Smarte Textilien für die Medizin

Werbung
Medizintechnologie.de
Techniktrend
Smarte Textilien für die Medizin
Quelle: © Cybrain - Fotolia.com
01.07.2014 Babybodys der Zukunft können dabei helfen, den Kindstod zu
verhindern. Der intelligente Babybody überwacht unter anderem die
Atmungsaktivität des Babys an Bauch und Rücken. Setzt die Atmung aus, wird ein
Alarm ausgelöst. Das ist nur ein mögliches zukünftiges Anwendungsgebiet für
Textilien mit integrierter Sensorik/Elektronik, sogenannten smarten Textilien. Die
Einsatzpotenziale in der Medizin sind sehr vielfältig: sie reichen von eHealthAnwendungen über die Überwachung von Wundheilungsprozessen bis hin zu
Biofeedback bei Exoskeletten oder Prothesen.
1
Textilintegrierte versus textilbasierte Systeme
Für smarte Textilien gibt es keine feststehende Definition. Am weitesten verbreitet ist
der Bezug auf Textilien mit intelligenten Funktionen durch die Integration
elektronischer und sensorischer Funktionen. Die Textilien können auf bestimmte
Umwelteinflüsse reagieren, beziehungsweise interagieren, Signale detektieren und
spezifische Aufgaben erfüllen.
In der Herstellung unterscheidet man zwischen textilintegrierten und textilbasierten
Lösungen. Bei der textilintegrierten Lösung werden Bauteile wie MEMS (Mikro-elektronischemechanische Systeme), Leiterplatten oder Sensoren auf Textilien aufgebracht. Dies kann mit
verschiedenen Verbindungstechnologien erfolgen wie dem Sticken, Crimpen oder Löten.
Die Basis für textilbasierte Lösungen bilden Fasern oder textile Flächengebilde, die selbst
über elektrisch leitfähige oder sensorische Eigenschaften verfügen. Hierfür werden spezielle
Polymere und Beschichtungen eingesetzt. Auf den textilen Strukturen basiert der Aufbau von
textilen Sensoren, hochflexiblen Stimulationselektrodensystemen, Aktuatoren,
selbstleuchtenden Textilien oder speziellen Heizsystemen.
Für beide Ansätze gilt nach wie vor, dass noch vielfältige technologische Herausforderungen
zu lösen sind. Dazu zählen u. a. automatisierte Fertigungsverfahren, Reproduzierbarkeit,
Langlebigkeit und Zuverlässigkeit der Produkte. Ein weiterer Baustein ist die mobile
Energieversorgung, wenn es sich um „getragene“ Produkte handelt, die nicht an den
Stromkreislauf angeschlossen werden können.
2
Forschung und Entwicklung
Derzeit befinden sich die meisten smarten Textilprodukte noch im Forschungsstadium,
auch wenn bereits seit Jahren in der Industrie und Wissenschaft daran gearbeitet wird.
Zahlreiche Aufgaben sind noch zu bewältigen, vor allem wenn es um die Nutzung in
einem sensiblen Bereich wie der Medizin geht.
Dazu zählen nicht nur die bereits genannten technologischen Herausforderungen, sondern
auch die Etablierung einer entsprechenden Infrastruktur und die Klärung von Haftungsfragen.
So muss z. B. klar geregelt sein, wer die Verantwortung im Falle eines Notrufs/Warnsignals
zu übernehmen hat, d.h. die Daten auswertet und strukturiert Hilfe leistet. Die Lösung dieser
Fragestellung ist eine Schlüsselkomponente für die Einführung sensorischer Textilien in den
Gesundheits- und Pflegebereich. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedenster
Fachrichtungen ist gefordert, um entsprechende Ansätze und Konzepte zu entwickeln.
Für die technologische Umsetzung sind Impulse aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen
und Branchen gefragt wie der Chemie, Faser-, Textil-, Beschichtungs- und
Mikrosystemtechnik/Sensorik sowie aus der Biotechnologie und den Materialwissenschaften.
