durchschnittliche Arbeitslosenquote für das vergangene Halbjahr, wird die Mindestgrenze der Investition von 350 Mill. auf 175 Mill. Ck herabgesetzt, wobei die Hälfte dieses Betrages durch das Eigenkapital gedeckt sein muss. Unterstützung bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze Ein Investor, dem eine Subvention zugesagt wurde, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine weitere finanzielle Unterstützung erhalten. Die Unterstützung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze beträgt 200.000, 120.000 oder 80.000 Ck für jeden neu gebildeten Arbeitsplatz, wobei die Höhe von der in dem betreffenden Landkreis erreichten Arbeitslosenquote abhängt. Im Rahmen der Umschulungsmaßnahmen der Mitarbeiter kann der Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe von 35 %, 30 % oder 25 % der Umschulungskosten erhalten. Auch hier hängt die Höhe von der erreichten Arbeitslosenquote in dem betreffenden Landkreis ab. Befreiung vom Einfuhrzoll Um eine Befreiung von den Einfuhrzöllen zu erreichen, muss sich der Gesamtwert der importierten Maschinen und Anlagen auf mindestens 10 Mill. Ck belaufen. Die importierten Maschinen und Anlagen müssen eine technologische Einheit bilden oder deren Bestandteil darstellen und dürfen nicht in der Tschechischen Republik produziert werden. Es ist weiter erforderlich, dass die importierten Maschinen und Anlagen innerhalb eines Jahres nach ihrer Herstellung in die Tschechische Republik eingeführt werden und es muss gewährleistet sein, dass derjenige, der die Zollbefreiung geltend macht, Deklarant ist und die Ware für die Dauer von mindestens vier Jahren nach der Einfuhr nicht verkauft. Ungarn bietet ausländischen Investoren zahlreiche Vergünstigungen auf steuerrechtlicher Grundlage sowie direkte und indirekte Leistungen aus verschiedenen Fonds. Steuervergünstigungen Steuerlich bietet Ungarn für Unternehmen günstige Bedingungen. Der Körperschaftsteuersatz ist mit 18 % sehr niedrig und Gewinne, die im Land reinvestiert werden, sind steuerfrei. Weitere Befreiungen bzw. Ermäßigungen werden für besonders erwünschte Investitionen gewährt. Dazu gehören u. a. größere Be- 82 teiligungen in Wachstumsbereichen sowie Investitionen in besonderen Zielgebieten der Wirtschaftsförderung. Die Körperschaftsteuer kann bis zu zehn Jahre ab dem zweiten Jahr nach Abschluss der Investition (letztmalig 2011) vollständig erlassen werden: - bei einer Investition von mindestens 10 Mrd. Ft im produzierenden Gewerbe, - bei einer Zunahme der Beschäftigung von mindestens 500 Personen im Vergleich zum Jahr vor der Investition und - für jedes Jahr, in dem der Nettoumsatz mindestens um 5 % des Investitionsvolumens zugenommen hat, und zwar entweder gegenüber dem Vorjahr oder im Durchschnitt der Jahre seit dem Abschluss der Investition. Die Körperschaftsteuer kann bis zu fünf Jahre nach Abschluss der Investition (letztmalig 2002) um die Hälfte ermäßigt werden: - bei einer Investition von mindestens 1 Mrd. Ft im produzierenden oder im Beherbergungsgewerbe, - bei produzierenden Betrieben für jedes Jahr, in dem der Nettoumsatz mindestens um 5 % des Investitionsvolumens zugenommen hat, und zwar entweder gegenüber dem Vorjahr oder dem Durchschnitt der Jahre seit dem Abschluss der Investition, - bei Beherbergungsbetrieben für jedes Jahr, in dem der Nettoumsatz um mindestens 25 % oder 600 Mill. Ft zugenommen hat, und zwar entweder gegenüber dem Vorjahr oder dem Durchschnitt der Jahre seit dem Abschluss der Investition. Steueranreize in bestimmten Regionen: Ungarn kennt verschiedene Arten von Fördergebieten, in denen Steueranreize in unterschiedlicher Höhe gewährt werden: 1. Gesellschaftlich und wirtschaftlich unterentwickelte Regionen sind Gebiete, die hinsichtlich demographischer und wirtschaftlicher Indikatoren hinter dem Landesdurchschnitt zurückbleiben. 2. Prioritätsregionen sind Gebiete, die im Juni des vorangegangenen Steuerjahres eine Arbeitslosenquote von mehr als 15 % aufwiesen. 3. Unternehmenszonen legt die Regierung per Beschluss fest. Alle Fördergebiete konzentrieren sich im Osten und Südwesten. Am größten sind die gesellschaftlich und wirtschaftlich unterentwickelten Regionen; die meisten Prioritätsregionen sind ein Teil davon. Unternehmenszonen liegen meist in Grenznähe. 83 In gesellschaftlich und wirtschaftlich unterentwickelten Regionen sowie Prioritätsregionen kann die Körperschaftsteuer bis zu zehn Jahre ab dem 2. Jahr nach Abschluss der Investition (letztmalig 2011) vollständig erlassen werden: - bei einer Investition von mindestens 3 Mrd. Ft im produzierenden Gewerbe, - bei einer Beschäftigungszunahme von mindestens 100 Personen gegenüber dem Jahr vor der Investition und - für jedes Jahr, in dem der Nettoumsatz mindestens um 5 % des Investitionsvolumens zugenommen hat, und zwar entweder gegenüber dem Vorjahr oder im Durchschnitt der Jahre seit dem Abschluss der Investition. In Prioritätsregionen und Unternehmenszonen kann die Körperschaftsteuer bis zu fünf Jahre ab Abschluss der Investition (letztmalig 2002) vollständig erlassen werden: - bei Investitionen im produzierenden oder im Beherbergungsgewerbe, - bei produzierenden Betrieben für jedes Jahr, in dem der Nettoumsatz gegenüber dem Vorjahr um mindestens 5 % des Investitionsvolumens gestiegen ist; in Unternehmenszonen beträgt dieser Wert nur 1 %. Investoren mit Sitz und Betriebsstätte in einer Prioritätsregion oder Unternehmenszone, welche die genannten Voraussetzungen zur Steuerbefreiung nicht erfüllen, können: a) entweder 6 % des Investitionsaufwands für Maschinen und Ausrüstungen, die mindestens drei Jahre im Betrieb verbleiben, und für Infrastruktur - in Unternehmenszonen auch für Gebäude im Jahr des Abschlusses der Investition (letztmalig 2002) von der Körperschaftsteuer abziehen oder b) schneller abschreiben, und zwar Gebäude mit 10 % statt 2 % p.a. und neue Maschinen und Ausrüstungen vollständig im Anschaffungsjahr statt mit 30 % p. a. Für die Zeit nach Ungarns EU-Beitritt muss das System der steuerlichen Investitionsanreize überarbeitet werden, da diese nicht vollkommen konform mit dem Wettbewerbsrecht der Union sind. Ein Großteil der Zollfreigebiete, die exportorientierte Unternehmen im Land derzeit noch relativ leicht errichten können, dürfte den Beitritt nicht "überleben". Parallel dazu gleicht Ungarn seine Programme zur Wirtschaftsförderung immer stärker an diejenigen der EU an. Diese Förderprogramme richten sich hauptsächlich an mittelständische Unternehmen und bestimmte - wirtschaftlich benachteiligte - Regionen. Hinzu kommen u. a. Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Förderung des Umweltschutzes und der Energieeinsparung. 84 Unternehmen, die in Sachsen investieren, erhalten umfangreiche Mittel als Investitionsanreize im Rahmen der Förder- und Investitionsprogramme durch das Land Sachsen und den Bund. Insbesondere werden aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA) nichtrückzahlbare Investitionszuschüsse bis zu 35 % für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft zur Schaffung und Sicherung von dauerhaften qualifizierten Arbeitsplätzen, Förderung des Strukturwandels und der optimalen Nutzung von Produktionsfaktoren ausgereicht. • GA-Zuschüsse Sind nichtrückzahlbare Investitionszuschüsse, die - bei Einhaltung der Voraussetzungen - zur Schaffung und Sicherung von dauerhaften qualifizierten Arbeitsplätzen gewährt werden. Zuschüsse erhalten private Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft entsprechend einer Positivliste. Förderfähige Kosten sind: Anschaffungs- und Herstellungskosten der zum Investitionsvorhaben zählenden Wirtschaftsgüter des Sachanlagevermögens, unter Umständen immaterielle Wirtschaftsgüter, geleaste Wirtschaftsgüter (nicht förderfähig sind Ersatzinvestitionen, PKW und sonstige Transportmittel, gebrauchte und geringwertige Wirtschaftsgüter). Die Förderhöhe beträgt bis zu 35 % der förderfähigen Investitionskosten (einschließlich Investitionszulage) und kann bei KMU um 15 % erhöht werden. • Investitionszulage Diese Zulagen in Höhe von 10 % (bei KMU 20 %) werden Steuerpflichtigen im Sinne des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes auf die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens erteilt, außer für geringwertige Wirtschaftsgüter, PKW und Luftfahrzeuge und müssen drei Jahre im Unternehmen verbleiben. Bei mittelständischen Investoren kommen als Förderinstrumente noch das Mittelstandsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie das Europäische Wiederaufbauprogramm (ERP) zur Anwendung. Die vom Umfang her bedeutendsten staatlichen Fördermaßnahmen waren in den vergangenen Jahren die Zuschüsse zu Investitionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". 85 Tabelle IV.21 Investitionsbedingungen in den drei MOE-Ländern Polen Tschechische Republik Gesellschaftsform 100 %ige Auslandsbeteiligung möglich. In einigen Fällen Beschränkung durch reservierte Anteile für Arbeitnehmer. AG: Mindestkapital 1.000.000 Zl.; GmbH (auch Ein-Mann-GmbH): Mindestkapital 4.000 Zl. Unselbständige Vertretung und Zweigniederlassung auch möglich Anteilserwerb an tschechischen Unternehmen bis 100 % oder Neugründung möglich. AG: Mindestkapital 1 Mill. CK. GmbH: Mindestkapital 100.000 CK. OHG, KG, GmbH & Co. KG möglich Anteilserwerb an ungarischen Unternehmen bis 100 % möglich. AG: Mindestkapital 10 Mill. Ft., mind. 30 % oder 5 Mill. Ft als Bareinlage. GmbH: Mindestkapital 3 Mill. Ft, mindestens 30 % oder 1 Mill. Ft als Bareinlage. OHG und KG möglich; GU (Gemeinschaftsunternehmen, Vereinigung) Gründungs-/ Auflösungsprocedere I.d.R. keine Genehmigung erforderlich; Ausnahmen: Immobilienerwerb, See- und Flughäfen, Transport, Finanzdienstleistungen, Rechtsberatung. Nur Wirtschaftssubjekte sind insolvenzfähig. Antragstellungspflicht nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, aber keine strafrechtlichen Sanktionen bei Zuwiderhandlungen. Dinglich gesicherte Forderungen werden an erster Stelle befriedigt. Auch verspätete Forderungen werden anerkannt. Investitionen in allen Bereichen möglich. Für Joint Venture mit Staatsunternehmen, Banken, Versicherungen, Bergbau, im Verteidigungssektor Genehmigungspflicht, Zustimmung des Finanzministeriums bzw. der Staatsbank. Registrierung beim Gewerbeamt. Insolvenzverfahren kann wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden. Antragspflicht bei Überschuldung. Sicherungsgläubiger werden vorrangig befriedigt. Verspätete Forderungen werden anerkannt. Investitionen in allen Bereichen möglich, außer Verteidigung, Sicherheit des Staates. Lizenzpflicht im Bereich Pharmazie. Gewerbeerlaubnis für Groß und Einzelhandelstätigkeit, Banken, Versicherungen, Außenhandelstätigkeit. Nur Kaufleute bzw. Unternehmer sind insolvenzfähig (ausgenommen Einzelunternehmen). Pflicht des Vergleichsverfahrens vor Eröffnung des Konkurses. Antragstellung von Amts wegen mögl. Sicherungsgläubiger werden nach Deckung der Verfahrenskosten befriedigt. Steuervorschriften Körperschaftsteuer: 30 %; Einkommensteuer progressiv 19 - 40 %. Dividendensteuer (ohne DBA): 20 %. Mehrwertsteuer Normalsatz: 22 %, Präferenzsätze O % (Export von Waren und Dienstleistungen, aber Aufzeichnungspflicht laut Art. 27 des poln. UstG; 7 % Pharmaprodukte). Besondere Präferenzbestimmungen in Sonderwirtschaftszonen (z. B. Befreiung von Körperschaftssteuer). Diese Zonen müssen lt. EU-Recht mittelfristig verändert bzw. aufgelöst werden. Körperschaftsteuer: 35 %; Einkommensteuer: progressiv, 15 - 32 %. Dividendensteuer (ohne DBA): 25 %. Mehrwertsteuer: 22 % (5 % ermäßigt). Begünstigt: für bestimmte Investitionen im Produktionsbereich ab 10 Mill. $: Befreiung von Körperschaftsteuer (5 Jahre). Verlustvortrag: bis 7 Jahre. Körperschaftsteuer: 18 %; Einkommensteuer: 20 40 %; Dividendensteuer (ohne DBA): 20 %. Mehrwertsteuer: Normalsatz 25 %, Präferenzsätze 12 %, 0 %. Steuervergünstigungen max. 100 % für Investitionen über 3 Mrd. Ft für max. 10 Jahre in wirtschaftlich unterentwickelten Regionen. Eigentumsrecht Erwerb von Grund und Boden grundsätzlich nur mit Genehmigung des Innenministeriums Warschau möglich, aber zumeist unproblematisch. Erbnießbrauchsverträge sind verbreitet. Für Ausländer kein Eigentum an Grund oder Gebäuden, aber indirekt über Unternehmen tschechischen Rechts möglich. Grunderwerb grundsätzlich möglich. Genehmigung der Kommune (i.d.R. erteilt). Für Unternehmen ungarischen Rechts keine Genehmigungspflicht; Gebäudeeigentum, langfristige Pachtverträge Devisentransfer Freier Gewinn- und Kapitaltransfer. Bei Transfer Gewinnsteuer: 20 %, mit DBA: 15 % bzw. 5 %. Umtausch von Zloty-Gewinnen gewährleistet. Devisenkonten möglich. Freier Gewinn- und Kapitaltransfer. Bei Transfer Gewinnsteuer: 25 %; mit DBA 15 % bzw. 5 %. Für tschechische natürliche o. juristische Personen Meldepflicht für Auslands- o. Devisenkonten. Freier Gewinn- und Kapitaltransfer. Bei Transfer Gewinnsteuer: 20 % mit DBA 15 % bzw. 5 % . Umtausch von Forint-Gewinnen problemlos. Devisenkonten möglich. Abkommen Investitionsschutzabkommen vom 10.11.1989. DBA von Investitionsfördervertrag vom 02.10.1990 mit der e1972, Revisionsabkommen zur DBA vom 04.06.98 hem. CSFR gilt weiter. Fortgeltung des DBA mit der paraphiert. CSFR vom 19.12.1980. Quelle: DIHT (2000). Ungarn Investitionsschutzabkommen vom 30.04.1986. Doppelbesteuerungsabkommen vom 18.07.1977. 86 Ausländische Unternehmen wurden dabei mit der gleichen Quote gefördert wie deutsche Unternehmen. Die großzügige Förderung von Investitionen war eine Ursache für die Konzentration der ausländischen Unternehmen auf kapitalintensive Branchen im verarbeitenden Gewerbe. Von den zahlreichen anderen Förderprogrammen in den neuen Bundesländern, die sich vorwiegend an kleine und mittlere Unternehmen richteten, konnten viele ausländische Unternehmen aufgrund ihrer Größe und der Zugehörigkeit zu internationalen Konzernen indes nicht profitieren (vgl. BELITZ/BRENKE/FLEISCHER 1999). 9. Lebensqualität Die Angaben zur Umweltqualität in den Transformationsländern sind nicht immer vergleichbar. Wichtige Umweltindikatoren sind der SO2- und der NOx-Gehalt der Luft. Der Schwefeldioxyd-Anteil (gemessen in Mikrogramm/m3) lag mit einem Durchschnitt von 35 in Prag, 39 in Budapest und 12 in Warschau, jeweils gemessen im Jahr 1997, sogar deutlich unter dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 40. Ausgenommen Warschau, lagen dagegen Prag und Budapest bei den Stickoxyden etwas schlechter als der WHO-Grenzwert erlaubte. Allerdings weist die EBRD daraufhin, dass die Meßmethoden unterschiedlich und daher nicht miteinander vergleichbar sind. Wegen der Zunahme der Motorisierung dürften diese Werte aber inzwischen weit über das zulässig Maß gestiegen sein. Etwas deutlicher wird dagegen der amerikanische Geheimdienst CIA (CENTRAL INTELLIGENCE AGENCY), der bekanntlich über sehr zuverlässige Datenbanken verfügt. Dort heißt es über Polen (vgl. CIA 2000a, S. 2): Dank dem Rückgang der Schwerindustrie und dem wachsenden Umweltbewusstsein der postkommunistischen Regierungen, hat sich die Umweltverschmutzung seit 1989 kontinuierlich verringert. Nichtsdestotrotz bleibt die Luftverschmutzung wegen der Schwefeldioxyd-Emissionen aus den Anlagen, die mit Kohle heizen, ein ernstes Problem. Der dadurch entstandene saure Regen hat große Waldschäden verursacht. Die Hauptverursacher der Wasserverschmutzung sind die Industrie und die kommunalen Einrichtungen. Ein sehr großes Problem bildet zudem der leichtfertige Umgang mit Müll. 87 Über Tschechien wird berichtet (vgl. CIA 2000b, S. 2), dass die Wasser- und Luftverschmutzung in den Gebieten nordwestlich von Böhmen und in Nordmähren rund um Ostrava so gravierend ist, dass sie ein ernsthaftes gesundheitliches Risiko darstellt. Saurer Regen ist im ganzen Land verbreitet und zerstört die Wälder. Zu Ungarn heißt es (CIA 2000c, S. 2), dass zwar sehr viele Abkommen zur Umweltverbesserung beschlossen worden sind (z. B. was die Luftverschmutzung mit Stickstoffoxyden anbetrifft), aber einige wenige müssen noch ratifiziert werden. Die Annäherung an die EU-Standards auf dem Gebiet der effizienten Energieerzeugung, der Abfallentsorgung und Wasserverschmutzung erfordert noch große Investitionen in die Infrastruktur. Alle drei Länder haben mehrere Abkommen zur Umweltverbesserung unterzeichnet, die vielfach jedoch noch nicht ratifiziert worden sind. Aus Platzgründen kann aber hierauf nicht näher eingegangen werden. Gemäß den EU-Fortschrittsberichten bleibt jedoch festzuhalten, dass die Umweltprobleme aller drei Beitrittsländer erheblich gravierender sind als in Sachsen. Die von der WELTBANK (2001, S. 278 ff.) im Weltentwicklungsbericht 2000/2001 für das Jahr 1997 wiedergegebenen Zahlen über die Lebenserwartung, welche in der folgenden Tabelle IV.22 wiedergegeben werden, scheinen jedoch bei den Beitrittskandidaten in keinem klar erkennbaren Zusammenhang mit der unterschiedlichen Umweltqualität zu stehen. Wichtige andere Daten, z. B. über den Zugang zu hygienisch unbedenklichem Wasser, fehlen leider für alle drei Beitrittsländer. Auch andere wichtige gesundheitsrelevante Informationen fehlen entweder vollständig oder sind so veraltet, dass die nicht mehr aussagekräftig sind. Tabelle IV.22 Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt in Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn - 1997 Deutschland Polen Tschechien Ungarn M W M W M W M W 74 80 67 70 71 78 66 75 M = männlich, W = weiblich. Quelle: WELTBANK (2001, S. 278 f.) 88 Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass Deutschland hinsichtlich der Lebenserwartung besser abschneidet als die Beitrittskandidaten, so lässt sich bei den drei übrigen Ländern feststellen, dass Tschechien, am zweitbesten abschneidet gefolgt von Ungarn und Polen. Bemerkenswert ist, dass der Abstand zwischen Männern und Frauen im jedem Staat unterschiedlich groß ist. Warum er jedoch in Ungarn am größten ist, entzieht sich unserer Kenntnis. 10. Besonders wichtige makroökonomische Indikatoren 10.1 Privatisierung und Direktinvestitionen Wie Tabelle IV.23 zeigt, ist die Privatisierung in allen drei Ländern weit fortgeschritten. Die Bewertung der kleinen Privatisierung mit 4+ zeigt, dass die kleine Privatisierung in den drei Beitrittsländern inzwischen sogar völlig abgeschlossen ist. Tabelle IV.23 Stand der Privatisierung Länder Große Privatisierung Kleine Privatisierung Polen Tschechien Ungarn Russland Weißrussland Quelle: Anteil des Privatsektors am BSP 3+ 4+ 70 % 4 4+ 80 % 4 4+ 80 % 3+ 4 70 % 1 2 20 % EBRD (2000, S. 14). Bei der großen Privatisierung besteht jedoch noch ein gewisser Nachholbedarf. Allerdings erscheint es fraglich, ob Polen und Russland auf eine Stufe gestellt werden können. Im Jahre 1998 und 1999 gelang es in Polen, mit ausländischer Hilfe große Erfolge bei der Privatisierung des Bankensektors zu erreichen. Der Anteil der faulen Kredite hat sich zwar geringfügig erhöht, aber die ausländischen Banken, die inzwischen mehr als 50 % aller Einlagen besitzen, erwirtschaften höhere Gewinne als die polnischen Banken und haben westliche Standards eingeführt. Der Bankensektor in Russland dagegen ist noch, vorsichtig formuliert, ziemlich marode. Der Anteil des privaten Sektors am BSP ist in den letzten zehn Jahren in den drei Beitrittsländern sukzessive gestiegen. Dabei 89 muss jedoch angemerkt werden, dass auch hier große Messprobleme bestehen. Verzögerungen bei der Privatisierung ergaben sich in Polen in einigen Branchen der Schwerindustrie, vor allem bei Stahlmühlen und im Bergbau. Die EBRD (2000, S. 194) meint, Polen müsse hier noch einiges tun, um das Investitionsklima zu verbessern. In Anbetracht der schwierigen Probleme dieser Branchen führt Polen unter Assistenz der Weltbank ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm durch, um z. B. defizitäre Minen zu identifizieren und zu schließen. Wegen der Proteste und Forderungen der Gewerkschaften im Zusammenhang mit Massenentlassungen hat sich die Privatisierung verzögert. Allein im Stahlsektor soll die Belegschaft bis zum Jahr 2003 von 87.000 auf 38.000 Arbeitskräfte reduziert werden. Wegen des starken Widerstands der Gewerkschaften zeigten ausländische Investoren bisher fast keinerlei Interesse an diesen Krisenbranchen. Trotzdem rechnet Polen auch hier in nächster Zeit mit massiven ausländischen Direktinvestitionen. Diesen Schätzungen schließt sich auch die EBRD an, nach deren Schätzungen die ausländischen Direktinvestitionen im Jahre 2000 von 6,64 Mrd. USD (1999) auf 10 Mrd. USD gestiegen sein sollen (vgl. Tabelle IV.24). Tabelle IV.24 Direktinvestitionen in Polen, Tschechien und Ungarn - 1995-2000a), in Mrd. USDb) 1995 1996 1997 1998 1999 2000 kumuliert kumuliert 1999 1989-99 1989-99 pro Kopf - in USD - pro Kopf 1999 in % des BSP Polen 1,13 2,74 3,04 4,97 6,64 10,0 20,04 518 172 4,3 1.447 476 9,2 1.764 140 2,9 Tschechien 2,53 1,28 1,28 2,64 4,91 6,0 14,9 Ungarn 4,4 1,99 1,65 1,45 1,41 1,65 17,78 a) Schätzung. - b) falls nicht anders angegeben. Quelle: EBRD (2000). Auffallend ist, dass in Polen und in Tschechien - ganz im Gegensatz zu Ungarn - in den Jahren 1999 und 2000 mehr als zwei Drittel aller Direktinvestitionen stattgefunden haben. Die Ursachen hierfür liegen, wie bereits erwähnt, an der Privatisierungsstrategie. 90 In Tschechien ist die große Privatisierung weitestgehend abgeschlossen. Die Verhandlungen mit einigen ausländischen Investoren im Rahmen der strategischen Privatisierung stehen kurz vor Vertragsunterzeichnung. Der Staat hält allerdings noch kleinere Anteile an einigen Unternehmen, die als sanierungsbedürftig gelten. Dies mag daran liegen, dass es der tschechischen Regierung sogar gelungen ist, einige völlig bankrotte Betriebe an ausländische Investoren zu verkaufen, nur weil diese unbedingt im Land präsent sein wollten (vgl. EBRD, 2000, S. 154). In Ungarn ist der Privatisierungsprozess fast völlig abgeschlossen. Da die einheimischen Betriebe wegen der hohen Profitabilität ausländischer Unternehmen der Konkurrenz nicht gewachsen sind, ist es möglich, dass einige in Konkurs gehen und dann an Ausländer verkauft werden (vgl. EBRD 2000, S. 170). Bei der Darstellung der Direktinvestitionen muss noch ein ganz zentraler Aspekt berücksichtigt werden. Ausländische Direktinvestoren erzielen in den Transformationsländern zwar generell höhere Renditen als die einheimischen Unternehmen. Bei Joint Ventures sind ihre Renditen jedoch erheblich geringer als bei vollständigen Neugründungen. Nach Untersuchungen des IMF gilt diese Regel jedoch nicht generell. Direktinvestoren in den fortgeschritteneren Industrieländern (wie z. B. in Deutschland oder Frankreich) erzielen bei der Gründung von Banken zu ca. 90 % in der Regel niedrigere Renditen als in ihren Heimatländern, weil die deutschen oder französischen Unternehmen die Usancen ihres Landes weit besser kennen und erheblich besser informiert sind als die Ausländer. 10.2 Wechselkurse Vor einem endgültigen Beitritt in die EU und vor der Einführung des Euros müssen Polen, Tschechien und Ungarn Mitglied im Europäischen Währungssystem (EWS II) werden, die Maastricht-Kriterien erfüllen, freien Kapitalverkehr einführen und ein bestimmtes Wechselkursregime etablieren. Das bedeutet, dass die Kurse ihrer Währungen nach Festlegung eines Referenzkurses nur noch um plus/minus 15 % um diesen schwanken dürfen. Allerdings haben sie auch die Freiheit, den Grad der Schwankung ihres Wechselkurses innerhalb dieses Korridors weiter einzuengen. 