Sprache(n) im Exil Workshop zur Vorbereitung des Jahrbuchs Exilforschung 32 (2014) 19./20. Februar 2014 „I had better tell you where I got my English from. Answer, in two words: from Hitler.” Werner Lansburgh, Dear Doosie „Es gibt keinen Ersatz für die Muttersprache. Man kann die Muttersprache vergessen. Das ist wahr. Ich habe es gesehen.“ Hannah Arendt, Interview mit Günter Gaus. „Das Leben zwischen den Sprachen […] ist schwierig und ermüdend. Aber wer es einmal gelebt hat, würde dennoch nicht wieder heimkehren wollen in eine Muttersprache“. Jean Améry: Das Leben zwischen den Sprachen. „Das Exil schenkt einem unerwartet, zum Glück, die zwei Seelen in einer einzigen Brust.“ Georges-Arthur Goldschmidt: Exil und Doppelsprachlichkeit Sprache und Sprachen, die Diskussion um ihren Verlust und Erwerb, um die Einzigartigkeit der Muttersprache oder die Austauschbarkeit von Sprachen, um Sprachreinheit oder Praktiken des code-switching und der Sprachmischung sind durchgängige Themen des Exils. „Vom Überleben in fremden Sprachen“ hat Inge Deutschkron ihren Band genannt, der die Schwierigkeiten deutscher und österreichischer Emigranten mit den Sprachen ihrer Exilländer dokumentiert und im Titel auf die existenzielle Dimension der Sprachproblematik verweist. Für Schriftsteller ebenso wie für Wissenschaftler bedeutet das Exil „in fremden Sprachen“ zudem zwangsläufig, ihr Arbeitsmaterial, die (deutsche) Sprache, in neuem Licht zu betrachten. Neben der programmatisch behaupteten Notwendigkeit, die deutsche Sprache als kulturfähige auf ‚fremdem Boden‘ bewahren zu müssen, während sie durch den Nazi-Jargon im faschistischen Deutschland ‚verhunzt‘ werde, wird die drohende Gefahr einer Erstarrung der „vom lebendigen Strom der Muttersprache“ abgeschnittenen künstlerischen Möglichkeiten beklagt. Der Dichter im Exil spiele „auf einer Geige aus Stein, auf einem Klavier ohne Saiten“, so hat es Leonhard Frank formuliert. Demgegenüber gibt es aber zunächst meist die Notwendigkeit, im Alltag zurecht zu kommen, weshalb die Sprache des Gastlandes vielfach ausdrücklich als Verkehrssprache beschrieben wird, die andere Funktionen erfüllt als die Muttersprache. Versuche jedoch, im Exilland ein (neues) Lesepublikum zu finden, führen vielfach nicht nur zu Übersetzungen (z.T. existieren überhaupt nur übersetzte Erstpublikationen von Exilwerken), sondern auch zu verstärkten Bemühungen um die neue Sprache als Sprache der Dichtung. In vielen Fällen zeitigt die Konfrontation mit anderen Sprachen ein besonderes Sprachbewusstsein, das sich wiederum in verschiedenen Formen präsentiert. Die Verteidigung der deutschen Muttersprache als unraubbares Gut und letzte Heimat steht der Annäherung an die Fremdsprache und dem literarischen Experimentieren mit Sprachmischung gegenüber. Hinzu kommt eine beachtliche Gruppe von Autoren und Autorinnen, die zeitweise oder für immer die Sprache wechseln – und deren Werk daraufhin im Horizont nationalphilologischer Grenzziehungen das Bürgerrecht in der der deutschen (Exil-)Literatur verlor. Trotz dieser Omnipräsenz und Vielfalt hat das Thema der Sprache(n) im Exil bislang in der Forschung noch wenig Aufmerksamkeit erfahren, obgleich ein solches Desiderat seit langem immer wieder formuliert wurde. Willkommen sind Beiträge, die Fragen der Konzeption von Einsprachigkeit, Mutter- und Fremdsprache sowie Sprachwechsel und Mehrsprachigkeit im Kontext des Exils anhand unterschiedlicher Sprachdokumente und Textsorten (z.B. philosophische, wissenschaftliche, literarische, essayistische, autobiographische) untersuchen. Der Hauptfokus liegt auf dem Exil aus NS-Deutschland 1933-45 (bzw. dessen Nachleben), eine Ausweitung auf andere Exilsituationen und -literaturen ist aber ausdrücklich erwünscht. Mögliche Untersuchungsgegenstände könnten sein: o o o o o o o o o o o o Affirmation und Problematisierung von Muttersprachkonzepten Erscheinungs- und Artikulationsweisen von Sprachverlust und Sprachkrise Affirmation und Problematisierung von Konzepten einer Nationalsprache und –kultur Modelle sprachlicher und kultureller Hybridität und Transnationalität Phänomene des Sprachwechsels Phänomene von Code-Switching und Sprachmischung Produktions- und Rezeptionsbedingungen von ein- bzw. mehrsprachiger Exilliteratur Konstellierungen von Sprache und Geschlecht im Exil bzw. in der Exilliteratur Reflexionen auf die Mehrsprachigkeit der jüdischen Literatur Wissenschaftssprache und Exil Psychoanalyse und Sprachkonzepte im Exil Linguistische und sprachphilosophische Konzepte im Exil / des Exils Vorschläge zu Beiträgen für das Jahrbuch (und, falls möglich, einen Vortrag im Rahmen des Workshops) werden erbeten (Titel und halbseitiges Abstract) bis zum 30. Juni 2013 an folgende mail-Adresse: [email protected] Abgabe der Manuskripte: 30. März 2014 Organisation: Prof. Dr. Doerte Bischoff Prof. Dr. Christoph Gabriel JProf. Dr. Esther Kilchmann Universität Hamburg Fachbereich Sprache – Literatur – Medien Von-Melle-Park 6 20146 Hamburg