Des Weiteren ist die Einbindung der Anwender wie Ärzte und Krankenhäuser sowie weiterer
Stakeholder wie Krankenkassen für die Entwicklung marktfähiger Produkte von
entscheidender Bedeutung.
Zu den Kompetenzzentren für die Entwicklung smarter Textilien in Deutschland zählen:

Hohenstein Institut für Textilinnovationen

Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf

Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen

Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e.V.
Institut für Textilmaschinen und textile Hochleistungswerkstoffe der TU (Technische

Universität) Dresden
Darüber hinaus engagieren sich zahlreiche Fraunhofer-Institute auf diesem Gebiet:

Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS

Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC

Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IA

Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien EMFT
3
Einsatzpotenziale in der Medizin
Vielversprechende Anwendungsfelder für smarte Textilien liegen in der Medizin und
Pflege, aber ebenso in der Medizintechnik. Dabei wird nicht nur an die Überwachung
von Atem- und Herzfrequenz gedacht, sondern auch an das Monitoring von
Wundheilungsprozessen oder Bewegungsabläufen.
Außerdem bieten sich Potenziale für die Optimierung medizinischer Produkte wie
Spezialschuhe, Kompressionsprodukte, Orthesen und Prothesen oder für neue
Therapiekonzepte z. B. von Schlaganfallpatienten. In Zukunft sind sogar Textilien mit
biochemischen Sensoren denkbar, die die Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten wie
Blut oder Schweiß messen und damit wichtige Informationen über den Gesundheitszustand
geben können.
Smarte Textilien sollen damit sowohl zur Prävention, zur Diagnostik als auch zur Therapie
eingesetzt werden. Wichtige Gebiete werden hierbei die gesamte Homecare-Versorgung bzw.
Ambient Assisted Living sein. Das Thema eHealth nimmt dabei eine Schlüsselfunktion ein;
Textilien könnten in Zukunft die Rolle eines modernen Interface übernehmen. Somit könnten
sie einen wesentlichen Beitrag zu dem therapeutischen Fortschritt und der Einsparung von
Arzneimitteln, der Verkürzung von Krankheitszeiten sowie dem Gesundheitsmonitoring von
Risikogruppen leisten. Dies könnte zu einer Verbesserung der Lebensqualität und der
Hygiene sowie der Gesundheit im Alter führen, und sich auf die Kostenreduktion im
Gesundheitswesen positiv auswirken.
Homecare, eHealth und Telemedizin
In Deutschland werden bereits heute sechs Millionen Menschen mit Hilfsmitteln von
Homecare-Unternehmen versorgt, die Anzahl wird aufgrund des demographischen Wandels
weiter steigen. Auch die ambulante Patientenversorgung wird in der Folge von
Veränderungen im Gesundheits- und Krankenhauswesen zunehmen, denn Patienten sollen
nach der Behandlung/Operation möglichst schnell in den ambulanten Bereich überführt
werden. Damit werden die Weiterentwicklung und die Einführung der Telemedizin als
Bestandteil der Regelversorgung einhergehen. eHealth, Telemedizin und -monitoring sowie
die erforderliche Vernetzung sollen eine bessere, sichere, optimierte und kosteneffiziente
Versorgung gewährleisten. Das ist insbesondere für die medizinische Betreuung chronisch
kranker, älterer und pflegebedürftiger Menschen von Interesse. Smarte Textilien mit
sensorischen und elektronischen Funktionen können hierzu einen wesentlich Beitrag leisten.
Für den Einsatz der Telemedizin und entsprechender Produkte beim Patienten sind noch
intelligente, standardisierte Schnittstellen zu entwickeln und damit eine Interoperabilität der
Systeme sicherzustellen. Wesentliche zu erfüllende Anforderungen sind eine gute
Bedienbarkeit, eine hohe Ausfallsicherheit/Zuverlässigkeit, einfache Kommunikation (WiFi),
Gewährleistung von Datenschutz und Konformität mit dem Medizinproduktegesetz.