91 Da insbesondere der Devisenkurs kleinerer Länder zu überschießenden Reaktionen neigt, haben viele dieser Länder ihre Währung eng an die eines größeren Handelspartners fest gebunden, wie z. B. in der Vergangenheit Österreich oder Holland9 an Deutschland. Dieses System funktioniert aber nur, wenn das Land, das seine Währung an eine andere Währung koppelt, eine solide Geldund Haushaltspolitik betreibt und außerdem keinerlei Zweifel aufkommen lässt, die gewählte Parität zu verteidigen, andernfalls bricht das System auseinander. Zudem gibt es nicht absehbare, sog. externe Schocks, die das Wechselkurssystem verkraften muss. Hierzu zählen nicht nur Veränderungen der TERMS OF TRADE, wie abrupte Ölpreissteigerungen, sondern auch plötzliche Zinserhöhungen in einem großen Land. So führte z. B. die deutsche Wiedervereinigung wegen des erhöhten Kapitalbedarfs zu abrupt steigenden Zinsen (und damit der stärksten Rentenbaisse seit der Weltwirtschaftskrise), sodass das Europäische Währungssystem eine massive Krise erlitt und reformiert werden musste. Jene Länder, welche ohnehin nur mit hohen Zinsen ihre Devisenbilanz ausgleichen konnten, sahen sich gezwungen, ihre Währung meist relativ stark abzuwerten. Da erst seit gut zehn Jahren umfangreiche Erfahrungen über die Auswirkungen des freien Kapitalverkehrs mit Schwellenländern bestehen, ist inzwischen eine schier unübersehbare Flut an Literatur über die Problematik unterschiedlicher Wechselkursregime entstanden. Zudem wird in zahlreichen Abhandlungen über die Gefahren, die den EU-Beitrittsländern drohen können, gewarnt (vgl. KELLER ET AL. 2000, OSBAND/RIJCKGHEM 2000, S. 238 ff.). So ist es auch nicht erstaunlich, dass gegenwärtig alle EU-Beitrittskandidaten unterschiedliche geld- und währungspolitische Konzeptionen verfolgen. Wie aus der folgenden Tabelle IV.25 zu erkennen ist, sind alle drei Länder zu flexibleren Systemen übergegangen, was in Anbetracht der erwähnten Krisen bei festen Wechselkursen nicht überrascht. Wegen der Spannung zwischen autonomer Geldpolitik und autonomer Währungspolitik spricht KRUGMAN (vgl. KRUGMAN/OBSTFELD 2000, S. 713 ff.) von einem Trilemma zwischen Wechselkursstabilität, monetärer Autonomie und frei9 Streng genommen stimmt dieses häufig zitierte Beispiel nicht ganz. So bezahlte man z. B. am 13.03.1979 für eine DM 108,37 Gulden, am 24.09.1979, 110,537 und am 21.03.1983 112,673 Gulden (vgl. COVITT 1987, S. 646).Trotz restriktiver Einkommenspolitik musste Holland zeitweise seine Währung abwerten, um nicht die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. 92 em Kapitalverkehr (vgl. Abbildung IV.3). Man kann sich tendenziell nur für zwei dieser drei Ziele entscheiden. Tabelle IV.25 Wechselkursregime und Geldpolitik a) Land System Vorheriges System Währungskorb Polen Marktbestimmter flexibler Währungskorb (12. April 2000) Währungskorb (Januar 1990) Inflationsziel Tschechien Schmutziges Floaten (Mai 1997) Fester Währungskorb (Dezember 1990) Inflationsziel Ungarn Angekündigter Gleitkurs Stufenflexibilität 70 % €b) 30 % USD Geldpolitischer Rahmen Impliziertes Inflationsziel a) Datum der Einführung in Klammern. - b) Vorher DM. Quelle: IMF (1997), IFS, KOPITZ 1999, zitiert nach SHERMAN (2000, S. 14). Abbildung IV.3 Wechselkursstabilität Wechselkursstabilität Kapitalverkehrskontrollen monetäre Autonomie Quelle: Currency Board Floating Freier Kapitalverkehr ifo Institut, eigener Entwurf. Dies zeigt folgendes einfache Beispiel: In Industrieländern passt sich der Realzins (Nominalzins minus Inflationsrate) dem internationalen Niveau an, und erhöht sich um die erwartete Abwertungsrate (vgl. FISHER 2001, S. 8). Soll nun die 93 Inflation durch restriktive Geldpolitik bekämpft werden, muss der Zins etwas über diesem Wert liegen. Bei festen Wechselkursen induziert eine solche Maßnahme aber sofort einen Kapitalimport, der die Geldmenge erhöht und die Bemühungen zur Inflationsbekämpfung konterkariert. Wählt man dagegen die Ziele Wechselkursstabilität und freien Kapitalverkehr, muss das Ziel "monetäre Autonomie" geopfert werden und z. B. ein CurrencyBoard-System (CBS) eingeführt werden.10 Während 1990 ein CBS eher als eine historische Kuriosität galt, wurde es inzwischen immer beliebter, insbesondere bei jenen Ländern, welche ihre Handelspartner von der Stabilität ihrer Währung überzeugen mussten. Hinsichtlich der Ursachen und Therapie von Währungskrisen sind die führenden Theoretiker völlig zerstritten (vgl. KRUGMAN/OBSTFELD 2000, S. 715, FISHER 2001 und die dort angegebene Literatur). Dies ist einer der Gründe weshalb STIGLITZ, Chefökonom der Weltbank von 1996 bis Ende 1999, die Weltbank verließ (vgl. STIGLITZ 2000). Auffallend bei allen großen Währungskrisen seit 1994 ist die Tatsache, dass es sich immer um Länder mit festen Wechselkursen handelte: Mexiko 1994, Thailand, Indonesien und Korea 1997, Russland und Brasilien 1998 und Argentinien und Türkei im Jahr 2000. Während Länder mit anpassungsfähigeren Wechselkursen, wie z. B. Südafrika und Israel 1998 oder die Türkei 1998, solche starken Krisen vermeiden konnten, von welchen die anderen Länder heimgesucht wurden. Es ist also nicht leicht, makroökonomische Ungleichgewichte bei festen Wechselkursen längere Zeit aufrechtzuerhalten. Generell lassen sich mehrere Arten von Kapitalimporten unterscheiden, die wichtigsten davon sind aus der Sicht des Auslands: 1. Direktinvestitionen, 2. Aktienkäufe, 3. Anleihenkäufe entweder von privaten oder staatlichen Schuldnern, 4. Bankkredite und 5. Portfolioinvestitionen. 10 Bei einem Currency-Board-System (CBS) besteht die Geldbasis nur aus Fremdwährung, weshalb die Zentralbank über keine nationalen Notenbestände verfügt. Rein theoretisch bräuchte man sogar gar keine Zentralbank. Historisch gesehen entstand dieses System aus der Kolonialzeit, da die Kolonisatoren ihre Währung mitbrachten oder sich gegen den Verfall einer Währung schützen wollten. 94 Direktinvestitionen oder größere Beteiligungen an Unternehmen erschweren es den Investoren, bei einer Krise das Kapital aus dem Land sofort abzuziehen. Bei Aktienbeteiligungen wäre das zwar rasch möglich, aber wegen des Kursverfalls warten die meisten lieber das Ende der Krise ab, wenn es sich um ein profitables Unternehmen handelt. Schwieriger wird die Lage bei Investmentfonds, die ja eigentlich der Risikostreuung dienen sollen. Dabei wird jedoch von vielen Makroökonomen verkannt, dass die Satzungen der Investmentfonds bestimmte Qualitätskriterien vorsehen. So kann eine Bestimmung lauten, dass z. B. nur Aktien, die von den internationalen Rating-Agenturen mit AAA oder AAB+ bewertet werden, in das Portfolio aufgenommen werden dürfen, oder das Rating, welches sich auf das ganze Land bezieht, eine bestimmte Qualität aufweisen muss. Sinkt nun die Qualität einiger Aktien gemessen an ihrem Rating z. B. von AAB+ auf AAB-, ist der Fondsmanager verpflichtet, diese Aktien zu verkaufen. So kann eine Kettenreaktion entstehen die häufig als sog. DominoEffekt, „contagion“ oder „herding“ (vgl. hierzu CHADHA 2001) bezeichnet wird. Der dramatische Kursverfall des Koreanischen Won und des Thailändischen Baht wurde z. B. von den amerikanischen Pensionskassen ausgelöst. Nachdem das Länderrating sich für mehrere ostasiatische Länder verschlechtert hatte, löste dies einen schlagartigen Verkauf ostasiatischer Aktien aus, was zu einer drastischen Abwertung historischen Ausmaßes führte. Der Kurs der eigenen Währung verschlechtert sich und der Wert der Auslandsschulden in inländischer Währung kann sich drastisch erhöhen. Je schlechter das Rating, desto höhere Zinsen müssen bezahlt werden, was die Krise ungeheuerlich verschärfen kann, weil sich dadurch der Wert der Auslandsschulden stark erhöht. Für die Beurteilung der Wechselkurse der Beitrittsländer ist der sog. BalassaSamuelson-Effekt von Bedeutung. Länder, die schneller als andere wachsen, tendieren zur Aufwertung ihrer Währung. Nach ROGOFF (1999) korreliert die Höhe des BSP/Kopf mit der Kaufkraft der Währung relativ hoch (r2 = 0,44). Da davon ausgegangen werden kann, dass die drei Beitrittsländer höhere Wachstumsraten haben werden als die EU, sind zwei Effekte möglich: Bei flexiblen Wechselkursen wird es zu einer Aufwertung der Währung der Beitrittskandidaten kommen, was deren exportorientierte Unternehmen benachteiligt und ihre Importe verbilligt. Bei festen Wechselkursen tritt dagegen nur eine 95 reale Aufwertung der Währung auf, d. h. dass das Preisniveau schneller steigen wird als in der EU. Das Besondere dabei ist jedoch, dass dies wegen des internationalen Wettbewerbs und dem dadurch bedingten Produktivitätsfortschritt kaum für die handelbaren Güter gilt, sondern mehr für die nicht-handelbaren Güter (z. B. Hotelübernachtungen u. a. Dienstleistungen sowie für fast den gesamten Bausektor). Konkret heißt dies, dass die Preise der handelbaren Güter bei festen Wechselkursen erheblich stärker zunehmen als bei flexiblen. Das Gefüge des gesamten Preisniveaus verändert sich, weil nicht handelbare Dienstleistungen, wie z. B. Reparaturen oder Wohnungsvermietungen drastische Preissteigerungen erfahren. Die Bedeutung des BALASSA-SAMUELSONEffekts ist hinsichtlich ihres Ausmaßes zwar umstritten (vgl. HIERZU SACHVERSTÄNDIGENRAT 2001), weil vielfach die monetäre Disziplin ignoriert wird. Nach Meinung des Sachverständigenrates ist der Effekt bei den neuen Beitrittsländern aber so stark – vorausgesetzt sie haben ein aufholendes Wachstum - dass er bei allen Überlegungen berücksichtigt werden muss. Ganz besonders wichtig ist, dass der Staatshaushalt solide finanziert wird und die Preisniveausteigerungen in etwa denjenigen der EU entsprechen. Inflationsbekämpfung mit restriktiver Geldpolitik führt zu höheren Zinsen. Bei flexiblen Kursen ist damit eine unerwünschte Aufwertung der Währung verbunden. Bei festen Wechselkursen induzieren die Zinsen einen inflationstreibenden Kapitalimport, gegen den kleine Länder praktisch machtlos sind. Die Erfahrungen lehren, dass die Freigabe des Kapitalverkehrs sehr gut vorbereitet werden muss. Bei falschem „Sequencing“ sind große Katastrophen möglich (vgl. EICHENGREEN ET AL. 1999, JOHNSTON 1998). Die Vorschriften der deutschen Bankaufsicht verlangen äußerste Klarheit und Transparenz. Die Unterlassung von Wertberichtigungen fauler Kredite führt zum Ausweis von Scheingewinnen und ist ein Betrug der Bankaktionäre. Deshalb sind Bankenkrisen ostasiatischen oder japanischen Stils in Deutschland gar nicht möglich. Wie sich nun die Kapitalströme in den Beitrittsländern entwickeln werden, ist schlecht prognostizierbar und wäre Gegenstand einer eigenen Abhandlung. Mit Sicherheit wird es jedoch einige Probleme geben, vor allem in Polen und Tschechien. Sinn des freien Kapitalverkehrs ist die Maximierung des Weltsozialprodukts, d. h. dass das Kapital dorthin strömt, wo es die höchste Rendite erzielt. Dies ist jedoch in der Regel nur dann gegeben, wenn es im Privatsektor (oder im Staatsektor nach marktwirtschaftlichen Kriterien) investiert wird. 96 Wenn Leistungsbilanzdefizite durch Direktinvestitionen finanziert werden, dann ist das problemlos. Bei den drei Beitrittskandidaten ist die künftige Situation schwer zu beurteilen, da das Staatsbudget in einigen Ländern direkt aus den Direktinvestitionen, induziert durch die Privatisierungen, finanziert wurde. Nach dem Ende der Privatisierung muss jedoch der Haushalt aus Steuern solide finanziert werden und nicht durch Kredite. Ansonsten muss sich der Staat zu höheren Zinsen verschulden, sodass sich die privaten Investitionen vermindern. Es kommt zum sog. „Crowding out“ (vgl. GRAY/WOO 2000) bei gleichzeitiger Erwartung, dass nach der Haushaltskonsolidierung eine Zinssenkung eintritt, die den Kurs der eigenen Währung drastisch sinken lässt. Eine derartige problematische Entwicklung könnte in Polen in ein oder zwei Jahren durchaus auftreten. Nach Berechnungen der EBRD (2000, S. 88) besteht bei den Transformationsländern ein relativ enger statistischer Zusammenhang zwischen Kapitalaufnahme im Ausland durch inländische Unternehmen und dem von der EBRD konstruierten Liberalisierungsindex (r2 = 0,48). Die Investoren glauben also an ein höheres Wirtschaftswachstum. Zudem gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass bei Aktiengesellschaften die Relation Aktienkurs/Buchwert des Unternehmens mit zunehmender Liberalisierung wegen der positiven Erwartungen steigt. Das heißt, Kapitalimporte sind unausweichlich. Da es sich bei Finanzkrisen um schwer durchschaubare Zusammenhänge handelt (wer versteht schon den Zusammenhang zwischen Budgetdefizit und Kapitalimport!), gewinnt das Urteil einer ganz kleinen Zahl von Finanzgurus und Ratingagenturen, die über die Massenmedien verbreitet werden, ein ungeheueres Gewicht, sodass es bei kleineren Krisen zu einem krisenverschärfenden „Herdenverhalten“ kommt (vgl. RICHARDS/DEDDOUCHE 1999). 10.3. Länderrisikoindikatoren In den vorangegangenen Abschnitten wurde anhand zahlreicher Faktoren die Standortqualität der einzelnen Länder beschrieben. Welchen Stellenwert diese Standorte in den Augen von Investoren haben, zeigt sich zum einen an den tatsächlich getätigten Direktinvestitionen und in der Einschätzung der einzelnen Länder seitens professioneller Ratingagenturen anhand verschiedener Indikatoren als Orientierungshilfe für potenzielle Investoren. 97 Um das Länderrisiko für die Banken besser zu erfassen, haben sich eine Reihe von Ratingagenturen gebildet, die miteinander im Wettbewerb stehen und praktisch alle volkswirtschaftlich wichtigen Determinanten in einer Bewertungsziffer ausdrücken. Demnach können Länder genauso wie Aktienkurse nach ihrer Qualität bewertet werden. Häufig stehen unterschiedliche Zielsetzungen hinter einer Länderrisikoanalyse. Gelegentlich sind sie Kriterium staatlicher Exportförderung, indem sie eine Exportversicherung ermöglichen, wie z. B. die HERMESBürgschaften, häufig sind sie auch für internationale Kreditverträge relevant. Die Einstufung durch Ratingagenturen entscheidet, inwieweit der zu entrichtende Zins über oder unter dem mittleren Kapitalmarktzins liegt. Je besser das Rating ist, desto geringer ist der Zins und desto mehr drängen sich die Banken danach, Kredite auszureichen. Ist das Rating dagegen schlecht, gilt der gleiche Sachverhalt vice versa. Deshalb bemühen sich alle Länder, ein gutes Rating zu erhalten. Außerdem informieren Länderrisikoindikatoren Direktinvestoren über die Qualität der Wirtschaftspolitik eines Landes. Die Finanzkrisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sowohl bei Direkt- als auch bei Portfolioinvestitionen durch solche Ratingagenturen ein sehr großer Einfluss ausgeübt wurde. Insbesondere bei den Ländern, deren Kapitalmärkte sich erst entwickeln, haben solche synoptische Indikatoren eine immer größere Bedeutung erlangt. RICHARD/DEDDOUCHE (1999) haben dieses Phänomen näher untersucht. Da es in der Gruppe der sog. Emerging Markets, zu welchen auch die Transformationsländer zählen, nur wenig oder gar keine Ratingagenturen gibt, können schon Nachrichten einer einzigen ausländischen Agentur schwerwiegende Folgen haben. Interessanterweise besteht hier, analog zu den Direktinvestitionen, ein großer Unterschied zwischen der Wirkung guter oder schlechter Nachrichten. Während schlechte Nachrichten schnell eine Krise auslösen können, gilt bei guten Nachrichten keineswegs das Gegenteil! Sie haben immer schwächere Reaktionen zur Folge, weil sie nicht sofort von den Unternehmen in aller Welt verkündet werden. Auch der IMF (vgl. MATHIESON/SCHINASI 2000, S. 54) weist auf die Bedeutung der Ratingagenturen hin. Nach den Angaben VON MOODY´S, STANDARD AND POORS und FITCH IBCA haben sich im Juli des Jahres 2000 Ungarn und Polen gegenüber Juni 1999 verbessert: 98 Ungarn Polen von (Baa2/BBB/BBB) auf von (Baa3/bbb/bbb+) auf (Baa1/BBB+/BBB+) (Baa1/BBB+/BBB+) Besonders bekannt ist auch das Bonitätsrating des INSTITUTIONAL INVESTORs, der für alle Länder der Welt eine „Länder-Bonitäts-Liste“ erstellt. Das Rating gründet sich auf Informationen internationaler Banken. Diese ordnen jedes Land auf einer Skala zwischen 0 und 100 ein. 100 bedeutet das geringste Risiko. An der Erhebung nehmen im Abstand von sechs Monaten 75 bis 100 Banken teil. Die Namen der Teilnehmer sind streng vertraulich und die Banken dürfen ihr eigenes Land nicht bewerten. Die Wertungen werden anschließend mit einer speziellen Formel gewichtet, die den weltweit operierenden Banken mit großen Forschungsabteilungen ein größeres Gewicht beimisst. Da zwischen den Ratingagenturen großer Wettbewerb besteht, ist die Formel des INSTITUTIONAL INVESTORs natürlich streng geheim. Die Bewertung ausgewählter Länder zeigt die Tabelle IV.26. Sowohl die Untersuchungen des INSTITUTIONAL INVESTORs als auch die von IMF zitierten Bewertungen zeigen, dass sich die Einstufung der drei MOE-Länder 2001 im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert hat. Allerdings bekommt Ungarn beim INSTITUTIONAL INVESTOR, ähnlich wie bei den Indikatoren zur Messung der Qualität der Institutionen, wiederum den besten Platz im Vergleich der drei EUBeitrittsländer. Interessant ist bei dieser Bewertung die große Übereinstimmung zwischen den von uns bereits zitierten Indikatoren über die Qualität der Investitionen. Tabelle IV.26 Internationale Länder-Bonitätsrangliste des INSTITUTIONAL INVESTORs - September 2001 Rang Land Bonitätsindex Veränderung zum Vorjahr 1 Schweiz 93,8 -1,8 2 Deutschland 92,8 -1,8 6 USA 91,6 0,0 32 Ungarn 62,0 -2,9 34 Tschechien 60,5 -0,4 38 Polen 59,2 -3,0 Russland 26,8 +0,1 5,9 -0,6 92 145 Quelle: Afghanistan INSTITUTIONAL INVESTOR (2001). 99 11. Folgerungen aus der Literaturanalyse für die Attraktivität der MOE-Länder als Investitionsstandort Interessant ist, dass die hier vorgelegte Untersuchung auf fast allen Gebieten Sachsen durchweg bessere Rahmenbedingungen für Direktinvestitionen bescheinigt als den drei MOE-Ländern. Um so mehr stellt sich die Frage, warum Investoren überhaupt Standorte in Polen, Tschechien oder Ungarn bevorzugen. Dies hat folgende Gründe: 1. Wie die ökonometrischen Analysen gezeigt haben, erklärt die Höhe der Privatisierungserlöse den Zufluss an Direktinvestitionen im Zeitraum von 1989 bis 1999 zu 84 %, d. h. es bleiben eigentlich nur noch 16 % statistisch ungeklärter Varianz in der Investitionstätigkeit in diesem Zeitraum, die den Einfluss anderer Determinanten reflektiert. 2. Eine solche Determinante ist z. B. die Wettbewerbsstärke der deutschen Volkswirtschaft im Finanzdienstleistungswesen. Die Renditen ausländischer Banken sind in den MOE-Staaten größer als jene der Konkurrenz vor Ort, so dass der Kauf von Banken in MOE-Staaten eine sehr lukratives Geschäft ist. In den fortgeschrittenen Industriestaaten ist es dagegen umgekehrt. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass ausländische Direktinvestitionen im Bankensektor in hochentwickelten Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien in der Regel geringere Profite bringen als die der einheimischen Konkurrenz. Dies wird darauf zurückgeführt, dass Ausländer eine geringere Kenntnis der landesüblichen Usancen haben. 3. Wenn aber die Ursachen für Direktinvestitionen in den MOE-Staaten ziemlich eindeutig erklärt werden können, kann auch gefolgert werden, dass nach dem Ende der Privatisierung der in These 1 angesprochene Zusammenhang zwischen Privatisierungserlösen und Direktinvestitionen zunehmend schwächer werden wird. Nach dem Ende der Privatisierung werden völlig andere Gründe das Verhalten der Direktinvestoren leiten. Nur Polen und Tschechien werden noch kurze Zeit ausländische Investoren bis zum endgültigen Abschluss der strategischen Privatisierung anziehen. Auf kurze Sicht können deshalb nur vorsichtige Prognosen im Hinblick auf die Entwicklung der Direktinvestitionen in den nächsten Jahren anhand der theoretischen und empirischen Analysen erstellt werden. 100 4. Da Ungarn bisher ausschließlich nach strategischen Gesichtspunkten privatisiert hat, ist es dort von allen Beitrittskandidaten am besten gelungen, ein Netzwerk aufzubauen, das weitere Direktinvestitionen nach sich ziehen wird. Inwieweit allerdings die Tatsache, dass gut ausgebildete Arbeitskräfte in Ungarn bereits knapp sind, eine Investitionsbremse darstellen, und wie schnell Ungarn in der Lage ist, durch seine vielen Bildungsinitiativen den Mangel zu beheben, ist unklar. Dies kann nur durch eine Befragung vor Ort geklärt werden. 5. Da die Marktgröße in allen statistischen Untersuchungen sich als wichtige Variable erwiesen hat, muss sie bei Polen unbedingt berücksichtigt werden. Nach Angaben des U.S. DEPARTMENT OF STATE (2000a) exportieren die amerikanischen Firmen zwar ca. 60 % der in Polen erzeugten Güter in die USA, aber sie rechnen mit sehr hohen Wachstumsraten (bis zu 30 %), was die Belieferung des polnischen Binnenmarktes anbetrifft, insbesondere bei elektronischen Produkten. Ob solche Absatzerwartungen realisierbar sind, bleibt allerdings dahingestellt. 6. Trotz der schlechten Umweltqualität in den Beitrittsländern lassen sich ausländische Investoren von den dadurch verursachten gesundheitlichen Risiken nicht von einem Engagement abschrecken. Dies ist nur mit der Marktnähe zu anderen Ländern begründbar. Ferner kann man davon ausgehen, dass die Nachzügler bei der Transformation, wie Russland, Ukraine oder Rumänien, sich längerfristig auch zu funktionsfähigen Marktwirtschaften entwickeln werden. Wäre dem nicht so, würden sie eine zu große Abhängigkeit von Auslandsfinanzierungen durch den IMF eher vermeiden. Andererseits suchen viele Unternehmen die Nähe zu diesen Ländern, da es sich um potenziell riesige Märkte handelt. 7. Amerikanische Investoren, die immerhin nach Deutschland die zweite Position in den MOE-Staaten einnehmen und daher mit den Mentalitäten der Region einigermaßen vertraut sind, legen auf die Einstellung der lokalen Bevölkerung gegenüber amerikanischen Staatsbürgern großen Wert. Im Hinblick auf die Akzeptanz des Standorts Ostdeutschland müssen Anstrengungen unternommen werden, um die in der Skandalpresse hochgespielten Ereignisse gegen Ausländer zu vermeiden 101 8. Im Vergleich zu den MOE-Staaten hat Sachsen Standortvorteile aufgrund - der günstigen Infrastruktur, - der exzellenten beruflichen Ausbildung, - der hohen Qualität der Institutionen, - der geringen Wartefristen bei Genehmigungsverfahren, - der zu vernachlässigenden Korruption - und der viel geringeren Kriminalität, - des guten Angebots qualitativ hochwertiger Finanzdienstleistungen und - der Tatsache, dass keine Wechselkursrisiken bestehen. Diese Faktoren sollen deshalb bei der Investitionsförderung für Sachsen deutlich hervorgehoben werden. 9. Um diesen Prozess zu beschleunigen und das Image des Investitionsstandorts Sachsen zu fördern, ist es sinnvoll, auf die hervorragenden Leistungen von Schülern und Studenten, die in allen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen über dem Bundesdurchschnitt liegen, hinzuweisen und weitere Forschungsinstitute, die unternehmensbezogene Forschung betreiben, anzusiedeln sowie die Verfügbarkeit und den Zugang zu Know-how zu verbessern. Hieraus könnte ein sich selbst verstärkender Regelkreis werden. 10. Was die berufliche Ausbildung der Lehrlinge anbetrifft, verfügt Sachsen über das bewährte duale deutsche System, welches in idealer Weise überbetriebliche berufstheoretische und berufspraktische Ausbildung aufeinander abstimmt, ein System, um das Deutschland von vielen Ländern beneidet wird und das auch zahlreiche Länder übernommen haben. Als Fazit der Literaturanalyse bleibt festzuhalten, dass wichtige Sachverhalte - darunter auch sensible Themen wie Korruption, Bestechung und Rechtssicherheit - aufgezeigt werden konnten, anhand derer eine Bewertung der Standortqualitäten Sachsens und der drei MOE-Länder möglich ist . Deutlich geworden ist aber auch, dass aus der Sicht potenzieller Investoren relevante qualitative Aspekte nur unzureichend ermittelt werden konnten. Um diese Informationslücke zu schließen, wurde eine schriftliche Befragung bei Investoren in Sachsen, Ungarn und Tschechien durchgeführt, welche durch persönliche Interviews ergänzt wurden. 102 103 V. Ergebnisse der Umfrage zu ausgewählten Standortbedingungen 1. Informationsgewinnung 1.1 Schriftliche Befragung Im Spätsommer 2001 wurde von den in Warschau, Prag und Budapest ansässigen Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK) eine schriftliche Umfrage bei ihren Mitgliedsfirmen durchgeführt. Selektionskriterien für das Adressenmaterial waren Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit. Einbezogen werden sollten vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) des verarbeitenden Gewerbes (Industrie). Um die für diese Länder ermittelten Befunde mit der Situation in Sachsen vergleichen zu können, führte das ifo Institut im Februar 2002 bei den im Freistaat ansässigen Tochterunternehmen überwiegend ausländischer, aber auch deutscher Investoren ebenfalls eine schriftliche Befragung mit gleichlautendem Fragebogen durch (vgl. Tabelle V.1). Tabelle V.1 Befragungsstatistik Sachsen Polen Tschechien Ungarn Insgesamt Angeschriebene Unternehmen 243 117 120 750 1.230 Befragungsteilnehmer 46 38 103 86 273 1 - 49 Beschäftigten 12 10 27 27 76 50 - 199 Beschäftigten 17 13 39 30 99 200 - 499 Beschäftigten 11 8 23 15 57 500 - 999 Beschäftigten 2 3 4 9 18 darunter: Unternehmen mit 1.000 u.m. Beschäftigten 2 2 7 3 14 44 36 100 84 264 bis zu 250 Beschäftigten 32 28 76 61 197 über 250 Beschäftigten 12 8 24 23 67 Insgesamt a) nachrichtlich: darunter Unternehmen mit a) Differenz zur Teilnehmerzahl wegen fehlender Angaben bei den Beschäftigten. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. 104 Tabelle V.1 enthält die in den einzelnen Ländern angeschriebene Zahl an Unternehmen sowie die Anzahl der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen. Die Antwortquote fällt in den vier Befragungsregionen sehr unterschiedlich aus, wobei Tschechien mit einer Quote von 85,8 % an der Spitze liegt, gefolgt von Polen mit 32,5 %, während die Quote in Ungarn mit 11,5 % deutlich geringer ist. Mit 18,9 % fällt die in Sachsen erzielte Rücklaufquote zufriedenstellend aus. 1.2 Charakteristika der erfassten Unternehmen 1.2.1 Unternehmensgröße Im Hinblick auf die Beschäftigtengrößenklassen gehören die meisten Unternehmen (37,5 %) in die Kategorie „50 bis unter 200 Beschäftigte“ (vgl. Tabelle V.1). Die Gruppe der Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten hat einen Anteil an allen Antwortenden von 28,8 %. Rund ein Drittel der Unternehmen entfällt auf die beschäftigungsstärkeren Klassen, und zwar 21,6 % auf die Größenklasse „200 bis 499 Beschäftigte“, 6,8 % auf die Gruppe „500 bis 999 Beschäftigte“ und 5,3 % der Unternehmen haben 1.000 oder mehr Beschäftigte. In den Statistiken der Europäischen Union sind kleine und mittlere Unternehmen als solche definiert, wenn sie nicht mehr als 250 Beschäftigte aufweisen. Nach dieser Klassifikation haben sich 197 Unternehmen - 76,4 % -, die unter die KMU-Definition der EU fallen, an der schriftlichen Befragung in den vier Regionen beteiligt. 1.2.2 Branchenzugehörigkeit Die Zusammenfassung der meldenden Unternehmen zu Wirtschaftszweigen erfolgte anhand der Angaben im Fragebogen über das vom Befragungsteilnehmer hergestellte Produkt. Für jedes Produkt wurde mittels der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen „Klassifikation der Wirtschaftszweige - Ausgabe 1993“ die für den EUROSTAT-Raum relevante NACE-Nummer ermittelt, anhand derer dann 12 größere Branchengruppen gebildet wurden. Die Angaben variierten stark und umfassten nicht nur Industrieprodukte sondern auch Bauleistungen sowie eine Vielzahl dem Dienstleistungsgewerbe zuzuordnende Geschäftstätigkeiten. Tabelle V.2 enthält die aus den Angaben gebildeten Wirt- 105 schaftszweige und die Verteilung der hierunter subsumierten Unternehmen aus den vier Befragungsregionen. Unter den der Industrie zuzurechnenden Wirtschaftszweigen ist die Branche „Metallerzeugung und -verarbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen“ am stärksten besetzt (36 Teilnehmer), gefolgt vom Maschinenbau (31) und dem Fahrzeugbau (30). Zu „Herstellung von Büromaschinen, EDV-Geräten, Elektrotechnik“ sind 28 Betriebe zu rechnen. 26 Unternehmen entfallen auf den Bereich „Kokerei, Mineralölverarbeitung, Chemische Industrie, Gummi- und Kunststoffwaren“, 19 auf „Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“. Mit 16 Teilnehmern ist der Wirtschaftszweig „Holz-, Papier-, Druck- und Verlagsgewerbe“ und mit 14 Teilnehmern „Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe“ besetzt. Zum „Nahrungs- und Genussmittelgewerbe“ zählen 11 Unternehmen. Sieben Teilnehmer stellen Produkte aus der Sparte „Möbel, Schmuck, Musikinstrumente“ her. Zusätzlich beteiligten sich fünf Unternehmen aus dem Baugewerbe. Insgesamt 41 Teilnehmer zählen zu den Dienstleistungsunternehmen. Tabelle V.2 Branchenstruktur der antwortenden Unternehmen Branche Sachsen Polen Tschechien Ungarn Gesamt Nahrungs- und Genussmittelgewerbe - 4 3 4 11 Textil-, Bekleidungs-, Ledergewerbe 5 - 4 5 14 Holz-, Papier-, Druck-, Verlagsgewerbe 5 4 4 3 16 Kokerei, Mineralölverarbeitung, Chem. Ind., Gummi-/Kunststoffwaren 7 7 9 3 26 Glas, Keramik, Verarbeitung. Steine/Erden - 4 11 4 19 Metallerzeugung und -verarbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen 3 4 20 9 36 Maschinenbau 7 2 14 8 31 Herstellung von Büromaschinen, EDVGeräten, Elektrotechnik 7 2 10 9 28 Fahrzeugbau/sonstiger Fahrzeugbau 3 4 17 6 30 Möbel, Schmuck, Musikinstrumente - - 3 4 7 Baugewerbe 1 1 1 2 5 Dienstleistungen Insgesamta) 6 2 6 27 41 44 34 102 84 262 a) Die Differenz zu „insgesamt“ in Tabelle I-1 resultiert aus den fehlenden Angaben der teilnehmenden Unternehmen zur Frage nach dem hergestellten Produkt. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. 106 Die bei der Befragung in Sachsen erfassten Unternehmen gehören mehrheitlich mit je sieben Teilnehmern den Branchen „Kokerei, Mineralölverarbeitung, Chemische Industrie, Gummi- und Kunststoffwaren“, „Maschinenbau“ und „Herstellung von Büromaschinen, EDV-Geräten und Elektrotechnik“ an. Damit liegt der Anteil der Investitionsgüterindustrie deutlich über dem des Konsumgütergewerbes, das mit je fünf Meldungen aus dem „Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe“ sowie dem „Holz, Papier-, Druck-, Verlagsgewerbe“ beteiligt ist. Aus den Bereichen „Metallerzeugung und -verarbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen“ und „Fahrzeugbau/sonstiger Fahrzeugbau“ tragen je drei Unternehmen zu den Ergebnissen bei. Ein Bauunternehmen und sechs Dienstleistungsunternehmen komplettieren das sächsische Sample. In Polen sind die meisten Unternehmen in dem Bereich „Kokerei, Mineralölverarbeitung, Chemische Industrie, Gummi- und Kunststoffwaren“ zu finden. Die übrigen Industriebranchen weisen bis auf den „Maschinenbau“ und „Herstellung von Büromaschinen, EDV-Geräten und Elektrotechnik“ mit je zwei Unternehmen eine identische Besetzung mit jeweils vier Befragungsteilnehmern auf. Zwei Bereiche blieben unbesetzt und zwar das „Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe“ sowie die Branche „Möbel, Schmuck, Musikinstrumente“. Auf das Baugewerbe entfiel eine Nennung und zwei Meldungen kamen aus dem Dienstleistungsgewerbe. Bei den tschechischen Teilnehmern dominiert der Bereich „Metallerzeugung und -verarbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen“ mit 20 Unternehmen, gefolgt vom „Fahrzeugbau“ mit 17 Teilnehmern und dem „Maschinenbau“ mit 14 Meldungen. Es folgen die Branche „Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ mit 11 Nennungen, „Herstellung von Büromaschinen, EDV-Geräten und Elektrotechnik“ mit 10 zugehörigen Unternehmen. Der Bereich „Kokerei, Mineralölverarbeitung, Chemische Industrie, Gummi- und Kunststoffwaren“ hebt sich mit neun Teilnehmern noch deutlich von den übrigen Industriezweigen ab. Je vier Meldungen entfallen auf das „Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe“ und das „Holz-, Papier-, Druck- und Verlagsgewerbe“. Jeweils drei Teilnehmer weisen das „Nahrungs- und Genussmittelgewerbe“ und die Branche „Möbel, Schmuck, Musikinstrumente“ auf. Ein Betrieb des Baugewerbes und sechs Dienstleistungsunternehmen komplettieren das tschechische Sample. Die an der Umfrage in Ungarn beteiligten Industrieunternehmen haben ihre Produktionsschwerpunkte in den Bereichen „Metallerzeugung und -verarbei- 107 tung, Herstellung von Metallerzeugnissen“ sowie „Herstellung von Büromaschinen, EDV-Geräten und Elektrotechnik“, die jeweils neun Meldungen zu verzeichnen haben. Danach folgen die Branchen „Maschinenbau“ (acht Teilnehmer) und „Fahrzeugbau“ (sechs Nennungen). Während das „Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe“ mit fünf Repräsentanten beteiligt ist, entfallen auf die Bereiche „Nahrungs- und Genussmittelgewerbe“, „Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ sowie auf die Sparte „Möbel, Schmuck, Musikinstrumente“ jeweils vier Nennungen. Die geringste Besetzung innerhalb der Industrie weisen die Branchen „Holz-, Papier-, Druck- und Verlagsgewerbe“ und „Kokerei, Mineralölverarbeitung, Chemische Industrie, Gummi- und Kunststoffwaren“ mit je drei Unternehmen auf. Das Baugewerbe ist mit zwei Betrieben beteiligt. Die hohe Anzahl von 27 Dienstleistungsunternehmen ist damit zu erklären, dass in Ungarn alle 750 Mitgliedsfirmen der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) befragt wurden, die zu etwa 40 % nicht dem Industriesektor angehören. 1.2.3 Investiertes Kapital Die an ausländischen Standorten getätigten Investitionen unterscheiden sich kaum, wenn die dabei eingesetzten Investitionssummen nach Größenklassen differenziert werden (vgl. Tabelle V.3). Es dominieren in allen drei Ländern diejenigen Investitionen, die einen Kapitaleinsatz zwischen 1 Mill. DM und 10 Mill. DM erforderten. Während in Polen diese Größenordnung bei 40 % der dort gegründeten Unternehmen liegt, fällt fast jedes zweite Unternehmen in Tschechien und Ungarn in diese Kategorie. Jeweils rund ein Viertel der Auslandstöchter deutscher Unternehmen weisen eine Investitionssumme zwischen 10 und 50 Mill. DM auf. Rund ein Fünftel der Unternehmen in den drei Ländern wurde mit einer Investitionssumme von unter 1 Mill. DM errichtet. Zwischen 50 und 100 Mill. DM wurden bei jeweils rund 6 % der Unternehmensgründungen in Polen und Ungarn investiert, während diese Summe von nur rund 4 % der in Tschechien investierenden Unternehmen aufgewendet wurde. Der Anteil der Investitionen, der 100 Mill. DM übersteigt, ist in Polen mit knapp 9 % am höchsten, gefolgt von Tschechien (rund 6 %) und Ungarn (rund 4 %). Ein Investment für die in Sachsen errichteten Niederlassungen deutscher und ausländischer Investoren war im Durchschnitt mit höheren Investitionssummen verbunden als bei den drei zuvor betrachteten Länder. Der Schwerpunkt lag dabei im Bereich 10 Mill. bis 50 Mill. DM, die in jedes dritte Unternehmen inves- 108 tiert wurden. Knapp jedes fünfte Investitionsprojekt absorbierte nur zwischen 1 Mill. bis 10 Mill. DM an Finanzmitteln. Im gleichen Ausmaß wurden auch Großprojekte durchgeführt, die jeweils mit über 100 Mill. DM Investitionssumme ausgestattet waren. Derartige Investitionsvolumina finden sich nur bei Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Rund jedes siebente Investitionsvorhaben erforderte einen Aufwand zwischen 50 Mill. und 100 Mill. DM. Der gleiche Anteil an Investitionsfällen war mit jeweils weniger als 1 Mill. DM zu bewerkstelligen. Die kleinsten Unternehmen waren hierbei in 80 % der Fälle das Investitionsobjekt. Tabelle V.3 Am Standort investiertes Kapital - Angaben in % Investitionssumme (in DM) bis 1 Mill. Sachsen Polen Tschechien Ungarn 13,9 17,1 21,2 19,4 1 Mill. bis 10 Mill. 19,4 40,0 45,9 45,8 mehr als 10 Mill. bis 50 Mill. 33,3 28,6 23,5 25,0 mehr als 50 Mill. bis 100 Mill. 13,9 5,7 3,5 5,6 mehr als 100 Mill. 19,4 8,6 5,9 4,2 mehr als Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Für die MOE-Länder stellt sich die Situation differenziert dar. Mit einer Investition von weniger als 1 Mill. DM konnten in Ungarn rund 86 % der Unternehmen etabliert werden, die der kleinsten Beschäftigtengrößenklasse (bis zu 49 Mitarbeiter) zuzurechnen sind. Dieser Anteil beläuft sich in Polen nur auf 60 % und in Tschechien lediglich auf knapp 53 %. Für die beiden letztgenannten Länder reichten die Investitionen in jeweils 40 % der Gründungen aus, auch Unternehmen in der Größenordnung 50 bis 199 Beschäftigte zu etablieren. In Ungarn war dies nur bei rund 14 % der Engagements der Fall. Im Übrigen gilt grosso modo der Zusammenhang, dass höhere Investitionssummen mit der Unternehmensgröße steigen. Investitionen über 100 Mill. DM stehen demnach auch fast ausschließlich mit Unternehmen im Zusammenhang, die 1.000 und mehr Beschäftigte aufweisen. Ein enger Zusammenhang zwischen Investitionssumme und Wirtschaftszweig lässt sich nicht feststellen. In allen vier Untersuchungsregionen variiert die Größenordnung der in den einzelnen Branchen vorgenommenen Investitionen sehr stark. 109 1.2.4 Status der Unternehmen Von den bei der Befragung in Sachsen erfassten Unternehmen sind über zwei Drittel 100-%-Tochterunternehmen ausländischer Muttergesellschaften, lediglich knapp 18 % befinden sich vollständig im Besitz deutscher Unternehmen (vgl. Tabelle V.4). Vereinzelt sind auch deutsche Unternehmen mit geringeren Quoten an in Sachsen ansässigen Betrieben beteiligt. Die in den Befragungssamples der drei MOE-Länder erfassten Unternehmen sind überwiegend 100-%-Töchter deutscher Investoren. Während sich Tschechien und Ungarn in ihrer Beteiligungsstruktur stark ähneln, findet sich der höchste Anteil an Tochterunternehmen, die zu 100 % im Eigentum deutscher Muttergesellschaften sind, in Polen. Tabelle V.4 Unternehmensstatus - Angaben in % Sachsen D Unternehmen ohne Beteiligung a) A Polen a) D a) Tschechien D a) Ungarn Da) 76,9 26,3 8,6 3,0 4,9 Beteiligung eines Unternehmens mit weniger als 50 % 2,6 5,3 0,0 2,0 3,7 Beteiligung eines Unternehmens mit 50 % bis unter 100 % 2,6 0,0 17,1 25,3 28,4 100-%-Tochter eines Unternehmens 17,9 68,4 74,3 69,7 63,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Insgesamt a) D = Beteiligung seitens eines deutschen Unternehmens; A = Beteiligung seitens eines ausländischen Unternehmens. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. 1.2.5 Absatzorientierung Die in Sachsen ansässigen Unternehmen beliefern überwiegend den bundesdeutschen Markt (vgl. Tabelle V.5). Fast zwei Drittel distribuieren an eine Vielzahl von Abnehmern; nur knapp jedes siebte Unternehmen steht mit einem festen inländischen Auftraggeber in Geschäftsbeziehungen. An ihre Mutterfirma liefern nur etwas mehr als 20 % der sächsischen Betriebe. 110 Tabelle V.5 Absatzmarkt - Angaben in % Unternehmen beliefern Sachsen Polen Tschechien Ungarn - den Inlandsmarkt allgemein 64,7 70,6 40,7 - einen festen inländischen Auftraggeber 14,7 20,6 13,2 5,1 - die Mutterfirma 20,6 8,8 46,2 35,4 100,0 100,0 100,0 100,0 Insgesamt Quelle: 59,5 ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Ein vergleichbares Bild bietet sich bei der Betrachtung der Absatzmarktorientierung für die in den drei MOE-Ländern ansässigen Unternehmen. Die bei der Befragung in Polen erfassten Unternehmen beliefern zu mehr als zwei Dritteln den Inlandsmarkt. Der hohe Anteil an Firmen, deren Produktion für einen festen Auftraggeber bestimmt ist, legt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um die Substitution von Exportlieferungen deutscher Unternehmen durch die Gründung von Fertigungsstätten in Polen handelt. Beteiligt sind hierbei vor allem die Branchen „Fahrzeugbau“ und „Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten, Elektrotechnik“. In Tschechien beliefern die Unternehmen unter 200 Beschäftigten in etwa gleichem Maße den Binnenmarkt als auch ihre Mutterfirmen, wobei im letzteren Fall von der Funktion dieser Betriebe als verlängerte Werkbank ausgegangen werden kann. Die Belieferung des ungarischen Marktes ist die Domäne der kleineren Unternehmen, während die größeren (ab 200 Beschäftigte) häufiger die Mutterfirma beliefern als den Markt ihres Sitzlandes. Bei der sektoralen Betrachtung fällt auf, dass nahezu alle Industrien sowohl den inländischen Markt als auch ihre Mutterunternehmen beliefern. Lediglich die Unternehmen in der Branche „Herstellung von Büromaschinen, EDV-Geräten und Elektrotechnik“ liefern ausschließlich an die jeweiligen Mutterfirmen. 1.3 Unternehmensinterviews In Ergänzung zu der schriftlichen Umfrage fanden in den drei mittel- und osteuropäischen Untersuchungsländern noch vertiefende Interviews mit an der schriftlichen Umfrage beteiligten Unternehmen statt. Dabei konnten in Polen und Ungarn jeweils vier Expertengespräche durchgeführt werden und in Tschechien zwei. 111 Um weitere Informationen über die mit den Auslandsinvestitionen zusammenhängenden Unternehmensentscheidungen zu erhalten, wurden aus dem Kreis der in den drei MOE-Ländern vor Ort aufgesuchten Firmen fünf Unternehmen ausgewählt und ebenfalls Interviews bei den jeweiligen Muttergesellschaften in Deutschland durchgeführt. Ein Gesprächspartner konnte aus unternehmensinternen Gründen nur im Rahmen eines Telefoninterviews befragt werden. 1.4 Darstellung der Ergebnisse Zu beachten ist, dass die nachfolgend dargestellten Befragungsergebnisse nicht gewichtet sind und lediglich Befunde des jeweiligen Berichtskreises widerspiegeln. Aufgrund der großen Unterschiede in den einzelnen Samples hinsichtlich der Anzahl antwortender Unternehmen sowie der dabei erfassten Unternehmensgrößen und Branchen wird auf eine Darstellung der Ergebnisse nach Größenklassen und Wirtschaftszweigen verzichtet und diese nur dort, wo es von der Sache her angebracht erscheint, explizit erwähnt. 2. Rahmenbedingungen deutscher Investoren in Polen, Tschechien und Ungarn im Vergleich zur Situation in Sachsen 2.1 Arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen 2.1.1 Motivation und Engagement der Beschäftigten Die in Sachsen ansässigen Unternehmen stellen hinsichtlich Motivation und Engagement ihren Mitarbeitern sehr gute Noten aus und im Vergleich zu den Ergebnissen für die drei MOE-Vergleichsregionen sogar die besten (vgl. Tabelle V.6). Unter den insgesamt zwischen „sehr gut“ und „gut“ beurteilten Eigenschaften ist die Bereitschaft zur Leistung von Überstunden am ausgeprägtesten, während die weiteren Beurteilungskriterien auf gleichem Niveau liegen. Die Unternehmen in allen drei MOE-Ländern beurteilen ihre Mitarbeiter ebenfalls überdurchschnittlich. In Polen machten bei allen vorgegebenen Variablen 70 % bis knapp 90 % der Unternehmen die Angabe „sehr gut“ oder „gut“. Die positivsten Urteile kommen dabei von den KMU. Die sektorale Betrachtung zeigt keine Ausreißer hinsichtlich einer Abweichung von der überwiegend posi- 112 tiven Bewertung. Die gleichen Aussagen gelten tendenziell auch für die Angaben der Befragungsteilnehmer in Tschechien und Ungarn. Tabelle V.6 Beurteilung der Mitarbeiter - Durchschnittswertea) Beurteilung bezüglich Sachsen Polen Tschechien Ungarn - Motivation und Engagement 1,8 1,9 2,2 2,1 - Belastbarkeit 1,9 2,2 2,4 2,1 - Bereitschaft Überstunden zu leisten 1,6 1,8 2,1 1,8 - Bereitschaft zur Wochenendarbeit 1,8 2,2 2,6 2,3 - Bereitschaft zur Schichtarbeit 1,8 1,9 2,5 2,4 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. In den Unternehmensgesprächen wurde bestätigt, dass neben den niedrigen Arbeitskosten vor allem die in den drei Ländern vorzufindenden flexiblen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen als bedeutende Standortvorteile aus Sicht der deutschen Investoren anzusehen sind. Hierzu gehören - wie beispielsweise am Standort Polen - insbesondere - die flexible Handhabung befristeter Arbeitsverträge (eine Verlängerung derartiger Verträge wäre in Deutschland nicht möglich), - keine Notwendigkeit zur Aufstellung von Sozialplänen bei Kündigungen, - die problemlose Durchführung von Schichtarbeit. Allerdings wurde von Unternehmen in Ballungsgebieten in allen drei Ländern berichtet, dass aufgrund des knappen Angebots an Arbeitskräften, diese schon die Arbeitsplatzwahl unter den Gesichtspunkten treffen „wo muss ich Schichtarbeit leisten oder an Wochenenden arbeiten“ und dann eher weniger „stressige“ Jobs präferieren. Hinsichtlich der von den befragten Unternehmen durchweg positiv bewerteten Motivation der Arbeitskräfte muss man bei allen drei MOE-Ländern jedoch berücksichtigen, dass die (junge) Arbeiterschaft wegen des fehlenden Elternvorbilds, nämlich durch eigene Leistungsbereitschaft materiellen Erfolg zu erreichen, etwas weniger belastbar ist. 113 2.1.2 Abwesenheitsrate Die Abwesenheitsrate der Betriebsangehörigen sächsischer Unternehmen ist - zumindest im Vergleich mit der Situation in den ausgewählten MOE-Ländern als „normal“ zu bezeichnen (vgl. Tabelle V.7). Bezogen auf eine Abwesenheitsrate bis 10 % weist Sachsen - außer im Vergleich mit Polen - mit einer Quote von knapp 90 % den günstigsten Wert auf. Allerdings gibt es im Einzelfall bei größeren Unternehmen auch darüber liegende Abwesenheitsraten. Die aktuelle Entwicklung zeigt im Vergleich zu den Vorjahren eine hohe Stabilität, was Fehlzeiten in sächsischen Unternehmen betrifft (vgl. Tabelle V.8). Die schon günstigen Relationen gewähren hier natürlich auch weniger Spielraum für eine Senkung der Abwesenheitsrate als im Falle der in Tschechien oder Ungarn ansässigen Unternehmen. Tabelle V.7 Abwesenheitsrate - Angaben in % Rate lag 2000 bei Sachsen Polen Tschechien Ungarn - unter 5 % 75,0 87,5 34,1 57,8 - über 5 % bis 10 % 13,9 12,5 45,5 29,7 - über 10 % bis 15 % 5,6 - 11,4 6,3 - über 15 % bis 20 % 2,8 - 8,0 6,3 - über 20% 2,8 - - - Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Tabelle V.8 Veränderung der Abwesenheitsrate gegenüber den Vorjahren - Angaben in % Rate war 2000 Sachsen Polen Tschechien Ungarn - höher 11,6 7,4 18,6 6,7 - gleich 69,8 55,6 53,6 62,7 - niedriger 18,6 37,0 27,8 30,7 Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Für die polnischen Befragungsteilnehmer stellt sich die Abwesenheitsrate ebenfalls kaum als Problem dar (vgl. auch Fußnote 6). Knapp 90 % meldeten eine Abwesenheitsrate von unter 5 %, mehr als 10 % wurde von keinem Unternehmen gemeldet (vgl. Tabelle V.7). Während etwa jedes zweite Unternehmen im 114 Jahr 2000 die gleiche Rate wie in den Vorjahren beibehielt, sank bei rund einem Drittel dieser Wert im Vorjahresvergleich (vgl. Tabelle V.8). Lediglich jedes vierzehnte Unternehmen gab eine Zunahme der Abwesenheitsrate an. Die insgesamt gesehen günstige Situation ist über alle Größenklassen und Wirtschaftszweige hinweg zu beobachten. Auch in Tschechien und Ungarn weisen 80 % bzw. knapp 90 % der Unternehmen eine Abwesenheitsrate von unter 10 % auf, wobei insbesondere die kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten überwiegend unterhalb 5 % liegen. Diese Beobachtung gilt für alle Branchen gleichermaßen ohne merkliche Abweichungen. Wie schon für Polen festgestellt, verteilen sich die Meldungen über gleichbleibende oder niedrigere Raten im Vergleich zu den Vorjahren über alle Größenklassen und Wirtschaftszweige in ähnlicher Weise. 2.1.3 Betriebsrat Naturgemäß verfügen nur die Belegschaften größerer Unternehmen über einen Betriebsrat. In Sachsen fallen knapp zwei Drittel der erfassten Unternehmen in diese Kategorie, während über alle Befragungsteilnehmer in den drei MOELändern hinweg betrachtet nur etwa jedes sechste polnische Unternehmen die Existenz einer entsprechenden Belegschaftsvertretung meldete, und dies in Tschechien und Ungarn immerhin bei rund jedem vierten Betrieb der Fall war (vgl. Abbildung V.1). In Sachsen gibt es Belegschaftsvertretungen in allen Wirtschaftszweigen; anteilsmäßig am geringsten sind sie jedoch im Dienstleistungsbereich. Für Polen liegen nur aus den drei Branchen „Nahrungs- und Genussmittelgewerbe“, „Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten, Elektrotechnik“ und dem Fahrzeugbau entsprechende Meldungen vor. Nennenswerte Angaben für Tschechien finden sich ebenfalls nur in den Wirtschaftszweigen „Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten, Elektrotechnik“ und dem Fahrzeugbau und für Ungarn aus den Branchen „Metallerzeugung- und -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen“ und „Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten, Elektrotechnik“. 115 Abbildung V.1 Anteil der Unternehmen mit Betriebsrat - Angaben in % - 80 65,2 60 40 25,3 25,6 Tschechien Ungarn 17,1 20 0 Sachsen Polen Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. 2.1.4 Betriebsklima Im Hinblick auf die Beurteilung der zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft bestehenden Beziehungen müssen sich die sächsischen Unternehmen hinter Polen einreihen, liegen aber vor den beiden anderen MOE-Ländern (vgl. Abbildung V.2). Rund 90 % der antwortenden Unternehmen beurteilen das Verhältnis zwischen Management und Belegschaft als „sehr gut“ (25 %) oder „gut“ (66 %). Auch in Polen entfällt mit rund 89 % - wie in Tschechien und Ungarn mit jeweils rund 80 % - das Urteil auf diese beiden Wertungen. Das hieraus resultierende Gesamtbild zeigt im MOE-Länder-Vergleich, dass das Betriebsklima in Polen am besten beurteilt wurde und Ungarn und Tschechien ähnliche Befunde aufweisen. Bei einer nach Unternehmensgrößenklassen differenzierten Betrachtung ist festzustellen, dass die Ergebnisse für Tschechien - mit Ausnahme der größten Beschäftigtenkategorie - teilweise deutlich schlechter ausfallen als für die beiden anderen Vergleichsländer. 116 Abbildung V.2 Beurteilung der Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft - Durchschnittswerte a) - 3,0 2,5 2,0 2,2 1,9 1,8 Sachsen Polen 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 Tschechien Ungarn a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Ein relevanter Faktor hierfür - ebenso wie für die Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften - ist die Besetzung der Unternehmensleitungen in den betrachteten MOE-Ländern mit aus Deutschland entsandten Kräften oder mit aus dem jeweiligen Sitzland rekrutierten Management. Abbildung V.3 zeigt, dass insgesamt betrachtet die Unterschiede zwischen den drei MOE-Ländern nicht ins Gewicht fallen und jeweils rund die Hälfte der Tochterfirmen von deutschem Führungspersonal geleitet werden. Nur in einigen der interviewten Unternehmen war eine Doppelspitze mit einem aus dem jeweiligen Sitzland stammenden leitenden Angestellten anzutreffen. Dagegen ist das mittlere Management - vor allem im technischen Bereich - überwiegend mit einheimischen Führungskräften besetzt. Typisch ist folgender Satz eines Gesprächspartners: „Wenn nicht die erste Garnitur an Führungskräften aus Deutschland kommt, dann ist die entsandte zweite Garnitur schlechter als die erste aus Land XY.“ Deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern ergeben sich in der größenklassenspezifischen Differenzierung. So haben 70 % der befragten Unternehmen mit unter 50 Beschäftigten in Polen eine deutsche Leitung, während dies in Tschechien nur bei einem Drittel der Fall ist und in Ungarn nur etwa je- 117 des zweite Unternehmen dieser Größenordnung eine deutsche Geschäftsführung hat. Bei der nächsten Größenklasse (50 bis 199 Beschäftigte) kehrt sich die Rangfolge um, wobei über die Hälfte der Unternehmen in Ungarn eine deutsche Leitung aufweist, aber nur rund 39 % der Unternehmen in Polen. Bei den größeren Unternehmen mit 500 bis unter 1.000 Beschäftigten kommt in Tschechien das Management ausschließlich aus Deutschland und bei den noch größeren Unternehmen immerhin noch zu über 70 %. In Polen und Ungarn liegen die Vergleichswerte bei 33 1/3 %. Lediglich das Führungspersonal der höchsten Beschäftigtengrößenklasse kommt bei der Hälfte der Unternehmen in Polen aus Deutschland. Abbildung V.3 Unternehmen mit deutscher Unternehmensleitung - Angaben in % - 100 87 80 60 50 48 45 Polen Tschechien Ungarn 40 20 0 Sachsen Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. In Polen werden die Branchen „Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen“ und „Herstellung von Büromaschinen und DV-Geräten, Elektrotechnik“ mehrheitlich von inländischem Führungspersonal geleitet. In Tschechien fallen neben dem Metallbereich noch die Wirtschaftszweige „Holz-, Papier-, Druck- und Verlagsgewerbe“ sowie „Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ darunter. Auch in Ungarn wird die Metallbranche überwiegend von einheimischen Managern geleitet, ebenso der Glas- und Keramiksektor, aber auch der „Maschinenbau“. 118 Von den in Sachsen ansässigen Tochterunternehmen deutscher und ausländischer Investoren werden nur 13 % von einem nicht-deutschen Top-Management geleitet. Diese sechs Fälle sind gleichmäßig auf die Unternehmensgrößenklassen „unter 50“, „unter 200“ und „unter 500“ Beschäftigte verteilt. 2.1.5 Qualifikation und Verfügbarkeit von Mitarbeitern Die sächsischen Befragungsteilnehmer beurteilen das Qualifikationsniveau ihrer Mitarbeiter durchweg als „gut“ (vgl. Tabelle V.9). Lediglich angelernte und ungelernte Arbeiter erhalten die Note „befriedigend“ und werden damit ebenso eingeschätzt wie ihre Kollegen in den drei mittel- und osteuropäischen Vergleichsregionen, während das mittlere Management, die kaufmännischen Angestellten und die Facharbeiter in Sachsen am besten benotet werden. Die Qualifikation der Mitarbeiter in den Unternehmen deutscher Investoren wird in allen drei MOE-Ländern ebenfalls deutlich überdurchschnittlich beurteilt. Während das mittlere Management und die Facharbeiter in den untersuchten Ländern nahezu gleich gute Noten erhalten, wird die Qualität kaufmännischer Angestellter von den in Polen ansässigen Unternehmen etwas schlechter bewertet. Bezüglich der Qualität angelernter und ungelernter Arbeiter ergibt sich im Durchschnitt das Urteil „befriedigend“. Differenziert nach Größenklassen und Branchenzugehörigkeit sind keine gravierenden Abweichungen in der Beurteilung festzustellen. Die auf die Bewertung „sehr gut“ bis „befriedigend“ entfallenden Meldeanteile liegen in beiden Segmenten zwischen 70 und 90 %. Die Qualifikation determiniert neben anderen Einflussfaktoren entscheidend die Lohnhöhe. Aus den Unternehmensgesprächen ergab sich, dass alle international tätigen Unternehmen an den Standorten in Mittel- und Osteuropa deutlich überdurchschnittliche Löhne bezahlen. Ein Beispiel aus Polen zeigt, dass der Monatsverdienst eines Arbeiters bei einem Multi das Doppelte eines Arbeiters in einem rein polnischen Unternehmen betragen kann (2.000 Zl/545 € zu 1.000 Zl/270 €). Für Führungskräfte ist die Bezahlung in Polen so hoch wie in Deutschland, wobei Spitzenverdiener 40.000 Zl/Monat (10.870 €) erzielen. Das Durchschnittsgehalt der Manager liegt aber bei 25.000 Zl/Monat (6.790 €). Hierbei ist auch die Anpassungsgeschwindigkeit der Lohnentwicklung eine für Investitionsentscheidungen relevante Größe. So hat sich im Falle eines deutschen Investors in Ungarn der Lohn für die zu den Spitzenverdienern in diesem 119 Werk zählenden NC-Fräser (Stundenlohn in Ungarn 5 €, in Deutschland 18 €) in den letzten fünf Jahren dreimal erhöht und bei Angelernten, deren Durchschnittslohn sich in diesem Beispiel auf 1,50 €/Stunde (Brutto plus Prämie) belief, immerhin noch zweimal. Ebenso musste ein Unternehmen in Tschechien den vor einigen Jahren noch geltenden Stundenlohn von 1,80 € deutlich anheben. Trotzdem ist der heutige Stundensatz noch vier- bis fünfmal niedriger als in Deutschland. Tabelle V.9 Beurteilung der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Qualifikation - Durchschnittswertea) Beurteilung bezüglich Sachsen Polen Tschechien Ungarn - mittleres Management 2,0 2,3 2,2 2,2 - kaufmännische Angestellte 2,0 2,6 2,3 2,2 - Facharbeiter 2,0 2,3 2,2 2,3 - an- und ungelernte Arbeiter 2,7 2,7 2,7 2,8 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Diese Spanne relativiert sich jedoch bei der Betrachtung der Lohnstückkosten, also unter Einbeziehung des Outputs pro geleisteter Arbeitsstunde bzw. pro Arbeiter. Ein weiteres Beispiel aus Ungarn zeigt, dass dortige Firmen unter inländischer Regie einen Pro-Kopf-Umsatz von rund 11.250 € (3 Mill. Ft) erzielen. Ausgehend davon, dass in Deutschland ein Arbeiter den gleichen Output erwirtschaftet wie sechs Arbeiter in Ungarn, summieren sich auch die in Ungarn gezahlten Löhne zum Lohnniveau in Deutschland auf, sodass der angebliche Produktionskostenvorteil nivelliert wird. Dieser in Nuancen in allen drei Ländern zu beobachtende Tatbestand, wird von ausländischen Investoren dahin gehend kommentiert, dass auch von Seiten der Politik auf Effektivität der Arbeitsprozesse nicht so großen Wert gelegt wird, um eine höhere Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Der Preis hierfür ist eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen. Die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter ist ein wichtiger Standortfaktor für die Investoren. Die diesbezügliche Einschätzung der sächsischen Unternehmen fällt zwar differenziert aus, lässt sich aber dahingehend interpretieren, dass - mit Ausnahme von Ingenieuren - die Beschaffung von kaufmännischem Personal und Facharbeitern keine großen und die Verfügbarkeit von angelernten Mitar- 120 beitern nur geringe Probleme darstellen (vgl. Tabelle V.10). In den drei MOEVergleichsländern stellt sich dieser Sachverhalt für alle Berufsgruppen schwieriger dar, mit Ausnahme der etwas günstigeren Verfügbarkeit von Ingenieuren in Polen und in Ungarn. Je nach Standort in den drei MOE-Ländern stellen sich die Beschaffungsschwierigkeiten im Vergleich untereinander unterschiedlich schwierig dar. Die Anwerbung kaufmännischer Angestellter stellt die deutschen Tochterunternehmen in Polen und Tschechien im Durchschnitt vor ein mittelschweres Problem. In Ungarn scheint dagegen die Gewinnung von Mitarbeitern für diesen Bereich eher kleinere Probleme zu bereiten. Qualifizierte Ingenieure und Facharbeiter sind in Tschechien am schwierigsten zu beschaffen, während dies von den Unternehmen in Polen und Ungarn nur als ein mittelschweres Problem eingestuft wird. Die Akquirierung ungelernter Mitarbeiter stellt in allen drei Ländern ein vergleichsweise kleines Problem dar. Während sich für Polen im Hinblick auf Größe und Branchenzugehörigkeit der Unternehmen keine auffälligen Häufigkeiten ergeben, sind es in Tschechien insbesondere die kleinsten Unternehmen, die Probleme bei der Beschaffung von kaufmännischen Mitarbeitern, Ingenieuren und Facharbeitern angeben. Dieses Problem melden vor allem Unternehmen aus dem Fahrzeug- und dem Maschinenbau. In Ungarn ist es ebenfalls der Maschinenbau, der Beschaffungsprobleme hinsichtlich kaufmännischer Angestellter und Ingenieuren meldet. Tabelle V.10 Beurteilung der Beschaffungsprobleme qualifizierter Mitarbeiter - Durchschnittswertea) Probleme bezüglich Sachsen Polen Tschechien Ungarn - kaufmännischem Bereich 2,6 3,4 3,4 2,7 - Ingenieuren 3,2 2,9 3,8 3,0 - Facharbeiten 2,7 3,0 3,7 3,0 - angelernten Mitarbeitern 1,9 2,4 2,4 2,2 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (keine = 1 bis sehr große = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. In den Interviews äußerten ausschließlich in Ballungsgebieten ansässige Unternehmen Probleme bei der Beschaffung von Fachkräften mit höherer Qualität, weil dort eine niedrige Arbeitslosigkeit besteht. In Verbindung mit dem Woh- 121 nungsmangel in den Ballungsgebieten ist eine Rekrutierung aus anderen Gebieten nahezu unmöglich. Zudem verhindern die mit dem Pendeln von Arbeitskräften zusammenhängenden Kosten eine entsprechend hohe Mobilität, wie ein Beispiel aus Tschechien zeigt: Ein durchschnittlicher Verdienst von umgerechnet 409 € im Monat in Tschechien entspricht derzeit einer DM-Kaufkraft von 970 €, aber: Sprit- und Autokosten bewegen sich auf Weltniveau, d. h. bei diesem Gehalt lohnen sich 20 km Fahrt zur Arbeit nicht mehr. Andererseits besteht in den Regionen mit noch quantitativ hohem Mitarbeiterpotenzial (z. B. Ostungarn und Ostpolen) ein Qualitätsproblem. Diese Aussage trifft auch für Regionen in Tschechien zu, in denen früher schwerpunktmäßig Bergbau oder Schwerindustrie angesiedelt waren. 2.1.6 Anlernzeiten Neu angeworbene Mitarbeiter können meistens nicht gleich in die betrieblichen Abläufe integriert werden, sondern müssen erst eine gewisse Einarbeitungszeit absolvieren. Auch Führungskräfte sind hiervon nicht ausgenommen. In Sachsen benötigt in 39 % der meldenden Unternehmen die Managementausbildung rund vier Monate und in einem gleich großen Anteil der Unternehmen vier Monate bis knapp einem Jahr (vgl. Tabelle V.11). Gegenüber den MOE-Vergleichsländern benötigen damit in Sachsen mehr Unternehmen eine längere Zeit für diese Phase. Auch im Angestelltenbereich ist in Sachsen nach einem Vierteljahr erst bei 46 % der antwortenden Unternehmen das Personal auf dem betrieblichen Anforderungsstand, während dies in Polen im gleichen Zeitraum immerhin schon in 50 % der Unternehmen der Fall ist, in Tschechien in 75 % und in Ungarn sogar in 83 %. Die gleiche Reihenfolge ergibt sich auch bei der Facharbeiterschaft. Hier attestieren in Sachsen nach einem Vierteljahr 59 % der Unternehmen, dass die Facharbeiter entsprechend angelernt sind, in Polen tun dies im gleichen Zeitraum 67 %, in Tschechien 75 % und in Ungarn 87 % der befragten Unternehmen. Bei Hilfsarbeitern ist die Situation in allen betrachteten Regionen ähnlich, wobei nach zwei Monaten in fast allen Betrieben die hierfür vorgesehenen Kräfte voll einsetzbar sind. Die bis auf den Hilfsarbeiterbereich für Sachsen im Vergleich mit den MOELändern durchgängig ermittelten längeren Anlernzeiten hängen zum einen mit den unterschiedlichen Anforderungsprofilen an die jeweilige Tätigkeit in den 122 einzelnen Ländern zusammen und zum anderen mit der in Sachsen gebotenen größeren Palette an unternehmensinternen und -externen Ausbildungsmöglichkeiten in Form von Seminarteilnahmen, aufwendigen Traineeprogrammen u. ä., deren Anspruchsniveau sich an westdeutschen Maßstäben orientiert. Tabelle V.11 Umfang der Anlernzeiten neuer Mitarbeiter - Angaben in % Zeitraum (in Wochen) bis 4 Sachsen Fü Polen Tschechien Ungarn A F H Fü A F H Fü A F H Fü A F H - 7 37 84 3 11 37 79 1 18 34 86 13 30 45 87 4 bis 8 13 23 11 10 3 20 12 15 9 29 27 11 11 31 25 6 9 bis 12 23 16 21 3 28 29 18 3 26 28 14 2 32 22 17 3 13 bis 16 3 12 13 - - 6 6 - 8 6 5 1 6 7 2 3 17 bis 20 13 16 5 - 9 11 12 3 9 8 3 - 8 3 1 - 21 bis 24 3 2 3 - 3 - - 7 3 4 - 5 - 1 - 25 bis 48 23 16 8 3 18 17 6 - 22 6 11 - 9 5 5 1 49 bis 72 13 5 3 - 18 3 6 - 15 - 1 - 13 2 3 - 73 bis 96 3 3 - - - - 3 - - - - - - - 1 - 97 bis 120 8 - - - 12 - - 2 1 1 - 1 - - - 121 bis 144 - - - - - - - - - - - - 2 - - - - - - - 6 3 - - 1 1 - - - - - - über 144 Anm.: Fü = Führungskräfte, A = Angestellte, F = Facharbeiter, H = Hilfsarbeiter. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Im MOE-Länder internen Vergleich entfallen in Polen und Tschechien noch nennenswerte Häufigkeiten auf Zeiträume von einem halben Jahr bis knapp anderthalb Jahre Einarbeitungszeit für den Managementbereich. In Ungarn geben dagegen jeweils über 10 % der Unternehmen auch Fristen von weniger als einem Monat oder zwischen einem und zwei Monaten für die Einarbeitung an. Der Großteil der Unternehmen in allen drei Ländern (zwischen 60 und 80 %) setzen für die Einarbeitung von Angestellten - vor allem im kaufmännischen Bereich - einen Zeitraum bis zu 12 Wochen an. Diese Einarbeitungsfristen gelten auch für Facharbeiter, wobei mehr als ein Drittel schon nach vier Wochen mit den Gegebenheiten des Unternehmens gut vertraut sind. Größenklassenund branchenspezifisch streuen die Angaben sehr stark, sodass Einzelaussagen kaum möglich sind. 123 Das Thema Einarbeitungs- bzw. Ausbildungszeit war bei fast jedem Unternehmensgespräch ein wichtiges Thema. Unabhängig von der Branche wurden hierfür übereinstimmend Fristen von bis zu einem Jahr für die Qualifizierung von Ingenieuren und Technikern in den Unternehmenszentralen in Deutschland genannt. Im Facharbeiterbereich ist ein in den drei Ländern fehlendes Ausbildungssystem, das mit dem deutschen dualen System vergleichbar wäre, ein großes Manko. Über erste Ansätze, eine duale Berufsausbildung zu etablieren, wurde in Budapest und in Warschau berichtet. Bis derartige Initiativen sich flächendeckend auswirken, bleibt den Unternehmen zur Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der Produktivität kein anderer Ausweg, als betriebsinterne Aus- und Weiterbildung zu betreiben und entsprechende Anreizsysteme zu bieten, um gut ausgebildete Mitarbeiter im Betrieb zu halten. 2.2 Industrielle Infrastruktur 2.2.1 Vorleistungsbezug Die von den Unternehmen für die Produktion am jeweiligen Standort erforderlichen Vorleistungen wie Rohstoffe, Vorprodukte oder Bauteile können aus dem Land stammen, in dem der Investor seinen Sitz hat, von der Muttergesellschaft aus Deutschland bezogen werden oder aus einem Drittland importiert werden. Wie Tabelle V.12 zeigt, beziehen die in Sachsen ansässigen Unternehmen in etwa gleichgewichtig ihre Vorleistungen aus dem eigenen Bundesland, den übrigen Bundesländern oder dem Ausland. Beim Vergleich der in den MOELändern ansässigen Unternehmen ist zu erkennen, dass sie zum größten Teil ihre Vorleistungen aus dem jeweiligen Sitzland oder aus Deutschland beziehen. Drittländer tragen hierzu nur bei knapp der Hälfte der Unternehmen in Tschechien, bis zu knapp zwei Dritteln bei den in Polen produzierenden Betrieben bei. Nahezu alle Unternehmen in Polen und Tschechien nutzen entsprechende Versorgungsquellen in Deutschland, in Ungarn sind es nur knapp 80 % der deutschen Tochterunternehmen. Hier kommt der Hauptanteil aus dem eigenen Land. 124 Tabelle V.12 Bedeutung und Quellen der bezogenen Vorleistungen - Angaben in %; Mehrfachnennungen möglich Sachsen Polen Tschechien Ungarn SN aBL aL S D aL S D aL S D aL 95 89 95 87 97 65 94 96 49 93 79 60 von 1 % bis 20 % 44 15 54 26 30 75 28 26 67 32 27 71 mehr als 20 % bis 40 % 19 49 14 22 14 20 17 14 25 10 12 25 mehr als 40 % bis 60 % 22 18 17 19 30 - 26 24 4 13 15 - mehr als 60 % bis 80 % 6 18 9 22 13 - 8 16 4 14 19 4 mehr als 80 % bis 100 % 8 - 6 11 13 5 21 20 - 31 27 - Durchschnittliche Quote 32 38 30 39 49 12 45 46 9 48 42 10 ... % der Unternehmen beziehen Vorleistungen aus ... davon beziehen ... % der Unternehmen im Umfang Anm.: SN = Sachsen, aBL = andere Bundesländer, S = Sitzland, D = Deutschland, aL = andere Länder. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Im Durchschnitt enthalten die in Polen hergestellten Produkte knapp 50 % Vorleistungsanteil aus Deutschland, während die Produkte in Tschechien tätiger Unternehmen nur einen Anteil von 46 % aufweisen und in Ungarn der Vorleistungsanteil aus Deutschland lediglich 42 % beträgt. Demgegenüber enthalten ungarische Produkte den höchsten einheimischen Anteil, aber auch den höchsten Anteil von aus Drittländern stammenden Vorleistungen. 2.2.2 Qualität der inländischen Zulieferer Die Unternehmen am Standort Sachsen sind mit Zulieferanten sehr zufrieden (vgl. Abbildung V.4). Dieses Urteil dürfte sich primär auf die Qualität der von in Sachsen oder in anderen deutschen Bundesländern ansässigen Betrieben gelieferten Produkte stützen. Im Vergleich zu den MOE-Ländern ist dies die beste Beurteilung der Zuliefererseite. Ihre Zulieferer im jeweiligen MOE-Sitzland bewerten die Unternehmen mit „gut bis befriedigend“ im Durchschnitt schlechter als die sächsischen Unternehmen. Noch schlechtere Noten vergeben nur die größten Unternehmen in Polen (1.000 und mehr Beschäftigte) und die Unternehmen mit 500 bis 999 Beschäftigten in Ungarn, die sich eher weniger zufrieden äußern. In Polen sind es Unternehmen aus der Investitionsgüterindustrie (Metallbranche, Maschinenund Fahrzeugbau, DV-Industrie und Elektrotechnik), die mit der Qualität ihrer 125 Zulieferer unzufrieden sind, während in Ungarn daneben auch vereinzelt Unternehmen aus der Grundstoff- und Konsumgüterindustrie schlechte Noten vergeben. Abbildung V.4 Beurteilung der Qualifikation inländischer Zulieferer - Durchschnittswertea) - 3,5 3,0 2,5 2,7 2,6 2,5 Polen Tschechien Ungarn 2,1 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 Sachsen a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Die Formulierung „inländischer Zulieferer“ bezeichnet nicht notwendigerweise ein polnisches, tschechisches oder ungarisches Unternehmen. Viele Lieferanten der an der Umfrage beteiligten Unternehmen sind ebenfalls Töchter deutscher Investoren und haben sich im Gefolge ihrer Kunden in dem jeweiligen Sitzland niedergelassen. Die Erhöhung des Qualitätsniveaus ihrer Zulieferer ist ein laufendes Anliegen der beziehenden Unternehmen. Hierzu setzen sie eine breite Palette an Maßnahmen ein (vgl. Tabelle V.13). Das Ergebnis zeigt, dass über 60 % der in Sachsen ansässigen Unternehmen auf Zulieferer zurückgreifen können, die die mit dem Begriff des Qualitätsmanagements verbundenen Produkt- und Produktionsstandards praktizieren. Nach Vorgaben arbeiten nur für jedes fünfte Unternehmen die beauftragten Zulieferanten. Zwar stehen auch in allen drei MOE-Ländern Elemente des Qualitätsmanagements, wie sie in den einschlägigen Normen ISO 9001 u. ä. enthalten sind, im Vordergrund der Qualitätssicherung, aber in deutlich geringerem Umfang wie in 126 Sachsen. An zweiter Stelle stehen die Vorgaben der Vorleistungen beziehenden Unternehmen, die die Zulieferer vertraglich binden, bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten. Tabelle V.13 Maßnahmen zur Erhöhung des Qualitätsniveaus von Zulieferern - Angaben in % Sachsen Qualitätsmanagement Polen Tschechien Ungarn 61,3 44,4 37,3 34,5 Beratung 6,5 14,8 10,2 17,2 Schulung 12,9 7,4 10,2 12,1 Vorgaben 19,4 25,9 35,6 22,4 Reklamation 0 3,7 3,4 5,2 Wechsel des Zulieferers 0 3,7 3,4 8,6 Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Beratung und Schulung der Zulieferer durch die jeweiligen Bezieher ist auch ein häufig gewählter Weg, um das Qualitätsniveau zu sichern oder zu erhöhen. Die Beschränkung auf bloße Reklamation fehlender Qualitätseigenschaften wird nur von wenigen Unternehmen als einzige Maßnahme zur Abstellung der Mängel angesehen, ebenso der Wechsel zu einem leistungsfähigeren Zulieferanten. 2.2.3 Nutzung des inländischen FuE-Potenzials Umfasst die Produktionspalette der Unternehmen nur Standardprodukte, kommen sie in der Regel ohne anspruchsvolles externes Know-how, gewissermaßen mit den Bordmitteln des eigenen Betriebes aus. Sollen jedoch neue Produkte entwickelt und produziert werden, ist entsprechendes Know-how erforderlich, das entweder aus den Unternehmen selbst, aus den Muttergesellschaften oder aus externen in- oder ausländischen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen (FuE) stammen kann. Die Angaben in Tabelle V.14 zeigen einen hohen Know-how-Bedarf der in Sachsen ansässigen Unternehmen. Jedes vierte Unternehmen nutzt regelmäßig das von Universitäten produzierte Wissen und immerhin noch knapp die Hälfte greift fallweise darauf zurück. Ebenso werden die anderen externen Know-how-Produzenten von Fall zu Fall von immerhin 30 % bis 40 % der Un- 127 ternehmen in Anspruch genommen. Hierin kommt die Bedeutung der sächsischen Forschungslandschaft als wichtigem Standortfaktor zum Ausdruck. Ein Blick auf die Nutzungsintensität solcher Einrichtungen in den MOE-Vergleichsländern zeigt, dass der Anteil der Unternehmen, die permanent mit entsprechenden Einrichtungen in Kontakt sind, verschwindend gering ist. Ist dies jedoch der Fall, dann sind auch in allen drei Ländern primär Universitäten die Kooperationspartner dieser Unternehmen. Tabelle V.14 Nutzungsintensität inländischer FuE-Einrichtungen - Angaben in % Sachsen Polen FuE-Einrichtung a b c Universitäten 26 46 28 Außeruniversitäre staatliche FuE-Einrichtungen a Tschechien b c 8 44 47 a Ungarn b c a b c 7 33 60 11 34 55 10 43 47 3 51 46 1 26 73 1 29 70 Private FuE-Einrichtungen 5 30 65 - 44 56 1 26 73 1 28 71 Sonstige FuE-Einrichtungen 6 31 63 3 30 67 1 25 74 7 20 73 Anm.: a = regelmäßig, b = fallweise, c = nie. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Etwa 30 bis 40 % der Unternehmen nutzen zumindest von Fall zu Fall die FuEEinrichtungen ihres Sitzlandes als Know-how-Quelle. Auch hier sind die Universitäten die am häufigsten in Anspruch genommenen Einrichtungen, gefolgt von den außeruniversitären staatlichen Forschungsinstitutionen sowie von privaten oder in sonstiger Trägerschaft befindlichen Einrichtungen. In den drei Ländern finden sich einzelne Unternehmen in allen Wirtschaftszweigen, die zumindest manchmal auf das FuE-Potenzial des Sitzlandes zugreifen. Bei den regelmäßig Kontakt haltenden Unternehmen finden sich eher solche aus den Branchen Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Elektrotechnik. Ein in den Unternehmensgesprächen mehrfach genannter Grund für eine Kooperation mit den Hochschulen ist die Akquisition von Absolventen primär technischer Disziplinen. 