Gesundheit und Fitness als attraktiver Markt
Wie aktuell das Thema ist, zeigt sich u. a. darin, dass nicht nur Unternehmen der
Medizintechnikbranche sich damit befassen. Gesundheit und Fitness entwickeln sich für
Technikfirmen zu attraktiven Märkten. So arbeiten Unternehmen aus der
Konsumgüterindustrie oder des Telekommunikationssektors an entsprechenden Lösungen.
Die Deutsche Telekom hat jüngst mit der Deutschen Telekom Healthcare and Security
Solutions eine eigene GmbH gegründet, um den Ausbau von IT und Telekommunikation im
Gesundheitswesen voranzutreiben. Die Telekom hat derzeit diverse Telemedizin-Projekte
laufen – diese fokussieren sich u. a. auf Indikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Schlaganfall, Diabetes, chronische Wunden, palliative Pflege und COPD (chronisch obstruktive
Lungenerkrankung).
Apple und Google haben vor kurzem ihre Versionen einer Gesundheitsplattform präsentiert:
Sie soll dem Privatverbraucher helfen, Gesundheitsdaten über mehrere Wearable-Geräte und
Plattformen hinweg zu verwalten. Hierbei arbeiten die Firmen mit führenden
Sportartikelfirmen zusammen, die entsprechende „Wearable Electronics“ anbieten.
4
Healthcare Wearables und smarte Textilien
Unter „Wearable Electronics“ versteht man tragbare elektronische Geräte, die über
mobile Computersysteme und eine Netzanbindung verfügen. Experten erwarten, dass
„Wearable Electronics“ in naher Zukunft nicht nur unseren Lebensstil, sondern unseren
gesamten Alltag und unsere Kommunikationsweise nachhaltig verändern werden.
Betrachtet man den Markt für sogenannte „Wearable Electronics“ zeigt sich ein großes
Potenzial: der Markt soll bis 2018 auf 8,3 Milliarden US-Dollar anwachsen, 2012 betrug der
Umsatz etwa 2,7 Milliarden US-Dollar. Unter „Wearable Electronics“ versteht man tragbare
elektronische Geräte, die über mobile Computersysteme und eine Netzanbindung verfügen.
Experten erwarten, dass „Wearable Electronics“ in naher Zukunft nicht nur unseren Lebensstil,
sondern unseren gesamten Alltag und unsere Kommunikationsweise nachhaltig verändern
werden. Das Wachstum wird aktuell stark von den Entwicklungen in der Elektronik und
Mikrotechnologie getrieben: Kompakte Chips, Kameras und Batterien, kostengünstige
Sensoren und energieeffizienter Bluetooth-Funk ermöglichen es, Produkte rund um die Uhr
mit dem Handy und dem Internet zu vernetzen. Zahlreiche Consumer-Produkte befinden sich
bereits auf dem Markt. Sie können eine Vielzahl von Daten erfassen und in Echtzeit
analysieren, z. B. Vitalparameter wie Aktivitäts- und Ruhephasen, Blutzuckerspiegel, BMI
(Body-Mass-Index), Gewicht oder Körperfettwerte. Die Geräte sind meist kabellos mit
Smartphone und Onlinetools verbunden, um die Daten zu Gesundheits-, Ernährungs- und
Aktivitätsstatus umgehend auswerten zu können. Während für Spitzensportler die
Dokumentation von physiologischen Parametern und Aktivitäten schon lange zum Alltag
gehört, werden in Zukunft vor allem auch chronisch Kranke von neuartigen Biosensoren für
nicht-invasive Verfahren, patientennaher Labordiagnostik und Point-of-Care Testing (POCT)
sowie mikroelektromechanischen Systemen profitieren.