128 2.3 Qualität der Infrastrukturausstattung Produzierende Unternehmen müssen für ihren Geschäftsbetrieb mit Rohmaterialien und/oder Vorprodukten beliefert werden und ihre Halb- und/oder Fertigerzeugnisse vertreiben. Deshalb sind die Qualität der Straßen, Verkehrsdichte u. a. m. wichtige Faktoren für die Durchführung der logistischen Prozesse. Die in Sachsen tätigen Unternehmen beurteilen die hier vorzufindenden Verhältnisse nur zufriedenstellend, d. h. noch verbesserungsfähig (vgl. Abbildung V.5). Im Vergleich mit den drei MOE-Ländern fallen die Aussagen für Tschechien und Ungarn in etwa ähnlich aus, während die Situation in Polen deutlich schlechter eingeschätzt wird. Der Bewertung der Verkehrsverhältnisse in Sachsen dürften die Respondenten einen Vergleich mit der Situation in Westdeutschland zugrunde gelegt haben und eine vergleichbare Situation auch für Sachsen postulieren. Allerdings bleibt auch die häufig in der Öffentlichkeit geführte Diskussion über einen Nachholbedarf Ostdeutschlands bei der Infrastrukturausstattung nicht ohne Einfluss auf eine Beurteilung dieses Sachverhalts. Abbildung V.5 Beurteilung der für die Logistik relevanten Verkehrsverhältnisse - Durchschnittswertea) - 5,0 3,8 4,0 3,0 2,7 2,6 2,5 Tschechien Ungarn 2,0 1,0 0,0 Sachsen Polen a) Angegebene Werte sind Mittelw erte aus sechs Antw ortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Die Ergebnisse zeigen im internen MOE-Vergleich einen deutlichen Unterschied in der Qualitätsbeurteilung durch die in Ungarn oder Tschechien ansäs- 129 sigen Unternehmen, welche die vorzufindenden Verkehrsverhältnisse insgesamt gesehen ebenfalls als zufriedenstellend bewerten, während die Situation in Polen als „unbefriedigend“ angesehen wird. Übereinstimmend schilderten die in Polen interviewten Gesprächspartner mit zum Teil drastischen Beispielen die chaotischen Straßenverkehrsverhältnisse. Primär liegt dies an einem nahezu gänzlich fehlenden Autobahnnetz. Die in Sachsen verfügbare moderne Telekommunikationsinfrastruktur drückt sich in der Bestnote aus, die die sächsischen Unternehmen hierfür im Vergleich zu den anderen Vergleichsregionen vergeben, wobei der Abstand zu Ungarn nur gering und zu Polen deutlich ausfällt (vgl. Abbildung V.6). Abbildung V.6 Beurteilung der Qualität der Telekommunikationsinfrastruktur - Durchschnittswertea) - 4,0 2,9 3,0 2,3 2,0 1,9 2,0 1,0 0,0 Sachsen Polen Tschechien Ungarn a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Für die MOE-Länder untereinander ergibt die Beurteilung in diesem Punkt die gleiche Länderreihenfolge, aber mit weniger deutlichem Abstand zu dem Urteil der in Polen ansässigen Unternehmen, die immerhin den Zustand als „befriedigend“ bewerten, während für Ungarn das Urteil „gut“ lautet, ebenso mit leichten Abstrichen auch für Tschechien. Dieser Befund wird durch die Unternehmensgespräche in den drei Ländern gestützt, wobei lediglich seitens der polnischen Gesprächspartner auf Leistungs- 130 mängel der Telekommunikationsinfrastruktur (z. B. zu geringe Übertragungsgeschwindigkeiten für Daten und Bilder) hingewiesen wurde. 2.4 Qualität der öffentlichen Dienste und der Verwaltung 2.4.1 Image von Behörden Das Urteil der sächsischen Unternehmen bezüglich der Reaktionen von Behörden auf Landes- oder kommunaler Ebene auf ihre betrieblichen Anliegen lässt sich mit dem Begriff „zuvorkommend“ beschreiben (vgl. Tabelle V.15). Allerdings gilt auch für Sachsen wie für die Befunde in den MOE-Vergleichsländern, dass die Zoll- und Steuerbehörden demgegenüber etwas schlechter abschneiden. Das von den deutschen Unternehmen in den MOE-Sitzländern über die Arbeitsweise des jeweiligen Behördenapparats abgegebene Urteil lässt sich nur schwer mit dem Bild eines kundenfreundlichen Dienstleistungsunternehmens in Einklang bringen. Tabelle V.15 Beurteilung der Reaktionsweise von Behörden auf betriebliche Anliegen - Durchschnittswertea) Sachsen Polen Tschechien Ungarn Regierungsbehörden 2,3 3,4 3,2 3,0 Kommunen 2,4 2,9 2,5 2,8 Zoll-/Steuerbehörden 2,7 4,0 3,2 3,4 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (äußerst hilfsbereit = 1 bis oppositionell = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Am besten werden in allen drei mittel- und osteuropäischen Ländern die kommunalen Behörden bewertet, mit denen die Unternehmen im Allgemeinen die geringsten Probleme haben. Anders sieht es mit den häufig vom eigentlichen Unternehmensstandort weit entfernten Regierungsstellen auf regionaler oder landesweiter Ebene aus, deren Verhalten nicht zur vollen Zufriedenheit der Unternehmen ausfällt. Noch schlechter werden zumindest in Ungarn und Polen die Zoll-/Steuerbehörden beurteilt. Exemplarisch hierzu soll eine Aussage eines deutschen Geschäftsführers in Ungarn dienen: „Der Zoll ist unser größter Geg- 131 ner. Jede Lieferung bereitet irgendein Problem, vor allem Maschinenteile, die zur Reparatur nach Deutschland und retour geschickt werden.“ 2.4.2 Einhaltung von Zusagen Das von den Unternehmen in allen vier Regionen über die Reaktionen der Behörden gezeichnete Bild hängt nicht zuletzt mit der Beurteilung deren Verlässlichkeit im Hinblick auf die Einhaltung einmal gegebener Zusagen zusammen. Hierbei zeigt sich, dass die sächsischen Unternehmen diesbezüglich keine Klagen vorzubringen haben und der Einhaltungsquote der Behörden in Sachsen die Bestnote unter allen Vergleichsregionen erteilen (vgl. Abbildung V.7). Die entsprechende Benotung durch die in Tschechien und Ungarn ansässigen Unternehmen lässt vermuten, dass derartige Zusagen meistens seitens der Behörden eingehalten werden. In Polen reicht es nur zum Urteil „häufig eingehalten“. Abbildung V.7 Beurteilung der Einhaltung von behördlichen Zusagen - Durchschnittswertea) - 4,0 3,2 3,0 2,0 2,4 2,4 Tschechien Ungarn 2,0 1,0 0,0 Sachsen Polen a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (immer = 1 bis niemals = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Über die Beeinträchtigung der getätigten Direktinvestition durch einen überwiegend problematischen Umgang mit den Behörden klagte fast jeder deutsche Gesprächspartner in Polen. Beispielhaft soll hier die Zusage für den Bahnanschluss eines Werkes in Südpolen genannt werden, dessen Genehmigung sei- 132 tens der Zentralbehörde in Warschau schriftlich vorliegt, dessen Umsetzung jedoch an der Arbeitsweise der nachgelagerten Behörden gescheitert ist. Der Gesprächspartner postulierte aus dieser Erfahrung heraus, dass die polnischen Behörden zuverlässiger und schneller werden müssen. In bestimmten sensiblen Märkten (z. B. landwirtschaftliche Produkte) werden im Zusammenhang mit Privatisierungsvorhaben stehende administrative Vorgänge auch seitens politischer Institutionen mit Rücksicht auf das eigene Wählerpotenzial verzögert. 2.4.3 Fristen für Behördenvorgänge Ansiedlungswilligen Unternehmen können schwerwiegende Probleme daraus entstehen, dass die mit bestimmten Verwaltungsvorgängen verbundenen Bearbeitungszeiten sich unvertretbar lange hinziehen. Von Unternehmensseite werden die für die Gründung eines Unternehmens und für die Erteilung von Förderzusagen in Sachsen verstreichenden Zeiträume als den eigenen Erwartungen weitgehend entsprechend angesehen, lediglich die Fristen für die Erteilung von Baugenehmigungen werden leicht ungünstiger beurteilt (vgl. Tabelle V.16). Beim Vergleich mit den MOE-Ländern sind - außer bei Gründungs- und Genehmigungsformalitäten in Ungarn - deutliche Abstände, die teilweise nahezu bei zwei Benotungspunkten liegen, zu konstatieren. Während im internen MOE-Ländervergleich die Fristen im Zusammenhang mit der Gründung eines Unternehmens in Polen und Tschechien noch weitgehend als akzeptabel angesehen werden und die Erwartungen der Unternehmen in Ungarn nahezu erfüllt werden, werden die Fristen für die Erteilung von Baugenehmigungen in Polen und Ungarn im Vergleich dazu graduell etwas schlechter bewertet. Am schlechtesten werden in allen drei Ländern die Bearbeitungszeiten für Förderanträge beurteilt, die als gerade noch akzeptabel gelten. Tabelle V.16 Beurteilung der im Verkehr mit Behörden in Kauf zu nehmenden Fristen - Durchschnittswertea) Beim Vorgang Sachsen Polen Tschechien Ungarn - Gründung eines Unternehmens 2,5 3,1 3,5 2,3 - Baugenehmigung 2,9 3,5 3,5 2,9 - Förderzusage 2,5 4,3 4,0 3,4 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (Fristen entsprechen den betrieblichen Erwartungen völlig = 1 bis Fristen entsprechen den betrieblichen Erwartungen überhaupt nicht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. 133 Ein in Tschechien und Ungarn geschäftlich engagierter Gesprächspartner bezeichnete die Bewältigung und Zeitdauer administrativer Vorgänge für Investoren in Ungarn als wesentlich unkomplizierter als in Tschechien (z. B. Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nahm dort zwei Jahre in Anspruch). Die Gesprächspartner in allen drei Ländern stimmten darin überein, dass für erfolgreiche Investitionen nicht nur der Markt entscheidend ist, sondern schon im Vorfeld ein Partner, der über entsprechende Kontakte zu den relevanten Behörden verfügt und die erforderlichen Vorgänge vor Ort abwickeln kann. 2.4.4 Einflussnahme auf Verwaltungsvorgänge Eine schleppende Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen und die eingeschränkte Verlässlichkeit von Zusagen legt den Einsatz verschiedener Maßnahmen nahe, um diesbezüglich günstigere Situationen zu schaffen. Wie die Befunde in Tabelle V.17 zeigen, ist dieser Zusammenhang für die MOE-Vergleichsländer deutlich ablesbar. In Sachsen korrespondiert die Intensität der von den Unternehmen zur Beschleunigung von Verwaltungsvorgängen angewendeten Instrumentarien mit dem hohen Zufriedenheitsgrad bei der Durchführung administrativer Angelegenheiten. Am häufigsten werden erforderliche Abstimmungsprozesse über den Einsatz persönlicher Kontakte abgewickelt. Dass politische Kontakte hierbei genutzt werden, ist aus Sicht der Unternehmen nur manchmal der Fall. Immerhin wird auch die Zahlung nützlicher Aufwendungen nicht gänzlich ausgeschlossen, wenn auch nur - anders als in den Vergleichsregionen - sehr selten hierzu die Erfordernis besteht. Tabelle V.17 Mitteleinsatz zur Beschleunigung von Verwaltungsvorgängen - Durchschnittswertea) Sachsen Polen Tschechien Ungarn persönliche Kontakte 1,9 1,6 1,6 1,9 politische Kontakte 3,4 2,6 3,7 3,3 nützliche Aufwendungen 5,0 2,8 3,5 3,5 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (immer = 1 bis nie = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. 134 Auch in den drei MOE-Ländern werden von den Unternehmen zur Verkürzung von Verwaltungsvorgängen primär persönliche Kontakte genutzt, die insbesondere auf lokaler Ebene oft zu den entsprechenden Behörden bestehen. Politische Kontakte kommen dagegen eher weniger häufig zum Einsatz. Nicht überraschend ist, dass sogenannte „Beschleunigungszahlungen“ in Polen tendenziell häufiger üblich sind als in Tschechien oder Ungarn. In den Unternehmensgesprächen wurden aber gerade in Bezug auf Ungarn die gravierendsten Vorfälle geschildert. So legte der Geschäftsführer eines metallverarbeitenden Betriebs dar, dass die Verlegung eines Gasanschlusses auf seinem Werksgelände solange hinausgezögert wurde, bis alle 16 beteiligten Firmen „geschmiert“ wurden. Im gleichen Unternehmen hat eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes bei einer Inspektion im Dezember signalisiert, dass sie ein Weihnachtsgeschenk der Firma erwarte, sonst müsse sie einige Beanstandungen melden. Der „Bitte“ wurde entsprochen. Informationen aus Interviews in den beiden anderen Ländern bestätigen diese Aussagen dahingehend, dass solche Zahlungen insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung von Infrastrukturprojekten (z. B. Anschlüsse an Versorgungsnetze, Straßen- und Gleisbau u. ä.) stehen. 2.4.5 Gerichtswesen Ein Weg, um bestehende Rechtsansprüche gegenüber Behörden, anderen Unternehmen oder Privaten durchzusetzen, ist der Gang vor die Gerichte. Wie die Befragungsergebnisse zeigen, wird dieser Weg eher zögerlich von den Unternehmen beschritten und jeweils von Fall zu Fall entschieden (vgl. Tabelle V.18). Die sächsischen Unternehmen sehen die Erfordernis einer gerichtlichen Auseinandersetzung eher selten gegeben. Eine stichprobenartige Nachfrage bei denjenigen Unternehmen, die vor Gericht gegangen sind, ergab überwiegend aus dem allgemeinen Geschäftsbetrieb resultierende Anlässe, wie sie auch an jedem Standort in den alten Bundesländern zum Unternehmensalltag gehören. In allen drei MOE-Ländern sind es vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die mehrheitlich Angaben auf diese Frage mit den Ausprägungen „immer“ oder „oft“ gemacht haben, während die größeren Unternehmen hierbei 135 eher eine zurückhaltende Inanspruchnahme signalisieren. Zur Interpretation dieser Ergebnisse, die sowohl lauten kann „ein Gang vor Gericht ist nicht erforderlich“ oder aber „ein Gang vor Gericht wäre eigentlich erforderlich, ist jedoch sinnlos“, gab es bei den Gesprächen mit Unternehmen in den MOE-Ländern einige erhellende Aussagen. Tabelle V.18 Nutzung von Gerichten zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen - Durchschnittswertea) Sachsen Polen Tschechien Ungarn Verwaltungsgerichte 3,9 3,5 4,0 3,8 Zivilgerichte 3,8 3,5 4,1 3,8 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (immer = 1 bis nie = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. In allen Unternehmensgesprächen in Polen wurde die zu geringe Rechtssicherheit im Land kritisiert. Dafür werden häufige Änderungen bestehender Gesetze oder der Erlass neuer Gesetze verantwortlich gemacht, für die dann entsprechende Durchführungsbestimmungen oft erst zwei Jahre später herauskommen. Die Folge ist, dass die Behörden Gesetze interpretieren, wie sie wollen, weil die Auslegung noch nicht bekannt ist. Diese Situation führt zu einer „Konjunktur“ der Consultants, die zwar viel Geld verdienen, aber den Unternehmen häufig keine brauchbaren Informationen liefern können. Eine mit dem Rechtssystem ungewöhnliche Erfahrung in Polen wurde von allen dort besuchten Gesprächspartnern geschildert, nämlich die Unmöglichkeit, ein Hypothekendarlehen als Finanzierungsquelle zu nutzen, da nicht das Finanzierungsinstitut sondern der Staat mit Vorkaufsrecht an erster Stelle im Grundbuch steht. Falls der Eigentümer Schulden beim Staat nicht begleichen kann, hat dieser den Zugriff auf das Objekt. Es ist nicht verwunderlich, dass kein Kreditinstitut ein derartig schlecht gesichertes Darlehen vergibt. 136 2.5 Staatliche Fördermaßnahmen 2.5.1 Bewilligungsdauer von Fördermaßnahmen Ein wichtiger Aspekt für Investoren ist neben den schon genannten Fristen für verschiedene Verwaltungsakte auch die Dauer der Bewilligung von Fördermaßnahmen für Investitionen. Das von den sächsischen Unternehmen abgegebene Urteil spiegelt die schon zuvor dargestellten Befunde über die große Zufriedenheit mit der Behördenlandschaft wider. Nahezu 80 % der Befragungsteilnehmer - auch in den jeweiligen Unternehmensgrößenklassen - bekunden, dass die Bewilligungsdauer von Fördermaßnahmen aus betrieblicher Sicht voll akzeptierbar sind (vgl. Abbildung V.8). Diese Zustimmungsquote liegt damit 15 Prozentpunkte über der für die MOE-Vergleichsländer günstigsten Beurteilung durch die in Ungarn ansässigen Unternehmen und um über 30 Prozentpunkte über der aus Polen stammenden schlechtesten Bewertung. Abbildung V.8 Beurteilung der Bewilligungsdauer von Fördermaßnahmen - Akzeptanz der Fristen in % - 100 80 78,9 57,4 60 63,8 47,6 40 20 0 Sachsen Quelle: Polen Tschechien Ungarn ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Der interne MOE-Länder-Vergleich zeigt, dass die Einschätzung „Fristen sind akzeptabel“ eine Spanne von knapp 50 % in Polen über etwas mehr als 50 % in Tschechien sowie bis knapp zwei Drittel in Ungarn ausmacht. Keine einheitlichen Ergebnisse zeigen die Unternehmensangaben nach Größenklassen. Während in Polen nur ein Viertel der kleinsten Unternehmen mit der Bewilli- 137 gungsdauer für Fördermaßnahmen zufrieden sind, sind es in Tschechien und Ungarn jeweils über 60 %. 2.5.2 Einhaltung von Zusagen Auch bei der Frage, inwieweit Förderzusagen auch tatsächlich eingehalten werden, zeigt sich das gleiche Bild: Die in Sachsen ansässigen Unternehmen stellen den Zuwendungsgebern ein gutes - im Vergleich aller Regionen das beste - Zeugnis aus, resultierend aus der Tatsache, dass gegebene Zusagen auch meistens eingehalten werden (vgl. Abbildung V.9). Abbildung V.9 Beurteilung der Einhaltung der Förderzusagen - Durchschnittswertea) - 5,0 3,6 4,0 2,9 2,7 Unternehmen in Tschechien Unternehmen in Ungarn 3,0 2,1 2,0 1,0 0,0 Unternehmen in Sachsen Unternehmen in Polen a) Angegebene Werte sind Mittelw erte aus sechs Antw ortkategorien (immer = 1 bis niemals = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. In Bezug auf die MOE-Länder erfährt die Frage nach der Einhaltung von Förderzusagen tendenziell eine schlechtere Beurteilung als die generelle Frage nach der Einhaltung behördlicher Zusagen. Während in Polen das Gesamturteil daraufhin deutet, dass derartige Zusagen nur manchmal eingehalten werden, sind die Unternehmen in Ungarn und Tschechien der Ansicht, dass dies zumindest oft der Fall ist. 138 Überraschender als die oben genannten Ergebnisse waren die Aussagen der Mehrzahl der Gesprächspartner, dass sie keine Investitionsfördermaßnahme in Anspruch genommen haben. Die Zitate hierzu lauten, wie z. B. „habe nicht gewusst, wo Fördermöglichkeit bestehen könnte“ (Polen), „finanzielle Zuschüsse sind Peanuts“ (Polen) oder „Förderung durch den SZÉCHENYI-Plan ist zu kompliziert, deshalb blieb die Firma bislang erfolglos bei der Suche nach Fördergeldern“ (Ungarn). Die Problematik der Inanspruchnahme von Fördermitteln in Tschechien schildert ein interviewtes Unternehmen. Zweimal erhielt das Unternehmen eine 50%ige Förderung vom Staat (510.000 €). Trotz der zwischenzeitlich aufgetretenen konjunkturellen Probleme muss die Firma die geförderten Arbeitsplätze bis 2004 beibehalten, da sonst die Rückzahlung von 10 Mill. Ck (ca. 290.000 €) erfolgen muss. 2.6 Lebensqualität Eine bedeutende Rolle spielen bei Standortentscheidungen die sogenannten „weichen“ Standortfaktoren, vor allem für aus Deutschland zu den ausländischen Niederlassungen entsandtes Personal, welche wichtige Lebensbedingungen des Alltags prägen. Unter den zumeist zwischen „gut“ und „befriedigend“ ausfallenden Urteilen gibt es jedoch einige besonders auffallende Einschätzungen (Tabelle V.19). So nähert sich die Beurteilung des Eigentumsschutzes in Polen eher der Aussage „unbefriedigend“ und die Qualität des öffentlichen Gesundheitswesens wird als ziemlich „schlecht“ eingestuft. Auch das Angebot an internationalen Schulen in Polen wird von den deutschen Managern als unbefriedigend angesehen. Was das kulturelle Angebot betrifft, erhält der Standort Ungarn die Bestnote. Insbesondere bei der Bewertung der „weichen“ Standortfaktoren seitens der in Sachsen ansässigen Unternehmen ist zu vermuten, dass die Antwortenden als Benchmark bei den einzelnen Variablen die jeweilige Situation in Westdeutschland vor Augen hatten und vor dem Hintergrund des Anspruches, gleiche Bedingungen auch am Standort Sachsen realisiert zu sehen, ihr Urteil fällten. Insgesamt schneidet Sachsen im Vergleich zu der Beurteilung der einzelnen Faktoren an den Standorten in den drei MOE-Ländern hervorragend ab - in 139 der Rangfolge des Abstandes zur Bestnote in einem MOE-Land - beim Schutz des Eigentums vor Diebstahl, der Qualität des öffentlichen Gesundheitswesens und der Qualität der Umwelt. Bei der Mehrzahl der Faktoren liegen die Einschätzungen für die jeweilige Situation in Sachsen und in Ungarn auf einem vergleichbaren Level. Demgegenüber fällt die Bewertung einzelner Faktoren in Tschechien teilweise nur gering ab, während sie in Polen fast durchgängig deutlich schlechter ausfällt. Tabelle V.19 Beurteilung verschiedener Faktoren der Lebensqualität - Durchschnittswertea) Sachsen Polen Tschechien Ungarn Schutz für die persönliche Sicherheit 2,4 3,1 2,6 2,2 Schutz des Eigentums gegen Diebstahl 2,9 3,8 3,6 3,3 Qualität des öffentlichen Gesundheitswesens 2,8 4,8 3,3 3,9 Qualität des privaten Gesundheitswesens 2,5 3,1 2,8 2,5 Möglichkeiten zur sportlichen Freizeitgestaltung 2,8 3,3 2,6 2,6 Qualität der Umwelt 2,7 3,5 3,0 3,1 Angebot an internationalen Schulen 3,5 4,1 3,4 2,8 kulturelles Angebot 2,4 3,0 2,7 2,1 a) Angegebene Werte sind Mittelwerte aus sechs Antwortkategorien (sehr gut = 1 bis sehr schlecht = 6). Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Einige bemerkenswerte Ergebnisse zeigt die Beurteilung dieser Standortfaktoren für Sachen, wenn allein diejenigen Unternehmen betrachtet werden, die eine ausländische Unternehmensleitung haben. Fast durchgehend ergibt sich dann eine um mindestens 1/10-Note bessere Bewertung im Vergleich zu allen Antwortenden. Am deutlichsten sind die Unterschiede bei „Möglichkeiten zur sportlichen Freizeitgestaltung“, wobei das ausländische Management hier die Note 2,3 vergibt im Vergleich zur Benotung durch alle Befragten mit dem Wert 2,8. Ähnlich bei dem Faktor „kulturelles Angebot“, wo sich ein Unterschied zwischen 2,0 durch die Gruppe mit ausländischer Unternehmensleitung zu 2,4 durch alle Unternehmen ergibt. Es gibt jedoch auch den umgekehrten Fall: Bei der Einschätzung des „Angebots an internationalen Schulen“ vergeben die von ausländischem Personal geleiteten Unternehmen mit 3,8 eine etwas schlechtere Zensur als die Gesamtheit der Meldenden mit 3,5. Generell indizieren diese Befunde, dass der Standort Sachsen bei ausländischen Unternehmensvertretern ein gutes Image genießt. 140 2.7 Beurteilung der Standortwahl Das Fazit aus den Einzelurteilen der befragten Unternehmen über die an ihrem jeweiligen Standort vorzufindenden Rahmenbedingungen ergibt sich aus den Antworten auf die Frage „ob die getroffene Standortwahl heute nochmals so getroffen würde“. Die Angaben in Tabelle V.20 zeigen, dass nahezu alle in Ungarn ansässigen Unternehmen diese Frage bejahen, während in Tschechien und Polen um die 90 % der Unternehmen die gleiche Wahl noch einmal treffen würden. Auch die in Sachsen befragten Unternehmen würden nahezu komplett den gleichen Standort noch einmal beziehen. Tabelle V.20 Beurteilung der Standortwahl Entscheidung würde nochmals so getroffen seitens der Unternehmen in Angaben in % Sachsen 95,3 Polen 88,9 Tschechien 91,7 Ungarn 96,3 Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Die Gründe für eine erneute Wahl des Standortes sind vielfältig (vgl. Tabelle V.21). In Polen ansässige Unternehmen nennen als Hauptgrund den mit rund 40 Mill. Einwohnern interessanten polnischen Binnenmarkt, gefolgt von der als günstig eingeschätzten Lage des gewählten Standorts (z. B. Nähe zur Grenze oder Zentrallage in Europa). Eine im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit vorteilhafte Gesamtsituation - allgemein als „günstige Rahmenbedingungen“ bezeichnet - sieht rund jedes fünfte antwortende Unternehmen. Niedrige Arbeitskosten sowie hohe Motivation und Flexibilität der Mitarbeiter werden dagegen nur in geringem Umfang explizit genannt. Ebenfalls werden eine gute Zusammenarbeit mit der Administration und das Erreichen der Unternehmensziele eher spärlich attestiert. Allerdings gab knapp ein Drittel der in Polen befragten Unternehmen keine Erläuterungen, was für eine Wiederholung der Standortwahl ausschlaggebend gewesen wäre. 141 Jedes fünfte in Tschechien ansässige Unternehmen verweist auf die günstige Standortlage, insbesondere zur Grenze, was in den meisten Fällen gleichbedeutend mit einer günstigen Entfernung zur Muttergesellschaft ist. Daneben spielen Flexibilität und Qualität der Arbeitskräfte sowie niedrige Arbeitskosten nicht die herausragende Rolle. Auch der Faktor „Absatzmarkt“ ist kein schlagendes Argument für eine erneute Standortwahl. Allerdings liegen die viele Faktoren abdeckenden Sammelposten „günstige Gesamtsituation“ und „Erreichung der Unternehmensziele“ zusammen genommen über dem Wert für Polen. Auch in Tschechien machten über zwei Drittel der Unternehmen keine näheren Angaben, weshalb sie die gleich Standortwahl nochmals treffen würden. Tabelle V.21 Gründe für eine Wiederholung der Standortwahl - Angaben in % Entscheidung würde nochmals so getroffen seitens der Unternehmen wegena) - günstiger Standortlage - interessantem Absatzmarkt - niedrigen Arbeitskosten Sachsen Polen Tschechien Ungarn 25,0 22,6 20,4 12,5 2,3 32,3 8,6 6,3 4,5 6,5 11,8 11,3 15,9 9,7 12,9 8,8 - guter Zusammenarbeit mit den Behörden 6,8 6,5 - 2,5 - Fördermöglichkeiten 9,1 - - - 13,6 19,4 15,1 6,3 2,3 3,2 11,8 25,0 52,3 32,3 35,9 36,2 - Motivation/Flexibilität der Arbeitskräfte - günstiger Gesamtsituation - Erreichung der Unternehmensziele ohne nähere Angabe von Gründen a) Mehrfachnennungen möglich. Quelle: ifo Institut, Unternehmensbefragung 2001/2002. Die Aussagen jedes vierten Unternehmens in Ungarn, das zur Standortfrage antwortete, lassen sich unter der Rubrik „Erreichung der Unternehmensziele“ subsumieren. Der sehr niedrige Wert für den zweiten Sammelposten „günstige Gesamtsituation“ lässt erkennen, dass die Trennschärfe zwischen diesen beiden Kategorien nicht immer gegeben ist. Nur jedes achte beurteilt den gewählten Standort von der Lage her als günstig. Niedrige Arbeitskosten als ausschlaggebender Faktor rangieren noch vor der Qualität der Arbeitskräfte und den Chancen, die der ungarische Markt bietet. Über ein Drittel der an der Befragung teilnehmenden Unternehmen machte keine Angaben über die Gründe, die eine nochmalige Wahl des Standorts wahrscheinlich erscheinen lassen. 