Ganz dicht dran am Kunden
Im Sport-, Gesundheits- und Medizintechnikbereich erlangen vor allem tragbare körpernahe
Sensoren eine immer größere Bedeutung. So wird der Markt für sogenannte „Healthcare
Wearables“ als der große Zukunftsmarkt gesehen. Textilien mit intelligenten Funktionen
werden bei der Realisierung solcher Produkte für den medizinischen Einsatz eine wichtige
Rolle spielen. Prognosen gehen davon aus, dass sich der globale Markt für smarte Textilien
bis zum Jahr 2020 auf 1,5 Milliarden US-Dollar belaufen wird.
Das große Marktpotenzial beruht zum einen auf einer immer größer werdenden
gesundheitsbewussten Bevölkerungsgruppe und deren Bestreben, Vitalparameter zu
erfassen. Die Daten werden präventiv für eine umfassende Beurteilung des
Gesundheitszustands eingesetzt und damit für die Optimierung des eigenen Lebensstils. Zum
anderen wird die Entwicklung durch Trends wie eHealth und Telemedizin vorangetrieben.
Smarte Sensoren für smarte Textilien
Bei der Verwendung smarter Textilien wird oft zuerst an die Überwachung von
Körperfunktionen wie Herz- und Atemrhythmus gedacht. Hierzu laufen vielfältige
Forschungsvorhaben, z. B. die Entwicklung von Sensorfäden und textilbasierte Sensoren, die
sowohl bei trockener als auch feuchter Haut zuverlässig funktionieren. Im Rahmen des bis
2015 andauernden Teilprojekts „IS-03 Smart Sensors A - Textile Integration körpernaher
Sensorik“ des Spitzenclusters des Medical Valley EMN e.V. soll z. B. eine flächendeckende
Testumgebung für solch innovative telemedizinische Produkte aufgebaut werden.
Derzeit arbeitet man z. B auch an der Entwicklung sogenannter Sensor-Pflaster, die
kontinuierlich bestimmte Parameter überwachen und darüber hinaus Blutwerte überprüfen
können. Die Werte werden drahtlos an ein Handy übertragen. Damit könnte die frühzeitige
Erkennung von Krankheiten und die kontinuierliche Überwachung der Wirkung von
Medikamenten Realität werden.
Drahtlose Blutdruckmessgeräte sind derzeit ebenfalls ein viel beachtetes Entwicklungsgebiet,
vor allem für Langzeitüberwachungen über mehrere Stunden oder auch Tage. Der Prototyp
eines neuartigen Armbands misst dank eines Sensors aus einer neuen piezoresistiven
Hybridfaser wesentlich genauer als bisherige Produkte. Der Sensor misst den Anpressruck auf
der Haut und kann Veränderungen der Signalstärke durch Verrutschen oder
Muskelentspannung detektieren und die Messwerte entsprechend korrigieren. Die
Messgenauigkeit wird dadurch um mehr als 70 Prozent gesteigert.
5
Smarte Textilien zur Überwachung der Wundheilung
Der Wundheilungsprozess ist sehr komplex. Jede Wunde ist mit Bakterien versehen; ist
die Bakterienanzahl zu hoch, kann dies den Heilungsprozess verlangsamen oder
vollends behindern. Unter bestimmten pathologischen Bedingungen wie Diabetes kann
es sogar zur Entwicklung chronischer Wunden kommen.
Allein in Deutschland leiden an die vier Millionen Menschen dauerhaft an chronischen
Wunden. Die Kosten für die GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) belaufen sich auf über
vier Milliarden Euro pro Jahr.
Neue Sensoren in Wundauflagen könnten ein effektiveres Monitoring des
Wundheilungsprozesses und damit ein frühzeitigeres Erkennen von Wundinfektionen
ermöglichen. Dies kann über in Textilien integrierte biochemische, chemische oder
physikalische Sensorik erreicht werden. Industrie und Forschung arbeiten bereits in größeren
Verbundprojekten an solchen Systemen.
Als Sensoren können z. B. bioresponsive Polymere verwendet werden: Sie reagieren auf
biologische Reize wie enzymatische Prozesse mit einer Farbänderung oder der Freisetzung
bestimmter Wirkstoffe. Sie können auf die Detektion spezifischer Enzyme „programmiert" und
auf der Basis von Hydrogelen in Textilien eingebracht werden. Auf diese Weise ist es möglich,
den aktuellen Zustand einer Wunde zu beurteilen und einen entstehenden kritischen
Entzündungsprozess sehr frühzeitig zu erkennen.
Weitere Möglichkeiten sind die Anwendung pH-sensibler optischer Fasern oder von
Indikatorfarbstoffen. Der Einsatz pH-sensibler optischer Fasern ist z. B. für die Überwachung
bettlägerigen Patienten oder Personen mit Dekubitus interessant. Die Fasern detektieren eine
Änderung des pH-Wertes des Schweißes im Falle einer Wundbildung. Textilien, versetzt mit
einem speziellen Indikatorfarbstoff, können sowohl pH-Wert-Änderungen als auch Analyte
wie Amine, Alkohole oder Zucker durch einen Farbumschlag oder Fluoreszenzänderung
anzeigen. Das System an sich ist waschbar und reversibel, damit eignet es sich auch für
andere Anwendungen wie Sensor-Schutzbekleidung.
Vor der Entwicklung sensorintegrierter textilbasierter Wundauflagen müssen die relevanten,
zu überwachenden Wundparameter bestimmt werden, z. B. Temperatur, Feuchtigkeit, pHWert oder Redox-Potential. Textilbasierte Lösungen sind für die Überwachung der ersten drei
Parameter (Widerstandsthermometer, Kapazitäts- und Widerstandsmessung) möglich. Jedoch
gilt es explizit zwischen der Entwicklung für eine trockene und feuchte Wundversorgung zu
unterscheiden. So können für die trockene Wundversorgung entsprechende Sensoren in
handelsübliche oder neu entwickelte Wundauflagen integriert werden. Für die feuchte
Wundversorgung ist die Integration einer textilbasierten Sensoreinheit denkbar.
Smarte Textilien, die heizen oder kühlen
Während Operationen können Patienten, gerade bei längeren Eingriffen, einen erheblichen
Wärmeverlust erleiden. Dies kann zu Komplikationen führen. Perioperative textile
Patientenwärmesysteme können präventiv gegen Unterkühlungen/Hypothermien bei
operativen Eingriffen eingesetzt werden. Vorteil des Wärmesystems ist ein schnelles
Aufheizen auf 38° C innerhalb von drei Minuten. Gefertigt wird es aus einem Rundstrickstoff, in
den strom- und wärmeleitfähige Garn verarbeitet sind. Dabei besteht jedes Modul aus einer
Außenhülle und innenliegenden Heizelementen. Die Außenhülle kann abgenommen und in
desinfizierenden Waschverfahren aufbereitet werden. Ebenso können die Heizelemente
sterilisiert werden. Damit erfüllt das System, das kaum dicker ist als ein herkömmliches OPTuch, die Anforderungen an Hygienerichtlinien für OP-Textilien.
Manchmal ist aber nicht Wärme, sondern Kälte gefragt: Die schnelle Kühlung des Körpers auf
32° C bis 34° C nach einem akuten Herz-Kreislauf-Stillstand oder Schlaganfall kann
schwerwiegende Hirnschädigungen vermeiden. Zu diesem Zweck wurde eine mobile, einfach
zu bedienende, Notfall-Kühlweste entwickelt, die ohne Stromquelle innerhalb von zwei
Minuten einsetzbar ist. Hierbei galt es insbesondere spezielle Anforderungen an die
Materialien des textilen Kühlpads zu erfüllen. Mit ersten Produkten ist im Laufen dieses Jahres
zu rechnen.