142 Im Hinblick auf die Angaben der in Sachsen ansässigen Unternehmen gibt es im Vergleich zu den Unternehmen mit Standort in den MOE-Ländern einige bemerkenswerte Unterschiede. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nur knapp über die Hälfte der sächsischen Unternehmen eine Begründung abgaben, fällt die starke Betonung der Verfügbarkeit motivierter und flexibler Arbeitskräfte auf. Ebenso wird noch deutlicher als in den MOE-Ländern dem Standort Sachsen eine günstige Lage bescheinigt, allerdings vor dem Hintergrund, dass die Region nicht unbedingt der bevorzugte Absatzmarkt für die dort produzierten Güter ist. Anders als vielleicht erwartet, wird das Vorhandensein niedriger Arbeitskosten nur von wenigen Unternehmen explizit erwähnt, ist aber auch im Zusammenhang der Aussage jedes siebten Antwortenden zu sehen, dass für den Betrieb eine günstige Gesamtsituation am Standort Sachsen gegeben ist. Eine spezifische Antwortkategorie, die bei den Nennungen der deutschen Unternehmen aus Mittel- und Osteuropa nicht vorkommt, stellt die Herausstreichung günstiger Fördermöglichkeiten als Standortfaktor dar, wobei sich auch die gute Zusammenarbeit mit Behörden noch etwas günstiger darstellt als an anderen Standorten. Hinsichtlich der Gründe von Unternehmen, die den jetzt eingenommenen Standort nicht noch einmal wählen würden, lassen sich aufgrund der spärlichen und unterschiedlichen Angaben keine Schwerpunkte erkennen. In Polen ist ein Unternehmensstandort durch seine Lage an der Oder vom Hochwasser bedroht, ein anderes Unternehmen meldete, dass durch die zwischenzeitlich veränderte Investitionsplanung der Mutterfirma der heutige Standort nicht mehr zum Zuge kommen würde. In Tschechien nennen immerhin vier von sieben Unternehmen die entsprechende Gründe: Fachkräftemangel, aber auch Probleme mit dem vorhandenen Personal (z. B. fehlende Motivation, wenig Teamfähigkeit u. a.). Auch die Aussage, dass die Tschechische Republik als Markt zu klein ist, findet sich unter den Angaben. Unter den vier in Ungarn ansässigen Firmen, die ihre Standortentscheidung revidieren würden, gipfelt die Aussage eines Antwortenden über seine derzeitige Situation in der Feststellung „Investorenunfreundlich“, bedingt durch die das Arbeitsrecht betreffende Gesetzgebung sowie die rasante Lohnentwicklung. 143 Auch unter den sächsischen Unternehmen fanden sich zwei ablehnende Meinungen bezüglich einer erneuten Standortwahl in diesem Bundesland. Während dies ein Befragungsteilnehmer an den sich nunmehr über 12 Jahre hinziehenden Vertragsauseinandersetzungen mit der Treuhandgesellschaft und der jetzigen Nachfolgeorganisation festmacht, attestiert der Geschäftsführer eines U.S.amerikanischen Tochterunternehmens dem Standort Deutschland - nicht spezifisch dem Standort Sachsen - ein allgemein nicht unternehmerfreundliches politisches Umfeld. Aus beiden Fällen lassen sich natürlich keine verallgemeinerungsfähigen Schlussfolgerungen ziehen. 2.8 Zusammenfassung Die Analyse der Umfrage bei Tochterunternehmen deutscher Investoren in den drei mittel- und osteuropäischen Ländern hat ergeben, dass diese ihren derzeitigen Standort in Polen, Tschechien oder Ungarn durchweg als gut beurteilen. Würde aus allen Angaben ein Länderranking konstruiert, so würde in der Reihenfolge der Benotung Ungarn Platz 1 einnehmen, gefolgt von Tschechien und Polen würde das Schlusslicht bilden. Auch wenn unterstellt werden kann, dass die Beantwortung der Fragebogen i. d. R. durch das deutsche oder deutschsprechende Management der Unternehmen vorgenommen wurde, und die Führungskräfte sich ungern selbst ein schlechtes Zeugnis ausstellen möchten, liegen die meisten Ergebnisse doch in schon aus dem Literaturstudium ermittelten plausiblen Bereichen.11 Der Fragebogen bot an mehreren Stellen die Möglichkeit, Defizite, Missstände oder Probleme zu thematisieren. Dass dies nur in verschwindend geringem Umfang geschah, ist zusammen mit der über 90 %-Rate derjenigen Melder, die den jetzigen Standort bei einer erneuten Standortwahl noch einmal präferieren würden, ein weiteres Indiz dafür, dass das positive Gesamtbild in der Realität existiert. Ein Vergleich mit den Befragungsergebnissen bei den in Sachsen ansässigen Tochterunternehmen deutscher und ausländischer Investoren ergibt in den allermeisten Fällen eine sehr positive Beurteilung der investitionsrelevanten 11 Siehe hierzu auch die in den laufenden Länderberichten des F.A.Z.Instituts enthaltenen Umfrageergebnisse der jeweiligen Auslands-IHK, die ähnliche Bewertungen widerspiegeln. 144 Rahmenbedingungen in diesem Bundesland. Besonders hervorstechende Positionen in dieser Positivliste betreffen dabei die Beurteilung der Mitarbeiter, insbesondere hinsichtlich deren Qualifikation und Motivation, die in hohem Maße genutzte FuE-Infrastruktur sowie die Unterstützung durch einen äußerst kompetenten und hilfreichen Behördenapparat, der insbesondere im Hinblick auf die betrieblichen Belangen voll entsprechenden Bearbeitungszeiten und Einhaltungsquoten bei Investitionsfördermaßnahmen gelobt wird. Dass nahezu alle Unternehmen die erneute Standortwahl nochmals zu Gunsten Sachsens treffen würden, ist aus der Gesamtbeurteilung der Rahmenbedingungen heraus nicht verwunderlich. 145 VI. Modellrechnung zur Förderpolitik: Steuervergünstigungen versus Investitionszuschüsse und -zulagen Die Anreizsysteme, die in Polen, Tschechien und Ungarn eingesetzt werden, um ausländische Investoren zu attrahieren, unterscheiden sich fundamental von dem in Sachsen praktizierten System. Während in Sachsen die Investoren im Rahmen der Regional- und Ostförderung Investitionszuschüsse erhalten, setzen die genannten zentraleuropäischen Länder in erster Linie auf Steuervergünstigungen für Investoren. Ein Vergleich der Förderwirkung dieser unterschiedlichen Anreizsysteme ist nicht ohne Weiteres möglich. Im Folgenden wird zunächst ein Ansatz für den Vergleich und ein Modell12 für die Abbildung der Förderwirkungen entwickelt. Das Rechensystem berücksichtigt die unterschiedlichen Produktions- und Absatzbedingungen der Länder. Im nächsten Abschnitt wird das Modell angewandt und untersucht, welche Vorteile für den Investor die bestehende Förderkulisse der verschiedenen Länder in einem realistischen Spektrum für die wirtschaftlichen Bedingungen des Investitionsprojekts bietet. Dabei werden auch Abstufungen in den Fördersystemen berücksichtigt. Diese ergeben sich aus speziellen Anreizen für bestimmte Regionen, für bestimmte Unternehmensgrößen oder Industriebereiche. Ein dritter Teil fasst die Ergebnisse zusammen und zieht Folgerungen zur Attraktivität Sachsens für industrielle Investoren im Vergleich zu den drei Ländern. 1. Zum Untersuchungsansatz Der Untersuchungsansatz basiert auf dem bekannten Konzept zur Bestimmung des Gegenwartswerts einer Investition. Betrachtet wird eine Betriebsgründung oder -übernahme unter alternativen Fördersystemen aus dem Blickwinkel des Eigentümers. Die alternativen Fördersysteme werden entsprechend der konkreten Förderbedingungen in den verschiedenen Ländern ausgestaltet. Ausgegangen wird bei der Modellbetrachtung von einer Anfangsinvestition in Höhe von 15 Mill. €. Dies ist eine Größenordnung, welche auch von mittelständischen Unternehmen geschultert werden kann. Alternativ wird ein Projekt mit Anfangsinvestitionen von 40 Mill. € untersucht. 12 Nachfolgend als FUP-Modell (FUP = Fördersysteme bei Unterschieden in den Produktionsbedingungen) bezeichnet. 146 Um die Vergleiche durchführen zu können, wurde ein Rechensystem aufgebaut. Bevor auf seine Elemente sowie seine Möglichkeiten und Grenzen eingegangen wird, muss kurz das Konzept des Gegenwartswertes einer Investition erläutert werden. 1.1 Zum Konzept des Gegenwartswertes einer Investition Der Gegenwartswert einer Investition ist definiert als der auf den Ausgangszeitpunkt abdiskontierte Saldo aller Einnahmen und Ausgaben, die in Zukunft aus der Investition resultieren. Der zu einem Zeitpunkt zu erwartende Verkaufswert des Engagements kann als Bestandteil des Einnahmestroms behandelt werden. Aus Gründen der Transparenz wird im Folgenden der Verkaufswert ausgekoppelt und, wiederum abdiskontiert, separat addiert. Von diesem Gesamtbetrag wird der Wert des eingesetzten Kapitals abgezogen. Formelmäßig ist der Gegenwartswert folgender Maßen bestimmt: (1) τ ( E − At ) Wτ NPV0 = ∑ t + t (1 + d )τ t =1 (1 + d ) − K 0 t = Jahr, t = 1,2, 3,4,... τ τ = Endjahr der Betrachtung (10 oder 20 Jahre möglich) ∑ = Summieren von t =1 bis t = τ NPV = Gegenwartswert des Engagements E-A = erwarteter Saldo aus den laufenden Betriebseinnahmen und -ausgaben pro Jahr (Ausgaben ohne Kapitalverzinsung) d = kalkulatorischer Zinssatz W K = Wert des Betriebsvermögens in τ = Kapitaleinsatz Nur wenn der Gegenwartswert positiv ist, lohnt sich die Durchführung des Investitionsvorhabens. Je höher er ist, um so vorteilhafter ist das Engagement. Diese Tatsache wird auch für den Vergleich der alternativen Fördersysteme genutzt. Je nach Ausgestaltung der Fördersysteme fallen die zu erwartenden Einnahme- und Ausgabeströme unterschiedlich aus und können deshalb selbst bei völlig gleichen ökonomischen Kennzahlen des Projekts zu unterschiedlich hohen Gegenwartswerten führen. 147 Die volle Wirkung von Fördersystemen kommt jedoch nur zum Ausdruck, wenn der Gegenwartswert einer Investition vom Standpunkt des Eigentümers aus betrachtet wird. Nur auf diesem Weg lassen sich alle Förderwirkungen von steuerlichen Regelungen einbeziehen. Der Gegenwartswert für den Eigentümer leitet sich natürlich wiederum aus der Differenz der Einnahme- und Ausgabeströme ab. Zu berücksichtigen ist außer den bereits erwähnten Größen aber noch die Finanzierung der Ausgangsinvestition. Je nach Höhe von Investitionszuschüssen muss der Eigentümer in unterschiedlichem Umfang Eigen- und Fremdkapital einsetzen. Der Umfang an eingesetztem Fremdkapital bestimmt wiederum die Höhe der Zinsbelastung aus dem Engagement. Zu beachten ist außerdem, dass die in Höhe der Abschreibungen anfallenden Kapitalrückflüsse bis zum Zeitpunkt der Ersatzinvestitionen zinsbringend am Kapitalmarkt angelegt werden können. Formal ist deshalb der Gegenwartswert für den Eigentümer noch um die anfallenden Zinseinnahmen und -ausgaben zu ergänzen und um diverse Investitionszuschüsse und -zulagen zu erhöhen. (2) τ ( E + ZE t − At − ZAt ) Wτ NPVE 0 = ∑ t + t (1 + d ) (1 + d )τ t =1 − K 0 + ZU 0 NPVE = Gegenwartswert für den Eigentümer ZE = Zinserträge aus der vorübergehenden Anlage von Betriebskapital am Kapitalmarkt ZA = Ausgaben für Fremdkapitalverzinsung ZU = staatlicher Investitionszuschuss bzw. Wert der Zulage Der folgende Abschnitt beschreibt, welche Einflussfaktoren, die auf die Einnahme- und Ausgabenströme sowie auf die Verkaufswerte wirken, in dem Rechenmodell berücksichtigt wurden. 1.2 Grundstruktur des Modells Das Rechensystem berücksichtigt zum einen die Produktionsbedingungen des aufzubauenden Betriebes. Zum anderen bildet es die wesentlichen Elemente des Fördersystems der zu vergleichenden Länder ab. 148 1.2.1 Erfassung von Produktionsbedingungen und des ökonomischen Rahmens Die Produktionsbedingungen schlagen sich in der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze, im Kapitaleinsatz pro Arbeitsplatz und in den Vorleistungsstrukturen nieder. Um aus dem Arbeits- und Kapitaleinsatz die Wertschöpfung zu Faktorkosten bestimmen zu können, muss sowohl der Preis des Faktors Arbeit (Entlohnung) als auch der Kapitalnutzungspreis festgelegt werden. Der Lohn, der auf den Arbeitsplätzen zu zahlen ist, wird anhand des Bruttoarbeitseinkommens im Jahr pro Beschäftigten bestimmt und enthält alle Lohnnebenkosten. Der Kapitalnutzungspreis hängt bei rein wirtschaftlicher Betrachtung von der Nutzungsdauer der Produktionsanlagen ab, welche die ökonomische Abschreibungsrate determiniert, und von der geforderten Mindestrendite für das eingesetzte Kapital. Diese wird durch die Verzinsung am Kapitalmarkt und den Risikozuschlag für eine Sachinvestition gegenüber einer Finanzanlage bestimmt. Aus der Wertschöpfung zu Faktorkosten und den festgelegten Vorleistungsstrukturen lässt sich dann der Bedarf an Materialien, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie an Dienstleistungen Dritter bestimmen. Unter Berücksichtigung der Belastung der Produktion mit indirekten Steuern (abzüglich Subventionen) errechnet sich der mit der Investition pro Jahr erzeugte Bruttoproduktionswert. Es wird davon ausgegangen, dass die erzeugte Menge auf dem EU-Markt abgesetzt wird. Über die wirtschaftliche Nutzungsdauer von Gebäuden und Maschinen lassen sich aus den Daten auch die Abschreibungen ermitteln. Aus den wenigen Ausgangsdaten lässt sich damit eine vollständige Gewinn- und Verlustrechnung (G&V) für das Engagement in jedem Jahr ableiten. Das System erlaubt dabei, auf die G&V jeden Jahres Einfluss zunehmen. Es kann damit die Wirkung von Gewinnschwankungen oder von Anlaufverlusten aus dem Engagement auf das Ergebnis des Vergleichs der Fördersysteme untersucht werden. 1.2.2 Anbindung des Fördersystems Aus der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung lassen sich die jährlichen Einnahme- und Ausgabeströme ermitteln, die zur Berechnung des Gegenwartswertes des Engagements benötigt werden. Insbesondere kann daraus die Steuerbasis für die Ermittlung der zu zahlenden Gewinnsteuern abgeleitet werden. Dabei werden die in den einzelnen Ländern gültigen steuerlichen Abschreibungsbedingungen für Bauten und bewegliche Wirtschaftsgüter herange- 149 zogen. Berücksichtigt werden insbesondere bestehende Optionen zur degressiven Abschreibung und gewährte Möglichkeiten zu Sonderabschreibungen. Auf die Steuerbasis wirkt auch – je nach Anteil der Fremdfinanzierung - die Höhe der zu zahlenden Fremdkapitalzinsen sowie der Umfang eventueller Zinseinnahmen, welche aus der Anlage von vorübergehend nicht im Betrieb benötigtem Kapital am Kapitalmarkt resultieren. Über den Gewinnsteuersatz lässt sich dann aus der Gewinnsteuerbasis ermitteln, welcher Ausgabenstrom pro Jahr durch die Betriebsgründung an den Staat in Form von Gewinn- bzw. Körperschaftsteuern fließt. Je nach Ausgestaltung des Abgabensystems in den betrachteten Ländern ist dieser Strom selbst bei gleichem ökonomischen Gewinn unterschiedlich stark. 1.2.3 Einbeziehung der übrigen Einflussgrößen auf den Gegenwartswert Für die Bestimmung des Gegenwartswertes müssen über die jährlichen Einnahme- und Ausgabenströme hinaus noch einige Größen festgelegt werden (vgl. Gleichung (2)). Der Diskontierungsfaktor wird als abhängig vom allgemeinen Kapitalmarktzins, ergänzt um einen Risikozuschlag für das Engagement in Sachanlagen, betrachtet. Der Risikozuschlag ist frei wählbar. Kapitalmarktzins plus Risikozuschlag wurden auch als Näherungswert für die zu zahlenden Fremdkapitalzinsen herangezogen. Der Kapitalmarktzins bestimmt auch die Höhe der Erlöse pro Kapitaleinheit aus dem vorübergehend im Betrieb nicht benötigten Kapital. Zu bestimmen ist auch der Verkaufswert des Engagements nach Ablauf von 10 bzw. 20 Jahren. Hierbei wird von allen Wertänderungen abstrahiert, die aus Entwicklungen resultieren, die außerhalb der Einflusssphäre des Betriebs liegen. Angenommen wird, dass der Wert von Grundstücken und Posten des Umlaufvermögens konstant bleibt und dass der Werteverzehr bei Gebäuden und beweglichen Wirtschaftsgütern exakt dem Verzehr entspricht, der sich aus der wirtschaftlichen Nutzungsdauer ergibt. Nicht berücksichtigt werden damit inflationsbedingte Wertänderungen oder, anders ausgedrückt, es wird angenommen, dass Unterschiede in der Preisentwicklung über die Wechselkursbewegungen ausgeglichen werden, sodass die Wertrelationen im internationalen Vergleich nicht beeinflusst werden. Unterschiede im Inflationsklima wirken sich dann nicht auf das Ergebnis des internationalen Vergleichs aus. 150 Die Finanzierungsstruktur des Engagements wird modellendogen bestimmt. Wichtige Einflussvariablen sind dabei die Höhe der gewährten Zuschüsse bzw. Zulagen und etwaige Mindestvoraussetzungen für den über Eigenkapital zu finanzierenden Anteil. Das aufzunehmende Fremdkapital wird dann aus der gesamten Investitionssumme und den Daten zum Eigenkapitalbedarf sowie den Investitionszuschüssen errechnet. 1.3 Verdichtung der Vielzahl von Fördermaßnahmen zu Förderstufen Die Bemühungen, einen Aufholprozess bei Arbeitsplätzen und Produktivität in den neuen Ländern in Gang zu setzen, haben in Sachsen zu einem außerordentlich vielfältigen und differenzierten Fördersystem für den Aufbau von Betrieben geführt. Auch in Polen, Tschechien und Ungarn ist trotz des geringeren finanziellen Spielraums dieser Länder das Förderinstrumentarium über Steuervergünstigungen hinaus um diverse Regelungen für Investitionszuschüsse oder am Faktor Arbeit anknüpfende Zuschussregelungen ergänzt worden. Angesichts dieser Fördervielfalt stellt sich das Problem, wie die Maßnahmen gebündelt werden können, damit die Zahl der Vergleichsrechnungen überschaubar bleibt. Viele Fördermaßnahmen können nur bei einer Investition in einer benachteiligten Region in Anspruch genommen werden. Andere knüpfen an der Unternehmensgröße an und fördern häufig speziell Gründer und KMU. Häufig werden auch nur bestimmte Industriebereiche (Zukunftsindustrien, „High-Value added“Industrien) begünstigt. Angesichts dieses Sachverhalts bietet es sich an, diese Förderkriterien auch für die Strukturierung der Fördersysteme zu nutzen. Für jedes Land werden die Maßnahmen zur Investitionsförderung so gruppiert, dass das Bündel an Fördermaßnahmen a) normalerweise von allen Unternehmen in Anspruch genommen werden kann (weniger begünstigte Region); b) alle Unternehmen in Anspruch nehmen können, die in einer bestimmten (in der Regel rückständigen) Region investieren (begünstigte Region); c) nur bestimmte Unternehmenstypen bzw. Industriebereiche bei einer Investition in einer rückständigen Region wahrnehmen können (extreme Begünstigung). 151 Welche Regelungen konkret gebündelt worden sind, zeigt Tabelle VI.1. Hinzuweisen ist darauf, dass bei den Fördermaßnahmen in den verschiedenen Förderstufen stets davon ausgegangen wurde, dass die obere Grenze der Fördermöglichkeiten ausgeschöpft werden kann. Tatsächlich besteht in allen Vergleichsregionen in der Regel kein Rechtsanspruch auf den Höchstsatz. Wie hoch die Förderung tatsächlich ausfällt, ist Gegenstand von Einzelfallentscheidungen. Bei der Auswahl der Fördermaßnahmen wurde darauf geachtet, dass nicht nur Einzelfälle, sondern eine größere Zahl von Projekten für die Förderung in Frage kommen. Tatsächlich hat die Förderkulisse in den verschiedenen Ländern noch weit mehr Facetten. 1.4 Möglichkeiten und Grenzen des Systems Das aufgebaute Modell ist relativ flexibel. Es kann unterschiedliche Produktionsbedingungen berücksichtigen und gestattet auch eine Differenzierung der Produktionsfunktion nach Ländern. Insbesondere kann die Wirkung von Lohnunterschieden zwischen den Ländern berücksichtigt werden. Auch beim Kapitalnutzungspreis, der angesichts globalisierter Kapitalmärkte grundsätzlich für alle Länder gleich angesetzt wird, könnten unterschiedliche Länderrisiken über unterschiedliche Risikozuschläge berücksichtigt werden. Die Kapitalintensität kann regional unterschiedlich sein und damit unterschiedliche Faktorpreisrelationen berücksichtigen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass nur Teile des Kapitaleinsatzes durch vermehrten Arbeitseinsatz substituierbar sind. Neben den länderspezifischen Unterschieden im Fördersystem kann das Modell also auch Unterschiede in den Produktions- und Absatzbedingungen in den Vergleichsländern differenziert abbilden. Trotz der dargestellten Komplexität und Anpassungsfähigkeit des Modells bleibt es eine vereinfachende Betrachtung. Die steuerlichen Rahmenbedingungen werden nur in den Grobstrukturen erfasst. So wird z. B. bei den Abschreibungsbedingungen für bewegliche Wirtschaftsgüter nur auf Maschinen und nicht das gesamte Ausrüstungsgüterbündel abgestellt. Bei der Bestimmung der Steuerzahlungen des Eigentümers aus dem Engagement bleiben die Regelungen für die Berücksichtigung von Risiken (Rückstellungsmöglichkeiten) sowie Möglichkeiten zum Verlustvor- oder -rücktrag ausgespart. Unberücksichtigt bleiben auch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Konzernverbund. 152 Tabelle VI.1 Bündelung der Investitionsfördermaßnahmen und wichtiger steuerlicher Rahmenbedingungen zu Förderstufen Land Sachsen Polen Tschechien Ungarn Fall A Fall B Fall C Weniger begünstigte Region a) Bauten 33 Jahre ND, lineare AfA, Maschinen 10 Jahre ND, degressive AfA; Gewinnsteuersatz: 35 % Investitionszuschuss von 28 % (bei Investitionen in Dresden oder Leipzig 20 %). Bauten 40 Jahre ND, lineare AfA, Maschinen 10 Jahre ND, lineare AfA; Gewinnsteuersatz: 22 %. Bauten 30 Jahre ND, lineare AfA, Maschinen 10 Jahre ND, degressive AfA; Gewinnsteuersatz: 31 % Befreiung von Gewinnsteuern für 10 Jahre. Bauten 50 Jahre ND, lineare AfA, Maschinen, lineare AfA binnen 3 Jahren; Gewinnsteuersatz: 18 % 50 %ige Steuerbefreiung für erste 5 Jahre. Begünstigte Region Extreme Begünstigung Wie Fall A, aber Investitionszuschuss von 35 %. Wie Fall B, aber Ausschöpfung aller sonstigen Fördermaßnahmen bis zu 50% des Investitionsvolumens (nur für Investoren aus dem KMU-Bereich erreichbar). Abschreibungsbedingungen wie Fall A, Befreiung von Gewinnsteuern für 10 Jahre Wie begünstigte Region, zusätzlich 50 %ige Steuerbefreiung für restlichen Zeitraum. Wie Fall A, dazu: Zuschüsse für die Schaffung von Jobs und zu Schulungsmaßnahmen in Regionen mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit. Steuer wie Fall A Steuerbefreiung von 100 % für 10 Jahre falls Investition von 3 Mrd. Ft. Wie Fall A und Investitionszuschuss: 50 % bis max. 200 Mill. Ck Steuerbefreiung und Zuschüsse müssen unter 50% des Investitionsvolumens bleiben. Wie Fall B und Zuschuss ohne Rückzahlungspflicht für "high value added" Industrien von 35 % (max. 100 Mill. Ft als Höchstgrenze bzw. 200 Mill. Ft falls Investition 3 Mrd. Ft übersteigt). a) in Polen, Tschechien und Ungarn gelten die dargestellten Regelungen landesweit. Anm.: AfA = Abschreibungen für Anlagen. - ND = Nutzungsdauer. Quelle: BFAI, Botschaft Republik Polen, HUNGARIAN INVESTMENT AND TRADE DEVELOPMENT AGENCY (ITDH), CZECHINVEST, Zusammenstellung des ifo Instituts. Auf die stark vereinfachten Annahmen bezüglich der Wertentwicklung wurde bereits hingewiesen. Unterschiede in den Risiken im wirtschaftlichen Umfeld bleiben ausgespart, könnten aber über Variationen beim Risikozuschlag berücksichtigt werden. Trotz aller Differenzierung in der Erfassung der Förderkulisse und aller Komplexität reflektieren die Ergebnisse nur eine stark typisierende und vereinfachende Modellrechnung. 153 2. Ergebnisse der Anwendung des Systems Das Rechensystem bildet die Realität insofern ab, dass der Gegenwartswert einer Investition immer vom Zusammenspiel zwischen den rein wirtschaftlichen Gegebenheiten des Engagements und den Wirkungen der Förderkulisse bestimmt wird. Damit hängt aber auch die Vorteilhaftigkeit alternativer Systeme zur Investitionsförderung davon ab, von welchen wirtschaftlichen Kennzahlen ausgegangen wird. Die Ergebnisse eines internationalen Vergleichs der Wirkung unterschiedlicher Fördersysteme wären nur dann unzweideutig, wenn gleiche wirtschaftliche Ergebnisse einer Betriebsgründung/-übernahme unabhängig vom Standort vorausgesetzt werden könnten. Genau dies wäre aber eine unrealistische Annahme, da das Motiv für eine Investition in den MOE-Ländern häufig gerade der Vorteil deutlich niedrigerer Löhne ist. Bevor Aussagen über die Vorteilhaftigkeit der bestehenden Förderkulissen in den Vergleichsländern gemacht werden können, müssen deshalb die Zusammenhänge mit den wirtschaftlichen Randbedingungen transparent gemacht und „realistische“ wirtschaftliche Konstellationen für ein Engagement in jedem der Vergleichsländer eingegrenzt werden. 2.1 Einfluss der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Gegenwartswert Die Löhne (inklusive aller Lohnnebenkosten) liegen nach OECD-Angaben in Polen, Tschechien und Ungarn – zu Wechselkursen gerechnet – im Durchschnitt des privaten Sektors bei 20-30 % des deutschen Niveaus. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass ausländische Investoren regelmäßig Löhne zahlen (müssen), die deutlich über dem Landesdurchschnitt sind und das Lohnniveau in Sachsen um 25-30 % unter dem deutschen Durchschnitt liegt, bleibt noch ein Vorteil von 30-60 % bei den Löhnen dieser Länder. Unter sonst gleichen Bedingungen hinsichtlich Produktion und Absatz wäre damit die ökonomische Rendite (vor Steuern, Fördermaßnahmen und bei Abschreibungen entsprechend dem wirtschaftlichen Werteverzehr) in diesen Ländern um 12-14 Prozentpunkte höher als in Sachsen. Die Frage ist allerdings, ob die Annahme realistisch ist, dass die Produktionskosten in den MOE-Ländern um den vollen Lohnkostenvorteil niedriger sind als in Sachsen und außerdem die gleichen Produktionsmengen zu gleichen Prei- 154 sen abgesetzt werden können. Zwar lässt sich ein Betrieb mit gleicher Technik und Organisation der Produktion in allen Ländern des Vergleichs realisieren. Da sich aber das Umfeld des Betriebs unterscheidet, können bei einer Produktion in Polen, Tschechien und Ungarn andere Kostenkomponenten als die Arbeitskosten höher liegen als in Sachsen. Die weniger gut ausgebaute Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur13 dürfte höhere Transport- und Vermarktungskosten als in Sachsen bedingen. Defizite im Finanzierungssystem und in der Durchsetzung des Konkursrechts in den MOE-Ländern beinhalten ein höheres Risiko von Forderungsausfällen oder bedingen höhere Versicherungskosten. Bestehende Unterschiede in der Qualität der staatlichen Dienste14 (Ausbildungs-, Gesundheitswesen) und der Leistungsfähigkeit, Effizienz und Verlässlichkeit der staatlichen Verwaltung schlagen sich ebenfalls in Mehrkosten für die Überwindung bürokratischer Hemmnisse im Vergleich zu Sachsen nieder. Eine offene Frage ist auch, ob bei einer Produktion in den MOE-Ländern die gleichen Preise auf dem EU-Markt erzielt werden können wie in einem Ursprungsland Sachsen bzw. Deutschland. Vieles spricht dafür, dass der Investor den Kostenvorteil mit dem Abnehmer teilen und ihn über niedrigere Preise zum Teil an die Kunden weitergeben muss. In diese Richtung deuten auch die im internationalen Vergleich wesentlich niedrigeren Produktivitätskennziffern der Industrie in den MOE-Staaten. Bei gleicher Produktionstechnik und -organisation wie in Sachsen liegt damit die tatsächliche Rendite einer Investition in Polen, Tschechien oder Ungarn zwischen dem Grenzwert, der sich ergibt, wenn der Lohnkostenvorteil voll beim Eigentümer des Betriebs verbleibt und dem Grenzwert, bei dem der Lohnkostenvorteil voll durch höhere Kosten bei anderen Komponenten oder durch niedrigere Absatzpreise aufgezehrt wird. Wird der Lohnkostenvorteil in eine Relation zum Umsatz umgerechnet, so liegt der Malus, der den Vorteil niedriger Löhne vollständig ausgleicht, zwischen ca. 6 und 12 % von dem Umsatz, der bei einer Investition in Sachsen erzielt worden wäre. Abbildung VI.1 zeigt, wie sich der Gegenwartswert einer Investition in den betrachteten MOE-Ländern in Abhängigkeit von der Höhe dieses Malus ändert. Dabei wird in einer Variante unterstellt, dass das Lohnniveau in den MOE13 14 Vgl. Abschnitt IV.5.3. Vgl. Abschnitte IV.6 und IV.7. 155 Ländern bei 40 % des sächsischen Niveaus liegt. In der zweiten Variante (70 % Lohnniveau) beträgt der Vorsprung dagegen nur 30 %. Bei der Berechnung wird von einem 20 Jahre dauernden Engagement und von den länderspezifischen Investitionsbedingungen ausgegangen, die jedem Investor normalerweise zur Verfügung stehen (weniger begünstigte Region). Abbildung VI.1 Einfluss von Annahmen über die ökonomischen Rahmenbedingungen auf das Vergleichsergebnis Gegenwartswert in 1.000 Euro Gegenwartswert einer Investition ohne spezifische Förderung (weniger begünstigte Region ) bei alternativem Lohnkostenvorsprung und unterschiedlichen Produktions- und Absatzbedingungen 30.000 25.000 Sachsen 20.000 Polen (40%) 15.000 Tschechien (40%) Ungarn (40%) 10.000 5.000 Polen (70%) 0 Tschechien -5.000 -10.000 12% 11% 10% 9% 8% 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% Malus* in % vom Umsatz bei Produktion in MOE-Ländern Quelle: Berechnungen des ifo Instituts (FUP-Modell). Es zeigt sich, dass im Fall des oberen Grenzwertes für den Lohnkostenvorteil der MOE-Länder, es bis zu einem Malus von 7-9 % günstiger wäre, in Polen, Tschechien oder Ungarn zu investieren als in Sachsen. Mit sinkendem Lohnkostenvorteil wird der Malus kleiner, der ausreicht, um eine Investition in Sachsen vorteilhafter zu machen. Dies sind alle Fälle, die unter der waagrechten Linie des Gegenwartswertes Sachsens und über der Gerade der Vergleichsländer liegen. Wenn der Lohnkostenvorsprung nur 30 % (Lohnkostenrelation 70 %) beträgt – dies kann als Untergrenze aufgefasst werden -, ist die Investition in Polen, Tschechien und Ungarn nur dann vorteilhafter, wenn der Nachteil durch höhere Kosten bei anderen Komponenten bzw. Erlösminderungen aufgrund niedrigerer Preise weniger als 3 % des Umsatzes beträgt. Bei einem Malus von 156 mehr als 10 % wäre der Gegenwartswert der Investition negativ, die Betriebsgründung würde sich in MOE- Ländern nicht lohnen. Für die weiteren Berechnungen wird mit einem relativen Lohnniveau von 55 % für die betrachteten MOE- Länder, also einem Lohnkostenvorteil von 45 % gegenüber Sachsen gerechnet. Dieser Wert liegt in der Mitte zwischen den beiden dargestellten Grenzwerten. Beim Malus wird mit 10 % von einem Wert in der unteren Hälfte des plausiblen Spektrums ausgegangen. Die beobachteten Unterschiede in der Arbeitsproduktivität15 ließen Maluswerte in dreifacher Höhe zu. 2.2 Einfluss der Anpassung des Faktoreinsatzverhältnisses an die abweichenden Faktorpreisrelationen Ein Lohnkostenvorteil in den MOE-Ländern würde an sich auch ein anderes Einsatzverhältnis zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital nach sich ziehen als in Sachsen. Tendenziell wäre der Einsatz von mehr Arbeit und weniger Kapital kostengünstiger. Die Frage ist allerdings, in welchem Umfang Kapitaldienstleistungen in der industriellen Produktion substituierbar sind. Nicht selten wird die These vertreten (vgl. OECD 1983 u. 1998, FAGERBERG 2002), dass u. a. aus Gründen der Qualitätssicherung der Erzeugnisse die Produktionstechnik gleich sein muss, egal ob in Hochlohn- oder Niedriglohn-Ländern produziert wird. Dagegen lässt sich einwenden, dass dieses Argument zwar für das eigentliche Herstellungsverfahren zutrifft, nicht aber auf periphere Funktionen, die zur Herstellung und zum Absatz der Produkte notwendig sind. So kann z. B. der innerbetriebliche Transport oder die Endverpackung vollautomatisiert oder von Hand erfolgen. Es können weniger Dienstleistungen (z. B. Reinigungsund Wartungsdienste) fremdbezogen werden. Eine realistische Position ist deshalb, dass weder vollständige Komplementarität noch komplette Substituierbarkeit zwischen Kapital und Arbeit besteht, sondern zumindest zum Teil Kapitaldienste (z. B. Dienste eines Roboters) durch den Mehreinsatz von Arbeit ersetzt werden können. Die Frage ist, wie sich dies auf die relative Vorteilhaftigkeit der Investitionsfördersysteme der Vergleichsländer auswirkt. In Abbildung VI.2 ist hierzu die Entwicklung des Gegenwartswerts bei wachsendem Anteil der substituierbaren Kapitaldienste dargestellt. Dabei wurde wiederum von den für alle 15 Vgl. hierzu Abschnitt IV.1.4. 157 Unternehmen geltenden Investitionsbedingungen in den Vergleichsländern ausgegangen. Die Berechnungen basieren auf den Standardannahmen hinsichtlich Lohnniveau (MOE = 55 % von Sachsen) und Ausgleichsfaktor für höhere andere Kosten und/oder Erlösminderung bei einer MOE-Produktion (MOE-Malus = 10 %). Wie die Abbildung VI.2 zeigt, lohnt es sich, bei einer Investition in den MOELändern nach Alternativen zu suchen, statt Kapital in der Produktion vermehrt Arbeit einzusetzen. Der Gegenwartswert der Investition steigt deutlich an, wenn im Vergleich zu Sachsen arbeitsintensiver produziert werden kann. Abbildung VI.2 Einfluss der Möglichkeit, in den MOE-Ländern arbeitsintensivere Produktionsverfahren anzuwenden, auf das Vergleichsergebnis Gegenwartswert in 1.000 Euro Gegenwartswert einer Investition ohne spezifische Förderung (weniger begünstigte Region) bei alternativen Annahmen zur Substituierbarkeit von Kapital durch Arbeit in den MOE-Ländern 12.000 10.000 Sachsen Polen (-1,5) 8.000 Tschechien (-1,5) Ungarn (-1,5) 6.000 Polen (-1) 4.000 Tschechien (-1) Ungarn (-1) 2.000 0 0% 5% 10% 15% 20% 25% Anteil der Kapitaldienste in %, die in den MOE-Ländern durch Arbeit ersetzbar Quelle: Berechnungen des ifo Instituts (FUP-Modell). Der Neigungswinkel wird dabei von der Höhe der Substitutionselastizität bestimmt, die angibt, wie viel mehr Arbeit prozentual eingesetzt werden muss, um ein Prozent der Kapitaldienste zu substituieren. Bei einer Substitutionselastizität von -1 wäre eine Investition in Tschechien bei sonst gleichen Bedingungen dann bereits vorteilhafter als in Sachsen, wenn mehr als 30 % der Kapital- 158 dienste durch vermehrten Einsatz der billigen Arbeitskräfte ersetzbar wären. Wenn es relativ mehr Arbeit erfordert, um den Kapitaleinsatz zu reduzieren, wird dieser Punkt erst bei deutlich höherem Anteil substituierbarer Kapitaldienste erreicht. Wie erwähnt, kann nur in Randfunktionen des Produktionsprozesses arbeitsintensiver produziert werden. Die Annahme, dass in den MOE-Ländern 15 % der in Sachsen benötigten Kapitaldienste durch Mehreinsatz von Arbeitskräften ersetzt werden kann, erscheint damit realistisch. Bei den weiteren Berechnungen wird von diesem Anteilswert und einer Substitutionselastizität von –1 ausgegangen. Auch die Standardannahmen hinsichtlich Lohnkostenvorteil und Produktionsmalus der MOE-Länder werden weiter verwendet. Die Frage ist nun, wie sich die Einbeziehung der speziellen Förderungsmaßnahmen in den verschiedenen Ländern in die Betrachtung auswirkt. 2.3 Einfluss der speziellen Investitionsfördermaßnahmen In den bisherigen Berechnungen wurden die Investitionsbedingungen verglichen, die allen Unternehmen unabhängig vom konkreten Standort, der Unternehmensgröße und/oder dem Produktionsprogramm zustehen. Die Förderkulisse in den verschiedenen Länder kann jedoch nur vollständig abgebildet werden, wenn die speziellen Fördermaßnahmen in bestimmten (zurückgebliebenen) Regionen und die an der Unternehmensgröße bzw. an der Industrie anknüpfenden Fördermaßnahmen (vgl. hierzu Tabelle VI.1) in die Betrachtung einbezogen werden. Im Folgenden wird deshalb für das Investitionsobjekt in der Größenordnung von 15 Mill. €, unter den herausgearbeiteten plausiblen Werten für die ökonomischen Rahmenbedingungen (Lohnkostenvorteil gegenüber Sachsen von 45 %, MOE-Malus von 10 %, 15 % des in Sachsen eingesetzten Kapitals durch höheren Arbeitseinsatz substituierbar) der Gegenwartswert unter Nutzung der spezifischen Fördermaßnahmen in den verschiedenen Ländern berechnet. In Abbildung VI.3 werden die Ergebnisse für die in Tabelle VI.1 erläuterten Förderstufen zusammengestellt. Wie Abbildung VI.3 zeigt, verspricht unter den dargestellten wirtschaftlichen Randbedingungen eine Betriebsgründung in Sachsen für alle Alternativen einen Gegenwartswert, der über den erzielbaren Gegenwartswerten in Polen, Tschechien und Ungarn liegt. Die Förderkulisse in Tschechien bietet zum Teil nur we- 159 nig schwächere Investitionsanreize als Sachsen. Ungarn folgt an dritter Stelle. Bei einer Investition in eine unterentwickelte Region eröffnet allerdings Ungarn mit seiner Steuerbefreiung auf zehn Jahre und seinem niedrigen Gewinnsteuersatz in den Folgejahren bessere Rahmenbedingungen als Tschechien. Polen mit seinem größeren Markt bietet Investoren bei allen Varianten weniger finanzielle Anreize als die Vergleichsländer. Bei den für alle Unternehmen, unabhängig vom konkreten Ort der Investition, geltenden Förderbedingungen läge der Gegenwartswert der Investition in Polen bereits mehr als ein Viertel niedriger als in Sachsen. Abbildung VI.3 Vergleich unter Einbeziehung aller Stufen der Investitionsförderung Gegenwartswert der zu erwartenden Erträge nach Steuern für den Eigentümer aus einer Betriebsgründung in modernen Industrien mit Anfangsinvestitionen von rd. 15 Mill. Euro 15 bei alternativen Standorten und Förderbedingungen 16.000 Gegenwartswert in 1.000 Euro 14.474 14.000 12.000 10.000 10.960 Weniger begünstigte Regionen begünstigte Regionen extreme Begünstigung 12.476 9.607 9.284 8.819 7.621 8.000 7.898 7.242 7.807 6.493 6.000 5.287 4.000 2.000 0 Sachsen Quelle: Polen Tschechien Ungarn Berechnungen des ifo Instituts (FUP-Modell). Der Gegenwartswert einer Betriebsgründung unter bestmöglichen Förderbedingungen (extreme Begünstigung) lässt sich in Tschechien in der Region Nordböhmen, also an der tschechisch-sächsischen Grenze erzielen. Die hohe Förderwirkung ergibt sich aus der Kombination von Steuerbefreiung und dem nach oben begrenzten Investitionszuschuss, der bei einer Investition in dieser Region gewährt werden kann. Damit kommt die Förderung im konkreten Fall nahe an die, von der EU gesetzte Fördergrenze von 50 % des Investitionsvolumens. Zwar wäre die Betriebsgründung auf der anderen Seite der Grenze unter den 160 Investitionsbedingungen in Sachsen noch etwas lohnender (vgl. Abbildung VI.3) Die Voraussetzungen für die maximale Förderung können jedoch nur Investoren aus dem mittelständischen Bereich erfüllen. In Tschechien besteht allerdings auch keine Garantie, dass der Investitionszuschuss in maximaler Höhe gewährt wird. Ob und in welcher Höhe Investitionsmittel fließen, ist Verhandlungssache. In der Vergangenheit bestanden zum Teil kurze Fristen für die Antragsstellung. Für 2001 war z. B. die Deadline Januar. 2.4 Einfluss niedrigerer Gewinne in den ersten Betriebsjahren Typischerweise ist bei einer Betriebsgründung die Gewinnhöhe trotz gleicher Produktions- und Absatzbedingungen nicht in allen Jahren gleich. Besonders in den Anfangsjahren muss mit zusätzlichen Anlaufkosten bzw. Anlaufverlusten gerechnet werden. Diese hängen damit zusammen, dass die mögliche Effizienz des Betriebes erst über "Learning by doing"-Prozesse erreicht werden kann. Tabelle VI.2 zeigt, wie sich dieser Fall auf die Höhe der Gegenwartswerte auswirkt. Bei der Berechnung wurde unterstellt, dass in den ersten beiden Jahren kein Gewinn vor Zinsen und Steuern entsteht und erst nach fünf Jahren das höchstmögliche Effizienzniveau erreicht wird. Die Tabelle zeigt nicht nur die Gegenwartswerte des betrachteten Standard-Investitionsprojekts in den verschiedenen Ländern für die verschiedenen Förderstufen, sondern auch die Abweichungen vom Fall ohne Anlaufverluste, der in Abbildung VI.3 dargestellt ist. Tabelle VI.2 Einfluss von Anlaufkosten auf das Vergleichsergebnis Länder\Förderstufe Sachsen Abweichung* in % Polen Abweichung* in % Tschechien Abweichung* in % Ungarn Abweichung* in % Gegenwartswert in 1.000 Euro der Investition im Fall der Weniger begünstigte extreme begünstigte Region Regionen Begünstigung 7.853 9.529 13.043 -15 -13 -10 3.812 5.639 5.917 -28 -26 -25 5.260 5.825 11.108 -27 -25 -11 4.689 6.838 7.625 -28 -22 -21 * vom Fall ohne höhere Kosten in den ersten Betriebsjahren. Quelle: Berechnungen des ifo Instituts (FUP-Modell). 161 Wegen des niedrigen Gesamtgewinns in den betrachteten 20 Jahren des Betriebs sind die Gegenwartswerte in allen Ländern niedriger als im Fall ohne Anlaufverluste. Stärker betroffen sind hiervon allerdings die Länder, die auf eine Investitionsförderung über Steuerbefreiung abstellen. Wenn die Gewinne in den ersten Jahren niedriger sind, fällt auch die Förderwirkung der Steuerbefreiung geringer aus. Der Anstieg von Gewinn und ersparten Steuern in den Folgejahren wirkt sich wegen der Abdiskontierung spürbar gedämpft auf den Gegenwartswert der Betriebsgründung aus. Eine Investition in Sachsen ist davon weniger betroffen, weil hier der Investitionsanreiz aus dem Zuschuss resultiert, der am Anfang des Projekts gewährt wird. Dieser Zusammenhang wird bestätigt, wenn die Effekte von Anlaufverlusten in den anderen Ländern im Fall der extremen Begünstigung verglichen werden. Hier verschlechtert sich die Position der tschechischen Standorte wegen der bestehenden Zuschussregelung am wenigsten. Festzuhalten ist damit, dass sich unter der realistischen Annahme von niedrigeren Gewinnen in der Anlaufphase des neuen Betriebes der Vorteil verstärkt, den Sachsen den Investoren mit seiner Förderkulisse bietet. 2.5 Einfluss der Größe des Investitionsobjekts Bisher wurden alle Vergleichsrechnungen für ein Investitionsprojekt in der Größenordnung von 15 Mill. € durchgeführt. Es bleibt damit zu klären, wie sich die Größe der Investition auf das Vergleichsergebnis auswirkt. Deshalb wird zum Abschluss untersucht, welche Gegenwartswerte sich unter der Förderkulisse der verschiedenen Länder für ein Investitionsobjekt mit Anfangsinvestitionen in Höhe von 40 Mill. € und 180 neu geschaffenen Arbeitsplätzen ergeben. Dies wäre ein Objekt, für das formal auch noch die KMU-Förderung in Sachsen in Anspruch genommen werden könnte. In der Regel kommt jedoch der Investor für so ein großes Objekt nicht aus dem KMU-Bereich. Bei den ökonomischen Rahmenbedingungen wurde vom Standardfall (Lohnkostenvorteil gegenüber Sachsen von 45 %, MOE Malus von 10 %, 15 % des in Sachsen eingesetzten Kapitals durch höheren Arbeitseinsatz substituierbar) und vom realistischen Fall höherer Anlaufkosten ausgegangen. Das Ergebnis ist in Abbildung VI.4 dargestellt. 162 Abbildung VI.4 Gegenwartswerte bei einem größeren Investitionsobjekt Gegenwartswert der zu erwartenden Erträge nach Steuern für den Eigentümer aus einer Betriebsgründung in modernen Industrien mit Anfangsinvestitionen von rd. 40 Mill. Euro 40 bei alternativen Standorten und Förderbedingungen 30.000 27.691 Gegenwartswert in 1.000 Euro Weniger begünstigte Regionen begünstigte Regionen 25.000 extreme Begünstigung 20.000 15.000 18.112 14.374 13.642 10.000 5.101 5.000 6.736 5.696 4.400 7.523 5.417 2.955 1.062 0 Sachsen Quelle: Polen Tschechien Ungarn Berechnungen des ifo Instituts (FUP-Modell). Auch für das größere Projekt wäre eine Investition in Sachsen am vorteilhaftesten. Falls allerdings die KMU-Förderung nicht in Anspruch genommen werden könnte, wäre die Investition jenseits der Grenze, in Nordböhmen, am günstigsten, vorausgesetzt der Investitionszuschuss wird tatsächlich in voller Höhe gewährt. Der Vorteil Sachsens ist bei allen Förderstufen im Fall der größeren Investition ausgeprägter. Dies verdeutlicht Tabelle VI.3, welche die Gegenwartswerte, die in Polen, Tschechien und Ungarn erzielt würden, auf den Gegenwartswert einer Realisierung des Projektes in Sachsen bezieht. Auf jeder Förderstufe ist die Differenz im Gegenwartswert zugunsten Sachsens bei dem 40 Mill. €-Projekt relativ größer als beim 15 Mill. €-Projekt. Dieses Ergebnis erklärt sich zum einen daraus, dass in den Vergleichsländern in der Regel die gewährten Investitionszuschüsse noch oben begrenzt sind. Die Förderwirkung reduziert sich deshalb bei wachsender Größe des Objekts. Zum anderen kommt bei größeren Objekten, die typischerweise auch kapitalintensiver 163 sind16, der Lohnkostenvorteil der zentraleuropäischen Länder weniger zum Tragen. Da der Gewinn relativ niedrigerer ausfällt, ist auch die Förderwirkung einer Gewinnsteuerbefreiung geringer als beim kleinen Objekt. Wegen dieser Zusammenhänge wächst der Vorteil der Förderkulisse Sachsens mit zunehmender Objektgröße. Tabelle VI.3 Vergleich der Förderwirkung bei Investitionsobjekten unterschiedlicher Größe Förderstufe Investitionsobjekt\ Land Polen Tschechien Ungarn Quelle: 3. Relation zum in Sachsen erzielbaren Gegenwartswert (Sachsen =100) Weniger Begünstigte Extreme begünstigte Region Region Begünstigung 15 Mill. € 40 Mill. € 15 Mill. € 40 Mill. € 15 Mill. € 40 Mill. € 49 67 60 8 32 22 77 78 90 59 61 72 45 85 58 21 52 27 Berechnungen des ifo Instituts (FUP- Modell). Zusammenfassung Ob ein Standort Vorteile bietet, hängt sowohl von seiner Förderkulisse als auch von den wirtschaftlichen Daten des Investitionsobjekts ab. Unbedingte Aussagen über die Vorteilhaftigkeit von Fördersystemen wären nur dann möglich, wenn die wirtschaftlichen Perspektiven des neu gegründeten Betriebes in den Vergleichsländern exakt gleich wären. Da ein Betrieb in Sachsen ein anderes Umfeld als in Polen, Tschechien und Ungarn vorfindet, ist diese Konstellation in der Praxis nicht anzutreffen. Deshalb wurde ein Modell entwickelt, das sowohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die Förderkulisse in den Vergleichsländern differenziert abbildet. Unter realistischen Annahmen hinsichtlich des Lohnkostenvorteils der MOELänder und hinsichtlich ihrer Nachteile bei anderen Kostenkomponenten ist das auf Zuschüssen basierende Investitionsfördersystem von Sachsen für den In- 16 Bei den Berechnungen wurde beim größeren Projekt von Investitionen von etwa 220.000 € pro Beschäftigten und beim kleineren Projekt von 150.000 € pro Beschäftigten ausgegangen. 164 vestor vorteilhafter als die Förderkulisse in den MOE-Ländern, die in erster Linie auf Anreize über Steuervergünstigungen abstellt. Dies trifft auch zu, wenn die in allen Ländern gewährten stärkeren finanziellen Anreize für rückständige Regionen und bestimmte Unternehmenstypen oder Industriesparten in die Betrachtung einbezogen werden. Zum Teil ist jedoch der Abstand zu Tschechien gering. Der Vorteil Sachsens wächst, wenn berücksichtigt wird, dass bei Betriebsgründungen normalerweise Anlaufkosten entstehen und erst nach einigen Jahren über „learning by doing“ das Gewinnpotenzial des Engagements voll auszuschöpfen ist. Wenn ein Investor ein großes und kapitalintensives Projekt realisieren will, so lohnt die Investition in Sachsen in der Regel noch mehr als bei einem kleineren Investitionsvorhaben. Beides hängt mit den spezifischen Förderwirkungen von Zuschüssen auf der einen und von Steuererleichterungen auf der anderen Seite zusammen. 