6
Weitere Entwicklungs- und Innovationsbeispiele
Smarte Textilien können aber auch zur Therapie genutzt werden, z. B. zur
Verbesserung der Handmotorik bei Schlaganfall-Patienten oder bei Orthesen und
Bandagen mit Biofeedback. Ein anatomisch passgerechter Handschuh mit zehn
gestickten Fingerelektroden ermöglicht gezielte stimulierende Reize auf die einzelnen
Finger und damit eine Verbesserung des sensomotorischen Verhaltens des Patienten.
Sensormatten können zur Vermeidung/Linderung von Dekubitus bei bettlägerigen Patienten
beitragen. Bislang werden Luft-, Gel- oder Vakuumkissen verwendet, um Druckbelastungen
zu reduzieren. Sie entlasten aber die betroffenen Areale nicht in optimaler Weise und die
Patienten können selbst die Druckbelastung nicht aktiv beeinflussen. Spezielle Sensormatten
sollen verhindern, dass sich Gewebeschäden bilden. Jüngst wurde eine Matte entwickelt, die
aus herkömmlichen Schaumstoff und leitfähigen Garnen besteht. In einem Abstand von vier
Zentimetern befinden sich Sensorzellen. Prinzipiell funktioniert die taktile Sensormatte wie ein
Plattenkondensator, anstelle von Platten werden textile Komponenten verwendet. Im
Gegenzug zu hochauflösenden Sensormatten, die mehrere Tausend Euro kosten, können von
dieser Einzelstücke schon für wenige Hundert Euro gefertigt werden.
Sensortextilien können in Form von Strümpfen genutzt werden, um die Bein- und Fußform
exakt zu vermessen bzw. die dynamische Druckverteilung zu bestimmen. Bei dieser
Entwicklung bestehen die Steuerungs- und Messleitungen nur aus Textilien. Das intelligente
Messinstrument passt sich flexibel an den Fuß an. Einsatzpotenziale bestehen u. a. für die
Herstellung von Spezialschuhen, z. B. zur Verhinderung von wunden Füssen beim DFS
(Diabetisches Fußsyndrom), oder zur individuell zugeschnittenen Produktion von
Kompressionsstrümpfen.
Frühgeborene werden in der Regel über Wochen in Säuglings-Brutkästen intensiv
medizinisch betreut. Die hier fehlende räumliche Begrenzung und nicht vorhandenen
pränatalen sensorischen Reize durch die Gebärmutter führen oft zu erheblichen Spätfolgen:
Die Kinder haben dann mit sensorischen und motorischen Defiziten zu kämpfen, die therapiert
werden müssen. Diesem möchte man mit der Entwicklung einer „künstlichen Gebärmutter“
entgegenwirken, die die mütterliche Umgebung und Reizstimulation in den Brutkasten
überträgt. Die Eigenschaften der Gebärmutter sollen realitätsnah mit Textilien nachgeahmt
werden; ein motorischer Textilaktuator soll die sensorischen, motorischen und
Gleichgewichtsreize vermitteln. Man rechnet bereits 2015 mit einem ersten Protoypen zur
Erprobung in der Praxis.
Auch bei medizintechnischen Großgeräten bieten sich Anwendungsmöglichkeiten für textile
Sensoren. Bewegbare Medizingeräte im Operationssaal erfordern einen hohen
Personenschutz; eine Kollisionsdetektion ist nötig, die bei Kontakt mit Körperteilen den
Sicherheitskreis des Gerätes auslöst. Für den Kollisionsschutz könnten zukünftig textile
Systeme zum Einsatz kommen. Sie müssen jedoch vielfältige Anforderungen erfüllen wie
Desinfizierbarkeit der Oberfläche, Biokompatibilität, technische Sicherheit, Design und
Farbgestaltung. Derzeit werden unterschiedliche taktile Textil-Sensoren, u. a. kapazitive,
resistive und induktive Varianten, untersucht.
© medizintechnologie.de/ch
Herunterladen