165 VII. Zusammenfassung der Untersuchung Im ersten Teil wurde die Standortqualität der vier Länder ausführlich beschrieben. Um herauszufinden welchen Stellenwert die einzelnen Faktoren haben, genügt es nicht, nur den Zufluss an Direktinvestitionen zu untersuchen, weil dieser seit dem Beginn der Transformation statistisch eng mit den Erlösen aus Privatisierungen korreliert ist. Mit dem bevorstehenden Abschluss der Privatisierung gewinnen zunehmend andere Standortfaktoren an Gewicht. Die Bedeutung des engen statistischen Zusammenhangs zwischen Direktinvestitionen und Privatisierung konnte natürlich nicht in der Umfrage berücksichtigt werden. Inzwischen ist bekannt, dass nicht nur das Tempo der Privatisierung für hohe Wachstumsraten des BSP und auch für hohe Zugänge an Direktinvestitionen entscheidend sind, sondern auch wie der für eine Marktwirtschaft erforderliche ordnungspolitische Rahmen institutionalisiert wird. Von zentraler Bedeutung sind politische Stabilität, Vertragsfreiheit, Rechtssicherheit und die Durchsetzung von Gläubigerrechten. Ihre Existenz bestimmt im Kontext mit der Wirtschaftspolitik, dass ausländische Investoren genügend Investitionsanreize finden. Markt- und fortschrittsfeindliche Institutionen, eine fehlende Rahmenordnung, die Macht noch gut funktionierender Netzwerke, in welchen ehemalige einflussreiche Bürokraten und Politiker die Fäden ziehen, lähmen die Wirtschaft und treiben die Bevölkerung in die Passivität. Gut funktionierende Institutionen und Gesetze, welche die Rechte des Einzelnen schützen und genügend Transparenz schaffen, motivieren nicht nur die inländischen sondern auch ausländische Unternehmen zur Investition. Die drei MOE-Länder unterscheiden sich von vielen anderen Transformationsländern dadurch, dass sie so schnell wie möglich Mitglieder der EU werden wollen. Dies erweckt bei ausländischen Investoren besonderes Vertrauen. Die Bereitschaft, die Marktwirtschaft einzuführen, ist um so größer, je mehr ein Volk bereit ist, Mitglied internationaler Organisationen17 zu werden. Der Beitritt zur EU impliziert die weitreichendste ordnungspolitische Anpassung. Sie hat ein Regelwerk für das Zusammenleben von mehreren Nationen entwickelt, welches die Beitrittskandidaten zwingt, eine funktionsfähige Wirtschaftsordnung zu schaffen, die dem internationalen Wettbewerb gewachsen ist. Es überrascht wegen der angestrebten EU-Mitgliedschaft nicht, dass sich die drei MOE17 Z. B. EU, IMF, Weltbank, Europäische Entwicklungsbank, NATO. 166 Länder auf dem Weg zur Marktwirtschaft nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Da die drei Länder jedoch über ein unterschiedliches Parteienspektrum verfügen, und die EU-Begeisterung nicht überall gleich ist, bestehen gewisse Unterschiede. So hat sich Ungarn am kompromisslosesten zur EU bekannt und gleich mit der sog. strategischen Privatisierung begonnen. Es ist nach allen Analysen das Land, welches bei der Transformation zur Marktwirtschaft am weitesten vorangekommen ist. Die Befunde der Literaturanalyse stimmen hier mit den Ergebnissen der Befragung überein. Es existiert ein starkes Lohngefälle zwischen Sachsen und den drei MOE-Ländern. Die Ergebnisse der KIENBAUM-Vergütungsstudie über Tschechien und die Studie von EKES über Ungarn zeigen aber, dass die alleinige Orientierung an den von den statistischen Ämtern ausgewiesenen Durchschnittslöhnen zu falschen Schlüssen führen kann. Dies hat folgende Gründe: Wie in allen Entwicklungs- und Schwellenländern bezahlen die ausländischen Investoren auch in den Beitrittsländern meist wesentlich höhere Löhne als die in inländischem Besitz befindlichen Firmen. Dies bestätigten auch die Interviews mit den Unternehmen. Ungelernte Arbeiter sind in den betrachteten MOE-Ländern sehr viel billiger als in Sachsen. Mit zunehmender Bildung verringern sich jedoch diese Unterschiede oder verschwinden sogar. Neben der größeren sektoralen Lohnspreizung sind noch regionale Unterschiede von großer Bedeutung. So sind die Gehälter in den Ballungszentren relativ hoch. Vielfach sind dort überhaupt keine geeigneten Arbeitskräfte mehr verfügbar. In stark unterentwickelten Gebieten mit schlechter Infrastruktur und hoher Arbeitslosigkeit besteht dagegen kein genereller Mangel an Arbeitskräften. Deshalb werden ausländische Investitionen auch um so mehr subventioniert, je größer die Probleme in der betreffenden Region sind. Dem Vorteil bei den Löhnen steht jedoch ein ebenso ausgeprägter Rückstand bei der Arbeitsproduktivität im Durchschnitt aller Unternehmen gegenüber. Im Vergleich zum Durchschnitt der Unternehmen Sachsens ist der Vorteil bei den Löhnen kleiner als der Nachteil bei der Arbeitsproduktivität. Die Lohnstückkosten sind die Resultante aus Arbeitskosten und Arbeitsproduktivität. In nationaler Währung gerechnet, sind die Lohnstückkosten der verarbeitenden Industrie in Polen, Tschechien und Ungarn seit 1995 weit stärker gestiegen als in Sachsen. 167 Abwertungen von Zloty, Krone und Forint haben dies nicht ausgleichen können. Auch in einheitlicher Währung gerechnet, hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Industrie von der Lohnstückkostenentwicklung her gegenüber industriellen Anbietern aus Ungarn, insbesondere aber gegenüber Anbietern aus Polen und Tschechien verbessert. In einheitlicher Währung gerechnet, sind im Zeitraum 1995 bis 2001 die Lohnstückkosten der tschechischen verarbeitenden Industrie pro Jahr um über 9 % stärker gestiegen als die Lohnstückkosten der sächsischen Industrie. Eine schwer kalkulierbare Größe für Kosten und Exportchancen sind Währungsturbulenzen, die wegen der Tendenz einer Aufwertung der jeweiligen Landeswährung bei aufholendem Wirtschaftswachstum vorprogrammiert sind. Dies gilt insbesondere für kleine Länder mit großem Exportsektor. Für die Wechselkursbildung sind nur die handelbaren Güter entscheidend. Da der Export der drei MOE-Länder zum größten Teil von internationalen Unternehmen stammt und der Außenhandelssektor wegen des schärferen internationalen Wettbewerbs ein rascheres Produktivitätswachstum aufweist, tendiert die Währung zu einer realen Aufwertung (sog. SAMUELSON-BALASSA-Effekt). In Erwartung einer solchen Aufwertung können Wechselkursbewegungen noch durch internationale Kapitalbewegungen verstärkt werden. Das heißt, dass die Preise und die Löhne in Euro gerechnet massiv steigen können. Manche Kalkulation kann sich so nach einigen Jahren als Irrtum erweisen. Bei den arbeitsorganisatorischen Randbedingungen sind die Unterschiede zwischen Sachsen und seinen drei konkurrierenden Ländern nicht sehr groß. Allerdings muss hier betont werden, dass Sachsen immer am günstigsten abschneidet, gleichgültig ob es sich um die Beurteilung von Hilfsarbeitern, Facharbeitern oder um die Qualifikation des mittleren Management handelt. Wer in Sachsen mit einer Berufsgruppe unzufrieden ist, wird auch in den drei MOELänder keine besseren Verhältnisse vorfinden. Einer der größten Vorteile Sachsens besteht in dem dualen Schulsystem. Bis zum 18. Lebensjahr bzw. bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung, ist der Besuch der Berufschule laut Gesetz Pflicht, es sei denn, jemand besucht eine weiterführende allgemeinbildende Schule. Viele Länder beneiden Deutschland um das duale Schulsystem mit seiner überbetrieblichen Ausbildung. In Deutschland ist deshalb die Jugendarbeitslosigkeit seit vielen Jahrzehnten unter allen OECD-Ländern am geringsten. Mehrere Staaten des ehemaligen 168 COMECON (Council for Mutual Economic Assistance) führen deshalb das deutsche Berufschulwesen mit deutscher Hilfe ein. Die Investoren in den MOE-Ländern sind mit ihrem Standort zufrieden. Über 90 % sagen, dass sie, falls sie noch einmal entscheiden müssten, wieder den ausgewählten Standort wählen würden. Vergleicht man die Ergebnisse der Befragung zwischen den in Sachsen ansässigen Tochterunternehmen deutscher oder ausländischer Investoren, erhält man in fast allen Fällen eine sehr positive Beurteilung. Hier würden sogar 96 % der Investoren diesen Standort erneut wählen. Besonders hervorstechend in Sachsen ist die hohe Qualifikation der Mitarbeiter sowie die FuE-Infrastruktur, welche sich in den drei MOE-Ländern erst noch in der Restrukturierung befindet. Die Erblast der Planwirtschaft in den drei MOE-Ländern, wie Umweltverschmutzung, ein unterentwickelter Immobilienmarkt und insbesondere eine schlechte Transportinfrastruktur, werden trotz der zahlreichen EU-Beihilfen noch viele Jahre anhalten. Das gleiche gilt auch für das Gesundheitswesen, welches westliche Führungskräfte lieber meiden. Auch das Bildungswesen an den Universitäten entspricht trotz aller Anstrengungen noch nicht westlichen Qualitätsvorstellungen. Während die Behörden in Sachsen in der Befragung durchweg gelobt und als kooperativ und hilfsbereit beurteilt werden, wird es in den anderen drei Ländern noch eine Weile dauern, bis aus schwerfälligen Bürokraten Dienstleister werden. Nach dem Ergebnis der Literaturanalyse haben viele Bürokraten noch einen zu großen unkontrollierten Spielraum, welcher die Korruption stark begünstigt. Auch in den geführten Interviews wurde teilweise offen von mehr oder weniger erzwungenen Zahlungen berichtet. Obwohl Ungarn zweifellos der erste Platz bei den Transformationserfolgen gebührt, ergaben die Interviews zahlreiche Klagen über Korruption auf der administrativen Ebene – ein Sachverhalt den auch die Untersuchungen der EBRD bestätigten. Die insgesamt sehr positive Beurteilung Sachsens heißt natürlich nicht, dass es keine Defizite gibt. So wird das Angebot an internationalen Schulen als unzureichend beurteilt. Allerdings befinden sich diese Schulen erst im Aufbau. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der die Standortqualität eines Landes bestimmt, ist seine Förderkulisse. Unbedingte Aussagen über die Vorteilhaftigkeit von 169 Fördersystemen wären nur dann machbar, wenn die wirtschaftlichen Perspektiven des neu gegründeten Betriebes in den Vergleichsländern exakt gleich wären. Da sich das Umfeld eines Betriebes in Sachsen deutlich von dem in Polen, Tschechien und Ungarn unterscheidet, ist diese Konstellation in der Empirie nicht anzutreffen. Deshalb wurde ein Modell entwickelt, das sowohl die wirtschaftlichen Randbedingen als auch die Förderkulisse in den Vergleichsländern differenziert abbildet. Unter Berücksichtigung des Lohnkostenvorteils der drei MOE-Länder einerseits und ihrer Nachteile bei anderen Kostenkomponenten andererseits ist das auf Zuschüssen basierende Investitionsfördersystem von Sachsen für den Investor vorteilhafter als die Förderkulisse in den MOE-Ländern, die in erster Linie auf Anreize über Steuervergünstigungen abstellt. Dies trifft auch zu, wenn die in allen Ländern gewährten stärkeren finanziellen Anreize für rückständige Regionen und bestimmte Unternehmenstypen oder Industriesparten in die Betrachtung einbezogen werden. Zum Teil ist jedoch der Abstand zu Tschechien gering. Aufgrund der spezifischen Förderwirkungen von Zuschüssen auf der einen und von Steuererleichterungen auf der anderen Seite lohnt sich in Sachsen ein großes und kapitalintensives Projekt in der Regel noch mehr als ein kleineres Investitionsvorhaben. 170 171 VIII. Argumente für den Standort Sachsen im Vergleich zu Polen, Tschechien und Ungarn 1. Löhne Ein einfacher Vergleich der Bruttolöhne besagt wenig, da die Produktivität für die Lohnstückkosten entscheidend ist. Tatsächlich sind in Sachsen die Löhne 25 bis 30 % niedriger als in Westdeutschland. Der Vergleich zwischen den statistischen Durchschnittslöhnen von (West-)Deutschland mit Polen und Tschechien und Ungarn ist irreführend. Die wichtigsten Gründe: • Der niedrige statistische Durchschnittslohn wird von der nach wie vor großen Zahl von Arbeitnehmern bestimmt, die in den ehemals staatlichen, bisher noch wenig modernisierten Betrieben, tätig sind. Diese Arbeitnehmer stehen zu diesen Bedingungen aber nicht ausländischen Unternehmen zur Verfügung. In Tschechien z. B. liegen die von internationalen Unternehmen bezahlten Löhne ca. 30 % über denjenigen des tschechischen Privatsektors. • Das deutsche Berufsausbildungssystem besteht aus einer aufeinander abgestimmten Ausbildung in Theorie und Praxis. Es ist Garant für eine hohe Qualität der Produktion und eine hohe Arbeitsproduktivität. Bis zum 18. Lebensjahr besteht laut Gesetz Berufsschulpflicht. Keines der drei MOE-Länder verfügt auch nur über ein qualitativ annähernd gleichwertiges System der Berufsausbildung. Erst die internationalen Direktinvestitionen haben allmählich zum Umdenken geführt. Von der Planung bis zur Realisierung einer leistungsfähigen Berufsausbildung werden aber noch viele Jahre vergehen. • Die Lohnspreizung nach der Qualifikation ist in allen drei Ländern sehr hoch. Während niedrig qualifizierte Arbeiter, gemessen an westlichen Verhältnissen, auch sehr niedrige Löhne erhalten, steigen die Gehälter mit zunehmender Qualifikation stark an. Die Vergütung leitender Angestellter nähert sich rasch westeuropäischem Niveau. • Seit Beginn der Transformation nimmt die Lohnspreizung nach Angaben der EBRD in den drei MOE-Ländern drastisch zu. Im Jahre 1989 lag das Gehalt eines Akademikers in Tschechien ca. 28 % über dem Gehalt eines JuniorAbsolventen einer höheren Schule. Mitte der 90er Jahre betrug die Differenz 172 bereits 72 %. Ganz ähnlich war die Entwicklung in Ungarn, wo das Lohndifferenzial 1996 78 % betrug. Es spricht nach Studien der EBRD einiges dafür, dass insbesondere "wissensbasiertes Wirtschaftswachstum" der Länder mit nachholender Entwicklung die Löhne qualifizierter Arbeiter nach oben treibt. • Löhne und Gehälter unterscheiden sich relativ stark nach Branchen. Bei Finanzdienstleistungen sind sie am höchsten. In Polen liegen sie ca. 50 % und in Ungarn und Tschechien sogar deutlich über 100 % über dem Durchschnittslohn. • Da sich bei einem aufholenden Wirtschaftswachstum die Währung gemäß dem Produktivitätswachstum im Exportsektor real aufwertet (BALASSA-SAMUELSON-Effekt), steigen auch die realen Lohnkosten in den drei MOE-Ländern (in Euro gerechnet) in der Regel zusätzlich um den Effekt der realen Aufwertung. Zwischen 1995 und 2000 erhöhten sich die realen Wechselkurse der drei Länder um 20 - 30 %. • Neben den hier erwähnten Faktoren gibt es noch andere Kostenkomponenten, welche die Produktivität beeinflussen, wie Infrastruktur oder Rechtsordnung (vgl. Argument Punkt 4). 2. Infrastruktur Die Infrastrukturausstattung liegt in Polen, Tschechien und Ungarn weit hinter Sachsen zurück. Dies gilt insbesondere für die Transportinfrastruktur. • Nach Angaben der EBRD bildet Polen das Schlusslicht, mit großem Abstand zu Tschechien und Ungarn. Von den ca. 350.000 km Straßen sind 79 % in schlechtem Zustand, inklusive 264 km Autobahn und 263 km Schnellstraßen. Nur 1 % aller Straßen entspricht den EU-Anforderungen. Ein Drittel der Straßen muss dringend repariert werden. Es wird noch einige Jahre dauern, bis in Polen ein reibungsloser Anschluss an das EU-Autobahnnetz besteht. • Tschechien und insbesondere Ungarn, haben einige Hauptverkehrsadern mit Autobahnen modernisiert. Ungarn unternimmt gewaltige Anstrengungen, um den Osten besser zu erschließen, da sich die mangelhafte Infrastruktur als 173 Bremse für die Investitionen im Osten erwiesen hat und die Ballung neuer Unternehmen um Budapest zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geführt hat. Tschechien verfügt, pro-Kopf gerechnet, über das dichteste Straßennetz der drei MOE-Staaten. Allerdings müssen einige Landstraßen noch modernisiert werden. • Generell gilt für alle drei MOE-Staaten: Am schlechtesten ist die Infrastruktur in den am meisten zurückgebliebenen Regionen. • Polen verfügt zwar über ein Schienennetz von 22.300 km, davon sind jedoch nur die Hälfte elektrifiziert und 8.900 km sind nur einspurig. Über die Hälfte des Schienennetzes muss dringend modernisiert werden. Insgesamt befindet sich das Eisenbahnwesen in einem sehr desolaten Zustand. Ähnlich sieht die Situation in Tschechien aus. Zwischen 1990 und 2000 hat die Produktivität der hochverschuldeten staatlichen Eisenbahngesellschaft stark abgenommen. Einige kleinere Strecken werden jedoch gewinnbringend von privaten Gesellschaften bedient. • In allen drei Ländern kann die Verbesserung der Transportinfrastruktur mit dem rasant zunehmenden LKW-Verkehr nicht Schritt halten. Zudem wird die Nachfrage nach PKW mit zunehmendem Wirtschaftswachstum überproportional wachsen. • Der Flugverkehr funktioniert relativ gut. Während Tschechien und Ungarn jeweils nur über einen einzigen - aber modernen - Flughafen verfügen, gibt es in Polen zehn, von welchen aber nur der von Warschau gut ausgebaut ist. Die übrigen Flughäfen befinden sich meist in einem maroden Zustand und müssen dringend modernisiert werden. • Polen verfügt als Ostseeanrainer über fünf Häfen. Diese sind jedoch ebenfalls dringend überholungsbedürftig und genügen noch nicht modernen Standards. • Weder in Polen, Tschechien noch Ungarn gibt es eine moderne gewachsene industrielle Infrastruktur. In Sachsen existieren allein im Automobilzulieferbereich rund 500 direkte und indirekte Zulieferer in einer hochentwickelten Netzstruktur. In Polen und Tschechien gibt es zwar einige sehr leistungsfähi- 174 ge Zulieferer, meistens sind es aber Tochterunternehmen deutscher Zulieferer, die punktuell gewisse lohnintensive Produkte herstellen, untereinander jedoch nicht vernetzt sind. In Ungarn, wo der Privatisierungsprozess weitestgehend abgeschlossen ist, beziehen nach einer Studie des Ungarischen Wirtschaftsministeriums ausländische Investoren 10 - 20 % ihrer Vorprodukte aus dem Ausland. Insbesondere bei Greenfield-Investitionen, bei welchen Produkte hergestellt werden, die zuvor nie im Lande produziert wurden, sind die Investoren gezwungen, auf ihre ausländischen Zuliefernetze zurückzugreifen. 3. Rechtssicherheit sowie politische und administrative Risiken In Ostdeutschland wurden nach der Wende die westdeutschen Gesetze und administrativen Institutionen kompromisslos und ohne Übergangszeit übernommen. Das gilt auch für den acquis communautaire. • In Polen und Tschechien gab es keine radikale Umgestaltung der Administration einschließlich der Gerichte. Die Gesetze werden zwar angepasst, um die EU-Standards zu erreichen, aber wegen der zu geringen Zahl an Juristen mit Kenntnissen des neuen Rechts, sind Polen und Tschechien stark überfordert. Eine zusätzliche Unsicherheit liegt in den Durchführungsbestimmungen, die nicht, verspätet oder lückenhaft erlassen werden. Die Rechtsunsicherheit ist daher sowohl nach den Buchstaben des Gesetzes als auch hinsichtlich der administrativen Durchsetzung rechtlicher Positionen groß. Nach Angaben der EBRD hat sich in Tschechien die Durchsetzung vorhandener Gesetze im Jahr 2000 sogar gegenüber 1999 deutlich verschlechtert - ein sehr ungewöhnlicher Sachverhalt während des Transformationsprozesses. • Besondere Intransparenz und Unsicherheiten, vor allem im Hinblick auf die Haftung und Beleihung, enthält das Immobilienrecht in Polen und in Tschechien. • Kleinere und größere „nützliche Abgaben“ sind in Polen, Tschechien und Ungarn üblich und wurden bei den Interviews auch beklagt. Nach den Erhebungen der WELTBANK und der EBRD ist die Situation in Ungarn auf administrativer Ebene am schlechtesten. Die Interviews haben dies bestätigt. 175 • Obwohl der Außenhandel offiziell bei allen drei Ländern einen hohen Liberalisierungsgrad erreicht hat, bestehen noch zahlreiche Probleme wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen zwischen EU-Recht und nationalem Recht über die technische Abwicklung des Außenhandels. Umständliche Zollverfahren bei Ein- und Ausfuhr erschweren in allen drei Ländern den ungehinderten Warenverkehr. Sie haben vielfach den Charakter nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Schikanöses Verhalten nachgeordneter Zollstellen ist verbreitet. Dies wurde besonders in den Interviews immer wieder hervorgehoben. Nachbesserungen oder Umtausch von Fehllieferungen aus dem Ausland können zu wochenlangen Produktionsverzögerungen führen. • Einige der am Markt operierenden Unternehmen der MOE-Länder sind de facto pleite, insbesondere in Tschechien, wo inzwischen nach Mahnungen der EU das zehnte Konkursgesetz erlassen worden ist. De facto finden aber in Tschechien erst Konkurse seit der Bankenprivatisierung statt. Nach Quellen, die von der Forschungsabteilung der DEUTSCHEN BUNDESBANK zusammengestellt wurden, sind ca. 30 % der tschechischen Betriebe stark überschuldet. • In Tschechien und Polen fürchten viele Menschen den Ausverkauf ihrer heimischen Wirtschaft an Deutschland. Sie boykottieren oder verzögern deshalb bewusst viele Entscheidungen. Die Bevölkerung ist gespalten und vorwiegend rechts orientierte Parteien befürchten den Verlust der nationalen Identität ihres Vaterlandes durch EU-Diktate. Trotz des zunehmenden Wohlstands weckt die Tatsache, dass ausländische Unternehmen ständig einen wachsenden Teil des BSP und des Exports produzieren, bei vielen Kreisen der Bevölkerung große Ängste. Der Wunsch, der EU beizutreten, ist (Ungarn ausgenommen) in Tschechien und noch mehr in Polen inzwischen deutlich gesunken. Die Einhaltung des Zeitplans für eine EU-Mitgliedschaft ist in diesen beiden Ländern keineswegs sicher. • Das primär von den Amerikanern immer wieder betonte Argument, wegen schwacher Gewerkschaften seien die drei Beitrittsländer gute Investitionsstandorte, verliert zunehmend an Bedeutung. Sowohl EU als auch die INTERNATIONAL LABOUR ORGANISATION (ILO) drängen die Regierungen ganz vehement, die im Weißbuch von 1995 kodifizierten Sozialstandards einzufüh- 176 ren. Diese Sozialstandards gelten als "Minimalstandards", zu denen auch funktionsfähige Gewerkschaften gehören. • Es fragt sich, welche Bedeutung dem amerikanischen Schlagwort von „praktisch gewerkschaftsfrei“ zukommt, wenn man bedenkt, dass zwischen 1997 und 1999 in Ungarn und Polen die ILO eine sehr hohe Zahl an verlorenen Arbeitstagen auf Grund von Streiks und Aussperrrungen konstatiert, während im gleichen Zeitraum in Sachsen kein Streik stattfand. Die Arbeitnehmer und Betriebsräte Sachsens sind eher an der Erhaltung ihres Betriebes und ihres Arbeitsplatzes interessiert. Für Sachsen gibt es zahlreiche Öffnungsklauseln, sodass man kaum von einem „tatsächlichen“ Flächentarifvertrag sprechen kann – ganz egal, wie man nun „tariforientiert“ definiert. 4. Förderpolitik Die Bemühungen, einen Aufholprozess bei Arbeitsplätzen und Produktivität in den neuen Ländern in Gang zu setzen, haben in Sachsen zu einem außerordentlich vielfältigen und differenzierten Fördersystem für den Aufbau von Betrieben geführt. Auch in Polen, Tschechien und Ungarn ist trotz des geringen finanziellen Spielraums dieser Länder das Förderinstrumentarium über Steuervergünstigungen hinaus um diverse Regelungen für Investitionszuschüsse oder am Faktor Arbeit anknüpfende Zuschussregelungen ergänzt worden. Viele Fördermaßnahmen können nur bei einer Investition in einer benachteiligten Region in Anspruch genommen werden. Gruppiert man die unterschiedlichen Maßnahmen zur Investitionsförderung, erhält man drei Bündel an Fördermaßnahmen, die a) unabhängig vom Investitionsstandort und der Unternehmensgröße für Investitionen aller Unternehmen (weniger begünstigte Region) gelten, b) alle Unternehmen in Anspruch nehmen können, die in einer bestimmten (in der Regel rückständigen) Region investieren (begünstigte Region), c) nur bestimmte, in der Regel kleine und mittlere Unternehmen bei einer Investition in einer rückständigen Region wahrnehmen können (extreme Begünstigung). 177 Das in Sachsen praktizierte Fördersystem ist in allen oben genannten Fällen betriebswirtschaftlich gesehen rentabler. Allerdings bietet die Förderkulisse in Tschechien zum Teil nur wenig schwächere Investitionsanreize als in Sachsen. Die förderpolitischen Entscheidungen in Sachsen erfolgen schnell. Bei Konflikten mit der EU-Beihilfeaufsicht steht Sachsen immer auf der Seite der Unternehmen. Die Unternehmen berichten aus Polen, etwas weniger auch aus Tschechien und Ungarn, dass auf die Förderzusagen der Regierung kein hundertprozentiger Verlass ist. Sollte sich darüber hinaus im Zeitpunkt des EU-Beitritts herausstellen, dass die Förderzusagen nicht EU-konform sind, muss mit nachträglichen Kürzungen gerechnet werden. 5. Lebensqualität Die fehlende Rechtssicherheit wirkt sich in Polen und Tschechien auch auf die Kriminalität aus. Die Kriminalitätsrate ist sehr hoch. Dabei rangiert Polen vor Tschechien mit Abstand vor Ungarn. Das öffentliche Gesundheitswesen ist in Polen und Tschechien sehr rückständig. Selbst CZECHINVEST empfiehlt im Krankheitsfall nach Deutschland oder Österreich zu gehen. Als weiteres Problem wird das geringe Kulturangebot betrachtet. Was das Schulwesen anbetrifft, insbesondere die internationalen Schulen, herrscht gemäß den Umfragen unter den Investoren eine gewisse Unzufriedenheit hinsichtlich des Angebots. Allerdings befinden sich die Internationalen Schulen erst im Aufbau. Wegen des dichten Verkehraufkommens in den drei Hauptstädten, besteht dort ein großes Maß an Luftverschmutzung. Am schlimmsten ist es in Warschau, gefolgt von Prag und Budapest. Während Budapest und Prag Ringautobahnen um die Hauptstädte planen, ist Warschau davon noch weit entfernt. 178 LITERATURVERZEICHNIS a) Monographien und Zeitschriftenbeiträge ABRAHAM, T.; ESER, T.W. (1999): Regionalentwicklung in Mittel- und Osteuropa im Spannungsfeld von Transformation und Integration am Beispiel Polens. in: Raumforschung und Raumordnung Nr.2/3, S. 83-95. ALLEN, M. (2002): Die Rechte der Arbeitnehmer in Deutschland und dem Vereinigten Königreich. ifo Schnelldienst Nr. 2, S. 19-24. ARBEITSKREIS VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG siehe Datenbank www.statistik-bw.de DER LÄNDER (Hrsg.): BEHRING, K. ET AL. 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